1904 / 55 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 Mar 1904 18:00:01 GMT) scan diff

8 Baden. 8

Um den in der letzten Zeit verbreiteten beunruh igenden Gerüchten über das Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs entgegenzutreten, teilt die „Karlsruher Zeitung“ folgenden Bericht der behandeln⸗ den Aerzte mit: Seine Königliche Hoheit leidet seit einiger Zeit an einem Magen⸗ und Darmkatarrh und einer dadurch bedingten Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens, die sich in dem Gefühl der Ermüdung und dem Bedürfnis nach Ruhe ausspricht. Die Erkrankungs⸗ erscheinungen sind im Abnehmen begriffen, die Genesung schreitet langsam, aber stetig fort. Sonstige Erscheinungen, die auf Krankheitsaffektionen anderer Arten hindeuten, sind nicht vorhanden.

Bremen.

Bremerhaven, 3. März. (W. T. B.) Seine Majestät der Kaiser traf um 1 ½ Uhr auf dem Linien⸗ schiffe „Kaiser Wilhelm II.“, das von zwei Torpedobooten be⸗ gleitet war, auf der Reede ein. Beim Passieren der Weserforts feuerten diese den Kaisersalut. Das Linienschiff „Kaiser Wil⸗ helm II.“ ging dem neuen Hafen gegenüber auf dem Strom vor Anker. Gleich darauf fuhren der Präsident Plate, Konsul Achelis, Generaldirektor Dr. Wiegand und Oberinspektor Engelbart nach dem Kaiserschiff. Um 2 ½ Uhr fuhr Seine Majestät der Kaiser, begleitet von den Bremer Herren, nach Nordenham zur Besichtigung der dortigen Kabelwerke und des Kabel⸗ dampfers „Stephan“. An Bord des „Stephan“ fand ein Früh⸗ stück statt. Um 5 Uhr Nachmittags traf Seine Majestät von Nordenham wieder in Bremerhaven ein und kehrte nach einer Besichtigung des Lloyddampfers „König Albert“ an Bord des „Kaiser Wilhelm II.“ zurück, wo um 8 Uhr ein Diner bö. Die Abfahrt nach Berlin erfolgte um 10 ½ Uhr lbends

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Oesterreich⸗Ungarn.

Im ungarischen Abgeordnetenhause richtete, VB. zufolge, gestern der Ministerpräsident Tisza einen eindringlichen Appell an die Obstfruktion, schilderte deren betrübende Folge⸗ erscheinungen und fuhr dann fort: „Die patriotische Erbitte⸗ rung über diese durch die Uebergriffe der Minorität ver⸗ ursachten hat in mir den Entschluß gereift, bis zur äußersten Grenze zu gehen, bis zu der man behufs Niederringung dieses dem Geiste der Verfassung widersprechenden Widerstands gehen muß. Vorher wollte ich jedoch alle friedlichen Mittel durch gütliche Ueberredung erschöpfen. Mit Ruhe und Ergebenheit habe ich die spöttischen Vorwürfe und Zweifel der öffentlichen Meinung mitgenommen, welche die ironische Frage erhob, wo meine starke Hand bleibe. Ich habe die Vorwürfe ertragen, weil ich die Verantwortlich⸗ keit für die ultima ratio nur dann auf mich zu nehmen vermag, wenn ich jedes Mittel einer friedlichen Lösung fruchtlos versucht habe. Jetzt ist der letzte Augenblick gekommen; ich richte nochmals und zum letzten Male im Namen des Landes einen Appell an die Abgeordneten: Halten Sie ein auf der Bahn des Wahnsinns, setzen Sie nicht die Verfassung auf das Spiel. Es liegt nicht im Geist der Ver⸗ fassung, daß eine winzige Minorität hier ihre kleinen Späße treibe. Die ungarische Nation will leben und sie wird leben. Damit sie lebe und bestehe, muß jeder Widerstand zertreten werden, der dem im Wege steht.“ 1

Ungefähr 500 sozialistische ruthenissch⸗nationale Studenten erhoben, wie „W. T. B.“ meldet, gestern abend in Lemberg in einer Versammlung gegen die bei einigen sozialistischen Universitätshörern vorgenommene Beschlag⸗ nahme revolutionärer, aus der Schweiz eingetroffener russischer Druckschriften Einspruch. Die Teilnehmer der Versammlung lärmten gegen Mitternacht vor dem Redaktions⸗ bureau eines polnischen Blattes und zertrümmerten die Fenster⸗ scheiben des ruthenischen Nationalhauses. Die Polizeiwache zerstreute die Ruhestörer und verhaftete zwei Studenten.

Der Rektor der tschechischen Untverfität in Prag hat an die Studentenschaft eine Kundgebung gerichtet, in der er vor Straßenkundgebungen warnt und die Hoffnung aus⸗ pricht, daß der bisherige erträgliche modus vivendi zwischen den Studenten der deutschen und der tschechischen Universität gewahrt bleibe und nicht durch Fragen erschüttert werde, die

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in die Amtskompetenz anderer Instanzen gehören.

Großbritannien und Irland.

Im Unterhause antwortete gestern, wie „W. T. B.“ meldet, der Parlamentssekretär Pretyman auf eine Anfrage, daß sich die britische Flotte im fernen Osten zusammensetze aus 5 Schlacht⸗ schiffen, 4 Kreuzern 1. Kl., 4 Kreuzern 2. Kl., einem Kreuzer 3. Kl., 8 Kanonenbooten, 9 Torpedobootzerstörern, 4 Torpedobooten und 12 Flußkanonenbooten. Der Premierminister Balfour antwortete auf eine andere Anfrage, daß er niemals, weder in noch außerhalb des Kabinetts, für Einführung des Schutzzolls eingetreten sei.

Frankreich.

In der Deputiertenkammer legte Berteaur (Soz.) gestern den Kommissionsbericht über die Vorlage, betreffend zweijährigen Militärdienst, vor. Das Haus setzte sodann die Beratung des Gesetzentwurfs über die Beseitigung des kongreganistischen Unterrichts fort. Der Kammer ging die Vorlage über Er⸗ gänzungskredite zu.

