1904 / 122 p. 42 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 May 1904 18:00:01 GMT) scan diff

denen das Buchhandels⸗

Arbeitsleistungen, unter zuchhe Buchverlag die führende

ewerbe und speziell der

olle einnimmt. 1 Dieser Begriff umfaßt den gesamten graphisch⸗technischen Her⸗ stellungs⸗ und wirtschaftlichen Vertriebsprozeß literarischer Feifuatge⸗ eine naturgemäße Verschmelzung engverwandter Interessensphäͤren. (Vgl. das Nähere Denkschrift d. Verf. a. a. O. S. 3/8.) 1) Allgemeines über Entstehung und Bedeutung der literarischen Wertobjekte. Wie das ganze Leben der Mensch⸗ heit im wesentlichen nichts anderes bedeutet als ein ewiges Abschied⸗ nehmen, so auch im wirtschaftlichen Leben mit seinen tausendfältigen Erscheinungsformen. Die Wunder technischen Fortschrittes führen

täglich zu veränderten Produktionsweisen, Richtung, Umfang und

Intensität des Bedarfes sowie die Art der Befriedigung kaleidoskop⸗ artig verändernd. Aufschwung und Niedergang dex einzelnen Wirtschafts⸗ gebilde und Wirtschaftsepochen folgen einander mit unerbittlicher Not⸗ wendigkeit, wie der Jugend das Alter, dem Frühling der Herbst, dem Frohsinn die Trauer. 1

Auf keinem Gehbiete des Verkehrslebens treten jene erwähnten Wertveränderungen so auffallend und überzeugend ans Licht, wie im literarischen Verkehr, der Buchwirtschaft. Der Einfluß offenkundiger wie anonymer Kultur⸗ und Geistesströmungen, die in Entstehung und Verlauf äußerst schwer kontrollierbar sind, diese und noch andere Faktoren geben dem literarischen Verkehrs⸗ und Erwerbsleben die ihm eigene Signatur des Unsteten, Schwankenden, Fließenden, des Un⸗ berechenbaren, seinen Unternehmungen vorzugsweise den Charakter des Glücksspiels, seinen Erfolgen, wenige ausgenommen, den des Zufalles. Bestimmte volkswirtschaftliche Gesetze, nach denen sich die Schwankungen des Preisniveaus der Bücherware vollziehen könnten, sind im Buch⸗ verkehr nahezu undenkbar. Auch kann man im Grunde genommen nicht gemeinhin von einem Preisniveau der Bücher, von einem Steigen und Sinken der Bücherpreise im allgemeinen sprechen, denn im Buchverkehr kann man unmöglich „nivellieren“, da die Qualität

der Tauschobjekte nie nach einem einheitlichen Maßstab oder Maßsystem

bestimmbar ist. Kennt doch wohl die Volkswirtschaft nur wenige allgemeingültige Gesetze, denen es à tout prix unterworfen wäre, und deren praktische Anwendung dem Anschlagen eines neuen Akkords in

der Symphonie des Lebens gleichkäme. Worin liegt nun auf unserem

Spezialgebiete das trennende Element von den übrigen, das principium divisionis? Im Wertcharakter und der Wertschätzung der Ware.

Ideen sind unsterblich oder unvergänglich. Nach Jahrtausenden bleiben sie noch durch Schrift und Stoff der menschlichen Kenntnis erhalten. Ihr Reich ist unbegrenzt, ihr Urquell unerforscht und unerforschlich. Aber die unvergängliche Form der Ideenüberlieferung verbürgt noch nicht deren lebendige Fortwirkung. Als latenter Kraft⸗ vorrat ist eine Welt von Gedanken auf uns gekommen. Diesen aus dem gebundenen Zustande zu lösen und den Gedankenreichtum der Völker durch produktive Verarbeitung zu vermehren, war und ist die Aufgabe fortschreitender Geistespflege. Dabei spielt das persönliche Element eine hervorragende Rolle. Individuelles Schaffen verleiht der Arbeit ihr besonderes Relief, ihre monumentalisierende Bedeutung. Wer rief die Ideen wach, durch wen leben sie fort? In dieser Frage offenbart sich zugleich die eigenartige Weihe, die literarisches Schaffen umgibt. Die Idee der Unsterblichkeit wird in uns lebendig und begreiflich.

Die intellektuelle Schaffenskraft, spontaner und rezeptiver Art, ruft die Entstehung einer schier unabsehbaren Fölle literarischer Erzeugnisse bervor, ganz analog der Vielseitigkeit des Denkvermögens. Auch die äußeren Erscheinungsformen derselben treten in bunter

Mannigfaltigkeit auf. Unter diesen gebührt der Buchform ökonomisch

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und technisch ein besonderer Rang. Das Buch ist gewissermaßen die typische Form, in welcher sich ein Gedankenfonds größeren Umfanges dem Leser offenbart, als Objekt sinnlichen und denkenden Erkennens. Obschon Sinnlichkeit und Verstand, als die beiden Hauptstämme unserer Erkenntnis, die Bedeutung eines Buches gemeinsam verständlich

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machen, so geschieht dies doch nicht zu gleichem Anteil. Der Inhalt

eines Buches stellt, seiner Formfassung und literarischem Z vecke gemäß, ständig wechselnde Ansprüche an unser Erkenntnisvermögen, die mit Rücksicht auf die individuelle Begabung der Leser (Konsumenten) wiederum unendlich in sich variieren.

