der Abgg. von Normann und Genossen die Spurweite der Bahn dahin geändert, daß sie nicht 75 cm, sondern 1 m betragen soll. Im übrigen werden die Konzession und die Statuten unverändert genehmigt. Imn §1 des Gesetzentwurfs wird nach demselben Antrage von Normann das anzulegende Kapital von 18 ³ auf 21 Millionen Mark erhöht und sodann über den § 1 nach einem Antrage des Abg. Dr. Müller⸗ Sagan (fr. Volksp.) namentlich abgestimmt. Die Annahme erfolgt mit 149 gegen 83 Stimmen. Der Rest der Vorlage wird ohne weitere Debatte un⸗ verändert angenommen. Es folgt die zweite Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend den Servistarif und die Klasseneinteilung der Orte. Die Kommission hat den abgeänderten Servistarif „mit Wirkung vom 1. April 1904“ ab gutgeheißen; die nächste Re⸗ vision soll aber mit Wirkung vom 1. April 1906 (nicht vom .April 1913, wie die Vor age besagte) erfolgen. 8 Nach § 2 soll die neue Klasseneinteilung ebenfalls mit Wirkung vom 1. April 1904 ab in Kraft treten.
Ferner soll folgende Resolution angenommen werden:
““ verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldmöglichst, jeden⸗ falls mit der nächsten Revision des Servistarifs, einen besonderen Gesetzentwurf über die Bewilligung von Wohnungsgeldzuschüssen vorzulegen.“
Dagegen beantragen die Abgg. Eickhoff und Dr.
Müller⸗Sagan § 22 folgenden Zusatz zu geben:
„Zugleich tritt diese Klasseneinteilung in Abänderung des § 3 des Gesetzes vom 30. Juni 1873 auch für die Bewilligung von Wohnungsgeldzuschüssen an die Offiziere und Aerzte des Reichs⸗ heeres und der Kaiserlichen Marine sowie an die Reichsbeamten mit Wirkung vom 1. April 1904 ab in Kraft“;
dementsprechend soll auch die Ueberschrift des Gesetzes ge⸗ ändert werden.
Referent ist der Abg. Freiherr von Richthofen⸗Dams⸗ dorf (d. kons.).
Staatssekretär des Innern, von Posadowsky⸗Wehner:
Meine Herren! Dem klaren, umfassenden und unparteiischen Vortrag des Herrn Berichterstatters habe ich nur wenig hinzuzufügen. Ich möchte zunächst bemerken, daß im Jahre 1887 uns das Servis⸗ tarifgesetz auf 10 Jahre bewilligt wurde. Daraufhin wurde im Jahre 1897 die Frist auf 5 Jahre verkürzt. Im Jahre 1902 wurden wir schließlich aufgefordert, schon mit Wirkung vom 1. April 1904 ab ein neues Servistarifgesetz vorzulegen, was auch geschehen ist. Für dieses neue Servistarifgesetz, meine Herren, will man uns, entgegen der früheren Uebung, wiederum nur eine zweijährige Geltungsfrist bewilligen.
Nun kommen hierbei ja zwei Fragen zur Geltung: einmal die Entschädigung für die Quartierleistungen, andererseits das Tarif⸗
servisgesetz als Grundlage für den Personalservis der Offiziere und für den Wohnungsgeldzuschuß der Beamten. Auf dem Gebiete der Ent⸗ schädigung für die Quartierleistungen glaube ich, obgleich die Schwere dieser Last für die Bevölkerung keineswegs zu verkennen ist — es ist aber eine Staatslast, die sich nicht vermeiden läßt —, ist doch vieles in den letzten Jahren gebessert. Ich erinnere daran, daß zunächst die Servisklasse v ganz fortgefallen ist unter einem nicht unerheblichen Opfer der Reichskasse. Ich erinnere ferner daran, daß nach diesem Gesetzentwurf die Entschädigung für die Quartierleistung für die IV. und die III. Servisklasse die gleiche ist, mit anderen Worten, daß die IV. Servisklasse dieselbe Entschädigung bekommen soll, wie die III. Servisklasse. Ich erinnere endlich daran, daß durch diesen Gesetzentwurf 205 Ortschaften höheren Tarifklassen zugewiesen werden. Ich meine also, daß für die Entschädigung der Quartierleistung recht wesentliches geschehen ist, und daß deshalb meines Erachtens kein sach⸗ liches Bedürfnis vorliegt, auf diesem Gebiete außerhalb der gesetzlichen Frist schon mit Wirkung von 1906 wiederum ein neues Quartier⸗ leistungsgesetz zu fordern.
Nach den Erörterungen in der Kommission ist das eigentlich auch nicht der Beweggrund des vorliegenden Beschlusses, sondern man will, wie das der Herr Referent ausgeführt hat, den Personalservis der Offiziere und den Wohnungsgeldzuschuß der Beamten auf eine wesentlich andere Grundlage stellen.
Demgegenüber möchte ich zunächst folgendes in Ihr Gedächtnis zurückrufen. Bei Gelegenheit der Erörterung des Gesetzes von 1897 wurde von dem hohen Hause der Beschluß gefaßt, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dahin zu wirken, daß für die Bemessung der Höhe des Wohnungsgeldzuschusses und die entsprechende Orts⸗ klasseneinteilung nicht ausschließlich die Servisklassen als maß⸗ gebend betrachtet werden, und daß demgemäß der § 3 des Reichs⸗ gesetzes vom 30. Juni 1873 geändert werde. Dieser Resolution des Reichstags sind die verbündeten Regierungen tatsächlich nach⸗ gekommen; denn wenn Sie sich die Grundsätze ansehen, die der Be⸗ gründung des Gesetzes vom Jahre 1902 beigegeben sind, so ist dort ausdrücklich gesagt: es sollten, abweichend von den bisherigen Grund⸗ sätzen, für die Zuweisung der verschiedenen Ortschaften in die einzelnen Tarifklassen auch die Mietsbeträge mit maßgebend sein. Wir haben diesem Wunsche in der Weise Rechnung getragen, daß wir fast für alle Ortschaften, für die Erhöhungsanträge gestellt wurden, und für eine große Anzahl von Beamten und Offizieren daselbst aus allen Rangklassen die von denselben tatsächlich gezahlten Mieten fest⸗ gestellt haben, und daß diese tatsächlichen Feststellungen für die Beschlüsse mit maßgebend waren, ob den Erhöhungsanträgen statt⸗ zugeben sei oder nicht. Dieses selbe Verfahren ist jetzt auch bei dem neuen Servistarif, der hier vorliegt, für fast sämtliche der höheren Klasse zugewiesenen 205 Ortschaften angewendet worden.
