kreiseinteilun
einzelner
Gesetzes
Die Regierungsreferendare Griebel aus Marienwerder, Klugkist aus Gumbinnen, Freiherr von Quadt⸗Wykradt⸗ Hüchtenbruck aus Magdeburg, von Köller aus Schleswig, Dr. jur. Gohlke aus Bromberg und Dr. jur. Kutscher aus Trier haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Ver⸗ waltungsdienst bestanden. G
“
Laut telegraphischer Meldung von „W. T. B.“ ist S. M. J.
„Hohenzollern“ am 23. Februar von Kiel nach Plymouth
in See gegangen.
Hannover, 22. Februar. Der 37. hannoversche Pro⸗
inziallandtag gab in seiner heutigen, fünften Sitzung zunächst über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aus⸗ dehnung einiger Bestimmungen des allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 2 die Arbeiten zur Aufsuchung von Stein⸗ und Kalisalz und von Soolquellen in der Provinz Hannover, sein Gutachten ab, in dem er sich mit dem Gesetz⸗ entwurfe einverstanden erklärte, nahm dann die Wahl von Mitgliedern des Provinzialausschusses und ihren Stellvertretern vor, überwies einen Antrag dieses Ausschusses, betreffend Abänderung einiger Bestimmungen über die Besoldung der Provinzialbeamten, einer Kommission zur Vor⸗ beratung und lehnte zum Schluß einen Antrag auf Abänderung der Beschlüsse des 36. hannoverschen Provinziallandtags vom 21. Fe⸗ bruar 1903, betreffend die Bestimmungen über die Förderung des Baues von Kleinbahnen durch die Provinz Hannover, ab.
Cassel, 22. Februar. Heute wurde der 29. Kommunal⸗ landtag des Regierungsbezirks Cassel von dem Oberpräsidenten Hessen⸗Nassau von Windheim mit folgender Ansprache eröffnet:
„Geehrte Herren! Namens der Königlichen Staatsregierung heiße ich Sie bei dem Beginne Ihrer diesjährigen Tagung willkommen. Mit freudiger Dankbarkeit gedenken wir der Anwesenheit Ihrer Majestäten bei Gelegenheit der Manöver im verflossenen Jahre und der reichen Beweise gnädiger Gesinnung Allerhöchstderselben gegen Sie und unsere Heimat; ich weiß mich mit Ihnen allen einig in dem Gefühle des Dankes gegen Gott für die baldige Genesung unseres Kaisers und Königs nach der plötzlichen und erschreckenden Erkrankung im vergangenen Herbste, einig aber auch in dem Wunsche, daß die Sympathien, die sich bei jener Gelegenheit überall im Vaterland ge⸗ zeigt haben, dazu beitragen möchten, die vorhandenen Bande zwischen Herrscherhaus und Volk immer fester und inniger zu gestalten.
Die Königliche Staatsregierung hat Ihnen keine Vorlagen zu machen. Der vorliegende Verwaltungsbericht gibt ein erfreuliches Bild von den Fortschritten auf dem Gebiete der kommunalen Selbst⸗ verwaltung, und Sie werden 1 in der diesmaligen Tagung reiche Gelegenheit zur Betätigung Ihrer Liebe zur engeren Heimat, sowie zur Pflege und Förderung der Interessen des Bezirks haben. Hierzu werden Ihnen besonderen Anlaß geben: die Beschlußfassung über den diesjährigen Bezirkshaushaltsplan, die Vorlage über den Er⸗ weiterungs⸗ und Umbau des Ständehauses, sowie die im Etat er⸗ betene Bewilligung von Mitteln zur Errichtung eines Denkmals für Philipp den Großmütigen in Haina und eines Denksteines für denselben in Merxhausen, um den 400 jährigen Geburtstag dieses hessischen Fürsten würdig zu begehen. Soweit die Königliche Staats⸗ regierung berufen ist, bei Ihren Arbeiten mitzuwirken, wird dies im vollen Bewußtsein ihrer Bedeutung bereitwillig geschehen.
Indem ich dem Wunsche Ausdruck gebe, daß Ihre Beratungen zum Wohle und Segen des Bezirks dienen mögen, erkläre ich den auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Königs auf heute einberufenen 29. Kommunallandtag für eröffnet.“
Der Alterspräsident, Bürgermeister Reinhardt⸗Landershausen, gab in seiner Erwiderung, den ehrfurchtsvollen Gesinnungen des Kom⸗ munallandtages gegenüber Seiner Majestät dem Kaiser und König Ausdruck, und die ““ schloß sich dieser Kundgebung in einem auf Seine Majestät ausgebrachten Hoch lebhaft an.
Nachdem hierauf der Kammerherr von Pappenheim zum Vor⸗ sitzenden und der Geheime Sanitätsrat Dr. Endemann zum stell⸗ vertretenden Vorsitzenden durch Zuruf gewählt und die erforderlichen Ausschüsse gebildet war n, wurde die Sitzung ʒschloss
Bayern. 1“
Die Kammer der Abgeordneten setzte gestern die Beratung des Landtagswahlgesetzes fort. Der Abg. Heim (Zentrum) führte aus, daß seit 34 Jahren die Lage für eine Wahlgesetzreform noch nie so günstig gewesen, wie jetzt, wo auch die Kammer der Reichs⸗ räte mit ihr einverstanden sei. Plötzlich käme nun der Widerspruch der liberalen Partei dazwischen. Auch das Zentrum habe manche Bedenken gegen einzelne Teile der Vorlage und gegen die Wahlkreiseinteilung gehabt, diese Bedenken seien aber zurückgedrängt, damit überhaupt etwas zustande käme. Der Redner polemisierte dann gegen den Antrag des Grafen Moy und gegen diejenigen Liberalen, die an den Arbeiten des Wahl⸗ rechtsausschusses eeee- beteiligt seien. Das Zentrum sei jetzt in Bayern viel liberaler als die Liberalen selbst. Der Einfluß der katholischen Geistlichkeit beruhe nicht, wie fälschlich behauptet werde, auf Mißbrauch von Kanzel und Beichtstuhl, sondern darauf, daß die Geistlichen praktische, soziale Arbeit leisteten. Der Redner schloß seine Ausführungen mit wiederholten heftigen Angriffen auf die Liberalen, die aus kleinlichen, persönlichen Rücksichten dies Gesetz zu Falle zu bringen versuchten. 5 4 1
Der Minister Freiherr von Feilitzsch erklärte, bei einer so wichtigen Vorlage wie das Landtagswahlgesetz müßte sich der Ressort⸗ minister mit den anderen Ministern in beständiger Fühlung halten. Der Landtag habe sich einmütig für kleinere Wahlkreise ausgesprochen. Die Staatsregierung werde bei der Ausarbeitung der neuen Wahl⸗ alle Verhältnisse nochmals objektiv prüfen, sei aber vor der tatsächlichen Feststellung der neuen Wahlkreiseinteilung nicht in der Lage, nähere Auskünfte darüber zu geben, wie diese Einteilung ausfalle. Eine Drohung sei nicht beabsichtigt gewesen. Der Ministerrat habe beschlossen, die Erklärung noch vor der Debatte ab⸗ zugeben, damit es nicht heiße, es sei auf diese oder jene Wünsche Redner Rücksicht genommen worden. Daß jene Wahlkreiseinteilung, die ein Bestandteil des vorliegenden sei, bei dem Scheitern des letzteren einfach durch Verordnung eingeführt werde, sei wegen der vorliegen⸗ den gesetzlichen Bestimmungen bekanntlich unmöglich. Der Minister
selbe
wies sowohl die Berechnungen, wie das Wahlergebnis bei dieser oder
jener - getan, um das Wahlgesetz zustande bringen.