Wie nun ein jedes Buch im Kulturleben seinem bestimmten Gedankenkreis angehört und dementsprechend seine eigene Mission zu erfüllen berufen ist, so blüht ihm auch sein eigenes Schicksal im Strudel des Güterumlaufs, getrieben von dem Wellenschlag der Kulturströmung und Gegenströmung, die es bald emporhebt auf den Kamm der Wogen geistigen Fortschritts, bald abwäartsgleiten läßt, um unter ihnen zu verschwinden.

Betrachten wir nun zunächst den Güterwert im allgemeinen mit seinen zahlre chen Erscheinungs ormen, Arten und Abarten, so finden wir dessen Schätzung vor allem abhängig von den verschiedenen Lebenszwecken. Wodurch, in welchem Umfange und wie lange nützt ein Gut dem Menschen?

Als den wichtigsten Kulturgütern steht den literarischen Erzeug⸗ nissen ein unabsehbares Feld der Bedürfnisbefriedigung offen: das gesamte Kulturleben. Für sie ist es charakteristisch, daß das Thema ihres Inhalts keiner Beschränkung unterliegt. Nicht allein das ganze sichtbare Leben und Weben der Menschheit und alles dessen, was dieses umgibt und erfüllt, kann Gegenstand literarischer Arbeit sein, soweit

der Flügelschlag genialer Geistesarbeit reicht, dehnt sich die Peripherie

Denn der Gedankenflug kennt keine Schranken

nd kein Ziel, daß ihm zu hoch mwäre. Er bewegt sich fort in un⸗ endlicher Spirale zu immer höheren Regionen der Erkenntnis. Daher berührt er alle Seiten des Menschenlebens, und was uns an dasselbe fesselt, es lebenswert gestaltet; alle Liebe, alles Begehren und Besitzen,

literarischen Schaffens.

alles Hoffen und Verzichten.

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Wir stehen demnach vor einem unbegrenzten Arbeitsfeld von unschätzbarer Ergiebigkeit denn die Wissenschaft bleibt ewig jung.

Ferctc betätigt sich nun die literarische Arbeit bald in Form von

inzelerörterungen bestimmter Themata, bald aber in ganz be⸗ iebiger, unendlich variabler Zusammenstellung der Motive, denn die Produktivität des Geistes ist unerschöpflich. Ein Vergleich: wie beim Anblick des gestirnten Himmels der physischen Sehkraft immer neue

Sterne und Sternbilder aufgehen, je länger die Betrachtung anhält

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und sich das Auge den Entfernungen zu akkomodieren vermag, so offen⸗ baren sich dem geistigen Auge ständig neue Probleme im Universum der Gedanken.

So wird es begreiflich, daß sich in den literarischen Erzeugnissen as ganze Sein der Menschheit wiederspiegelt, bald in analytischer

Behandlungsweise, den Blick zergliedernd auf das Einzelne der Er⸗

cheinungen gerichtet, bald in syathetischer Form, das Ganze zusammen⸗

setzend und umspannend, die verschiedensten Ideen harmonisch im Buch

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vereinigend, gleich einem Brennglas der Gedankenwelt.

2) Allgemeine Grundsätze der literarischen Be⸗ wertung. Die Wertschätzurg hat cs hier ausschließlich mit Kultur⸗ gütern zu tun, die sowohl offenkundigem, als latentem, bald vorüber⸗ ehendem und zufälligem, bald aber auch dauerndem und die menschliche

Wohlfahrt in verschiedenem Grade berührenden Bedarfe gerecht werden.

Sie hat vornehmlich nach zwei Richtungen zu erfolgen, in ideeller, nd dann handelt es sich um den „literarischen“ Wert, und in naterieller Richtung, welche die buchtechnische und künstlerische Form der Gedankenprägung der Schätzung unterzieht. Diese beiden Schätzungsarten ergänzen einander und bilden die notwendigsten Bestandteile der Gesamtbewertung literarischer Produkte.

Bei weitem im Vordergrunde steht die Schätzung des literarischen Wertes, des geistigen Gehalts einer Schrift, da dieser vorwiegend den Hauptbestandteil des Gesamtwerts eines Buches aus macht. Das

literarische Werturteil hat vornehmlich aus zwei Standpunkten zu er⸗

olgen, dem objektiven und dem subjektiven, woraus sich von elbst die Unterscheidung zweier Hauptwertkategorien, die des objektiven Bücherwertes und des subjektiven ergibt. Unter objektivem Bücherwert versteht man die anerkannte Brauchbarkeit eines Buches zwecks Herbeif es Wohlfahrtserfolges. In diese k

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so oft von Arten dieses Wertes sprechen, als sich literarische Sonder⸗ erfolge feststellen lassen, die außerhalb eines subjektiven, eines persön⸗ lichen Interessenkreises liegen, so z. B. von wissenschaftlichem Wert im allgemeinen und im besonderen, von künstlerischem, patriotischem u. s. f. Immerhin sind es allgemeine Gesichtspunkte, aus denen die Wert⸗ schätzung erfolgt. Ein paar Beispiele: Der patriotische Wert tritt besonders in folgenden literarischen Erscheinungen hervor: 6 v. Yelin, „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung“ (1806); Fichte „Reden an die deutsche Nation“; 3 ismarck, „Gedanken und Erinnerungen“; ferner der religiös⸗ethische Wert in: Giordano Bruno, „Spaccio della bestia trionfante“*); Immanuel Kant, „Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft“; S H. St. Chamberlain, „Worte Christi“; der künstlerische Wert in: 8 b S den Prachtbibelausgaben von Gustav Doré und Schnorr v. Carolsfeld; den Meisterwerken der Holzschneidekunst; den Meisterwerken der klassischen Malerei; und

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Arnold Böcklin, Auswahl s. hervorr. Werke usw. 8

Hier redet die Kunst ihre eigene, unvergleichlich schöne Sprache, sie redet als Aesthetik, als Philosophie, der sie ja angehört, und läßt uns die Technik der Meister bewundern, deren Werke uns ein höheres Dasein sichern, uns bewahren vor dem Untergang in rein materialistischer Lebensauffassung, in dem Delirium der Selbstsucht.

