mit einigem Recht als eine künstliche Fahrstraße ansprechen kann, das ist eine Tatfrage, die sich weder reichsverfassungsmäßig noch sonst grund⸗ sätzlich allgemein entscheiden läßt.
Jetzt die zweite Frage: Wann tritt der Zeitpunkt ein, wo ein Bundesstaat, um auf einer natürlichen Wasserstraße Abgaben erheben zu können, eines Reichsgesetzes bedarf? Die Auffassungen darüber schwanken. Man würde in dem Falle, wo eine an und für sich natürliche Wasserstraße durch die Art ihrer Abgrenzung, durch Verlegung, durch abkürzende Durchstiche in der Tat den Charakter eines Kanals bekommen hat, unter Umständen annehmen können, daß ein solcher auch in seiner Richtung wesentlich veränderter Wasserlauf schon eine künstliche Wasserstraße ist und deshalb zur Erhebung von Abgaben ein Reichsgesetz nicht notwendig sei. Aber die Sache kann auch so liegen, daß es sich nicht um die wirkliche Kanalisierung eines Flusses handelt, um ein neues Flußbett, sondern nur um eine wesentliche Verbesserung der vorhandenen Fahrstraße. Das war der Fall mit der Unterweser, wenn man die Unterweser überhaupt noch einen Fluß nennen will — eigentlich ist sie wie die Unterelbe eine große Reede, eine Art Hafen, denn dort liegen Verhältnisse vor in bezug auf Beleuchtung, Betonnung usw., wie auf einer Reede oder einem großen Hafen. Es können also Fälle eintreten, wo man auch das vorhandene Flußbett eines natürlichen Flusses so ausbauen muß, daß es, wie bei der Unterweser, finanziell vollkommen ausgeschlossen wäre, diese Lasten auf die Schultern des Staats und damit aller Steuerzahler allein zu nehmen, wo man eine Gegenleistung seitens der Schiffahrtsinteressenten finanziell nicht entbehren kann. Nehmen Sie ferner den Rhein bei der Loreley an. Dort müssen jetzt bekanntlich die Schleppzüge gebrochen werden, weil das Fahrwasser es nicht zuläßt, mit den langen Schleppzügen, die bis zur Loreley gehen, die Loreleyenge zu durchfahren. Nehmen Sie an, der preußische Herr Eisenbahnminister würde die Absicht haben, um dieses Teilen der Schleppzüge, was außerordentlich lästig und kostspielig ist, zu beseitigen, die Fahrstraße bei der Loreley durch größere Sprengungen so zu vertiefen und zu verbreitern, daß der längste Schleppzug durch den Loreleypaß un⸗ gebrochen durchgehen könnte, so würde es, wenn es sich bei diesem Ausbau um 30, 40, 50 Millionen Kosten handelte, an und für sich von dem Standpunkt des Ressortministers gewiß berechtigt sein, wenn er erklärte: hierdurch erwachsen der Schiffahrt so außerordentlich große materielle, ins Gewicht fallende Vorteile, daß es gerechtfertigt ist, hierfür eine Abgabe zu erheben, — oder diese außerordentliche Ver⸗ besserung der Fahrstraße muß unterbleiben.
Meine Herren, ich fasse meine Auffassung dahin zusammen: es ist unzweifelhaft, daß nach der Reichsverfassung auf natürl ichen Wasserstraßen Abgaben nicht erhoben werden dürfen; aber zweifel⸗ haft und streitig ist es, auf welchen Strecken und unter welchen Ver⸗ hältnissen man eine Wasserstraße noch als eine lnatürliche ansprechen kann, und unter welchen technischen Voraussetzungen man demnach der reichsgesetzlichen Zustimmung bedarf, um eine Ausnahme von dem Grundsatz des Absatz 1 des Art. 54 der Reichsverfassung herbeizu⸗ führen. Die Fälle liegen — ich habe darüber eine Denkschrift des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten gelesen — in der Tat ganz außerordentlich verschieden.
Der Herr Vorredner hat demnächst an die Erklärungen des Herrn Reichskanzlers beziehungsweise die des preußischen Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten wirtschaftliche Folgerungen geknüpft für den Fall, daß wir zu solchen Abgaben auf den natürlichen Wasser⸗ straßen gelangen sollten. Ich kann demgegenüber dem Herrn Vor⸗ redner zunächst die beruhigende Erklärung abgeben — ich bin doch auch Mitglied des preußischen Staatsministeriums und weiß, was dort vorgeht —, daß bisher der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten auch nicht den leisesten Gedanken innerhalb des preußischen Staatsministeriums geäußert hat, auf dem Rhein oder der Elbe Ab⸗ gaben überhaupt erheben zu wollen. Ob aber dieser Fall mal ein⸗ treten wird mit dem Anwachsen der Schiffsgefäße, mit der Steige⸗ rung der Ansprüche der Schiffahrt an den Zustand der Fahrstraße, mit den entsprechend steigenden Ausgaben für den Ausbau und die Unterhaltung unserer Ströme, das ist eine Frage, die, glaube ich, jeder Finanzminister oder Minister der öffentlichen Arbeiten sich für die Zukunft offen halten muß. (Sehr richtig! rechts.)
Was aber schließlich die tatsächliche Einführung solcher Abgaben betrifft, so glaube ich, kann sich der Herr Vorredner auch mit der Versicherung beruhigen, daß wir zunächst auf dem Rheine Holland gegenüber, auf der Elbe Oesterreich gegenüber in bezug auf die Frei⸗ heit der Schiffahrt gebunden sind, und daß, wenn wir eine Aenderung dieser Verhältnisse herbeiführen sollten oder müßten, dies erneute Ab⸗ machungen einerseits mit Oesterreich, andererseits mit Holland voraus⸗ setzen würde. Diese Staaten würden aber kaum irgend einem Ab⸗ kommen ihre Zustimmung erteilen, das der Schiffahrt als solcher, an der sie selbst so sehr beteiligt sind, wirklich nachteilig werden könnte.