sein werde, als auch die Angriffe der Liberalen als ungerecht zurück. Die Regierung habe ihre Pflicht
unzutreffend un . Alle Parteien möchten
die Hand zu dem Kompromiß bieten, um noch in letzter Stunde das 8 liis S retten.
er Abg. Jäger (Zentr.) bekämpfte den Standpunkt der Liberalen. Der Abg. Casselmann Frean erklärte, seine Partei lasse sich von ihrer Stellung zum Wahlgesetz weder durch Drohungen no
durch Liebenswürdigkeiten abbringen, sie verlange Beseitigung der
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*
die
relativen Mehrheit und Konzessionen in der Wahlkreiseinteilung. Bei
den früheren Versuchen der Wahlgesetzreform habe das Zentrum
auch Entwürfe abgelehnt, weil es für seine Mandate gefürchtet habe. Gerade dieselben Zentrumsabgeordneten, die den Liberalen jetzt Vorwürfe machen, hätten damals dieselbe Festung eingenommen,
heute die Liberalen einnähmen. Der Antrag Moy sei ein Beweis dafür, daß weite gut katholische Kreise die jetzige politische Agitation der katholischen Geistlichen verurteilen. Der Redner pole⸗
misierte im übrigen gegen die sozialdemokratischen und Zentrumsredner
dieser Tage und hob am Schlusse hervor, daß die Regierung 23 Jahre hindurch die alte EIT“ für gerecht erklärt habe, Ptt aber, da das Zentrum dränge, ihre bisherige Haltung aufgebe. Der
ve.
Redner wandte sich auch gegen die gestrige Erklärung des Minister⸗ räsidenten Freiherrn von Podewils⸗ der das Staatsschiff vollends ns Schwarze Meer gesteuert habe. Hierauf wurde die auf heute vertagt.
In der heute fortgesetzten Beratung des Landtagswahl⸗ Feülesen stellt Ministerpräsident von Podewils fest, daß das Ninisterium von den Grundsätzen der bisherigen Regierungspolitik nicht nee een sei und daß es seines Amts mit größter Objektivität ohne Rücksichtnahme auf eine Partei zur Förderung des all⸗ Wohles walte. Die Schaffung kleinerer Wahlkreise ent⸗ preche dem Wunsche aller Parteien. (Der Abg. Wagner lib.) rief: Das ist nicht wahr! Der Präsident Orterer bezeichnete diesen Zwischenruf als unzulässig.) Der Ministerpräsident fuhr fort, der Wunsch nach Saung⸗ kleinerer Wahlkreise sei auf dem Wege der Verwaltungsmaßnahme erfüllbar. Das besage die Regierungserklärung, die er zu Beginn der Debatte ab⸗ egeben habe. Die Angriffe dagegen seien unbegründet. Was die Angriffe auf seine Person betreffe, so sei keine auf seinen Einfluß zurückzuführende Tatsache wahrzunehmen, die im Gegensatz zu den Grundsätzen der bisherigen Regierungspolitik stehe.
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Baden. 1 8
Mit der Leitung des Finanzministeriums ist, wie
W. T. B.“ aus Karlsruhe meldet, bis auf weiteres Ministerialdirektor Becker betraut worden, dem die Leitung schon bald nach der Erkrankung Dr. Buchenbergers übertragen worden war.
Hamburg.
Nach einer S des „W. T. B.“ erhielten bei den gestern vorgenommenen halbschichtigen Grundeigentümer⸗ wahlen zur Bürgerschaft die Rechte 3, das linke Zentrum 6 und die Linke 10 Sitze. Eine Stichwahl steht noch aus. Bisher hat die Rechte 2 Sitze gewonnen. Das linke Zentrum hat seinen Besitz 1 während die Linke 12 Sitze und die Antisemiten 2 Sitze verloren haben, haben die Sozial⸗ demokraten endgültig 12 Sitze erlangt.
Deutsche Kolonien.
Von dem Kaiserlichen Gouverneur von Deutsch⸗Südwest⸗ afrika, Oberst Leutwein sind, wie „W. T. B.“ meldet, gestern folgende Telegramme eingegangen:
Die gegenwärtige Kriegslage ist folgende: Die Ost⸗ abteilung unter Major von Glasenappmarschiert über Gobabis gegen den Häuptling Tjetio und sperrt die Grenze. Die Haupt⸗ abteilung Rarahe sich bei Okahandja und beschränkt sich bis um Eintreffen der Verstärkung auf kleine Vorstöße gegen den anscheinend bei Otjosongatt und Waterberg in abwar⸗ tender Stellung befindlichen Feind. Die Westabteilung unter Major von Estorff geht auf Outjo vor und entwaffnet den Omaruru⸗Stamm. om Süden des Schutzgebiets her ist eine Kompagnie und eine Gebirgsbatterie in Anmarsch. Zum Schutz des Südens bleiben dort eine Kompagnie und zwei Geschütze.
Eine Abteilung unter Oberleutnant Schultze erbeutete am 8. Februar in einem Gefecht südlich Tsumanas 300 Stück Großvieh und 400 Stück Kleinvieh. Der Feind hatte 10 Tote, diesseits kein Verlust. Am 2. Februar haben Ovambos des Kapitäns Nechale den Polizeiposten Amatoni angegriffen, wurden aber mit einem Verlust von 60 Toten abgeschlagen. Der Posten wurde später eingezogen. Die Ovambos des Kapitäns Kambonds sind bis jetzt friedlich. Major von
Estorff hat die Verbindung mit Outjo hergestellt. “
Oesterreich⸗Ungarn.