Die deutschen Delegierten zu den Verhandlungen des deutsch⸗italienischen Handelsvertrags sind, wie „W. T. B.“ aus Rom meldet, gestern nach Berlin zurück⸗ gereist. b

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Die „Agence Havas“ teilen aus Buenos Aires mit, daß nach amtlicher Meldung aus Montevideo. die Vorhut des Generals Muniz die Truppen Suravias nach sechs⸗ stündigem Kampfe gänzlich geschlagen habe.

Asien.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Schanghai sind in Schinkingschau infolge der Auferlegung von Abgaben zur Zahlung der Kriegsentschädigung Un⸗ ruhen ausgebrochen. Das Yamen des Unterpräfekten sei in der Nacht vom 2. zum 3. März geplündert worden.

Ueber die Lage in Nordkorea wird demselben Bureau aus Söul vom gestrigen Tage berichtet, daß die Russen den Vizepräfekten von Andschu festgenommen hätten und die Koreaner nötigten, ihnen Reis, Futter und Brennmaterial zu liefern; sie stellten eiligst in Antung Befesti gungen und ausgedehnte Erd⸗ werke mit der offenbaren Absicht 2₰ den Japanern den Ueber⸗ gang über den Jalu streitig zu machen. Dem Londoner „Daily Chronicle“ zufolge verlautet in Tokio ferner, daß 1500 Russen den Tumenfluß bei Horyong überschritten

und von den Amtsbureaus des Bezirks Besitz ergriffen hätten.

Sie verwendeten naturalisierte Koreaner als Spione. Die gestern aus Wladiwostok gemeldete Landung von 2500 Japanern ist, wie die „Russische Telegraphenagentur“ be⸗ richtet, in der Plaksinbucht und zwar von drei Dampfern, die von drei Kriegsschiffen begleitet waren, erfolgt. Die Japaner rückten dann gegen Maoschane vor. Bei Aschemi,ö nach einem der Londoner „Morning Post“ zugegangenen Bericht eines in Tschifu eingetroffenen Dampfers ein japanisches Panzerschiff gescheitert sein.

Die koreanische Regierung hat den Japanern die Telephonlinie Söul— Phiöngjang übergeben. Wie das „Reutersche Bureau“ aus Tokio erfährt, wird sich Vicomte Aoki nach Korea begeben, um eine Reform der inneren Verwaltung vorzunehmen. Ein Kenner Koreas spricht in dem zu Port Arthur erscheinenden „Nowy Krai“ die Ansicht aus, daß die Koreaner, die zur Zeit gegenüber Japanern und Russen das gleiche Verhalten zeigten, bei der geringsten Nieder⸗ lage der Japaner ihrem alten Haß gegen ihre Bedrücker Aus⸗ druck geben und den Japanern in den Rücken fallen würden, nicht offen als Verbündete Rußlands, sondern auf eigene Faust.

Das japanische Prisengericht in Saseho hat, einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Nagasaki zufolge, entschieden, daß die russischen Dampfer „Mukden“, „Argun“, „Michael“ und „Rossija“ sowie die Walfischdampfer „Alexander“ und „Nicolai“ gute Prisen seien; ein etwaiger Appell gegen diese Entscheidung sei innerhalb 30 Tagen ein⸗ zulegen.

In die Wohnungen des japanischen Ministers des Auswärtigen und seines Selretärs wurden, wie demselben Bureau aus Tokio berichtet wird, gestern Bomben ge⸗ schleudert; der Beweggrund hierzu sei in den Intrigen zu suchen, die von der Opposition gegen den japanisch⸗koreanischen Vertrag genährt würden.

Afrika.

In Kairo hat, nach Meldung des „Reuterschen Bureaus“, der Ministerrat den Beschluß gefaßt, daß keine der kriegführenden Mächte berechtigt sein soll, Prisen durch den Suez⸗ kanal oder in die Häfen und in die Gewässer Aegyptens zu geleiten. Infolgedessen sei es für die Russen unmöglich, im Roten Meere beschlagnahmte Schiffe anders als auf dem Wege über das Kap der guten Hoffnung nach Ruß⸗ land zu bringen, damit sie dort als Prise zuerkannt würden. Man vermute, daß dieser Beschluß die Russen mit dazu ver⸗ anlaßt habe, die drei im Roten Meer aufgefangenen englischen Kohlendampfer wieder freizugeben. Die russischen Kriegsschiffe in Port Said und Suez seien mehrmals über die durch die ägyptischen Neutralitätsbestimmungen festgesette Zeit hinaus dort verblieben. Die Regierung habe hiergegen Einspruch erhoben.

Aus Port Said berichtet das genannte Bureau vom gestrigen Tage, daß fünf russische Torpedoboote aus Suez dort eingetroffen seien. Die drei Torpedoboote, die sich im Mittelländischen Meere aufgehalten hatten, hätten, durch einen Sturm stark beschädigt, den Hafen von Port Said angelaufen, aber den Befehl erhalten hen Hafen zu verlassen. Man werde ihnen die Erlaubnis zum Laden von Kohlen verweigern. Ein anderes russisches Torpedoboot habe im Suezkanal einen Zu⸗ sammenstoß mit einem ägyptischen Zollkutter gehabt und diesen zum Sinken gebracht, nachdem es die Mannschaft gerettet habe. Es verlaute, daß der Kanal auf mindestens 24 Stunden gesperrt sein werde.

Australien.

Die Rede zur Eröffnung des Bundesparlaments empfiehlt, wie „W. T. B.“ aus Sydney meldet, in all⸗ gemeinen Wendungen die Einführung eines Differential⸗ zollsystems, erwähnt die Möglichkeit eines Besuchs Chamberlains in Australien und kündigt einen Schiffahrts gesetzentwurf an.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus⸗ Melbourne erklärte Premierminister Deakin, die Regierung bereite die Abänderung des Zolltarifs zu Gunsten Englands vor und werde, wenn nötig, Opfer für die Sicherung der gegenseitigen Bevorzugung bringen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags, des Herrenhauses und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (49.) Sitzung des Reichstags, welcher der Kriegsminister, Generalleutnant von Einem genannt von Rothmaler beiwohnte, wurde die zweite Be⸗ ratung des Reichshaushaltsetats für 1904 bei dem Etat für die Verwaltung des Reichsheeres fortgesetzt.

