Der Herr von Koscielski ist dann schärfer gewesen. Er hat ins⸗ besondere die alte Fabel vorgebracht, wir Deutsche griffen an, und die Herren Polen befänden sich nur in einer Verteidigungsstellung. Meine Herren, von meinem persönlichen Standpunkt würde ich nichts dagegen haben, wenn wir einmal zu einem scharfen Angriff schritten; aber bis jetzt sind wir notgedrungen immer noch in der Verteidigungsstellung. Ich hoffe aber gerade von diesem Gesetz, daß es die deutschen Ziele ganz außerordentlich fördern wird. Wie sehr wir noch in der Verteidigungsstellung sind, beweist die Statistik, die der Herr Landwirtschaftsminister eben erwähnt hat, und die ich in ihrem Endresultat noch näher dahin geben will, daß in den Jahren 1896 bis 1902 — das Resultat von 1903 ist noch
nicht gezogen, das Jahr 1902 ist das letzte, dessen Ergebnisse überhaupt
heblichen Aufwendungen der Ansiedelungskommission, trotz der Millionen ür die Rentengüter usw,, die deutscherseits, preußischerseits, angewendet worden sind, der polnische Besitz in Westpreußen um über 15 000 und n Posen um nahezu 25 000 ha, zusammen um 40 168 ha zugenommen t. Meine Herren, das ist 0,74 % der gesamten Grundfläche beider rovinzen, und es sind acht deutsche Quadratmeilen; acht deutsche Quadratmeilen, welche vor 1896 im deutschen Besitz sich be⸗ anden und welche jetzt im polnischen Besitz stehen. (Hört, hört!) 7s sind also acht Quadratmeilen jetzt mehr im polnischen Besitz als s vor sieben Jahren der Fall gewesen ist. Meine Herren, daß das nicht erwünscht ist, liegt auf der Hand. Mit dem polnischen Besitz ist auch die polnische Gesinnung verbunden und gewachsen, und diese polnische Gesinnung können wir bis zu einem gewissen Grade zwar achten, aber für den preußischen Staat taugt sie ganz gewiß nichts. Und wie es uns und unseren Vorfahren gelungen ist, hier in der Neumark bis an die polnische Grenze, ja bis weit in das polnische Reich hinein mit deutschem Besitz gute deutsche Gesittung und Ge⸗ wohnheit zu schaffen, eine gut deutsche Bevölkerung, einerlei, ob sie noch wendisch oder eine andere Sprache spricht, zu erziehen, so wollen wir das auch in den polnisch redenden Landesteilen erreichen; sie mögen ihre Sprache behalten, aber unter dem Schutz des Deutsch tums und in deutscher Gesinnung. (Bravo!)
Meine Herren, Herr von Koscielski hat dann weiter ausgeführt, daß die Maßregel, die jetzt die Regierung im Sinne habe, einen Vorschub für die Sozialdemokratie bedeute. Ja, meine Herren, ganz im Gegenteil! Unsere Maßregeln führen, wo wir wirklich Bauern
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ansetzen, die auf ihren Stellen bestehen können, auch dahin, den echten guten aristokratischen Geist des deutschen Bauern zu verbreiten, ganz im Gegensatz zu der polnischen Ansiedelung, die, wie ich doch erwähnen will, sich aus ganz anderen Elementen zusammensetzt. Und wir sehen — Herr Fürst Radziwill wird das entschuldigen — das ja auch an den Vorgängen in den Parlamenten selbst. In den polnischen Zeitungen, wie ist da gegen Herrn Korfanty polemisiert worden, mit welchen liebenswürdigen Epitheten ist er bedacht worden, daß er nicht wert sei, der polnischen Fraktion anzugehören und dergleichen mehr. Ja, meine Herren, er ist dennoch gewählt worden, weil eben in den polnischen Landesteilen leider nicht mehr die Aristokratie, nicht mehr die hohe Geistlichkeit Trumpf ist, sondern ein Bürgertum wilder Art, das der Sozialdemokratie weit näher steht, das tatsächlich auch schon vielfach mit den Sozialdemokraten verhandelt hat, und diesen — wie gesagt — weit näher kommt als der linksliberalste deutsche und preußische Bürger. Meine Herren, die polnischen Ansiedelungen ent⸗ stehen auch nicht, wie die deutschen, so, daß man erst eine wirtschaftlich lebensfähige Stelle schafft, daß man erst die öffentlichen Angelegen⸗ heiten genau regelt, ein Dorf oder eine Kolonie anlegt, Wege baut, für eine Schule sorgt, die Kirchenverhältnisse regelt und alle sonstigen öffentlich⸗rechtlichen Verpflichtungen, die einem Gemeinwesen obliegen, zuvor ordnet: sondern es werden nur tatsächlich einzelne Häuser gebaut oder Insthäuser ausgebaut und denen Land zugelegt, damit ist eines schönen Tages eine wilde Kolonie da, ohne Weg, ohne Steg, ohne jede wirtschaftliche Ordnung. Die Kapitalien dazu werden meist von einer polnischen Bank hergegeben. (Zuruf.) Das Kapital, das ist richtig, glaube ich, stammt zu einem großen Teile von Zurücklegungen solcher polnischen Arbeiter, welche in deutschen Landesteilen etwas er⸗ worben haben. Die Banken nehmen dieses Kapital, errichten nur die allernötigsten Bauten, schaffen das dürftigste Inventar an und ver⸗ kaufen dann diese Stellen zu erheblich größeren Preisen an Leute, die von Heißhunger für eigenes Land erfüllt sind. Solchen Landhunger halte ich an und für sich für berechtigt, wenigstens bis zu einem gewissen Grade. Die Banken aber verkaufen vielfach unter Bedingungen, daß der Erwerber dabei nicht bestehen kann. Meine Herren, der erste Käufer, der meist mit geringer Anzahlung ganz in den Händen der Bank bleibt, steckt seinen Schweiß und seine Arbeit in das Grundstück hinein und muß es, wenn er trotzdessen nicht zahlen kann, verlassen, ohne einen Pfennig Gewinn zu haben und oft mit dem Verlust seines ganzen Kapitals; er muß wieder hinausgehen und sehen, anderweitig Beschäftigung zu finden. Es tritt dann ein zweiter Käufer ein, und mit ihm spielt sich die Sache ebenso ab. Wir könnten Beispiele an⸗ führen, wo viermal hintereinander derselbe Prozeß vor sich gegangen ist, wo in wenigen Jahren der Kolonist viermal gewechselt hat. Nach⸗ dem drei oder vier Leute hintereinander durch ihre Arbeit und ihren Schweiß, durch ihrer Hände Arbeit die Bauten aufgeführt, Ställe usw. errichtet und das Grundstück ertragsfähig gemacht haben, ist die Stelle endlich so weit, daß ein polnischer Besitzer darauf bestehen kann, und bescheiden sind die polnischen Arbeiter, das gebe ich zu, arbeitsam und bescheiden.