In der ungarischen Delegation erklärte, wie „W. T. B.“ meldei, gestern in der fortgesetzten Beratung des Heeresbudgets Graf Apponvi, er sei durch die Reformen nicht befriedigt und halte an der Forderung der ungarischen Kommandosprache fest, ohne auf deren sofortiger Durchführung zu bestehen. Er erkenne zwar an, daß der Kriegsminister aufrichtiger, als es bisher der Fall gewesen, bemüht sei, den ungarischen Bestrebungen Rechnung zu tragen, lehne jedoch das Budget aus politischen Gründen ab. Der Ministerpräsident Graf Tisza polemisierte hierauf gegen den Grafen Apponyi und betonte, die Regierung habe die ehrliche
bsicht, das Programm der liberalen Partei durchzuführen und der ungarischen Nation die ihr gebührende Stellung in der Armee zu verschaffen. Eine derartig abfällige Kritik, wie sie Apponyi geübt, könnte jedoch leicht den Wert der Reformen in den Augen der Ungarn herabsetzen. Der Ministerpräsident verwies auf den vielfachen Wandel der politischen Auffassungen des Grafen Apponyi, der auf eine schiefe Ebene geraten sei; es wäre das größte Unglück, wenn die Nation auf die gleiche schiefe Ebene käme. Graf Apponyi antwortete, der Ministerpräsident 8 durch einen Frontwechsel zur Macht gelangt und habe seine ministerielle Tätigkeit mit einem Programm be⸗ gonnen, das von anderen Politikern zur Reife gebracht sei; Graf Tisza habe daher kein Recht, ihn der Inkonsequenz zu zeihen. Der Ministerpräsident erwiderte, er habe stets das Programm der liberalen Partei gebilligt und nur die maßlosen Forderungen verworfen. Nie habe er ein Geheimnis daraus gemacht, daß er die Regierung in einem b übernommen habe, wo er sich ihr nicht gut habe entziehen önnen.
Großbritannien und Irland.
8 gestrigen Beratung der Ergänzungsforderungen im Unterhause kamen mehrere Redner . seinerzeit von Chile bestellt gewesenen Schiffe zu sprechen. Der Schatzkanzler Austen Chamberlain erklärte, im vorigen Frühjahr habe es die Regierung für nicht wünschenswert gehalten, die Schiffe zu dem damals geforderten Preise und unter den damals obwaltenden Umständen zu kaufen. Als die Angelegenheit in diesem Winter wieder an die Re⸗ gierung kam, habe sie es für notwendig gehalten, die Schiffe zu dem nunmehr gestellten niedrigeren Preise und unter den vorliegenden Um⸗ ständen anzukaufen. Wären die Schiffe von einer anderen Seemacht erworben, so wäre dadurch das maritime Gleichgewicht ernstlich gestört worden. Der Unterstaatssekretär Pretyman bemerkte, eine Folge des Ankaufs der Kriegsschiffe sei, daß die Admiralität, slatt den Bau von drei Schlachtschiffen im nächsten April zu beginnen, nur den von zwei Schlachtschiffen, und zwar erst im 18 beginnen würde; sie hoffe sogar, daß es möglich sein würde, noch ein Schlachtschiff aus dem künftigen Flottenprogramm zu streichen. 8 Frankreich.
Wie „W. T. B.“ meldet, hat die Deputiertenkammer nach Frecpe Debatte gestern den Gesetzentwurf, betreffend die algerischen Eisenbahnen, der Senat in zweiter Lesung mit 184 gegen 98 Stimmen einen Gesetzentwurf, durch den das höhere Unter⸗ richtswesen reorganisiert und das Gesetz Falloux beseitigt wird, an⸗ genommen. — Die äußerste Linke beschloß, sich der nationalistischen Gruppe in deren Absicht, eine Interpellation über die Marine einzubringen, nicht anzuschließen, da es augenblicklich nicht angezeigt erscheine, den Marineminister zu zwingen, öffentlich Aufklärung über den Stand der Seestreitkräfte Frankreichs zu geben. Im gestrigen Ministerrat teilte, demselben Bureau zufolge, der Minister des Auswärtigen Delcassé die Nachrichten mit, d über die Lage im Balkan und in Ostasien erhalten habe. 9
In der zum Marineetat auf den Ankauf der
eiterberatung
Der Kaiser empfing, nach einer Meldung der g Telegraphenagentur“, 8. im Winterpalais 8* G scha wart des Ministers des Innern und des Gouverneurs 8a St. Petersburg eine Abordnung der zu einer außerorden lichen Tagung zusammengetretenen Zemstwo der Pror. St. Petersburg, die anläßlich der jüngsten Ereignisse nn fernen Osten eine Ergebenheitsadresse überreichte. 8. enthielt den Ausdruck der unbegrenzten Ergebenhei der Entrüstung über den Feind, der den vom Kaiser 2 wünschten Frieden gestört abe, das Bekenntnis, daß i- der Provinz sich einmütig um den Thron schan Bünsche für Siegestaten der Kaiserlichen Truppen 5 für die “ und das Wohlergehen des Kaisen Der Monarch erwiderte mit Worten des Dankes für de zum Ausdruck gebrachten Gefühle. Er finde in diese schweren Zeiten Trost in den einmütigen Kundgebungen 8. Vaterlandsliebe, die aus allen Provinzen Rußlands kͤmen Der Kaiser sprach die Hoffnung auf die Hilfe Gottes für di gerechte Sache und die Versicherung aus, daß die tapferen Truppen und die Marine ihre Pflicht zur Ehre und 8- Ruhme des Vaterlandes tun würden.
An die Vertreter Rußlands im Auslande hat der Minister für die auswärtigen Angelegenheiten amn 22. d. M. ein Rundschreiben folgenden Inhalts gerichtet.