Die Beratung beginnt mit den fortdauenden Ausgaben: Kriegsministerium für das preu ische Militärkontingent, Kriegsminister. Die eingebrachten Resolutionen, welche die Soldatenmißhandlungen betreffen, werden bis zur Beratung der Ausgaben für das Militärjustigwesen zurückgestellt. Dagegen sollen bei diesem Titel folgende Resolutionen mit zur Ver⸗ handlung kommen:

1) Der Abgg. Eickhoff, und Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.): die verbündeten Regierungen zu ersuchen, den Mann⸗ schaften des stehenden Heeres und der Kaiserlichen Marine im Falle der Urlaubserteilung alljährlich oder doch mindestens einmal während ihrer Dienstzeit für eine Reise in die Heimat freie Hin⸗ und Rückfahrt auf den deutschen Eisenbahnen zu er⸗ möglichen und ihnen dabei tunlichst die Benutzung der Schnellzüge zu gestatten.

2) des Abg. Dr. Beumer (nl.): die verbündeten Regierungen zu ersuchen, den Mannschaften des stehenden Heeres und der Kaiser⸗ lichen Marine im Falle der Urlaubserteilung alljährlich für eine Reise in die Heimat und für eine entsprechende Rückreise in die Garnison freie Fahrt auf den deutschen Eisenbahnen zu er⸗ möglichen, 8

3) der Abgg. Auer und Genossen (Soz.): den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, in Ergänzung der alljährlich dem Reichstag zugehenden Uebersichten über die Arbeiterverhältnisse der Heeres⸗ und Marineverwaltung eine Denkschrift vorzulegen, in der aus den bei Vergebung von öffentlichen Arbeiten und Lieferungen mit Unternehmern abgeschlossenen Verträgen die auf Löhne und andere Arbeitsbedingungen sich beziehenden Bestimmungen mitgeteilt werden.

4) der Abgg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim, Münch⸗ Ferber, Patzig, Wallbrecht (nl.): die verbündeten Regierungen zu ersuchen, in Erwägung darüber einzutreten, inwieweit die Gewinnung einer ausreicheneen Zahl von

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Unterofsizieren für Armee und Flotte durch Ueberbürdung der einzelnen infolge ungleichmäßiger Verteilung der dienstlichen Obliegenheiten und durch unzulängliche Löhnungsverhältnisse er⸗ schwert ist, um tunlichst bald Verbe erungsvorschlaͤge an den Reichs⸗ tag gelangen zu lassen. 8

Abg. Müller⸗Fulda (Zentr.): Der Militäretat ist mit einer gewissen Vorsicht aufgestellt worden, darum sind in der Kommission nur unwesentliche ÄAbstriche gemacht worden. Abgesetzt wurden die Ausgaben für die der Unteroffiziere mit Rücksicht auf das im naͤchsten Jahre zu erwartende neue Militärgesetz, das Quinquennat. Uebertriebene Ansprüche sollen nach der Versicherung des Kriegsministers dabei nicht an den Reichstag gestellt werden. In der Tat gibt es für die Präsenzziffer eine natürliche Grenze. Würden wir mit einer Vermehrung der Armee fortfahren, so würden die anderen Staaten uns darin folgen. Es kann sich im wesentlichen nur um eine Verbesserung des egenwärtigen Zu⸗ standes handeln. Auf die Ostmarkenzulage will ich nicht näher ein⸗ gehen: die Forderung ist entsprechend bei der Postverwaltung abgelehnt worden. Andere Abstriche, z. B. für die Fußartillerie, sind nicht prinzipieller Art. Bezüglich der Oberstleutnants der In⸗ fanterie hat die Kommission sich zu einem Kompromis verstanden, das den Bedürfnissen dieser Offiziere Rechnung trägt. Die Resolution Auer, betreffend die Arbeiterverhältnisse, könnte zweck⸗ mäßig beim Etat des Reichskanzlers behandelt werden. Die Ver⸗ handlungen in der Kommission, insbesondere die Versicherung der Militärverwaltung, haben uns eine Beruhigung gebracht. Die Militär⸗ verwaltung will sich nach der Decke strecken, und das kann uns mit einem gewissen Vertrauen erfüllen.

Abg. Bebel (Soz.): Mit dem Wunsche des Vorredners bezüglich unserer Resolution sind wir einverstanden. Die Budgetkommission hat sich diesmal sparsamer gezeigt als früher; wir wollen hoffen, daß wir nicht nötig haben, spaͤter die Herren vom Zentrum auf die heutigen Erklärungen des Abg. Müller⸗Fulda zu verweisen. Wir meinen, daß die Grenze der Leistungsfähigkeit der Nation nach⸗ gerade erreicht ist. Die Militärmißhandlungen haben diesmal zu drei Resolutionen geführt, von denen eine aus der Kommission selbst hervorgegangen ist, Beweis genug, daß alle Parteien bis zur Rechten hier endlich auf diesem Gebiete ein gexeifle Maß von Einsicht offenbaren und erkannt haben, daß es auf die Dauer so nicht weitergehen könne. Im Dezember 1903 hat Herr von Einem uns gesagt, er sei überzeugt, man werde und müsse die Militärmiß⸗ handlungen aus der Armee herausbekommen. Seitdem die Oeffentlich⸗ keit des Verfahrens bei den Prozessen wegen Militärmißhandlungen eingetreten ist, glauben weite Kreise der Bevölkerung, daß die Miß⸗ handlungen nicht ab⸗, sondern zugenommen haben. Wie weit das zutrifft, ist außerordentlich schwierig zu entscheiden; jedenfalls ist die Zahl der Mißhandlungen, die überhaupt nicht zur Kenntnis der Vorgesetzten kommen, viel größer als die Zahl der gerichtlich verhandelten. Der Kriegsminister meinte aber ferner, es würden Mißhandlungen durch passiven Widerstand, namentlich feitens der Sozialdemokraten herausgefordert, und in dem Buche des Freiherrn von Gahlen ist ein ähnlicher Vorwurf enthalten.

(Schluß des Blattes.)

““ 2 8 Das Haus der Ab geordneten setzte in der heutigen (33.) Sitzung, G der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben beiwohnte, die zweite Beratung des Staats⸗ haushaltsetats für das Rechnungsjahr 1904 bei dem Etat der Eisenbahnverwaltung fort.