Unter subjektivem Bücherwert ist die praktische Be⸗ deutung zu verstehen, welche ein Buch für den Interessen⸗ kreis eines bestimmten Subjekts durch Eintritt in dessen Nutzungsbereich erlangt. In diesem Sinne kann ich von einem Buche aussagen, daß dessen Inhalt für mich Bedeutung hat, wenn ich wahrnehme, daß meine persönliche Wohlfahrt mit demselben in einem Maße verknüpft ist, daß mir seine Kenntnis oder wiederholte Benutzung eine Bedürfnisbefriedigung, einen Vorteil vorübergehender oder dauernder Art, einen Genuß, eine Annehmlichkeit gewährt, oder negativ betrachtet, Nachteile erspart, die ich ohne Kenntnis des Buchinhalts zweifellos nicht hätte abwenden können. Kenntnis und Unkenntnis einer Schrift stebt hier Gewinn oder Verlust gegenüber. Herbeiführung oder Ein⸗ buße eines Wohlfabrtseffekts ist mit dem Dasein oder Fehlen eines 8 in meinem Nutzungsbereich verbunden; es hat also für mich Wert.

Es leuchtet nun ohne weiteres ein, daß den erwähnten Arten des objektiven Bücherwertes nur geringe wirtschaftliche Bedeutung bei⸗ zumessen ist und streng genommen der Nationalökonomie nur wenig oder nichts angehen.

In ganz anderem Lichte erscheint der objektive Tauschwert der Bücher. Im allgemeinen versteht man unter diesem die Möglichkeit, für sie im Austausch eine Quantität anderer wirtschaftlicher Güter zu erlangen. Jene Quantität ist aber der Preis. Im literarischen Verkehr stehen nun subjektiver Wert und objektiver Tauschwert der Bücher einander sehr nahe. Ueberhaupt sind bei dem literarischen Werturteil die Faktoren der subjektiven und objektiven Bewertung eng verwandt, wie sie sich auch in häufigen Fällen wechselseitig be⸗ dingen und voraussetzen, beides zugleich sind Ursache und Wirkung. Der Erklärungsgrund dieser Erscheinung liegt in der Eigenart der Qualitätsbestimmung literarischer Sachgüter. Es überwiegt jedoch in allen Fällen das subjektive Werturteil, die rein persönliche, durch die individuelle Begabung orientierte und umgrenzte Stellungnahme der Interessenten zu dem literarischen Gegenstand. Dieses Moment be⸗ stimmt in hohem Maße das Schicksal der geistigen Schöpfungen.

3) Ursprung und Wesen des subjektiven Bücherwerts. Wie wir sahen, gründet sich die persönliche Wertschätzung literarischer Sachagüter auf Wohlfahrtsbeziehungen zwischen Buch und Mensch. Der Charakter dieser Beziehungen kann sehr verschieden sein. Im allgemeinen ist er abhängig von Bedingungen und Richtung, sowie von Umfang und Erreichbarkeit des Wohlfahrtserfolges. Jene Be⸗ dingungen sind nun objektiv in der Beschaffenheit und dem Zweck des Buchinhalts, subjektiv in dem literarischen Interesse und der individuellen Veranlagung der Buchkonsumenten gegeben.

Die Qualität des Buchinhalts kann, generell betrachtet, der menschlichen Wohlfahrt in verschiedenem Maße und in mannigfaltigster Richtung dienen, je nachdem diese eine niedere oder höhere Stufe der Nutzbarkeit einnimmt. Auf niederer Stufe nennt man sie schlechthin „Brauchbarkeit“, auf höherer „Wert“. Man hat demnach zwischen brauchbaren und wertvollen Büchern zu unterscheiden.

Das literarische Interesse geht aus äußeren und inneren, notwen⸗ digen und zufälligen Motiven hervor. Von den wichtigsten Quellen seien erwähnt: Bildungsgrad, Beruf und Gesellschaft. Die Geistes⸗ bildung ist die grundlegende Voraussetzung, der Beruf der Gradmesser für die Intensität des Buchbedarfs, die Gesellschaft das Milieu für geistige Anregung in jeglicher Richtung sowie für die Betätigung des freien geistigen Schaffenstriebs in Ergänzung beruflicher Arbeit.

Das subjektive Werturteil zieht nun alle einem Buche anhaftenden Eigenschaften in Erwägung, durch welche das persönliche Interesse, Wohl oder Wehe in irgend welchem Maße beeinflußt werden kann. Ez gibt Bücher, welche keinen direkten Wohlfahrtseffekt gewähren, sondern indirekt das Wohl der Menschheit fördern helfen.

Die Deutlichkeit des Wertbewußtseins schwindet dann in dem Maße, wie das literarische Interesse an dem be⸗ handelten Motiv an Intensität einbüßt.

4) Der literarische Gebrauchswert, Struktur und Größe desselben. In welchem Geade ist nun die persönliche Wohl⸗ fahrt von der Kenntnis literarischer Erscheinungen abhängig? oder welchen Nutzeffekt vermag der Einzelne durch deren Gebrauch für sich selbst oder sein Interessenmilieu zu schöpfen?