SSeit dem Augenblick des Abbruchs der diplomatischen B ziehungen zwischen Rußland und Japan zeigt das Benehmen 1 Kabinetts in Tokio eine offenbare Verletzung der allgemein gebräuch lichen Regeln, welche die Beziehungen zwischen zivilisierten Staaten bestimmen. Ohne auf einzelne Verletzungen dieser Regeln durch Japan einzugehen, hält es die Kaiserliche Feceterbcs für notwendin die allerernsteste Aufmerksamkeit der Mächte auf die Gewaltakt der japanischen Regierung hinsichtlich Koreas zu lenken. Die Seld⸗ ständigkeit und Integrität Koreas als völlig selbständigen Reichs wurde von allen Mächten anerkannt. Die Unantastbarkeit dieser Grund⸗ prinzipien wurde durch Artikel 1 des Traktats von Schimonoseki be⸗ stätigt, durch einen Vertrag, der besonders für diesen Zweck an 17./730. Januar 1902 zwischen England und Japan geschlossen wurde ebenso durch eine französisch⸗russische Deklaration vom 3./16. März 1907
Die Gefahr eines möglichen Konfliktes zwischen Rußland und Japan voraussehend, richtete der Kaiser von Korea in den erster Tagen des Januar 1904 ein Rundschreiben an alle Mächte mit da Erklärung, strengste Neutralität wahren zu wollen. Diese Erklärung wurde mit Wohlwollen von den Mächten, auch von Rußland, entgegen⸗ genommen. Die britische Regierung, die mit Japan den coben⸗ erwähnten Vertrag vom 17./30. Januar 1902 unterzeichnet hatte, be⸗ auftragte, wie der russische Gesandte in Korea mitteilte, ihren Vertreter in Söul, dem Kaiser von Korea durch eine offizielle Note für seime Erklärung an das Londoner Kabinett zu danken, durch die angezeigt wurde, daß Korea im Falle eines Bruchs zwischen Japan und Ruf⸗ land strenge Neutralität bewahren werde.
Ungeachtet aller dieser Tatsachen, trotz aller Verträge, trotz seine Verpfli tung und im Widerspruch mit den Grundgesetzen des inter⸗ nationalen Rechts hat die japanische Regierung, wie dies jetzt auf Grund genau festgestellter Tatsachen erwiesen ist,
1) vor der Eröffnung der Feindseligkeiten gegen Rußland seim Truppen in dem selbständigen Reich Korea, das sich für neutral er⸗ klärt hatte, gelandet,
2) mit einer Abteilung ihres Geschwaders am 8. Februar, d.h drei Tage vor der Kriegserklärung, auf zwei russische Kriegsschiffe eine Angriff gemacht, die sich im neutralen Hafen Tschemulpo befanden und deren Kommandanten von dem Abbruch der Beziehungen zu Japan nicht unterrichtet waren, da die Japaner böswillig die Uebermittelung russischer Telegramme durch das dänische Kabel verhinderten und die Leitung des koreanischen Regierungstelegraphen unterbrachen (Einzel⸗ heiten des empörenden Angriffs auf die oben erwähnten russischen Schiffe sind in den veröffentlichten amtlichen Telegrammen des russischen Gesandten in Söul enthalten),
3) ₰ der bestehenden internationalen Regeln vor der Eröffnung der kriegerischen Aktion russische Handelsschiffe, die sich in neutralen koreanischen Häfen befanden, als Kriegsbeute gefangen genommen, 14) dem Kaiser von Korea durch den japanischen Gesandten in Söul erklärt, Korea befände sich nunmehr unter japanischer Verwel⸗ tung, und ihm angekündigt, daß, wenn er sich nicht fügen sollte japanische Truppen seinen Palast besetzen würden,
5) durch Vermittelung des aeiöfischen Botschafters den russischen Vertreter in Söul aufgefordert, mit dem Personal der Gesandtschaf und des Konsulats das Land zu verlassen.
Da die Kaiserliche Regierung der Ansicht ist, daß alle ange führten Tatsachen einen empörenden Bruch des geltenden internationalen Rechts bilden, hält sie es für ihre Pflicht, bei allen Mächten gegen die Handlungsweise der japanischen Regierung Protest einzulegen in der festen Ueberzeugung, daß alle Mächte, denen die ihre Beziehunge garantierenden Grundsätze wert sing, Rußlands Standpunkt teilen werden. Gleichzeitig hält die Kaiserliche Regierung es für notwendig beizeiten darauf aufmerksam zu machen, daß sie, da Japan unrecht mäßigerweise die Macht in Korea an sich gerissen habe, alle Ver⸗ ordnungen und Erklärungen, die seitens der koreanischen Regierung erlassen werden könnten, für ungültig erklärt.“ 1
Das Rundschreiben schließt mit der Aufforderung an die russischen Vertreter, das Vorstehende der Regierung, bei der sie beglaubigt sind, anzuzeigen.
„Zur Sicherung des regelmäßigen Verkehrs der Militär⸗ üge auf der Eisenbahnlinie Samara —Slatoust und der sibirischen Bahn wurden diese Bahnen nebst dem zu⸗ gehörigen enteigneten Gebiete für im Kriegszustand befindlich erklärt. Den Kommandanten der Truppen des kasanschen und des sibirischen Militärbezirks, denen die Aufsicht über diese Bahnen übertragen ist, wurden die Rechte eines Kommandierenden einer Armee verliehen.
Zum Oberbefehlshaber der Flotte des Stillen Ozeans wurde der Kommandant und Gouverneur von Kronstadt, Vize⸗ admiral Makarow ernannt; an seine Stelle tritt der älteste Flaggmann Birilioff. — Der Chef der 3. Gardeinfanterie⸗ division, General Möller⸗Sakomelski wurde zum Kom⸗ mandierenden des VII. Armeekorps ernannt.
Die sich nach dem Kriegsschauplatz begebenden deutschen Offiziere, Oberstleutnant von Lauenstein und Major von Tettow, sind in St. Petersburg eingetroffen.
Die Damen der deutschen Kolonie in St. Peters⸗ burg versammeln sich nunmehr an jedem Dienstag in der deutschen Botschaft, um unter Leitung der Grüftn von Alvensleben die für die Pflege Verwundeter notwendigen Gegenstände zu beschaffen oder entgegenzunehmen.
Port
Einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus 8 Said zufolge sind die russischen Transportschiffe „Orel⸗ mit 1227 Mann und „Smolensk“ mit Munition an Bord gestern um 5 bezw. 8 Uhr Morgens von Suez dort an⸗ gekommen und wollten binnen 24 Stunden nach Odesse weitergehen 8 1 “ 1“ 8 “ Italien.
— Die Deputiertenkammer nahm nach Meldung des „W. T. B., mit 172 gegen 38 Stimmen die Vorlage betreffend Maßnahmen zu Gunsten der Provinz Bastlicata an. 8
Spanien.
