und endlich sich bei der mündlichen Verhandlung tunlichster Kürze zu befleißigen, insbesondere überflüssige Wiederholungen zu vermeiden und auf diese Weise die Möglichkeit zu gewähren, während der Sitzungs⸗ zeit eine größere Anzahl von Prozessen zu erledigen. Das Oberlandes⸗ gericht selbst werde seinerzeit bereit sein, allen billigen Anforderungen der Anwälte, die zu einer Beschleunigung des Geschäftsganges führen könnten, nach besten Kräften entgegenzukommen. 8 Wie diese Verfügung unmittelbar gewirkt hat, darüber habe ich keine Kenntnis; jedenfalls ist eine dauernde Besserung in den nächsten 10 Jahren nicht eingetreten; im Gegenteil, die Verhältnisse haben sich verschärft und verschlimmert, und im Laufe der letzt vergangenen drei, vier Jahre bin ich mit Be⸗ schwerden überhäuft worden über die nicht zu ertragende Verzögerung beim Cölner Oberlandesgericht. Diese Beschwerden kamen allerdings auffälligerweise kaum aus der Rheinprovinz, wo man sich scheinbar an diese Zustände schon gewöhnt hat; sie kamen aus anderen Provinzen, aus anderen Bundesstaaten, aus Sachsen und den Hansestädten, und in scharfer Weise wurden der Justizverwaltung Vorwürfe gemacht, daß sie diese Zustände so weiter gehen lasse und nicht für Abhilfe sorge; es erinnere das an eine Justizverweigerung. Die Sachen hatten sich nämlich so weiter entwickelt, die Vereitelung zahlreicher Termine hatte einen solchen Umfang angenommen, daß das Oberlandesgericht zu dem Entschlusse kam: jede Sache, in der die Anwälte in dem an⸗ gezeigten Termin nicht erschienen oder zur Verhandlung nicht bereit waren, nunmehr an das Ende aller im übrigen anstehenden Sachen zu setzen, sodaß die Termine auf ein Jahr oder fünfzehn Monate hinaus schon im voraus besetzt waren; es wurden nur einzelne Sitzungstage freigehalten für ganz besonders dringliche Sachen.
Das ein solcher Zustand auf die Dauer nicht zu ertragen war, daß er zu der allerschwersten Schädigung des rechtsuchenden Publikums führen mußte und führte, das bedarf wohl nicht einer näheren Dar⸗ legung.
Meine Herren, die zahlreichen Klagen haben mich veranlaßt, im Juli 1901 selbst nach Cöln zu reisen und an Ort und Stelle mich über die Verhältnisse zu informieren. Ich habe mich dort durch Ein⸗ sicht der Prozeßlisten, der Kalender für die mündlichen Verhandlungen überzeugt, daß auch damals zahlreiche Sitzungen vollständig ungenutzt geblieben waren, daß in noch zahlreicheren Sitzungen die Senate stunden⸗ lang müßig gesessen hatten, weil die Anwälte nicht erschienen oder, wenn sie erschienen, zur Verhandlung nicht bereit waren, weil die Sachen nicht fertig waren. Ich habe die Herren Anwälte zu einer Besprechung eingeladen. Sie sind, wie ich glaube, vollzählig erschienen, und ich habe mit ihnen darüber verhandelt, wie wohl eine Besserung herbei⸗ zuführen sein möchte. Es sind kleine Mittel dort gefunden worden, und sie wurden auch alsbald angewendet. Es wurde insbesondere eine Zentralstelle eingerichtet, der sämtliche zur Terminsbestimmung vor⸗ liegenden Sachen vorgelegt wurden, um zu sehen, welche Anwälte daran beteiligt waren, und um bei der Bestimmung der Termine die Möglichkeit vonsKollisionen und von daraus sich ergebenden Ver⸗ hinderungen der Anwälte möglichst einzuschränken.
Ich habe damals mit den Herren Anwälten auch darüber ver⸗ handelt, ob etwa durch eine Vermehrung des Richterpersonals den Uebelständen abgeholfen werden könne. Ich selbst habe die entgegen⸗ gesetzte Meinung den Herren gegenüber vertreten. Ich habe ihnen gesagt und konnte ihnen mit bestem Recht sagen, daß nach den
orliegenden Geschäftsausweisen die Richter ungenügend be⸗ schäftigt seien, daß es zu einer Erleichterung der Richter, zu einer Vermehrung der Arbeitskräfte an jedem sachlichen Grunde fehle, und daß durch eine Vermehrung der Senate bei Fortdauer des bisherigen Verfahrens sich die Schwierigkeiten nur ver⸗ größern würden. Dieser Auffassung hat keiner der Herren Anwälte widersprochen und keiner sprach aus, daß das Oberlandesgericht nicht mit genügenden Richterkräften besetzt sei. Umsomehr wundere ich mich, daß, seit die Frage der Errichtung des Oberlandesgerichts in Cöln in Fluß gekommen ist, in der Presse und auch sonst behauptet worden ist, die Schuld liege an der Justizverwaltung, die nicht für ausre ichende Richterkräfte gesorgt hätte. So liegt es tatsächlich nicht; ich bezeichne diesen Vorwurf mit aller Bestimmtheit als unbegründet.
