Wir haben die moralische Verpflichtung, für unsere Landsleute dort einzutreten. Wir wünschen aber auch, daß das größere Kapital, die größeren Betriebsgesellschaften sich dieses wirtschaftlichen Lebens be⸗ mächtigen, nicht um die Herero „räuberisch“ auszubeuten, sondern um dort wirtschaftlich zu arbeiten. Vom patriotischen und kulturellen Standpunkt muß gegen die Auffassung des Abg. Bebel Widerspruch erhoben werden. Hoffentlich wird die Vorlage morgen oder über⸗ morgen erledigt werden. Es ist zu hoffen und zu erwarten, daß die bürgerlichen Parteien einig sind und den schlechten Eindruck zerstören, den die Rede des Abg. Bebel zur Schädigung unseres kolonialen Ansehens gemacht hat.
Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Direktor der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts Dr. Stuebel: Bei dem nach Südwestafrika geschafften Artilleriematerial handelte es sich in der Hauptsache um Positionsgeschütze, die für eine Kriegführung im Hinter⸗ lande von Kamerun absolut untauglich sind. Es konnte damit ganz bestimmt keine Gefahr heraufbeschworen werden, daß das Schutzgebiet von Kamerun weniger verteidigungsfähig gemacht wurde. Im Gegenteil, diese Geschütze waren gegenwärtig in Kamerun zu entbehren, und es lag ein dringendes Interesse vor, alle zur Verfügung stehenden Waffen nach Südwestafrika zu schaffen. Was die vom Vorredner mit großem Wohlwollen behandelte Frage der Entschädigung der durch den Auf⸗ stand geschädigten Ansiedler in dem Schutzgebiete anbetrifft, so ist die Kolonialverwaltung der Ansicht, daß es eine moralische Pflicht ist, dafür zu sorgen, daß die Ansiedler, die sich dort unter dem Schutz des Deutschen Reichs niedergelassen haben, nicht vor den wirtschaft⸗ lichen Zusammenbruch gestellt werden. In welcher Weise mit Ent⸗ oder mit Kreditgewährung vorzugehen sein wird, ist eine chon aus dem Grunde schwierige Frage, weil ähnliche Vorgänge in unserer Kolonialpolitik und überhaupt noch nicht dagewesen sind. Jedenfalls muß über diese Frage der Gouverneur von Südwestafrika gehört werden. Sobald dessen Berichte vorliegen, wird die Zeit ge⸗ kommen sein, sich über die Einzelheiten klar zu werden. Ich möchte noch mit einigen Worten auf die Aeußerungen des Abg. Bebel zurück⸗ kommen. Was zunächst die Schuldfrage anlangt, so ist die Zeit zu ihrer Eröꝛterung noch nicht gekommen. Die vorliegenden Aeußerungen darüber lassen noch keinen Schluß zu. Die einen behaupten, daß das weiße Element zu hart gegen die Eingeborenen verfahren sei, die anderen sagen, der Gouverneur sei in seinen Maßregeln zu milde gewesen. Ich meine, daß es sich hier in erster Linie um eine elementare Gewalt handelt. Dieser Aufstand ist mit einem Unglück zu vergleichen, wie es über ein Volk kommt durch große Ueberschwemmungen oder über eine Stadt durch große Feuersbrünste. Wer wollte bei der Schwäche der menschlichen Natur in Abrede stellen, daß auf ver⸗ schiedenen Seiten Fehler gemacht sind? Wenn auf eine von der Kolonialverwaltung in Erwägung genommene Verordnung über Ein⸗ führung einer kurzen Verjährungsfrist für Kreditgeschäfte als Ursache des Aufstandes hingewiesen ist, so meine ich, wird dieses Urteil sich nicht rechtfertigen lassen. Der Grund zu dieser Verordnung der Kolonialverwaltung war die notwendige Abstellung von Mißständen, die sich bei dem Handel zwischen den weißen Händlern, den Herero und überhaupt den Eingeborenen in den Schutzgebieten herausgestellt hatten. Der Gouverneur hatte beantragt, daß der Fellhandel zwischen Weißen und Eingeborenen auf die Basis des Bargeschäfts zurückgeführt würde. Gegen diese Maßregel erhoben sich innerhalb des Kolonialrats Bedenken. Es war unmöglich, auf diesem Wege den Mißständen vorzubeugen. Da aber die Kolonialverwaltung es nicht auf⸗ geben konnte, die offenbar bestehenden Mißstände abzustellen, so wurde ein Mittelweg eingeschlagen, wie er in unserer Gesetzgebung bekannt ist, daß man für gewisse Forderungen kurze Verjährungsfristen festsetzt. Es wird niemand bestreiten können, daß die Mißstände auf dem Ge⸗ biete des Händlerwesens und der Eingriff der Kolonialverwaltung in die wirtschaftliche Behandlung dieser Mißstände nicht zu dem Auf⸗ stande hätte führen können, wenn nicht andere Anlässe, wie die Ent⸗ blößung des Hererogebiets von den Schutztruppen, als wirk⸗ liche Ursachen hinzugekommen wären. Ebenfalls wird es der Kolonialverwaltung nicht nur nicht verdacht werden, sondern es wird in diesem Hause ganz bestimmt als eine Pflicht der Kolonial⸗ verwaltung und der Regierung überhaupt betrachtet werden, daß wir mit der größten Strenge und Entschiedenheit an die Nieder⸗ werfung des Aufstandes herangehen. Eine Instruktion, wie sie der Abg. Bebel geschildert hat, nach der keine Gefangenen ge⸗ macht und jedes Wesen, welches schwarz ist, niedergeworfen werden
oll, ist ganz bestimmt nicht ergangen. Für die Erschießung von Frauen und Kindern sehlt der allerleiseste Anhalt, wenigstens liegen authentische Nachrichten in dieser Beziehung nicht vor. Ich glaube auch, daß unser deutscher Charakter nicht zu Grausamkeit und Roheit neigt, und daß, selbst wenn auf irgend einem Wege eine Anregung an die Soldaten gekommen wäre, sich gegen die Gesetze der Humanität u vergehen, sie dies abgelehnt hätten. Der Abg. Bebel stellt sich auf die Seite der e für die er nicht den leisesten Tadel hat. Für die angeblichen und nur vermuteten Grausamkeiten der Deutschen findet er anderseits die allerschärfsten Worte der Mißbilligung. Dagegen möchte ich an dieser Stelle auf das entschiedenste Ver⸗ wahrung eingelegt haben. Unser Ansehen erfordert die Niederwerfung des Aufstands mit allen Mitleln. Es ist anerkannt, daß durch die Entwaffnung der Herero Umstände geschaffen werden müssen, die eine Wiederholung des Aufstands unmöglich machen. Ich wiederhole, der Aufstand wird niedergeworfen werden trotz des Widerspruchs, den die ußerste Linke einwirft, und ich bin überzeugt, daß diese Auffassung einen Widerhall im deutschen Volke findet.
