1904 / 68 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 Mar 1904 18:00:01 GMT) scan diff

nämlich in derjenigen der Zentrumspartei. Die Wiederzulassung der Marianischen Kongregationen können wir nicht billigen. Die Kongregationen werden von außerhalb der Schule stehenden, un⸗ abhängigen Faktoren geleitet, und die vom Kultusminister zugesagte Ueberwachung der Tätigkeit dieser Kongregationen wird, fürchte ich, nicht entfernt ausreichen, auch wenn das Provinzialschulkollegium die Zügel in der Hand hat. Man scheint sich neuerdings bezüglich der Handhabung der Aufsicht über die Schulen der Meinung hinzugeben, daß, je strammer die Aufsicht ist, desto größere Leistungen erzielt werden. Diese Anschauung halte ich nicht für richtig. Außer Turn⸗ und Schwimmvereinigungen sollten Vereinigungen von Schülern an den höheren Schulen überhaupt unstatthaft sein. Es heißt direkt den konfessionellen Frieden untergraben, eine solche einseitig konfessionelle Schülerverbindong zuzulassen; ich möchte am allerwenigsten die höheren Schulen zum Kampfplatz konfessioneller Gegensätze machen. Der Abg. Hensch möchte ja einen Himmel für seine Konfession allein konstruieren. Gerade der Lehrer soll doch in erster Linie vorbildlich auf die Schüler auch im Punkte der sittlich⸗religiösen Erziehung wirken; es ist ein falscher Standpunkt, die Sittlichkeit in die Schule von draußen erst hineintragen zu wollen. Das Recht der selbständigen Meinung, der freien Ueberzeugung muß auch dem Schüler der höheren Lehr⸗ anstalt gewährt werden. Die religiösen Uebungen, welche diese Kon⸗

egationen vorschreiben, verhindern die Schule, das zu leisten, was he leisten soll. Die Marianischen Kongregationen sind den Schul⸗ gemeinschaften, den Schülern und der Ausbildung der freien Ueber⸗ zeugung hinderlich; sie haben auch noch weitere pädagogische Nachteile. Es ist doch ferner sehr fraglich, ob diese Kongregationen überall den gewollten Zweck der Hebung des religiösen Sinnes erreichen, ob sie nicht vielmehr Heuchelei und Scheinheiligkeit erzeugen werden. Auch die „Bibelkränzchen“ und dergleichen sind Pfähle, die man in das

esunde Fleisch unserer Schulen einsetzt, ohne sicher zu sein, daß etwas Ersprießliches für die Erziehung damit gewonnen wird.

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Der Ministerpräsident hat einen Teil der Ausführungen meines Freundes von Eynern unrichtig auf⸗ gefaßt. Die zitierte Rede des Herrn von Bennigsen bezieht sich gar nicht auf § 2 des Jesuitengesetzes. Herr von Bennigsen hat vielmehr 1883, als die Bismarcksche Kirchenpolitik umschlug, sich im Inter’sse des konfessionellen Friedens dieser Politik geneigter gezeigt als seine Freunde, und er trat deshalb zeitweilig aus dem politischen Leben zurück. Was Herr von Eynern dem Reichskanzler gegenüber betonen wollte, war, daß meine politischen Freunde nur immer mit einer Minorität im Reichstage für die Aufhebung des § 2 gestimmt haben. Abgesehen von dem Ton, in dem Herr von Eynern gesprochen hat, befinde ich mich sachlich in derselben Situation wie er. Ich habe allerdings im Reichstag auch für die Aufhebung des § 2 gesprochen. Ich habe gesagt, daß ich ihn für ein Ausnahmegesetz halte. Aber ich habe inzwischen doch Veranlassung gehabt, meine damalige Stellung zu revidieren, nicht erst jetzt, sondern schon 1897. Damals sagte ich, ich hätte 1895 aus Gerechtigkeitsgefühl für die Aufhebung gestimmt; ob das aber richtig gewesen sei, sei mir zweifelhaft geworden. Die Stellung des Zentrums macht uns Konzessionen unmöglich. Ein an⸗ derer Umstand spricht für mich. Die Wirksamkeit der Jesuiten liegt wesentlich in der Tätigkeit der einzelnen Jesuiten, und die zu hemmen, dazu ist § 2 bestimmt Ueber Herrn von Berlichingen machte uns gestern Herr Porsch die überraschende Mitteilung, daß er nicht mehr im Jesuitenorden sei, wahrscheinlich deshalb, weil er sich durch den § 2 gehemmt fühlte. Er hat Vorträge gegen den Protestantismus und die Reformatoren gehalten, die auch die evangelischen Kreise lebhaft erregten. Dabei haben sich die Behörden schwächlich gezeigt. Für die Aufhebung des § 2 kann nur angeführt werden, daß die katholische Bevölkerung an diesem Anstoß nimmt. Es erregt die Katholiken. wenn ihnen, wie hier von Herrn Porsch, gesagt wird, die Mitglieder des Ordens Jesu würden schlechter behandelt als Vagabunden und Verbrecher. Solche Sachen wirken natürlich in den Volksversammlungen. Der frühere Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Friedberg sagte im Reichstag bei Beratung des Gesetzentwurfs, es sei nicht angebracht, die einzelnen Handlungen der Jesuiten unter Strafe zu stellen; es sei besser, die lästigen Jesuiten ganz fern zu halten. Nur deshalb hat man dieses Ausnahmegesetz erlassen. Das Zentrum hat sich alle Bewilligungen Schritt für Schritt abdrängen lassen, ohne Gegen⸗ leistung hat es nichts getan. Herr Bachem sagt, daß seine

reunde mit dieser Forderung recht moderne Menschen seien.