Eine gewisse Besserung ist in den Verhältnissen seit meinem Besuch in Cöln allerdings eingetreten. Ich hatte den Herren auch geraten, sich durch Assoziationen die Wahrnehmung des Sitzungs⸗ dienstes in größerem Umfange zu ermöglichen. Dem ist teilweise, aber nur in geringem Maße, stattgegeben. Es ist eine andere Einrichtung beim Oberlandesgericht getroffen, die wenigstens dem einen Umstande Abhilfe verschafft hat, daß die neuen Sachen von vornherein auf ein Jahr oder noch länger hinaus angesetzt wurden. Es werden jetzt bei jedem Senate monatlich einmal sogenannte Sammeltermine abgehalten, auf die 60, 70 Sachen an⸗ gesetzt werden, von denen aber von vornherein feststeht, daß sie nicht zur Verhandlung gebracht werden sollen. Diese Termine haben viel⸗ mehr nur den Zweck einer gewissen Regulierung. Es werden in diesen Sitzungen Versäumnissachen, Anerkennt⸗ nissachen, die aber in verhältnismäßig geringer Zahl vorkommen, erledigt; im übrigen wird mit den Herren Anwälten darüber verhandelt, welche Sachen besonders dringend, welche besonders weitläufig sind, und welche in kurzer Zeit abgemacht werden können. Mit dem Ergebnisse dieser Verhandlungen gehen die Sachen dann an die Zentralstelle; dort wird der weitere Termin fest⸗ gestellt. Es ist infolgedessen eine Besserung der Sache eingetreten und in den beiden letzten Jahren eine ganz erheblich größere Zahl von Sachen erledigt worden. Infolge dieser Erfahrung habe ich anstandslos und ohne Zögern Hilfskräfte in allergrößtem Umfange bewilligt, wie es, glaube ich, früher kaum jemals bei einem Oberlandesgerichte vor⸗ gekommen ist.
Aber, meine Herren, von einer durchgreifenden Besserung, von einer befriedigenden Regelung der Sache ist auch heute noch keine Rede; noch jetzt wächst die Zahl der Rückstände mit jedem Jahre. Einer der wesentlichsten Gründe dabei ist die bei den rheinischen Gerichten althergebrachte Gewohnheit, alle Sachen in der mündlichen Ver⸗ handlung bis in alle Details zu erschöpfen, sehr eingehende große
Reden zu halten, die vorbereitenden Schriftsätze auf ein Minimum zu reduzieren, sodaß man mit einem unvorbereiteten Gericht zu tun hat. Das Gericht erfährt von den neuen Einwendungen, die in der Be⸗ rufungsinstanz vorgebracht werden, erst in der mündlichen Ver⸗ handlung. Meine Herren, die Herren dort am Rhein sind von einer ungewöhnlichen Beredsamkeit. (Heiterkeit. Abg. Beumer: Sehr richtig!) Es ist unter Umständen eine Freude, ihnen zuzu⸗ hören, und ich bin überzeugt, wenn der Herr Abgeordnete v. Bodel⸗
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schwingh einer Sitzung in Cöͤln zuhörte, er würde an den schönen Reden seine helle Freude haben. (Sehr richtig! Heiterkeit.) Ich habe den allergrößten Respekt vor dem Wort und der Bedeutung der Mündlichkeit und möchte das mündliche Verfahren unter keinen Um⸗ ständen mit dem schriftlichen vertauschen. Aber, meine Herren, man kann auch im Guten zu weit gehen. Es gibt vielleicht andere Gerichte, bei denen der mündlichen Verhandlung zu wenig Rechnung getragen wird. Das würde ich nicht minder, vielleicht noch mehr tadeln. Das Gute liegt in der Mitte, und dieser gute Mittelweg ist, soweit ich die Sache kenne, bisher noch nicht gefunden, obgleich ein gewisses Streben nach seiner Erreichung erkennbar ist.
Wenn ich Ihnen einige Mitteilungen mache, wie die Geschäfte in den letzten Jahren erledigt sind, so muß ich Sie wieder bitten, den Zahlen einige Aufmerksamkeit zu schenken. Die Zahl der neu ein⸗ gegangenen Berufungen bei dem Oberlandesgericht in Cöln hat sich vermehrt vom Jahre 1893, wo sie 1313 betrug, bis zum Jahre 1903 auf 3795. Demgegenüber sind im Jahre 1903 erledigt 3097 Sachen, sodaß 698 Sachen weniger erledigt als neu eingegangen sind. Anhängig am Schlusse des Jahres 1903 blieben 4393 Sachen, und darunter befanden sich 1354 Sachen, die nicht aus dem Jahre 1903, sondern aus dem Jahre 1902 und aus weiter zurückliegenden Jahren herstammten, die also schon mehr als überjährig waren.
Meine Herren, das ist ein Zustand, wie er bei keinem anderen Oberlandesgericht vorkommt. Es wird bei den Gerichten überall eine Statistik darüber geführt, welche Zeitdauer die Erledigung der Prozesse von der Einreichung des ersten Schriftsatzes zur Termins⸗
bestimmung ab bis zur Entscheidung durch Urteil in Anspruch nimmt. Danach stellt sich der Prozentsatz der in weniger als 6 Monaten er⸗ ledigten Sachen im ganzen Deutschen Reich in den letzten Jahren auf 48 bis 47 %. Dieser Prozentsatz wurde im Durchschnitt auch annähernd bei den preußischen Oberlandesgerichten erreicht: 44 %, 43 %, 42 %, 1903 41 %. Dagegen betrug der Prozentsatz der binnen 6 Monaten erledigten Sachen bei dem Oberlandesgericht Cöln 1901 14,1 %, 1902 13,1 %, 1903 15,5 %o. Es ist also im letzten Jahre eine gewisse Besserung eingetreten, aber noch immer nicht viel mehr als ein Drittel des Durchschnitts aller deutschen oder preußischen Oberlandesgerichte erreicht.
Was dagegen die Zahl derjenigen Prozesse angeht, die mehr als ein Jahr in Anspruch genommen haben, da kehrt sich die Sache natürlich um. Für diese Sachen beträgt der Durchschnitt im Deutschen Reich in den letzten Jahren, für die die Statistik vorliegt, 20 bis 21 %, bei den preußischen Oberlandesgerichten für 1901 24,8 %, für 1902 25,6 %, 1903 25,8 %; stellen wir dem die Cölner Zahlen gegenüber, so werden Sie, glaube ich, den Eindruck haben, daß die Verhältnisse dort sehr ungünstig sind. Für Cöln stellen sich nämlich dieselben Zahlen für 1901 auf 58,4 %, also fast das Zweieinhalbfache, für 1902 auf 52,4 %, mehr wie das Doppelte des preußischen Durch⸗ schnitts in demselben Jahre, für 1903 auf 44,3 %. Das ist ein durchaus unbefriedigender Zustand.