Meine Herren, weiter ist doch auch dadurch den Wünschen des hohen Hauses erheblich entgegengekommen, daß seinerzeit die V. Servis⸗ klasse auch für den Wohnungsgeldzuschuß und den Personalservis der Offiziere vollkommen fortgefallen ist.
Wenn also Ihre Wünsche lediglich darauf hinausgehen, den Wohnungsgeldzuschuß beziehentlich den Personalserois der Offiziere auf eine andere Grundlage zu stellen und diese Grundlage vollkommen unabhängig zu machen von denjenigen Kennzeichen, die für die Klassen⸗ einteilung für die Quartierleistung maßgebend sind, so besteht eigent⸗ lich zwischen dem jetzigen Servistarifgesetz und dem künftigen Wohnungsgeldzuschußgesetz, das Sie wünschen, gar kein innerer Zu⸗ sammenhang mehr. Im Gegenteil, meine Herren, Sie wollen ja absichtlich diese beiden gesetzgeberischen Maßregeln vollkommen unabhängig voneinander gestalten. (Sehr richtil)) — Ich freue mich, meine Herren, daß Sie das anerkennen; dann gestatten
(fr. Volksp.), dem
Staatsminister Dr. Graf
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Sie mir aber, daß ich in aller Bescheidenheit den Schluß daraus ziehe, daß es sich dann auch nicht rechtfertigen läßt, daß Sie durch Ihre Resolution diesen Gesetzentwurf und den Wunsch, schon 1906 ein neues Servisgesetz zu haben, verkoppeln mit dem weiteren Wunsche, auch ein neues Gesetz, betreff)nd den Wohnungsgeld⸗ zuschuß, vorzulegen, weil diese beiden Gebiete innerlich dann nach Ihrer eigenen Auffassung ja keinerlei Zusammenhang mehr haben sollen.
Was die Vorlage eines Wohnungsgeldgesetzes betrifft, so ist das ja, wenn man Ihrem Plane folgt, eine reine Finanzfrage, und ich nehme an, daß der Herr Staatssekretär des Reichsschatzamts die Güte haben wird, Ihnen darüber nähere Mitteilungen zu machen. Ich möchte mir aber noch eine Bemerkung dazu gestatten. Es entsprach früher den Wünschen des hohen Hauses, die Anzahl der verschiedenen Tarifklassen möglichst zu verringern, um die Anzahl der Anträge auf Versetzung in höhere Klassen ebenfalls entsprechend zu mindern. Wenn ich annehmen darf, daß Aeußerungen, die habe, Wünschen von Mitgliedern dieses hohen Hauses entsprechen, so denkt man sich die zukünftige Regelung des Wohnungsgeldzuschusses etwa in folgender Weise: Es soll für jeden Ort und für jede Beamtenklasse — etwa nach der Klasseneinteilung der Be⸗ amten, wie sie für die Gewährung von Tagegeldern besteht — festgestellt werden — ebenso natürlich auch für die Offiziere —, welche Miete tatsächlich jeder Beamte und jeder Offizier in jedem einzelnen Orte zahlt. Ferner soll demnächst durch Normalstatut festgelegt werden, welchen Wohnungsbedarf man jeder der verschiedenen Rangklassen billigerweise zusprechen kann, und dann soll durch Verbindung des normalen Wohnungsbedarfs jeder Rangklasse und der von jeder Rangklasse in jedem einzelnen Orte durchschnittlich gezahlten wirklichen Miete ermittelt werden, wie hoch der Mietspreis für jede Rangklasse und in jedem Orte pro Zimmer anzunehmen ist. Indem man schließlich den Mietspreis pro Zimmer vervielfältigt mit der Anzahl der Zimmer, die man der einzelnen Rangklasse statutarisch zugebilligt hat, soll für jede einzelne Rangklasse und für jede einzelne Ortschaft der Wohnungs⸗ geldzuschuß individuell berechnet werden, sei es, daß man den vollen errechneten Betrag gibt, sei es, daß man nur einen Prozentsatz hier⸗ von gewährt.
Meine Herren, ich befürchte, wenn man diesen Weg geht, wird man eine solche Unzahl von verschiedenen Klassen bekommen und daraus wiederum ein solches Maß von Wünschen auf Ver⸗ setzung in höhere Klassen hervorrufen, daß die Schwierigkeit, hier ausgleichende Gerechtigkeit zu üben, noch größer sein wird als bisher. Die Gründe, die uns bisher eine ablehnende Stellung ein⸗ nehmen ließen, etwas an dem bisherigen System des Personalservises der Offiziere zu ändern, habe ich bei der Generaldebatte und in der Kommission so eingehend dargelegt, daß ich glaube, mich jetzt einer Wiederholnng für überhoben halten zu können. Aber mag die Sache sein, wie sie will — es ist eine Finanzfrage, wie ich wiederhole —, so steht doch eins fest: die statistischen Vorarbeiten, die in jedem Fall gemacht werden müssen, und die wahrscheinlich im Reichsstatistischen Amt zu bewerkstelligen sein werden, erfordern bei ihrem ungeheuren Umfange eine so lange Zeit, daß ich es vorläufig in der Tat technisch und geschäftsmäßig für ausgeschlossen halte, daß man Ihnen schon mit Wirkung vom 1. April 1906 ein Gesetz vorlegen kann, das auf der von Ihnen gewünschten neuen Grundlage aufgebaut ist.