Ich glaube also, meine Herren, aus diesen Ausführungen, die sich in der Kommission ja noch ergänzen lassen, werden Sie ersehen, daß, selbst wenn man bei einer sehr scharfen Auslegung glaubte folgern zu können, daß die Erklärung des Herrn Reichskanzlers und die des preußischen Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten in irgend einem Punkte sich wörtlich nicht vollkommen zu decken scheinen, tatsächlich doch vollkommene Uebereinstimmung herrscht, daß auch zwischen der Reichsinstanz und dem Minister der öffentlichen Arbeiten in Preußen tatsächlich nicht der geringste Widerspruch der Auffassung besteht. (Bravol)
Abg. Dr. Sattler (nl.): Diese Angelegenheit wird im prenh en Abgeordnetenhause eingehend erörtert werden, sodaß ich darauf nicht einzugehen brauche. Ich möchte den Reichskanzler fragen, cb er uns über die gegenwärtigen Iö in der auswärtigen Politik eine Auskunft zu geben vermag. Ebenso möchte ich fragen, wie weit Deutschland in seinen Bemühungen über den Abschluß von Handelsverträgen gekommen ist. Die Bedeutung des Abschlusses neuer Handelsverträge ist von uns stets betont worden. Sind neue Nachrichten über unsere Kolonialbewegung in Afrika ein⸗ getroffen? Wir sehen zu unserem Bedauern, daß man nötige Bahnbauten verschoben hat. Wenn man so große Gebiete für Deutschland erhalten will, so muß man auch dafür sorgen, daß die nötigen Verkehrswege geschaffen werden. Deshalb haben wir be⸗ dauert, daß man den Ian der Eisenbahnen in den Kolonialgebieten nicht stärker gefördert hat. Es ist die erste Pflicht der Volks⸗ vertretung, für die Aufrechterhaltung unserer Machtstellung in den Ko⸗ lonien einzutreten. Wir dürfen uns darin von anderen Staaten nicht überflügeln lassen. Die Lage der europäischen Staaten ist heute weit schwieriger als früher. Es ist nötig, 5 auch das deutsche Volk seine Kraft zusammenfaßt und die Regierung anfeuert, um
8*
Horizont der olitik ist heute viel weiter ge⸗ hae. ist “ daß das deutsche Volk in ver⸗ schiedene Gruppen zerfällt, die sich auf das heftigste “ Weite Volksklassen in Deutschland trennen sich von den nationalen Interessen. Darum müssen die übrigen Teile sich zusammenscharen. Wir sind alle auf ein Zusammenwirken angewiesen, um die nötige Grundlage nach innen und außen zu haben. Es ist ferner auf 5* tiefste zu beklagen, daß konfessionelle Gegensätze in Deutschland e⸗ stehen. Mit dieser historischen Tatsache müuͤssen wir aber rechnen. Es ist unsere Pflicht, 5 Gegensätze möglichst in den Hinter⸗ grund treten zu lassen. Wir dürfen nie vergessen, daß wir in Frieden miteinander leben müssen. Wir führen auch nicht einen Kampf gegen den Katholizismus, sondern nur gegen den Ultramontanismus. Wir bekämpfen nur die ultramontanen Herzensgelüste. Das tun wir im Interesse des Friedens. Die Ereignisse der letzten Zeit haben leider gezeigt, daß man die Gefühle des anderen Teils der Bevölkerung nicht geschont hat. Ich spreche von der Aufhebung des Artikels 2 des Jesuiten⸗ gesetzes. Ich rede nicht von Handelsgeschäften. Der Kanzler hat 8 in Abrede gestellt, und es wäre dumm von mir, wenn ich es be⸗ haupten wollte, da nur eine kleine Minderheit hinter mir steht. Es wäre aber auch nicht recht von mir das zu behaupten, wenn ernste Männer ein solches Geschäft in Abrede stellen. Es hat aber ein Unstern über diesen Ereignissen geschwebt, denn es bestand in 1-5 großen Teil des Volkes in der Tat das Gefühl, daß solche e 8⸗ geschäfte getrieben worden sind. Der Reichskanzler hat mit hn. geführt, daß meine Fraktion zum Teil für die Aufhebung des § es Jesuitengesetzes gestimmt hat; er erinnerte mit Recht an die Abgg. von Bennigsen und Bassermann. Das geschah aber nicht im letzten Reichstage, sondern im vorletzten. In der letzten Legislaturperiode hat meine Fraktion in ihrer Mehrheit dagegen gestimmt. Die Frage der Rechtsgültigkeit des Gesetzes ist mindestens strittig. In weiten Kreisen der Einzel⸗ staaten besteht die Ansicht, 8 auf ihre Wünsche nicht die Rücksicht genommen worden 9 die sonst auf sie genommen wird. Der § 2 des Jesuitengesetzes an sich mag ja keine große praktische Be⸗ deutung haben; aber die Art des Vorgehens erregt die Be⸗ völkerung. Man hat das Gefühl, daß eine Kombination zwischen solchen Beschlüssen und anderen Gebieten gemacht werde. Wenn man so die Gefühle der evangelischen Bevölkerung verletzt, so trägt dies nicht zur Förderung des konfessionellen Friedens bei. Daß die Ver⸗ hältnisse der Katholiken in Deutschland sehr günstig sind, hat 6 Papst selbst anerkannt. Kaum ist aber ein Wunsch erfüllt, so erheb ich ein anderer. Durch den Toleranzantrag wollte man zentralistisch eingreifen in die ganze Gesetzgebung der Einzelstaaten. Man⸗ verletzt das Gefühl der evangelischen Bevölkerung, und darum müssen wir mit dem ganzen Ernst unserer Ueberzeugung auf diese Tatsachen hin⸗ weisen. Ich beziehe mich auf die Herren Graf von Moltke und von Heydebrand im preußischen Abgeordnetenhause, die ausgeführt haben, bat die jetzige Haltung der Regierung zur Schädigung des konfessionellen Friedens führe.
