Ausland ist ja ein sehr schöner Gedanke, hoffentlich kommt Abg. Bachem mit dem Antrage auf Verbot der Spiritus⸗ Der Abg. Bachem hat sich gegen die Beschäftigung aus⸗ ländischer Arbeiter F vee. Ich glaube, er verwechselt aus⸗ ländische mit polnischsprechende deutsche Arbeiter. So weit wird er doch wohl mit Ausnahmegesetzen gegen die polnischen Bestrebungen nicht gehen, dcß er polnischsprechende Arbeiter im Ruhrrevier nicht zulassen wolle. Es kann auch eine Kohlennot kommen, wo man froh sein kann, solche Arbeiter zu haben. Die Aktiengesellschaften leisten auf sozialem Gebiet meist mehr als die Privateigentümer, weil sie über größere apitalien verfügen, und weil die Wohltaten sich auf die vielen Aktio⸗ äre verteilen. Um den Ausschreitungen der Syndikate entgegen⸗ uwirken, und sie zu einer victesen eite zu führen, ist das einzige Mittel die Aufrechterhaltung der Konkurrenz. Die Syndikatsmit⸗ glieder wollen auf einmal mit dem großen Löffel essen und ihre Macht enutzen. Das ändert sich, wenn eine Konkurrenz vorhanden ist. Diese müßte durch die Tarifpolitik der Eisenbahn erleichtert werden. So würden wir zu gesunden Zuständen gelangen. 1 Dr. Wiemer (fr. Volksp): Ich kann mich sehr kurz und vielem zustimmen, was hier geäußert worden ist. ch halte allerdings im Gegensatz zu dem Abg. Gothein den Reichstag für zuständig in dieser Frage. Statt sich in Schweigen zu hüllen, hätte die Regierung eine authentische Darstellung des ÜUmfangs der Stillegung geben sollen. Der Minister Möller hat dies im Abgeordnetenhause nicht getan. Möge die niedergesetzte Kom⸗ mission schnell arbeiten und ihren Bericht möglichst bald ver⸗ öffentlichen, damit Beruhigung eintritt. Eine Reihe von Zechen hätte noch abgebaut werden können. Das Verlangen nach einer Erhöhung der ö“ beim Syndikat hat zur Stillegung eführt. Ein „freies Spiel der Kräfte“, wie Graf Kanitz meint, hat hier keineswegs “ Der § 65 des Berggesetzes ist sehr wohl imme ich im Gegensatz zum Vorredner dem Dem Gedanken der Verstaatlichung des Berg⸗ Eine Abhilfe wäre nur
6 . anwendbar, darin se Minister Möller bei. baues stehen wir nicht freundlich gegenüber. ) 1— zu erwarten, wenn das Syndikat sich entschlösse, die Bestimmung fallen zu lassen, die zu dieser Kalamität geführt hat. Die preußische Regierung sollte sich dem Syndikat künftighin etwas kritischer gegen⸗ überstellen. Das Kohlenkontor ist geeignet, den Zwischenhandel, den Kleinhandel auszuschalten und die Kohle zu verteuern. Be⸗ denklich ist auch die Syndikatsvertragsbestimmung, daß Streiks jeder Art von allen Lieferungen befreien sollen. Die Syndikate dürfen auf keinen Fall Interessenpolitik treiben. Ob der Spahnsche Gesetzentwurf eine gute . für eine gesetzliche Regelung bietet, bleibt abzu⸗ warten. ir wollen die Vorgänge im Ruhrgebiet nicht aufbauschen, aber auch nicht Vogel Strauß⸗Politik treiben. An erster Stelle steht
das Gemeinwohl. Darauf wird die Besprechung abgebrochen. Schluß nach 6 ¾ Uhr. Nächste Sitzung: Freitag, (Fortsetzung der Etatsberatung: Etats des Reichs⸗ des Rechnungshofes, der Schutzgebiete ꝛc.)
21
militärgerichts,
Preußischer Landtag. 8 Haus der Abgeordneten. 58. Sitzung vom 21. April 1904, 11. Uhr.
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. Das Haus setzt die zweite Beratung des Staatshaus⸗ haltsetats für das Rechnungsjahr 1904 beim Etat des Finanzministeriums fort. 1 Auf die Ausführungen der Abgg. von Arnim (kons.) und Dr. Rewoldt (freikons.) erwidert der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: 8 Meine Herren! Die beiden Herren Vorredner haben in überaus dankenswerter Weise die Vorgänge bei der letzten Anleihe erörtert und sich darüber ausgesprochen, wie der Kurs unserer Staatspapiere zu stabilisieren und beziehentlich zu bessern sei. Ich glaube, daß über die Entwickelung der letzten Reichsanleihe in der Presse, in der Oeffent⸗ lichkeit mehr Aufregung entstanden ist, als in der Tat die Sache wert war; denn dieselben Organe haben die Reichsanleihe von 1903 plaziert, die die preußischen Anleihen von 1901 und 1902 ihrerseits unter⸗ gebracht haben, und ich glaube, die Entwickelung unserer preußischen Anleihen von 1901 und 1902 ist eine durchaus günstige gewesen, und es sind irgend welche Beschwerden in dieser Beziehung nicht vor⸗ gekommen. Wenn die Entwickelung der Reichsanleihe von 1903 nicht in demselben Maße glücklich verlaufen ist, so ist das wesent⸗ lich darauf zurückzuführen, daß die Reichsanleihe im ungünstigen Moment auf dem Malkkte erschienen ist; sie wurde nach Ver⸗ abschiedung des Etats von 1903 erst auf den Markt gebracht, und bekanntlich hat Ende des Jahres 1902 und Anfang des Jahres 1903 unsere ganze wirtschaftliche Lage sich wesent⸗ lich gebessert, die wirtschaftliche Konjunktur war im Aufsteigen