Wir haben uns die Frage vorgelegt, wie diesem Uebelstand ab⸗ zuhelfen sei, und sind in Uebereinstimmung mit den Vorstands⸗ beamten des Oberlandesgerichts Cöln zu der Ueberzeugung ge⸗ kommen, daß es dafür kein anderes Mittel gibt als ein Teilung des Oberlandesgerichtsbeziks und infolgedessen die Schaffung eines neuen Oberlandesgerichts. Alle anderen Mittel werden — der Oberlandesgerichtspräsident hatte den Mut, das offen auszusprechen — versagen. Es wird die Behauptung in der Presse aufgestellt, in den Verhandlungen der Stadtverordneten in Cöln und der Handelskammer, daß die Anwälte gezeigt hätten, daß sie zu besseren Zuständen kommen wollten und kommen würden. Es ist das ja in gewissem Umfange zuzugeben. In welchem Umfange dabei aber der Umstand mitgewirkt hat, daß die Errichtung eines neuen Oberlandes⸗ gerichts in Düsseldorf drohte, will ich hier nicht entscheiden. Das ist eine Frage, die ernstlicher Erwägung bedarf, und ich kann mich der Befürchtung nicht verschließen, daß, wenn einmal diese Frage am Horizont der Cölner verschwunden sein sollte, wir dann allmählich in die alten Zustände zurückkommen würden. Es hängt das auch damit zusammen, daß in der Rheinprovinz nur eine kleine Zahl der Anwälte mit den Mandaten betraut wird, die bei dem Oberlandesgericht zu erledigen sind. Es sind beim Oberlandesgericht in Cöln zugelassen im ganzen 32 Anwälte. Das würde vollkommen ausreichen zu einer ord⸗ nungsmäßigen Erledigung der Geschäfte, wenn die Beschäftigung dieser Herren eine einigermaßen gleichmäßige wäre. Davon sind wir aber weit entfernt. Am 15. Juli des vorigen Jahres betrug die Zahl der in Cöln anhängigen Mandate ca. 8000 und nach einem mir von dem Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten erstatteten Bericht befanden sich von diesen 8000 Mandaten 1774, also über 22 %, in den Händen von zwei Anwälten, 3410 Sachen, also über 42 %, befanden sich in den Händen von nur 5 Anwälten und 3881, also annähernd 50 % der sämtlichen Sachen, befanden sich in den Händen von 6 Anwälten. Auch darüber habe ich mich mit den Herren in Cöln unterhalten, und sie haben mir gesagt: ja, es ist selbstrerständlich den Anwälten nicht zuzumuten, daß sie die ihnen angetragenen Mandate zurückweisen, sie müssen sich damit abfinden, so gut es eben geht. Aber daß in dieser starken Belastung mit Mandaten eine Ueberlastung liegt, die es dem einzelnen bevorzugten Anwalt unmöglich macht, die Sachen alle gleich⸗ zeitig zu erledigen, das, meine Herren, liegt auf der Hand.
Ich hatte den Herren, wie ich schon vorhin bemerkte, auch geraten, zu Assoziationen überzugehen, sich jüngere Kräfte zu ihrer Unterstützung beizuordnen. Eine großfe Neigung dazu war nicht vor⸗ handen, und das beweist die Tatsache, daß im Verfolg des Jahres 1901 nur ein einziger Anwalt diesem Rate gefolgt ist, im Jahre 1902 ist einer hinzugekommen und 1903 zwei. Da wird nun be⸗ hauptet: die Herren würden in viel größerem Umfange nach diesem Rettungsanker gegriffen haben, wenn nicht das neue Oberlandesgericht in Düsseldorf gedroht hätte; dadurch hätten sie den Mut verloren, mit anderen Herren sich zu assoziieren. Ja, meine Herren, das stimmt doch mit der Tatsache nicht überein, daß auch in den Jahren 1901 und 1902 trotz der dringlichen Ermahnung, die nicht nur meinerseits, sondern auch wiederholt und fortgesetzt durch den Herrn Oberlandes⸗ gerichtspräsidenten ergangen ist, im ganzen nur zwei solcher Assoziationen ins Leben getreten sind. Damals rechnete noch niemand mit dem Oberlandesgericht in Düsseldorf, wenngleich ich nicht in Abrede stellen will, daß ich schon damals den Anwälten erklärt habe, wenn die Ver⸗ hältnisse sich nicht besserten, dann würde man äußersten Falls, aber nur sehr ungern, sich mit dem Gedanken vertraut machen müssen, eine Teilung
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Cöln noch gegenwärtig die unbefriedigendsten nicht nur in der ganzen Monarchie, sondern ich glaube, fast sagen zu können, im ganzen Deutschen Reich, abgesehen vielleicht von einem bayerischen Ober⸗ landesgericht, das mir einmal genannt ist — ich will es hier aus bundesfreundlicher Courtoisie nicht nennen.