Abg. von Normann (d. kons.): Wir werden dem Antrag Stockmann zustimmen und behalten uns eine Kritik der ganzen Kolonialverwaltung in Südwestafrika sowie der zur Niederwerfung bes Aufstandes ergriffenen Maßnahmen bei den ein elnen Positionen es Etats vor, bis in der Budgetkommission die nötigen Aufklärungen gegeben sein werden. Ganz entschieden aber erheben wir gegen die obrede Einspruch, die der Abg. Bebel auf die Herero gehalten hat. Wir bedauern auss tiefste, daß im Deutschen Reichstag eine solche Rede gehalten werden kann in dem Augenblick, wo deutsche Truppen n Südwestafrika gegen die Herero kämpfen und ihr Gut und Leben insetzen zur Ehre des Vaterlandes.
Abg. Richter (fr. Volksp.): Die Vorgänge in Südwestafrika verden allerdings zu eingehenden Erwägungen Veranlassung geben, und wir werden uns dabei nicht mit philosophischen Betrachtungen über die allgemeine Schwäche der menschlichen Natur oder mit Natur⸗ ereignissen, wie Feuersbrunst und Wassersnot abfiaden lassen. Aber die Erwägungen müssen in Zusammenhang gestellt werden mit der afrikanischen Kolonialpolitik überhaupt. Der gegenwärtige Augenblick scheint uns dazu nicht geeignet, wo unsere Truppen im Kampf stehen mit den Herero und Blut und Leben einsetzen müssen. Wir sind nicht geneigt, heute eine Anklagerede gegen die Kolonialverwaltung und noch weniger eine Schutzrede für die Herero zu halten; jetzt kommt alles darauf an, deutsches Leben und Eigentum sicher zu stellen; in einigen Wochen werden wir jene Aufgabe mit besserer Information nd Sachkenntnis erfüllen können.
Der Präsident Graf von Ballestrem gibt bekannt, daß eben zwei Gesetzentwürfe, betreffend die vorläufige
egelung des Reichshaushaltsetats und des Etats ür die Schutzgebiete für die Monate April und Mai 1904, eingegangen sind. Abg. Schrader (fr. Vgg.): Wir können die Verantwortung auf uns nicht nehmen, das von uns Geforderte abzulehnen. Aus dem⸗ elben Grunde ist es jetzt auch nicht an der Zeit, darüber zu reden, ob twas mehr oder etwas weniger geschehen soll, unt die Budgetkommission brauchte nicht behelligt zu werden; wenn man es aber so machen will, haben wir nichts einzuwenden. Wir sind auch sonst mit dem Abg. Richter einvecstanden. Ueber die Ursachen des Aufstands kann uns niemand mit einiger Sicherheit das Richtige sagen. Unsere Kolonial⸗ politik leidet immer noch unter den Anfängen, unter denen sie entstanden ist, unter der Hurrastimmung, mit der sie begann, ohne daß man sich klar war, wie die Sache eigentlich zu machen wäre. Es wird in dieser Beziehung Wandel geschafft werden müssen, nicht allein in
Verwaltung, sondern auch in diesem Hause. Wir können uns nicht
ferner trennen in solche, die alles bereitwillig zugestehen, und solche, die alles verweigern. Wir haben die Kolonien und damit die Verpflichtung, sie ordnungsmäßig zu verwalten. Eine genaue und gründliche Kritik wird erforderlich sein. Wäre es nicht zweckmäßig, für eine gute Information schon jetzt zu sorgen? Es sollten besondere Beamte von der Verwaltung hinausgeschickt werden, um die Dinge mit eigenen Augen anzusehen und über ihre Erfahrungen zu berichten. Daß Anweisungen nicht erteilt sind, daß unsere Soldaten mit besonderer Härte vorgehen sollen, ist ausgesprochen worden; aber daß unsere Sol⸗ daten auch nicht mit besonderer Milde gegen Wilde vorgehen, liegt doch sehr nahe. Es sollte geradezu in den Dienstbefehlen gesagt sein, daß möglichst menschlich verfahren werde. Die Behandlung der Eingeborenen in deren Gebieten ist ja nicht allzu schwierig. Ob Entwaffnung notwendig ist, will ich nicht entscheiden. Was die Entschädigungsfrage betrifft, so hat die Kolonialverwaltung eine gewisse moralische Verpflichtung, den Leuten entgegenzukommen. Daß man hilflose Frauen und Kinder nicht verlassen darf, ist ebenso selbst⸗ verständlich. Wie man im einzelnen vorgeht, ist ja noch vorbehalten. Es sollte so viel geschehen, wie notwendig ist, um einigermaßen die Leute im Lande zu halten, damit diese sich das Geld nicht zahlen lassen und das Land verlassen. Wenn der jetzige Krieg zu Ende ge⸗ führt ist, werden wir zu überlegen haben, was weiter zu geschehen hat.
Abg. Dr. Arendt (Rp.): Die Reden der Vorredner haben ge⸗ zeigt, daß trotz auseinandergehender Anschauungen im einzelnen wir alle darin einig sind, daß wir die Ehre des deutschen Namens wieder⸗ herstellen müssen. In diesem Augenblick ist es nicht angebracht, uns über die Entstehungsursachen des Krieges zu unterhalten. Ich behalte mir eine eingehende Kritik der Kolonialverwaltung vor. Der Abg. Patzig hat dem Abg. Bebel schon geantwortet. Wir waren ja auf das Auftreten des Abg. Bebel vorbereitet, denn in Volksversammlungen war sein Verhalten getadelt worden, daß er bei der ersten Forderung für Südwestafrika sich der Abstimmung enthalten hätte. Wie wäre wohl Herr Bebel im Zukunftsstaat verfahren? Hätte er die Deutschen ermorden lassen? Nein. Die Notwendigkeit, wenn draußen Leben und Eigentum unserer Landsleute in Gefahr ist, unseren Landsleuten bei⸗ zuspringen, ergibt sich schon aus unserer Stellung zum Auslande. Herr Bebel hat sich trotz seiner schlechten Erfahrungen mit dem Tucker⸗ Briefe wieder auf Briefe bezogen. Er glaubt nur das, was An⸗ schuldigungen gegen die Deutschen enthält, was aber schwere Anklagen gegen die Feinde des Deutschtums enthält, ist für ihn minderwertig. Einer besonderen Anweisung für unsere Soldaten, Menschlichkeit zu üben, bedarf es nicht. Bei deutschen Soldaten versteht sich die Menschlichkeit ganz von selbst. Der wachsende Wohlstand der Kolonisten wird wohl mit zum Aufstand geführt haben, denn es ist von vornherein von den Eingeborenen geplündert worden. Es hat sich auch hier die Raubgier der Wilden gezeigt. Wenn Herr Bebel sagte, die Berlinerinnen, die in die Gefangenschaft der Herero geraten seien, hätten es wahrscheinlich besser gehabt, als es den Herorofrauen wahr⸗ scheinlich in deutscher Gefangenschaft gehen würde, so fehlt mir zur Kennzeichnung dieses Wortes der parlamentarische Ausdruck. Wie würde Herr Bebel, wenn er Kolonialdirektor wäre, die Sache machen? Würde er Frieden mit den Herero machen und ihnen eine Belohnung geben dafür, daß sie unser Gebiet verwüstet haben? Würde er das Gebiet aufgeben, würde er Tabak und Schnaps schießen, das heißt Schwäche gegen die Herero zeigen? Ich für meine Person muß sagen, daß ich lieber auf jede Kolonialpolitik verzichte, als so verfahre. Gewiß mögen unter den Auswanderern zum Teil auch sittlich minderwertige Personen sein, wie auch unter den Sozialdemokraten. Aber ich muß die Auswanderer im allgemeinen gegen die Beschimpfungen des Abg. Bebel in Schutz nehmen. Sie sind aus den idealsten Gründen dort hingegangen im Interesse der Kultur. Der Ausdruck Entschädigung ist recht unglücklich gewählt, der Kolonialdirektor hat dafür schon einen besseren Ausdruck gefunden. Die Bewilligung selbst halte ich für not⸗ wendig. Die Verweisung an die Budgetkommission halte ich ebenfalls für notwendig.