Daß eine Reform vielleicht wünschenswert ist, das will ich nicht bestreiten; sie mag auch durchgeführt werden, wenn die Mittel vor⸗ handen sind. Besonders dringend — das erkenne ich ausdrücklich an aus meiner Erfahrung in meinem eigenen Ressort — ist unzweifelhaft, vor allen Dingen den Untexbeamten einen höheren Wohnungsgeld⸗ zuschuß zu gewähren. (Zustimmung.) Wollen Sie aber diesen Wunsch erreichen, meine Herren, dann geben Sie uns auch die Zeit, daß wir die Frage eingehend prüfen und Ihre Wünsche, falls die verbündeten Regierungen einverstanden sind, und der Herr Schatzsekretär die Mittel zu erschließen vermag, verwirklichen können.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Sten gel:
Meine Herren! Ich werde mich in meinen Ausführungen wesentlich beschränken auf die Frage des Wohnungsgeldzuschusses, und da muß ich sagen: gerade was die anderweite Regelung dieser An⸗ gelegenheit anbelangt, habe auch ich gegen den Termin, welchen die Kommission Ihnen zur Inkraftsetzung einer solchen Neuregelung vor⸗ geschlagen hat, die schwersten Bedenken. Ich hatte bisher angenommen, daß schon durch die gegenwärtige Vorlage den bereits zu wiederholten Malen in früheren Sessionen von dem Reichstage geäußerten Wünschen auf eine Besserung des Beamtenwohnungsgeldzuschusses, wenn auch nicht in der äußeren Form, so doch der Sache nach hinreichend Rech⸗ nung getragen worden sei.
Wie Sie schon vorhin aus dem Munde des Herrn Staats⸗ sekretärs des Innern vernommen haben, sind die Grundsätze über die Bildung der Ortsklassen dahin geändert worden, daß den Mietspreisen in den verschiedenen Ortschaften gebührend Rechnung getragen worden ist. Dementsprechend ist denn auch gleichzeitig die Ortsklasseneinteilung anderweit geregelt und umgearbeitet worden. Daß dabei die Aenderung der Grundsätze nicht etwa nur auf dem Papier stehen geblieben, sondern daß in der Tat diese Aenderung der Grundsätze auch in die Wirklichkeit übersetzt worden ist, das ergeben die zahlreichen Ver⸗ setzungen einer Reihe von Ortschaften in eine höhere Servisklasse, und das ergibt sich insbesondere auch aus dem Umstand, daß dem im Reichstage wiederholt geäußerten Wunsche entsprechend speziell die Servisklasse A in sehr erheblichem Umfange erweitert und auf weitere Ortschaften ausgedehnt worden ist.
Nach den jüngsten Beratungen in der Budgetkommission des Reichstags kann ich mich allerdings nicht länger mehr dem Eindruck und der Ueberzeugung verschließen, daß es dem Reichstage nunmehr neben einer weitergehenden Verbesserung der Klasseneinteilung haupt⸗ sächlich zu tun ist um eine durchgreifende Umgestaltung der Wohnungs⸗ geldzuschüsse (sehr richtig!), vor allem um eine Umgestaltung der Wohnungsgeldzuschüsse in der Richtung, daß einmal zunächst den untersten Klassen, vielleicht auch noch herauf bis zu den mittleren Beamten, Rechnung getragen werden soll. Ich erkläre Ihnen hiermit, daß wir unsererseits auch gern bereit sind, einer solchen Frage der Umgestaltung des Wohnungsgeldzuschusses näher zu treten und die Vorschläge, die in der Richtung an die Regierung gelangt sind, speziell bei den Beratungen in der Kommission, in Erwägung zu ziehen und den Vorarbeiten, die diese Vorschläge dann für eine fernere
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Ausgestaltung erfordern würden, unsererseits näher zu treten. “
ich in der Presse gelesen
Dabei wird der Reichsfinan waltung die an sich sehr ch Aufgabe einigermaßen dadurch erleichtert, daß nach den Erklz die der Königlich preußische Herr Finanzminister erst jüngsten Zeit im preußischen Landtage abgegeben preußische Regierung auch ihrerseits geneigt zu sein einer Aufbesserung der untersten Beamtenklassen Wohnungsgeldzuschusses näher zu treten.
Ich bemerke indessen, daß die nähere Regelung der Angelegenhen mit nicht geringen Schwierigkeiten verknüpft ist. Es spielen dazej verschiedene Punkte mit herein. Ich erwähne zunächst einen, auf den auch der Herr Staatssekretär des Innern schon hingewiesen hat: 8 spielt da herein insbesondere die Frage einer etwaigen anderweiten Regelung des Personalservises der Offiziere, eine Frage, die jedenfalt der eingehendsten Prüfung und Erörterung bedarf, in dem Augenblich in dem wir an eine durchgreifende Neuregelung der Wohnungsgeld⸗ zuschüsse herangehen würden.