Berichterstatter Abg. Schmieding (nl.) bemerkt in seinem ein⸗ leitenden Referat über die Kommissionsverhandlungen: Im Etat für 1904 sind die ordentlichen Einnahmen des Eisenbahnetats auf 1520 Millionen, die dauernden Ausgaben auf 950 Millionen, der Ueber⸗ schuß also auf 570 Millionen veranschlagt. Im Etat für 1903 waren die Einnahmen auf 1382 Millionen, die dauernden Aus⸗ gaben auf 894, der Ueberschuß also auf 488 Millionen veranschlagt. Die Isteinnahme des Jahres 1902 ergab 1403 Millionen, die dauernden Ausgaben betrugen 877 Millionen, der Ueberschuß belief sich also auf 526 Millionen Mark. Das in den Eisenbahnen angelegte Kapital verzinst sich mit 8 9 %. Der Staat hat mit der Eisenbahnverstaatlichung ein gutes Geschäft gemacht. Am Ende des Etatsjahres wird sich die Betriebslänge der Staatseisenbahnen von 32 332 auf 33 952 km vergrößert haben. Die Eisenhahneinnahmen sind trotz des wirtschaftlichen Auf⸗ schwungs sehr vorsichtig veranschlagt worden. Der Betriebs⸗ Koeffizient ist bei den preußischen Staatseisenbahnen günstiger als in den anderen deutschen Staaten. In bezug auf die Reform der Personentarife sprach sich der Minister in der Kom⸗ mission , für die Notwendigkeit einer Vereinfachung, nicht einer Verbilligung aus. Von einer Seite wurde vorge⸗ schlagen, den halben Preis der jetzigen Rückfahrkarten für jede Fahrt zu Grunde zu legen. Hinsichtlich der Gütertarife bemerkte der Minister, 88 deren Ermäßigung häufig an dem Widerspruch des Landeseisenbahnrats gescheitert sei. Der Referent macht Vor⸗ schläge über die geschäftliche Behandlung des Eisenbahnetats an der Hand eines von ihm aufgestellten, dem Hause gedruckt vorliegenden. Programms. Es empfehle sich, zunächst die Personentarife im allgemeinen im Anschluß an einen die Personentarife betreffenden Antrag Wiemer⸗Goldschmidt zu besprechen. Ein Antrag Herold, betreffend die Verzinsung und Amortisation der Grunderwerbsbeiträge, könne vielleicht bis zur Beratung der Sekundär⸗ bahnvorlage vertagt werden.

Abg. Herold (Zentr.) erklärt sich bereit, seinen Antrag für die jetzige Etatsberatung zurückzuziehen, falls die Regierung die Erklärung abgibt, daß in dieser Session noch eine Sekundärbahnvorlage ein⸗ gebracht wird.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: Ich kann erklären, daß dem e so früh wie möglich eine solche Vorlage zu⸗ gehen wird.

Abg. Herold: Dann ziehe ich meinen Antrag jetzt zurück. Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum kkons.) schlägt vor, die Be⸗ sprechung der Tarifreform und der Wünsche der Eisenbahnbeamten erst nach Beendigung der Etatsberatung vorzunehmen.

Abg. Graf Moltke (freikons.) erklärt sich gegen den ersten

Vorschlag des Grafen zu Limburg⸗Stirum. Auch sei es erwünscht, schon bei der Etatsberatung die allgemeinen sozialen Fragen, soweit sie die Eisenbahnverwaltung berühren, zu erörtern. Für beide Vorschläge des Abg. Grafen zu Limburg⸗Stirum spricht sich der Abg. von Arnim k(kons.) aus, für die Zurückstellung der Beamtenpetitionen der Abg. Dr. Friedberg (nl.). Die Abgg⸗ Funck (fr. Volksp.) und Brömel (fr. Vgg.) erklären sich auch gegen die Zurückstellung der Beamtenpetitionen, da sie das Petitionsrecht der Beamten verkürzen könne.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum zieht darauf seinen Vor⸗ schlag zurück. Es bleibt infolge dessen bei dem Vorschlage des Referenten.

Es werden zunächst die Personentarife besprochen, wozu

der Antrag der Abgg. Dr. Wiemer und Goldschmidtt

(fr. Volksp.) und Genossen vorliegt:

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, eine Reform des Eisenbahnpersonentarifs möglichst bald dahin in die Wege zu leiten, daß unter Aufhebung der Rückfahrkarten die Preise für die einfache Fahrt auf die Hälfte der Preise der jetzigen Ruͤch fahrkarten festgesetzt werden.“

Der Abg. Gamp (reikons.) beantragt, diesen Antrag folgendermaßen zu fassen: .. . daß zum Zweck der Vereinfachung des Fahrkarten⸗ wesens unter Aufhebung der Rückfahrkarten die Preise für die einfache Fahrt in Personenzügen auf die Hälfte der Preise der jetzigen Rückfahrkarten festgesetzt und für Schnellzüge ent“ sprechende Zuschläge eingeführt werden.“ Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.): Wir haben wiederholt durch Anträge die Reform der Personentarife angeregt, die Regierung be