Meine Herren, Herr von Koscielski hat uns dann eine Vorlesung gehalten über Eigentumsrecht und Privatrecht und über öffentliches Recht. Ich weiß nicht, meine Herren, ob Ihnen dieser Vortrag klar geworden ist. Mir schien eine außerordentliche Verwirrung zu herrschen zwischen den Begriffen, was ist öffentliches Recht und was ist privaten Rechtes. Und wenn er in einer späteren Sitzung noch⸗ mals denselben Vortrag halten wollte, so würde ich Herrn von Koséielski den freundschaftlichen Rat geben, sich erst einmal ein Privatissimum bei den Herren Professoren Dernburg und Schmoller, die er zitiert hat, halten zu lassen, vorausgesetzt, daß diese Herren bereit sein sollten, ihm ein Privatissimum darüber zu lesen.
Herr von Koscielski hat dann noch angeführt, die Regierung handle lediglich nach dem Willen des Ostmarkenvereins. Das ist gänzlich unbegründet. Die Regierung handelt nach einem wohl er⸗ wogenen Plane, und wenn in der diesjährigen Thronrede nichts davon gestanden hat, daß wir mit neuen Gesetzen vorgehen wollen, so seien Sie versichert, daß auch ohnedies das gesamte Staats ministerium ein⸗ mütig fortdauernd darauf bedacht sein wird, die deutsche Stellung in
den ostpreußischen Provinzen zu erhalten und zu stärken, wenn nötig auch mit neuen Gesetzen und selbst, wenn jedes Jahr derartige Gesetze gebracht werden müßten. Ja, wenn es nötig wäre, würde ich auch vor einem Ausnahmegesetz gegen die Polen nicht zurückschrecken, weil ich es für ein absolutes Gebot und für eine preußische und deutschnationale Pflicht halte, Herr zu bleiben gerade in diesen Landen. (Bravo!)
Meine Herren, es ist pathetisch ausgesprochen worden von den Herren auf polnischer Seite, das Recht würde doch immer den Sieg davontragen. Ja, meine Herren, dem stimme ich zu. Aber das gute Recht ist auf unserer Seite. (Bravo!)
Fürst von Bismarck: Eine Voreingenommenheit gegen die Polen hat bei uns niemals existiert. Es ist umgekehrt. Wodurch
polnische Untertanen bisher geschädigt sein sollten, ist unerfindlich. Und nun gar das Wort bözartig. Bösartig ist die polnische Presse, nicht unsere Beamten, auf die sich das Wort des Fürsten Radziwill nur be⸗ ziehen kann. Einen Widerspruch in der Regierung kann man nur darin finden, daß von 1890 bis 1894 die Polenpolitik aufgegeben wurde; und wir freuen uns, daß dieser Fehler wieder gut gemacht werden soll. Wie man von dem Ge ehmigungsrecht der Ansiedelungs⸗ kommission auf eine Konfiskation des Eigentums kommen konnte, das ist doch stark. Die Polen reden immer von einer polnischen Nation. Eine solche gibt es für uns nicht. Wir haben polnischsprechende Preußen, für uns gibt es nur eine preußische Nation. Wollen die Polen nichts sein als Preußen, wie die polnischen Mitglieder des Hauses, so lösen Sie die polnischen Fraktionen auf; sonst wird man es Ihnen nicht glauben. Zerstreuen Sie sich unter die anderen Parteien. Lassen Sie die Utopien, sprechen Sie zu Hause polnisch, soviel Si wollen, aber sträuben Sie sich nicht gegen das Deutsche. Ich möchte anregen, die polnischen Zeitungen zu veranlassen, polnisch und deutsch zu erscheinen, dann werden die Hetzartikel bald verschwinden. Was die staatsrechtliche Unanfechtbarkeit des § 15 b (Genehmigung der An⸗ siedelungskommission) angeht, so habe ich mehr Vertrauen zum preußischen Staatsministerium als zum juristisch schlecht geschulten Herrn von Koscielski. Es gibt keine Reichsregierung zur Kontrolle der Handhabung der Hoheitsrechte der Einzelstaaten, wie der hochselige Kaiser Wilhelm in einer Botschaft an den Reichstag gesagt hat. Dessen wollen wir uns auch hier erinnern. Und ich hoffe, die Regierung wird Mannes genug sein, die deutsche Sprache an der Ostgrenze zum Siege zu bringen.
