Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielsk 8
Ich möchte auf einige Ausführungen des Herrn Freiherrn von Duͤrant, antworten, weil er direkte Anfragen gestellt hat. Was zu⸗ nächst die Frage über die innere Kolonisation Oberschlesiens betrifft, so kann ich mich auf die Ausführungen meines Herrn Kollegen, des Ministers des Innern von Hammerstein beziehen, der meiner Ansicht nach klar und treffend die Antwort bereits gegeben hat. Ebenso glaube ich hier widersprechen zu müssen, daß die Regierungspräsidenten durch die Prüfung der Anträge besonders belastet würden. Ich halte es für unbedingt geboten, daß nach dieser Richtung von Aufsichts wegen eingegriffen werden kann.
Herr von Duürant hat dann in freundlicher Weise eine Apostrophe an die Regierung beziehungsweise an mich gerichtet, indem er sagte, es sei ja allerdings angenehmer und bequemer für die Regierung, die innere Kolonisation den Banken zu überlassen, als sie selbst in die Hand zu nehmen; die Regierung solle Domänen kaufen. Zunächst möchte ich Herrn von Duürant die Frage vorlegen: Wovon soll ich denn Domänen kaufen? Wenn er mir die Mittel zur Verfügung stellt, sehr gern! Aber etwas aussprechen, ohne die Konsequenzen davon zu ziehen, ist leicht. Ich wüßte nicht, wie ich Domänen kaufen sollte, ohne die Mittel dazu bewilligt zu erhalten. Es fragt sich, ob man der Staatsregierung neue Mittel zum Ankauf von Domänen in die Hand geben will, was für die Verwaltung wohl angenehm sein könnte, aber auch seine Bedenken hat. Im allgemeinen muß ich immer
wieder betonen, daß eine innere Kolonisation nur dann angebracht ist, wenn die Leute auf Stellen angesetzt werden, wo sie wirtschaftlich fortkommen, wobei ich gern zugeben will, daß unter den jetzigen Ver⸗ hältnissen der Landwirtschaft die Schwierigkeiten, mit denen die Kolo⸗ nisten zu kämpfen haben, größer sind als in früheren Zeiten.
Wenn dann Herr Freiherr von Duͤrant die Vorschrift des § 13 b wohl für Westpreußen und Posen, nicht aber ihre Ausdehnung auf die angrenzenden Provinzen und Regierungsbezirke und namentlich nicht auf seine Heimat Schlesien zugestehen will, so kann ich demgegenüber nur hervorheben, daß die Kommission zu meiner Freude wohl ziemlich übereinstimmend der Meinung gewesen ist, daß, will man überhaupt die Sache machen, man auch die Konsequenzen für die Nachbarbezirke ziehen muß. Ich würde es verstehen, wenn Herr Freiherr von Durant die Vorschrift überhaupt nicht, und infolgedessen auch ihre Ausdehnung nicht wollte. Ich kann es aber nicht verstehen, daß er die Konsequenzen der von ihm gewollten Vorschriften nicht ziehen will. Das Urteil über einen solchen Standpunkt möchte ich dem hohen Hause überlassen. Wenn sich die evangelischen Polen polonisierenden Bestrebungen nicht hingeben, warum sollte man da diese Leute als Kolonisten nicht zu⸗ lassen? Aber man darf deshalb doch den Grundgedanken nicht ver⸗ wischen. Meine Herren, bei der inneren Kolonisation handelt es sich um eine Frage, die der landwirtschaftlichen Bevölkerung sehr symphatisch sein sollte, nämlich um die Frage, ob man nicht das Zer⸗ schlagen von größerem Grundbesitz überhaupt unter eine staatliche Kontrolle stellen sollte. Ich habe schon bei meiner Auseinandersetzung mit Herrn von Buch zum Ausdruck gebracht, daß ich diesen Gedanken gern in Erwägung nehmen würde. Ich kann weiter auf eine An⸗ regung im Abgeordnetenhause hinweisen, ich glaube, sie ging von Herrn von Bockelberg aus, der mir bei der Etatsberatung den Wunsch nahe legte, daß weitere Summen für die innere Kolonisation bereitgestellt werden möchten. Das ist eine Angelegenheit, die dahin führen könnte,
wie auch in der Kommission erwähnt wurde, die illoyale Konkurrenz von Güterschlächtern hintanzuhalten. Vielleicht ist die Zeit nicht fern, wo man nach mancherlei traurigen Erfahrungen in ein zelnen Be⸗ zirken eine allgemeine staatliche Kontrolle der Parzellierung fordern wird. Doch ich komme wieder auf den Hauptpunkt zurück: Halten Sie, meine Herren, die Vorschrift in Abs. 1 des § 13 b für notwendig, dann müssen Sie auch die Folgerung daraus ziehen und den Absatz 2 annehmen, sonst würden Sie eine willkürliche Grenze für die staatliche Kontrolle bilden und auf der andern Seite die Möglichkeit offen lassen, daß außerhalb jener Grenze gegen das Deutschtum gerichtete An⸗ siedelungsunternehmungen vor sich gehen. Ich muß deshalb das hohe Haus dringend bitten, daß es den Antrag Duürant, der den Absatz 2 des § 136 streichen will, ablehnt.