Abg. Graf zu Reventlow (wittsch. Vgg.): Auch wir stimmen für die Ueberweisung an die Budgetkommission und halten den Sit. punkt nicht für geeignet, die Schuldfrage zu erörtern. Den Fin⸗ geborenen nach Beendigung des Aufstendes zum Schutz gegen Raub⸗ tiere Waffen in die Hand zu geben, würde sich nur empfehlen, wenn es Gewehre gäbe, die nur gegen Raubtiere losgehen. Der Abg. Bebel nimmt eine eigenartige Stellung ein. Er schildert das Unwesen der Händler. Gewiß ist von diesen viel versehen, aber Herr Bebel sagte schon, daß, wenn die Händler den Herero in die Hände fielen, sie entsprechend bestraft“ würden. Wie ist es mit diesem entsprechend? Der Hänkler wird an einen Baum gebunden und in Gegenwart der jungen Damen der Herero an ihm eine gewisse Prozedur vorgenommen. Herr Bebel meint, daß die Missionare und Frauen durchweg von den Herero geschont worden seien. Aus glaubwürdigen Briefen, z. B. aus Leipziger Berichten, pöht bestimmt hervor, daß die Herero, wenn es ihnen paßt, mit dem Missionar ebenso verfahren wie mit anderen Weißen. Was die Schorung der Frauen betrifft, so liegen zuweilen besondere Umstände vor, welche die Herero zur Schonung der weißen Frauen veranlassen. Es gibt ebm auch unter den Herero Fein⸗ schmecker. Wer nicht auf dem unbegreflichen Standpunkt des Abg. Bebel steht, muß sagen, es kommt nur darauf an, zu retten, was zu retten ist, und daß für die Zukunft ein kein wenig Schrecken verbreitet wird. Ich bitte die Verwaltung: venden Sie nicht allzu viel Menschlichkeit gegen Bestien in Menschangestalt an.
Abg. Bebel: Wenn Hannibal vor den Toren stände, dann würde ich es begreiflich finden, daß wir in eine weitere Erörterung und Untersuchung nicht eintreten. Angesicts der Tatsache aber, daß bei⸗ nahe in der gesamten Presse über die Ursachen des Hereroaufstandes gesprochen wird, wäre es mehr als sonderbar, wenn der Deutsche Reichstag beiseite stünde und nichts darüber sagte. Alle Berichte sind darüber einig, daß die Verordmng über die Verjährungsfrist dasjenige gewesen ist, was das Faß zum Ueberlaufen gebracht hat. Die Herero haben den Augenblick walrgenommen, wo die Deutschen auch im Süden gegen die Bondel warts tätig waren. Das be⸗ weist nur, daß die Herero doch klüger sind, als man angenommen hat. Was die Behandlung von Frauen un Kindern betrifft, so mußte ich die Kolonialverwaltung danach frager, weil man zwar von gefangenem Vieh, aber nicht von anderen Gefangenen, auch nicht von gefangenen Frauen und Kindern gelesen hat. Sollte denn jeder Herero auf den ersten Schuß tot gewesen und als Liche den Deutschen in die Hände gefallen sein? Die zitierten Briefe von Soldaten sind nicht etwa sozialdemokratischen Zeitungen entnommen; wie können diese Soldaten ihren Angehörigen schreiben, daß sie Befehl bekommen hätten, keine Gefangenen zu machen? Ich nehme gern die Erklärung an, daß von hier aus ein solcher Befehl nicht ergangen st, aber er kann doch von den untergeordneten Behörden in der Kolonk ergangen sein. Deutsch⸗ land ist zu seiner Ehre verpflichtet, diese von deutschen Soldaten, nicht von mir, erhobenen Beschuldigungen auf ihre Wahrheit zu unter⸗ suchen An Stelle des Kolonialdirektors hätte ich sofort telegraphisch in Trier und Halle von den Zeitungen Aufkläung verlangt. Nationale Kämpfe werden stets mit besonderer Erbiterung geführt. Ich er⸗ innere außerdem an China und an den berihmten Befehl, eventuell auf Vater und Mutter zu schießen. Also de ist noch manches unklar, und wir werden noch manchmal Gelegerheit zur Beschäftigung mit diesen Verhältnissen bekommen. Aber wenn man solche Maß⸗ nahmen befürwortet, dann soll man sich doch nicht mehr auf seine Eigenschaft als Mitglied eines Kulturvolkes und auf das Christentum berufen. Jedes Volk, das sich in seiner Inabhängigkeit angegriffen sieht, wehrt sich nach seiner Kulturstufe. Venn Graf zu Reventlow meinte, auf eine gewisse Prozedur hinwisen zu müssen, die an gefangenen Weißen von den jungen, Hetromädchen vorgenommen wird, möchte ich ihm sagen, daß ich sor 8 Jahren hier in diesem Hause eine ganz ähnliche Prozedur erwähnen mußte, die im allerchristlichsten Staate Spanien vorgenonmen worden war. Da wurden gegen Anarchisten in Montjuich dieflt en Scheußlichkeiten ver⸗ übt in derselben grausamen Weise, und est vor wenigen Monden hat man dieselbe entsetzliche Prozedur en Revolutionären vor⸗ genommen. Da waren es europäische Cpisten, die diese Kultur⸗ methode befolgten. Wie es in Wirklichtit in Südwestafrika um die Ursache der Empörung steht, ergibt sich aus einer Zuschrift
des „Reichsboten“. Diese Zuschrift bringt die Entrüstung die Angriffe auf die Missionare zum Auedruck.