Reichskanzler Graf von Bülow:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat auf dem Gebiete der auswärtigen Politik eine Reihe allgemeiner Fragen an mich gerichtet, von denen er, wie ich glaube, mir selbst zugeben wird, daß es leichter ist, sie zu stellen, als sie zu beantworten. 1 8 5 der Herr Vorredner von einer Verschiebung der europäischen Lage gesprochen. Das kann sich nur auf das vor einigen Tagen in die SOeffentlichkeit gelangte 1 fran⸗ zösisch⸗englische Kolonialabkommen beziehen. (Sehr richtig!) Ich darf den Herrn Abg. Sattler darauf aufmerksam machen, L- sich die englischen Minister, wie ich gelesen habe, über dieses Ab⸗ kommen erst heute abend im englischen Parlament aussprechen wollen. Ebensowenig haben sich bisher die französischen Minister über das Abkommen geäußert. Da wird er gewiß begreifen, daß ich mich nicht des längeren und breiteren über diesen Vertrag hier auslassen kann. Denn ich habe in meiner Eigenschaft als Minister des Aeußeren die Pflicht, wenn ich hier über auswärtige Politik spreche, solche Sachen zu sagen, die wenn möglich das Interesse des Landes fördern und die jedenfalls nicht das Interesse des Landes schädigen. Das aber kann ich dem Herrn Abg. Sattler über diesen Punkt doch sagen, daß wir keine Ursache haben, anzunehmen, das englisch⸗französische Kolonial⸗ abkommen enthalte eine Spitze gegen irgend eine andere Macht. Was vorzuliegen scheint, ist der Versuch, eine Reihe von Differenzpunkten, die zwischen England und Frankreich be⸗ standen, auf dem Wege gütlicher Verständigung aus der Welt zu räumen. Dagegen haben wir vom Standpunkt der deutschen Interessen nichts einzuwenden. Ein gespanntes Verhältnis zwischen Frankreich und England brauchen wir schon deshalb nicht zu wünschen, weil ein solches eine Gefährdung des Welt⸗ friedens wäre, dessen Aufrechterhaltung wir aufrichtig anstreben.
Was speziell Marokko angeht, das den Kernpunkt dieses Ab⸗ kommens bilden dürfte, so sind wir, wie im Mittelmeer überhaupt und speziell in Marokko, im wesentlichen wirtschaftlich interessiert. Wir haben da vor allem kommerzielle Interessen. Deshalb haben wir auch ein erhebliches Interesse daran, daß in Marokko Ruhe und Ordnung herrscht. Unsere merkantilen Interessen in Marokko müssen und werden wir schützen Wir haben keinen Grund zu befürchten, daß diese unsere Interessen in Marokko von irgend einer Macht mißachtet oder verletzt werden könnten.
Was, meine Herren, ien so ist unsere Haltung gegenüber diesem Kriege eine
sehr einfache. Nachdem es leider nicht gelungen ist, den Frieden aufrecht zu erhalten, tun wir, was für uns möglich ist, damit sich aus dem Duell im fernen Osten kein Weltkrieg entwickelt. Das ist ein Hauptgrund für unsere loyale und strikte Neutralität. Diese Neutralität geht allerdings schon daraus hervor, daß wir keinen Anlaß haben, uns in einen Krieg einzumischen, der die deutschen Interessen nicht direkt berührt. Und endlich ist das auch das sicherste Mittel, um unseren Handel und unser Wirtschaftsleben tunlichst vor Schädigungen zu bewahren. Nun it. u. Herren, ja gegen uns mehrfach der Vorwurf er⸗ hoben worden — ein Fraktionsgenosse des Herrn Abg. Sattler hat diesem Vorwurf erst kürzlich in einem anderen hohen Haus Ausdruck gegeben —, daß wir durch den Ausbruch des Krieges überrascht worden wären. Ich habe sogar gelesen, daß wir durch einen übertriebenen Optimismus andere in unbegründete Sicherheit gewiegt hätten. Ich könnte darauf erwidern, daß die leitenden Minister in London, Paris und St. Petersburg und selbst die japanischen Vertreter in Paris und St. Petersburg durch den Ausbruch des Krieges tatsächlich überrascht worden zu sein scheinen. Ich könnte auch betonen, daß selbst die⸗ jenigen nicht japanischen Staatsmänner, die der Ansicht waren, daß der starkgeheizte japanische Kessel bald Dampf geben würde, nicht vorausgesehen haben, daß die Regierung in Tokio für den Abbruch der diplomatischen Beziehungen gerade den Augenblick wählen würde, den sie sich tatsächlich ausgesucht hat. Ich will aber einfach darauf hinweisen, daß in solchen kritischen Augenblicken die Regierung die großen auswärtigen Interessen des Landes wahrzunehmen hat, und
Der
den Konflikt in Ostasien angeht,
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das Schiff des Landes nicht auf Klippen und Untiefen gerät. Wenn wir vor dem Ausbruch des Krieges eine pessimistische Sprache geführt hätten, pessimistischer, als sie anderswo geführt wurde, so hätte uns das in St. Petersburg in das Licht der Kriegstreiberei bringen und dort Mißtrauen erregen können. Anderseits hatten wir kein Recht, der japanischen Regierung kriegerische Absichten nachzu⸗ sagen, solange Japan nicht selbst den Krieg erklärt hatte. Wir mußten also ebenso ruhig bleiben, wie die anderen Zentren der euro⸗ päischen Politik, vielleicht sogar noch etwas ruhiger, da wir weniger interessiert waren als andere. Da ich einmal auf dieses Thema eingegangen bin, möchte ich mich noch gegen eine andere Anklage wenden, die wegen des ostasiati⸗ schen Krieges gegen uns erhoben worden ist. Man hat unsz einen Vorwurf daraus gemacht, daß wir uns für die Neutralisierung von China interessiert haben. Unsere Haltung ging aber auch in dieser Beziehung aus klaren und einwandsfreien Motiven hervor. Cz lag und es liegt wohl im Interesse aller Mächte und jeden⸗ falls