st das etwa modern, wenn man einen Kirchhof in Straß⸗ burg für entweiht erklärt, weil ein Protestant darauf beerdigt worden ist? Was versteht das Hentrum unter Gerechtigkeit? Es versteht darunter, daß die katholische Kirche mit allen ihren Einrichtungen unbesehen in den modernen Staat aufgenommen wird. Es handelt sich um das wichtige Problem, Grenzen zu schaffen. Wenn das hier eine Forderung der Gerechtigkeit wäre, warum findet man denn in allen Ländern, auch in katholischen, daß Staatsaufsichtsrechte über die Kirche gegeben sind? Die Frage der Gerechtigkeit ist im gegen⸗ wärtigen Augenblick aber gar nicht die Hauptsache, sondern daß die Regierung eventuell eine andere Haltung gegenüber dem Zentrum ein⸗ nimmt, ist der Grund der Aufregung im Volke. Der Reichskanzler

beruft sich auf diejenigen aus allen Parteien, die für die Auf⸗ hebung im Reichstag gestimmt haben. Ich bedauere, daß der Reichskanzler in seiner ersten Rede über die „Geschenke“ zu schnell hinweggegangen ist. Wir hatten erwartet, daß der Kanzler auf die symptomatische Bedeutung der Sache eingegangen wäre; das hat er aber wohl aus guten Gründen nicht getan. Handelsgeschäfte, sagt der Ministerpräsident, habe er nicht gemacht, und der Ministerpräsident ist ein ehrenwerter Mann. Er handelt aus Gerechtigkeitsgefühl, aber es ist auffallend, daß dieses Gerechtigkeitsgefühl sich erst jetzt und mit solcher Heftigkeit bei ihm geltend macht. Er hat nicht nur die preußischen Stimmen für die Aufhebung des § 2 ausgebracht, sondern es auch für notwendig gehalten, die verbündeten Regierungen ein Jahr lang mit allen Mitteln der diplomatischen Kunst zu bearbeiten. Daß manche Regierungen mit schwerem Herzen darauf eingegangen sind, geht daraus hervor, daß einige sich der Abstimmung enthielten. Wer das tut, sagt damit, daß er sich prinzipiell nicht damit einverstanden erklärt, sondern durch Gründe, die außerhalb der Sache liegen, bewogen ist, keine feste Stellung dazu zu nehmen. Wenn der Vorgang des Bischofs Korum auf die verbündeten Regierungen damals einen solchen Ein⸗ druck gemacht hat, warum nicht auch auf den Ministerpräsidenten? Vielleicht hat der Ministerpräsident die Güte, uns noch eine weitere Fackel aufzustecken, die etwas weiter in die dunklen Gänge der labyrinthischen Vorgeschichte der Aufhebung des § 2 hineinleuchtet. Der Reichskanzler mahnte zum konfessionellen Frieden. An wen war die Mahnung wohl gerichtet? An die Mitglieder dieses Hauses wohl nicht. Wir sind zu gebildet und zu einsichtig, als daß wir uns nicht sagen sollten, es handelt sich hier um etwas anderes, um die Ab⸗ renzung der Rechte zwischen Staat und Kirche. Gewiß gibt es eine Hresse, die den konfessionellen Frieden nicht fördert, aber es gibt doch mehr Zeitungen, die nicht einen ausgeprägten konfessionellen Charakter haben. Richtete sich die Mahnung gegen den Evangelischen Bund, so muß ich das entschieden zurückweisen. Der Bund ist gegründet worden, als eine Menge katholischer Hetzschriften erschien, und man diese Uebergriffe zurückweisen wollte. Wie notwendig dies ist, zeigt das Buch vom Pater Denifle. Der Ministerpräsident verwahrt sich dagegen, daß er die Meinung habe, Nationalliberale hätten für die Aufhebung gestimmt in der Erwartung, daß die Regterung darauf nicht eingehen werde. Ich muß ihm sagen, daß seine Worte mindestens mißverstandlich aufgefaßt werden konnten. (Der Redner verliest die Stelle der vorgestrigen Rede des Kanzlers.) Der Kanzler sagte: Das wäre ja jesuitisch. Damit tut er uns unrecht, er hat heute selbst ge⸗ sagt, daß Herr Hackenberg nicht im Reichstage gewesen ist; er kann uns nicht für de Ausdrücke in den Blättern verantwortlich machen. Wir stellen fest, daß nach den Worten des Kanzlers die Regierung sich auf eine Aufhebung des § 1 des Jesuitengesetzes nicht einlassen werde, daß demnach Graf Bülow, wenn es einmal in Frage käme, das nicht mitmachen, sondern lieber seinen Platz räumen würde, als der Aufhebung des § 1 zuzustimmen. Herrn von Eynern kann man es nicht übel nehmen, wenn infolge der Erregung sein Ton etwas chärfer ausgefallen ist, als er sonst hier zu sprechen gewohnt ist. Um