begriffen, das Kapital wandte sich wieder den industriellen Unter⸗ nehmungen zu, suchte weniger Unterkunft in Staats⸗ und Reichs⸗ papieren, und infolge dessen erschien die Reichsanleihe im ungünstigen Moment. Meine Herren, in welchem Maße die Placierung der An⸗ leihen mit der gesamten Marktlage zusammenhängt, wollen Sie daraus ersehen, daß am Tage der Subskription der Reichsanleihe der Privatdiskont mit 2,58 notierte, und Mitte Februar hatte er noch 1,78 betragen. In dem Moment war der Privatdiskont gestiegen, und damit hat die Investierung des Kapitals in industriellen Anlagen ugenommen. Wenn also diese ungünstige Entwickelung der Reichsanleihe zum großen Teil auf diese wirtschaftlichen Verhältnisse zurückzuführen ist, so kann das doch weder im Reich noch in Preußen uns der Ver⸗ pflichtung überheben, die Frage der Gestaltung unserer Reichs⸗ und Staatsanleihen auf das eingehendste zu prüfen, und wenn man diese Prüfung vornimmt, so muß man sagen, daß die Verhältnisse bei uns durchaus nicht so sind, wie sie sein sollten, daß wir unsern Staatspapieren nicht entfernt den Schutz haben angedeihen lassen, wie andere Staaten das getan haben. Ich erinnere an die Vorgänge bei Ausbruch des russisch⸗ japanischen Krieges, an die Haltlosigkeit unserer Börse, die auch nsere preußischen Staatspiere mit ins Verderben zog. Bei ruhiger Ueberlegung hätte man sich sagen müssen, daß gerade jetzt die preußi⸗ chen Papiere steigen müßten; denn aller menschlichen Voraussicht nach war Preußen, das Deutsche Reich derjenige Staat, der in diese Komplikationen im fernen Osten nicht hineingezogen werden würde. Statt aber zu steigen, sind unsere Papiere in ungerechtfertigter Weise gefallen. Ich könnte Ihnen nachweisen, daß das Fallen der Papiere sich allerdings auch bei französischen Staatspapieren geltend gemacht hat, aber ich will Sie mit Zahlen nicht ermüden. Tatsache ist, daß der Ausbruch des russisch⸗japanischen Krieges, der aller menschlichen Voraussicht nach unsere preußischen und deutschen Verhältnisse gar nicht in Mitleidenschaft ziehen konnte, einen höchst bedenklichen Ein⸗ fluß auf die Gestaltung unserer Staatspapiere geäußert hat, und wir
werden und zu bessern. ’.
1
um den Kurs unserer Staatspapiere zu stabilisieren
önnen, Meine Herren, es ist von den verschiedenen Herren Vorrednern schon das eine und andere Mittel angegeben worden. Insbesondere hat der Herr Abg. Dr. Rewoldt mit Recht darauf hingewiesen, daß wir bemüht sein müssen, die Staatspapiere mehr in die Hände der kleinen Sparer, in die Hände der kleinen Kapitalisten gelangen zu lassen; wir wollen unsererseits die Staatskassen an⸗ weisen, ihrerseits alle Aufträge zum Ankauf von Konsols entgegenzunehmen und der Seehandlung zu übermitteln. Wir wollen ferner die dauernde Anlegung in Staatspapieren dadurch er⸗ leichtern, daß wir bekanntlich die Anschaffungskosten durch den Ent⸗ wurf zum neuen Reichsstempelgesetz ermäßigt haben, und endlich habe ich die Absicht, dem hohen Hause einen Gesetzentwurf vorzulegen⸗ durch den die Eintragungsgebühr in das Staatsschuldbuch ganz beseitigt wird. Die Entwickelung des Staatsschuldbuchs ist an sich eine er⸗ freuliche. Wir haben mehr als 1,5 Milliarden bereits in das Staats⸗ schuldbuch eingetragen, etwa ein Viertel unserer gesamten Konsols. Aber wir müssen nach allen Kräften diese Entwickelung fördern; denn diese zur dauernden Kapitalsanlage gelangenden Eintragungen in das Staatsschuldbuch sind das beste Mittel, das Material vom Markte zu nehmen und so den Kurs unserer Staatspapiere zu heben.
Meine Herren, dann ist ja ein großer Streit sowohl in der Praxis wie in der Literatur, ob Staatsschuldverschreibungen, ob Schatz⸗ anweisungen. Ich glaube, dieser Streit ist auch etwas müßig. Denn die eine Begebungsart hat ihre Vorzüge und die andere auch. Aber wasich aller⸗ dings für erwünscht halte, ist das, daß die Finanzverwaltung in der Lage ist, sowohl das eine wie das andere Mittel zu wählen. In dieser Lage ist jetzt die preußische Finanzverwaltung nicht. Sie kann bekanntlich Schatzanweisungen nur ausgeben zur vorübergehenden Verstärkung ihrer Betriebsmittel und längstens nur auf die Dauer von 1 ¾ Jahren⸗ Es würde erwünscht sein, wenn die preußische Finanzverwaltung auch in die Lage versetzt würde, im Bedarfsfalle zunächst nur Schatz⸗ anweisungen auszugeben, nicht gleich Staatsschuldverschreibungen. Wir würden dann in der Lage sein, uns den günstigsten Moment für die Begebung der Staatsschuldverschreibungen auszusuchen und bis dahin uns mit Schatzanweisungen zu helfen, während wir jetzt, sobald ein größerer Geldbedarf hervortritt, genötigt sind, gleich Staatsschuld⸗ verschreibungen auszugeben, unter Umständen in einem Moment, der für die Staatsfinanzen nicht günstig ist.