Die Beantwortung dieser für die Rentabilität aller literarischen und buchgewerblichen Leistungen grundlegenden Frage wird erst dann ermöglicht, wenn die Gebrauchsweise eines Buches des näheren feststeht, denn die Art der Nutzung bestimmt im allgemeinen den Gebrauchs⸗ wert desselben und zwar als eine zusammengesetzte Größe. In der Regel sind eine Reihe von Nutzleistungen die bestimmenden Wert⸗ faktoren, wenn wir von jenen Erscheinungen absehen, welche nur ein⸗ seitigen Zwecken und diesen nur vorübergehend dienen.

Die Größe des Gebrauchswerts eines literarischen Sachgutes entspricht der Bedeutung der mehr oder minder zahlreichen Bedürfnisse, denen es durch seine gleichzeitigen oder aufeinanderfolgenden, sukzessiven, Nutzleistungen gerecht wird, denn ein Buch ist materiell und vielfach auch ideell ein ausdauerndes Gut, und als solches hat es denselben Wert, den die Summe aller seiner Verwendungsarten hat. Diese ist nun ihrerseits wieder bedingt durch die Dauer der Gebrauchsmöglichkeit.

Damit gelangen wir zu einem der wichtigsten Faktoren der Bücherwertbestimmung, denn die Möglichkeit, ein Buch dauernd und nicht nur einmal, vorübergehend, zu gebrauchen, ist in den meisten Fällen für dessen Anschaffung entscheidend. Der Buchgebrauch kann nun Einzel⸗ oder Kollektivgebrauch sein, je nach der Form, in der von dem Inhalt Kenntnis genommen wird.

Bei einer näheren Untersuchung der Verwendungsweise, Art und Richtung des Nießbrauchs literarischer Sachgüter wird offenbar, daß es sich hier gemäß Form, Inhalt und Bestimmung derselben aus⸗ schließlich um geistige Nutzung, intellektuellen Gebrauch, geistigen Genuß eines Gutes handelt. Ein rein psychologischer Vorgang, die Tätigkeit des Verstandes, nach Wilhelm Wundt: Perzeption und Apperzeption der Ideen, vermittelt Erfolg und Dauer der literarischen Nutzung. Diese kann nun in zwei verschiedenen Hauptrichtungen vor sch gehen, je nachdem der Gebrauch als rein geistiger Genuß, Unter⸗

altung, als Selbstzweck, ohne praktische Tendenz stattfindet, oder zwecks Herbeiführung eines praktischen Vorteils. Letzterer kann rein persönlicher oder altruistischer Art sein.

*) „Vertreibung der triumphierenden Bestie“ oder auch „Re⸗ formation des Himmels“ betitelt.

Treten wir im Nachfolgenden dem Buchgebrauch im Sinne von Buchverbrauch noch ein wenig näher, so werden wir erkennen, daß dann nicht selten eine geistige Umwertung des betreffenden Buchinhalts stattfindet, eine Faes sefeerds zwischen dem genießenden Subjekt und dem in dem geistigen Erzeugnis aufgespeicherten Gedankenfonds. Ein Vergleich drängt sich hier von selbst auf, der, da er dem praktischen Leben entnommen, geeignet erscheint, das Verständnis jenes psychologischen Vorgangs der Buchnutzung zu erleichtern, der Vergleich mit der Ehe. Denn es ist gewissermaßen eine geistige Ehe, die der Konsument mit einem Buche schließt, wenn er es zwecks Bereicherung seines Gedanken⸗ fonds oder in der Absicht, neue Ideenkombinationen zu schaffen, in Gebrauch nimmt. Das durch literarische Nutzung zu Tage tretende neue Geistesprodukt steht gewissermaßen im Verhältnis der Kindschaft zum Konsumenten mit dem Buche resp. den Büchern, mit dem in dem letzten Zusatz gekennzeichneten Unterschied. Jenes Geisteskind kann nun vom Schlage der Eltern sein, und ist es auch in der Regel, behaftet mit deren Vorzügen und Fehlern, geraten oder mißraten, aber nicht selten und hierin liegt das tröstende Element auch wohl⸗ gelungen, ein origineller und würdiger Baustein zum Aufbau der Pyramide des Wissens.

Bleiben wir noch einen Augenblick bei diesem Vergleich. Jenes Bändnis geistiger Ehe, wenn es wirklich auf längere Zeit abgeschlossen wird und nicht nur provisorisch, d. h. auf Gültigkeit des Leihscheines der Bibliothek oder sonstiger Leihanstalt, scheint jedoch nicht immer jener tiefen Neigung offenkundiger Ausdruck zu sein, welche ein dauernder Besitzerwerb zur primären Voraussetzung hat. Als Beweis gilt die Blüte des Antiquariats, woselbst oft die köstlichsten Perlen geistigen Schaffens „umb einen billigen Preis“ feilgehalten werden.