Graf von Oppersdorff: Ich bin nicht der Meinung, daß es sich bei der Interpretation des § 15b um Zwirnsfäden handelt. Er widerspricht fraglos dem Art. 4 der Verfassung. Auch glaube ich nicht, daß der Paragraph sich ebenso gegen Deutsche wie gegen Polen richtet. Nein, die Polen sollen getroffen werden. Dann muß ich auf die völlige Erfolglosigkeit der Germanisierungsbestrebungen hin⸗ weisen. Ebenso wenig greifbar werden die Erfolge des § 15b sein. Nur Verbitterung und Stoff zur Aufreizung der ruhigen polnischen Massen in Oberschlesien wird sich daraus ergeben. Dadurch werden wir weder eine deutsche noch eine deutschtreue Bevölkerung erziehen.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt:
Meine Herren! Ich würde es mir versagen können, noch das Wort zu dem vorliegenden Gesetzentwurfe zu ergreifen, wenn nicht gewisse Redewendungen des Fürsten Ferdinand Radziwill und einzelne Ausführungen des Herrn von Koséielski mich gerade dazu nötigten, Redewendungen, die von einer, ich glaube auch, in diesem Hause nur selten beobachteten Schärfe waren und die mit voller Bestimmtheit zurückzuweisen ich alle Veranlassung habe. Ich möchte aber angesichts des Umstandes, daß Vertreter des Justizressorts nicht anwesend sind, welche die auf rechtlichem Gebiete erhobenen Vorwürfe ein⸗ gehend zu widerlegen in der Lage sein würden, heute schon der Legende entgegentreten, als ob die Königliche Staatsregierung unter Verletzung der Verfassung einen Gesetzentwurf ab irato hier vorgelegt hätte, der auch sonst der genügenden rechtlichen Grundlage entbehrt. Das ist durchaus unrichtig, und ich darf namentlich dem Herrn von Koséielski gegenüber erwidern, daß seine Zitate aus dem Bürgerlichen Gesetzbuche die maßgebenden Vorschriften des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch ignoriert haben — ich weiß nicht, ob es absichtlich oder versehentlich geschehen ist. Ich möchte vor allen Dingen den Artikel 111 des sogenannten Einführungs⸗ gesetzes verlesen, in welchem es heißt:
Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche im öffentlichen Interesse das Eigentum in Ansehung tatsächlicher Ver⸗ fügungen beschränken.
Ferner Artikel 119:
Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Veräußerung eines Grundstücks beschränken.
Nun, meine Herren, es ist Ihnen bekannt, daß in der preußischen Gesetzgebung Vorschriften bestehen, welche die Beschränkung des Eigen⸗ tums ausdrücklich aus Gründen des öffentlichen Wohls zulassen. Daß im vorliegenden Falle das öffentliche Wohl sehr stark beteiligt ist, darüber kann ich mich näherer Ausführungen wohl enthalten; ich darf aber namentlich Herrn Grafen von Oppersdorf gegenüber betonen: es gibt kein preußisches Grundrecht, welches die Befugnis gewährt, sich überall anzusiedeln; dann könnte beispielsweise eine beliebige Persönlichkeit mitten auf dem Pariser Platz sich eine Siedelung gründen. (Heiterkeit.)
Nun, meine Herren, hat Herr Fürst Radziwill, ebenso wie Herr von Koséielski Veranlassung genommen, den gesetzgeberischen Schritt, den die Königliche Staatsregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf getan hat, auf einen Einfluß des Ostmarkenvereins zurückzuführen. Es ist bereits im anderen Hause — und ich glaube, auch in diesem hohen Hause — wiederholt darauf hingewiesen worden, daß die Königliche Staatsregierung diesem Einfluß nicht zugänglich ist. Für uns ist lediglich das öffentliche Wohl, die salus publica das Maß⸗ gebende, und daß das staatliche Interesse gegenüber dem zweifellos aggressiven Vorgehen der Polen auch auf dem Gebiete des Grunderwerbs sehr wesentlich beteiligt ist, und daß diese Art, wie jetzt der Grundbesitz sich ausbreitet, eine erhebliche Gefährdung der staatlichen Interessen bedeutet, bedarf auch einer weiteren Ausführung nicht. Im übrigen glaube ich doch, daß dieser Schutz auch notwendig sein wird und in Zukunft sich in seiner Notwendigkeit sehr viel schärfer erweisen wird. Man braucht bloß an den reinlichen Aufräumungs⸗ prozeß zu denken, nelcher in gewissen Landesteilen außerhalb Preußens gegenüber den deutschen Elementen sich vollzieht. Da, wo die Herren Polen unter sich sind und von ihren Rechten einen ausgibigen Gebrauch machen können, da bleibt von den Spuren der deutschen Bildung ebenso wenig übrig, wie von dem ehemalige deutschen Besitze. Also diese Beispiele allein sollten uns doch die Augen öffnen. Nun haben Sie uns auch den Vorwurf gemacht, die ganze Art der Ansiedelungspolitik bedeute weiter nichts als eine Protestantisierung eines katholischen Landesteils. Ja, meine Herren, die Tatsache muß allerdings zugestanden werden, daß ein erheblicher, vielleicht der größte Teil der neuen An⸗
siedler aus Angehörigen der evangelischen Kirche besteht. Das ist aber ein Zustand, der uns aufgedrängt worden ist und der vor
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allen Dingen aus den Erfahrungen hervorgegangen ist, die wir mit
der sich heute noch vollziehenden Polonisierung der deutschen Katholiken
gemacht haben. Was das letztere betrifft, so würde der Grundsatz an sich, den immer die nationalpolnische Agitation in stellt: es ist ein Verbrechen, jemanden zu entnationalisieren, vor allem die Polen zu germanisieren, umgekehrt auch gegenüber der Polonisie⸗ rung Anwendung finden können. es ist ein Gott wohlgefälliges Werk, nach vielen Aussprüchen der polnischen Presse einem minderwertigen Glauben angehört,
Zeit schon über 200 000 deutsche Stammesangehörige katholischen Bekenntnisses entfremdet, die früher ehrliche Deutsche waren und heute, vollständig polonisiert, um das verlorene polnische Vaterland jammern.