Dann haben beide Herren Vorredner soweit ich sie verstanden habe, beide in zustimmendem Sinne — den Gedanken erwähnt, den ich schon der Budgetkommission ausgesprochen habe, das Grundkapital der Seehandlung zu erhöhen. Meine Herren, die Seehandlung hat ein Kapital von 34 Millionen Mark, das zum großen Teil noch investiert ist in wirtschaftlichen Anlagen, in den Bromberger Mühlen, in einer Fabrik in Landeshut und in sonstigen festen Anlagen. Nun können Sie sich denken, wie ein Staatsinstitut mit einem so geringen Betriebskapital die großen Aufgaben lösen soll, die heute an das Bankinstitut des preußischen Staats herantreten. (Sehr richtig! rechts.) Ich habe in der Budgetkommission es ausgesprochen und be⸗ tone das hier ausdrücklich, daß es niemals die Aufgabe der See⸗ handlung sein kann, etwa in ein Konkurrenzverhältnis zu unseren großen Banken einzutreten; im Gegenteil: unsere großen Banken ver⸗ dienen durchaus das hohe Renommee, dessen sie sich erfreuen, und die Seehandlung kann nur dahin ihr Augenmerk richten, in Gemeinschaft mit diesen großen Banken ihre Stelle einzunehmen. Sie ist aber jetzt ganz außerstande, die ihr gebührende Stellung wirklich einzunehmen, weil sie mit ihren 34 Millionen hinter den großen Banken mit ihren großen Grundkapitalien und Reservefonds von 200, 300, 400 Millionen Mark vollkommen zurückgeblieben ist. Sie ist, wie man zu sagen pflegt, mit ihren 34 Millionen aus dem Rennen gekommen, und wenn wir sie wieder ins Rennen hineinsetzen wollen, müssen wir das Grund⸗ kapital der Seehandlung erhöhen.
Ich komme zu einem Punkt, der eingehend sowohl von dem Herrn Abg. von Arnim wie von Herrn Dr. Rewoldt besprochen worden ist, zu der Frage der etwaigen Anlegung der Ueberschüsse der Einlagen der Sparkassen in Staatsschuldverschreibungen und sonstigen Inhaber⸗ papieren. Meine Herren, die Entwickelung unseres Sparkassenwesens ist im allgemeinen eine durchaus erfreuliche. Die Zahl der Sparer hat sehr zugenommen, und wir haben jetzt auf jeden vierten Ein⸗ wohner, also man kann sagen, auf jedes Familienhaupt, bereits ein Sparkassenbuch. Zu Bedenken und zu sehr ernsten Bedenken muß da⸗ gegen Anlaß geben die Art, wie die Sparkassen ihre Bestände an⸗ gelegt haben. Herr Dr. Rewoldt sagt, es käme vor allem auch darauf
es käme auch das Interesse des Anleihen suchenden Publikums in Be⸗ tracht. Meine Herren, sehr gewichtige Interessen! In der Tat ist es erwünscht, daß die Städte und Kreise die Sparkassen antreiben, daraus auch einen angemessenen Ueberschuß zu er⸗ zielen. Sehr erwünscht und viel wichtiger noch ist es, daß die Sparkassen einen besonderen Einfluß auf dem Gebiete des Hypothekarkredits behalten, aber vor diesen beiden Rücksichten steht doch als oberster Grundsatz der, daß die Sparkassen jederzeit in der Lage sein müssen, die Anforderungen der kleinen Einleger zu erfüllen. Der kleine Mann, der seine Spargroschen der Sparkasse anvertraut, muß sicher sein, die Spargroschen wiederzuerhalten, wenn er sie im Notfalle braucht, und von dieser Anforderung hat sich ein großer Teil unserer Sparkassen durchaus entfernt. Sie haben lediglich, um einen etwas höheren Gewinn zu erzielen, in immer steigendem Maße ihre Bestände in städtischen Hypotheken untergebracht, und es wurde in der Budgetkommission von einem Mitglied mitgeteilt, daß in seinem Bezirk Agenten der kleinen Sparkassen herumreisen, die irgendwo städtische Hypotheken aufsuchen. Das ist meines Erachtens ein voll⸗ kommen ungesunder Zustand, daß kleine Sparkassen ihre Bestände an⸗ gelegt haben in Hypotheken von Städten, die Hunderte von Meilen entfernt sind, wo sie außer stande sind, zu kontrollieren, wie der Bauzustand dieser Häuser ist, und ob die Hypothek noch eine gesunde ist oder nicht. Wenn man annimmt, daß in einem Kriege, einer großen wirtschaftlichen Not⸗ lage ein großer Teil der Sparer, wie das Herr Dr. Rewoldt auch ausgeführt hat, mit der Forderung hervortritt, sofort die Einlagen zurückzuerhalten, muß man sich doch fragen: wie sind die Sparkassen in der Lage, dieser Anforderung zu genügen? die Hypotheken können
geren Kündigungsfrist. haberpapiere da haben,
an, daß die Sparkassen einen angemessenen Ueberschuß erzielen, und
sie nicht in dem Maße versilbern, dazu bedarf es gewöhnlich einer län⸗ Die einzige Möglichkeit ist die, daß sie In⸗ die sie lombardieren oder auch verkaufen.
will, etwa 30 % ihrer Bestände in Inhaberpapieren anlegen mif⸗ Wenn man dies annimmt, meine Herren, so bleiben nicht wenig als 77 % unserer ganzen Sparkassen hinter dieser Forderung zurügh und wir haben 30 % der Sparkassen bei uns, die noch nicht einmal 10%% ihrer Bestände in Inhaberpapieren angelegt haben. Diese 30 % 8 Sparkassen sind vollkommen illiquide und zahlungsunfähig, so wie der geringste Ansturm an die Sparkasse herantritt — und i meine, diesem zwingenden Gesichtspunkt der Sicherheit ie Spareinlagen gegenüber müssen alle anderen Gesichtspunkte zuritt, treten. Also, meine Herren, man muß, glaube ich, dazu übn, gehen, die Sparkassen in höherem Maße dazu anzuhalten, ihre B⸗ stände in liquid zn machenden Inhaberpapieren anzulegen, und mit diesem Gesichtspunkt der Sicherheit der Sparer vereinigt es sij zugleich, die Rücksicht auch auf den Kurs unserer Staatspapiere, unsen Kommunalpapiere, unserer landwirtschaftlichen Papiere zu nehmen.