daß man bisher in Missionarkreisen zurückgehalten was man über das Treiben der Weißen wisse, wodurch die Er
bitterung, der Haß und die Rachsucht der Herero hervorgerufen sei; e
wird auf das „wuͤste Leben der weißen Männer gegenüber den Herero⸗ frauen“ hingewiesen, auf die brutale Behandlung der Herero, auf deren „Ausbeutung durch die Händler“, die als „Kulturträger“ Schnaps und Putzwaren verkaufen. Wenn man mit den Verdächtigungen de
Missionare fortfahre, dann würden diese ihre Zurückhaltung aufgeben und die Haltung dieser berühmten Kulturträger schildern. Die deutsche Nation verdiene nicht, daß eine Handvoll Abenteurer durch ihre Bru⸗ talitäten die Empörung hervorrufe und Deutschland dann alles aus
baden müsse. deutsche Arbeit und Sittlichkeit, sonst lasse man lieber Kolonien Kolonien sein.“ Das übertrifft alles, was ich hier ausgesprochen habe, und das geht von einem Blatte aus, das aufs genaueste unterrichte
ist. Man hat die weißen Elemente in Schutz genommen gegen mich. Ich habe mich mit aller Reserve ausgesprochen. Wenn Deutschen Reichstag nicht einmal das sollte gesagt werden dürfen, was das erste so wäre das ein
über Es heißt darin, habe mit dem,
Skandal.
vorschreiben lassen. Die Herren Patzig und Arendt zogen die Tadels
äußerungen eines Teils unserer Partei gegen unsere Haltung in erster
Lesung heran. Wir haben uns damals zum Teil zurückgehalten aus Gewissenhaftigkeit, während ein Teil der Fraktion sofort die Ableh nung aussprechen wollte; wir wollten erst wissen, woran
Tag tiefer sinkt. Herr Arendt fragt mich, wie ich die Sache zu Ende bringen würde. Wie können Sie solche einfältigen Fragen an mich richten? Das grenzt ja an die Neugier des Reichskanzlers, der mich nach dem Zu⸗ unftsstaat fragte. Ich habe auf diese Frage eine Antwort gegeben. Wenn Sie den üblen Eindruck meiner Rede ausrotten wollen, so sorgen Sie gefälligst dafür, daß wir kein Material
bekommen. 1 8 Abg. D. Stoecker (wirtsch. Vgg.): Herr Bebel darf sich nicht für
vorzugsweise berechtigt halten, über Deutschland und die Ehre der Ich glaube, wir alle fühlen, daß es
deutschen Armee zu urteilen. in der Kolonialpolitik ein Unglück ist, wenn man mit Naturvölkern
einen Krieg führen muß, denn die Hauptaufgabe der europäischen Be⸗
völkerung ist, Heidenvölker aus den ewigen Kriegen mit ihren Nach⸗
barn zu befreien. Das haben wir bei den Herero getan, die ein halbes Jahrhundert in den wildesten Kriegen gelegen haben. Ich meine, wir können mit Genugtuung auf unser Gouvernement in Südwestafrika blicken. Alle Beurteiler, auch die Missionare und, wie ich vermute, selbst Leute unter den kriegerischen Herero, werden anerkennen, daß sich der Gouverneur Leutwein die allergrößte Mühe gegeben hat, die Angelegenheit in Frieden beizulegen. Ich bin überzeugt, daß, wenn die Leutweinsche Politik in der Land⸗ und in der Händlerfrage durchgedrungen wäre, der Krieg hätte vermieden werden können. Denn in der Tat hat die Land⸗ und die Händlerfrage den Aufstand hervorgerufen. Wenn Herr Bebel die Missionszustände kennte, würde er wissen, daß sich die Missionare seit Jahren die größte Mühe gegeben haben, die Herero von den wahnsinnigen Handels⸗ geschäften zurückzubringen. Die Herero sind Leute in kindlichem Zu⸗ stande, da ergibt sich für die Regierung die Pflicht, solche hem Bu. Menschen zu schützen, aber ich möchte sagen, wir haben sie in der Kriminalpolitik wie Kinder, in der Zvvilpolitik dagegen wie Erwachsene behandelt. Der Krieg muß siegreich beendet werden, aber man soll den Führern sowohl wie den Soldaten Menschlichkeit einprägen, damit sich unsere Armee wie stets als eine edle Armee erweist. Ich möchte meine Mahnung an die Regierung wiederholen, wenn sie Maßnahmen in der Behandlung von Naturvölkern zu treffen hat, Missionare heranzuziehen. Die ermwähnten Greuel sind vielleicht nur eine wilde Rache für geschlechtliche Schandtaten, die leider immer be⸗ gangen werden, wenn Weiße in Berührung mit Naturvölkern kommen. Aber ein solcher Fall kann nicht dazu dienen, die Leute als Tiere anzu⸗ sehen und zu behandeln. Eine Wiederbewaffnung der Herero nach ihrer Niederwerfung würde ich für eine große Unbesonnenbeit halten, aber sie land⸗, eigentum⸗ und rechtlos zu machen, würde ich ebenfalls für ein tiefes Unrecht erklären müssen. Was die Entschädigungen an⸗ betrifft, so kann ich nur wünschen, daß sie reichlich bemessen, und daß auch die Missionen nicht vergessen werden, denn diese haben seit einem halben Jahrhundert große Mittel in dem Hererolande aufgewendet. Es wäre ferner durchaus wünschenswert, daß zu den gemischten Kommissionen auch kundige Missionare hinzugezogen werden, und daß sich auch in Südwestafrika selbst solche Kommissionen bilden. Endlich möchte ich darum bitten, daß man Vertrauensmänner zu Rate zieht, die bei den Weißen ebenso wie bei den Eingeborenen Vertrauen genießen. Ich hoffe, der Krieg ist nicht ein Untergang, sondern nur der Uebergang in bessere Zustände.
Abg. Dr. Semler (nl.): Die Aufgabe der Zeitungen ist anders als die eines Abgeordneten, sie können viel mehr aussprechen, als ein Abgeordneter, und mit viel mehr Energie, selbst wenn es die „Kölnische Zeitung“ ist. Das möge Herr Bebel beachten. Daß wir der Kritik aus dem Wege gehen wollen, weil wir nicht mit Ehren be⸗ stehen können, ist durchaus unrichtig. Wir wollen eine Kritik nicht, weil die jetzige Situation unklar ist. Der Gouverneur Leutwein hat jetzt etwas anderes zu tun, als Berichte zu schreiben und sich zu recht⸗ fertigen. Das mag später geschehen. Träfen unserer Verwaltung Vorwürfe, so frage ich Herrn Bebel: ist der jetzige Zeitpunkt geeignet, Kritik zu üben? Die Reichsverwaltuung ist in dieser Frage nicht Partei,
wie Herr Bebel meint.
Abg. Graf zu Reventlow: Ich kann mich leider nicht mit allem einverstanden erklären, was Herr Stoecker gesagt hat. Mit allgemeinen Erscheinung werden
dem Edelmut der Herero als einer
wir nicht zu rechnen haben. Die Schandtaten der Herero erstrecken sich nicht allein auf Männer, sondern auch auf kleine Knaben. Wenn Herr Bebel sagte, diese Schandtaten hätte er schon vor acht Jahren, als es sich um Spanien handelte, gerügt, so frage ich ihn: hat er dies Verfahren als eine zentsprechende“ Bestrafung betrachtet, wie das Vorgehen gegen die Händler? Herr Bebel ist vielleicht deswegen so für die Herero eingetreten, weil die Frauen sich dort so lebhaft be⸗ teiligt haben, weil also dort eine Art Frauenbewegung besteht. Möge Herr Bebel mit seinen Ideen von Kultur und Menschlichkeit dort drüben ein Kulturreich gründen und die Herero zu dem Zukunftsstaat vereinigen. Aber freilich: er würde auf dem ersten Parteitage in Süd⸗ afrika eine „entsprechende Bestrafung“ zu erleiden haben.