ich leider bisher ablehnend verhalten. Der Minister von Thielen ließ ich immer von fiskalischen Rücksichten bestimmen, erst kurz vor seinem Abgang hat er die 45 tägige Rückfahrkarte eingeführt, die wir mit Genugtuung begrüßt, aber nur als den ersten Schritt auf diesem Wege angesehen haben Bereits damals wurde die Herabsetzung des Ffanen entsprechend unserem jetzigen Antrage als die not⸗ wendige Konsequenz bezeichnet. Uns scheint jeßt die Zeit zu dieser Reform gekommen zu sein, und wir hoffen, daß sich der Minister Budde nicht mehr ablehnend verhalten wird, denn er hat schon gezeigt, daß er nicht an alten Traditionen festhält. Seine An⸗ ordnung, daß auch die Reisenden III. Klasse die Speisewagen benutzen können, war eine Abkehr von alten bureaukratischen Einrichtungen. Unser Antrag bedeutet den Wunsch, der Minister möge die Initiative zu einer Reform der Personentarife ergreifen. In der Kommission herrschte bei allen Parteien Verständnis dafür, daß eine Vereinfachung des Personentarifs erforderlich sei, und es wurde die Beseitigung der Rückfahrkarten und die Herabsetzung des Preises der ein⸗ fachen Karten auf die Hälfte des Preises der Rückfahrkarten allseitig als richtig anerkannt. Mit der Vereinfachung darf keine Verteuerung des Preises einhergehen, deshalb bedeutet der Antrag Gamp eine Verschlechterung unseres Antrages. Die Schnellzugszuschläge bringen eine erhebliche Verteuerung mit sich. Aber der Antrag Gamp bringt auch keine Vereinfachung, weder für die Verwaltung, noch für das Publikum. Wir müssen uns dagegen wehren, daß diese Reform, für die im Hause Neigung vor⸗ handen zu sein scheint, wieder mit einem fiskalischen Schnörkel behaftet wird. Die Vereinfachung kommt wesentlich der Verwaltung zugute, das Publikum wünscht aber eine möglichst große Verbilligung des Verkehrs. Die bloße Vereinfachung wäre nur eine halbe Maßregel. Die billigen Klassen, die dritte und vierte, weisen fortgesetzt den stärksten Verkehr auf; die meisten Reisenden haben nach dem Betriebsbericht die vierte Klasse benutzt. In der Kommission ist gesagt worden, wir in Preußen fahren bereits billig genug. Aber warum sollen die jetzigen Preise schon die Grenje dar⸗ stellen? Warum können wir nicht weiter heruntergehen? In anderen Ländern sind schon Ermäßigungen eingetreten. In Elsaß⸗Lothringen ist die vierte Klasse neu eingeführt worden, und der Minister Budde hat im Reichstag gesagt, daß sie von den Arbeitern sehr stark benutzt werde und daß er den Arbeitern nicht mehr Geld abnehmen wolle, als nötig sei. Minder⸗ einnahmen für die Eisenbahn sind von der Verbilligung der Personen⸗ tarife ebenso wenig zu befürchten, wie sie nach der Einführung der 45 tägigen Rückfahrkarten eingetreten sind. Die Einnahme aus iesen hat sich im Gegenteil um 7,97 % erböht. Bei der dritten und vierten Wagenklasse ist der billige Verkehr auch für die Staatskasse von Vorteil gewesen. Der Minister hat in der Kommission erklärt, daß er nicht geneigt sei, die vierte Wagenklasse aufzuheben. Die Einheitlichkeit des Tarifwesens würde aber ge⸗ fördert werden, wenn diese Klasse beseitigt würde, zumal für den Fernverkehr. Im Süden herrscht wenig Neigung für diese Ein⸗ richtung. Der Minister sagte neulich im Reichstage, in Elsaß⸗ Lothringen sollten Wagen vierter Klasse neuester Kon⸗ struktion eingeführt werden. Er wollte damit anlocken, dürfte aber sonst damit wenig Erfolg haben. Die dritte Wagen⸗ klasse sollte in alle Schnellzüge eingestellt werden, wie in England. Zu erwägen wäre, ob nicht mit den Platzkarten aufgeräumt werden soll. Diese Karten sind nur eine fiskalische Schererei. Behält man sie aber bei, so sollte wenigstens bei Unter⸗ brechung der Fahrt ihre Gültigkeit nicht aufgehoben sein. Erwünscht ist auch eine Ausdehnung der Vororttarife für die größeren Städte und Industriezentren, um das bessere und gesündere Wohnen in der Nähe einer Stadt zu ermöglichen. Auch der Gepäcktarif ist im allgemeinen zu hoch. Ich hoffe, daß der Eisenbahnminister reformatorisch vor⸗ gehen wird, und zwar recht bald zu einer zeitgemäßen großzügigen Reform.

Unterstaatssekretär Fleck: Der Minister ist durch den Vortrag bei Seiner Majestät verhindert, dieser Sitzung beizuwohnen. Er hat mich beauftragt, ihn zu entschuldigen. Ich beschränke mich darauf, hervorzuheben, daß der Minister der Personentariffrage sein volles Interesse zuwendet, was er auch in der Kommission schon getan hat. Ich beziehe mich auf seine Aeußerung in der Kommission.

Abg. Graf Moltke (freikons.); Mit Freuden stimme ich der Erklärung des Ministers in der Kommission zu, daß eine Ver⸗ einfachung, aber keine Verbilligung der Personentarife ein⸗ treten kann. Andererseits wünschen wir aber auch, daß keine Ver⸗ teuerung eintritt. Eine Verbilligung würde für den Staat Einnahmeausfälle ergeben, für die wir keine Deckung hätten. Die vierte Klasse wird sehr viel auch von Vergnügungsreisenden benutzt. Der Abg. Wiemer hat dem vorigen Minister Bureau⸗ kratismus vorgeworfen, aber gerade diesem verdanken wir ie Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Rückfahrkarten, die eine

ze Vereinfachung brachte. Herr Wiemer meint, daß keinem Staats⸗ bürger von der Staatseisenbahnverwaltung mehr abgenommen werden dürfe, als zur Deckung der Kosten nötig sei. Aber wenn die Staats⸗ eisenbahnverwaltung keine Ueberschüsse erzielt, müssen wir den Ausfall zurch den Steuerdruck ausgleichen.

Abg. Wallenborn (Zentr.) wünscht, daß in jedem Zuge die erste Klasse ganz fortfalle, und erklärt für seine Freunde, daß diese sowohl dem Antrag Wiemer wie dem Antrag Gamp entgegenkommen könnten; die Preise könnten auf die Hälfte der Rückfahrkarten herab⸗ gesetzt werden, dagegen könnten für die Schnellzüge Zuschläge erhoben werden. h

Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Für die Förderung des Baues von Kleinwohnungen auf dem Lande wirken in Preußen u. a. auch Kreisverwal⸗

tungen. Im Landkreise Crefeld wurde vor Jahresfrist eine

Aktienbaugesellschaft gegründet, welcher der Kreis, die sehrzahl der Gemeinden und Einzelpersonen als Aktionäre angehören. Sie ist die erste Aktienbaugesellschaft öffentlichrrechtlichen Charakters. Ein Vorstandsmitglied verwaltet gleichzeitig das Amt eines Kreiswohnungs⸗ inspektors und wirkt hierbei auf die Beseitigung von Wohnungsschäden, für Reinlichkeitspflege (die durch Wandschmuck belohnt wird) und für die Anmietung kleiner, den Einkommensverhältnissen entsprechender guter Wohnungen. Die Gesellschaft hat sich rechtzeitig in 8 Ge⸗ meinden im ganzen 18 ha Land zu billigem Preise gesichert und bereits im ersten Wirkungsjahr 17 Einfamilien⸗ und 8 Zweifamilien⸗ häuser fertiggestellt, 12 weitere Häuser sind im Bau begriffen. Die Bauten verbilligen sich dadurch, daß die Gesellschaft ihre Ziegel selbst fabriziert. Sämtliche fertiggestellten Wohnungen sind ver⸗ mietet. Der finanzielle Abschluß war recht befriedigend, er gestattete neben der gesetzlichen Rücklage die Zahlung von 4 % Dividende und eine gleich hohe Zuweisung an einen Extrareserve⸗ fonds. An jedem 7. befindet sich ein Stall, und es wird darauf hingewirkt, daß jede Familie ein Schwein und eine Ziege hält. In jedem Gärtchen hat der landwirtschaftliche Verein am letzten „Baum⸗ pflanzungstage“ zwei Apfelbäume gepflanzt. Im Kreise Merzig (Rheinprovinz) baut der Kreisverband auf Antrag einzelne Häuschen, die ins Eigentum der Besteller übergehen, und erhält für seine Forde⸗ ung eine erste Hypothek auf Grundstück und Haus. Bis jetzt sind auf diese Weife gegen 50 Um⸗ und Neubauten vom Kreisverband aus⸗

geführt worden. Der Kreisausschuß zu Homburg v. d. H. hat zu⸗

naͤchst 100 000 als Kreisanleihe bei der Landesversicherungsanstalt Hessen⸗Nassau erhoben und diesen Betrag zur Anregung der Bau⸗ tägkeit für Kleinwohnungen und für die Unterstützung gemeinnütziger Baugenossenschaften zur Verfügung gestellt. Die Beleihung an Einzelpersonen erfolgt nur zum Zwecke der Errichtung eigener, neuer Wohnungen als erststelliges Hypothekendarlehn über die mündelsichere Grenze hinaus bis zu 75 % des durch Schätzung zu ermittelnden Wertes der gesamten Liegenschaft (Haus nebst Grundstück). Liegen⸗

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schaften, die nach der Abschätzung einen höheren Wert als 9000 repräfentieren, werden in der Regel von der Beleihung ausgeschlossen. Die Darlehen sind mit 3 ¾ % zu verzinsen und mit 1 ¼ % zu amortisieren.

Im belgischen Industrieministerium zu Brüssel begannen am 2. März, im Anschluß an den im September 1903 m Stuttgart unter Beteiligung der württembergischen und anderer Regierungen abgehaltenen Fencte⸗ zur Erörterung der Fragen des Mittelstandes, die Verhandlungen des Zentralausschusses des Inter⸗ nationalen Verbandes zum Studium der Verhältnisse des Mittelstandes. Der Minister der Industrie Francotte empfing, wie „W. T. B.“ berichtet, die erschienenen Delegierten Deutsch⸗ lands, darunter den Wirklichen Gebeimen Oberregierungsrat Dr. Bödiker und den Präsidenten der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse Dr. Heiligenstadt der Vizepräsident des Reichstags Dr. Paasche war im letzten Augenblick an der Teilnahme behindert —, sowie die Delegierten Belgiens, Hollands, Frankreichs, Luxemburgs, der Schweiz, Oesterreich⸗Ungarns usw. Das in deutscher und französischer Sprache abgefaßte Statut, bei dem im Zweifelsfalle der deutsche Text maßgebend ist, wurde im einzelnen durchberaten; das Prä⸗ sidium für die ersten drei Jahre wurde gewählt, bestehend aus Dr. Bödiker als Vorsitzendem, Professor Dr. Geißler⸗Stuttgart und Ministerialrat, Professor Schwiedland⸗Wien als stell⸗ vertretenden Vorsitzenden und dem Ministerialdirektor Stepens⸗ Brüssel als ständigem Sekretär. Auch der Arbeitsplan wurde erörtert.

Kunst und Wissenschaft.

Die Königliche Akademie der Wissenschaften bielt am 18. Februar eine Gesamtsitzung unter dem Vorsitz ihres Sekretärs Herrn Auwers. Herr Engler las über die Vegetationsverhältnisse des Somalilandes. Erst jetzt ist es, auf Grund der in den letzten zwanzig Jahren nach dem Somaliland unternommenen Forschungs⸗ reisen, möglich, die pflanzengeographischen Verhäitnisse dieser Halb⸗ insel klar zu legen. Das einen Teil der Halbinsel einnehmende Gallahbochland schließt sich in seiner Vegetation vollkommen Abessinien an. Dagegen ist das übrige Somaliland durch einen großen Reichtum an niedrigen Buschgehölzen ausgezeichnet, ähnlich wie das Damara⸗ land. Unter den Baumformen herrschen Akazien Eine Eigentümlichkeit ist neben der Uebereinstimmung des nördlichen Küstenlandes mit demjenigen Arabiens das reichliche Auftreten ostmediterraner Typen im nördlichen Hochland, von besonderem Interesse das Vorkommen der Populus euphratica am Tana nahe unter dem Aequator. Herr Planck legte eine Mitteilung der Professoren C. Runge und J. Precht in Hannover über die magnetische Zerlegung der Radium⸗ Uinien vor. Durch die magnetische Zerlegung der stärksten Radium⸗ linien wird gezeigt, daß sie den stärksten Linien im Spektrum von Mg, Ca, Sr, Ba homolog sind. Das Radium wird dadurch auch spek⸗ troskopisch als zur Gruppe der alkalischen Erden gehörig er⸗ kannt. Zwischen den Linienabständen und der Atomgewicht zeigt sich eine einfache Beziehung, die einen Schluß auf das Atomgewicht von Radium erlaubt. Herr Erman machte Mitteilungen aus einem Bericht des Dr. Borchardt über die Tempelbauten auf Philae nach ihrer Ueberflutung Schlammdecke hat sich auf der Insel nicht abgesetzt. zeigen die Reliefs schon jetzt eine Abstumpfung der Kanten, der Wasserlinie tritt eine breite Salzausschwitzung an allen Wände hervor. Herr Engelmann hatte in der Sitzung am 3.24 zember 1903 eine Abhandlung des Geheimen Meditinalrats, . Dr. G. Fritsch bierselbst über die Retinaelemente und di farbentheorie vorgelegt. Sie soll in den Anhang zu den Ab des Jahrgangs 1904 aufgenommen werden.