Meine Herren, die Anlage in Staatspapieren ist in imme steigendem Maße zurückgegangen. Wir haben im Jahre 1891 va
Staatspapieren angelegt gehabt, während es 1901 nur noch 10 879 waren. Noch stärker hat sich diese Entwickelung nach unten zu in da fünf Jahren von 1896 bis 1901 geltend gemacht. Im Jahre 189 betrug die Gesamtanlage der Sparkassen 4 Milliarden 269 Milliona die Anlage der Reichs⸗ und preußischen Anleihen 600 Millionen, im Jahre 1901 stieg die Anlage auf 5 Milliarden 990 Millionen also nahezu 6 Milliarden, dagegen stieg die Anlage in Staatspapien von 600 Millionen auf nur 647 Millionen. Wir haben einen jähr lichen Zuwachs bei den Sparkassen von etwa 345 Millionen Mar während die Gesamtsteigerung bei den Reichs⸗ und bei den preußische Staatsanleihen jährlich nur 9,6 Millionen Mark beträgt.
Wie Herr Dr. Rewoldt, glaube ich, schon hervorgehoben, hat d Berliner Sparkasse in hohem Maße Anlagen in preußischen un Reichspapieren bewirkt. Lassen Sie diese ganz außergewöhnlich grefe Sparkasse beiseite, so ergibt sich ein jährlicher Zuwachs bei den Spar⸗ kassen von 330 Millionen, von denen sage und schreibe vnd 5,5 Millionen gleich 1,67 % in Papieren des Deutschen Reichs um des preußischen Staats angelegt waren. Meine Herren, bei eina Gesamtanlage von 330 Millionen ganze 5 ½ Millionen! Meine Herm ich muß zu meinem Bedauern sagen, daß sich in dieser Entwickelun ein Zug unseres deutschen Wesens ausprägt. Bei uns ist all geneigt, alles von den öffentlichen Verbänden zu verlange⸗ vom Staat, von der Gemeinde, von der Landschaft usw.; ahg keiner fühlt die Verpflichtung, für diese öffentlichen Verbände aug etwas zu tun und sie in den Stand zu setzen, ihren größeren öffem⸗ lichen Aufgaben zu genügen. Wie soll der Staat seine Papier halten, wie soll er die Möglichkeit schaffen, daß der kleine Sparer a Staatspapieren nichts verliert, wie soll der Staat die Möglichte behalten, im Falle eines Krieges sein kolossales Anleihebedürfnis n befriedigen, wenn er im Frieden nicht die nötige Unterstützung h. seinen Staatsbürgern erfährt, wenn von 330 Millionen nur gam 5 ½ Millionen in preußischen Papieren angelegt werden.
Meine Herren, nun sehen Sie die Entwickelung in allg anderen Kulturstaaten. Kein Staat der Erde, behaupte ich, hü seine Papiere so schutzlos gelassen wie wir in Preußen und in Deutschen Reich. Es ist Ihnen bekannt, meine Herren, daß i Frankreich die ganzen Ueberschüsse der Sparkassen in fim⸗ zoͤsischer Rente angelegt werden müssen. In Frankreich haben vit bekanntlich auch Postsparkassen, die etwa einen Ueberschuß bes 1 Milliarde haben, ganz in französischer Rente angeleg gesamt also 4 ½ Milliarden, die in französischer Rente angelegt sud Das ist eine Entwickelung, die vom Standpunkte des französisce Staates nach anderen Richtungen hin zu Bedenken Anlaß vü Denn eine so kolossale Investierung in französischen Schuldtitres 8. naturgemäß für den Fall des Krieges, wo die Anlagen von dʒ Sparern wieder zurückverlangt werden, nach dieser Richtung hin! erheblichen Bedenken Anlaß. Aber, meine Herren, von der Er⸗ wickelung sind wir unendlich weit entfernt. Wir sind genau nach e anderen Richtung hin geglitten, wir haben nichts für die Staatepevim getan. In England eine ganz ähnliche Entwickelung: auch hier d Anlegung in englischen Titres. Am weitesten gegangen ist in dieh Beziehung Amerika. Wir haben bekanntlich in Amerika eine gm⸗ Anzahl von Banken, die national banks, die unter den Gesetzen d Vereinigten Staaten stehen, dann die Banken der einzelnen Staun und schließlich die Privatbanken. Die großen Nationalbanken, dad es ca. 5000 gibt, und die einer bestimmten Kontrolle unterlich haben das Recht Inhaberpapiere auszugeben, aber nur zu ein Betrage, der gedeckt wird durch Schuldverschreibungen des amerikaniste Staates. Infolgedessen stehen die 2 prozentigen amerikanisce Papiere höher als unsere 3 ⅛ prozentigen.
Was ich schon im Eingang sagte, daß wir bei uns die En wickelung haben, im Frieden nicht in dem Maße die öffentlichen bände unterstützt zu sehen, wie das erforderlich ist, macht sich genam bei den Kommunalpapieren geltend und bei den landschaftlih Papieren. Meine Herren, wie ist es denn bei den Kommunen? kommunale Sparkasse entnimmt ihr Geld aus den Sxpareinlegem betreffenden Gemeinde. Man sollte nun meinen, daß sie dann nch die Verpflichtung fühlt, auch dem Anlagebedürfnis der betreffen Gemeinde zu genügen — keine Spur! Sie gehen 30, 50. M weiter und suchen in städtischen Hypotheken etwas mehr Zinsen bekommen. Wer in kommunale Verhältnisse hineingeschaut weiß, mit welcher Schwierigkeit die kleinen Kommunen zu käm haben, wenn sie ein Anleihebedürfnis haben; sie müssen von? Bankier zum andern gehen und sehen, zu welchen Bedingungen dn Gnade haben will, ihr städtisches Anleihebedürfnis zu befriedih Aehnlich liegt es bei den landschaftlichen Papieren. Dene ist auch der Gedanke, den wir verfolgen, nicht der, nun etwa von! ganzen Inhaberpapieren, die in den Ueberschüssen der Sparkassen gelegt werden sollen, alles für den Staat zu nehmen, sond ich meine, es müßte den Sparkassen vorgeschrieben werden, 1 bestimmten Prozentsatz in Anleihewerten des Deutschen Reiches des preußischen Staates und einen andern Prozentsatz in ih heimischen kommunalen und landschaftlichen Papieren zu inve dic
sind in die Erwägung darüber eingetreten, welche Mittel angewandt
Man kann wohl sagen, daß eine Sparkasse, die jederzeit liquide
8 8 “ 8
sein
dem verzinslich angelegten Vermögen der Sparkassen noch 15,7 % nf
Daneben hat die Privatsparkasse etwa 3 ½ Milliarden Bestände; ins irt doppelt schädigend wirken.