Graf von Hoensbroech: Der Herr Minister hat gesagt, die katholische Kirche wolle an dem Kampfe nicht teilnehmen. Das ist falsch. Ich erinnere an die Haltung des Kardinals Kopp und der westlichen Kirchenfürsten, die im Ruhrrevier keine polnischen Seel⸗ sorger zulassen. Sorgt die Regierung für deutsche Geistliche und!
die Ansiedlung von Katholiken im Osten, so wird die Geistlichkeit für sie sein.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt:
Meine Herren! Ich glaube ganz im Sinne des Herrn Ministers des Innern zu handeln, wenn ich seine vorherigen Aeußerungen über die Haltung katholisch⸗kirchlicher Behörden gegenüber den von der Regierung unternommenen Maßnahmen dahin deklariere, daß er mit diesen Aeußerungen lediglich die Erfahrungen im Auge gehabt hat, die mit kirchlichen Organen der ehemals polnischen Landesteile gemacht worden sind. Im übrigen kann ich aus eigener persönlicher Wahrnehmung nur das an⸗ erkennende Urteil bestätigen, welches Herr Graf Hoensbroech über die nationale Haltung der katholisch⸗kirchlichen Oberen in deutschen Landesteilen gefällt hat. Ich weiß, mit welchen Schwierig⸗ keiten sie zu kämpfen haben. Ich weiß, welche Zumutungen an sie gestellt werden, und wie taktvoll, in welcher durchaus den nationalen Interessen entsprechenden Weise sie diesen Zumutungen begegnet sind. Mitit dieser Erklärung wird Herr Graf Hoensbroech hoffentlich sich zufrieden geben. (Bravol) Die gestrigen Aeußerungen des Herrn Grafen von Hoensbroech geben mir aber noch Veranlassung zu folgenden Ausführungen.
8 Der Herr Graf hat an die Ksönigliche Staatsregierung die Mahnung gerichtet, bei Vergebung von Ansiedelungsstellen katho⸗ lische Ansiedler mehr als bisher zu berücksichtigen, damit das Vorurteil beseitigt werde, als wolle die Regierung protestantisieren. Daß bisher erheblich weniger Katholiken als Evangelische angesiedelt sind, ist richtig. Ich habe das schon zugegeben aus Anlaß des Angriffs, den der Fürst Radziwill am 3. März d. J. in diesem hohen Hause gegen die Königliche Staatsregierung in dieser Beziehung gerichtet hat. Die Ansiedelungskommission hat aber — und auch das habe ich damals schon erklärt und kann es heute nur wiederholen — nur der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, gehandelt. Zunächst hat die Zahl der katholischen Bewerber um Ansiedelungsstellen vom Jahre 1886 bis jetzt nur etwa den zehnten Teil derjenigen der evangelischen
Gesuche Evangelischer, 21 % der Gesuche von Katholiken berücksichtigt worden, trotz des bereits damals angedeuteten Hinderungsgrundes, daß so häufig die nötigen Garantien für die Wahrung der nationalen Interessen fehlten. Ich muß bitten, daß das hohe Haus dabei er⸗ wäge, welche Schwierigkeiten in kirchlicher Beziehung bei der Nieder⸗ lassung deutscher katholischer Ansiedler zu überwinden sind innerhalb, wie ich immer zu betonen habe, der ehemals polnischen Landesteile. Diese deutschen Ansiedler ohne besondere Vorkehrungen in bestehende polnische Parochten einzusetzen, ist nicht angängig. Auch Graf Hoensbroech hat dies seinerseits in dankenswerter Weise an⸗ erkannt. In bezug auf die Gewinnung einer zuverlässigen deutschen Seelsorge für die Ansiedler stoßen wir aber bei dem polnischen Klerus auf große Hemmnisse. Dieser hat eine Polonisierung der katholischen deutschen Ansiedler vielfach direkt begünstigt, oder doch jedenfalls nicht gehindert. Wir haben es erlebt, daß deutschen An⸗ siedlern bei den Reichstagswahlen polnische Stimmzettel von ihren Geistlichen in die Hand gedrückt worden sind; daß deutsche Predigten und Andachten nicht in dem nötigen oder verabredeten Maße ge⸗ halten wurden, daß deutsche Kinder den polnischen Abteilungen im Kommunionunterricht überwiesen worden sind gegen ihren Willen und gegen den Willen der Eltern. Es kommt aber weiter hinzu, daß, wenn katholische junge Ansiedler polnische Frauen heiraten, die aus einer solchen Ehe hervorgehenden Kinder unter den soeben ge⸗ schilderten Umständen fast regelmäßig in polnischem Sinne und in polnischer Sprache erzogen werden. Wir würden also unter Umständen mit der Ansetzung von Katholiken ein Element für die Zukunft in die Ansiedelungen hineinbringen, das den nationalen Interessen nicht förderlich sein würde. Diese Schwierigkeiten hat die Regierung zu beachten.
Bei der Haltung des katholischen polnischen Klerus in den ehe⸗ mals polnischen Landesteilen — ich muß das hier offen aussprechen — muß die Ansiedelungskommission auf einer kirchlichen Versorgung der deutschen katholischen Ansiedler durch deutsche Geistliche aus ihrer Heimatdiözese bestehen, zumal die deutschen katholischen Ansiedler bei der katholischen deutschen Presse eine Unterstützung nicht in dem Maße finden, wie es seitens der polnischen Presse bezüglich derjenigen polnischen Ansiedler der Fall ist, die nach den westlichen Provinzen gehen.
Meine Herren, in welcher Weise die national⸗polnische Presse die polnischen Arbeiter in dem rheinisch⸗westfälischen Industriebezirke mit nationalpolnischen Ideen versorgt, darf ich als bekannt voraussetzen. Das tut nicht allein die national⸗polnische Presse, die in dem kern⸗ deutschen Lande durch chauvinistische Publikationen eine Tätigkeit ent⸗ wickelt, die als Provokation des deutschen nationalen Ehrgefühls be⸗ zeichnet werden kann. Nein, es kommen dorthin auch polnische Geistliche, die sich nicht auf eine Pastorisierung der polnischen Arbeiter be⸗ schränken, sondern die ihrerseits die Gelegenheit benutzen, in national⸗ polnischem Sinne auf die Arbeiter einzuwirken, in einer Weise, die ich nicht als taktvoll bezeichnen kann. Wir haben darüber eine Menge von] Tatsachen gesammelt, die ich jederzeit zur Verfügung stellen kann. Ich will nur die eine nennen, daß einer von den Geistlichen, der öfter Reisen in das westliche Kohlenrevier unternahm, die Polen ermahnt hat, zunächst keine nationalen Mischehen mit deutschen Ka⸗ tholiken einzugehen, und zwar aus dem Grunde nicht, weil die katho⸗ lische Kirche derartige nationale Mischehen nicht billigen könne. Diese nationalen Mischehen kämen den konfessionellen Mischehen gleich, die vom Standpunkt der Kirche durchaus nicht zu billigen wären. Aber das nicht allein, man hat den Leuten geradezu⸗vorgeredet: ihr verliert in dem Augenblick, wo ihr eine Deutsche heiratet, nicht nur eure nationale Ehre, sondern auch eure katholische Religion, denn der deutsche katholische Glaube ist ein ganz anderer, ein minderwertiger. Mit derartigen Tatsachen haben wir zu rechnen. Die Regierung ist jedoch fortgesetzt bestrebt, unter den Garantien, die wir verlangen müssen, deutsche Katholiken auch in den ehemals polnischen Landes⸗ teilen anzusiedeln. Wir stehen da aber, wie gesagt, einer Reihe von Schwierigkeiten gegenüber, die jedoch hoffentlich, wenn das nationale Gefühl der deutschen Katholiken in der Provinz Posen mehr Be⸗ rücksichtigung finden wird, auch werden überwunden werden können.