In der am 25. Februar unter dem Vorsitz ihres Se Diels hisch

kre abgehaltenen Sitzung der philosophischehist Klasse las Herr Erman über die Sphinxstele. Er Inschrift, die sich zwischen den Tatzen der großen Sphinr befinde uns berichtet, daß König Thutmosis IV. infolge eines Traumes die Sphinx habe vom Sande reinigen lassen. Der ungewöͤhnliche Ton der Er⸗ zählung und ihre Orthographie machen es wahrscheinlich, daß sie erst in einer späteren Zeit entstanden ist; vielleicht sollte sie eine zerstörte Inschrift des Königs ersetzen.

In der an demselben Tage unter dem Vorsitz ihres Sekretärs Herrn Auwers abgehaltenen Sitzung der physikalisch⸗mathe⸗ matischen Klasse las Herr Schwarz über diejenigen Minimal⸗ flächen von algebraischem Typus, die längs keiner auf ihnen liegenden Linie singuläre Flächenelemente besitzen (Minimalflächen von algebraischem Typus ohne Rückkehrkante); ferner über eine algebraische Identität, die mit der konformen Abbildung der Fläche einer Halbebene auf die Fläche eines Kreisbogendreiecks zusammenhängt, dessen Winkel

7, 2 9 sind. Die Identität ist folgende: 4 (2 1) 138 æ‿ 22 36 ·ꝙ2 27·32‧5 ‚. 2³]:* + æl3“*eæ 2*]] [23 2 ·ꝙ28ᷣ 31111 ⁴ꝙ +.˖ 238.71‧·ꝙ2 2735197‧* 281 32 ·23 : + 2 ³2. Herr Schottky machte eine weitere Mitteilung über die Abelschen Funktionen von drei Veränderlichen. Die Bestimmung der Nullpunkte von in Riemanns partikulärer Lösung wird auf eine kubische Gleichung zurückgeführt. Herr Klein legte eine Mitteilung des Professors Dr. H. Baumhauer in Freiburg (Schweiz) über die Aufeinanderfolge und gegenseitigen Beziehungen der Kristallformen in flächenreichen Zonen vor. Es wird dargetan, daß die Flächenanlage nicht willkürlich erfolgt, sondern in ihr die Regelmäßigkeit sich zeigt, daß die Indices abgeleiteter Flächen von denen der Hauptflächen abhängig sind. Herr Engler überreichte folgende Druckschriften: Ascherson und Graeb, Synopsis der mittel⸗ europäischen Flora, Lieferung 29—30 Leipzig, und: Handbuch der Blütenbiologie, begründet von P. Kunth, fortgesetzt von Loew und Appel, 3 Teile, Leipzig 1898 1904.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Saatenstand und Getreidehandel in Rußland.

Der Kaiserliche Generalkonsul in Odessa berichtet unterm 25. v. M.: Seit einiger Zeit ist das Wetter milde, der Schnee ist überall weggeschmolzen. Soweit sich zur Zeit beurteilen läßt, haben die Saaten, von Ausnahmen abgesehen, den Winter ziemlich gut über⸗ standen. Das Eis ist auf den Wasserstraßen nahezu verschwunden und die Wiedereröffnung der Flußschiffahrt steht bevor. In zwei bis drei Wochen wird man wahrscheinlich mit der Bestellung der Felder für die Sommersaaten beginnen können.

Die einige Tage nach Ausbruch des russisch⸗japanischen Krieges eingetretene Haussebewegung auf den amerikanischen Getreidemärkten fand hier einen günstigen Boden. Bei äußerst fester Haltung und er⸗ höhter Kauflust von seiten des Auslands stiegen die Weizenpreise um 10 15 Kop, Roggen um 8 Kop., Gerste um 4 Kov. und Hafer um 4 —6 Kop. das Pud (16,38 kg). Da die durch diese plötzliche Steigerung der Preise geschaffene Lage jedoch völlig von dem ferneren Ver⸗ halten der amerikanischen Märkte abhängig und daher durchaus un⸗ sicher ist, so verhielt sich der hiesige Konsum diesem Aufschwung gegenüber sehr zurückhaltend und kaufte bisher nur das aller⸗ notwendigste. In den letzten drei Tagen war hier die Stimmung schon ruhiger und die Eigner zeigten sich etwas nachgiebiger. Die heutigen Preise sind für:

Winterweizen . . 110 112 Kop. v. .107 109 . 107 105

8

frei an Bord.

Raps und Rübsen waren wenig gefragt, dagegen fand Leinsaat sowohl für den Platzbedarf wie für die Ausfuhr mehr Beachtung. Raps und Rübsen werden gegenwärtig mit 1,18—1,28 Rbl., Leinsaat wird mit 1,30 Rbl. das Pud frei an Bord bezahlt.

Die Vorräte am hiesigen Platze haben stark abgenommen. Sie betrugen am 14. d. M. n. St. in

a§ꝗ“ nämlich öqPPP8P1Pö1ö1öö 116, 5596 920 1 111114A4“] ꝑ11e—“] Arnautka . . verschiedene Arten 21 114 1“ 4*“ 301 785 8Z8Z1““ 72 694 üst...11“ 8 1832886 Raps und Rübsen 166 57 330 ö1111²“ 3 26 2525

Die Verschiffungen heliefen sich im verflossenen Berichtsmonat auf ungefähr 900 000 dz Weizen, 165 000 dz Roggen und etwa je 330 000 dz Gerste und Mais.

Für Oelkuchen zeigte sich endlich einige Kauflust und die Preis haben infolgedessen angezogen. Man notiert: b 1 1“ Kop.

apskuchen 1 0—5 IS.“

Kokoskuchen .. 8 68 70 8 das Pud Ravisonkuchen. 40 1“ Ravisonbauernkuchen. 39 40 Die Seefrachten haben sich trotz lebhafte ewegung im Getreidemarkt wenig gebessert. Es gelten folgende 2 1— London, Hull, Liverpool, Antwerpen und Rotterdam. 686 Hamburg “““ Mittelmeerhäfen..

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Gesundheitswesen, Tierkrankheiten un

Absperrungs⸗ maßregeln.