Dann ist aber noch ein weiterer sehr wichtiger Gesichtspunkt mit zu berücksichtigen, auf den auch der Herr Staatssekretär Graf von Posadowsky vorhin schon hingewiesen hat, das ist nämlich der, daß am 1. Dezember 1905 eine und daß, wenn der Frage der Vorlage eines neuen Wohnungsgeld⸗ zuschußgesetzes unsererseits näher getreten werden soll, es doch un⸗ erläßlich ist, zur Gewinnung einer sicheren Grundlage, auf der weiter aufzubauen ist, zur Gewinnung der ersten Voraussetzung, von der wir bei den weiteren Arbeiten auszugehen haben, die vorgängige Feststellung der Ergebnisse dieser Volkszählung von 1905 abzuwarten. Bevor also die Ergebnisse der Volkszählung des Jahres 1905 nicht amtlich festgestellt sind, ich wiederhole das, fehlt uns auch jede verläßliche Unterlage, auf der wir unsere weiteren Arbeiten aufbauen können. Und des⸗ wegen bin ich der Meinung, wenn das hohe Haus wünscht, daß bei der vorzunehmenden Umgestaltung der Gesetzgebung über die Wohnungs⸗ geldzuschüsse etwas Befriedigendes geschaffen werden soll, daß dann der Termin für diese nächste Revision, die der Reichstag von ung verlangt, unter keinen Umständen zu knapp bemessen werden darf. Wenn das Verlangen gestellt wurde, eine solche Gesetzgebung bereits mit dem 1. April 1906 ins Leben treten zu lassen, so erscheint unz dieser Termin unter allen Umständen als verfrüht. Wir werden unsererseits gewiß gern bemüht sein, die Arbeiten tunlichst zu fördern; aber ich glaube, wenn wir uns unsererseits dazu bereit erklären, so dürfen Sie uns auch nicht zumuten, daß wir diese große und ungemein schwierige Arbeit aufbauen auf einer Basis, von der wir uns sagen müssen, daß dieselbe in dem Moment, wo das neue Gesetz in Wirksamkeit treten soll, bereits veraltet ist.
Dazu kommt nun, meine Herren, auch noch der Kostenpunkt. Wir können diese ganze Neuregelung, welcher wir näher treten wollen, nur unternehmen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Reichs, und wie es mit der heute steht, das habe ich mir bereits in der Kommission darzulegen gestattet, und Ihr Herr Referent war auch schon so gütig, diese meine Ausführungen heute wiederzugeben. Ich kann hier nur wieder⸗ holen, wenn ganze Arbeit gemacht werden, wenn gründlich gebessert werden soll, billig wird dann die Sache nicht sein. Wir werden mit erheblichen Mehrkosten dann zu rechnen haben. Dazu kommt, daß auch noch nach anderen Richtungen — ich will nicht von Ge⸗ bieten reden, die weiter ab liegen, nur von einem ganz naheliegenden will ich reden —, daß beispielsweise auch die Resolution Gröber, auf Nr. 465 der Drucksachen, mit der wir uns heute noch zu beschäftigen haben, immerhin wiederum einige Millionen Mark Mehraufwand er⸗ fordern wird, und so kommt eben immer eins zum andern. Deswegen möchte ich heute wiederum an die Worte erinnern, die unlängst in der ersten Lesung, wenn ich nicht irre, von seiten Sr. Exzellenz des Herrn Staatssekretärs des Innern bereits an Sie gerichtet worden sind, ich möchte Sie erinnern an die Worte: „Tun Sie Geld in Ihren Beutel!“ (sehr richtig!) und verlassen Sie sich nicht zu sehr auf die Mehrein⸗ nahmen, die etwa der neue Zolltarif in den nächsten Jahren uns bringen wird! Vergessen Sie nicht, meine Herren, daß über diese Mehreinnahmen ja zum großen Teil durch das Zolltarifgesetz vom Dezember 1902 bereits zu anderen Zwecken verfügt ist. Was dann noch übrig bleibt (Zuruf links), dürfte kaum ausreichen, um auch nur das Defizit zu decken, das wir schon aus den letzten Jahren herüberzunehmen haben. Und nun könnte ja noch in Frage kommen die Inanspruchnahme der Einzelstaaten, um den Bedarf zu decken. Da möchte ich Ihnen aber doch sagen, diese Inanspruchnahme der Einzelstaaten hat namentlich hier noch ganz besonders große Bedenken. Denn übersehen Sie nicht, daß ja in den Einzelstaaten die Lage der Beamten vielfach eine ähn⸗ liche, ja teilweise sogar eine noch mißlichere ist als im Reich, und Sie werden also bei einer Gesetzgebung über eine Verbesserung der Wohnungsgeldzuschüsse der Reichsbeamten doch nicht etwa dem Ge⸗ danken folgen, daß eine solche Gesetzgebung auszuführen wäre zu Lasten derjenigen Mittel, deren die Einzelstaaten nicht entraten können, um auch ihrerseits die Lage ihrer eigenen Beamten zu verbessern.
Abg. Patzig (nl.): Wir sehen aus den letzten beiden Reden, mit welcher Hartnäckigkeit die Regierung eine Frage behandelt, die wir jetzt übers Knie brechen. Der Staatssekretär des Innern hat schon darauf hingewiesen, wie die Bewilligungsfristen immer kürzer geworden sind. So wenig haben. mich noch selten Erklärungen vom Regierungs⸗ tisch befriedigt wie die, die wir eben gehört haben. Ich muß Ver⸗ wahrung einlegen gegen das lan same Tempo, mit dem diese Frage erledigt werden soll. Ich möchte der Verwaltung einen Weg vor⸗ schlagen. Die Ziffern der Volkszählung sind für mich so wenig maßgebend, daß ich darum bitten möchte, einen tüchtigen Ober⸗ bürgermeister zu veranlassen, gangbare Wege in dieser Beziehung vorzuschlagen. Wenn das Reichsamt des Innern sich ernsthaft an die Arbeit machen will, so wird es schon gehen. Das mechanische An⸗ setzen des Wohnungsgeldzuschusses geht deshalb nicht mehr an, weil wir unseren Reichsbeamten eine ganz andere Konstruierung des Wohnungs⸗ geldzuschusses schuldig sind. Wir werden schließlich dahin kommen müssen, den Unterbeamten das Wohnungsgeld zu geben. Es muß also auf anderen Grundlagen die baldigste Loslösung der mit dieser Vorlage zusammengeschmiedeten Dinge von einander geschehen. Heute müssen wir allerdings leider, einem Zwange folgend, die Vorlage be⸗ willigen. Wir können das vor den Petenten nicht anders verantworten als wenn wir die Bewilligung nur auf zwei Jahre aussprechen. Es 1 auch anderwärts noch eine veg von Ungerechtig keiten, zumga n den thüringischen Staaten, die der bg. Süde voll ‚Raubstaaten“ genannt hat. Ich hätte doch gewünscht, daß man eine solche Bezeichnung vermieden hätte. Gewiß sind wir in einer figanziellen Zwangslage, aber mit diesen schwierigen finanziellen Ver⸗ hältnissen dürfen wir uns nicht durchhelfen. Wir müssen in der Zukunft
noch genauer untersuchen, ob wir nicht eine Million heraussparen können, ob wir nicht schon im nächsten Winter diese Sache durch⸗
scheint, der Frag⸗ 8 in Ansehung d
führen können. Nicht Sache der Kommission, sondern der Verwaltung ist es, Reformvorschläge in die Wege zu leiten ohne Rücksicht auf die
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neue Volkszählung vorgenommen wird 800
Ergebnisse der nächsten Volkszählung. „Die Beamten würden es nicht verstehen, wenn nicht wenigstens einmütig vom ganzen Reichstage an der Ziffer 1906 festgehalten würde; denn die Sache ist lange genug hinausgeschoben worden.