Ich habe zum Schluß nochmals hervorzuheben, daß der Gedanke, als ob es sich für die Regierung um die Protestantisierung der be⸗ treffenden Landesteile handelte, durchaus unbegründet ist. Es liegt der Regierung nichts ferner. Sie hat nur mit den gegebenen Tat⸗ sachen zu rechnen und naturgemäß die nationalen Rücksichten eifrig zu wahren.
Herr von Koscielski: So blau, wie die Worte des Grafen Hoensbroech, ist mir lange nichts vorgekommen. Er meint, er sei mit dem Gesetz einverstanden, wenn der Besitzstand der Katholiken nicht angegriffen werde. Ja, sind denn die Polen keine Katholiken? Wasch' mir den Pelz, aber mache mich nicht naß, das war die Quintessenz seiner Rede. Ich wende mich jetzt zum Minister. Die Bestimmungen der Formulare, die er gestern vorwies, sind nie zur Anwendung ge⸗ kommen. Ob sie unterschrieben sind oder nicht, das ist ganz gleich⸗ gültig. Die Leute müssen 4 ½ % zahlen. Der Minister meinte, dabei könnten die Leute nicht bestehen. Aber die Leute gedeihen dabei. Es ist also gegen mich nichts bewiesen. Das hat der Herr Minister auch selbst gefühlt und hat, als ihm die Gedanken fehlten, zur rechten Zeit zum Worte der nationalen Begeisterung gegriffen. Man be⸗ schuldigt die Parzellierungsbanken der Gewinnsucht. Aber sie haben auf je 1 Hektar durchschnittlich nur 47 ℳ verdient. Wenn deutsche Banken mehr verdienen, ja, Bauer, das ist ganz was anderes. Ich kann die Verantwortung im Gegensatz zu Herrn von Manteuffel nicht übernehmen, hier ja zu sagen.
Herr Dr. Bender⸗Breslau: Jedes Kampfmittel muß zum Ziele führen. Das hier vorgeschlagene Mittel wird sicher im einzelnen Faal⸗ helfen. Aber es werden andere Folgen schwerer und dauernder sein. Ich halte den § 13 b nicht für eine Konsequenz des Ansiedelungs⸗
esetzes. Denn hier wird nicht eine Entziehung von Staatswohltaten, anns eine Differenzierung des Eigentums gefordert. Das ist eine Agitationswaffe von absoluter Kraft. Der Kulturkampf ist gewiß nicht der Grund der Agitation, aber er hat ihr geholfen; er hat das Polentum zur Selbstachtung gebracht. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes wird kein 8 eine Neuansiedlung gründen; aber er wird den angesiedelten deutschen Bauern aus⸗ kaufen. Das ist leicht an vielen Orten, wo der Bauer auf magerem Boden sitzt und ihm der Kampf prekär wird. Das ist . der Grund der Landflucht. Deshalb kommt der deutsche Bauers⸗ sohn vom Militär nicht mehr nach Hause. Die vorgeschlagene Maß⸗ regel wird nach meinem Dafürhalten dem . Bauern den Auf⸗ enthalt auf seiner Scholle am Ende verleiden. Was den Kommissions⸗ bericht angeht, so meine ich: dieser ist auch nur geeignet, die Polen zu stärken. Der Pene der das liest, muß sich sagen: was bin ich für ein Kerl! Wir rauchen keine Gewaltmaßregeln. Aber wir dürfen
Frucht sofort sehen wollen. Bibliotheksgründungen ꝛc. allein tun es ja nicht; aber alles zusammen wird uns den Sieg verleihen. Diese Gründe bestimmen mich, gegen § 13 b zu stimmen, obwohl ich mit der Tendenz einverstanden bin.
Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen. Nach einem Schlußwort des Berichterstatters Grafen zu Eulenburg wird der § 13 b angenommen.
Zu 5 17 liegen die erwähnten Anträge der Herren von Buch und Freiherr von Dürant und ein Antrag des Herrn D. Faber, der die Einspruchsfrist auf 3 Monate be⸗ messen will, vor.
Herr von Buch begründet seinen Antrag mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Anhörung der öffentlichen Verbände zur Er⸗ neh gs. des Gesetzeszwecks und zur Information des Regierungs⸗ präsidenten.
Herr D. Faber bemerkt, die zu erwartende Neuregelung sei oft so weittragend, daß die Gemeindebehörden Experten, eventuell die Provinzialbehörde befragen müßten. nicht zu viel.
Freiherr von Duürant vertritt seinen Antrag, vom Nachweise der Leistungserfüllung bezw. Sicherheitsbestellung dafür die Genehmigung stets abhängig zu machen.
Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielski
Meine Herren! Nachdem die drei Antragsteller ihre Abänderungs⸗ anträge begründet haben, möchte ich meine Stellung zu denselben klarlegen.
Zunächst glaube ich, daß Herr Dr. Faber sich in einem Irrtum befindet, wenn er meint, daß die Regierungsvorlage eine Abänderung des bisherigen Rechts enthalte. Das ist nicht der Fall, vielmehr ist das bisherige Recht in diesem Paragraphen nur kodifiziert worden. Auch daß die Interessenten ungünstiger gestellt werden sollen, trifft nicht zu.