Nun, meine Herren, ist weiter gesagt: die Geschäfte seien in der Abnahme begriffen; es habe sich in den letzten Jahren nur um vor⸗ übergehende Zustände gehandelt, und wie schon einmal in der ersten Hälfte der 90er Jahre ein Rückschlag eingetreten sei, so würde er auch jetzt nicht ausbleiben, und er sei schon tatsächlich eingetreten. Auch diese Behauptung hält vor den feststehenden Zahlen nicht Stich. Allerdings haben im Jahre 1903 gegen das Jahr 1902 bei den Landgerichten des Oberlandesgerichtsbezirks Cöln, auf deren Geschäftsumfang ja die spätere Inanspruchnahme des Ober⸗ landesgerichts zurückzuführen ist, die Sachen in geringem Umfange abgenommen. Sie sind zurückgegangen von 30 586 auf 29 868 Sachen. Aber, meine Herren, wenn man der Sache auf den Grund geht, so hat diese Abnahme nichts zu bedeuten. Denn in noch höherem Maße, nämlich um 1091, haben diejenigen Sachen ab⸗ genommen, welche im Wege des Versäumnisverfahrens, durch Aner⸗ kenntnis usw. ihre Erledigung gefunden haben, die also für das Ober⸗ landesgericht kaum in Betracht kommen. Dagegen hat die Zahl der kontradiktorischen Verhandlungen bei den Landgerichten im Jahre 1903 gegen das Jahr 1902 wiederum erheblich zugenommen, nämlich um 2698, trotz der Abnahme der neu eingegangenen Sachen, und die Zahl der streitigen Endurteile hat im Jahre 1903 gegen das Jahr 1902 sich erhöͤht um 1956. Von einer Geschäftsabnahme ist also vorläufig nicht die Rede, und ich glaube, daß der, der den Verhältnissen in der Rheinprovinz und in unserm Industrie⸗ und Bergbaubezirk näher steht, auch kaum sich mit der Hoffnung tragen kann, daß an eine solche Ab⸗ nahme der Geschäfte irgendwie zu denken sei. Ich glaube im Gegen⸗ teil, daß die Menge der Geschäfte sich von Jahr zu Jahr weiter ver⸗ mehren wird, weil auch die Industrie in diesem Bezirk nach der Annahme hochsachverständiger Leute keineswegs ihren Höhepunkt erreicht hat, sondern, wie wir ja alle hoffen und wünschen wollen, noch weiter steigt.
Meine Herren, die Verhältnisse bei dem Oberlandesgericht Hamm liegen allerdings weniger ungänstig wie bei dem Oberlandesgericht Cöln, insbesondere findet dort eine promptere Erledigung der streitigen Sachen statt. (Hört, hört!) Aber auch dort, meine Herren, ist der
Zustand keineswegs ein solcher, daß er als ein unbedingt beifalls⸗ würdiger anzusehen sein möchte (hört, hört! und Heiterkeit) und ich glaube, das wird auch von dem Herrn Vertreter der Stadt Hamm zugegeben werden. Die außerordentliche Zunahme der Geschäfte bei dem Oberlandesgericht Hamm ergibt sich aus den Zahlen — ich glaube, ich habe sie schon erwähnt, daß vom Jahre 1881 bis 1903 ein An⸗ wachsen um 158,69 % stattgefunden hat; in dem laufenden Jahr, meine Herren, — ich kann das auch für das Oberlandesgericht in Cöln noch nachtragen — hat sich die Zahl der neu eingehenden Be⸗ rufungen weiter ganz erheblich erhöht. Während in Cöln im ersten Quartal des vorigen Jahres nur 949 neue Berufungen eingegangen waren, betrug die Zahl im ersten Quartal d. J. 1172, also 223 mehr. Bei dem Oberlandesgericht in Hamm hat sich ebenso die Zahl der neu eingegangenen Berufungen im ersten Vierteljahr 1904 gegen das Vorjahr von 840 auf 949, also um 109 Sachen vermehrt. Die Dauer der Prozesse bei dem Oberlandesgericht Hamm stellt sich allerdings etwas günstiger als in Cöln; es sind in Hamm im Jahre 1903, während 2962 neue Sachen eingegangen waren, 2885 erledigt, also nur 77 weniger als die Zahl der neu eingegangenen, die am Jahresschlusse verbliebenen Rückstände belaufen sich aber immerhin auf 3013; darunter befinden sich 954 überjährige, also au dem Jahre 1902 und früheren Jahren. Der Prozentsatz der Sachen, die in weniger als 6 Monaten erledigt worden sind, betrug beim Oberlandesgericht in Hamm in den drei letzten Jahren 37,7, 28,7, 241, befindet sich also in der Abnahme und bleibt ganz erheblich gegen die ven mir eben angeführten Durchschnittszahlen, beinahe um die Häfte, zurück. Die Zahl der langdauernden Sachen, die mehr als 1 Jahr in An⸗ spruch genommen haben, beläuft sich gegen den Durchschnitt von 24 bis 25 % in Preußen in Hamm auf 31 % im Jahre 1901, auf 36,9 im Jahre 1902, auf 42,8 % im Jahre 1903 (bört! hört!), sodaß also da eine Zunahme der langdauernden Prozesse in ganz erheblichem Umfange zu konstatieren ist.
Nun, meine Herren, das hat den Gedanken unmittelbar nahe gelegt, ob nicht aus den beiden Oberlandesgerichten Cöln und Ham ein neues niederrheinisches Oberlandesgericht herauszunehmen sei. Der Gedanke war nicht neu, er ist schon angeregt worden in den siebziger Jahren vor der neuen Gerichtsorganisation, er ist in den neunziger Jahren wiederholt, so im Jahre 1895 durch den Abvgeordneten Kirsch der Königlichen Staatsregierung unterbreitet worden, und in vorigen Jahre ist man von verschiedenen Seiten, ebenso wie im Jahn 1902 darauf zurückgekommen. Nach meiner Erinnerung waren es ins⸗ besondere die Abgeordneten Schmitz und Kirsch, die den Gedanken hier anregten, ohne damals irgend welchen Widerspruch auf irgend einer Seite zu finden. Jetzt, da das Gesetz ins Leben treten soll, fehlt ei an Widerspruch nicht, jetzt kommt er von allen Seiten, und soviel ich weiß, hat sich eine lebhafte Agitation gegen die Annahme des Gesebet entwickelt, die wohl an erster Stelle von der Stadt Cöln ausgebt. Ich trete damit der Stadt Cöln nicht zu nahe. Ich nehme es wedet ihren gesetzlichen Vertretern noch den Bürgern der Stadt Cäl⸗ irgendwie übel, wenn sie sich bemühen, das Oberlandesgericht un seinem jetzigen Umfange zu behalten, aber diese lokalen Interefsen können doch nicht ausschlaggebend sein für die Entscheidung einer in Interesse der Rechtspflege weiterer Kreise liegenden neuen großen Organisation. (Sehr richtig!)