so mehr muß es wundern, daß der Kultusminister sagte, der Ton

““ CCC1164“ ö“ 8 3 11A14A4“

überhebe ihn der sachlichen Erwiderung auf Herrn von Eynerns Rede. Der Kultusminister erklärte, daß die Leitung einer Marianischen Kon⸗ gregation durch einen Jesuiten ausgeschlossen sei, und rief Herrn von Eynern zu: ignorantia juris nocet. Herr von Eynern mag juristisch daneben gehauen haben, 82 auch der Kultusminister hat daneben gehauen. Die Anstellung eines Jesuiten als Lehrer ist allerdings dadurch ausgeschlossen, daß der Staat das Anstellungs⸗ beziehungsweise Be⸗ stätigungsrecht für die Lehrer hat, und das Vertrauen haben wir zu unserer Schulverwaltung, daß sie keinen Jesuiten zulassen werde; aber durch den § 2 des Jesuitengesetzes ist es nicht ausgeschlossen. Die Ausführungen meines Freundes Hackenberg waren noch zu entgegen⸗ kommend und sanft, ich begreife deshalb nicht, wie man sich hinter unsern Ton verschanzen kann. Durch die Zulassung der Teilnahme der Schüler an den Kongregationen wird dem geistlichen Einfluß in der Schule Tür und Tor geöffnet. Warum sind denn im katholischen Bayern die Kongregationen 1869 verboten worden? Es ist der ultramontan⸗jesuitische Einfluß gewesen, der es veranlaßt hat. Man sagt, die Angliederung der Kongregationen an den Jesuitenorden sei eine zufällige Erscheinung. Aber in katholischen Werken über die Orden wird der segensreiche Einfluß der Jesuiten auf die Kongregationen lobend hervorgehoben. Die Jesuiten schieben wohl die Laien in den Vordergrund, behalten sich aber stets das letzte Wort vor. Herr Porsch sagt, wir könnten das nicht verstehen, sonst würden wir katholisch werden. Dann haben also die Katholiken eine ganz besondere Logik, die von derjenigen anderer Leute abweicht. Im Degen dazu empfiehlt uns Herr Bachem, nicht einseitig zu sein, sondern katholische Bücher zu lesen. Wozu, wenn wir sie nicht verstehen? Die Zentrumsredner müssen doch hier in dieselbe Kerbe hauen und sich nicht gegenseitig widersprechen. Der Minister sagt, die Zulassung der Kongregationen hänge von der Genehmigung des Provinzialschulkollegiums ab, und der Direktor und der Religionslehrer hätten die Aufsicht. Ich bedauere, daß die schwere Verantwortung dem Provinzialschulkollegium zugeschoben worden ist. Der Mißhrauch wäre besser ausge⸗ schlossen, wenn der Minister die Genehmigung erteilen müßte. Wie wird es denn kommen? Welches Geschrei wird entstehen, wenn einmal ein evangelischer Schuldirektor die Aufsicht über die Kongregationen üben will! Und die katholischen Lehrer sind zu ab⸗ hängig von den Geistlichen, als daß ich Vertrauen zu ihnen haben könnte. Die Zulassung der Marianischen Kongregationen bedeutet die Auslieferung der höheren Schulen an den Ultramontanismus. Die Beilegung des Kulturkampfes soll die größte historische Tat sein, die Fürst Bismarck getan hat. Also erst in zweiter Linie kommt der Krieg mit Oesterreich, in zweiter Linie gar die Aufrichtung des Deutschen Reiches? Das ist ultramontanisch! Die konservativen und die liberalen Parteien denken über jene Ereignisse anders. Der Ministerpräsident befindet sich hier gegenüber den Parteien des Hauses, abgesehen vom Zentrum, in einer splendid isolation! Glaubt er, dem Zentrum nachgeben zu müssen, weil es eine große, ausschlaggebende Partei ist, so möge er nicht vergessen, daß die im Hause vorhandenen nationalen Parteien auch zur Bildung einer Mehrheit notwendig sind, auch im Reichstage. Darum möge der Reichskanzler dieses Verhältnis nicht abwirtschaften, wie ein Landwirt ein ererbtes Gut, und über ihre Wünsche ktücksichtslos zur Tagesordnung übergehen. Der Ministerpräsident ist ein humaner Mann, er beruft sich auf Goethe und sagt, daß die Freiheit der Wissenschaft das höchste Gut ist. Dann muß die Regierung auch denen, die sich keiner der Konfessionen anschließen, volles Recht und vollste Frei⸗ heit gewähren. Wenn Graf Bülow auf die Darstellung seiner Zeit in der Geschichte Wert legt, so wird er in der ultramontanen Geschicht⸗ schreibung eine gute Nummer erhalten, die ihm die Aufhebung des § 2 und die Zulassung der Kongregationen als sein größtes politisches Verdienst anrechnen wird. Aber in der unparteiischen protestantischen Geschichtschreibung wird er keine beneidenswerte Rolle spielen. Da soll man nicht sagen, daß die Aufhebung des § 2 Schuld der nationalen Parteien war, die ihre Stimme nicht dagegen erhoben hätten, sondern Schuld derjenigen, die an der Spitze der Regierung standen.

Präsident des Staatsministeriums, Reichskanzler Graf von Bülow:

Meine Herren! Ich möchte die Diskussion nicht aufhalten, zumal mein Herr Nachbar, der Herr Kultusminister, auch auf die Aus⸗ führungen des Abg. Dr. Friedberg antworten will. Ich kann aber eine

hebung des Art. 2 gesprochen. Meine Herren, dieses Dunkel und dieses Labyrinth ist nicht so groß, wie das Dunkel und das Labyrinth das für mich die Revision umhüllt, die der Herr Abg. Dr. Friedberg in dieser Frage seinen eigenen Ansichten hat angedeihen lassen. (Seh gut!) Ich habe hier vor mir die Verhandlungen des Reichstags vom Jahre 1895/96 mit der schönen Rede, die der Herr Abg. Fried⸗ berg damals gehalten hat für die Aufhebung des Art. 2. Und eben hat der Herr Abg. Friedberg selbst gemeint, das wäre eine Frage, zu der müßte man ja sagen, oder man müßte dazu nein sagen. Man kann aber doch nicht zu dieser Frage, wie der Herr Abg. Dr. Friedberg tut, abwechselnd ja und dann wieder nein sagen. (Große Heiterkeit.) Nun, meine Herren, hat der Abg. Friedberg wieder ge⸗ sprochen von Geschäften, die ich machte mit einer Partei dieses hohen Hauses. Darauf entgegne ich dem Herrn Abg. Dr. Friedberg, daß ich vorgestern, und daß ich schon früher betont habe, daß von einer Abhängigkeit der Königlichen Staatsregierung von irgend einer Partei nicht die Rede ist und nicht die Rede sein kann. Das wird mir der Herr Abg. Dr. Friedberg aber doch wohl selbst zugeben daß ich als praktischer Politiker mit den Verhältnissen rechnen muß, wie sie im Reichstage liegen, wie ich sie im Reichstage nicht ge⸗ 'schaffen, sondern vorgefunden habe. Und das wird der Herr Abg. Friedberg doch auch nicht bestreiten, daß ich als leitender Minister Fühlung halten muß mit den großen Parteien, die auf dem Bode der bestehenden Ordnung der Dinge stehen (sehr richtig!), mit den großen staatserhaltenden Parteien, solange ich mich in verfassungs mäßigen Bahnen bewegen will. Wie würde es denn der Herr Abg. Dr. Friedberg machen, wenn er an meiner Stelle stünde? Würde Herr Dr. Friedberg denn etwa einen Staatsstreich unternehmen Danach sieht er mir doch eigentlich nicht aus (große Heiterkeit), trotz dem, was er eben von seinem Temperament gesagt hat. Oder würde der Herr Abg. Dr. Friedberg sich im Reichstage auf die äußerste Linke stützen? in linksliberalen Blättern. in dieser Richtung gelesen.