im Interesse der deutschen Politik, daß sich aus dem Krieg in Ostasien nicht ein Weltkrieg entwickle. Zur Erreichung dieses Zieles trägt es wesentlich bei, wenn das große chinesische Reich vom Kriege ausgenommen wird. Die Neutralisierung von China war auch ein geeignetes Mittel zur Beruhigung des chinesischen Hofes und der chinesischen Regierung. Die Furcht, in den Krieg hineingezogen zu werden, hätte den chinesischen Hof veranlassen können, Peking zu verlassen, was wiederum die Sicherheit der in China lebenden Europäer bedroht haben würde. Durch unser Eintreten für die Neutralisierung von China — das außerdem der beste Beweis war gegen die vielfach über uns verbreitete Verleumdung, wir wollten den Krieg benutzen, um uns Stücke von China anzueignen — glauben wir dem allgemeinen europäischen Frieden und speziell auch unseren Interessen am besten gedient zu haben. Was die Ausführungen des Herrn Dr. Sattler über kirchen⸗ politische Fragen angeht, so will ich gern anerkennen, daß sich Herr Dr. Sattler in dieser Beziehung sehr vorsichtig ausgedrückt hat. Ich will ihm auch zugeben, daß ich den ersten Teil seiner Ausführungen über die Notwendigkeit des konfessionellen Friedens fast Wort für Wort unterschreiben kann. Die Geschichte lehrt uns gerade Herr Dr. Sattler als Historiker wird mir das bestätigen —, daß kein Volk unter konfessionellem Hader mehr ge⸗ litten hat als das deutsche Volk. Bei keinem Voͤlke hat sich so sehr konfessioneller Hader als der gefährlichst und schädlichste Streit herausgestellt. Kein Volk hat so viel Anlaß wie wir, konfessionellen Streit zu vermeiden. Wer auch an dieser Stelle stehen möge, er wird, wenn er anders das Wohl des Ganzen über Parteirücksichten, über subjektive Empfindungen und über populäre Strömungen stellt, in erster Linie bemüht sein müssen, durch eine Politik, die sich über dem Hader der Konfessionen hält, den konfessionellen Frieden und damit die Geschlossenheit der Nation aufrecht zu erhalten. Daß der Herr Abg. Dr. Sattler theoretisch die Notwendigkeit des Friedens unter den Konfessionen betonte, hat ihn freilich nicht verhindert, eine Reihe von Angriffen gegen das kirchenpolitische Verhalten der Reichsregierung und der Königlich preußischen Staatsregierung zu richten. Der Herr Abg. Dr. Sattler hat wieder von Zugeständnissen der Regierung gesprochen. Ich kann nur mein Bedauern darüber ausdrücken, daß er sich in dieser Beziehung auch wieder mehr in Wendungen allgemeiner Natur ergangen hat, als daß er seine Vorwürfe spezialisiert hätte. Ich würde ihm dankbar sein, wenn er mir sagen wollte, welche Zu⸗ geständnisse ich an den Ultramontanismus gemacht haben soll auf Kosten der Interessen des Reichs. Ich glaube nicht, daß er in der Lage ist, mir ein solches Zugeständnis zu nennen. Ich bestreite auf das allerentschiedenste, daß ich in dieser Beziehung irgend eine Konzession gemacht hätte, die ein Nachteil für das Reich oder ein Unrecht gegenüber der evangelischen Kirche gewesen wäre. Wenn aber der Herr Abg. Dr. Sattler ein Mittel weiß, wie ich die Geschäfte des Reichs in verfassungsmäßiger g2 ich unterstreiche dreimal das Wort: verfassungsmäßig — und ersprießlicher Weise führen kann ohne jede Rücksicht auf die stärkste Partei in diesem Hause, dann soll der Herr Abg. Dr. Sattler die Güte haben, mir dies Mittel ins Ohr zu sagen. (Hört, hört! Heiterkeit.) Ein solches Rezept muß er doch in der Tasche haben, denn sonst würde es im hohen Grade ungerecht sein, mir einen Vorwurf daraus zu machen, daß ich mit den gegebenen Verhältnissen rechne. Also ich bitte: heraus mit diesem Mittel und heraus mit dem Rezept! Wenn das nicht geschieht, so würde mich das Verhalten des Herrn Abg. Dr. Sattler an die bekannte Anekdote erinnern, die der verewigte Fürst Bismarck — ich kann im Augenblick nicht sagen wo, ich glaube in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ n dem kleinen Fürsten erzählt, der seinem Minister befahl, er möchte sein Volk glücklich machen. Wie aber der Minister das Volk glücklich machen solle, das sagte Serenissimus ihm nicht. (Heiterkeit.) Der Herr Abg. Dr. Sattler ist auch eingegangen auf die Haltung der nationalliberalen Partei gegenüber der Aufhebung des § 2. Gewiß gebe ich zu, daß ein Teil der nationalliberalen Parte der Beseitigung des § 2 nicht zugestimmt hat. Abcg der dissentierende Teil der nationalliberalen Partei hat dier seine Haltung nach außen sehr wenig akzentuiert. Der He Abg. Dr. Sattler wird mir zugeben, daß, ausgenommen der va Abg. Dr. Sattler, die führenden Geister der nationalliberalen Parte (Heiterkeit) so überwiegend auf der anderen Seite standen, daß dieser Dissens nicht in die Oeffentlichkeit getreten ist. b nochmals dagegen verwahren, daß mir als Verleugnung des Staa 3 interesses, als Schädigung des Protestantismus, als Gang 5 Canossa, als Kuhhandel und wie die Schlagworte alle lauten, 88½ geworfen wird, was seit Jahren alle Parteien dieses hohen Hause zusammen mit der Partei, welcher der Herr Abg. Dr. Sattler ang hört, von der Regierung gefordert haben. 22 Der Herr Abg. Dr. Sattler hat auch angespielt auf Vorgäng im Bundesrat und Verstimmungen unter den See. Daß ich über Vorgänge im Bundesrat hier nichts sagen kann, bvrn ich wohl nicht ausdrücklich hervorzuheben. Das sind Arcana Imperl
v
die deutschen Interessen im Auslande genügend wahrzunehmen.