Also Zwang, die Notwendigkeit der augenblicklichen Lage, nicht inniges, brünstiges Verlangen nach Bereicherung des eigenen Wissens, wird in leider nur zu vielen Fällen das Leitmotiv zur Buchanschaffung sein. Nur bald und allzufruͤhe erfolgt die Scheidung und damit die Entscheidung über das Schicksal ja oft recht herbe Schicksal des Buches, wie jene, wenn auch wenig schöne und für das Buchgewerbe nur wenig geeignete Devise bekundet: Habent sua fata libelli! Mit anderen Worten, es fehlt noch in weiten Kreisen der Gebildeten die Liebe zu den Büchern, jenes warme, lebendige Interesse an den Geistesprodukten, welches allerdings im Altertum im ciceronianischen Zeitalter in weit höherem Maße vorhanden war als heutzutage, wie Mommsen folgendermaßen (Röm. Gesch. III S. 584) bestätigt: „Es regnete“, schreibt er, „in Rom Bücher und Flugschriften aller Art und vor allen Dingen Poesien. Die Dichter wimmelten daselbst wie in Tarsos oder Alexandrien; poetische Publikationen waren zur stehenden Jugendsünde regerer Naturen geworden, und auch damals pries man denjenigen gluͤcklich, dessen Jugendgedichte die mitleidige Vergessenheit der Kritik entzog. . Auch die Frauenwelt beteiligte sich lebhaft an diesem literarischen Treiben. Die Damen beschränkten sich nicht darauf, Tanz und Musik zu machen, sondern beherrschten durch Geist und Witz die Konversation und sprachen vortrefflich über Ferenhche und lateinische Literatur, und wenn die Poesie auf Mädchen⸗ gerzen Sturm lief, so kapitulierte die belagerte Festung nicht selten gleichfalls in artigen Versen.“ In welch hoher Blüte stand das Bibliothekwesen. Wie in der hellenischen Epoche die Gründung von Bibliotheken die Entwickelung, des literarischen Lebens wirksam förderte, so gilt dies in erhöhtem Maße von der hellenistisch⸗ römischen. Nicht nur die Zahl der öffentlichen, sondern vor allem die Privatbibliotheken steigerte sich in hohem Maße, und hierauf sei in diesem Zusammenhang besonders verwiesen. Das Büchersammeln war allmählich modern geworden, das literarische Interesse, das schon zu Cäsars Zeiten sehr lebendig war, wurde in noch hoͤöherem Geade entfacht und verallgemeinert, das Buchgewerbe gelangte zur Kaiserzeit zur vollsten Blüte. Nicht allein jeder Gelehrte, sondern überhaupt jeder Gebildete und namentlich jeder wohlhabende Römer erachtete es nunmehr als ein selbstverständliches Erfordernis, sich eine Haus⸗ bibliothek anzulegen. Es gehörte gewissermaßen zum guten Ton, Interesse für Literatur an den Tag zu legen.

Wciee steht es aber heute, bei den hochentwickelten Kulturverhält⸗ nissen um das verständnis⸗ und liebevolle Sammeln von Büchern außerhalb der Gelehrtenkreise?

An dieser Stelle sei das Moment der Bedarfserweckung, weil für den Zusammenhang unentbehrlich, eingeschaltet. (Vgl. Denkschr. d. Verf. a. a. O. S. 112/3.)

Die Befriedigung der Geistesbedürfnisse über das praktische un⸗ umgängliche Erfordernis hinaus verursacht unter der gegenwärtigen Tendenz der Kulturentwickelung nur geringen Kostenaufwand. Der literarische Markt wird von einem hohen Prozentsatz der Bevölkerung wenig oder nur in ganz bescheidenem Maße beachtet. Die Ent⸗ stehungsmotive des literarischen Bedarfs in ihrer bunten, unabsehbaten Mannigfaltigkeit, welche ihrerseits wiederum auf die unendlich ver⸗ schiedenartige Kombination individueller Begabung und Fähigkeiten, Triebfedern und Neigungen zurückgehen, begründen in allen den Fällen die Schwierigkeit, den vorhandenen und möglichen Bedarf zu er⸗ schließen, wo nicht das Moment der praktischen Notwendigkeit in Frage kommt. Zugleich wächst auch das Wagnis der literarischen Unternehmung, es nimmt zu mit der Schwierigkeit der Bedarfserschließung. Es ergiebt sich aus diesen Erwägungen die natürliche Notwendigkeit des zerstreuten Auftretens des Buchbedarfs mit schwankender Intensität.

Das Moment der Bedarfserweckung hat in der Buchwirtschaft eine hohe Bedeutung und weiten Spielraum. Auch dies findet seinen Grund in den Entstebungsmotiven des literarischen Bedarfs, in ihnen liegt das Arcanum der Bildungsfähigkeit und Bildungsmöglichkeit der Individuen. Die verschiedensten Mittel und Methoden der An⸗ regung des Denkoermögens, der Aufmunterung zur Geistespflege sind ohne weiteres gegeben.

Ihre erfolgreiche Anwendung ist abhängig von der mehr oder minder geschickten Anpassung resp. Abstimmung derselben auf die individuelle Veranlagung der Bildungsfähigen und Bildungsbedürftigen; des weiteren ist sie bestimmt von der Form, der Zeit und Gelegenheit

Das sicherste und den besten Erfolg verbürgende Mittel der Bedarfserweckung ist die persönliche Anregung, der mündliche Hinweis auf geistig und literarisch Empfehlenswertes und zum mindesten Inter⸗ essantes. Insofern die verkehrstechnischen Einrichtungen und Betrichs⸗ formen hier in Betracht kommen, sei auf das Sortiment, den Reise⸗ und Kolportageverkehr verwiesen. Aber Hand in Hand mit diesen längst nicht ausreichenden Mitteln der praktischen Berufstätigkeit müssen die Organe der Erziehung gehen, nicht nur die staatlichen mit ihrer Wirksamkeit in den Schulen, von dem niedrigsten bis zum obersten Range, sondern alle diejenigen Personen, welche sich berufen fühlen, die Geistesbildung durch persönliches Eingreifen zu fördern. Hier finden sie ein ausgedehntes Feld zur Verwirklichung ihrer Be⸗ strebungen. Aber in erster Linte sind die Schulen die berufenen Pflegestätten des literarischen Interesses. 1