Präsident Graf von Ballestrem: Ich hatte in der Rede des Abg. Dr. Südekum überhört, daß er von „thüringischen Raubstaaten“ sprach. Ich muß diesen Ausdruck als durchaus unpassend und un⸗ ziemlich bezeichnen und bitte, ihn künftig zu vermeiden.
Abg. Hug (Zentr.) bespricht die mißlichen Verhältnisse der Beamten in den Einzelstaaten hinsichtlich der Wohnungsgeldzuschüsse. Man müßte bei Bemessung dieser Zuschüsse auch auf die Steuerver⸗ hältnisse der einzelnen Orte Rücksicht nehmen. Seine Freunde hätten in der Kommission ursprünglich beantragt, die nächste Revision des Servistarifs und der Klasseneinteilung der Orte mit Wirkung vom 1. April 1907 vornehmen zu lassen. Hoffentlich werde es der Re⸗ gierung schon bis 1906 gelingen, die Vorlage zu machen.
Abg. Singer (Soz.): Der Reichstag hat deshalb immer kürzere Revisionsfristen angenommen, weil die Regierungen sich einer Trennung der Wohnungsgeldzuschußfrage abgeneigt gezeigt haben. Auch heute haben wir wieder gehört, daß das Deutsche Reich für solche Zwecke kein Geld hat. Die Vorarbeiten können unmöglich so lange Zeit in Anspruch nehmen, wie die Regierung sagt, um so weniger, als die Regierung schon geprüft hat und an sich gegen ein besonderes Wohnungsgeld⸗ zuschußgesetz gar nicht ist. Alle Parteien sind einig, daß die Ver⸗ quickung beider Aufgaben unmöglich fortdauern darf, und daß die Lage der Unterbeamten bezüglich der Wohnungsfrage unerträglich ih. Das Wohnungsgeldzuschußgesetz muß grundsätzlich dahin geändert werden, daß der Maßstab nach unten zu Gunsten der Beamten prozentual erhöht wird. Am besten wäre es, im Gesetz zu bestimmen, daß von 1906 ab diese Materie durch Gesetz besonders geregelt wird. Auf einen besonderen Antrag haben wir verzichtet, wir werden für die Kommissionsvorlage stimmen, in der bestimmten Erwartung, daß der Reichstag gegenüber der Regierung nicht zurückweicht. Diese Bitte richten wir insbesondere an das Zentrum.
Abg. Eickhoff (fr. P. Ueber die Unhaltbarkeit der Ver⸗ quickung von Servistarif und ohnungsgeldzuschuß ist kein Wort mehr zu verlieren. Der Gesetzgeber hatte ursprünglich nur an einen vorübergehenden Zustand gedacht, und das Gesetz war mit einer ge⸗ wissen Hast beraten worden. Die Verbindung beider Dinge ver⸗ hindert eine gerechtere und den Bedürfnissen entsprechende Klassen⸗ einteilung der Orte. Das jetzige Gesetz kommt 1 nur den Offizieren zu gute. Nicht selten ist es im Reichstage ein Zufall, daß der eine Ort einer höheren Servisklasse zugewiesen wird. Darum müßte ganze Arbeit gemacht werden, am besten im Herbst nach unserem Wiederzusammentritt. Der §1 kommt den Beamten nicht in dem Maße zugute, wie es wünschenswert wäre. Gegen die besondere Regelung der Wohnungsgeldzuschußfrage hat die Regierung nur finanzielle Gründe angeführt. Gewiß ist unsere Finanz⸗ lage 1 günstig. Der Staatssekretär des Innern sagte: „tut Geld in den Beutel!“ ich möchte lieber sagen: „haltet die Taschen zu!“ Wie viel ungezählte Millionen sind für die Ostmarkenpolitik be⸗ willigt, deren Erfolge selbst nach der Meinung ihrer Freunde sehr zweifelhaft sind. (Zuruf des Abg. Grafen von Kanitz: Handels⸗ verträge kündigen!) Die preußische Regierung denkt gar nicht daran, für die mittleren und höheren Beamten einen höheren Wohnungsgeldzuschuß zu gewähren und für’ die anderen Beamten nur in beschräntktem Maße, wie sich aus der neulich gehaltenen Rede des Finanzministers Freiherrn von Rheinbaben deutlich ergibt. Wie soll in Berlin ein Postunterbeamter für 240 ℳ eine Wohnung finden, die seiner sozialen Stellung angemessen wäre? Selbst wenn man den Zuschuß zum Wohnungsgelde ausbauen will, so darf man wenigstens einer Reform des Wohnungeldzuschusses nicht aus dem Wege gehen. In Baden ist die Frage mustergültig
elöst; man hat viermal den Zuschuß erhöht mit Ruͤcksicht auf die rhöhung der Mietspreise. Wie die Dinge liegen, müssen auch wir diesem Gesetzentwurf zustimmen, wir lehnen aber jede Ver⸗ antwortung dafür ab, daß jetzt eine Reform dieser unendlich wichtigen Frage erfolgt. 88
Abg. Erzberger (Zentr.): Wir bitten, dem Kommissionsbeschluß
beizustimmen. Graf von Posadowsky hat sich einigermaßen über die Ver⸗ koppelung von Servistarif und Wohnungsgeld gewundert. Wir halten aber daran fest, um eine Art Druck auf die verbündeten Regierungen ausüben zu können, damit sie uns möglichst bald ein Wohnungsge d⸗ zuschußgesetz vorlegen, das den sozialen Anfordernngen entspricht. Gerade als süddeutscher Abgeordneter möchte ich es einmal aus⸗ sprechen; der Vater des Hindernisses ist das preußische Finanzministerium. Die Petitionen rühren auch fast durchweg aus preußischen Orten her, Württemberg, Bayern und Baden sind den Wünschen der Beamten entgegengekommen. Die schlechte Finanzlage der Bundesstaaten kann man, glaube ich, nicht vorführen. Was den Wohnungsgeldzuschuß selbst betrifft, so glauben wir, daß auch auf die Zahl der Unter⸗ stützungsberechtigten, auf Familienangehörige, Rücksicht genommen werden muß, daß man aber in erster Linie den unteren Beamten einen höheren Zuschuß zu geben hat.