Ich will nicht schon jetzt auf die einzelnen Einwendunge eingehen, die von Cölnischer Seite gegen das Projekt vorgebratt sind. Sie finden sie in einer Ihnen allen wahrscheinlich in⸗ gegangenen Petition des Oberbürgermeisters von Cöln, der scch die Stadtverordnetenversammlung aneceschlossen hat, in einch Petition der Handelskammer und in verschiedenen anderen Schrit
stücken. Ich will abwarten, was von diesen Einwendungen hier bveor⸗ gebracht wird.
Wir werden ja zweifellos aus beredtem Munde * beweglicher Weise (Heiterkeit), insbesondere auch über das schwen Schicksal der Stadt Cöln, die von der preußischen Staatsregierung V stiefmütterlich behandelt worden sei, zu hören bekommen. (Sekt
richtig! im Zentrum.)
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des Oberlandesgerichts eintreten zu lassen, um dadurch bessere Zustände herbeizuführen. So sind denn, meine Herren, die Verhältnisse in
(Schluß in der Dritten Beilage.)
dem Gesetzentwurf wegen Schaffung eines
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Montag, den 9. Mai
DODas Vorspiel dazu haben wir ja schon im vorigen Jahre genießen können. Ich stehe im allgemeinen auf dem Standpunkt, daß auch die Stadt Cöln dankbar sein kann für das, was sie unter preußischem Zepter geworden ist, für die großartige Entwickelung, die sie genommen hat, als Metropole des rheinischen Landes, als rheinische Hauptstadt, wenn auch die höchsten Behörden allerdings nur zum kleinsten Teile dort ihren Sitz haben. (Hört, hört!) Wenn die Stadt Cöln mit Recht darauf stolz ist, daß das, was sie geworden ist, was sie geschaffen hat, zum großen Teil mit eigenen Mitteln geschaffen worden ist, so verdankt sie doch der preußischen Re⸗ gierung wenigstens das eine, daß sie diese reichen Mittel hat er⸗ werben können. Dafür muß sie dem Hohenzollernschen Scepter dauernd dankbar sein.
Die Einwendungen, die gegen das Projekt vorgebracht worden sind, haben sich an erster Stelle dahin gerichtet, daß man verbreitet hat, die Teilung des Oberlandesgerichts Cöln sei nur ein Vorspiel für eine Teilung der Provinz, (hört, hört, im Zentrum), eine Teilung, die selbstverständlich in den weitesten Kreisen in hohem Maße un⸗ erwünscht sein würde. Wenn etwa eine Provinz Niederrhein aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf geschaffen werden sollte, so würde sich daraus ja für den übrigen Teil der Rheinprovinz eine höchst schwierige Lage ergeben, da die armen und bedürftigen Teile der Rheinprovinz, Eifel, Hunsrück usw., die nichts aufbringen, die aber große Mittel in Anspruch nehmen, namentlich für die provinziellen Institute, dem andern Bezirk verbleiben würden. (Sehr richtig! im Zentrum.) Ich bin aber von dem Königlichen Staatsministerium zu der aus⸗ drücklichen Erklärung ermächtigt, daß an eine Teilung der Rhein⸗ provinz seitens der Königlichen Staatsregierung nicht gedacht wird (hört, hört!), daß die Errichtung einer Provinz Niederrhein überhaupt gar nicht erörtert worden ist. Und ich glaube, hinzusetzen zu können, daß eine solche Teilung, wie ich sie eben angedeutet habe, und wie sie scheinbar in Cölnischen Kreisen befürchtet wird, nach meiner Ueber⸗ zeugung vollständig ausgeschlossen ist für alle Zeiten. (Bravo!) So kann man eine Provinz nicht teilen. (Sehr richtig!)
Nun, meine Herren, haben die Bestrebungen der Stadt Cöln eine gewisse Unterstützung gefunden durch einen mir neulich zu⸗ gegangenen Beschluß der Vertreter — ich will einmal sagen: künftigen Landgerichtsbezirke Crefeld und M.⸗Gladbach. Die in Crefeld am 6. April zusammengetretenen Vertreter des Stadt⸗ kreises Crefeld, der Handelskammer Crefeld, des Landkreises Crefeld, der Bürgermeistereien Anrath, Bockum, Fisccheln, Willich, Osterrath, auch Erkelenz war dabei, das ja nicht unmittelbar in Frage kommt, dann M.⸗Gladbach, Kempen usw., haben einen Beschluß gefaßt, der dahin lautet:
Die unterzeichneten heute in Crefeld versammelten Vertreter der nebenaufgeführten Kreise und Gemeinen sind einhellig der Auffassung, daß das Bedürfnis des rechtsuchenden Publikums in den von ihnen vertretenen Bezirken, die mehr als 450 000 Einwohner umfassen,
in weit größerem Umfange darauf gerichtet ist, daß vor oder spätestens gleichzeitig mit Entscheidung der Frage über die Errichtung eines neuen Oberlandesgerichtes in Düsseldorf die dringende Neu⸗ Die Anwesenden sind ferner einmütig der Ueberzeugung, daß die Errichtung zweier neuer Landgerichte sowohl in Crefeld als in M.Gladbach ein unaufschiebbares Bedürfnis ist. Den bis zwischen den beiden Städten Crefeld und M.⸗Glad⸗ noch allein streitigen Punkt, ob die Ametsgerichts⸗ Viersen und Dülken dem Landgerichtsbezirke Crefeld oder M.Gladbach zugeteilt werden, überlassen die Unterzeichneten der gesetzgeberischen Regelung, da die Lebensfähigkeit beider Land⸗ gerichte hiervon unabhängig ist.