Infolge des Zusammenstoßes zwischen der Polizei und Mitgliedern republikanischer Vereine nach Schluß der vor⸗ gestrigen 8-e (vgl. Nr. 46 d. Bl.) hätten sich gestern, wie „W. T. B.“ meldet, in der “ des Kammer⸗ ebäudes zohlreiche Gruppen gebildet; die Polizei habe für ufrechterhaltung der Ordnung gesorgi. Der Ministerpräsident Maura sei bei seinem Eintritt in die Kammer verhöhnt
worden. 8 Im Laufe der Sitzung der Kammer führte der Republikaner
Sorlano unter großem Lärm zahlreiche Schriftstücke an, aus denen hervorgehe, daß es gestattet sei, Hochrufe auf die Republik auszu⸗ bringen. Estevanez erklärte, wenn die Polizei ihr gestriges Vor⸗ ehen erneuere, würden die Republikaner sich verteidigen. Blasco fündigte an, jeder neue Angriff der Polizei würde zurückgeschlagen werden. „Was mich persönlich anbetrifft“, fuhr er fort, „so werde ich von jetzt ab mit einem Revolver bewaffnet kommen.“ Der Minister des Innern verteidigte die Haltung der Polizei und fügte hinzu, dem Gesetze müsse Gehorsam geleistet werden.
Nach Schluß der Sitzung seien die Abgeordneten der republikanischen Minderheit von der auf der Straße an⸗ esammelten Menge mit Beifall begrüßt. Die Abgeordneten haͤten die Anwesenden zu besonnenem Verhalten ermahnt, Polizei und Gendarmerie hätten die Ordnung aufrecht erhalten und es sei zu keinen ernsteren Zwischenfällen gekommen. In⸗ folge der außergewöhnlichen Unruhe hätten die ziraz. die Läden geschlossen. Die Polizei habe die Volksansammlungen zerstreut.
Türkei.
Das „Wiener K. K. Telegr.⸗Korresp.⸗Bureau“ meldet, daß die Pforte an ihre Botschafter eine Zirkularnote gerichtet habe, in der ausgeführt wird, die Nachrichten über die albanesische Bewegung seien übertrieben. ie Bewegung sei bereits unterdrückt, und die Anführer würden bestraft werden.
Nach einer Meldung desselben Bureaus besagten neuer⸗ dings abgegebene Mitteilungen der Pforte an die Botschaften der Ententemächte, daß Komitatschis Griechen zwängen, zum Erarchat überzutreten, und daß sie zwei Notabeln von Operive und Krasnik im Wilajet Monastir ermordet hätten. Die Täter seien verhaftet. Der Metropolit von Castoria habe dem Wali von Monastir telegraphiert, daß Notable von Zozeldje ermordet wurden. Ferner besagen die Mitteilungen, daß in Paris 19 Wagen Patronenhülsen für Bulgarien aufgegeben seien.
Der bulgarische diplomatische Agent habe im Nildiz und auf der Pforte sowie den Botschaften der Ententemächte aber beruhigendere Versicherungen bezüglich der Haltung Bulgariens gegeben und von verschiedenen gegen die Komitatschis er⸗ griffenen Maßregeln Mitteilung gemacht, die von günstigen Wirkungen begleitet seien. ö“
Schweden und Norwegen.
Die Regierung erließ eine Verordnung, wonach die zum Gotlanddistrikte gehörigen wehrpflichtigen Klassen A und B der Jahrgänge 1897, 1898, 1899, 1900, 1901, 1902 und 1903 der Infanterie und Artillerie zum Dienst einberufen werden. Ferner werden, wie „W. T. B.“ meldet, einberufen je eine Abteilung von 30 Mann des Husaren⸗ und Dragoner⸗ regiments in Schonen, die nach Gotland übergeführt werden sollen.
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Der Senat nahm gestern, wie „W. T. B.“ aus Washington gemeldet wird, mit 66 gegen 14 Stimmen den Panamakanalvertrag an. Eine dem Senat gleichzeitig vorgelegte Bill sehe die vorläufige Regierung über das Gebiet des Kanals und den Schutz der Kanalbauten vor. Ein Teil der in Panama abgelösten Truppen sei nach den Philippinen bestimmt und solle sich den 600 Mann anschließen, die bereits von San Francisco aus abzusegeln beordert seien.
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Der Kaiser von Japan empfing, nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“, gestern in Tokio die drei engli⸗ schen Offiziere, welche die in Genua seitens Japans an⸗ gekauften Kreuzer „Nishin“ und „Kasuga“ nach Japan ge⸗ bracht haben, in Audienz und verlieh ihnen die 4. Klasse des Verdienstordens der aufgehenden Sonne zugleich mit prächtigen Geschenken. Es sei dies eine ungewöhnliche Auszeichnung, da die 4. Klasse dieses Ordens japanischen Offizieren erst nach 12 jähriger Dienstzeit verliehen werde. Nach der Audienz statteten die Offiziere dem japanischen Marineminister Yamamoto einen Besuch ab. Sie werden Kobe und andere
tädte besuchen, wo die Japaner ihnen zu Ehren Festlichkeiten veranstalten wollen.