Ich habe erst heute früh einen Artikel Ich halte den Herrn Abg. Dr. Friedberg aber doch für zu verständig, als daß er so phantastische Wege einschlagen sollte. Ich glaube, wenn der Herr Abg. Dr. Friedberg an meiner Stelle stünde, dann würde er es ungefähr ebenso machen wie ich (Heiterkeit), nur etwas temperamentvoller. (Große Heiterkeit.) Es ist ebenso falsch, mir die Aufhebung des Art. 2, die man kann gar nicht oft genug daran erinnern wiederholt seit Jahren von der sehr großen Mehrheit des Reichstags beschlossen worden ist, als eine Nachgiebigkeit gegenüber dem Zentrum anzukreiden, wie es falsch wäre, zu sagen, daß mein Eintreten für eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Zölle eine Schwäche gegenüber der konservativen Partei gewesen wäre, wie es auch falsch wäre, zu sagen, daß die stramme Polenpolitik, die ich vertrete, und die zu meiner Freude von der nationalliberalen Partei unterstützt wird, eine Nachgiebigkeit gegenüber der nationalliberalen Partei wäre, diese Polenpolitik, von der ich hoffe, daß, wenn sie nach den Osterferien wieder hier auf der Tagesordnung steht, ich dann den Herrn Abg. Dr. Friedberg in dieser Frage an meiner Seite finden werde. Also, ich wiederhole: mit den Verhältnissen, wie sie liegen, muß jeder praktische Politiker rechnen, denn die Politik, Herr Dr. Friedberg, ist der ordo rerum agibilium. Das hat schon der heilige Thomas von Aquino gesagt, dessen Zitierung Sie mir hoffentlich nicht als eine neue Konzession an das Zentrum vorwerfen werden. (Große Heiterkeit.) Die Königliche Staatsregierung darf sich von

Reihe von Bemerkungen des Herrn Vorredners nicht unwidersprochen lassen. Wenn der Abg. Friedberg von splendid isolation gesprochen hat, in der ich mich befände, so erwidere ich ihm, daß, wenn in diesem hohen Hause über die Aufhebung des Art. 2 abgestimmt würde, ich wahrscheinlich nicht ganz allein für die Aufhebung eintreten würde. Ich möchte ihn ferner darauf hinweisen, daß ich nicht glauben kann, die rechte Seite dieses hohen Hauses sei mit dem Standpunkt des Herrn Dr. Friedberg in kirchenpolitischer Hinsicht vollständig einverstanden. Ich wenigstens finde, daß zwischen den Ausführungen, die vorgestern hier der Herr Abg. von Heydebrand gemacht hat, und der heutigen Rede des Herrn Abg. Dr. Friedberg wie den gestrigen Ausführungen des Herrn Abg. von Eynern ein sehr wesentlicher Unterschied bestebt. (Sehr richtig! rechts.) Und endlich möchte ich den Herrn Abg. Dr. Friedberg darauf aufmerksam machen, daß, wenn ich eine Sache für richtig halte, ich mich nicht deshalb von ihr abbringen lasse, weil ich mit meiner Meinung allein stehe. Wenn ich keinen anderen Kompaß hätte, als das Mehrheitsprinzip, wäre ich ein schlechter Ministerpräsident.

Ferner hat der Herr Abg. Friedberg von einer großen Rücksichts⸗ losigkeit gesprochen, die ich begangen hätte. Worin soll denn dies Rücksichtslosigkeit bestehen? Darin, daß ich auf einen, wie von allen Seiten zugegeben worden ist, vom Reichstage mit sehr großer Mehr⸗ heit gefaßten Beschluß eingegangen bin?! Wo kommt denn die Stimme des deutschen Volkes mehr zum Ausdruck: in den Beschlüssen des Reichstags oder in dem, was der Herr Abg. Dr. Friedberg und seine näheren Freunde wünschen? Und diese Rücksichtslosigkeit soll ich speziell begangen haben in dieser Frage, wo der Herr Abg. Dr. Friedberg selbst früher für die Aufhebung des Art. 2 gestimmt hat. (Heiterkeit.) Meine Herren, ich hatte erwartet, daß dem Herrn Abg. Dr. Friedberg die offene und aufrichtige Erklärung genügen würde, die ich hier gegen die Mißdeutung meines Zitats aus liberalen Blättern zur Abstimmung über den Art. 2 abgegeben habe. Da das leider nicht der Fall ist, so wiederhole ich noch einmal: es ist mir gar nicht ein⸗ gefallen, mit den Worten, die ich an den Herrn Abg. D. Hackenberg gerichtet habe, diesen irgendwie persönlich treffen zu wollen. Das lag mir so fern, wie gewiß auch der Herr Abg. Dr. Friedberg nicht daran dachte, mich verletzen zu wollen, als er mir vorgestern bei meinem Protest gegen den sogenannten Kubhandel sein „Nanu’ zurief.

(Heiterkeit.) Es ist mir ebenso wenig eingefallen, irgend einen inneren Zusammenhang konstruieren zu wollen zwischen dem Herrn Abg. D. Hackenberg und der roservatio mentalis, wie es dem Herrn Abg. Dr. Friedberg beigekommen sein wird, einen Zusammenhang herstellen zu wollen zwischen mir und dem Kuhhandel. Ich kann also in den Auslassungen des Herrn Abg. Dr. Friedberg nur den Ausdruck einer etwas künstlichen Empfindlichkeit sehen, die auch durch sein von ihm eben hervorgehobenes Temperament meines Erachtens nicht ganz erechtfertigt wird. 2 u“ hat der Herr Abg. Dr. Friedberg von dem Dunkel ge⸗ sprochen, worin sich die Vorgeschichte der Aufbebung des Art. 2 be⸗

byrinthischen Vorgeschichte der Auf⸗

keiner Partei regieren lassen, sie hat aber die Pflicht, die Kräfte jeder Partei zu verwerten, jede staatserhaltende Partei nach Möglichkeit zu verwerten für das Wohl des Ganzen, für die Gesamtheit. Gewiß, meine Herren, wenn eine Partei, wie nach den gegenwärtigen Ver⸗ hältnissen das Zentrum, die stärkste Partei im Reichstage ist, so legt ihr das meines Erachtens auch ganz besondere Pflichten auf gegenüber dem Vaterlande, es legt ihr die Pflicht auf, dafür zu sorgen, daß die Regierungsmaschine im Gang bleibt. (Sehr richtig!) Wenn die Partei sich dieser Verpflichtung entzöge, so würde dadurch nicht nur das Wohl des Landes geschädigt werden, es würde sich auch unfehlbar an der Partei selbst rächen.

Ich betrachte es aber nicht nur als meine Aufgabe, Fühlung zu halten mit den staatserhaltenden Parteien, ich betrachte es auch als meine Pflicht, darüber hinaus die staatserhaltenden Parteien zu einigen gegenüber den Gefahren, auf die ich vorgestern am Schlusse meiner Ausführungen hingewiesen habe. Und ich kann nur mein Bedauern darüber aussprechen, wenn mir diese meine Aufgabe so sehr erschwert wird, wie das durch Reden geschieht, wie sie gestern Herr von Eynern und heute Herr Dr. Friedberg gehalten haben. (Widerspruch bei den Nationalliberalen.)