üassung des Ministers übertrieben pessimistisch
Schließlich ist doch auch der Reservefonds da.
2. April
Nun ist von den beiden Herren Vorrednern, insbesondere von em Herrn Abg. Rewoldt, hervorgehoben worden, daß man dabei die rage des Hypothekarkredits doch sehr ernstlich erwägen müsse. Ich imme dem vollständig bei und ich glaube, es würde zu weit gehen, denn man die Sparkassen zwingen würde, ihre jetzigen Anlagen zu ndern, wenn man sie nötigen würde, Hypotheken zu kündigen und gfür Inhaberpapiere zu kaufen. Diese Belästigung könnte man ermeiden, wenn man derartige Vorschriften über die An⸗ gung eines bestimmten Prozentsatzes der Ueberschüsse in Fahaberpapieren nur auf den künftigen Zuwachs bei den Spar⸗
assen erstreckt, wenn man also die gegenwärtige Art der Anlegung
ollkommen unberührt läßt. Die Erwägungen darüber schweben bei ns, und ich halte es geradezu für eine Pflicht der Staatsregierung ind des hohen Hauses, diese Frage der mangelhaften Illiquidität bei
en Sparkassen zu beseitigen, eine Frage, die im Ernstfall zu den
lerschwersten Konsequenzen führen könnte. Wir leben, gottlob! im rieden und sind wenig geneigt, auch mal an den Ernstfall zu denken. ber meine Herren, denken Sie an den Fall, daß wieder Krieg aus⸗ richt, und an die 30 % Sparkassen, die noch nicht 10 % Inhaber⸗ apiere haben, und stellen Sie sich dann die Not der kleinen Sparer pr, die zur Sparkasse laufen, ihr Geld haben wollen und es nicht iegen können. Ich halte es ferner für eine Pflicht der Staats⸗ egierung und des hohen Hauses, den Kurs der Staatspapiere so heit zu festigen, wie es nur möglich ist. Das ist nur innerhalb ge⸗ risser Grenzen möglich; denn der Kurs hängt von allgemeinen wirt⸗ hhaftlichen Vorgängen auf dem Markt ab. Aber es ist möglich, mit nem kräftigen staatlichen Bankinstitut und mit der Anlage der ßtaatspapiere bei den geeigneten öffentlichen Verbänden nachzu⸗ elfen. Es ist meines Erachtens eine Pflicht, dafür zu forgen,
ß derjenige, der sein Geld in Staatspapieren angelegt hat, an iesen Staatspapieren keinen Schaden erleidet. Wie können wir ver⸗ ungen, daß der Kurs der Staatspapiere ausreichend hoch ist, wenn ir den kleinen Mann, den kleinen Rentier, die Beamtenwitwe nicht zavor schützen, an den Staatspapieren erhebliche Verluste zu leiden! deswegen werden wir die Erwägungen nach der Richtung fortsetzen güssen, den Kurs der Staatspapiere zu fördern, und ich hoffe auf die nterstützung des hohen Hanses.
Abg. Dr. von Savigny (Zentr.): Daß das Kapital der See⸗ andlung erhöht werden soll, hat unsere Zustimmung. Aber auf dem Hebiete der Sparkassen muß mit der größten Vorsicht vorgegangen erden. Die Sparkassen sind in ihrer Mehrheit kommunale Institute, ie für sich dastehen und die Hilfe des Staates niemals in Anspruch chmen. Diesen möchte nun der Staat staatliche Aufgaben zuweisen, m seinen Kredit zu erhöhen. Dazu würden besondere Aenderungen
der Verwaltung der Sparkassen notwendig sein. Die Spar⸗ assen können auf dem Geldmarkte ohnehin schon mit anderen Geld⸗ stituten nicht konkurrieren, und nun sollen noch weitere Be⸗ hränkungen hinzutreten, die ihre Lage noch ungünstiger und edrückter gestalten. Darlehnskassen und provinzielle Institute tun bnen Abbruch. Da müssen Maßnahmen wie solche gesetzgeberischer
lt so Der ganze Plan setzt voraus, daß sehr Mißstände vorhanden sind, und hier ers Heint mir die Auf⸗ M zu sein. Wenn ein nsturm auf die Sparkassen erfolgt, so müssen zunächst die Kündigungs⸗ isten innegehalten werden. Außerdem sind die Sparkassen als kom⸗ unale Anstalten jederzeit in der Lage, Anleihen aufzunehmen. schließlich Reserv Ich bitte deshalb den Ninister, jede Maßnahme in dieser Beziehung sehr sorgfältig zu hüfen. Der Redner tritt dann in eingehender Begründung für eine eilung der Regierungsbezirke ein und erörtert die Frage einer Ver⸗ sgung des Oberpräsidiums von Schleswig nach Kiel. Es würde zur heuhigung der Bevölkerung dienen, wenn der Minister sagen würde, bie er zu der Frage stehe.
Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:
Meine Herren! Die letzten Ausführungen des Herrn Vorredners treffen wesentlich das Ministerium des Innern, mehr noch als das Ninisterium der Finanzen. Ich erlaube mir deshalb, obwohl heute t nicht auf der Tagesordnung steht, ganz kurz darauf zu didern.