Meine Herren, die Versuche, die wir gemacht haben, um katholische Ansiedler anzusetzen, sind im allgemeinen von einem nennenswerten Er⸗ folge nicht begleitet gewesen. (Hört! hört!) Die Regierung ist in ihrem Bemühen stets auf Schwierigkeiten gestoßen, die namentlich darin bestehen, daß die Bildung von besonderen katholischen Kirch⸗ spielen großen Hindernissen begegnet, namentlich die Schaffung von Garantien, gegenüber der Gefahr der Polonisierung dieser Katholiken. Damit würden wir uns später ein deutschfeindliches Element in die mühsam errichteten Kolonien gesetzt haben. Ich kann endlich auch den zahlenmäßigen Beweis führen, daß eine stetige Protestantisierung der ehemals polnischen Landesteile gar nicht in den tatsächlichen Ver⸗ hältnissen begründet ist. Was insbesondere die Provinz Posen an⸗ betrifft, so hat sich die evangelische Bevölkerung in den Jahren 1861 bis 1895 um 6 %, die der Katholiken aber um 34 % vermehrt, also schon zum Teil unter der Einwirkung des Ansiedelungsgesetzes von 1886. Vom Jahre 1895 bis 1900 hat die evangelische nur um 0,31 %, die katholische dagegen um 3,6 % zugenommen. Im Re⸗ gierungsbezirk Bromberg ist die Zahl der Evangelischen vom Jahre 1861 bis 1895 um 24 %, die der Katholiken um 32 % gewachsen, in den Jahren 1895 bis 1900 die der Evangelischen um 3,34 %, die der Katholischen um das Doppelte, nämlich um 6,95 %. Es hat also tatsächlich ein Rückgang des polnischen Elements nicht stattgefunden, im Gegen⸗ teil eine sehr beträchtliche Vermehrung. Der Fürst Ferdinand Radziwill ist hervorgetreten mit einem Ausspruch, den ich schon vorher am Eingang meiner Ausführungen angedeutet habe, nämlich damit, daß die Maßnahmen der preußischen Unterrichtsverwaltung darauf gerichtet seien, den Polen die polnische Zunge aus dem Halse zu reißen. Ja, meine Herren, ich rechne es der Lebhaftigkeit des Temperaments des Herrn Fürsten zu, wenn er sich dieses in den polnischen Hetzblättern häufig wiederkehrenden Ausdrucks bedient hat. Mit aller Entschiedenheit muß ich mich dagegen verwahren, daß dieser Vorwurf irgendwie zutreffend sei, denn es liegt der Unterrichtsverwaltung nichts ferner — und der Herr Ministerpräsident hat das auch wiederholt erklärt — als die Polen ihrer Muttersprache berauben zu wollen. Was wir als die Aufgabe der Unterrichtsverwaltung un⸗ entwegt zu verfolgen haben, ist erstens, die katholischen Deutschen, die nach dem alten Unterrichtssystem rettungslos der Polonisierung verfallen waren, hiervor zu bewahren, und zweitens: die Volksschule als eine preußische Staatsanstalt ihrer Aufgabe in den gemischtsprachlichen Landesteilen gewachsen zu erhalten, daß sie den Kindern, die ihr anvertraut sind, eine tunlichst vollkommene Be⸗ herrschung der deutschen Sprache beibringt. Das war auf keinem anderen Wege zu erzielen, als auf dem im Jahre 1872, also vor jetzt einem Menschenalter, eingeführten Wege, nämlich das Deutsche zur ausschließlichen Unterrichtssprache zu machen. Alles Experimentieren, vom Jahre 1816 an, um der polnischen Sprache neben der dentschen eine Gleichberechtigung innerhalb des Elementarunterrichts einzu⸗ räumen, sind regelmäßig zum Nachteil der deutschen und der staat⸗ lichen Interessen ausgeschlagen. Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich habe während meiner landrätlichen Zeit verschiedene Schulen mit überwiegend polnischen Kindern im staatlichen Auf⸗ trage revidiert und habe dabei gefunden, daß kaum eine Spur von deutschen Sprachkenntnissen auf Grund der Vorschriften, wonach der polnischen Sprache hinreichend Raum gegeben werden sollte, seitens der polnischen Kinder entwickelt wurde. Sogar deutsche katholische Kinder, deren Eltern noch deutsch sprachen, waren kaum im⸗ stande, sich noch in ordentlichem Deutsch auszudrücken. Ich habe sogar vereinzelt evangelische deutsche Kinder gefunden, die kaum noch usammenhängende deutsche Sätze sprechen konnten. In solchem Maße hatte der Schulunterricht unter dem nationalpolnischen Einflusse in den preußischen Schulen gewirkt. Es blieb daher nichts anderes übrig, als einheitlich das Deutsche als Unterrichtssprache einzuführen. Wiederholt ist namens der Regierung erklärt worden, sowohl hier wie im Abgeordnetenhause, daß wir zu einer Aenderung der Grundlagen des gegenwärtigen Schulsystems zu Gunsten der polnischen Sprache uns nicht bereit finden lassen können. Wir können es nach den bestehenden Erfahrungen nicht tun, denn es sind Lebensinteressen des Staats dabei beteiligt, und es muß einfach bei dem jetzigen Zustande bleiben.
Nun, meine Herren, hat der Fürst Ferdinand Radziwill noch von einer Schutzmauer gesprochen, die seitens der Königlichen Staats⸗ regierung in Form des vorliegenden Gesetzentwurfs gegenüber den Bestrebungen der Polen aufgerichtet werden sollte. Ja, meine Herren, in der Tat, eine Schutzmauer soll aufgerichtet werden, und ich hoffe, daß diese Schutzmauer sich auch bewähren wird, namentlich wenn die Herren noch die Geduld haben, noch eine Reihe von Jahren zu warten auf die positiven Erfolge dieser Ansiedelungstätigkeit. Aber es gibt eine ganz andere Art von Schutzmauer, die seitens der nationalpolnischen Agitation aufgerichtet wird. Aus dem Treiben der nationalpolnischen Blätter könnten Sie ersehen, daß der Bovykott der Deutschen als ein ganz selbstverständliches Mittel gepriesen wird, und zwar
soll dies, wie durch den Herrn Fürsten Bismarck heute nachgewiesen ist, 3
nicht bloß durch die Erwachsenen, sondern schon durch die Kinder geschehen, welche um Himmels willen sich nicht darauf einlassen sollen, aus irgend einer deutschen Hand etwas zu erwerben. So ergeht die Parole durch alle Generationen und jedem Einzelnen wird es als nationale Pflicht, deren Verletzung Ehrlosigkeit wäre, auferlegt, nur ja nicht mi Deutschen sich in geschäftliche Beziehungen einzulassen. Das ist ein Art von Schutzmauer, die viel weniger vor Moral und Recht stand halten kann, als die, die wir in Aussicht nehmen.