Die Anträge von Buch und Dr. Faber unterscheiden sich in der Ausschlußfrist. Wer nicht eine völlige Unterbindung der inneren Kolonisation herbeiführen will, der darf nicht solche Erschwernisse wie eine Frist von drei Monaten hineinbringen. Der Antrag Faber ist für die Regierung deshalb nicht akzeptabel.
Was nun den Vorschlag des Herrn von Buch anlangt, so mag vielleicht unter den Verhältnissen der östlichen Provinzen manches dafür sprechen. Aber, meine Herren, wenn Sie Ihren Blick auf andere Provinzen, wie Westfalen, richten, wo in einem Kreise hunderte von Ansiedelungsanträgen in einem Monate eingehen, da muß Ihnen der von Buchsche Vorschlag schlechterdings als un⸗ ausführbar erscheinen. Durch die unaufhörlichen, vielfach zwecklosen Benachrichtigungen der Verbände würden nur Unruhe und Belästigungen in diesen Interessentenkreisen verursacht werden. Ich kann daher das hohe Haus nur bitten, die Regierungsvorlage an⸗ zunehmen, da ich mich auch gegen den Antrag von Buch erkläͤren muß, weil ich darin eine Erschwerung der inneren Kolonisation er⸗ blicke. (Sehr richtig)) Was endlich den Antrag des Freiherrn von Duürant angeht, so würden durch diesen Verhältnisse herbei⸗ geführt, die gar nicht zu beschreiben sind. (Sehr richtig!) Denken Sie sich einmal eine große Zeche, einen großen industriellen Unter⸗ nehmer! Herr von Düurant will im § 17 Absatz 3 „it⸗ statt „kann“ setzen. Die Folge davon würde sein, daß Hunderttausende zu 2 % hinterlegt werden müßten und daß für die Unternehmer dadurch Verluste eintreten würden, die ganz unübersehbar wären. Meine Herren, es ist doch ein ganz wesentlicher Unterschied, ob ich einer Behörde, einer leistungsfähigen Verwaltung, einer großen Gesellschaft gegenüberstehe, oder einem un⸗ sicheren Güterschlächter!
Ich bitte also die Herren, es nach dieser Richtung hin lediglich bei den Bestimmungen der Gesetzesvorlage zu belassen.
Was nun den Schlußsatz des Antrags Faber anlangt, so liegen auch gegen ihn die ernstesten Bedenken vor. Es soll eine Er⸗ mächtigung erteilt werden über die Köpfe der Interessenten hinweg, das Grundbuch berichtigen zu lassen. Ich glaube, daß das garnicht angängig ist. Gerade der Deutsche, der immer so geneigt ist, von seinem Besitztum nach jeder Richtung hin jeden Angriff abzuwehren, würde sich hiergegen lebhaft sträuben, Es würde ja eine solche Bestimmung vielleicht ganz angenehm sein für den betreffenden Prediger oder den Schulvorstand, aber ich halte es für geradezu unmöglich, daß in ein Gesetz kurzer Hand eine so weit gehende Ermächtigung, wie sie hier vorgeschlagen ist, eingeführt wird, weshalb ich mich auch hiergegen wenden muß.
Ich kann also meine Stellung zu den Anträgen dahin zu⸗ sammenfassen: Die verlangten drei Monate würden eine unerträgliche Verzögerung des Kolonisationsunternehmens herbeiführen; eine wesent⸗ liche Erschwerung von großer finanzieller Tragweite wäre die von Herrn Freiherrn von Dürant geforderte Ersetzung des Wortes „kann“ durch „ist“, und ich sehe endlich auch in dem Antrage des Herrn von Buch eine Menge von Erschwernissen, namentlich für Provinzen wie Oberschlesien und Westfalen, wo die Industrie hoch entwickelt ist und in kurzen Zwischenräumen Hunderte von An⸗ siedelungsanträgen eingehen. Wir haben aber allen Anlaß, jede Er⸗ schwerung von der inneren Kolonisation fern zu halten, sofern diese auf gesunden Füßen steht, und deshalb bitte ich um Ablehnung sämt⸗ licher drei Anträge. (Bravo!)
Herr Struckmann: Ich bin ganz der Meinung des Herrn Landwirtschaftsministers.
Herr von Buch macht darauf aufmerksam, daß die Sache in Hannover und Schleswig⸗Holstein seinem Antrage gemäß geregelt sei.
Geheimer Oberregierungsrat Neumann weist auf die Schwierig⸗ keiten hin, die bei Annahme des Antrags von Bu speziell in West⸗ falen eintreten und die Ansiedlung kleiner Leute erschweren würden.
Geheimer Oberregierungsrat von Falkenhayn spricht sich im gleichen Sinne aus.
Herr von Buch: Die Regierung hat diese Erschwerungen bei Jagdsachen ꝛc. nicht beseitigt. Da werden Bekanntmachungen und der⸗
Se mehr erlassen. Ich meine, die Schule hat dasselbe Maß von erücksichtigung zu verlangen.
Nach weiteren Ausführungen des Freiherrn von Dürant
Dazu seien drei Monate Frist
und einem Schlußwort des Berichterstatters Grafen zu Eulen⸗
burg, in dem dieser die Annahme der Kommissionsfassung befürwortet, zieht Herr D. Faber seinen Antrag zurück.
Der Antrag von Buch wird angenommen, im übrigen die Kommissionsfassung genehmigt, ebenso der Rest der Vorlage und die am Sonnabend mitgeteilte Resolution der Kommission. Es folgt der Bericht der Kommunalkommission über den Gesetzentwurf, betreffend Erweiterung des Stadt⸗ kreises Bochum durch Eingemeindung der Landgemeinden Wiemelshausen, Hamme, Hofstede und Grumme. Den Bericht erstattet Herr Zweigert⸗Essen. Die Vorlage wird unverändert
ber betragen. In den Jahren 1886 bis 1902 sind 34 % der
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nicht ungeduldig sein und trotz hundertjähriger Vernachlässigung die
angenommen.