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Das Ergebnis der Tuberkulinimpfungen an Rindern in Bayern 1902.

Nach der „Zeitschrift des Königlich bayerischen Statistischen Bureaus“ wurden im Jahre 1902 in Bavyern 2939 Tiere (gegenüber 2967 im Vorjahre) erstmals mit Tuberkulin geimpft. Ein positives Ergebnis hatte diese Empfung bei 35,5 %, ein negatives bei 57,9 % und ein zweifelhaftes i 6,6 % der Geimpften. Zweite Impfungen wurden bei 60 Tieren vorgenommen, wovon 30 ein positives, 25 ein 1 ives und fünf ein zweifel⸗ haftes Ergebnis lieferten. as Ergebnis der ersten Impfung wurde durch deren Wiederholung auch im Berichtsjahre fast durchaus bestätigt. Zur Schlachtung wurden von den geimpften 2939 Tieren nachweislich 308 = 10,5 % gebracht Bestätigt ist das Ergebnis der Impfung durch den Befund bei der Schlachtung in 86,5 unter 100 Fällen, während das Vorjahr eine Bestätigung von 95,9 %o, der Durchschnitt der Jahre 1895/1901 eine solche von 88,8 % der Fälle aufweist. Von 11 zur Schlachtung ge⸗ brachten Tieren mit zweifelhaftem Impferfolge wurden nach der Schlachtung 7 tuberkulös, 2 von Tuberkulose frei befunden, während bei 2 Schlachtungen das Resultat unbekannt bli b. Bei 15 von 297 geschlachteten Tieren, d. i. in 5,1 % der Fälle, wurde die durch die Impfung veranlaßte Annahme des Fehlens oder Vor⸗ handenseins von Tuberkulose als unzutreffend befunden. Im Durch⸗ schnitt der Jahre 1895/,1901 betrug das Verhältnis bei 371. geschlachteten Tieren 29 oder 7,8 %. Von 78 Rindern mit negativem Impferfolge zeigten 9 = 11,5 %, von 219 Rindern mit positivem Impferfolge 6 = 2,7 % nach der Schlachtung ein widersprechendes Bild. Im Durchschnitt der Jahre 1895/1901 betrug dieses Verhältnis 10,9 % und 6,8 %. Die Impf⸗ ergebnisse zeigten sich nach der Schlachtung nicht bestätigt bei

Ochsen in 1,8 % der Fälle, bei Stieren in 33,3 %, bei Kühen in

4,6 %, beim Jungvieh in keinem Falle. Auch für dieses Jahr ist die

Tuberkulinimpfung wieder als zuverlässiges diagrn stisches Hilfsmittel e

zur Feststellun r Tuberkulose bei den Ha

Schweden.

Nach einer Bekanntmachung der Königlich schwedischen Medizinal⸗ verwaltung darf die Einfuhr seewärts von Wiederkäuern und Schweinen sowie von Tieren des Pferdegeschlechts nur über folgende Häfen stattfinden: Helsingborg, Hernösand, Landskrona, Lules, Malms, Stockholm, Sundsvall, Söderhamn und Umea.

Nieder 8 1

Durch Verordnung des Generalgouverneurs von Nieder ändisch⸗ Indien wurden die für Herkünf rien angeordneten Quarantänemaßregeln wiede oben. (Vergl. „Reichsanz.“ vom 17. Juli v. J. Nr. 166.)

Im Laufe des gestrigen Tages sind in Flensburg, wie „W. T. B.“ meldet, wieder zwei ne Erkrankungen an den schwarzen Blattern festgestellt worden; es erkrankten eine Dia⸗ konissin (nunmehr die zweite) und ein Milchhändler, der mit den früher Erkrankten zusammengekommen war.

Theater und Musik.

Neues Theater.

Gestern abend wurde das dreiaktige, von Siegfried Trebitsch übersetzte Schauspiel „Candida“ von Bernard Shaw, dem Ver⸗ fasser des kürzlich an gleicher Stätte gegebenen Einakters „Der Schlachtenlenker“, aufgeführt; das Werk fand nach den Aktschlüssen einen lauten äußeren Erfolg, obgleich des öfteren unbeabsichtigte komische Wirkungen bei offener Szene belacht wurden. Der ganze Vorgang wird nur durch die an die Karikatur grenzende Uebertreibung einer Figur bedingt, deren ganz unmögliche Handlungs⸗ und Rede⸗ weise die dürftige Handlung weiterzieht, an der aber auch die anderen an und für sich einwandfrei gezeichneten Figuren künstlerisch zu Grunde gehen. Ein angesehener, durchaus sympathischer Pastor lebt mit seiner klugen, liebenswürdigen Frau in glücklichster Ehe. Die beiden nehmen sich eines unreifen, herumvagabondierenden Dichterjünglings an, der nun mit seiner knabenhaften, naseweisen Art die Tragik ins Haus bringt. Er verliebt sich in die Frau und erlaubt sich, mit herrischen Allüren dem Mann vorzuwerfen, daß dieser ein Hohlkopf sei, der seine herrliche Frau nicht verstehe. Anstatt dem dreisten Jungen einfach die Tür zu weisen, nehmen die beiden guten Menschen ihn ernst. Der Mann fängt an, an seiner Gattin zu zweifeln, besonders da sie die Frage erwägt, ob es nicht ihre Pflicht sei, als edle Frau sich dieses Jünglings anzunehmen. Ja es kommt so weit, daß die Frau in Ibsenscher Manier vor die Alternative gestellt wird, zwischen den beiden in Freiheit zu wählen. Sie bleibt bei ihrem Manne und läßt den anderen seines Weges ziehen. Es mag sein, daß das Schauspiel, nur als Buchdrama betrachtet, eine andere und feinere Wirkung auszuüben vermag als bei der Aufführung. Auf der Bühne erschien jedenfalls diese Komödie mit dem moralisierenden Schluß so stillos und künstlerisch unmöglich, daß auch die beste Darstellung sie nicht vor dem Mißgeschick der Lächerlichkeit retten konnte. Herr Reicher war ausgezeichnet in der Maske und der ganzen Per⸗ sönlichkeit des Geistlichen und Volksredners. Frau Sorma belebte ihre Rolle durch große Anmut und Wärme. Herr Eisfeldt ließ sich