Ueber die dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und Rußland vorausgegangenen letzten
erhandlungen wird von autoritativer Seite in Tokio folgende Erklärung abgegeben:
„Nachdem die japanische Regierung vergeblich auf Antwort auf die von ihr am 13. Januar überreichte Note gewartet hatte, wurde der japanische Gesandte in St. Petersburg am 28. Januar beauftragt, dem russischen Minister für die auswärtigen Angelegenheiten Grafen Lamsdorff mitzuteilen, in Anbetracht depen, daß eine weitere Ver⸗ zögerung der Antwort dazu angetan sei, Gefahren zu erzeugen, müsse die japanische Regierung den ernsten Wunsch aussprechen, bald mit einer Antwort beehrt zu werden, und diese ließ gleichzeitig um Angabe des Tages hierfür ersuchen. Graf Lamsdorff er⸗ widerte darauf, daß es ihm unmöglich sei, etwas Näheres darüber zu sagen, ehe die am 28. Januar zusammentretenden Minister ihre Be⸗ ratung abgehalten hätten und der Beschluß dem Kaiser unterbreitet sei; er könne daher den genauen Tag noch nicht angeben, werde aber sein Möglichstes tun, um die Antwort am 2. Februar abzusenden. Der japanische Gesandte erhielt dann von seiner Regierung die Instruktion, dem Grafen Lamsdorff folgendes mitzuteilen: „Nachdem er seiner Re⸗ gierung gemeldet habe, daß die russische Regierung wahrscheinlich am 2. Februar ihre Antwort abgeben werde, sei er beauftragt, dem Minister des Aeußern mitzuteilen, daß die japanische Regierung völlig von den ernsten Gefahren überzeugt sei, die den beiden interessierten Mächten durch eine weitere Andauer der jetzigen Situation erwachsen würden. Die Kaiserliche Regierung hätte gehofft, daß sie in die Lage gesest werden würde, die Antwort der russischen Regierung an einem fruͤheren als an dem vom Grafen Lamsdorff bezeichneten Datum zu erhalten. Nachdem aber der Empfang der Antwort an einem früheren Datum nicht möglich zu sein scheine, wünsche die japanische Regierung zu wissen, ob sie mit der Antwort an dem vom Grafen Lamsdorff genannten Tage, nämlich am 2. Februar, werde beehrt werden, und falls dies nicht möglich sei, welches dann das genaue Datum sei, an dem sie auf den ah de
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der Antwortnote rechnen könne?“ Der japanische Gesandte sah den Grafen Lamsdorff am 31. Januar und teilte ihm diese Erklärung seiner Räglezäne mit. Der Graf erwiderte, daß er vollständig. von dem Ernst der Lage überzeugt sei und wirklich wünsche, die Antwort so schnell als möglich abzusenden, daß aber die Frage eine sehr ernste sei und sich nicht flüchtig behandeln lasse; außerdem müßten die Ansichten der betreffenden Minister und des Admirals
“
8 1 Alexejew in Uebereinstimmung gebracht werden, was natürlich eine Verzögerung der Absendung der Antwort mit sich bringe. Es sei ihm auch unmöglich, das genaue Datum anzugeben, da dieses eben voll⸗ ständig von der Entscheidung des Kaisers abhänge. Auf das Ersuchen des japanischen Gesandten versprach der Graf, ihn wissen zu lassen, wann das Datum der Absendung der Note bekannt gemacht werden könnte. Am 5. Februar Vormittags wurde der japanische Gesandte durch ein Tele⸗ gramm der Kaiserlich japanischen Regierung instruiert, daß die Andauer der jetzigen Lage als unmöglich erkannt worden sei, und daß die japanische Regierung, eine weitere Verhandlung als zwecklos erkennend, beschlossen habe, die Verhandlungen abzubrechen. veee, wurde am 4. Februar, um 8 Uhr Abends, dem japanischen Gesandten vom Grafen Lamsdorff die Mitteilung gemacht, daß der Ir. der russischen Antwort soeben an den Admiral Alexejew abgeschickt worden sei, um an Baron Rosen weitergegeben zu werden; gan, Lamsdorff bemerkte dazu, 8 Admiral Alexejew vielleicht no einige Modifikationen in die Antwort einfügen würde, um diese in Uebereinstimmung mit den Anforderungen an Ort und Stelle zu bringen. Selbstverständlich kam diese Mitteilung erst in Japan an, als bereits die telegraphische Instruktion zum Ab⸗ bruch der Verhandlungen und der diplomatischen Beziehungen an den Gesandten abgegangen war. Was den im gis russischen Commu⸗ niqué de Vorwurf betrifft, daß die japanische Regierung vor einer formellen Kriegserklärung die Feindseligkeiten er⸗ öffnet habe, so wird darauf erwidert, daß einerseits im Völker⸗ recht eine formelle Kriegserklärung nicht unbedingt für notwendig er⸗ achtet werde, wie z. B. das Vorgehen Rußlands gegen die Türkei im Jahre 1877 beweise, daß andererseits aber die Note, in welcher der japanische Gesandte dem russischen Minister des Aeußern den Abbruch der Verhandlungen notifiziert, die Absicht der japanischen Regierung, militärische Maßregeln zu ergreifen, deutlich genug ausspreche. Der Schlußsatz laute: „Indem die Kaiserliche n diesen Entschluß (die Verhandlungen abzubrechen) gefaßt hat, behält sie sich das Recht vor, nach ihrem Ermessen solche Aktionen einzuleiten, die sie zur Befestigung und zur Verteidigung ihrer bedrohten Stellung sowie zum Schutze ihrer wohlbegründeten Rechte und legitimen Interessen für notwendig erachten wird.“
Der japanische Gesandte im Haag erbat von seiner Regierung in Tokio Anweisungen bezüglich eines eventuellen Protestes gegen die Ansprache des russischen Justizministers Murawjew in der vorgestrigen Sitzung des Schiedsgerichts⸗ hofes im Haag.
Aus Jingkau wird dem „Reuterschen Bureau“ gemeldet, die dort befindlichen Konsuln seien gestern zu einer Be⸗ ratung zusammengetreten, um ein einheitliches Vorgehen zur ö“ von Niutschwang zu vereinbaren; sie hätten, dem Vernehmen nach, beschlossen, wenn möglich, eine offizielle Meinungsäußerung Rußlands herbeizuführen, irgend ein weiterer Schritt getan werde. 8
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗
tags befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (41.) Sitzung des Reichstags, welcher der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten Budde beiwohnte, wurde die zweite Beratung des Reichshaus⸗ haltsetats für 1904 bei dem Etat für die Verwaltung der Eisenbahnen fortgesetzt. 1 .
Bei dem ersten Ausgabetitel, „Chef des Reichsamts für die Verwaltung der Reichseisenbahnen, ohne Besoldung“, bringt der 1
Abg. Erzberger (Zentr.) einige Wünsche bezüglich dieser Ver⸗ waltung vor. Er verbreitet sich unter anderem über die Lösung der Wohnungsfrage für die Eisenbahnbeamten und bittet um spezialisierte Mitteilung der Mietspreise in den bezüglichen Statistiken. Ent⸗ sprechende Wünsche äußert er bezüglich der Vervollständigung der Statistik, betreffend die Ruhetage des Betriebsversonals.
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fr. Volksp.): Der Eisenbahn⸗ minister hat in der vorigen Session eine wichtige Erklärung über das Koalitionsrecht der Eisenbahnarbeiter gegeben. Er gestand den in den eigentlichen Eisenbahnbetrieben und in den eigentlichen Betriebswerkstätten beschäftigten Arbeitern das Koalitionsrecht nicht zu, dagegen gestand er es denjenigen zu, die in den, nicht eigent⸗ lichen Betriebswerkstätten beschäftigt sind. Ich würde ihm dankbar sein, wenn er diese Begriffe etwas näher definierte. Er ist jedenfalls der Meinung, daß für diejenigen Arbeiter, für welche die Reichsgewerbeordnung nicht gilt, das Landesrecht gelten soll. Für Preußen ergeben sich daraus eigentümliche Komplikationen,, da wir eine preußisch⸗hessische Eisenbahngemeinschaft haben. (Präsident Graf von Ballestrem: Ich bitte, bei den Reichseisenbahnen zu bleiben.) Ich wollte soeben die Brücke zu diesen schlagen. (Präsident Graf von Ballestrem: Dann bitte ich die Brücke zu schlagen!) Ich wollte darauf hinweisen, daß wir auch zwischen den preußischen und den Reichseisenbahnen eine Personalunion in der obersten Spitze haben.