Ueber den Gesetzentwurf, betreffend die Erweiterung es Stadtkreises Breslau durch Eingemeindung von erdain, Dürrgoy, Morgenau und Leerbeutel, berichtet Herr ertel⸗Liegnitz. Er beantragt unveränderte Annahme, und das Haus tritt dem Antrage bei. b 1 1
Herr Dr. Hammerschmidt berichtet hierauf über die
änderungen, welche die verstärkte Kommission für kommunale Angelegenheiten an dem Gesetzentwurfe, betreffend die Bildung einer Genossenschaft zur Regelung der Vorflut und zur Abwässerreinigung im Emscher⸗ ebiet, vorgenommen hat. Sie beantragt, der Landwirtschaft peine Stelle im Vorstand und in der Berufungskommission zuzubilligen.
err Zweigert⸗Essen: Nachdem die Kommission alle Bedenken eut hat, beantrage ich die Annahme des Entwurfs en bloc.
Der Gesetzentwurf wird hierauf im ganzen in der Kom⸗ jssi ung angenommen. nisionsfasung egaecen beantragt sodann die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs, betreffend die Ausdehnung einiger Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes auf die Arbeiten zur Aufsuchung von Stein⸗ und Kalisalz und von Soolquellen in der Provinz Hannover. Das Haus stimmt der Vorlage ohne Debatte zu.
Graf von Hutten⸗Czapski berichtet über den Gesetz⸗ entwurf, betreffkend Aenderung von Amtsgerichts⸗ bezirken, und beantragt, denselben unverändert anzunehmen. Das Haus tritt diesem Antrage bei. 8
Den letzten Gegenstand der Tagesordnung bildet der Ge⸗ setzentwurf, betreffend die Verwaltung gemeinschaft⸗ licher Jagdbezirke. 1u
Nach Ablehnung eines Antrags des Grafen Finck von Finckenstein, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen, berichtet Herr von Rheden über die Vorlage. Die Kom⸗ mission hat eine Reihe von Aenderungen vorgenommen, vor allem den Beginn der Pachtzeit auf den 1. April festgesetzt und eingefügt, daß die Neuverpachtung der Jagd in der Regel zwei Monate vor Ablauf des laufenden Pachtvertrags erfolgen soll. Ferner ermächtigt die Kommissionsfass ung die Jagdgenossenschaft, mit Genehmigung des Kreisausschusses den Anfangs⸗ und End⸗ termin der Pachtzeit anderweit festzusetzen. Endlich schreibt die Kommission vor, daß bei Selbstausübung der Jagd durch von der Genossenschaft angestellte Jäger als solche nur großjährige Männer angestellt werden dürfen, gegen die keine Tatsachen vorliegen, die nach §§ 6 und 7 des Jagdscheingesetzes vom 31. Juli 1895 die Versagung des Jagdscheins rechtfertigen.
Oberlandforstmeister Wesener: Ich habe zu erklären, daß durch den Entwurf an den bestehenden Pachtverträgen nichts geändert werden soll.
In der Spezialdiskussion beantragt Graf von Mirbach, den von der Kommission düngfügten Satz, daß der Beginn der Pachtzeit auf den 1. April festzusetzen sei, zu streichen, weil die bestehenden Pachtverträge zum größten Teil zu einer anderen Zeit abliefen. 1
Graf von Haeseler beantragt, Weiterverpachtungen nicht nur an die Genehmigung des Verpächters, sondern auch an die der Jagdaufsichtsbehörde zu binden und jeden Pacht⸗ vertrag von der Genehmigung der Aufsichtsbehörde abhängig zu machen.
Geheimer Regierungsrat Dr. Engelhard befürchtet, daß dadurch eine zu große Belastung der Aufsichtsbehörde herbeigeführt werde, und bittet, beide Anträge des Grafen Haeseler abzulehnen.
Die Anträge des Grafen von Haeseler werden abgelehnt, der Antrag des Grafen von Mirbach angenommen, ebenso zwei weitere Anträge des Grafen von Mirbach: die Kom⸗ missionsänderungen, nach denen mit Genehmigung des Kreis⸗ ausschusses der Anfangs⸗ und Endtermin der Pachtzeit ander⸗ weit festgestellt werden kann und die Neuverpachtung regel⸗ mäßig innerhalb von zwei Monaten vor Ablauf des laufenden Pachtvertrags erfolgen soll, zu streichen. “
Der Rest des Gesetzes wird nach den Beschlüssen der Kommission genehmigt.
Um 6 Uhr ist die Tagesordnung erledigt.
Das Haus vertagt sich darauf bis zum 9. Mai, 2 Uhr. Kleinere Vorlagen und Interpellation Becker, betreffend das Schlachthausgesetz’)
zerstre
Haus der Abgeordneten. b 54. Sitzung vom 16. April 1904, 11 Uhr.