Aus jedem Wort der Ausführungen des Herrn Abg. Friedberg ging hervor, daß er von der Besorgnis erfüllt ist, die Königliche Staatsregierung und ich speziell wären zu nachgiebig gegenüber katholischen Ansprüchen. Er glaubt, daß wir fortgesetzt vor Wünschen der katholischen Bevölkerung zurückwichen. Ich bestreite nicht, daß ich es für meine Pflicht halte, da, wo keine Verletzung weder des Staats⸗ interesses, noch der evangelischen Kirche, noch der Grundbedingungen der deutschen Kultur, mit der ich es sehr viel ernster nehme, als der Herr Abg. Dr. Friedberg eben anzunehmen schien, daß, wo keine Verletzung dieser drei gewichtigen Faktoren vorliegt, wir den Wünschen unserer katholischen Mitbürger Rechnung tragen können. (Bravol! im Zentrum.) Ich bestreite auf das entschiedenste, daß ich diese Grenze jemals überschritten hätte. Ich habe vorgestern genau die Linie gezogen, über welche keine preußische Regierung in kirchenpolitischen Fragen hinausgehen kann, noch hinausgehen wird. Ich habe deutlich den Punkt bezeichnet, wo das Staatsinteresse jeder preußischen Regierung Halt gebietet. Ueber diesen Punkt werde ich sicherlich nicht hinausgehen, und wenn es den Herrn Abg von Eynern beruhigen kann, so will ich hinzufügen, daß, soweit mein Auge in die Zukunft reicht, auch keiner meiner Nachfolger diese im vitalsten Interesse der preußischen Monarchie gebotene Linie je überschreiten wird. (Lebhafter Beifall.)

-Abg. Dr. Porsch (Zentr): Herr von Evnern hat gestern das Wort Windthorsts zitiert: „Der Papst regiert die Welt“; es soll in der Katholikenversammlung in Münster gefallen sein. Ein Jahr nach diesem Ausspruch schien es allerdings, als ob auch in weltlichen Dingen der Papst in Deutschland regiere; denn in dem Wahlaufruf gegen das Zentrum hieß es, daß auch jeder Zentrumsmann

für das Septennat stimmen müsse, da Seine Heiligkeit der Papst es wünsche. Ein großer Teil des Zentrums nimmt natür⸗ lich an den Katholikenversa Mitglieder anderer

Solchen Wünschen und Gedanken begegne ich ja zuweilen

der beiden christlichen Konfessionen und unterstellt sie der Aufsicht der stimmungen für Vereine beider Konfessionen gelten, eine besondere

arteien an Freimaurer⸗ und dergleichen Versammlungen teilnehmen;

zber darum darf man unsere politische Partei nicht für alles ver⸗ mtwortlich machen, was in diesen Versammlungen geschieht. Auf

dem Katholikentage in Freiburg 1888 hat Windthorst die des Zentrums zum Dreibund ausdrücklich dahin präzisiert, Dreibund eine segensreiche Einrichtung für die Erhaltung zischen Friedens sei. Herr Zwick versteht das Wesen der Maria⸗ nischen Kongregationen nicht, Finrichtungen. Es ist unrichtig, daß die zußerhalb der Schule stehenden Faktoren geleitet würden. werden von den Religionslehrern geleitet, außenstehende Faktoren zaben gar keinen Einfluß. Es handelt sich um Kongregationen, die an preußischen Anstalten eingerichtet werden. Wie wir unsere latholische Jugend erziehen wollen, ist unsere Sache, das kann in diesem Hause nicht entschieden werden. Für die Beurteilung der Kongregationen ist nicht irgend eine Broschüre über sie maßgebend, sondern lediglich deren Statut. Die Beschlüsse der Religionslehrer in Sachsen sind bereits mißbilligt worden. Herr von Zedlitz hat zu meiner Freude in friedlichem Ton gesprochen. Aber ich meine, unsere gemeinsame Mitarbeit mit Andersgläubigen wird uns erschwert, wenn ins Tag um Tag vorgehalten wird, daß wir Katholiken Staatsbürger weiter Klasse seien. Andere Parteien haben gemeint, die Aufhebung des §2 vor den Reichstagswahlen wäre besser gewesen, weil sie das Zusammen⸗ mbeiten bei den Wahlen erleichtert hätte. Die Reden der Herren von Eynern und Friedberg dienen allerdings nicht dem Frieden. Herr von Zedlitz meint, der modus vivendi würde abgebröckelt.

Stellung

Aber der § 2 sowie die Marianischen Kongregationen sind ganz außer⸗ halb des vereinbarten modus vivendi geblieben. Eine starke Stimmung gegen die Aufhebung des § 2 mag im Volke bestehen, aber man weiß in weiten Kreisen der evangelischen Bevölkerung richt, was der § 2 bedeutet. Herr von Eynern sprach gestern von der „Zulassung des Jesuitenordens“. Davon ist doch gar keine Rede. In weiten Kreisen der Evangelischen kennt man das Wesen des Jesuiten⸗ ordens überhaupt nicht; es sind ja immerfort Verleumdunzen über ihn verbreitet worden. Warum macht man denn beim Jesuitenorden Halt? Mit demselben Rechte könnte man gegen die katholischen Orden überhaupt vorgehen, und das stände im Widerspruch mit den gemachten Verheißungen. Die meisten von denen, die sich über Jesuiten aufregen, haben überhaupt noch keinen Jesuiten gesehen keine Vorstellung von ihm. Dankbar bin ich für die Erklärung des Herrn Friedberg, daß für ein Ausnahmegesetz halte. Aber er erklärte weiter, er jetzt für dessen Aufrechterhaltung aus taktischen Gründen wegen der richsfeindlichen Haltung des Zentrums sei. Das wäre ja der schlimmste Kuhhandel, wenn Herr Friedberg ein Ausnahmegesetz auf⸗ rccht erhielte, weil das Zentrum reichsfeindlich sei. Wo sind denn die Geschenke, die das Zentrum für die Bewilligung der Flottenvorlage erhalten hat? Was würden die Evangelischen sagen, wenn wir im Reichstag ein Gesetz beantragten, durch das Niederlassungen des Fvangelischen Bundes verboten und der Aufenthalt der Mitglieder beschränkt würden? Die Vorträge des Freiherrn von Berlichingen kann ich hier nicht vertreten, ich kenne sie nicht; aber wenn er sich mangemessen ausgedrückt haben sollte, so können Sie ihn doch nicht dem Jesuitenorden an die Rockschöße hängen. Sorgen Sie nur für Mäßigung in Ihren eigenen Reihen. Die Marianischen Kongre⸗ aationen stehen außerhalb jeder Beziehung zu dem Jesuitenorden. Schon weil Sie (zu den Nationalliberalen) diese Dinge nicht richtig verstehen, sollten Sie sie nicht erörtern. In dem Augenblick, wo Sie ein katholisches Buch verstehen, sind Sie schon katholisch. Wir