Meine Herren, wenn man diesen Beschluß liest, so sollte man glauben, daß darin Stellung genommen werden solle gegen die Er⸗ richtung des Oberlandesgerichts in Düsseldorf. Nach einem mir durch den Herrn Regierungspräsidenten in Düsseldorf erstatteten, und zwar von Amts wegen erstatteten Berichte — ich habe in keiner Weise etwa eine solche Aufklärung erfordert — liegt aber die Sache anders. Der Regierungspräsident berichtet mir:
Indem diese Resolution die Neueinteilung der Landgerichts⸗ bezirke als „dringender“ bezeichnet als die zum Gegenstand einer Gesetzesvorlage gemachte Frage der Errichtung eines neuen Ober⸗
e Unterzeichner der Petition mittelbar gegen diese Gesetzes⸗ Wie aus einer Notiz in
, ist die Petition auch tatsächlich in diesem Sinne aufgefaßt
Um zu verhüten, daß die Opposition gegen das Zustande⸗
des im Interesse des diesseitigen Regierungsbezirks so erwünschten Gesetzes aus dieser Petition Kapital schlägt,
beehre ich mich nach Anhörung derjenigen Landräte, welche die Petition mit unterzeichnet haben, zu berichten, daß es diesen ämtlich völlig fern gelegen hat, gegen die Errichtung ines Oberlandesgerichts in Düsseldorf Stellung zu nehmen. meister von Crefeld lediglich zur Teilnahme an einer Besprechung aufgefordert worden, welche die Beseitigung der früher auseinander gehenden Ansichten von Crefeld und M.⸗Gladbach wegen Errichtung eines Landgerichts und die Erbittung je eines Landgerichts für M.⸗Gladbach und Crefeld zum Ziel haben sollte. Die Frage der sollte gleichzeitig mit Oberlandesgerichts in Düsseldorf in Erinnerung gebracht werden. Die beteiligten Land⸗
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wirken, daß bei der geplanten Neueinteilung der Gerichtsbezirke in der Rheinprovinz die Frage der Errichtung der beiden Landgerichte nicht außer acht gelassen werden möchte.
Nun, meine Herren, außer acht gelassen ist die Neueinrichtung dieser Landgerichte auch seitens der Königlichen Staatsregierung nicht. Ich glaube, daß die Herren, die sich mehr mit der Sache beschäftigt haben, davon überzeugt sind, daß ich für meine Person durchaus wohl⸗ wollend und sympathisch dem Gedanken der Errichtung eines Landgerichts in Crefeld, das wohl die älteren Ansprüche hat, und ebenso auch der Er⸗ richtung eines Landgerichts in M.⸗Gladbach gegenübergestanden habe und auch noch heute gegenüberstehe, und auf demselben Standpunkt steht die gesamte Königliche Staatsregierung. Die Sache läßt sich aber nicht so im Handumdrehen machen, und wenn die Errichtung eines Landgerichts in Crefeld bisher nicht zur Ausführung gelangt ist, so hat es daran gelegen, daß die Verhältnisse dafür noch nicht vollständig reif waren und die Errichtung eines Landgerichts Gladbach vor Cre⸗ feld war allerdings von vornherein ausgeschlossen. Ich glaube, das würde einen Sturm der Entrüstung in Crefeld gegeben haben, für den ich nicht die Verantwortung hätte übernehmen wollen. (Zuruf: Und umgekehrt!) — Und umgekehrt, ja! — Ob etwa die Vertreter dieser
ie Bezirke nun geglaubt haben, sie könnten der Königlichen Staats⸗
regierung gewissermaßen jetzt die Pistole auf die Brust setzen und sagen: gebt uns jetzt gleichzeitig zwei neue Landgerichte, sonst stimmen wir gegen das Oberlandesgericht in Düsseldorf, ich kann es nicht glauben; denn ich würde das für wenig klug halten (sehr richtig!), wenn die Herren so dächten. Wenn die Herren die Sache objektiv betrachten, so werden sie sich sagen müssen, daß die Aussichten für die Errichtung von zwei neuen Landgerichten im niederrheinischen Bezirke sich wesentlich verbessern, wenn das neue Oberlandesgericht ins Leben tritt. (Sehr richtig!)
Meine Herren, in Cöln haben auch die Justizverwaltungsgeschäfte einen Umfang angenommen, daß die mit ihrer Erledigung betrauten Beamten, also der Oberlandesgerichtspräsident und der Oberstaats⸗ anwalt, ihnen kaum noch gewachsen sind. (Hört, hört!) Diese Ge⸗ schäfte sind in einem ganz ungewöhnlichen Umfange gewachsen, und es iegt für jeden, der einigermaßen Sachkenner ist, auf der Hand, daß wenn den bestehenden Landgerichten — es sind 9 glaube ich, die Cöln hat — 2 neue Landgerichte hinzutreten, das eine ganz erhebliche Vermehrung der Geschäfte der Justizverwaltung und eine ganz wesent⸗ liche Erschwerung der Verwaltungsaufgaben für die Vorstandsbeamten in Cöln zur unabweisbaren Folge hat. Viel günstiger liegt die Sache bei dem künftigen Oberlandesgericht in Düsseldorf, das nur mit 5 Landgerichten anfängt; das kann sehr gut einen Zuwachs von 2 Landgerichten ertragen. Dadurch wird nicht irgendwie eine unliebsame und allseitigen Interessen widersprechende Erschwerung der Geschäfte herbeigeführt. (Sehr richtig!)