Den Lehrern erwächst somit in ihren Mußestunden eine edle Aufgabe als Ergänzung ihrer amtlichen Tätigkeit. Sie besteht in der persönlichen Kontrolle der literarischen Neigungen und des praktischen Büchersammelns unter den Lernenden, die seither gewohnt waren, ühre Lehrmittel beim Aufrücken in eine höhere Klasse den Nachrückenden täuflich abzutreten, gleichgültig in welchem Zustand, ob veraltet, ob hinreichend gebrauchsfähig, nicht allein im Hinblick auf den pädagegischen Zweck, sondern auch, und dies wurde seither stets verkannt —, auf hygienische Erfordernisse. Das Moment der Krankheitsübertragung durch halb verbrauchte und längst nicht mehr verkehrsfähige Buͤcher und Schriften, wird bei weitem nicht hinreichend beachtet. Aber auch der Bücherschacher in den Schulen sollte zum mindesten unter scharfe Kontrolle gestellt werden. Halb verstanden entledigt man sich ihrer und freut sich des, wenn auch noch so geringen, materiellen Erlöses. Die Duldung derartiger Zustände ist identisch mit Verflachung literarischen Interesses, während doch vor allem bei der Jugend die Liebe zu den Büchern wachgerufen und hier eine bleibende Heimstätte finden sollte. In den späteren Jahren, unter dem Drucke beruflicher Pflichten und des eigenartigen, mitunter recht niedrigen Interessenspiels des Berufs und öffentlichen Lebens ist es unmöglich das Versäumte

nachzuholen. Daher sollte nicht nur in den Volks⸗ und Gemeinde⸗ schulen, Real⸗ und humanistischen Gymnasien, sondern auch auf den Universitäten das wohl orientierte Büchersammeln, die verständnisvolle Anlegung von Privatbibliotheken, deren systematische Ordnung und Verwaltung unter Anwendung der leider viel zu wenig bekannten und in die Praxis eingeführten Bücherzeichen (Ex libris) allseitig warm empfohlen werden. Jene Bücherzeichen, so überflüssig man sie auch halten mag, sie haben für den denkenden Menschen doch eine hohe Bedeutung. Das geistige Streben des Samnmlers, seine literarischen Neigungen und event. auch schriftstellerischen Ziele werden in jenen Ex libris symbolisch dargestellt und was in dem geistig hochstrebenden XVI. Jahrhundert mit Liebe und Verständnis gepflegt wurde, das sollte im XX. nicht vernachlässigt werden, um so weniger als neben dem literarischen auch der Kunstsinn durch jenen Brauch gepflegt und gefördert wird.

Die literarische Verwendungsweise kann nun eine einmalige oder mehrfach wiederholte, gleicher oder alternativ verschiedener Bedarfs⸗ richtung sein, je nach der Wohlfahrtsbedeutung des betreffenden Buchinhalts. Je vielseitiger und andauernder die Gebrauchsmöglich⸗ keit eines literarischen Erzeugnisses ist, desto höher steigt es auf der Skala subjektiver Wertschätzung. Die Erwägung des Zuwachses an Nutzen, Vorteil, Annehmlichkeit durch Gebrauch eines Buches und an⸗ dererseits der Einbuße all dieser Nutzeffekte durch Wegfall desselben, bezeichnet auch den Umfang, die Größe des subjektiven Gebrauchswerts der Bücher und ähnlicher Geistesprodukte. Praktisch kann nun die literarische Nutzung in dreifach verschiedener Weise vermittelt werden: a. durch Besitzerwerb; b. durch Entleihung; c. ohne direkte Fühlung mit dem Nutzobjekt, durch mündliches Referat, Vorträge, kritische Aeußerungen oder Aufführungen, Vorspiel u. dgl. m.

5) Ursprung und Wesen des objektiven Tauschwertes. Der objektive Tauschwert literarischer Sachgüter ergibt sich, wie er⸗ wähnt, aus der Würdigung der Fähigkeit derselben im Tauschverkehr eine bestimmte Menge anderer Güter als Gegengabe resp. Gegenwert zu erzielen. Es handelt sich also nicht mehr um Eigengebrauch des Buchinhabers, sondern um die Bestimmung in den Kreislauf des Güterverkehrs einzutreten, zwecks Erlangung wirtschaftlicher Vorteile. Diese Art der Bewertung bildet den eigentlichen Kern⸗ und Angelpunkt der schwebenden Kontroverse wie des gesamten buch⸗ gewerblichen Getriebes. Denn die Quantität der einzutauschenden Gütermenge ist der Bücherpreis, von dessen gerechter Bemessung in hohem Maße die Lebenskraft sowie der Schaffenstrieb der wirtschaft⸗ lichen Träger der Kultur abhängt.

Einer außerordentlich weit verbreiteten Selbsttäuschung begegnet man in Autorenkreisen in betreff der Schätzung der Bedeutung des Monopolpreises. Allerdings scheidet durch dessen gesetzmäßige Geltung jenes maßgebende Element der allgemeinen ö“ der Wettbewerb, in gewissem Sinne aus, immerhin sei aber bereits an dieser Stelle darauf verwiesen, daß nur der nach dem Wortlaute des Gesetzes verbotene hier ausgeschaltet wird. Das Nachdrucksverbot hat nicht jene absolute Gültigkeit, wie man annimmt, sondern nur eine relative, wenn auch immerhin schätzenswerte. Der Segen des vielgepriesenen und angefeindeten Verlagsmonopols ist in vieler Beziehung nur eine Fiktion. Es ist nicht wahr, daß der Verleger als Monopolproduzent auch den Markt seiner Monopolware beherrsche. Nur insoweit die eigentümliche Anlage der Buchware, ihr eigenartiger, in der Wahl des Inhaltsmotivs, der Darstellungsform und der Ausstattung begründeter Charakter Konkurrenzerscheinungen ausschließt, liegt eine tatsächliche Marktbeherrschung seitens des Verlegers vor. An eine originelle und erfolgreiche literarische Erscheinung schließen sich mitunter Hunderte von Nachbildungen. Wie ein Bienenschwarm auf eine genußreiche Frucht, so fallen die Autoren über ein „aktuelles“ Thema her, es nach allen Richtungen be⸗ und verarbeitend. Wohl nirgends ist der Konkurrenzneid schlimmer ausgeprägt, als in den literarischen Kreisen, worunter die Rentabilität buchgewerblicher Unter⸗ nehmungen in hohem Maße zu leiden hat, ohne jedoch damit die Verleger von ihren Konkurrenzbestrebungen freisprechen zu wollen.