.
daß sie vor allem dafür zu sorgen hat, daß bei aufziehendem Stur
nancher künstlerischen Teile des Universitätsgebäudes;
Ich muß mich alsoch
treffende Schenkung noch höhere Mittel zur Ausführung des unnehme, weni erbeiten lassen.
dersitätsbibliothek. 8
fimtlicher Seruminstitute für den Fall der Ve⸗ gehringschen Seruminstituts in ommission beantragt, die Petition der Regie u überweisen.
Wenn aber der Herr Abg. Dr. Sattler angedeutet hat,
überstimmt worden, es wäre vergew die vertrauensvollen Beziehungen
nicht immer und nicht in allen Fragen derselben das ist doch ziemlich natürlich. Aber weder haben Preußen und Bayern es irgend einer anderen Regierung verargt, daß sie gegen die Beseitigung des § 2 gestimmt hat, noch ist von irgend einer anderen Seite es Preußen und Bayern verübelt worden, daß diese für die Beseitigung jener Bestimmung ihr Votum abgegeben haben. Daß ein Teil des Bundesrats sich dem andern hat fügen müssen, ist schon früher vorgekommen. Ich erinnere an die Errichtung des Reichs⸗ gerichts in Leipzig. Ich möchte aber noch eins hinzufügen. Die vertrauensvollen Beziehungen unter den Bundesregierungen sind doch zu wichtig für eine gedeihliche Entwicklung des Reichs, als daß es nicht vermieden werden sollte, ohne Not Zweifel zu äußern. Von der Notwendigkeit vertrauensvoller Beziehungen unter den Bundesregierungen ist jedenfalls niemand mehr durchdrungen als ich. Das habe ich durch mein tatsächliches Verhalten bewiesen, seitdem ich an dieser Stelle stehe. Von meiner Seite ist niemals irgend etwas geschehen, was eine Verletzung oder Vergewaltigung der Bundesstaaten gewesen wäre. Ich muß solche Vorwürfe entschieden zurückweisen. Endlich hat der Herr Abg. Sattler auch die Vorgänge in Südwestafrika berührt. Ich glaube, daß wir uns mit der Lage der Dinge in Südwestafrika besser bei der Beratung des Kolonial⸗ etats beschäftigen. Ich will mich aber schon heute und gern allem anschließen, was der Herr Abg. Sattler über diesen Punkt aus⸗ geführt hat und insbesondere über die Notwendigkeit, Südwestafrika zu halten. Wir denken auch gar nicht daran, auch nur einen Fuß breit dieses Bodens aufzugeben, den wir unter unseren Schutz genommen haben, und auf dem deutsches Blut geflossen ist. Wir werden alles tun, um die Aufrührer, die sich gegen unsere Autorität erhoben haben, in ihre Schranken zurückzuweisen. Wir werden weiter alles tun, um der Wiederkehr solcher Vorkommnisse für die Zukunft vorzubeugen. Wir werden, das hoffe ich, auch aus den gemachten traurigen Erfahrungen lernen. Dann wird die gegenwärtige Krisis für Süd⸗ westafrika der Beginn einer neuen und besseren Aera sein. Vor allem aber schließe ich mich dem an, was der Herr Abg. Sattler gesagt hat über die Offiziere und Mannschaften, die in den letzten Tagen in Südwestafrika in den Tod gegangen sind. Wir gedenken mit Wehmut unserer Toten, aber auch mit Anerkennung für ihre Bravour (lebhaftes Bravo), wir sind stolz auf den Helden⸗ mut, den sie an den Tag gelegt haben. (Lebhaftes Bravo.) Es ist mir ein Bedürfnis, von dieser Stelle aus zu sagen, daß unsere Lands⸗ leute drüben, die so tapfer ihre Pflicht vor dem Feinde tun, der An⸗ erkennung, der Dankbarkeit und des Vertrauens des Landes sicher sein können. (Lebhafter Beifall.)
Darauf wird auf Antrag des Abg. von Kardorff (Rp.) die Vertagung beschlossen. Schluß nach 51 2 Uhr. Nächste Sitzung: Mittwoch, 1 Uhr. (Etat für den Reichskanzler und die Reichskanzlei; Etat des Auswärtigen Amts; Inter⸗ pellation Oriola, betreffend die Militärpensionsgesetzgebung; ktat für die Expedition nach OD
— 8
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
50. Sitzung vom 12. April 1904, 11 Uhr.
Ueber den Beginn der Sitzung ist in de d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt die zweite Beratung des Staats⸗ haushaltsetats für das Rechnungsjahr 1904 im Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten und zwar in dem Kapitel „Universitäten“ fort.