überlassen Ihnen die Ordnung Ihrer innerkirchlichen Angelegen⸗ ich nicht.

beiten vollkommen allein; eine größere Freiheit können wir Ibnen doch nicht geben. Aber wir verlangen dieselbe Frei⸗ heit. Wir haben niemals die freien Professoren von der Wissen⸗ schaft ausschließen wollen, sondern immer nur verlangt, daß in der Wissenschaft auch unsere Männer zum Worte kommen. Herr Fried⸗ berg verlangt Freiheit für gottlose Professoren, und Atemzuge spricht er für Internierung oder Expatriierung der Jesuiten. Vor einigen Jahren hat in einem Toast der Prinz Ludwig von Bavern gesagt: Wir deutsche Katholiken verlangen gar nichts anderes als die Gleichberechtigung mit den deutschen Protestanten im Reich und in allen einzelnen Staaten. Das ist auch unser Programm.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Ich muß mich zunächst gegen die sowohl in der heutigen wie in der gestrigen Debatte vielfach vertretene Auffassung wenden, als ob die von mir unter dem 23. Januar d. J. verfügte Aufhebung des Verbots religiöser Schülervereine in irgend welchem Zu⸗ sammenhange opportunistischer Natur mit der Aufhebung des § 2 de Jesuitengesetzes stände. Die Vorbereitungen für die Entscheidung der Frage, ob es zulässig sei, die Marianischen Kongregationen und überhaupt katholische religiöse Schülervereine wieder einzuführen, liegen eine längere Reihe von Jahren zurück. Ich kann außerdem noch hinzufügen, daß die Notwendigkeit vorlag, die ganze Materie der religiösen Schüler⸗ rereine für beide Konfessionen einheitlich zu regeln. Es hatte sich schon vor längeren Jahren herausgestellt, daß eine Politik von Fall in Fall auf diesem schwierigen Gebiete schließlich zu einer Verbitterung des zurückgesetzten Teils und zu Inkonsequenzen führen muß, und die Erfahrung hat es ja auch im Laufe der Zeit bestätigt. Deswegen lag für mich alle Veranlassung vor, mit dieser an sich schwierigen und derantwortungsvollen Frage endlich aufzuräumen. Ich habe mich in dem Bewußtsein, daß ich vor einer Menge von Vorurteilen und vor diner wahren Barre von Irrtümern und Schwierigkeiten stehen würde, sängere Zeit allerdings bestimmt gefunden, lieber die Entscheidung auf⸗ zischieben, als vielleicht eine solche zu treffen, die nicht nach allen Kichtungen hin als vertieft und namentlich hinsichtlich ihrer tatsächlichen Voraussetzungen als gänzlich einwandsfrei hingestellt werden kann. Dann mir schließlich die Ueberzeugung gekommen, daß dieser Abschluß endlich areicht war, und das hat mich dazu bestimmt, die Entschließung vom 23. Januar an die beteiligten Provinzialschulkollegien hinausgehen iu lassen. Wenn ich aus gewissen versteckten Andeutungen nun entnehmen derf, daß die Zeit der Publikation dieser Entscheidung auch in gewissen ersächlichen Zusammenhang mit opportunistischen Rücksichten gebracht

worden ist, so darf ich hervorheben, daß lediglich durch den? ruch des der katholischen Anschauung rechnen, welche auf ihre besondere Weise

Umtsgeheimnisses die Verfügung vom Januar d. J. in die Oeffentlichkeit gekommen ist. Weiter ist mir in die Schuhe geschoben worden, daß ich ein großes rheinisches Zentrumsorgan als meinen Moniteur zu der Ver⸗ efentlichung benutzt hätte. Das ist ein ebensolcher Irrtum. Mich trennt eine Menge verschiedenartiger Auffassungen, namentlich in bezug auf unsere nationale Politik, von diesem rheinischen Zentrumsorgan, * 6 hatte nicht die geringste Veranlassung, mich desselbe ds Vermittler für meine Entscheidungen zu bedienen. Die Kitik der Tagespresse hat sich aber mit meinem Erlaß 8 23. Januar in einer Weise beschäftigt, welche den Irrtum er⸗ V mußte und tatsäͤchlich zu der falschen Auffassung geführt hat, n- d der Erlaß lediglich die Wiederzulassung der sogenannten Maria⸗ chen Kongregationen angeordnet hätte. Das ist absolut nicht der all. Ich bitte den Wortlaut zu prüfen, und Sie werden auch zu erselben Auffassung gelangen, die ich nunmehr hier geltend zu machen habe. 1

Der Erlaß behandelt die religiösen Vereine aller Kategorien und

daß der des euro⸗

es ist eben eine unserer katholischen

Kongregationen von Sie

er nach wie vor den § 2 Teil

in demselben Katholiken.

Schulbehörden, gleichviel ob die religiösen Vereine dem katholischen oder evangelischen Bekenntnisse angehören. Zahlreiche Eltern beider Bekenntnisse sehen in der Zugehörigkeit zu diesen Vereinen ein Mittel, den religiösen Sinn der Kinder zu beleben, und sie vor den sittlichen Gefahren, denen sie in freien Stunden, nament⸗ lich in den größeren Städten, leider stark ausgesetzt sind, wirksamer zu schützen. Dies wird besonders bezüglich derjenigen Familien als richtig zugegeben werden müssen, in denen der Haushaltungsvorstand durch Berufsgeschäfte usw. derartig in Anspruch genommen ist, daß er sich der Aufsicht der Kinder nicht in aus⸗ reichendem Maße widmen kann. Die Einwendungen, daß religiöse Vereine und überhaupt Vereine unter den Schülern allgemein als unzulässig untersagt werden müßten, vermag ich nicht zu teilen. Eine solche Maßnahme würde der Praris der preußi⸗ schen Unterrichtsverwaltung widersprechen; sie würde sich zu der Volksanschauung weiter Kreise in entschiedenen zegen⸗ satz stellen und sie würde mich auch vor eine ganz unmsgliche Aufgabe stellen. Es hat sich dies im Laufe der Zeit schon gezeigt. Ich bin fest überzeugt, daß sowohl auf katholischer, wie auf evangelischer Seite es schwer empfunden werden würde, wenn ich mit einem Male mit einem derartigen Verbot herauskommen sollte, welches in das Selbstbestimmungsrecht der Eltern in bezug auf die Frage religiösen Bekenntnisses der Kinder weit eingreifen würde,

2 Stempel einer einseitigen,

andererseits den ab irato getroffenen Maßregel notwendig an

sich tragen müßte, umsomehr als die Unterrichtsverwaltung eine Reihe

Mußte sonach Schülervereine in werden, dann war tigkeit nicht der

die Frage der Zulässigkeit bejahendem Sinne grundsätlich es aus Gründen der Bllligkei

möglich, von dieser Zulassung ferner Bevölkerung auszuschließen, welcher die

religiöser entschieden und Gerech⸗ denjenigen

1 . . 241 8 82 I“ daß Einwirkung auf die Gemüter der Kinder für besonders wertvoll hält.