Nun liegt die Sache weiter so: wir planen in Düsseldorf — ich werde nachher noch darauf zurückkommen — den durchaus notwendigen Neubau eines Landgerichts. Ich kann Ihnen sagen, daß bei der Aus⸗ arbeitung dieses Plans schon auf die künftige Bildung der Landgerichte Crefeld und M.⸗Gladbach Rücksicht genommen ist. (Hört, hört!) D verzögert sich lediglich durch diese Frage. Wenn das Oberlandesgericht in Düsseldorf bewilligt wird, sind wir in der Lage alsbald zu den Neubauten überzugehen, und dann würden die Herren sich überzeugen, daß die Einrichtungen getroffen werden, nicht für einen dauernden Bestand des Landgerichts in seinem gegenwärtigen Umfange, sondern für den beschränkten Umfang, der sich nach Abtrennung dieser beiden neuen Landgerichts⸗ bezirke ergibt. Ich habe — ich glaube in dem Bericht über die Crefelder Versammlung — an irgend einer Stelle den Satz gelesen, daß eine Vergrößerung des Düsseldorfer Landgerichtsbezirks geplant werde. Wie man zu dieser Anschauung gekommen ist, ist mir rätsel⸗ haft; niemals ist von einer solchen Vergrößerung die Rede gewesen, sondern höchstens von einer Vergrößerung des vorhandenen unzu⸗ reichenden Landgerichtsgebäudes. Dadurch werden die Interessen vo M.⸗Gladbach und Crefeld nicht irgendwie geschädigt, sondern durch diesen Neubau werden ihre Aussichten verbessert.
Eine mir zugegangene Petition des Bürgervereins in Crefeld, die
ja dem hohen Hause auch wohl überreicht ist, verfügt allerdings in sehr liberaler Weise über die Landgerichtsbezirke Kleve und Duisburg und teilt diese Bezirke mehr oder weniger auf. Ja, das kann ein Bürger⸗ verein viel leichter, wie das eine verantwortungsvolle Verwaltungs⸗ stelle im Staat kann. So ganz einfach geht das denn doch nicht, und darin liegen die Schwierigkeiten, die bisher die Erfüllung diese Wünsche verhindert und verzögert haben. Ich glaube und hoffe, daß wir dieser Schwierigkeiten in bald absehbarer Zeit Herr werden, und ich habe die feste Ueberzeugung, daß die Erfüllung dieser Wünsche um so rascher erfolgen kann, je eher das Oberlandesgericht in Cöln durch Verkleinerung seines Bezicks entlastet ist. Meine Herren, den Cölner Bestrebungen haben sich nun auch auf der anderen Seite Bestrebungen aus der Provinz Westfalen an⸗ geschlossen. Die Stadt Hamm hat sich einer anerkennenswerten Zurückhaltung befleißigt. Dagegen hat der westfälische Provinzial⸗ landtag ziemlich einstimmig, glaube ich, einen Antrag angenommen, der gestellt war von den Abgg. Schulze⸗Pelkum und Westermann (Zurufe rechts: Ostrop!) und noch einem Vertreter der nächstbeteiligten Kreise, und der dahin geht:
Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, dem etwa zu er⸗ richtenden Oberlandesgericht in Düsseldorf Teile der Provinz West⸗ falen nicht zuweisen zu wollen.
Damit hat es, meine Herren, folgende Bewandtnis. Zu dem Landesgerichtsbezirk Essen, welcher nach dem Gesetzentwurf dem neuen Oberlandesgerichtsbezirk zugeschlagen werden soll, gehören auch ver⸗ schiedene Amtsgerichte auf westfälischem Boden aus den Kreisen Recklinghausen, Gelsenkirchen, ein kleines Stückchen aus dem Kreise
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räte sind üͤbereinstimmend der Ansicht, daß durch Schaffung eines Oberlandesgerichts in Düsseldorf der Bevölkerung der von ihnen vertretenen Kreise eine große Erleichterung in der Rechtspflege ge⸗ oten werden wird. Es war lediglich ihre Absicht, darauf hinzu⸗
Schwelm und ein Stück von dem Kreise Hattingen (Zuruf: halber Kreis Hattingen!), also halb Hattingen. Im ganzen werden es etwa 350 000 Seelen sein, die sich mit Recht als Westfalen fühlen, weil sie Westfalen (Zuruf: noch mehr!) — also noch meh
(Heiterkeit.) Nun, meine Herren, hat man vom westfälichen Standpunkt geglaubt, sich grundsätzlich einer Zuteilung westfälischer! Provinz⸗ angehöriger an ein rheinisches Oberlandesgericht widersetzen zu sollen. Auch darin mag ja ein an und für sich anerkennenswertes Gefühl des Provinzialpatriotismus liegen. Aber, meine Herren, wie hat denn die Sache bisher gelegen? Die großen rheinischen Kreise Duisburg, Essen, Mülheim, Rees usw., obgleich sie zum Regierungsbezirk Düsseldorf gehören, mit einem großen Teil ihrer Interessen dahin gravitieren, gehören seit fast hundert Jahren dem westfälischen Oberlandesgericht Hamm an, und sie haben sich nicht darüber beklagt; sie waren zufrieden. Und jetzt soll es unerträglich sein für diese 350 000 westfälischen Seelen, einem rheinischen Oberlandesgericht unterstellt zu werden. Ich verstehe diesen Widerspruch um so weniger, als es, glaube ich, auch den Antragstellern aus dem Münsterschen Provinziallandtage nicht unbekannt geblieben ist, daß diese Zuweisung der der westfälischen Provinz Angehörigen an das Oberlandesgericht Düsseldorf nur als eine vorübergehende gedacht ist. Es besteht darüber kein Zweisel, daß seinerzeit die Entwickelung der industriellen Verhältnisse, die Zu⸗ nahme der Bevölkerung im westfälischen Bergbaubezirk die Neubildung eines Landgerichts in Westfalen nötig machen wird, auf dessen Sitz ja an erster Stelle die Stadt Gelsenkirchen wohl Anspruch machen wird, die durch verschiedene Eingemeindungen jetzt über 100 000 Ein⸗ wohner zählt.