Damit schließt die Diskussion.
Nach einer persönlichen Bemerkung des Abg. Dr. Arendt werden die Vorlagen und der ganze Etat für Südwestafrika der Budgetkommission überwiesen.
Darauf wird die zweite Beratung des haushaltsetats für 1904 bei dem marineverwaltung fortgesetzt.
—, Referent der Budgeikommission für die ihr überwiesenen Titel dieses Etats ist der Abg. Freiherr von Thünefeld (Zentr.). Abg. Bebel: Ich habe das Bedürfnis, den Fall Hüssener noch einmal zur Sprache zu bringen. Der Fall ist bekannt. Der Staats⸗ sekretär hat ihn auf das schäarfste verurteilt und sich bereit erklärt, dem Hause eine eingehende Darstellung zu geben. Das Urteil, das schließlich in letzter Instanz über den Totschlag von seiten des o ersten Kriegs⸗ gerichts gefällt ist, steht in Widerspruch mit der Meinung der un⸗ geheuren Mehrheit des deutschen Volkes und des Reichstags selbst.
as oberste Kriegsgericht hat nur nech auf Festungshaft von 2 Jahren 7 Tagen erkannt. Die Presse hat dies außerordentlich milde Ürteil auf das schärsste mißbilligt. Auf der anderen Seite wurden zwei Matrosen zu 6 bezw. 7 Jahren Zuchthaus verurteilt, weil sie einen Unteroffizier und einen Sergeanten in trunkenem Zuftande geprügelt haben. Das ist eine geradezu ungeheuerliche Strafe. Solche Zustände können auf
es Reichshaus⸗ Etat der Reichs⸗
„Wir sollen dort wirkliche Kultur hinbringen und
hier im
beste deutsche Zeitungsblatt für selbstverständlich hält, so S Wir stehen hier auf einem anderen Standpunkt der Kritik und werden uns von Ihnen (rechts) nichts
1- wir waren. Daß die Herren Liberalen auch hier nichts davon hören und wissen wollen, ist nur ein Zeichen mehr, wie der Liberalismus von Tag zu Man will die Herero für alle Zukunft unterdrücken.
in der Budgetkommission
Pö
“
„ Dauer unmoͤglich bestehen. Das Militärstrafgesetz muß einer de dlichen Revision unterzogen werden Sie sagen, daß wir die gelitärische Organisation diskreditieren. Dies geschieht erst auf Grund ns Materials, das Sie uns geliefert haben.
Staatssekretär des Reichsmarineamts, Abmiral von Tirpitz:
Meine Herren! Ich glaube der Geschäftslage und auch der llgemeinen Auffassung des Hauses zu entsprechen, wenn ich mich kurz usse in der Beantwortung der Angelegenheit Hüssener, der einzigen Angelegenheit, welche die Marineverwaltung berührt von dem, was der Herr Abg. Bebel hier vorgetragen hat. Ich habe mich über den Fall Hüffener ja bereits im vorigen Jahre ausgelassen und habe von dem, was ich damals gesagt habe, meinerseits nichts zurückzunehmen. Ich glaube, zum Beweise dessen den Tenor des Urteils des Ober⸗ kriegsgerichts hier anführen zu sollen; derselbe lautet:
Der Angeklagte wird wegen vorschriftswidriger Behandlung eines Untergebenen und vorsätzlicher Mißhandlung desselben mit tödliche Ausgange in rechtlichem Zusammenhange mit rechtswidrigem Ge⸗ hrauch seiner Waffe verurteilt.
Das Oberkriegsgericht hat in seinem Urteile einen minder schweren Fall angenommen. Dies basiert auf der Feststellung einer Tatsachen⸗ froge, und zwar hat es sich darum gehandelt, daß das Oberkriegs⸗ gericht festgestellt hat, der Angeklagte sei bei den Vorgängen, die sich vor dem Endakt abgespielt haben, angegriffen worden, und es sei ihm der Gehorsam direkt verweigert worden; es hätte sowohl dieser tat⸗ ichliche Angriff als die Gehorsamsverweigerung ihn in eine Erregung gebracht, die nachher bei der schließlichen Endhandlung mitgewirkt hat, die zu der Verurteilung des Angeklagten geführt hat. Das ist der Grund der milderen Auffassung, und die Schowierigkeit der Beurteilung des ganzen Falles überhaupt liegt eben in dieser Tatsachenfrage. Mir, meine Herren, steht grundsätzlich nicht das Recht zu, in eine
rörterung über das Urteil eines Kriegsgerichts hier einzutreten. (Sehr richtig! rechts.)
Abg. Dr. Semler: Bei den fortdauernden Ausgaben ist eine Reihe von Streichungen in der Kommission vorgenommen worden, deren Bewilligung sehr zu wünschen gewesen wäre. Die Stadt Wilhelms⸗ haven hängt wesentlich von der Marine ab; es herrscht aber in Wilhelms⸗ haven eine große Erbitterung infolge der wirtschaftlichen Lage. Man eschwert sich insbesondere darüber, daß die zum Nordseegeschwader gehörenden Schiffe sich in Kiel befinden und daß innerhalb der Offiziers⸗ reise nur allzusehr die Neigung bestehe, nicht in Wilhelmsbaven, ondern in großen Städten zu wohnen, obwohl die Stadt die ganzen Lasten utragen hat, namentlich Schullasten usw. Der Staatssekretär sollte n dieser Beziehung die Interessen der Stadt wahrnehmen. Es stehen ort nicht weniger als 498 Wohnungen leer. Das beruht auf einer Flucht der Beamten nach Kiel. Es wäre erwünscht, wenn die Ver⸗ waltung bei ihren Maßnahmen auch auf den Gesichtspunkt der Sozial⸗ politik Rücksicht nähme. Hoffentlich werden die Neubewilligungen auch für Wilhelmshaven nutzbringend sein. Mit der Unter⸗ ützung der Baugenossenschaften sollte die Verwaltung etwas vor⸗ chtiger sein, weil sie keine pupillarische Sicherheit bieten. Die Unterstützung aus Reichsmitteln darf nicht geschehen, wenn da⸗ urch das Schlafstellenunwesen irgendwie gefördert wird. Kaum
ein Bauverein gegründet, so stellt er schon das Ersuchen,
chlafburschen aufzunehmen, um Geschäfte zu machen. Dieses Un⸗ wesen dürfen wir nicht fördern. Zum Marineetat sind uns eine große Reihe von Petitionen zugegangen. Sie beziehen sich im wesentlichen auf Gehaltsaufbesserungen. Die Marineverwaltung möge sich dieser Jünsche annehmen. Die Entscheidung liegt allerdings beim Reichs⸗ chatsekretär; aber es wird von großer Wirkung sein, wenn der taatssekretär des Marineamts ein Wörtchen für seine Beamten bei senem einlegt. Von einer Begehrlichkeit der Petenten kann nicht die Rede sein. Die Schleusenmeister haben seit 34 Jahren überhaupt eine Gehaltsaufbesserung erhalten. Ich schließe mit dem Ansdruck der Hoffnung, daß die von der Kommission vorgenommenen Abstriche jeder beseitigt werden.