Zweiten Beilage.)
den Vordergrund Das erkennen die Herren nicht an; „ . 8 8 einen deutschen Katholiken, der
zu dem wahren katholischen Glauben zurück⸗ zuführen, und dieses Gott wohlgefällige Werk hat uns im Laufe der
mit gleichem Maße.
ihre Landsleute möchten nur bei Polen kaufen und nicht bei Fremden,
aus polnisch patriotischen Gefühlen wohl erklären.
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aber
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schwerde an das
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Zweite Be
d Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
8
1904.
Berlin, Freitag, den 4. März
A4
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Meine Herren, die Polen messen durchaus nicht die Deutschen Sie sehen die Polonisierung der deutschen Katholiken als ganz selbstverständliches Recht der Polen an, während sie
da, wo die Polen ausschließlich auf Erwerb im Dienste deutscher Arbeit⸗ geber angewiesen sind, als ein Verbrechen hinstellen. Es stimmt dies mit der Parole durchaus nicht überein, die seiner Zeit in Lemberg auf einem großen Volkstage dahin ausgegeben ist, daß jeder, der auf polnischem Boden wohnt, ganz selbstverständlich Pole werden müsse. Das halten Sie für ganz selbstverständlich. Logischerweise müßten Sie dies auch von dem Polen gelten lassen, der sich auf deutsches Gebiet begibt und dort sein Brot erwirbt, weil er es im eigenen Vaterlande nicht erwerben kann. Umgekehrt suchen Sie aber solche Polen mit allen Mitteln davor zu bewahren, daß sie mit Deutschen in Verbindung treten. Es ist charakteristisch, daß polnische Gewerbe⸗ treibende, welche im rheinisch⸗westfälischen Industriegebiet sich nieder⸗ gelassen haben, in ihren Geschäftsankündigungen besonders hervorheben,
die Fremden, das sind die Deutschen, die dort auf urdeutschem Boden angesessen sind! Das ist die Ausdrucksweise der national⸗ polnischen Blätter. Wenn die Polen dies für sich in Anspruch nehmen, so müssen sie als logische Folge anerkennen, daß jeder Pole, der auf deutschem Boden sich sein Brot erwirbt, Deutscher werden müsse. Umgekehrt werden die polnischen Arbeitermassen im westlichen Industrie⸗ gebiete durch die polnischen Parzellierungs⸗ und Genossenschaftsbanken zu dem Zweck organisiert, um das Geld, das sie auf deutschem Boden und von deutschen Arbeitgebern erwerben, zum Auskaufen der deutschen Bauern innerhalb der Provinzen Posen und Westpreußen zu ver⸗ wenden. Diese Rückkehr zu dem polnischen Vaterland kann ich mir Wenn dieselbe dort
immer nur zu dem Zweck organisiert wird, um unsere
unsere deutschen Bauern auszukaufen, so liegt darin für nationalen Interessen eine große Gefahr eswegen erscheint die von der Königlichen Staatsregierung in Aussicht genommene gesetzgeberische Maßnahme durchaus gerechtfertigt. Erneut darf ich hervorheben, daß jene Maßnahmen auch vom rechtlichen Standpunkte durchaus zweifelsfrei sind, was die Kommissions⸗ beratungen jedenfalls ergeben werden. Ich kann das hohe Haus nur dringend bitten, die Vorlage, welche bestimmt ist, unsere wichtigsten nationalen Interessen zu sichern, möglichst einmütig anzunehmen.
Graf zu Eulenburg: Der Entwurf scheint mir in keiner mit dem öffentlichen Recht in Widerspruch zu stehen. Die kl. Ausführungen des Herrn Professors Dernburg hat nur einer mißver⸗ standen, Herr von Koscielski. In einem Punkt geht der Gesetzentwurf allerdings zu weit. Es muß ausdrücklich konstatiert werden, daß gegen die Entscheidung des Präsidenten der Ansiedelungskommission die Be⸗ Staatsministerium zulässig ist, wie es auch dem heutigen Rechtszustande entspricht.
Es folgen dann noch einige tatsächliche Bemerkungen.
Fürst Radziwill: Ich habe in keiner Weise zu den Personen des Prozesses Kwilecki Stellung genommen, sondern lediglich die Volksstimmung konstatiert. Dem Fürsten Bismarck habe ich zu er⸗ widern, daß sich mein Ausdruck bösartig auf das Gesetz und nicht auf die es ausführenden Beamten bezog. 8
Graf von Oppersdorff: Dem Herrn Kultusminister gestatte ich mir zu sagen: wenn die Bescheinigung zum Ankauf versagt wird, so ist das drückender, als wenn ich oder Erzellenz Studt verhindert würde, auf dem Pariser Platz uns niederzulassen. 8
Herr von Koscielski: Ich habe nur von Privatrecht gesprochen, kann es also mit dem öffentlichen Recht nicht zusammengeworfen haben. Wenn der Herr Minister den freundlichen Rat erteilt hat, ich sollte ein Privatissimum hören, so werde ich den Vorzug haben, mit dem Herrn Minister zusammenzutreffen, da er das Bedürfnis haben wird, ein collegium logicum zu hören. Dem Fürsten Bismarck kann ich im Rahmen einer tatsächlichen Bemerkung nicht erwidern; aber der Schaden ist nicht groß, denn er hält ja dieselbe Rede bei jeder Polendebatte wieder. .