8 Meine Herren, sobald diese Bildung erfolgt, besteht die Absicht, diese westfälischen Teile, die jetzt dem Landgericht Essen angehören, westfälischen Landgerichten wieder zuzuweisen. Es handelt sich also nur um einen vorübergehenden Uebelstand. Einen Uebelstand kann ich es gar nicht einmal nennen; denn in welcher Beziehung leiden denn die Westfal n dadurch, daß sie einem rheinischen Oberlandesgericht unterstellt sind? Sie bleiben demselben Landgericht angehörig, dem sie jetzt angehören; da liegen ihre bedeutendsten Interessen, die in keiner Weise irgendwie berührt werden. Daß sie nun in höherer Instanz während dieser Uebergangszeit das Recht in Düsseldorf statt
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in ö suchen müssen — ja, mir hat noch niemand irgend welche plausiblen Gründe dafür beigebracht, daß darin eine andere als viel⸗ leicht eine Verletznng irgend welcher Gefühle und Empfindungen lãge —; eine Verletzung materieller Interessen kann darin absolut nicht gefunden werden.
hoben. Man hat behauptet, Rheinprevinz wie in Westfalen wesentlichen Rechtsgebieten durch die Bildung des neuen Oberlandesgerichts beeinträchtigt; man 88 dabei gesprochen an erster Stelle von bergrechtlichen Fragen. Man hat dann erwähnt die teils in Westfalen, teils in der Rhein⸗ provinz noch geltenden Ueberreste von Provinzialrechten.
Nun, meine Herren, was zunächst die bergrechtlichen Fragen angeht, so unterstehen dieselben ja allerdings bis jetzt, soweit der west⸗ fälische Bergbau in Frage kommt, fast ausschließlich dem Oberlandes⸗ gericht in Hamm. Aber diese Fragen werden doch nicht dort allein entschieden, sondern das Berggesetz gilt für die Monarchie, es gilt für den linksrheinischen Bergbau, der einen mächtigen Aufschwung nimmt, für die in unmittelbarer Nachbarschaft des Hammer Bezirks liegenden großen Bergwerke Ruhrort gegenüber bei Homberg usw., also im Bezirke des Oberlandesgerichts in Cöln, das zugleich zuständig ist für den ganzen Saarbrücker Bergbau, für den rheinischen Braunkohlen⸗ bergbau usw. Ein Teil der bergbautreibenden Gegenden gehört dem Ober⸗ landesgericht Celle an, auch dahin erstreckt sich der westfälische Bergbau in seinen nördlichen Ausläufern. Auch da kommen die gleichen Fragen zur Entscheidung. Daß die Zuständigkeit dieser verschiedenen Ober⸗ landesgerichte zu irgend welchen Unzuträglichkeiten, zu einer Rechts⸗ unsicherheit geführt habe, davon kann, glaube ich, gar keine Rede sein, und zwar deshalb umsoweniger, weil das preußische Berggesetz an und für sich zu den revisiblen Landesgesetzen gehört, also der Zu⸗ ständigkeit des Reichsgerichts unterliegt, und weil die meisten Berg⸗ werkssachen ein Objekt zum Gegenstande haben, das, auch wenn es zu der in Aussicht genommenen Erhöhung der Revisionssumme kommt, immer noch der Zuständigkeit des Reichsgerichts unterliegt. Berg⸗ werksprozesse mit einem Objekt von weniger als 3000 ℳ werden wohl überaus selten sein. Ich glaube aber, Prozesse überhaupt ganz weesentlich den letzten Jahrzehnten und vermutlich noch weiter ab⸗ nehmen wird, und zwar infolge der immer größeren Konsolidierung der kleinen Werke, ihres Aufgehens in die großen — denn die Bergstreitigkeiten im engeren Sinne waren hauptsächlich Felderstreitigkeiten usw., die fast vollständig gegenstandslos werden, je mehr die großen Werke die kleinen in sich aufnehmen.
Dann, meine Herren, hat man vom westfälischen Standpunkt
aus davon gesprochen, daß es unzuträglich sei, mit dem westfälischen Güterrecht, über das jetzt nur das Oberlandesgericht in Hamm zu entscheiden hätte, nunmehr ein zweites Oberlandesgericht zu befassen. Die Tatsache ist ja richtig, daß das westfälische Güterrechtsgesetz vom Jahre 1860 seinem wesentlichen Inhalte nach auch durch das Aus⸗ führungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch aufrechterhalten worden ist, aber doch nur für die Ehen, die vor dem Jahre 1900 eingegangen waren. Es ist also ein Gesetz, das im Absterben begriffen ist. Im übrigen kann davon keine Rede sein, meine Herren, daß für ein solches Güterrechtsgesetz nur ein Oberlandesgericht zuständig sei. Denn die Juristen unter Ihnen werden wissen, daß jedes Ehepaar das Güterrecht, unter dem es die Ehe eingegangen ist, auch bei einem etwaigen Domizilwechsel mitnimmt, und es unterliegt gar keinem Zweifel, daß z. B. hier in Berlin Hunderte von früher westfälischen Familien leben, die dem westfälischen Güterrecht unter⸗ stellt sind; wenn in diesen Familien einer von den Ehegattten stirbt, dann muß die Auseinandersetzung nach dem westfälischen Güterrecht erfolgen, und wenn dabei Streitigkeiten entstehen, werden sie nicht von dem Oberlandesgericht in Hamm, sondern vom Kammergericht ent⸗ schieden.
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daß die Zahl dieser abgenommen hat in
ine Herren, ist auf das westfälische Anerbenrecht hin⸗
Anerbenrecht hat für die hier in Betracht kommenden