Staatsminister,
Staatssekretär des Reichsmarineamts, Staatsminister, Admiral von Tirpitz:
Ich habe in der Budgetkommission bereits ausgeführt, daß die Marineverwaltung ein lebhaftes Interesse an Wilhelmshaven hat. Es t doch das Interesse unserer Marine eng mit dem Orte verbunden. ie Marineverwaltung hat diesem Interesse auch dadurch Ausdruck egeben, daß es ihr gelungen is Nach angwierigen Verhandlungen hat mein hochverehrter Kollege, der er Staatssekretär des Reichsschatzamts, auf meine dringende Bitte reit finden lassen, daß diese Position zum Wohle von Wilhelms⸗ haven eingestellt werde.
Meine Herren, ich hätte eigentlich nach diesem Entgegenkommen, iesem faktischen Interesse, welches ich gezeigt habe, etwas anderes rwartet als eine allgemeine Mißstimmung in Wilhelmshaven. Sehr richtig! rechts.) Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren,
ülls ob hier doch ein bißchen der Appetit beim Essen gekommen wäre sehr richtig! rechts), als ob die vielen Stimmen, die an den Herrn Borredner herangelangt sind, dadurch etwas beeinflußt sein können.
Was nun die Flucht von Wilhelmshaven anbetrifft, meine perren, so ist auch darüber bereits in der Budgetkommission ngehend verhandelt worden. Ich möchte, weil vielleicht hier nd da Mißverständnisse untergelaufen sind, mit einigen Worten uf diesen Punkt zurückkommen. Meine Herren, das Offizierkorps er ganzen Marine ebenso wie die Mannschaften sind in zwei große hbälften eingeteilt: die Nordseestation Wilhelmshaven und die siseestation Kiel. Wenn ich die Nordseestation zum Beispiel nehme, id die Mannschaften und Offiziere verteilt in Wilhelmshaven, Lehe,
Purhaven, im Auslande, im Geschwader und überall da, wo wir chulinstitute haben. Als praktisches Beispiel will ich herausgreifen isere Torpedoschulanstalt mit dem Schulschiff „Blücher“ in Flens⸗ irg, da werden Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere, die zur ordseestation gehören, auf etwa 2 Jahre durchschnittlich kommandiert. kun kann man nicht verlangen, daß, wenn die Herren 2 Jahre lang Flensburg leben, ihre Familien während der ganzen Zeit in bilhelmshaven wohnen sollen (sehr richtig! rechts); das wäre cklich eine Unbilligkeit, die weniger die Offiziere trifft — denn ² würden noch eher imstande sein, trotzdem ihre Familien nach⸗ mmen zu lassen — als namentlich die Unteroffiziere und Deck⸗ suiere. Diese Härte ist gar nicht möglich und würde auch gegen die gemeinen Interessen des Dienstes sein. Diejenigen, die in Wilhelms⸗ iden Dienst tun bei den dortigen Behörden, den dortigen Truppen, oönen selbsiverständlich in Wilhelmshaven, darüber kann ja kein weifel sein. Also ich muß sagen, daß im allgemeinen die Mann⸗
aften und Offiziere, die formell zur Nordseestation gehören, in erster iie nach den Dienstinteressen und erst in zweiter Linie nach den
gteressen der Hausbesitzer und Ladeninhaber ihren Wohnsitz nehmen
4 ve (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, die Statistik, die der ir Vorredner aufgeführt hat, ist keine amtliche, sondern, soweit ich
t, einen Zuschuß zu erbitten. sich atza
29
1 116X“
Hausbesitzer haben wohl eine Zeit lang an ein schnelleres Aufblühen von Wilhelmshaven gedacht, und vielleicht ist zu viel gebaut worden. Das ist aber nicht Schuld der Marineverwaltung.
Was nun den Bauverein anbetrifft, der ja auch in Wilhelms⸗ haven verschiedentlich ungern gesehen worden ist, so ressortiert erstens dieser Bauverein nicht von der Marineverwaltung, sondern von dem Reichsamt des Innern, und wenn die Marineverwaltung den Bau⸗ verein unterstützt hat, so sind daran wieder die Hausbesitzer in Wil⸗ helmshaven schuld. Die Marineverwaltung war genötigt, wie viel⸗ leicht die Herren sich aus den vorjährigen Verhandlungen er⸗ innern, eine Reihe von Arbeiterwohnungen niederzureißen. Diesen Arbeitern, die nun in die Stadt zogen, wurden so hohe Preise gesetzt, daß wir ihnen dafür sogar haben Entschädigung zahlen müssen, damit unsere Arbeiter nicht unter der notwendigen Verlegung ihrer Wohnungen litten. Das ist der Grund gewesen, daß die Marine⸗ verwaltung selbst diesen Bauverein unterstützt hat.