Abg. Riff (fr. Vgg.): Ich muß mich den Ausführungen des Vorredners großenteils anschließen, verkenne aber nicht die Schwierig⸗ keit, welche die Interpretation des § 6 der Gewerbeordnung in Verbindung mit § 152 bietet. 39 habe die Sachlage immer so aufgefaßt, daß den Eisenbahnwerkstättenarbeitern das Koalitions⸗ recht nicht zusteht. Für Elsaß⸗Lothringen scheint mir übrigens die Frage nicht eine so erhebliche Bedeutung zu haben, denn es ist mir nicht bekannt, daß die reichsländische Eisenbahnverwaltung versucht hätte, das Koalitionsrecht der Arbeiter zu lähmen oder einzuengen. Die Ausführungen des Vorredners scheinen mir daher mehr eine prophylaktische Bedeutung zu haben. Die Verhältnisse der Beamten der Reichseisenbahnen sind im vorigen Jahre hier lebhaft erörtert worden. Der Eisenbahnminister hat damals bei seinem ersten Auftreten im Reichstage sehr entgegenkommende Erklärungen ab⸗
egeben, die einen freundlichen Widerhall in den Beamtenkreisen anden. Diese Wirkung ist aber nicht nachhaltig gewesen; den schönen Worten sind keine Taten gefolgt, der Etat für 1904 bringt keine nennenswerten Verbesserungen für die Beamten gegen das Vorjahr. Die Beamten können daher die Besorgnis nicht unterdvücken, daß die Aera Budde lediglich die Fortsetzung der Aera Thielen sein werde. Daraus erwächst für die Abgeordneten die unabweisbare Pflicht, die früheren Klagen immer wieder zum Vortrag zu bringen, und wir nehmen diese Pflichterfüllung um so freudiger vor, als der Minister das Vorbringen von Beschwerden und Klagen für angenehm erklärt hat. Wir hoffen, ihm damit angenehm zu werden in der Meinung, daß er auf Grund des Gegenseitigkeitsprinzips uns auch einmal sich angenehm machen wird, indem er den Grund dieser Klagen und damit die Unzufriedenheit in den Beamtenkreisen beseitigt. Die Zahl der neuen Stellen ist kaum ein Tropfen auf einen heißen Stein; die Lage des einzelnen Beamten wird dadurch nicht im geringsten aufgebessert. Die Diätarien haben allerdings eine gewisse Berück⸗ sichtigung erfahren; aber bezüglich der Anrechnung der diäͤtarischen Dienstzeit auf das Dienstalter ist nichts geschehen. Bleibt es bei der jetzigen Regelung, so kommen die Diätaxien erst mit 60 Jahren in den Genuß des Höchstgehalts, während bei der Ein⸗ führung des Dienstaltersstufensystems angenommen wurde daß der Beamte Mitte der 50 er Jahre soweit sein sollte. se Arbeiter, die mit Bureauarbeiten bei der Generaldirektion auf den Stationen und Bahnmeistereien beschäftigt sind, sollten, soweit sie keine Pensionsberechtigung besitzen, diese erhalten. Auch die Vehapendetezaffe der Arbeiterinnen lassen zu wünschen übrig. Die Klassifizierung der Beamten entspricht nicht der Logik; das
bevor
der Kanzlisten und Zeichner.
einer Besprechung der Personentarife sehe ich mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Hauses ab. Ich will nur sagen, daß die Vorenthaltung der Vergünstigungen, die in Baden und Württem⸗ berg bestehen, für uns große wirtschaftliche Schäden zur Folge hat. Hoffentlich wird die Reichseisenbahnverwaltung durch Schaden klug. Die Vorzüge der Reichseisenbahnen verkennen wir trotz unserer Beschwerden nicht, namentlich nicht die Tüchtigkeit des Personals. Es heißt, daß die preußische Vierte Wagenklasse auch im Gebiete der Reichseisenbahnen eingeführt werden solle. Diese Vierte Klasse bietet doch wohl kein menschenwürdiges Unter⸗ kommen; ein persönliches Urteil kann ich mir allerdings darüber nicht bilden. Für den Arbeiter kommt es vor allem auf schnelle Be⸗ förderung zur Arbeitsstätte an. Redner führt schließlich Beschwerde wegen eines Unfalls bei Straßburg, der angeblich dadurch herbei⸗ geführt worden sei, 85 die betreffenden Züge zu schnell fahren und eine Barriere bei dem Uebergang nicht vorhanden sei.
(Schluß des Blattes.)
gilt namentlich bezüglich
— Das Haus der Abgeordneten setzte in der heuti
(26.) Sitzung, welcher der Justizminister Dr. Schönstedt bei⸗
wohnte, die zweite Beratung des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1904 im Etat der Justizver⸗ waltung bei dem Einnahmetitel „Gerichtskosten“ fort.
Abg. Krause⸗Waldenburg (fr. kons.): Durch das Gesetz vom 2. März 1867 ist den gemeinnützigen Gesellschaften Sportel⸗ und Stempelfreiheit zugesichert worden. Als gemeinnützige Gesellschaften sind nach dem Gesetz u. a. solche anzusehen, die billige und gesunde Wohnungen für unbemittelte Kreise beschaffen wollen und deren Di⸗ vidende auf höchstens 5 % festgesetzt ist. Diese Bestimmungen sind auch in das Stempelsteuergesetz und in das Gerichtskostengesetz übernommen worden. Die Frage ist von erheblicher sozialpolitischer Bedeutung in meinem Wahlkreise mit seiner dichten industriellen Bevölkerung. In meinem Kreise ist eine ganze Anzahl von Spar⸗ und Bauvereinen entstanden, die neben dem Hauptzweck der Wohnungsbeschaffung ihrem Statut gemäß die Annahme von Spareinlagen aufgenommen haben. Dadurch erfährt der gemeinnützige Charakter dieser Gesellschaften keinerlei Eintrag. Trotzdem ist ihnen in einzelnen Fällen vom Finanzminister und auch vom Justizminister die Stempelfreiheit wegen des Nebenzweckes versagt worden. Wenn diese Auslegung, die in einzelnen Fällen auch bei meinem Amtsgericht Platz gegriffen hat, richtig und nach dem Ge⸗ setz zwingend ist, so möchte ich den Minister bitten, eine Aenderung des Gerichtskosten⸗ und des Stempelsteuergesetzes herbeizuführen, damit die Gebührenfreiheit diesen Gesellschaften gewährt werden kann. Sollte diese Mönlichkeit aber schon nach dem heutigen Gesetz vorhanden sein, so wäre ich dem Minister für eine solche Erklärung dankbar.