Fürst von Bismarck: Wenn ich immer wieder die alte Rede halte, so tue ich es, weil ich durch die gleiche Rede des Herrn von Koscielski stets provoziert werde. Im übrigen möchte ich bemerken: Herr von Koscielski hat die Glacéhandschuhe ausgezogen, seine Lands⸗ leute aber haben die Preisboxerhandschuhe angezogen.
Auf Antrag des Grafen von Schlieben wird die Vor⸗ lage einer Kommission von 20 Mitgliedern überwiesen.
Herr Dr. Hillebrandt berichtet dann über Petitionen des Ober⸗ lehrers Siebel in Rendsburg und von Lehrpersonen an den höheren
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Mädchenschulen anderer Städte um Erlaß eines Besoldungsgesetzes für die an den öffentlichen Mädchenschulen in Preußen angestellten Lehrpersonen. Seinen Antrag auf Uebergang zur Tagesordnung nimmt das Haus ohne Erörterung an. 8 Herr Dr. Hillebrandt berichtet ferner über eine Petition des Rektors Reißmann, Vorsitzenden des preußischen Lehrervereins in Magdeburg, und von anderen um Revision des Gesetzes vom 3. März 1897, betreffend das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen. Dem Antrage des Berichterstatters auf Uebergang zur Tagesordnung tritt das Haus bei. Namens der Kommunalkommission berichtet über Petitionen
der Handelskammer für die östliche Niederlausitz in Sorau und anderer Handelskammern um Revision der preußischen Kreis⸗ ordnungen behufs entsprechender Wahrung der Interessen der Staͤdte und der Industrie im Vergleich zu denen der Landwirtschaft Graf zu Eulenburg⸗Prassen. Die Kommmission stellt folgenden Antrag: 8
„In Erwägung, daß die vorliegenden Petitionen eine Revision
der Kreisordnungen in durchaus einseitiger Weise anstreben und keinen genügenden Anlaß bieten, der Frage näher zu treten, ob und in welcher Richtung eine Revision der im allgemeinen befriedigend wirkenden Kreisordnungen in Aussicht zu nehmen sein könnte, ferner
in dem Vertrauen, daß die Königliche Staatsregierung zur gesetz⸗ geberischen Betätigung etwa hervortretender Unzuträglichkeiten die Initiative ergreifen wird, wolle das Herrenhaus beschließen, über die vorgenannten Petitionen zur Tagesordnung überzugehen.“ Herr Dr. Bender⸗Breslau: Ich glaube, daß eine Revision gerade im konservativ⸗friedlichen Sinne angebracht wäre. Es ist
im Kreise hat. Das ist mit dem Interesse der Kreise nicht vereinbar, und wir bitten die Regierung, Abhilfe zu schaffen.
Geheimer Oberregierungsrat Dr. Freund: Dem Wahlrecht auf der einen Seite entspricht die Steuerpflicht auf der anderen Seite. Danach müssen wir uns richten.
SHierauf beschließt das Haus entsprechend dem Antrage seiner Kommission.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft.
Gegen 5 % Uhr vertagt sich das Haus bis Freitag, 12 Uhr. (Rechnungssachen, Wildschongesetz und Petitionen)
Haus der Abgeordneten.
32. Sitzung vom 3. März 1904, 11 Uhr.
Die zweite Beratung des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1904 wird im Etat der Bau⸗ verwaltung bei den Ausgaben für die Unterhaltung der Seehäfen, Seeschiffahrtsstraßen usw. fortgesetzt.
Ueber den ersten Teil der sich an diesen Titel knüpfenden Debatte ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Minister der öffentlichen Arbeiten Budde:
Gegenüber den letzten Ausführungen des Herrn Vorredners halte ich es für meine Pflicht, die preußische Regierung davor in Schutz zu nehmen, daß sie nicht in angemessener Weise die Interessen Preußens und der preußischen Landesbewohner vertrete. Auf die übrigen Aus⸗ führungen des Herrn Vorredners, die sich auf den Bremer Ratskeller bezogen, will ich nicht eingehen, weil sie mit einer ernsten und sach⸗ lichen Behandlung der vorliegenden Frage nichts zu tun haben und deshalb nicht hierher gehören. (Sehr richtig! links.) Ich möchte indessen hervorheben, daß die preußische Staatsregierung den neuen Vertrag, der mit Bremen abgeschlossen werden soll zur Erweiterung des Hafens von Bremerhaven, zunächst dem hannoverschen landtag vorgelegt hat, ein Zeichen, daß die preußische Staatsr
sollen an denjenigen Interessen, die hier verhandelt werden.
ist im hannoverschen Provinziallandtag eingehend besprochen wesentlichen angenommen worden (hört, hört! links); eine Anzahl von Wünschen sind dabei geäußert worden, die die Staatsregierung in er⸗ neute Erwägung ziehen wird, und über die demnächst dann auch wieder mit Bremen verhandelt wird. Nachdem diese Vorverhandlungen er⸗ ledigt sind, wird die Königlich preußische Staatsregierung Ihnen den Vertrag vorlegen, nachdem er also die volle Billigung des hannover⸗ schen Provinziallandtags gefunden hat.
Da ich durch den Herrn Vorredner gezwungen worden bin, das Wort zu ergreifen, so möchte ich noch einen Punkt berühren, der hier noch nicht erwähnt worden ist. Wenn die drei Städte Lehe, Bremer⸗ haven und Geestemünde Kirchturmspolitik gegeneinander treiben, so darf ich es wohl aussprechen, daß alle drei Städte im deutschen Vaterlande, im Deutschen Reiche liegen, und daß eine ganze Menge Klagen, die hier ausgesprochen sind, darauf beruhen, daß die drei Städte örtlich sich nicht miteinander einigen können, und daß es dringend wünschenswert wäre, daß eine bessere Einigung erzielt würde; dann würden manche Klagen beseitigt oder vermindert werden. Ich glaube, daß allen drei Gemeinwesen wesentlich gedient wäre, wenn sie nicht Kirchturmspolitik gegeneinander trieben, sondern bedächten, daß sie alle drei dem Deutschen Reiche angehören und auch für dessen Interesse gemeinsam zu wirken haben. (Lebhafter Beifall.)