Der bisherige Zustand wurde also allmählich unhaltbar, nachdem sich herausgestellt hatte, daß namentlich auch die evangelischen Bibel⸗ kränzchen eine gewisse Ausbreitung gefunden hatten. Eine Statistik über die Zahl dieser Bibelkränzchen steht mir allerdings nicht zur Ver⸗ fügung, ich habe aber auch keine Veranlassung, in diese Details ein⸗ zudringen, weil ich mit mir über die grundsätzliche Frage der Zulässig⸗ keit der religiösen Vereine vollständig einig bin. Ich füge noch hinzu, weil ich gerade die Frage der Statistik berühre, daß die Zahl der Marianischen Kongregationen, wie sie zur Zeit der Aufhebung, also im Januar 1872, bestanden haben, eine sehr geringe war, und daß sonach diejenige Auffassung Gespenster sieht, welche meint, daß sofort eine ganze Anzahl von Marianischen Kongregationen sich über die ganze Monarchie ausbreiten würde. Diese Befürchtung teile Sie wird übrigens auch von maßgebenden Kreisen der Katholiken nicht geteilt, und ich glaube sicher, daß ich mich in dieser Voraussetzung nicht täuschen werde.

Den Bibelkränzchen, um auf diese noch zurückzukommen, mißt man eine andere Bedeutung zu als den religiösen Vereinen der Vom speziell evangelischen Standpunkt ist das gewiß richtig. Aber die Unterrichtsverwaltung hat justitia distributiva zu

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stalt bestehenden Verhältnisse erteilt werden; drittens, es ist die Satzung vorzulegen und dabei zu prüfen, ob durch die Zulassung des Vereins der Schule oder den Schülern Nachteile erwachsen werden.

üben und konnte sich einer sorgfältigen Prüfung der Frage nicht ent⸗ ziehen, ob die Aufrechterhaltung einer völlig verneinenden und ohne Geltendmachung von Gründen erlassenen ministeriellen Anordnung die berechtigten Ansprüche und Empfindungen der katholischen Eltern nicht fortgesetzt zu verletzen geeignet sei.

Ich habe bei meiner ersten Rede schon hervorgehoben, daß es schon damals, als die Frage des Verbots schwebte, nicht an gewichtigen Stimmen gefehlt hat, welche diese Maßnahme als ine durchaus nicht empfehlenswerte widerrieten; und die Be⸗ ürchtungen, die an diese Einwendung geknüpft wurden, haben sich in der Tat im Laufe der Zeit bestätigt.

Die katholisch⸗religiösen Vereine anlangend, so führen sie zum überwiegenden Teile allerdings den Namen marianischer Kongregationen, und ich habe neulich schon erklärt, daß für den evangelischen Teil der Bevölkerung vielleicht gerade in dieser Bezeichnung ein gewisser bedenklicher Beigeschmack liegen möge. Aber, meine Herren, ich glaube, daß dieses Bedenken sich aus einer irrtümlichen Auffassung des Zusammenhangs ergibt, in welchem die marianischen Kongregationen der höheren Unterrichtsanstalten früher zu dem Jesuitenorden gestanden haben mögen. Der Irrtum, daß ein derartiger organischer Zusammenhang und damit ein Einfluß des Jesuitenordens auf diese Kongregationen noch bestehe, ist von seiten der Herren Dr. Porsch und Dr. Bachem aufgeklärt und mir von staatlich treuen Katholiken, die ich wiederholt gerade hierüber gehört habe, vollständig in derselben Weise dargelegt worden. Ich habe, wie ich schon neulich zu erklären die Ehre hatte, in die Loyalität der maßgebenden Persönlichkeiten der katholischen Kirche innerhalb des preußischen Staats und in die Versicherungen, die mir

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Beding anische Kongregation dahin vorgesehen, daß die Leitung dem Religionslehrer übertragen werden muß. Es kommt ferner hinzu, daß die genehmigten Vereine der Auf⸗ sicht des Direktors unterliegen, der seine Aufmerksamkeit besonders darauf zu richten hat, daß Schüler nicht mittelbar oder unmittelbar zur Teilnahme an solchen Vereinen genötigt werden, und der darüber zu wachen hat, daß das gute Einvernehmen uater den Schülern und daß das friedliche Verhältnis unter den Konfessionen keinen Schaden leidet. Schließlich ist die Genehmigung auch wider⸗ ruflich. Alle diese Kautelen sind durch das Interesse der Schule geboten und wohl erwogen, sie sind in manchen Kreisen als zu weit gehend erschienen und so aufgefaßt worden, als ob das, was man mit der einen Hand gibt, mit der andern wieder genommen werde. Meine Herren, dieser Auffassung muß ich entgegengetreten. Ich werde dafür sorgen, diese Beschränkungen nicht Sinne gehandhabt werden 3 Regierung entgegensteht. lichkeit durchgeführt werden, ei Wohl der Schule das Meine Herren, es ist, was anbetrifft, noch ein Bedenken ge schon berührt habe, nämlich es Kongregatione

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mit einer Art Denunziationspflicht sei. Die Statuten solcher Vereine, unterzogen worden sind, geben anlassung. Sollten wirklich bestehen, so ist es klar, verantwortlich ist, und kongregationen ausgeschlo Vertrauen beanspruchen,

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Dann aber möchte ich noch einen

bedenklich erscheint. Aus einzelnen Statuten

solchen Vereinen eine Reihe von Titeln Präfekt. Sodale usw. bestehen. Das ist nicht sehr wichtig, wird aber doch zu vermeiden sein, weil die jugendliche Eitelkeit dadurch erregt wird und die Einführung in das Titelwesen dem gereifteren Alter vorbehalten bleiben muß.