Im übrigen möchte ich bemerken, daß der Bauverein in Olden⸗ burg liegt, und mir also zweifelhaft ist, ob der Bürgermeister von Wilhelmshaven zu den Beratungen hätte hinzugezogen werden können. Es ist eben ein Bauverein, der nicht im Stadtgebiet Wilhelmshaven, sondern im Oldenburgischen, in Rüstringen, liegt. So verhält sich die Sache mit dem Bauverein.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Dr. Freiherr von Stengel:
Meine Herren! Der Herr Abg. Semler hat Ihnen vollständig richtig dargelegt, daß die allgemeine Besoldungsaufbesserung der Reichs⸗ eamten im Jahre 1897 ihren vorläufigen Abschluß gefunden hat, und daß seit dem Jahre 1897 grundsätzlich über diese Besoldungsaufbesserung hinaus nur noch Aufbesserungen gewährt worden sind in solchen Fällen, in denen es sich darum handelte, entweder Härten auszugleichen, die im Jahre 1897 bei der damaligen Regelung des Besoldungssystems nicht beabsichtigt waren, oder wenn es sich darum handelte, organi⸗ satorischen Aenderungen in bezug auf das Beamtenpersonal Rechnung zu tragen. Nun sind aber seitdem fort und fort und in häufendem Maße Ver⸗
suche unternommen worden, jenes Besoldungssystem vom Jahre 1897 auch
Beamtenbesoldungen durchzusetzen. Ich nehme es den Interessenten, den beteiligten Beamten durchaus nicht übel, wenn sie solche Wünsche ihrerseits verfolgen und wenn sie mit diesen Wünschen an die Mit⸗ glieder dieses hohen Hauses herantreten; ich verüble es auch den Mitgliedern dieses hohen Hauses in keiner Weise, wenn sie solchen Anregungen ein williges Ohr leihen. Das macht ihrem guten Herzen nur alle Ehre. Aber ich mache doch darauf aufmerksam, daß es seine schweren Bedenken hat, wenn man solchen Wünschen und solchen An⸗ trägen ohne weiteres entgegenkommt, und ohne weiteres solchen An⸗ regungen und solchen Wünschen Berücksichtigung in Aussicht stellt. Ich hebe hervor, daß das Besoldungssystem für unsere Reichs⸗ beamten ein ungemein kompliziertes ist. Auch wir im Reichs⸗ schatzamt müssen uns stets alle Mühe geben, um, wenn wir an eine Besoldungsänderung bei einer einzelnen Kategorie herantreten, alle die Konsequenzen uns zu vergegenwärtigen, die sich daraus für eine Reihe anderer Beamten ergeben. Es sind in vielen Fällen für den Augenblick die Konsequenzen, die solche Aenderungen nach sich ziehen, auch von sachkundiger Seite kaum zu übersehen, geschweige denn, daß es einem Mitgliede dieser hohen Versammlung, das außerhalb steht, möglich wäre, sofort über diese Kon⸗ sequenzen sich Rechenschaft abzulegen. Ich kann nur das eine versichern, daß viel mehr noch als dieses hohe Haus die Regierungen ein dringendes Interesse daran haben, den Beamtenstand zufrieden zu erhalten, daß noch viel mehr als dieses hohe Haus die Regierungen daran ein Interesse haben, daß die Beamten bis zu den untersten Stellen herunter ein möglichst gutes und befriedigendes Auskommen haben. Daß das nicht bloß leere Worte sind, das haben die ver⸗ bündeten Regierungen Ihnen schlagend bewiesen in der Vorlage des tatsentwurfs für das Jahr 1904, indem sie Ihnen, obschon der Etat nur mit Hilfe einer Zuschußanleihe bala ziert werden konnte, in Vorschlag gebracht haben, die unterste Stufe der Beamten um den Betrag von 100 ℳ, d. h. von 700 auf 800 ℳ aufzubessern, was einige Millionen Mark kostet. Das ist ein Vorschlag, der seine Rechtfertigung nur unter dem Gesichtspunkt finden kann, daß die Regierungen ihrerseits glaubten anerkennen zu müssen, daß hier ein Notstand vorliegt, der ohne Rücksicht auf die Lage der Finanzen unter allen Umständen Abhilfe erheische. Aber ich warne davor, im übrigen einfach zu dem Mittel zu greifen, aus einem geschlossenen Besoldungssystem nun einzelne Beamtenkategorien herauszugreifen und deren Wünsche zu befriedigen. Nach meiner festen Ueberzeugung wäre das das schlechteste Mittel, das Sie ergreifen könnten, Zufriebdenheit in dem Beamtenstande herbeizuführen. 10 Beamte, 50 Beamte, 100 Beamte befriedigen Sie da⸗ durch, daß Sie eine derartige partielle Aufbesserung zugestehen; aber Tausende von Beamten machen Sie dadurch erst recht unzufrieden. (Sehr richtig! rechts.) Es müßte denn sein, meine Herren, daß Sie zugleich geneigt wären, nach allen Richtungen hin die Konsequenzen einer solchen Aufbesserung zu ziehen. Aber diese Konsequenzen ziehen nach allen Richtungen, das können Sie nicht, das verbietet Ihnen die augenblickliche Lage der Reichsfinanzen. Es fehlen uns einfach die Mittel, um diese Konsequenzen zu ziehen. Nach meinem Dafür⸗ halten ist es unsere nächste und dringendste Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Finanzen des Reichs selbst in Ordnung gebracht werden (sehr richtig! rechts), daß der Haushalt des Reichs wieder einmal balancieren kann ohne das Erfordernis einer Zuschußanleihe. Wenn wir soweit gekommen sind — das versichere ich Sie —, dann werden auch die verbündeten Regierungen gern bereit sein, ihre Hand dazu zu bieten, daß einer generellen Revision des Besoldungsregulativs der Reichsbeamten näher getreten werde, und dann können bei einer solchen Gelegenheit auch die Wünsche, soweit tunlich, ihre Berücksichtigung finden, die in so reicher Zahl an uns heran⸗ getreten sind. Aber mit partiellen Verbesserungen der Be⸗ soldungen — ich wiederhole das — wird mehr Unzufriedenheit als Zufriedenheit gestiftet, und ich möchte diese Gelegenheit benutzen, an dieses hohe Haus die dringende Bitte zu richten, insbesondere auch
in der Budgetkommission, gegen den Widerspruch der verbündeten Regierungen auf Petitionen um Aufbesserung von Beamtenbesoldungen nicht Beschlüsse zu fassen, die darauf hinauslaufen, daß sie direkt er⸗ sucht wird, solchen Petitionen Berücksichtigung angedeihen zu lassen. Zur Erwägung oder als Material bei der seinerzeitigen generellen
nach anderer Richtung zu durchbrechen und weitere Aufbesserungen der sagen,
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orientiert bin, von den Hausbesitzern selbst aufgestellt worden. Die] Revision von Beamtenbesoldungen mögen Sie ja solche Petitionen über⸗
weisen, aber es ist sehr bedenklich, solche Petitionen direkt zur Berück⸗ sichtigung zu überweisen, denn Sie erregen dadurch nur Hoffnungen in den Kreisen der betreffenden Beamten, von denen weder Sie noch wir wissen können, ob und in welchem Maße wir Sie erfüllen können. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)