Auf der Tagesordnung steht zunächst die folgende Inter⸗ pellation der Abgg. Stötzel und Brust (Zentr.) ;1) Ist der Königlichen Staatsregierung bekannt, daß infolge der Zuteilung der Fördermengen seitens des Kohlensyndikats an die einzelnen Zechen von den größeren Fechen (Gewerkschaften) die kleineren im Ruhrrevier ange kauft und stillgelegt werden, um deren Förderquantum zu übernehmen? 1 2) Was gedenkt die Königliche Staatsregierung gegen diese die betroffenen Gemeinden und deren Einwohner, insbesondere die Bergleute und Gewerbetreibenden, in bedenklicher Weise schädigende Praktik zu tun?“ Nach der Begründung der Interpellation durch den Abg. Stötzel, über die bereits in der vorgestrigen Nummer
8 d. Bl. berichtet worden ist, nimmt das Wort der
Minister für Handel und Gewerbe Möller: 8—
Meine Herren! Die Rede des Herrn Vorredners spiegelt die Aufregung wider, die zweifellos in den weiten Distrikten, die von der beabsichtigten Stillegung einiger Zechen betroffen sind, ein⸗ gerissen ist. Meine Herren, an sich ist der Prozeß der Stillegung von Zechen in dem südlichen Bezirk des Ruhrgebiets nicht etwas Neues, sondern etwas, was sich bereits seit Jahrzehnten allmählich vollzogen hat; gewisse Seitentäler der Ruhr, die vor vier, fünf und sechs Jahrzehnten noch einen für damalige Verhältnisse nicht unbedeutenden Bergbau hatten, haben heute den Bergbau bereits gänzlich verloren. Ich will nur von dem Deiltal sprechen, welches bei Kupferdreh in das Ruhrtal mündet, und von dem erheblichen Teil des Sprockhöveler Bezirks, bei dem neuerdings wieder eine von den Zechen, die auch hier in Frage kommen, in Betrieb gekommen ist. Dort haben sich, weil die Be⸗ wegung eine allmähliche war, die Verhältnisse von selbst zurechtgezogen,
und es ist in den dortigen Bezirken Beruhigung eingetreten. In
manchen derselben ist sogar an Stelle der früheren Armut zur Zeit des Bergbaues jetzt durch Schaffung neuer Industrien Wohlhabenheit entstanden. Ich rekurriere wieder auf den Ort Kupferdreh, den ich eben schon genannt habe, der vor 50 Jahren, als ich dort als Schul⸗ knabe zuerst in ein Kohlenbergwerk einfuhr, nur ein armes Bergdorf mit Namen Dilldorf war; heute ist es ein wohlhabender Ort mit erheblicher Industrie, zum Teil mit einer Industrie, die aus den an⸗
grenzenden Textilbezirken sich übertragen hat. Dasselbe wird sich, wie ich nicht zweifle, auch mit den jetzt betroffenen Bezirken voll⸗ ziehen; aber derartige Dinge vollziehen sich nicht auf einmal, sondern das kommt allmählich, und es handelt sich für mich nur darum, die entsprechenden Maßregeln zu treffen, damit eine angemessene Ueber⸗ gangszeit vorhanden sein wird.
Die Fortführung von Betrieben, die nicht nur zur Zeit, sondern bereits seit längerer Zeit unrentabel sind, ist nicht möglich; man kann mit keinem Mittel verhindern, daß derartige Betriebe allmählich ein⸗ gehen. Wäre das Kohlensyndikat nicht in den 90er Jahren zustande gekommen, hätte das freie Spiel der geschäftlichen Kräfte in den letzten 10, 12 Jahren gewaltet, so würden wir große Konjunktursprünge gehabt haben in den Preisen der Kohlen, in den Erträgnissen der Werke, in den Löhnen der Arbeiter, und diese Sprünge sind jetzt ver⸗ mieden; wir würden dann wahrscheinlich das, was jetzt auf einmal eintritt, schon allmählich haben eintreten sehen. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß durch diese Preispolitik des Kohlensyndikats eine Nivellierung der Preise stattgefunden hat: in der Zeit des Auf⸗ schwunges, in der letzten Hälfte der 90er Jahre, hat das Kohlen⸗ syndikat verhindert, daß die Preise sehr stark und der Konjunktur anderer Länder entsprechend gestiegen sind; nach Ablauf der Frist hat das Kohlensyndikat die Preise vielleicht etwas höher gehalten, als es sonst der Fall gewesen wäre. (Hört, hört!) Durch diese nivellierende Tätigkeit des Kohlensyndikats in bezug auf die Preise ist aber auch die Rentabilität der Werke, die am Absterben waren, künstlich hoch⸗ gehalten worden (sehr richtig!), und so ist die Existenz des Kohlen⸗ syndikats meiner Auffassung nach die Ursache gewesen, daß verschiedene der Werke, deren Stillegung jetzt in Frage kommt, noch weiter betrieben worden sind. Hätte das Kohlensyndikat nicht bestanden, so würde in der Mitte der 90er Jahre bei den damaligen sehr schlechten Zeiten und unter der Wirkung der freien Konkurrenz eine solche Depression eingetreten sein, daß schon damals eine Stillegung dieser Werke erfolgt wäre. (Sehr richtig!)
Meine Herren, die Zahlen über die Zechen, die stillgelegt werden sollen, und über die Arbeiter, die davon betroffen werden, sind meines Erachtens in hohem Grade übertrieben. Wir wissen wenigstens amtlich nur erst von einer erheblich beschränkteren Zahl von Zechen, die auch hier von dem Herrn Vorredner genannt worden sind, daß sie wirklich verkauft sind, und von einer sehr kleinen Zahl nur, daß sie wirklich stillgelegt werden sollen. Nach dem amtlichen Bericht, der mir von dem Oberbergamt vorgelegt ist, ist gegenwärtig bekannt, daß 12 Zechen in den letzten Jahren in die Hände anderer Zechen übergegangen sind, und daß für einen Teil derselben die Stillegung schon eingetreten ist, für einen Teil zur Erwägung steht. Von diesen Zechen ist eine, die Zeche Helene Nachtigall, bereits vor sechs oder sieben Jahren stillge⸗ legt, kann also meines Erachtens hier vollständig ausscheiden aus der Betrachtung. Auch eine zweite Zeche, Steingatt, die gerade in dem von mir genannten Bezirk von Kupferdreh liegt, ist auch bereits seit beinahe zwei Jahren stillgelegt. Ich habe sie aber noch aufgenommen, weil ich mir Mühe gegeben habe, auf Grund der bestehenden Stati⸗ stiken festzustellen, um wieviele Arbeiter es sich selbst bei den jetzt in Frage kommenden Zechen überhaupt handelt. Ich habe daher die Zeche Steingatt noch aufgenommen, weil sie im Jahre 1902, dem letzten Jahre, für das ich Zahlen habe finden können, noch im Betrieb gewesen ist. Im übrigen sind es außer diesen beiden noch 10 Zechen, bei denen der Verkauf entweder bereits perfekt ist oder bei denen der Verkauf als sicher angenommen wird; bei einem Teil derselben schweben noch, soviel ich weiß, gegenwärtig die Verhandlungen.