Abg. von Staudy (d. kons.): Mit dem Abg. Patzig sage ich, baß gegenwärtige Lage wirklich recht unerquicklich ist. Wir sollen ein Gesetz verabschieden, ohne die Wünsche, die auch aus unseren Kreisen vielfältig aufgetreten sind, prüfen und berücksichtigen zu können; und guch vom sesepoeberschen Standpunkte aus ist es unerwünscht, ein so summarisches Verfahren gutzuheißen, wie es die Kommission eingeschlagen hat. Aber Kommission und Reichstag müssen die Verantwortung dafür ablehnen. Die Regierung mußte auf ein solches Verhalten des Reichstags efaßt sein.é Es besteht eben seit seinigen Jahren eine Uneinigkeit semssehln beiden Faktoren. Der Reichs⸗ tag hält es grundsätzlich für ein Unrecht, Servistarif und Wohnungs⸗ geldzuschuß von gleichem Standpunkte aus zu behandeln; inzwischen
nd ja auch einzelne Einzelstaaten zu einer besonderen Regelung des Wohnungsgeldzuschusses übergegangen. Servis und Wohnungsgeld⸗ zuschuß dürfen nicht mehr mit demselben Maßstabe gemefsen werden. Leider hat keiner der beiden Staatssekretäre eine be⸗ timmte Zusiche⸗ ung gegeben, daß mit der Ausarbeitung eines Gesetzes, wie wir es ünschen, überhaupt vorgegangen werden soll. Daß erhebliche Vor⸗ arbeiten dazu gehören, gebe ich zu, es ist auch ein gewaltiges Material u bewältigen, aber bei gutem Willen müssen diese Schwierigkeiten zu berwinden sein. Für völlig verfehlt halte ich besonders den Einwand, der daraus hergenommen worden ist, daß die nächste Volkszählung bgfwartet werden müsse. Auch wir werden den Kommissionsanträgen ustimmen, zumal nachdem zu unserer Freude auch das Zentrum sich ür den Termin von 1906 ausgesprochen hat. 8. Abg. Kirsch (Zentr.): Nach der bisherigen Debatte ist so iemlich niemand mit dem zufrieden, was aus der Kommission heraus⸗ gekommen ist. Nach dem Kommissionsvorschlag würde indessen auch eenügen, wenn uns später ein Gesetz mit Wirkung vom 1. April 906 vorgelegt wird, wie wir ja jetzt auch das vorliegende Gesetz mit Wirkung vom 1. April 1904 annehmen wollen. Die außerordentliche ahl von Petitionen, die jetzt alle im Orkus verschwinden sollen, aben alle schon 1902 vorgelegen; sie hätten wahrlich ein anderes os verdient, als der Regierung lediglich als Material überwiesen zu zerden. Redner erörtert nunmehr ausführlich die vier verschiedenen Nöglichkeiten der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung von Petitionen beantragt, die Vorlage und die Petitionen an die Kom⸗ naission zurückzugeben. Das Gesetz würde auch im Herbst ver⸗ bschledet werden konnen, und das wuͤrde dann gewiß in wesentlich erbesserter Gestalt geschehen. Abg. Götz von Ol enhusen (Zentr.) erklärt, er halte ebenfalls e Zurückverweisung für das richtigste, da das Verzeichnis der Orte, ein höhere Servisklasten versetzt werden müßten, noch viele Mängel nd Ungerechtigkeiten aufweise.
Abg. Dr. Spahn bittet demgegenüber, den Kommissionsantrag
zunehmen; die Kommission habe sehr eingehend die Sachlage ge⸗ 1r erkannt, daß sie aus sich heraus kein Wohnungsgeldgesetz
nne. Abg. von Oer en (Rp.): Meine Freunde sind der Ansicht, daß ’⸗ vorssegenne Geseh 1i- Nh-n F. nur nicht regelt, sondern noch weitere Härten schafftt. Es kann auch nicht mit so
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beschluß anzunehmen, und zwar schließe ich des Vorredners vollständig an.
Nur
großen Schwierigkeiten verbunden sein, die Materie bis 1 regeln. deutscher Staaten nachzua . Kommission, lediglich deshalb, weil wir nicht wünsch daß durch die Hinausschiebung die Wohltaten, die einzelnen Beamten zu teil werden, wieder verloren gehen; das Bessere ist der Feind des Guten.
zu * ßische Regierung brauchte nur das Vorbild anderer E Stimmen wir trotzdem für die
en können,
„Dr. Sattler: Auch ich kann nur bitten, den Kommissions⸗ Abg. Dr. Sattler mich der Argumentation
Damit schließt die Erörterung des § 1. Der Antrag
Kirsch wird mit knapper Mehrheit abgelehnt, der neue
Servistarif und der § 1 angenommen.
um § 2 empfiehlt der “ Abg. Ge iiehch, seinen vorhin mitgeteilten Antrag. die Offiziere würden nach dem Kommissionsbeschluß schon vom 1. April ab den höheren Servis erhalten, die Beamten würden aber eventuell noch ein halbes Jahr auf den höheren Wohnungsgeldzuschuß verzichten müssen, der durch die Versetzung ihres Orts in eine höhere
Klasse ihnen zustehe.
nebst der Neuklasseneinteilung wird mit dem Der Rest der Vor⸗ An⸗
Der § 2 Antrage Eickhoff angenommen. 889 lage gelangt nach den Kommissionsvorschlägen zur nahme, ebenso die Resolution.