Die preußische Staatsregierung wird, wie das schon von dem Herrn Unterstaatssekretär ausgeführt worden ist, däafür Sorge tragen, daß die berechtigten Interessen von Geestemünde gewahrt werden, und wenn die Entschädigungen noch nicht in dem Maße ausgezahlt worden sind, wie das namentlich Herr von Pappenheim gewünscht hat, so liegt das daran, daß Entschädigungen natürlich nicht eher gezahlt werden können, als bis die Summe feststeht. Es soll auch die Sache nicht ins Ungewisse verzögert werden, sondern es sind zunächst besondere technische Erwägungen wegen Senkung des Wasserspiegels zu erledigen, sodaß dann mit den Entschädigungen — hoffentlich bald — vorgegangen werden kann.
Es ist mehrfach gewünscht worden: die preußische Staats⸗ eisenbahnverwaltung möge einen besonderen Holztarif — ich bemerke für die Einfuhr, nicht für die Ausfuhr — für Geestemünde gewähren. Ja, meine Herren, das heißt doch die Angelegenbeit abwälzen auf andere Schultern, die mit der Weservertiefung nichts zu tun haben. Niemand mehr als der Herr Abg. Dr. Hahn hat nach⸗ gewiesen, daß dies nicht so ohne weiteres geht; denn er hat ausdrücklich eine Anzahl von Fällen erwähnt, in denen die preußische Staats⸗ regierung — meines Wissens waren es nur Fälle, wo die Ausfuhr begünstigt wurde — Seehäfen besondere Tarife gewährt hat, und wo er nun den Nachweis zu führen suchte, daß viele andere Interessenten dadurch geschädigt sind. Das ist der beste Beweis dafür, daß man so ohne weiteres nicht dem Antrage von Geestemünde Folge geben kann. Im übrigen hat die Staatseisenbahnverwaltung bereits früher die Frage dem Bezirkseisenbahnrat und dem Landeseisenbahnrat vorgelegt, und beide ratgebenden Körper haben den Antrag abgelehnt. Ich werde aber auf Grund des Antrages der Budgetkommission, der hier vor mir liegt, daß die Frage in Erwägung gezogen werden soll, selbstverständlich erneut die Sache prüfen.
Man kann aber sehr wohl zu einem andern Ergebnis kommen bezüglich der Lösung dieser Frage. Wenn es nämlich richtig ist, daß Bremen den Holzhandel von Geeste⸗ münde durch unberechtigte Vertiefung der unteren Weser dadurch geschädigt hat, daß Bremen auf dem Wasserwege das Holz
billiger nach Bremen bringt als früher, so liegt es nahe, daß dieser Nachteil in einfachster Weise und ohne Schädigung der Eisenbahntarif⸗ politik dadurch beseitigt wird, daß Bremen diejenigen Schiffe mit über 5 m Tiefgang, die die vertiefte Fahrrinne benutzen und mit Holz be⸗ laden sind, mit einer erhöhten Abgabe auf der Unterweser belegt. Damit wäre doch der Ausgleich in dem Rahmen geblieben, in dem
preußische Staatseisenbahnverwaltung die Schädigung bezahlen, die Bremen angeblich gemacht hat?
Ich beschränke mich auf diese Bemerkungen, indem ich nochmals hervorhebe, daß die preußische Staatsregierung die Interessen der Einwohner in der Provinz Hannover voll wahren wird, und daß ich die Beschuldigung, die der Herr Abg. Dr. Hahn hier ausgesprochen hat, für unrichtig erklären muß. (Bravo! links.)
Ein Regierungskommissar erwidert dem Abg. Dr. Hahn, vom Regierungspräsidenten zu Stade sei ausdrücklich die Mitteilung ergangen, daß die Beschwerden durch Vergleich erledigt seien. Un⸗ erledigt seien allerdings noch einige Beschwerden der Anwohner unter⸗ halb von Geestemünde. Aber auch diese sei man bestrebt zu beseitigen. Abg. Graf Moltke (freikons.) tritt gleichfalls den Ausführungen des Abg. Dr. Hahn entgegen. Dessen Rede sei politisch gefärbt, und seine Ausführungen seien durch das Interesse des Bundes der Land⸗ wirte getrübt gewesen. Die Verhältnisse seien noch nicht genügend geklärt. Vor allem habe er zu bemängeln, daß die Frage unbeant⸗ wortet gelassen, was geschehen sei, um die Schäden für die Zukunft hintanzuhalten. Dr. Hahn meine, die Regierung habe in dieser An⸗ gelegenheit ihre Landeskinder vergessen. Das sei nicht der Fall. Abg. Meyer⸗Diepholz (nl.): Durch die Weserkorrektion sind für die Landwirtschaft oberhalb Bremens Schäden entstanden, und ich bitte die Regierung, bei den Verhandlungen mit Bremen ernstlich auf diese Schäden Rücksicht zu nehmen. Warten, bis die Entschädigungen gezahlt werden, können die Landwirte nicht mehr. Abg. Wallbrecht (nl.) weist darauf hin, daß vom hannover⸗ schen Provinziallandtag der Vertrag mit Bremen einstimmig an⸗ genommen sei; das sei der beste Beweis dafür, daß die Interessen der preußischen Gemeinden gegenüber Bremen vollkommen gewahrt seien. Darauf wird die Debatte geschlossen. Persönlich bemerkt Abg. Dr. Hahn gegenüber dem Grafen Moltke, daß sein Blick für diese Angelegenheiten nicht durch seine Eigenschaft als Direktor des Bundes der Landwirte getrübt sei; diese Angelegenheiten gingen nicht die Agrarier, sondern die Händler an. Abg. Dr. Brandt (nl.) erklärt, daß er über Bremen nicht gesprochen habe, weil seine Fraktion zu Stellung genommen habe. Der Titel wird bewilligt. Bei den Ausgaben für Unterhaltung häfen und Binnengewässer bemängelt Abg. Ziesché (Zentr.) die Schleuseneinrichtungen auf der Oder ei Breslau, die eine Verzögerung der Schiffahrt herbeiführten. An en Hafen in Breslau müßten mehr Eisenbahngleise herangelegt werden. ie Kräne seien zwar vermehrt worden, aber das volle Be⸗ dürfnis sei noch nicht befriedigt. Für die Dauer werde nichts anderes übrig bleiben, als ein drittes Hafenbecken zu bauen. Die Frage der Umschlagstarife könne erst später behandelt werden. dels
der Binnen⸗
Die Handels⸗ kammer des Regierungsbezirks Oppeln habe in einer Resolution darauf hingewiesen, daß die Bauten im Oderstrome, die Anlage von Stau⸗ weihern usw., dem Strome nicht den Charakter der natürlichen Wasserstraße genommen hätten und die Oderschiffahrt neue Abgaben nicht tragen könne. Die Regierung müsse an Schlesien denken, das von bemerkenswerter Stelle als Edelstein in der Krone Preußens be⸗ zeichnet sei, und die Wünsche der Schlesier erfüllen.