Es ist richtig, daß ein Teil unserer Regierungsbezirke mit der eit räumlich und sachlich so überlastet wird und so groß geworden t daß wir daran denken müssen, einige Regierungsbezirke mehr zu haffen, also bestehende Regierungsbezirke zu teilen. Die Verhand⸗ ungen darüber, an welcher Stelle damit zu beginnen, welche Re⸗ erungsbezirke also zu teilen sind, schweben noch, und bei der so ichtigen Angelegenheit können sie auch gar nicht in einer kurzen Zeit edigt werden. Es ist möglich, daß ich im nächsten Jahre imstande h werde, Ihnen darüber detallierte Auskunft zu geben.
Was die Verlegung des Oberpräsidiums der Provinz Schleswig⸗ olstein von Schleswig nach Kiel betrifft, so hat, glaube ich, der err Vorredner die Vorgänge im Provinziallandtag in Schleswig⸗ olstein nicht vollständig richtig wiedergegeben. Die Sache hat sich ohl etwas anders zugetragen, als ihm berichtet worden ist. Jeden⸗ s liegt für die Staatsregierung heute ein Beschluß des Provinzial⸗ natags vor, und dieser geht dahin, das Oberpräsidium von Schleswig ach Kiel zu verlegen.
Nun ist ja unzweifelhaft, daß dieser Beschluß von einer sehr oßen Bedeutung auch für die Staatsregierung ist, und ebenso un⸗ veifelhaft, daß er auf eine Reihe von Argumenten gestützt ist, die
besonderes Gewicht für jedermann, und namentlich auch für die egierung haben müssen. Es ist ebenso erklärlich, daß die Minorität d namentlich die eventuell durch eine Verlegung zunächst betoffene stadt alles versucht, um sich das Oberpräsidium zu erhalten. Die fache muß deshalb auf das reiflichste erwogen werden, sie kann auch einseitig von einem Minister entschieden werden, dern es bedarf dazu zunächst der eingehendsten Beratung
Staatsministerium. Diese Beratung hat noch nicht statt⸗ den können, und ich enthalte mich deshalb auch, meine isönliche Ansicht zum Ausdruck zu bringen, weil ich in keiner Weise ser Frage präjudizieren will. Nur das möchte ich sagen: ich glaube, h Interesse der Stadt Schleswig ist am wenigsten damit gedient,
roße
wenn si⸗ eine große Agitation gegen den Beschluß ins Leben ruft; derartige Agitationen pflegen mehr zu schaden — im Sinne der Stadt gedacht — als zu nützen. Es ist möglich, daß noch in dieser Session das hohe Haus sich mit dieser Frage zu beschäftigen haben wird ⸗ Jedenfalls werden wir nicht einseitig vorgehen, sondern die Zustimmung des hohen Hauses einholen.
Abg. Dr. von Dziembowski⸗Pomian (Pole) verurteilt die Gewährung der Ostmarkenzulage vom konstitutionellen und wirtschaft⸗ lichen Standpunkt aus. Die weitere Entwickelung werde aber sogar die sein, daß die Ostmarkenzulage noch auf andere Beamtenkreise zur Förderung des Deutschtums werde erstreckt werden. Die Beamten, welche die Zulage nicht bekommen, fühlten sich zurückgesetzt. Die Stimmung der Beamten in der Provinz Posen sei so, daß sie der Regierung geradezu die Pistole auf die Brust setzten, damit die Ostmarkenzulagen erweitert würden. Die Beamten sagten einfach: entweder die Ost⸗ markenzulage, oder wir machen die Politik der Regierung nicht mehr mit. Die Ostmarkenzulage sei gegeben, damit die Beamten die Polen differentiell behandelten. Wenn man von dem Beamten in den Ost⸗ marken etwas Besonderes verlange, müsse man ihn allerdings dafür entschädigen. Von diesem Standpunkte sei also die Ostmarkenzulage eigentlich gerecht. Die Regierung solle eine Denkschrift über alle Ausgaben vorlegen, die zur Bekämpfung der Polen gemacht würden. Der wirtschaftliche Boypkott sei nur eine Folge der politischen Maß⸗ nahmen. Insgesamt seien die Ausgaben für die Ostmarkenpolitik 17 auf 20 Millionen Mark jährlich zu berechnen. Der ““ könne keine Steuerreform durchführen, weil er den Ausfall nicht tragen könne. Das sei kein Wunder, wenn das ganze Geld für die Polen⸗ politik ausgegeben werde. Welche Erfolge habe der Staat von der Ostmarkenzulage aufzuweisen? Ein Beamter habe gesagt, ihm sei es ganz gleichgültig, ob er bei einem Polen oder Deutschen kaufe; aber er bekomme die Ostmarkenzulage und sei deshalb verpflichtet, bei den Deutschen zu kaufen. Der Redner schildert an einzelnen Beispielen, wie die Ostmarkenzulage auf die Em⸗ pfindungen des Volkes wirke. Ein Bürger, der sich durch einen Postbeamten am Schalter beschwert fühlte, habe dem Beamten zugerufen: „Ich wünsche Ihnen eine Ostmarkenzulage“. Der Beamte habe sich beleidigt gefühlt, und der Bürger sei mit einer Woche bestraft worden. Man wolle in den polnischen Landesteilen aus Gründen der Staatsraison germanisieren, aber Erfolge erziele man doch nicht. Die Polen seien eine Kulturnation mit einer langen Vergangenheit und keine morituri. Die Polenpolitik sei voll⸗ ständig bankrott, während das polnische Kulturleben fort⸗ nicht dank der polnischen Agitation, sondern dank den aßnahmen der Regierung. Früher habe der polnische Bauer die Bilder von Kosciusko, dem Fürsten Bismarck und dem Papst Leo XIII. nebeneinander hängen gehabt, jetzt sei es anders. Fürst Bismarck habe den Mut gehabt, den Kulturkampf zu beendigen, als er ihn als verfehlt erkannt habe; diesen Mut habe die Regierung jetzt nicht. Der Nationalstaat sei der Idealstaat, gewiß, aber man könne doch nicht verlangen, daß die Polen ihre Nationalität dem Deutschtum zuliebe aufgeben sollten. Die Grenze zwischen beiden Nationen müsse vielmehr objektiv abgesteckt werden.