Schluß nach 6 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. (Interpellation Auer wegen des preußischen Gesetzes,
betreffend Vertragsbruch ländlicher Arbeiter und des Gesindes, dritte Lesung der Gesetzentwürfe, betreffend afrika⸗Reichsgarantie, den Servistarif der Orte, die Kaufmannsgerichte 1u“ 2 8
Togoanleihe, Ost⸗ und die Klassenein⸗ teilung und die Re olution Gröber.) ““
Preußischer Landtag. 1 Haus der Abgeordneten. 82. Sitzung vom 15. Juni 1904, 12 Uhr.
Bei der allgemeinen Besprechung des Entwu rfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Reichsgesetze, be⸗ treffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krank⸗ heiten, vom 30. Juni 1900, über die bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, hat, nachdem der Abg. von Kölichen (kons.) die Zurückverweisung der Vorlage an die 14. Kommission beantragt hatte, in Erwiderung auf dessen Ausführungen der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten Dr. Studt die nachstehende Rede gehalten:
Meine Herren! Namens der Königlichen Staatsregierung habe ich an das hohe Haus die dringende Bitte zu richten, daß es dem Antrage des Herrn Vorredners und seiner politischen Freunde wegen einer Zurückverweisung des vorliegenden Gesetzentwurfs in die Kom⸗ mission keine Folge gebe. Eine derartige Zurückverweisung würde wahrscheinlich ein Nichtzustandekommen des Gesetzes für die gegen⸗ wärtige Session und demgemäß eine Verschiebung der Ausführung des Gesetzes bis zum nächsten Jahre zur Folge haben.
Nun hat der Herr Vorredner — und dafür bin ich ihm besonders dankbar — ausdrücklich anerkannt, daß das Gesetz selbst einem dringenden Bedürfnis entspreche, und daß, wenn ich mich der Worte richtig entsinne, eine außerordentliche Notwendigkeit für das Zustande⸗ kommen des Gesetzes vorliege. Wenn dieses Anerkenntnis richtig ist — und ich akzeptiere es settens der Königlichen Staatsregierung, habe auch den Gedanken immer vertreten, daß es nun höchste Zeit sei, endlich einmal das Gesetz zustande zu bringen —, dann erscheint es mir nicht folgerichtig, weiterhin Anträge zu stellen, die eine Ver⸗ schleppung des Zustandekommens des Gesetzes bedeuten.
Meine Herren, ich kann auch die Stichhaltigkeit der Gründe nicht anerkennen, die der Herr Vorredner zur Motivierung seiner An⸗ sicht geltend gemacht. In erster Reihe kommt in Betracht, daß der Versuch, das Gesetz in zwei Teile zu zerlegen, und zwar in ein eigent⸗ liches Ausführungsgesetz zum Reichsseuchengesetz und ferner ein Gesetz über die Bekämpfung gemeingefährlicher und ansteckender Krankheiten, soweit sie im Reichsgesetz nicht vorgesehen ist, schon in der Kom⸗ mission erörtert, aber von der Kommission in ihrer überwiegenden Mehrheit abgelehnt worden ist. Meine Herren, ich darf erläuternd noch bemerken, daß bei den ersten vorbereitenden Stadien für diesen Gesetzentwurf innerhalb der beteiligten Ressorts der gleiche Gedanke hervorgetreten ist. Es hat sich aber herausgestellt, daß eine derartige Teilung des Gesetzes die Uebersichtlichkeit nicht verbessern und den Umfang des Gesetzes nicht verringern würde; im Gegenteil, die Vor⸗ schriften würden eine erhebliche Erweiterung erfahren müssen und sich vielfach wiederholen.
Nun kommt aber noch eines hinzu. Der Gedanke des Herrn Vor⸗ redners, wenn ich ihn richtig aufgefaßt habe, geht darauf hinaus, bei einer derartigen Zweiteilung die Vorschriften des Reichsgesetzes in den Text des Ausführungsgesetzes aufzunehmen. Das widerspricht allen Grundsätzen der Gesetzestechnik. Es ist einfach unmöglich, Vor⸗ schriften eines Reichsgesetzes wörtlich in ein preußisches Gesetz auf⸗ zunehmen, schon weil der materielle Inhalt des Reichsgesetzes bei der Beratung des Ausführungsgesetzes zur sachlichen Erörterung gelangen und damit gewissermaßen eine Art von Zuständigkeit der Landesver⸗ tretung gegenüber einem Reichsgesetz konstruiert werden müßte, die in den bezüglichen Verfassungsvorschriften nicht vorgesehen ist. Dem⸗ zufolge verweist auch jedes Ausführungsgesetz zu irgend einem Reichs⸗ gesetz stets auf die Vorschriften des letzteren.
Nun aber, meine Herren, läßt sich der von dem Herrn Vorredner angedeutete Uebelstand, den ich insoweit anerkenne, als das Gesetz ziemlich umfangreich ist und vielfache Bezugnahmen enthält, durch ein einfaches Mittel beseitigen, und zwar durch den Erlaß einer Aus⸗ führungsanweisung, welche die einzelnen Gesetzesparagraphen erläutert, auch dabei den Text des Reichsgesetzes wiedergibt. Die Anweisung kann für die Amtsvorsteher und sonstigen Polizeibehörden in einem leicht verständlichen Handbuche zusammengefaßt werden. Ich sehe nicht ein, warum nicht dieser Weg auch hier beschritten werden soll, der so vielfach zur Anwendung gelangt ist, wenn es sich darum handelte, umfangreiche Gesetze für die Anwendung in der Praxis vor⸗ zubereiten. Ich habe mich namens der mirunterstehenden Verwaltung aus⸗ drücklich bereit erklärt, eine derartige Gebrauchs⸗ und Geschäftsanweisung für die nachgeordneten Behörden zu erlassen, und ich glaube, daß sie auch vollständig den Zweck erreichen wird, den der Vorschlag des Herrn Vorredners anstrebt. Ich möchte deshalb bitten, schon aus diesem Grunde den Antrag, daß die Sache noch einmal in die Kommission verwiesen werde, abzulehnen.