Meine Herren, es handelt sich bei den 11 Zechen insgesamt um eine Belegschaft von 12 500 Arbeitern, nicht um 22 000 und noch 6000 weitere, also 28 000 Arbeiter. Von diesen 12 500 Arbeitern sind auf drei Zechen, die bisher noch mit Vorteil gearbeitet haben, allein 58864 Mann beschäftigt mit einer Gesamtförderung im Jahre 1902 von rund 1 200 000 t. Dem gegenüber stehen die übrigen 8 Zechen, die im Jahre 1902 insgesamt nur eine Belegschaft von 6614 Mann hatten und 1 330 000 t rund förderten. Dabei haben sich bei diesen 8 Zubußezechen im Jahre 1902 Zubußen ergeben von rund 2 ¼ Millionen, und bei den 3 Zechen, die noch mit Vorteil gearbeitet haben, ist eine Ausbeute von insgesamt 623 000 ℳ verteilt worden.
Meine Herren, es wäre vermessen, von den Zahlen der Aus⸗ beuten und Zubußen direkt auf die Rentabilität schließen zu wollen. Von den Zubußen werden gewisse Beträge für die Weiterentwickelung der Zechen verwandt; es hängt dies von gewissen Zufälligkeiten ab⸗ Jedenfalls aber wird dadurch, daß die Zechen Zubußen nicht nur in jenem Jahre, sondern auch Jahre vorher erfordert haben, bewiesen, daß eine Rentabilität nicht vorhanden war, und ich glaube doch be⸗ rechtigt zu sein, aus diesen Zubuße⸗ bezw. Ausbeutezahlen gewisse Schlüsse auf die Rentabilität zu ziehen. Nach dieser meiner Berech⸗ nung ergibt sich für die 8 Zubußezechen bei er von ihnen genannten Förderung eine Zubuße von 1,63 ℳ pro Tonne geförderte Kohle im Jahre 1902. (Hört, hört! bei den Nationalliberalen.)
Meine Herren, das sind Zahlen, die für sich selbst sprechen. Bei solchen Zahlen ist eine dauernde Aufrechterhaltung des Betriebes un⸗ möglich. Bei den drei anderen Zechen ist der verteilte Ueberschuß auch nur 52 ½ ₰ auf die Tonne — bei einer dieser Zechen ist mir übrigens nachträglich mitgeteilt, daß keinerlei Abschreibungen gemacht sind —, also im Vergleich zu dem, was in dem wirklich ergiebigen Kohlengebiet sonst erzielt wird, ungemein mäßig! (Sehr wahr! bei den Nationalliberalen.)
Nun handelt es sich aber bei den Zechen, die hier in Frage kommen, zum ganz erheblichen Teil um solche, die entweder überhaupt noch für eine gewisse Zeit fortbetrieben werden, oder bei denen nur gewisse Teile ausgeschaltet werden sollen. Nach meinen Informationen wird die größte Gesellschaft, die hier in Frage kommt, die Zechen Ham⸗ burg und Franziska, die beinahe 3000 Arbeiter im Jahre 1902 be⸗ schäftigt haben, bei einer Förderung von 561 000 t, nur eine einzige Nebenzeche, die Zeche Walfisch, außer Betrieb setzen. Nach den mir gewordenen Informationen soll der übrige Betrieb noch für Jahre aufrechterhalten werden.
Bei der Zeche Hasenwinkel, die auch eine von den Zechen ist, die Ausbeute gegeben haben, soll die Förderung von der Nachbarzeche, an die sie verkauft ist, aufgenommen werden und eventuell nach Wieder⸗ herstellung eines schadhaft gewordenen Schachts auf dem alten Berg⸗ werk auch dort auf dem alten Schacht Hasenwinkel die Förderung wahrscheinlich auch direkt wieder aufgenommen werden. Es sind dort über⸗ haupt von den etwa 1800 Arbeitern zur Zeit nur 400 Mann entlassen. Das ist notwendig gewesen, um die Ausmauerung des in Holz stehenden
Schachts auf Hasenwinkel ausführen zu koͤnnen. Die Arheiter, die
dort entlassen sind, sind nach anderen Nachrichten im wesentlichen auf anderen Zechen untergebracht.
Die dritte der Zechen, die Ausbeute verteilt haben, ist die Zeche, mit der sich der Herr Interpellant länger beschäftigt hat, die Zeche Eiberg. Auch hier soll es nach den mir zugekommenen Nachrichten nur beabsichtigt sein, den einen neuen Schacht Hermann, der in Ueber⸗ ruhr liegt, und der nur etwa 140 bis 150 Mann beschäftigt hat, still zu legen. Nach mir von unserer Bergwerksverwaltung in Gladbeck zugegangenen Nachrichten sind von diesen 120 Mann 120 dort bereits angelegt worden.
Meine Herren, bei den übrigen Werken sind die Nachrichten über den Weiterbetrieb nicht überall zuverlässig, und es wird notwendig sein, daß weitere Recherchen angestellt werden. Das Oberbergamt, das ich vor Antritt meiner Urlaubsreise aufgefordert hatte, mir Bericht zu erstatten, hat sich ausdrücklich vorbehalten, mir weitere eingehende Berichte über die anderen Zechen zu erteilen.
Im übrigen haben bereits Verhandlungen an verschiedenen Stellen zwischen den Bergbehörden, den Verwaltungsbehörden und den Gemeindevertretern stattgefunden, und es ist an mehreren Plätzen be⸗ reits zu beruhigenden Verhandlungen gekommen. Das zeigt mir den Weg, auf dem wir für die nächste Zukunft weiter gehen müssen, den Weg, daß wir von hier aus eine Kommission von Ministerial⸗ kommissaren in das Revier schicken, die bei jeder einzelnen Zeche die Verhältnisse untersuchen und unter Mitwirkung der Verwaltung des Ministers des Innern festzustellen sucht, wie weit man den Schäden Abhilfe verschaffen kann.