Es ist möglich, daß bei Zulassun n Kongregationen

noch andere Bedenken sich ergebe gewartet werden. Vor allen Di die Statuten völlig einwandfrei „un wortung des Religionslehrers und des Gy dafür zu sorgen, daß die s wirklich befolgt werden. Endlich hebe ich hervor ich habe das schon in meiner ersten (Rede angedeutet —, daß in bezug auf das Verbot der marianischen Kongregationen eine völlig unzureichende Kontrolle ausgeübt worden ist, die im Laufe der Jahre einfach dazu geführt hat, daß diese Kongregationen fortbestanden haben; Uebelstände, die sich an den heimlichen Zustand geknüpft hätten, sind nicht bekannt geworden, und ich habe keinerlei Bedenken getragen, den bisherigen heimlichen Zustand durch einen legalen und wohlgeordneten zu ersetzen.

Nun, meine Herren, darf ich mich noch speziell zu den Aus⸗ führungen des Herrn Abg. Dr. Friedberg wenden. Er hat die Schärfe des Tones bemängelt, welche ich gestern in meine kurze Er⸗ widerung habe einfließen lassen. Ich habe allerdings hervorgehoben, daß der Ton, in welchem die Ausführungen des Herrn Abg von Eynern gehalten waren, mich einer sachlichen Erörterung der von ihm an⸗ geschnittenen Fragen ü⸗ ich habe es aber mit mit voller Be⸗ rechtigung tun können. wenn mir in dem ironischen Tone, in dem Herr Abg gute Rat gegeben wur

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so ist eine sachliche Ve Wenn ferner, gewisser⸗ maßen bedauernd, Ausdrücke „Vereinsmeierei“ und „Ohrfeigen“ angewandt worden sind, wie es von zwei anderen Herren ge⸗ schehen ist, so muß ich erklären, ich denke ernster über religiöse Vereine, als daß ich darauf den Ausdruck „Vereinsmeierei“ für anwendbar erklären könnte. Auch der Ausdruck, den der Herr Abg. Graf Moltke gebraucht hat, wird wohl bei Ihnen allen eine peinliche Empfindung erweckt haben. Es ist möglich, daß die Tiefe der Empfindung, die andererseits zur Erscheinung kam, ihn zu einer derartigen Aeußerung bestimmt hat; aber auf der anderen Seite muß ich für die von mir nach langjähriger Prüfung getroffene Ent⸗ scheidung doch den Anspruch erheben, daß eine derartige Bezeichnung für die von mir getroffenen Maßnahmen nicht gerechtfertigt erscheint.

Der Herr Abg. Dr. Friedberg hat sich gewissermaßen zur Charakteristik der vielumstrittenen Maßnahme der Wiederzulassung der Marianischen Kongregationen noch eines Arguments bedient, das wahrscheinlich in seinen Augen und vielleicht auch in der öffentlichen Meinung besonders bedeutungsvoll ist. Er hat be⸗

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in der Beziehung abgegeben worden sind, das volle Zutrauen, daß ein Zusammenhang, der irgend welchen dem staatlichen oder dem unterrichtlichen Interesse nachteiligen Einfluß haben könnte, nicht bestehe, und nachdem ich mir diese Ueberzeugung verschafft habe, meine Herren, bin ich zu einem Entschluß gelangt, der mir nach den Traditionen der⸗ Unterrichtsverwaltung, aus Rücksicht des konfessionellen Friedens, durch⸗ aus gerecht erscheint. Man muß dabei allerdings mit der Eigenart

sich durch Ablässe und sonstige kirchliche Wohltaten den Weg zur ewigen Seligkeit bahnt und aus Gründen des von mir eben betonten konfessionellen Friedens sine ira et studio, ohne Voreingenommen⸗ heit, vorgeht.

Nun ist, meine Herren, die Aufhebung des unbedingten Verbots der religiösen Vereine vielfach so aufgefaßt worden, als ob diese Ver⸗ eine völlig freigegeben seien. Diese Auffassung widerlegt sich durch den klaren Wortlaut meines Erlasses. Danach stellt sich die Zulassung der religiösen Vereine als eine bedingte dar, und zwar handelt es sich im einzelnen um folgende Bedingungen und Einschränkungen: erstens, die Zulassung ist abhängig von der Genehmigung des Provinzial⸗ schulkollegiums; zweitens, sie darf nicht allgemein, sondern nur für den einzelnen Fall unter Würdigung der bei der betreffenden An⸗

Ich bemerke, daß alle diese von mir soeben verlesenen Be⸗

hauptet, daß die Marianischen Kongregationen im Königreich Bayern schon im Jahre 1869 aufgehoben worden seien. Ja, die Behauptung mag an sich von besonderer Wichtigkeit und Bedeutung sein; sie hat nur einen kleinen Fehler: sie ist unrichtig, die Marianischen Kongregationen bestehen auch heute noch im Königreich Bayern und waren niemals allgemein aufgehoben. (Hört, hört! im Zentrum.) Ich möchte den Irrtum insoweit berichtigen, als der Herr Abg. Porsch von derselben Voraussetzung ausgegangen ist; ich habe darüber authentische Mitteilungen, die keinen Zweifel darüber lassen, daß eine Aufhebung der Marianischen Kongregationen in Bayern nicht stattgefunden hat.

Sodann möchte ich dem Herrn Abg. Friedberg mit bezug auf seine gestrige Aeußerung von der ignorantia juris, die er besonders bemängelt hat, folgendes erwidern. Ich darf den Herren wohl den Wortlaut des § 1 des Jesuitengesetzes vorlesen; dieser lautet:

Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Orden

und ordensähnlichen Kongregationen sind von dem Gebiete des

Deutschen Reichs ausgeschlossen. Nun, meine Herren, der Orden besteht aus einzelnen Mitgliedern, und deren Ordenstätigkeit bleibt dem Verbot des Gesetzes unter⸗ worfen. Will sich der Herr Abgeordnete darüber näher unterrichten, so möchte ich ihn bitten, die Entscheidung des Oberverwaltungs⸗ gerichtes im Band 37 sich anzusehen, in welchem er genügende Auf⸗ klärung darüber finden wird.

Nun bitte ich, mir das Rätsel zu lösen, wie gegenüber dieser gesetzlichen Bestimmung die Anstellung eines Jesuiten als Lehrer