Ein weiterer Irrtum ist die Behauptung, das Buch sei schlecht⸗ hin ein Massenprodukt und müsse daher den meisten übrigen Waren gleich geachtet und wirtschaftlich entsprechend eingeschätzt werden. Der Fehler liegt hier in der mangelnden Unterscheidung zwischen

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8 Massenprodukt im technischen und im wirtschaftlichen Sinne. Die Massenerzeugung von Gütern ist einerseits auf die technischen Fort⸗ schritte der Herstellungsweise, andererseits auf das wirtschaftliche Prin⸗ zip: „Erstrebung des größtmöglichen Nutzens bei möglichst geringem Aufwand an Kosten“ zurückzuführen. Das ist die Grundlage wirt⸗ schaftlicher Gütererzeugung. Unter geschickter Ausnutzung technischer Vorteile spekuliert man auf einen hohen Reinertrag durch verkehrs⸗ mäßigen Absatz der erzeugten Produkte. Daher ist Massenerzeugung ohne Aussicht auf Massenabsatz unproduktiv, unwirtschaftlich. Eine Notwendigkeit, ein Buch en masse, d. h. in hohen Auflagen herzu⸗ stellen, liegt von vornherein nicht vor, wenn es auch wirtschaftlich ratsam erscheint, die zeitraubenden technischen Vorarbeiten der Druck⸗ legung einer Schrift durch höhere Bemessung der Auflage beim Rein⸗ druck, soweit angängig, auszunutzen. Aber damit ist noch längst nicht ein Massenartikel geschaffen, „prädestiniert zum Großhandel“. Nur von bestimmten Arten von Büchern, mit weitgehender Absatzfähigkeit, nicht selten hohem Gebrauchswert und dauernder oder mindestens großer Zugkraft, mit vorzugsweise offenkundigem Bedarf, kann Massenabsatz herbeigeführt werden. Diese Eigenschaften treffen aber nur für wenige Bücherarten zu im Hinblick auf die Reichhaltigkeit der Literatur. Also zwei Faktoren bestimmen den wirtschaftlichen Charakter eines Massen⸗ die Möglichkeit produktiver Massenerzeugung und Massen⸗ absatzes.

Nunmehr gelangen wir zur dritten Vorfrage: Wann beginnt das Warendasein eines Buches? Nicht ohne weiteres kann man von einem Buche behaupten es sei eine Ware, ein Verkehrsgut, ein Gegenstand des Warenaustausches. Trotz allem Fleiß des Autors und redlichstem Bemühen ist es in nicht seltenen Fällen unmöglich, sein Geistesprodukt mit Vorteil in den Handel zu bringen. Wenn es über⸗ haupt gedruckt wird, so geschieht dies im Interesse der Sache, auf

osten des Autors, jedoch ohne spekulative Tendenz. Hier entscheidet der Grad der Absatzfähigkeit.

Als das geistige Erzeugnis eines oder mehrerer Schöpfer, Urheber, ist das Schicksal der Schrift in erster Linie von dem Willen des Autors abhängig. Dieser schuf sein Buch aus einem bestimmten Motiv, in bestimmter Absicht, zu einem ihm während der Bearbeitung vorschwebenden Zwecke. Hiernach richtet sich nun der Entschluß des Autors, es zu veröffentlichen oder nicht, auch die Art der Veröffent⸗ lichung hat er allein zu bestimmen. Bekanntlich wurde erst mit dem ortschritt der Technik, dem gewaltigsten Hebel der Kultur, die Mög⸗ ichkeit einer theoretischen und späterhin praktischen Entstehung des „geistigen Eigentums“ geschaffen, das den Römern fremd war, es fehlte die typische Fassung des Inhalts. An die Stelle des mündlichen und handwerksmäßigen Verfahrens trat der Druck mit beweglichen Lettern, es reden nunmehr die Buchstaben und Noten der Druck⸗ schrift. Mit der rechtlichen Fixierung des „geistigen Eigentums“ und dem, wenn auch spät erfolgten, gesetzmäßig verbürgten Schutze der Rechte der Autoren und Verleger, bemächtigte sich der ersteren zugleich die spekulative Tendenz literarischer Tätigkeit. Aus dem ursprünglichen Ehrensold ward vertragsmäßig festgesetztes Entgelt, aus der Ehrensache literarischer Tätigkeit ein Geschäft. Dieses Geschäft vollzieht sich gegenwärtig nach Maßgabe eines Vertrags. Im Augen⸗ blick der Unterzeichnung desselben zwecks buchgewerblichen Vertriebs des Buches oder literarischen Erzeugnisses beginnt auch das Dasein desselben als Ware. Dadurch aber wird noch keineswegs die Rentabilität des Unternehmens offenbar.