*
r gestrigen Nummer
es wären unter den verbündeten Regierungen Gegensätze hervorgetreten, es wäre
altigt worden, so erkläre ich, daß gen zwischen den Bundesregierungen in keiner Weise getrübt oder verletzt worden sind. Daß 25 Regierungen
Ansicht sein können,
ichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Mittwoch, den 13. April
Die Antwort des Ministerialdirektors Dr. Tribüne nicht zu verstehen. Bei den Ausgaben für die Universität Münster gibt Abg. Schulze⸗Pelkum (kons.) seiner Freude darüber Ausdruck, daß die Frequenz dieser Universität dank der Anstellung tüchtiger Lehr⸗ kräfte gestiegen sei, wünscht aber den Ausbau zur vollen Universität durch Errichtung einer medizinischen Fakultät. „Dr. Berndt (nl.): Die Provinz Westf auf die Bevölkerungsziffer unter den preußischen P Stelle, die Bevölkerung hat in den letzten 33 Ja genommen. Deshalb kann die Provinz einer vollen Universität nicht entbehren. Die Auswahl der Lehrkräfte ist glücklich gewesen, die Frequenz ist gestiegen; in der juristischen Fakultät kommt sie bereits der Frequenz in Königsberg und Marburg gleich. Die Ge⸗ samtzahl der Studierenden beträgt bereits 1200, wovon die älfte Westfalen sind. Der Universität fehlen zum vollen Ausbau jedoch noch zwei Fakultäten oder eigentlich nur 1 ¼, die medizinische und die evangelisch⸗theologische Fakultät. Alle Kreise in der Provinz wünschen den Ausbau der Universität, darin gibt es keine Parteien. Die Provinz Westfalen hat ebensoviele Evangelische wie die Rheinprovinz, die eine evangelisch⸗theologische in Bonn hat. Aber dieses Moment der Parität muß vor⸗ äufig noch zurücktreten hinter der Notwendigkeit der Errichtung einer medizinischen Fakultät. Die praktischen Aerzte der Provinz vermissen ein medizinisches Provinzialinstitut mit klinischen Einrichtungen. Eine medizinische Fakultät in Münster würde eine bedeutende Anregung für das Studium der Medizin bilden. Ich hoffe, daß alle Parteien dieses ausfes sich in diesem Wunsche vereinigen werden. Abg. Hilbck (nl.): Die Provinz weist die stärkste Bevölkerungs⸗ zunahme auf; von 1895 bis 1900 hat die Zunahme 18 % betragen, in der Rheinprovinz nur 5,8 %, in Berlin 12,6 %, in der Provinz Brandenburg 10 %. In demselben Verhältnis steht die Steigerung der Steuerverhältnisse. Die Unterhaltung des einzelnen Studenten ist in Münster am allerbilligsten, in Königsberg am teuersten. Nachdem die juristische Fakultät in Münster einen so vorzüglichen Erfolg gezeigt hat, muß man zunächst an die Errichtung der medizinischen Fakultät gehen. Die Ausgaben dafür würden für die nächsten Jahre noch nicht sehr erheblich sein. Besonders wichtig ist die medizinische Fakultät für die Arbeiterkreise und für die Versicherungsanstalten. Zur Er⸗ langung aller medizinischen Gutachten muß man jetzt an die Fakultäten anderer Provinzen gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß gerade hier die Staatsregierung den finanziellen Standpunkt heraus ehren kann. Die westlichen Provinzen tragen zum Einkommen des Staats viel mehr bei als die östlichen Provinzen. Für neun Millionen Ein⸗ wohner der beiden westlichen Provinzen haben wir bisher nur eine einzige volle Universität. Ich hoffe, daß schon im nächsten Jahre die Mittel für den Bau eines anatomischen und eines physiologischen
alen steht in bezug
hren um 86 % zu⸗
Instituts im Etat erscheinen. ns. II „Abg. Eickhoff (fr. Volksp.): Ich möchte diese Wünsche unter⸗ stützen. Es handelt sich ja in erster Linie um die Interessen der Stadt Münster, aber ebenso sehr auch um die Interessen der Provinz Westfalen und des preußischen Staats selbst. Die Errichtung neuer Gebäude würde nicht erforderlich sein, sondern nur die Herrichtung von Hörsälen. Die Errichtung einer medizinischen Fakultät in Münster liegt im Staatsinteresse, denn an allen Unipersitäten sind die vorhan⸗ denen klinischen Institute bereits überfüllt. 1 Abg. Schmedding (Zentr.): Ich freue mich des allgemeinen Einverständnisses in dem Wunsche der Errichtung einer medizinischen Fakultät in Münster. Dieser Wunsch ist in alten historischen Er⸗ innerungen begründet, denn die Universität ist als Volluniversität gegründet worden, sie mußte aber in den Jahren 1817/18 aus Sparsamkeitsrücksichten aufgelöst werden. Alle anderen Provinzen haben Volluniversitäten und manche von ihnen außerdem Technische Hochschulen. Die Regierung wird einwenden, daß es bereits zu viel Mediziner gibt; aber dann verstehe ich die Gründe der Errichtung von Technischen Hochschulen in Breslau und Danzig nicht, denn wir haben auch eine übergroße ahl von Technikern. Die Provinz und die Stadt Münster haben ich zu einmaligen Bei⸗ trägen zu den Kosten bereit erklärt, die Stadt Münster hat sich in der Nähe der Universität ein Terrain für die nächsten zehn Jahre ge⸗ sichert, das für die medizinische Fakultät geeignet ist. Die medizinische
Althoff ist auf der
rovinzen an vierter
in anderen Provinzen wieder nachzurechnen, wieviel von Opfern von⸗ seiten des Staats gebracht wird, so verschwindet die ideale Auffassung, welche den Verhandlungen dieses hohen Hauses doch bei Beurteilung solcher Fragen zu Grunde liegen soll: daß der Staat eine große wirtschaftliche Einheit bedeute, zu Gunsten gewisser Kirchturms⸗ interessen und gewisser provinzieller Wünsche, und es entsteht ein bellum omnium contra omnes, das schon so viele beklagenswerte Folgen gezeitigt hat.