Abg. Gamp (Rp.): Stehen sich denn diese Beamten schlechter als die entsprechenden Beamten in der Prvatindustrie? Bei der Ver⸗ staatlichung der Eisenbahnen in Preußen haben wir gesehen, daß die Beamten sich in der Staatsverwaltung verbessert haben bei gleicher Arbeitsleistung. Ein Wort über die Konservenfabriken. Herr Gothein beschwerte sich seinerzeit über das Verbot der Einfuhr von Büchsenfleisch. Er führte aus, daß die deutsche Industrie nicht in der Lage sei, gute Fleischkonserven herzustellen, wes⸗ halb die Marine nach wie vor das amerikanische Corned beef be⸗ ziehen müsse. Er bezog sich dabei auf das Gutachten des Pro⸗ fessors Lehmann, aber mit Unrecht, wie dieser ausdrücklich betont hat. Herrn Gothein war es bekannt, daß 1901 die Landwirtschafts⸗ gesellschaft auf ihrer Ausstellung eine Konkurrenz mit Büchsenfleisch veranstaltet hatte, das ausgestellte Corned beef wurde preisgekrönt. (Redner führt mehrere Preiszuerkennungen, auch seitens des Marine⸗ amtes, an). Professor Lehmann sagt allerdings, einige Proben seien schlecht gewesen, aber es handle sich da um Versuche von Anfängern. Das gleiche gilt nach Herrn Lehmann auch von der nächsten Aus⸗ stellung. Das Durchschnittsergebnis darf nach dessen Annahme nicht der Industrie zur Last gelegt werden. Herr Gothein kann den offiziellen Bericht nicht in der Hand gehabt haben, sonst
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wäre er nicht zur Irreführung des Reichstags gekommen. Lehmann hat mir geschrieben, daß von den 20 verdorbenen Proben unter den 90 Proben nicht eine einzige Probe von Corned beef gewesen sei. Herr Gothein hat den Bericht des Professors Lehmann auch darin nicht wiedergegeben, daß gutes Büchsenfleisch schon in Deutschland erzeugt wird. Die Marineverwaltung hat 1903 nur gerügt, daß das deutsche Büchsenfleisch sich nicht so gat schneiden lasse, wie das amerikanische. (Zwischenruf des Abg. Gothein. Herr Gothein hat den Bericht von 1903 gar nicht gelesen. Man kann es dem Professor Lehmann gar nicht übelnehmen, wenn er sagt, sein Be⸗ richt sei gefälscht. Im Bericht von 1901 sagt Professor Lehmann, die Amerikaner verarbeiteten nicht die beste Qualität von Fleisch, die chemischen Zusätze wären die schwache Seite des amerikanischen Büchsenfleisches, außerdem verwendeten die Amerikaner Sehnen und Bindegewebe. Unsere Industrie könne nicht mit Amerika konkurrieren, weil unsere Industrie das beste Fleisch verwende, während die Amerikaner alles, mancherlei. „Viehzeug möchte ich verwenden. Die Angriffe des Abg. Gothein gegen unsere deutschen Konservenfabriken seien nach Professor Lehmann nur geeignet, der deutschen Industrie zu schaden. Die Marineverwaltung bedarf größerer Vorräte für den Kriegsfall, sie schafft sie sich durch Kauf von Privaten. Ich bitte den Staatssekretär, mir zu bestätigen, was ich eben dargelegt habe. Unsere Marine darf nach dem Gesetz gar nicht ausländisches Büchsenfleisch beziehen. Nun soll die Marineverwaltung ab und zu schlechte Erfahrungen gemacht haben. Das kommt überall vor, und die Verwaltung wird sich schon geschützt haben. Es ist richtig, daß früher in den Bedingungen ausgesprochen worden ist, die Konserven sollten aus gutem Ochsen⸗
fleisch deutscher Abstammung hergestellt werden, während jetzt auch
schlechtes dänisches Fleisch zugelassen ist. Ich bitte den Staatssekretär um Auskunft darüber. 1 konserven? Es gibt in dieser Beziehung sehr leistungsfähige Firmen, die haltbare Ware herstellen. Der Abg. Gothein hat öfter das Un⸗ glück gehabt, daß seine Gewährsmänner versagten. Wenn die Ent⸗ gleisungen auf landwirtschaftlichem Gebiete erfolgen, plädiere g. immer bei ihm auf mildernde Umstände. Schlimmer ist es aber au industriellem Gebiete. Die Industrie wird sagen: Mein Freund kannst Du nicht länger sein.
Staatssekretär des Admiral von Tirpitz:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat an die Marine⸗ verwaltung die Frage gerichtet, aus welchem Grunde wir nicht unsere Konserven, speziell unser Corned Beef, aus der Reichskonservenanstalt entnehmen. Es liegen hierfür zwei Gründe vor. Einmal ist die Armeeverwaltung nicht imstande, im Falle einer Mobilmachung des Heeres auch uns Konserven zu geben, und gerade auf diesen Punkt kommt es uns besonders an. Zweitens eignen sich speziell die Armeekonserven nicht in dem Maße für unseren Schiffsgebrauch wie die Fabrikate, an die wir gewöhnt sind, und die wir jetzt aus der Privatindustrie beziehen. Der Herr Abg. Gamp hat zutreffend gesagt, daß die Reichsmarine⸗ verwaltung gar nicht imstande wäre, ausländische Konserven zu be⸗ nutzen; denn das ist gesetzlich verboten. Tatsächlich werden von der Reichsmarineverwaltung nur inländische Konserven beschafft. Den Konserven, die wir in der letzten Zeit beschafft haben, kann ich das Zeugnis ausstellen, daß sie durchaus brauchbar gewesen sind (hört! hört! rechts), und daß sie sich in ihrer Qualität immer mehr ver bessert haben. (Hört! hört! rechts.) Der einzige Wunsch, den wir noch haben, ist, daß die Dauerhaftigkeit und die Haltbarkeit noch etwas vermehrt werde. (Hört! hört! links. — Heiterkeit.) Ja, meine Herren, die Marineverwaltung beansprucht eben eine Haltbarkeit, die über vier bis fünf Jahre reicht (bört! hört! rechts. — Heiterkeit), und sie hat natürlich ein Interesse daran, daß unsere Industrie auch diese Leistung hervorbringt, woran ich persönlich nicht zweifle. (Hört! hört! rechts. — Heiterkeit.) Wenn nun der Herr Vorredner gefragt hat, ob unsere Vorschriften verlangen, daß nur gutes Fleisch zu den Konserven benutzt werden darf — es kann sich ja nur um inländisches Fleisch handeln —, so ist dies selbstverständlich. Ich darf den Passus der Vorschriften verlesen, welche für die Intendanturen erlassen find. Es heißt da bei den Qualitätsbestimmungen:
Das für die Herstellung der Präserven zu verwendende in⸗ ländische Fleisch darf nur von gut gemästeten, völlig gesunden Tieren herrühren, welche vorher tierärztlich untersucht sind, worüber auf Verlangen der Nachweis zu führen ist.
Das ist eine ganz klare Vorschrift, gegen die die Intendanturen nicht verstoßen werden.
Was die Verwendung von Fischkonserven betrifft, so ist das ein Punkt, den auch die Marineverwaltung im Auge behalten hat. Es ist richtig, daß eine Abwechselung im Essen nach der Richtung erwünscht ist. Wir haben jedoch den Schwerpunkt mehr darauf gelegt, daß die Mannschaften frische Fische bekommen, und haben nicht nur die Menagekommissionen mit entsprechenden Anweisungen versehen, sondern haben auch den Schiffen, was noch billiger und angenehmer ist, Fischer⸗ geräte an Bord gegeben. Und da unter unseren Leuten sich immer eine Anzahl von berufsmäßigen Fischern befindet, haben wir auch mit dem Fischfang zum Vorteil der Menagekommissionen recht gute Er⸗ fahrungen gemacht. (Bravo! rechts.)
Abg. Gothein (fr. Vgg.): Dem Abg. Gamp gegenüber möchte ich betonen, daß ich ausschließlich auf das Ergebnis der Ausstellung von 1901 hingewiesen habe. Ich habe meine Zitate aus einem Artikel, der von einem Mitgliede der deutschen Landwirtschafts⸗ gesellschaft, einem Großgrundbesitzer, eschrieben war, also aus einer Quelle, die ich nach jeder Richtung hin als durch⸗
Reichsmarineamts, Staatsminister,
aus einwandfrei anzusehen berechtigt war. Der Vorwurf des Abg.
Wie steht es mit der Einführung von Fisch.
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