Für die Arbeiter in ihrer großen Mehrzahl habe ich keine Sorge; die Arbeiter werden sehr bald anderweit Unterkommen finden mit ver⸗ schwindenden Ausnahmen. Bedauerlich bleibt aber die Situation der⸗ jenigen Arbeiter, die ein eigenes Eigentum ererbten oder erworben haben, und der Geschäftsleute, die ihre Existenz basiert haben auf die Arbeiter, die ihre Kunden waren, und die Kommunen, die teilweise in ihrem Haushalt schwer gestört sind. Aber da ist bereits stellenweise seitens der verkaufenden oder übernehmenden Zechenverwaltungen schon ein Entgegenkommen bewiesen. Mir ist mitgeteilt, daß bei der Zeche Julius Philipp, die die Arenberger Bergwerksgesellschaft gekauft hat, ein freiwilliges Angebot der Gesellschaft erfolgt ist, die Steuerzahlung an die Gemeinde auf 5 Jahre fortzusetzen. (Hört, hört!)
An anderer Stelle hat bei der Zeche Vereinigte Bickefeld eine Verhandlung stattgefunden unter Mitwirkung der verschiedenen Be⸗ hörden; aber über das Resultat liegt mir ein Bericht heute noch nicht vor. Ich habe aber aus Preßberichten gesehen, daß die Versammlung be⸗ ruhigt auseinandergegangen ist; ich nehme also an, daß dort ver⸗ hältnismäßig beruhigende Erklärungen abgegeben sind. Aus einer größeren außer Betrieb gesetzten Zeche, Maria Anna und Steinbank, die dem Bochumer Verein gehörte, ist speziell berichtet, daß die Arbeiter samt und sonders Unterkunft gefunden haben, und soweit meine Lokalkenntnis reicht, decken sich im wesentlichen die Gemeindebezirke der die Arbeiter aufnehmenden Zechen mit dem der still zu legenden Zeche Maria Anna und Steinbank. Diese Zeche hat seit Jahren mit schweren Verlusten gearbeitet, ihre Kohlenvorräte sind nahezu erschöpft, und es ist ein naturgemäßer Vorgang gewesen, daß diese Zeche außer Betrieb gestellt wird.
Ueber eine andere Zeche Alstaden, über die der Herr Vorredner auch gesprochen hat, soll der Abschluß noch nicht perfekt geworden sein; man wird aber mit der Tatsache rechnen können, daß er sich voll⸗ ziehen wird. Auch dort ist die Nachbarschaft anderer Zechen und großer industrieller Etablissements so groß, daß ich glaube, daß dort die Schädigung der Eigentümer von Häusern und der Geschäftsleute nicht so groß sein wird, weil die Leute im wesentlichen in der Gegend bleiben werden.
Wenn ich nun die Liste überschaue, so habe ich die Hoffnung, daß, wenn es sich lediglich um diese Zechen handelt, über die mir bereits Bericht vorliegt, der Ausgleich der Interessen sich verhältnismäßig nicht unschwer wird finden lassen.
Eine der Fragen, die zur Erörterung durch den Herrn Vorredner gestellt ist, muß ich hier noch besonders berühren, das ist die Frage: inwieweit eventuell der § 65 des Berggesetzes Anwendung finden könnte. Meine Herren, über den § 65 ist in der Presse mehrfach ge⸗ schrieben worden, und demselben ist teilweise auch aus den Kreisen der Interessenten des Kohlenbergbaues meiner Auffassung nach eine zu enge Auslegung gegeben worden. Man ist nach den Motiven des Gesetzes der Meinung gewesen, daß der § 65 nur Anwendung finden könnte, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet sei oder wenn die allgemeinen Bedürfnisse der Konsumenten unter der Einstellung leiden. Meine Herren, ich bin nicht der Auffassung, daß der § 65 so eng aufzufassen sei; wenn man die Motive weiter liest, so spricht das für meine Auffassung. Auch der Worlaut des § 65 gibt ja schon ausdrücklich an:
Der Bergwerksbesitzer ist verpflichtet, das Bergwerk zu be⸗ treiben, wenn der Unterlassung oder Einstellung des Betriebes nach der Entscheidung des Oberbergamts überwiegende Gründe des öffent⸗ lichen Interesses entgegenstehen.
(Hört! hört!) Meine Herren, das ist eine erheblich weitere Fassung, und ich nehme an, daß auch diese meine Auffassung auf die Dauer Geltung gewinnen wird. (Hört, hört!) Sollte das nicht der Fall sein, und sollten die Verhandlungen mit den Interessenten zu keinem genügenden Resultat führen, so würde allerdings von seiten der Regierung in Erwägung zu ziehen sein, ob eine Klarstellung des betreffenden Paragraphen notwendig wäre (bravol), eventuell, ob die §§ 156 u. ff., die die Ausführung des in § 65 ausgesprochenen Prinzips bedingen, genügend sind, und ob sie vielleicht ausgedehnt werden müssen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß wir nach dem allge⸗ meinen Interesse diese Frage werden entscheiden müssen, und nach meinen Erfahrungen in der letzten Zeit haben die Zechenbesitzer in Westfalen ihr nobile officium, sich gegenüber auftretenden Kalamitäten anständig zu benehmen und ihre Anstandspflichten zu erfüllen, in hohem Grade erfüllt. (Abg. Schmieding [Dortmund]: Hört, hört!) Ich erinnere an die Ausführungen, die ich hier und im Reichstag gemacht habe bezüglich der Wurmkrankheit und bezüglich der frei⸗ willigen Auflagen, die die großen Bergwerksgesellschaften sich gemacht haben, um diese große Kalamität zu bekämpfen. So habe ich die sichere Hoffnung, daß es auch in diesem Falle leicht gelingen wird, daß sich die Schwierigkeiten, die nur durch die Plötzlichkeit und den gleichzeitigen Eintritt der beabsichtigten Stillegungen eingetreten sind, werden überwinden lassen.
Meine Herren, daß der ganze Süden des westfälischen Kohlen⸗
reviers in den nächsten Jahrzehnten seiner Erschöpfung entgegengeht