Es können nach technischer Vollendung eines Buches als Gegen⸗ stand des Handels eine Fülle von Komplikationen eintreten, welche dem Buchvertrieb günstig oder ungünstig, förderlich oder hinderlich sein können. Selbst das beste Buch mit allen Eigenschaften eines Tausch⸗ gutes kann einen eklatanten Mißerfolg erleben, wenn es dem Verleger nicht gelungen ist:

eine dem Inhalt wohl angepaßte, dem Gebrauch förderliche

Form und Ausstattung zu wählen;

die richtige, durch Umfang und literarischen Charakter be⸗ dingte Erscheinungsweise: z. B. in einzelnen Lieferungen, Teilen, Bänden oder als vollendetes Werk;

den rechten Zeitpunkt des Erscheinens, damit es die zur An⸗ schaffung dienliche Stimmung nicht verfehle;

die auf den Inhalt und literarischen Charakter abgestimmte Vertriebstechnik, Form der Bekanntmachung; 1 die Preislage derart zu bemessen, daß weder die Absatzfähig⸗ keit noch der materielle Ertrag oder der Geltungsbereich der Schrift geschmälert werde. Denn, wenn der Preis auch das Schicksal eines Buches nicht entscheidet, so übt er doch einen gewissen Einfluß auf die Absatzfähigkeit, Käuflichkeit eines Werkes aus, der jedoch nicht, wie es gemeinhin zu geschehen ppflegt, überschätzt werden darf.

All diese Erwägungen lassen die allgemeinen Charakterzüge der Buchware durchschimmern. Sie weisen mit durchschlagender Ueber⸗ zeugungskraft darauf hin, daß ein Buch nicht „eine Ware wie viele andere“, sondern wie wenige andere ist, ja bisweilen überhaupt keine Ware sein kann.

Es geht ferner aus dem Gesagten hervor, daß der Buchvertrieb 1 ezceee er ee ae 75 2 * 8G d. 424 eine Wissenschaft für sich ist, daß er sich nicht schematisch organisieren und anwenden läßt wie für ein Stück „Seife und Pomade“.

Der Buchvertrieb will vielmehr bei jeder Bucherart wiederum besonders eingerichtet und durchgeführt werden, ganz wie es der litera⸗ 8 rische Charakter derselben, die größere oder geringere Schwierigkeit der Bedarfserschließung erheischt. Von der Befähigung des Verlegers, den individuellen Warencharakter eines Buches pon vorn herein richtig zu erkennen und zu beurteilen unter Berücksichtigung der Konjugkturen des 8 Umfanges der Bedarfsdeckung durch ähnliche Erscheinungen, des Grades und der Dauer der Gebrauchsmöglichkeit, der praktischen Verwendung weise, der Möglichkeit der Konkurrenzüberbietung, hängt in hohem Maße auch die Rentabilität seines Unternehmens ab, des weiteren auch die Verbreitung des Werkes und damit das Ansehen des Autors, nicht minder aber auch der Erfolg oder Mißerfolg seiner kulturellen Mission. Das Wagnis eines jeden literarischen Unternehmens nimmt zu mit der Schwierigkeit der Bedarfserschließung Die Wohlfahrtsbedeutung eines Buches umgrenzt auch die Vielseitigkeit der literarischen Verwendungsweise. Durch den Inhalt sind bedingt:

Die Intensität der Bedarfsempfindung, Art, Umfang und Dauer des Nießbrauches, sowie die Art und Dauer der Ver⸗ wendungsfähigkeit des literarischen Sachgutes. Nützlichkeit und Seltenheit, d. h. hier Originalität des Themas und de Behandlungsweise, sind auch im literarischen Verkehr die letzten Bestimmgründe des Bücherwerts.

Es bedarf wohl kaum noch besonderer Hervorhebung, daß die rechtliche Ordnung des Buchverkehrs durch die Eigenart des Charakte der Buchware in außerordentlich hohem Maße beeinflußt wird. Wenn je der Satz praktische Geltung hatte: „Das Recht bildet sich nach der Wirtschaft und ihten eigentümlichen Lebensregungen“, so ist dies bei der buchgewerblichen Rechtsordnung der Fall, die nur als dispositives Recht gelten kann.

Es hat nun seine vollberechtigten Schwierigkeiten, die Autoren von der Wahrheit zu überzeugen, daß aller Fleiß und alle persönlichen Opfer, alles Talent und sogar bedeutende wissenschaftliche Erfolge oft nur geringen, ja nicht einmal den bescheidensten materiellen Vorteil gewähren können, wenn das betreffende Werk nicht einem literarischen Gebiet angehört, dessen praktische Bedeutung der gebildeten Welt offen⸗ kundig ist. Daher kommt es, daß viele literarische Gebiete völlig un— rentabel sind oder noch sind, und daß ebenmäßig die ihnen zugehörigen literarischen Erscheinungen gar nicht als „Ware“ im eigentlichen Sinne gelten können, da der Bedarf und infolgedessen auch der Zuspruch fehlt So erscheinen Tausende von Büchern im Handel, ohne daß ihnen auch tatsächlich Tauschfähigkeit innewohnt.

Eines der interessantesten, wenn auch schwierigsten Probleme ist die Bestimmung des Grades der Rentabilität der verschiedenen Litera⸗ turgattungen. Diese müßten in einzelne Kategorien eingeteilt und mit einem, wenn auch schwankenden Inder versehen werden. (Siehe oben angekündigte Abhandlung.) So könnte man die gesamte Literatur analytisch prüfen, und das Endresultat würde die Erkenntnis sein, daß die Schwankungen beim Rentabilitätsinder oft durch Einflüsse hervor⸗ gerufen werden, die in ihrem rätselhaften Ursprung sowie bezüglich ihrer wirtschaftlichen Tragweite so unkontrollierbar sind, wie etwa das Werden und Vergehen der Sonnenflecke und ihr Einfluß auf das Universum

des Seienden. 3 Gera⸗Untermhaus, 29. April 1904. F. E. W. Koehler.