Von diesem Gesichtspunkte aus bitte ich die vorliegende Frage doch gefälligst zu betrachten und danach auch meine Erklärung zu beurteilen, welche ich namens der Königlichen Staatsregierung dahin abzugeben habe, daß dieselbe nicht in der Lage ist, dem Wunsche auf Errichtung einer medizinischen Fakultät an der Universität Münster schon jetzt weitere Folge zu geben.
Meine Herren, so einfach stellt sich die Sache auch zahlenmäßig nicht, wie das namentlich seitens des Herrn Abg. Schmedding hier geschehen ist. Es würde schon eine in beschränktem Maße nach dem zuerst von den Beteiligten kundgegebenen Wunsche zu errichtende medizinische Fakultät, also mit einem physiologischen, einem anatomi⸗ schen und einem hygienischen Institut, nicht weniger als 1 ½ Millionen Mark an einmaligen Kosten erfordern, und zwar an Bau⸗ und Ein⸗ richtungskosten; dazu würde aber an laufenden Unterhaltungskosten noch mindestens die Summe von 45 000 ℳ kommen. Wenn Sie nun aber weiter berücksichtigen, daß damit nur ein Torso von medizinischer Fakultät geschaffen werden würde und aus diesem Torsozustand heraus selbstverständlich sich wieder sehr wohl zu begründende Wünsche entwickeln würden, dann würde die volle Ausgestaltung einer medizi⸗ nischen Fakultät die unvermeidliche Folge sein, und es würde eine mehr als doppelte Summe an einmaligen und laufenden Beiträgen er⸗ forderlich werden, also in runder Summe ungefähr 2 ½ Millionen an einmaligen Bau⸗ und Einrichtungskosten, und an laufenden Unter⸗ haltungskosten vielleicht die Summe von 90 000 ℳ Gegenüber diesen Zahlen fragt es sich, ob es in der Tat angebracht ist, schon jetzt mit Einrichtung einer medizinischen Fakultät vorzugehen. Die Frage muß deswegen verneint werden, weil sich inzwischen die Sachlage zu Un⸗ gunsten der Verwirklichung der Wünsche der beteiligten Kreise ent⸗ wickelt hat; denn darüber besteht kein Zweifel, daß die Zahl der Studierenden der medizinischen Wissenschaft innerhalb des preußischen Staats sehr bedeutend abgenommen hat, und daß diese Abnahme sich noch in steigenden Dimensionen befindet, welche sich an einzelnen Universitäten schon jetzt in unliebsamer Weise geltend machen. Gegen⸗ über dieser Betrachtung würde es, glaube ich, nicht richtig sein, wenn jetzt mit der Errichtung einer medizinischen Fakultät in Münster vor⸗ gegangen werden sollte. Ich bedaure, diese Erklärung abgeben zu müssen, da sie mit meinen persönlichen Wünschen nicht ganz in Einklang steht; ich überzeuge mich aber doch von der Notwendigkeit, eine zurückhaltende Stellung diesen Wünschen gegenüber einzunehmen, da die Tatsachen mit solcher Bestimmtheit gegen die Einrichtung einer medizinischen Fakultät sprechen.
Einige von den Einwendungen, die ich noch zu erheben hätte, hat der Herr Abg. Schmedding schon vorweggenommen; sie sind namentlich darauf gerichtet, daß voraussichtlich nicht das genügende Leichenmaterial vorhanden sein würde, weil nach der Eigenart und den Gewohnheiten der westfälischen Bevölkerung nicht zu erwarten ist, daß dieselbe sich bereit finden würde, das nötige Leichenmaterial zur Verfügung zu stellen. Ich glaube nicht, daß die Provinzial⸗
Fakultät in Greifswald erfordert einen Zuschuß von 102 000 ℳ, die in Göttingen 107 000 ℳ, die in Marburg 272 000 ℳ Aber in Münster ist eigentlich schon alles vorhanden, was notwendig ist, eine Irrenanstalt, eine orthopädische Anstalt und verschiedene andere Institute, die für die Fakultät benutzt werden könnten, sodaß nicht viel mehr notwendig ist als die Errichtung von Hörsälen an diesen Anstalten.
Abg. Dr. Stockmann (freikons.): Nach den Ausführungen der Vorredner kann ich mich darauf beschränken, den Wunsch nach Er⸗ richtung einer medizinischen Fakulät in Münster auf das wärmste zu unterstützen. Ich will aber meinerseits den Wunsch hinzufügen, daß auch alsbald eine evangelisch⸗theologische Fakultät in Münster er⸗ richtet werde, für die das Bedürfnis in der Zahl der Theologen eigentlich noch dringender begründet ist als für die medizinische und juristische Fakultät.
Bei dem Ordinarium für die Universität Kiel äußert Abg. Wolgast (fr. Volksp.) verschiedene Wünsche. So sei die faaatliche Unterstützung von 1800 ℳ für das unter der Leitung einer hochverdienten Dame stehende Museum der schleswig⸗holsteinschen ltertümer viel zu gering; auch das Museumsgebäude sei baufällig, unzulänglich und feuergefährlich. Ebenso unterstütze der Staat lange nicht genügend die Kunsthalle und das Kunstmuseum der Provinz, die gleichsfalls zu den Universitätseinrichtungen gehörten. Der notwendige Keubau des Kunstmuseums sei durch bereits erfolgte edle Stiftungen erleichtert; wie stehe die Verwaltung zu der Neubaufrage? Auch der tschaftlichen Instituts der Universität müsse
veitere Ausbau des landwir hingend gefordert werden. Ein Regierungskommissar erwidert, daß die Frage des eubaues eines Kunstmuseums in Kiel sehr günstig stehe. Die be⸗ sei angenommen worden, es gehörten aber doch Baues, als der Vorredner gstens nach dem Projekt, das der Minister habe aus⸗
Bei dem Zuschuß für die Universität Göttin
gen wünscht Abg. Dr. Eckels (nl.)