Geheimer Oberjustizrat Mügel: Die Gebührenfreiheit hat allerdings zur Voraussetzung, daß die Gesellschaften ausschließlich den Zweck haben, Wohnungen zu beschaffen. Diese Vorschrift ist aber in der Verwaltungspraxis keineswegs engherzig, sondern sowohl vom Finanzminister als auch vom Justizminister wohlwollend dahin ausgelegt worden, daß die Gebührenfreiheit auch dann zu⸗ lässig ist, wenn neben dem Hauptzweck der Wohnungs⸗ beschaffung auch der Nebenzweck der Annahme von Spar⸗ einlagen einhergeht. In diesem Sinne ist eine Verfügung des Justizministers im Jahre 1900 ergangen, nach der solchen Gesellschaften die Stempel⸗ und Gerichtskostenfreiheit gewahrt wird solange die Annahme von Spareinlagen nur Nebenzweck ist und nach der Fassung der Statuten diese Aufgabe nur als Nebenzweck erachtet werden kann. 8 8
Abg. Viereck (freikons.) weist darauf hin, daß das Armenrecht in prozessualischer Beziehung vielfach mißbraucht werde. Es entstehe dadurch den Gerichten eine erhebliche Mehrarbeit, und es würden unnützerweise Zeugen vernommen, wodurch die Kosten sich erhöhten. Auch den Rechtsanwälten entstehe dadurch mehr Arbeit, die baren Auslagen müßten sie aus ihrer Tasche zahlen. Das sei unbillig. Eine Statistik über den Ausfall der Prozesse würde ergeben, daß die Armenrechtssachen die meisten Mißerfolge haben.
Justizminister Dr. Schönstedt: Die Tatsache, daß das Armen⸗ recht mißbraucht wird, hat sich schon der Verwaltung aufgedrängt. Mein Amtsvorgänger ist mit dem Minister des Innern in Verbindung getreten, und dieser hat die nachgeordneten Behörden angewiesen, da die Armutszeugnisse nicht ohne Not ausgestellt werden sollen. O wirklich diese Atteste nun leichten Herzens erteilt werden, kann ich zur nicht sagen, ich bin aber bereit, mich darüber mit dem Minister des Innern ins Benehmen zu setzen. Das Gericht hat allerdings nicht darüber zu entscheiden, ob der Prozeß aussichtslos ist. Zweifelhaft ist es auch, ob diese Frage für eine reichsgesetzliche Ordnung herausgegriffen werden kann. Die Anregung, eine Statistik über diese Angelegenheit bearbeiten zu lassen, werde ich prüfen, doch kann ich noch nicht eine bestimmte Zusage machen.
Abg. Pallaske (kons.): Der Mißstand der Armenprozesse mit negativem Ausgang liegt in der leichten Bewilligung des Armenrechts. Die Gerichte sind allerdings gebunden durch die Bestimmung der Zivilprozeßordnung, nach der das Armenrecht zu bewilligen ist, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht aussichtslos er⸗ scheint. Es müßte bestimmt werden, daß das Armenrecht nur zu bewilligen wenn das Verfahren aussichtsvoll er⸗ sheüint Trotzdem könnten aber die Gerichte die Armenrechtsgesuche schärfer prüfen und unberechtigte abwehren. Es verklagt z. B. ein verkommener Mensch einen anerkannt wohlhabenden Mann auf Zahlung eines ihm angeblich gegebenen Darlehns von 30 000 ℳ Das Gericht kann nicht wissen, ob die Behauptung unwahr ist, und bewilligt das Armenrecht, weil die Rechtsverfolgung nicht aussichtslos erscheint. Hätte das Gericht vom Antragsteller Aufklärung darüber verlangen können, wie er als vermögensloser Mensch ein solches Darlehn habe geben können, so hätte sich die Unhaltbarkeit der Behauptung erwiesen. Oder ein vermögensloser Kommissionär klagt wegen eines Anspruchs, der ihm von einem vermögenden Geldmanne abgetreten worden ist. Als Zeuge rückt der Geldmann endlich mit der Erklärung heraus, er habe die Forderung bloß deshalb abgetreten, weil er seinen Geldbeutel nicht habe in Gefahr bringen wollen und der Zessionar unter Inanspruch⸗ nahme des Armenrechts klagen könne. Hier hätte auch eine schärfere Heüfang Abhilfe geschaffen. Die Anwälte scheuen sich, auch wenn sie Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Anspruchs haben, Armen⸗ prozesse abzulehnen, um nicht in den Verdacht zu kommen, daß sie weniger Herz für die Armen hätten als das Gericht.
Bei den Einnahmen aus der Beschäftigung der Gefangenen (5 006 000 ℳ, 115 000 ℳ mehr als im Vor⸗ jahre) erneuert
Abg. Pleß (Zentr.) die Beschwerden der Handwerker über die Konkurrenz, die ihnen durch die Gefangenenarbeit gemacht werde. Gewiß müßten die Gefangenen beschäftigt werden, aber die freien Gewerbetreibenden und Staatsbürger dürften dadurch in ihrem Gewerbe nicht geschädigt werden. Die Gefangenen sollten mehr für Staatsbetriebe und in größerem Umfange zu Meliorations⸗ arbeiten und anderen gemeinnützigen Zwecken verwendet werden.
Abg. Dr. am Zehnhoff (Zentr.) berichtet über die Verhand⸗ lungen der Kommission über die Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung des Gefängniswesens. In Württemberg und Baden sei das Gefängniswesen schon seit längerer Zeit dem Justizministerium unt erstellt, dasselbe sei auch in einer Reihe auswärtiger Staaten der — Die Kommission sei der Ansicht, daß der in Preußen herrschende Dualismus unhaltbar sei.
Der Rest der Einnahme wird ohne Debatte erledigt.
Zum ersten Titel der Ausgaben, „Gehalt des Mi⸗ nisters“, haben die Abgg. Seydel (nl.) und Genossen den Antrag 6 b
die Königl Stgatsregierung aufzufordern, möglichst bald geßen solche Ausschreitungen des Automobilsports vorzu⸗
sei,
8 ken, durch welche eine Gemeingefahr für Leben, Gesundheit und igentum der Bevölkerung hervorgerufen wird.
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