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Ich glaube, das hohe Haus wird mit der Staatsregierung den Wunsch haben, die Etatsberatung baldmöglichst zum Abschluß zu bringen (sehr richtig! rechts), und ich habe nicht die Absicht, auf die Ausführungen des Herrn Vorredners hier eingehend zu antworten. Wir haben ja den Vorzug, diese Reden jeden Winter nicht nur ein⸗ mal, sondern ein halbes Dutzend, vielleicht ein ganzes Dutzend Mal, zu hören (sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen), ohne daß irgendwie die Sache dadurch gefördert wird. Sie stehen auf Ihrem Standpunkt und wir auf dem unsrigen, und gottlob ist unser Standpunkt bisher von der Mehrheit des hohen Hauses geteilt worden. Wir werden genau auf dem Wege weiter gehen, den wir bisher gewandelt sind zum Schutz des Deutschtums, nicht zum Angriff gegen die Polen. (Sehr richtig! rechts und bei den National⸗ liberalen.) Aber auf einige Aeußerungen des Herrn Vorredners möchte ich eingehen. Außerordentlich interessiert hat mich, aus seinem Munde ein Lob des Fürsten Bismarck zu hören. (Heiterkeit.) Nun lesen Sie die polnische Presse. Es gibt keinen Ausdruck, der scharf, ich möchte sagen, schändlich genug wäre, den die polnische Presse nicht gegen den Fürsten Bismarck gebraucht hat. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Ich glaube, der Herr Abgeordnete wird nach seinen Ausführungen, in denen er das Lob des Fürsten Bismarck ge⸗ sungen hat, dafür sorgen, daß auch in der polnischen Presse die Tätig⸗ keit des Fürsten Bismarck die verdiente Würdigung findet.
Dann hat der Herr Abgeordnete davon gesprochen, es sei ein Waffenstillstand angebahnt worden, aber wir hätten nur den kleinen Finger gegeben, und es sei kein vollkommener Friede erzielt worden. Ja, die Zeit des Waffenstillstands hat gerade gezeigt, wohin Sie treiben. Was hat man mit dem Waffenstillstand in der Caprivischen Zeit ausgerichtet? Keine Milderung der polnischen Aspirationen, sondern gerade das Gegenteil; gerade zu dieser Zeit sind die polnischen Aspirationen immer üppiger ins Kraut geschossen und haben uns zu Abwehrmaßregeln gezwungen.
Dann hat der Herr Abgeordnete gesagt, eins müsse er anerkennen: durch die Tätigkeit der preußischen Regierung sei die ganze Evolution auf polnischer Seite hervorgerufen worden. Er hat also volle Ver⸗ anlassung, uns zu danken, daß wir diese polnische Entwickelung möglich gemacht haben.
Nun hat der Abgeordnete sich den Kopf der Regierung zerbrochen, was die Polenpolitik der Regierung kostet. Sie kostet uns allerdings sehr viel, aber wir bringen die Opfer gern, weil wir sie bringen müssen zum Schutze unserer gefährdeten nationalen Elemente, zum Schutze des Deutschtums im Osten. Wahrlich, die Herren Polen haben gar keine Veranlassung, sich darüber zu beklagen, denn die enormen Mittel, die preußischerseits nach dem Osten gegeben werden zur Erbauung von Eisenbahnen, zur Anlegung der Akademie, zur Errichtung der landwirtschaftlichen Hochschule in Bromberg haben den großen wirtschaftlichen Aufschwung des Landes zum Teil überhaupt erst ermöglicht.
Der Herr Vorredner sprach dann davon, die Folge der Maß⸗ nahme der Regierung sei der wirtschaftliche Boykott der Deutschen gegen die Polen. Meine Herren, auch dies eine Behauptung, die oft ausgesprochen, ebenso oft als unrichtig hier widerlegt worden ist. Denn der Boykott ist nicht von der deutschen Seite ausgegangen,
sondern von der polnischen. (Lebhafte Zustimmung. Widerspruch bei
den Polen.) Diese polnischen Verfolgungen, meine Herren, finden Sie in jedem Blatt, die Mahnung: kauft nur bei den Eurigen! Meine Herren, ein polnisches Blatt, der „Goniec“, hat kürzlich gesagt: wie man den Kindern das Vaterunser beibringe, solle man ihnen auch bei⸗ bringen, kauft nur bei euren Landsleuten! (Zuruf von den Polen: Ja, jetzt!) Von den von den Herren so ungern gesehenen Zeitungs⸗ ausschnitten (Heiterkeit bei den Polen) will ich nur einen vorlesen, ich kann mir ja denken, daß sie ihnen nicht angenehm sind —:
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Vor allem fordern wir die Frauen der Wirte, welche in dieser
Beziehung am meisten fündigen, auf, den sauer erworbenen Groschen
ja nicht den Juden und Hakatisten hinzutragen, sondern alle Ein⸗ käufe bei den Ihrigen zu besorgen; dann werden sie sich mit dem
Bewußtsein an den mit den geweihten Speisen reich gedeckten Tisch setzen können, daß sie ihre nationale Pflicht erfüllt haben.
In der Zeit vor dem Feste bitten wir der Losung zu gedenken:
„Jeder zu dem Seinen!“ Meine Herren, das ist eine Osterbetrachtung in einem polnischen Blatt, und deren könnte ich Ihnen mehrere vorlegen.