Geheimer Oberbaurat Keller: Die Regierung hat dem Bedürfnis
des steigenden Verkehrs Rechnung getragen und das zweite Hafenbecken gebaut, wodurch die Kailänge bedeutend vergrößert worden ist. Eine weitere Verbesserung der Fahrstraße oberhalb Breslaus ist in Aus⸗ sicht genommen; namentlich sollen weitere Baggerungen vorgenommen werden. Abg. Dr. Lotichius (nl.) wünscht, daß die Regierung mit den übrigen Rheinuferstaaten, Holland usw., die Korrektion des Rheins, um Ueberschwemmungen zu verhüten, sowie die Abgaben nach einheit⸗ lichen Grundsätzen regele. Bezüglich der Abgaben könne ein Vertrag unmöglich rückwirkende Kraft haben. Es würde dazu auch die Zu⸗ stimmung des Reichstags erforderlich sein. Der Redner bittet ferner den Minister, für die Korrektion der Lahnmündung in den Rhein Sorge zu tragen.
Ein Regierungskommissar erwi einem Projekt beschäftigt sei, um die Mün Lahnstein zu verbessern. 4
Abg. Dietrich (fr. Volksp.) bittet, die Stadt Braunsberg bei der Verbesserung ihrer Schiffahrtsanlagen gegenüber der Konkurrenz von Königsberg zu unterstützen.
Ein Regierungskommiss Wunsches ständen dieselben Gründe entgegen wie 1884. sonst eine ganze Anzahl anderer Städte mit ähnlichen kommen.
Abg. von Pappenheim (kons.): Ich möchte dem Abg. Lotichius
bemerken, daß Herr von Arnim in der vorgestrigen Debatte Schiffahrtsabgaben anerkannt hat, daß ein großer Teil für meliorationen ausgegeben ist, und wir lediglich den Wunsch daß die Ausgaben für die Schiffahrt verzinst werden.
Abg. Cahensly (Zentr.) bittet den Minister um der unteren Lahn.
Abg. von Böhlendorff (kons.) beschwert sich darüber, daß in Swinemünde die Kleinschiffahrt bedrückt werde, insofern die Schiffe das Hafengeld nicht nur für die geladene Last, sondern für die volle Tragfähigkeit zahlen müßten.
Ein Regierungskommissar: Die Ermäßigung des Hafengeldes wird erwogen; das Hafengeld ist aber in Swinemünde schon so niedrig, wie in keiner anderen Stadt.
Darauf wird die Debatte bewilligt.
Bei den Ausgaben zur Bekämpfung der Hochwasser⸗ gefahr und zur Untersuchung der Hochwasserverhältnisse bemerkt Abg. Dr. Heisig (Zentr.): Ueber die Erträgnisse des Klodnitz⸗ Kanals hat uns die Regierung in ihren Berichten noch nichts mit⸗ geteilt. Es wird in Erwägung zu ziehen sein, ob nicht die Unter⸗
altungskosten dieses Kanals auf die eine oder andere Weise ermäßigt
werden könnten. Die Unterhaltungskosten werden hauptsächlich durch die Baggerung hervorgerufen, denn der Kanal leidet bedeutend unter Verschlammungen. Vielleicht könnte oberhalb von Königinhütte der alte Hüttenteich wieder aufgemacht werden, um als Klärbassin und bei Hochwasser auch als Reservebecken zu dienen. Die ÜUrsachen der Klage, die wir
seit Jahren an der Klodnitz zu erheben haben, müssen in derselben Weise durch ein besonderes Gesetz beseitigt werden, wie es seinerzeit für die Emscher geschehen ist. Bei der Stadt Gleiwitz haben die Wiesen beim Hochwasser durch
ert, daß man bereits mit ung unterhalb von Nieder⸗
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ar erwidert, der Erfüllung dieses Es würde Anträgen
Regulierung
geschlossen und der Titel
Verschlammung gelitten. Ich bitte die Regierung, die Mittel dieses Titels auch für die Be⸗ obachtung der Verhältnisse an der Klodnitz zu verwenden. Der Redner erörterk dann die Projekte, die Gleiwitz zur Verbesserung des Hoch⸗ wasserprofils aufgestellt habe. Es sei anzunehmen, daß die Regierung beabsichtige, aus der Klodnitz eine leistungsfähigere Wasser⸗ straße zu machen. Der Landwirtschaftsminister habe den Adjazenten geraten, im Wege der Privatklage ihre Ansprüche geltend zu machen.
hböchst bedauerlich, daß ein Vertreter einer Korporation niemals Miitglied des Kreistages werden kann, es sei denn, daß er Grundbesitz 1“ 8 8
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sich die Schädtgung vollzogen hat. Weshalb, meine Herren, soll die 5 8
Nicht durch das Hochwasser an sich, sondern durch die schädlichen