größere Zuwendungen für die dortige Uni⸗
Ein Regierungskommissar sagt zu, ache im Auge behalten werde. Zu dem Titel der Ausgaben für die Universität M eine Petition von Enoch in Homburg um
daß die Regierung die
arburg Verstaatlichung 1 rstaatlichung des Marburg vor. Die Budget⸗ gierung als Material Das Haus beschließt ohne Debatte demgemäß. Bei den Ausgaben für die Universität Bonn wünscht
Abg. Dr. Hauptmann (Zentr.) einen höheren Zuschuß für die olisch⸗theologische Fakultät in Bonn und bemängelt die Fersehme erner e⸗
regt
juristische Fakultät zunächst eine medizinische sich anschließen möchte.
finanziellem Standpunkte aus, sondern auch aus allgemeinen Gesichts⸗
punkten heraus das Bedürfnis nach einer medizinischen Fakultät zu verneinen ist.
lediglich von provinziellem Interessenstandpunkte aus so zu behandeln, wie dies seitens der Herren Vorredner, die insbesondere die Errichtung einer medizinischen Fakultät befürwortet haben, geschehen ist. wenn wir erst anfangen, gegenseitige Steuerleistungen und Staats⸗
Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ angelegenheiten Dr. Studt:
Meine Herren! Daß die von den geehrten Herren Vorrednern in ausgiebigem Maße erörterte Angelegenheit mein volles persönliches Interesse in Anspruch nimmt, werden Sie aus meinen früheren Er⸗ klärungen, die ich in diesem hohen Hause abzugeben die Ehre hatte, wohl zweifellos entnommen haben. Ich habe aber schon in den ersten Verhandlungen über die Frage, ob die bisherige Akademie in Münster zu einer Universität auszugestalten sei, meinerseits den Vorbehalt der Königlichen Staatsregierung dahin aussprechen müssen, daß für ab⸗ sehbare Zeit mit Errichtung einer juristischen Fakultät diejenigen Opfer als abgeschlossen anzusehen sein würden, welche die Königliche Staatsregierung im Interesse der Erfüllung der Wünsche der Provinz Westfalen zu bringen geneigt sei. Dieser Vorbehalt erklärte sich im wesentlichen allerdings aus finanziellen Rücksichten; aber wie an⸗ gebracht er war, zeigen die Wünsche, die sofort, nachdem die Er⸗ richtung einer juristischen Fakultät eine vollendete Tatsache geworden war, sich in dem Sinne geltend machten, daß nun auch an diese
und Medizinal⸗
Ich bin nun zu der Erklärung veranlaßt, daß nicht bloß von
Meine Herren, ich glaube nicht, daß es richtig ist, die Sache
Denn,
rwortet er die Erhaltung der Baumschule in Bonn als Schmuckplatz.
leistungen innerhalb der einzelnen Provinzen aufzurechnen und dann
Uebersicht durch Kenntnisnahme für erledigt
anstalten der letzteren Anforderung in ausreichendem Maße zu ent⸗ sprechen in der Lage sein werden.
Ich wollte nur noch berichtigend dem Herrn Abg. Schmedding gegenüber bemerken, daß die Summe der Gesamtausgaben für die Universität Münster von ihm nicht richtig angegeben worden ist. Die Gesamtaufwendung des Staats für die Universität Münste beträgt 409 816 ℳ, also erheblich mehr, als hier an gegeben worden ist. Nun kann ich es ja nur mit dem größten Dank begrüßen, daß die Opfer, welche die Staatsregierung auf dem fraglichen Gebiet bringen müßte, erleichtert werden könnten durch die Anerbietungen, die seitens des Provinzialverbandes wie seitens der Provinzialhauptstadt Münster einmütig beschlossen worden sind. Aber erstens sind dieselben in quanto nicht festgestellt, und zweitens würden sie gegenüber denjenigen Summen, die der Staat zuschießen müßte, doch nur in unerheblichem Maße in Betracht kommen können. 8 Was die evangelisch⸗theologische Fakultät anbetrifft, so erkenne ich ohne weiteres an, daß es prinzipiell dem Geist unserer Universitäten 1 durchaus entsprechen würde, wenn eine solche Fakultät auch in Münster errichtet würde. Aber, meine Herren, gegen die Einrichtung einer solchen Fakultät in Münster spricht zunächst der Umstand, daß die Zahl der Studierenden der evangelischen Theologie in Preußen zur Zeit eine außerordentlich geringe ist, daß nur ein langsames Auf⸗ steigen dieser Zahl für die nächste Zukunft zu erwarten ist, und daß nicht einmal die Fakultät Bonn, die doch in erster Reihe dazu bestimmt ist, den Nachwuchs an evangelischen Geistlichen der Provinzen Rheinland und Westfalen zu liefern, augenblicklich so viele Studierende aufweist, daß hier die Frequenz, trotz der günstigeren Ge⸗- staltung in neuerer Zeit, doch noch zu wünschen läßt. Solange
dieser Zustand sich noch geltend macht, ist es vom finanziellen Stand⸗ 8 punkt nicht zu verteidigen, daß eine evangelisch⸗theologische Fakultät in Münster errichtet werde, so sehr ich auch den sonstigen An- schauungen und Gründen, die der Herr Abg. Stockmann geäußert 1 hat, sympathisch gegenüberstehe, ohne im übrigen die von ihm aus⸗ gesprochenen konfessionellen Befürchtungen zu teilen.
Zu dem Titel der Zuschüsse an etatsmäßige Professoren
mit geringfügigen Nebenbezügen liegt die Uebersicht über die Grundsätze bei Gewährung von besonderen Besoldungszula auf professoren vor.
gen
eine begrenzte Dauer an etatsmäßige Universitäͤts⸗
Berichterstatter Abg. Dr. von Savigny Frees die
das Haus beschließt ohne Debatte demgemäß.
n, und