Der Herr Vorredner sprach dann davon, die weitere Folge sei G
die Pauperisation der polnischen Bevölkerung, eine Behauptung, die mit seiner Eingangsbehauptung vollkommen in Widerspruch steht, daß die polnische Evolution, die polnische Entwickelung zum guten durch die Tätigkeit der preußischen Staatsregierung hervorgerufen sei. Nun, meine Herren, diese polnische Pauperi⸗ sation ist einfach eine Mythe für jeden, der die Ver⸗ hältnisse kennt. Es steht fest, daß der polnische, nicht nur Groß⸗ sondern namentlich Kleingrundbesitz sich in den letzten Jahren außer⸗ ordentlich vermehrt hat; es steht fest, daß die Einnahmen der polni⸗ schen Sparkassen und sonstigen Banken enorm gewachsen sind. Es
steht fest, daß die polnische Bevölkerung viel stärker zugenommen hat
als die deutsche. Kurzum, von einer Pauperisation der polnischen Be⸗ völkerung kann für jeden, der die Verhältnisse kennt, gar nicht die Rede sein.
Die Ostmarkenzulage, hat dann der Herr Abgeordnete angeführt, sei in Verbindung zu bringen mit § 4 der Verfassung, indem sie den Beamten dafür gegeben würde, daß die Beamten die Polen differentiell behandeln. Meine Herren, ich muß eine solche Behauptung mit Ent⸗ schiedenheit zurückweisen. (Zuruf von den Polen) Nicht dafür wird die Zulage gegeben, sondern unsere Beamten haben gleiches Recht zu üben gegenüber Deutschen wie gegenüber Polen. Sie wird lediglich deshalb gegeben, damit das frühere Abströmen der deutschen Beamten aus Polen unterbleibt, damit wir endlich ein dauernd stationär verbleibendes Beamtentum im Osten behalten, eine Maßnahme, die ebenso im Interesse der Polen wie der Deutschen liegt.
Gegen den Vorwurf, als ob mit verschiedenem Maße Polen und Deutsche gemessen würden, muß ich entschieden Front machen. Ich will mich nicht weiter auf Details einlassen, aber mit kurzen Worten doch hier darlegen, wie sich tatsächlich die Gewährung der Ostmarken⸗ zulage gestaltet hat. Was hat man uns alles zum Vorwurf gemacht! Ehe wir die Ostmarkenzulage ausgezahlt haben, ist namentlich von polnischer Seite behauptet worden, daß die ganze Maßregel dazu dienen würde, unser Beamtentum zu korrumpieren usw. (Sehr richtig! bei den Polen.) Sehr richtig? Von 8220 Beamten haben 8111 Beamte die Zulage bekommen, und aus politischen Gründen sind überhaupt nur 139 Beamten diese Zulagen versagt worden. Also Sie sehen, daß das ganz überwiegende Gros der Beamtenschaft die Zulage bekommen hat, und nur eine ganz verschwindende Minderheit hat sie nicht bekommen können, weil sie ihre politischen, ihre nationalen, will ich richtiger sagen, Aufgaben nach dieser Richtung hin nicht erfüllt hat. Insbesondere sind aus der mir ganz oder mitunterstellten Verwaltung der direkten Steuern und der allgemeinen Verwaltung überhaupt Ver⸗ sagungsfälle aus politischen Gründen nicht vorgekommen. Die Summe der gezahlten Zulagen beträgt 1 547 000 ℳ, und nur 55 000 ℳ haben nicht ausgezahlt werden können. (Hört, hört!) Wir haben uns also bemüht, die Sache so weit auszudehnen, als es irgend möglich war. Selbstverständlich sind diese Zulagen den Beamten nicht gezahlt worden, die gegen ihre nationalen Pflichten verstießen, und diesen Beamten sie zu zahlen, würde mit dem Sinne der Maß⸗ regel in Widerspruch stehen. Wir sind aber bei der Ausführung des Gesetzes so milde vorgegangen wie es nur irgend möglich war.
Ich will damit schließen und nur ein Wort hinzufügen, was der Herr Abgeordnete selbst gesagt hat; er sagte: wir brauchen nur feste Männer. Meine Herren, in diesem einzigen Punkte befinde ich mich mit ihm in Uebereinstimmung: wir brauchen auch feste Männer (sehr richtig!); wir brauchen Männer, die von ihren nationalen Gefühlen und von ihren nationalen Verpflichtungen durchdrungen sind, und wir brauchen Männer, die fest auf der Scholle im Osten bleiben, um ihren nationalen Pflichten zu genügen, und dazu brauchen wir eben den Ost⸗ markenfonds. (Lebhaftes Bravo!)
Abg. Oeser (fr. Volksp.): Wenn man eine Staatsanleihe be⸗ geben will, so muß man sie den Käufern angenehm, d. h. nicht zu teuer machen; der Fiskalismus hat den Anleihen nicht zum Vorteil gereicht. Die Konversion war ein Fehler. Infolge der Finanzpolitik des Reiches werden immer mehr Anleihen auf den Markt gebracht, und der Markt ist an sich schon geschwächt durch die Börsengesetz⸗ gebung. Früher kam es häufig vor, daß ein Geldmann eine vorüber⸗ gehende Kapitalsanlage in Staatspapieren machte, beil er wußte, daß er sie jederzeit weiter begeben konnte. Das ist heute, wo der Kurs der Papiere so schwankt, anders. Den großen Kurs⸗ schwankungen muß unbedingt vorgebeugt werden. Der Minister hat von der Ausgabe von Schatzscheinen statt der Staatsschuldverschrei⸗ bungen gesprochen. Wir können dem nur zustimmen. Der Minister hat ferner eine Erhöhung des Kapitals der Seehandlung, wie es heißt, von 34 auf 90 Millionen, angekündigt. Die dafür vor⸗ gebrachten Gründe balten wir noch nicht für durchschlagend. Da die Seehandlung in letzter Zeit eine der Diskontpolitik der Reichsbank entgegengesetzte Politik verfolgt hat, würde man ihr bei einer Erhöhung des Kapitals jedenfalls die Möglichkeit nehmen müssen, die Reichsbank zu schädigen. Man will die Sparkassen zur Begebung von Reichsanleihen benutzen. Ich verkenne zwar nicht, daß