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Meine Herren, dann ist der Herr Vorredner auf die vermeintlichen Eingriffe zurückgekommen, welche die Bestimmungen über die Be⸗ kämpfung der Tuberkulose für das Familienleben, für Privat⸗ interessen usw. zur Folge haben wird. In bezug auf die Tuberkulose hat aber schon die Königliche Staatsregierung den Wünschen, die bei der vorjährigen Kommissionsberatung der Vorlage vorgebracht wurden im weitesten Maße Rechnung getragen. Sie hat die Anzeigepflich die für die Lungen⸗ und Kehlkopftuberkulose in verschiedenen Fällen vorgesehen war, jetzt nur auf den Todesfall beschränkt und bezüglich der Erkrankung nur dann vorgesehen, wenn ein an fortgeschrittener Lungen⸗ und Kehlkopftuberkulose Erkrankter die Wohnung wechselt Wie daraus ein schwerer Eingriff in das Familienleben sich ergeben soll, vermag ich nicht einzusehen.
Ich gestatte mir außerdem hervorzuheben, daß sowohl die Gesetz gebung ausländischer Staaten als auch anderer deutscher Bundes⸗ staaten in dieser Beziehung viel weiter geht, und daß wir uns eine Beschränkung auferlegt haben, die mit den medizinalpolizeilichen In⸗ teressen hinsichtlich der Bekämpfung der Tuberkulose gerade noch zu verantworten ist. Kurzum wir sind in der Beziehung an die äußerste Grenze der Zulässigkeit gegangen, was, wie ich glaube, auch die ärzt⸗ lichen Mitglieder dieses hohen Hauses ohne weiteres bestätigen werden. Was nun den Kostenpunkt anbetrifft, so hat der Herr Vor⸗ redner — und dafür bin ich ihm ebenfalls dankbar — zu Anfang seiner Ausführungen auch das weitgehende Entgegenkommen der König⸗ lichen Staatsregierung anerkannt. Es ist nicht leicht geworden, gegen⸗ über dem bisherigen System ein derartiges Entgegenkommen zu be⸗ weisen. Denn, meine Herren, die bestehende Gesetzgebung, sowohl das Regulativ von 1835, wie namentlich unsere Polizeigesetze, insbesondere das vom 11. März 1850, legen ohne jede Einschränkung die Auf⸗ bringung der polizeilichen Kosten und auch derjenigen Kosten, die aus der Handhabung der Gesundheitspolizei des Ortes erwachsen, den Gemeinden zur Last. Die Ausnahmen gehen nur dahin, wie sie im Reichsgesetz vorgesehen sind, daß bei Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten gewisse Kategorien von Kosten von dem betreffenden Lande übernommen werden.
Nun, meine Herren, ist ja auch ohne weiteres anerkannt worden, daß, nachdem der Herr Finanzminister Ausnahmen von diesem 8 Prinzipe für einzelne Fälle hier nachgegeben und sich damit einver⸗ standen erklärt hat, daß die Staatskasse die betreffenden Gebühren und sonstigen Kosten übernehme, damit schon ein weitgehender Schritt unternommen worden ist, denn man muß sich dabei gegen⸗ wärtig halten, daß aus den Ausnahmefällen, die jetzt nachgegeben sind, sofort weitere Konsequenzen gezogen würden. Das ist auch im vor⸗ liegenden Falle geschehen; die Konsequenzen sind in einzelnen Anträgen der Kommission schon so weit gezogen, daß die Königliche Staats⸗ regierung die Verantwortung für deren Berücksichtigung nicht über⸗ nehmen kann. Die Herren Kommissare des Herrn Finanzministers haben dies in der Kommission eingehend dargelegt. Ich beschränke mich für meine Person darauf, zu erklären, daß ich in der Tat ein weiteres Entgegenkommen nicht in Aussicht stellen kann, als es aus denjenigen Bestimmungen sich ergibt, welche im Einvernehmen mit der Königlichen Staatsregierung durch die Kommission in das Gesetz hineingebracht worden sind. Im übrigen wird dieser Punkt wohl noch den Gegenstand weiterer Erörterungen bilden.
Ich möchte aber noch konstatieren, daß das Regulativ von 1835 die Kosten der Bekämpfung ansteckender Krankheiten ohne jede Ein⸗ schränkung den betroffenen Gemeinden auferlegt, also in dieser Be⸗ ziehung in verschiedenen Punkten des Entwurfs sich schon eine ganz erhebliche Besserung des bisherigen Zustandes zu Gunsten der Gemeinden erzgibt. Weiter ist auch von ärztlicher Seite anerkannt worden, welchen wesentlichen Fortschritt die neuen Bestimmungen des vorliegenden Gesetzentwurfs über die Bekämpfung von ansteckenden Krankheiten gegenüber dem bisherigen Zustande bedeuten. Ganz abgesehen davon, daß das Re⸗ gulativ nun jetzt schon seit 70 Jahren in Geltung und auf Grund⸗ lagen aufgebaut ist, die jetzt teilweise als veraltet angesehen werden müssen, kommt noch hinzu, daß verschiedene Krankheiten darin nicht erwähnt sind, die oft eine große Ausbreitung annehmen, und bezüglich deren das bisherige Nichtvorhandensein einer Anzeigepflicht eine erheb⸗ liche Schädigung des gesamten Gesundheitszustandes des Volkes zur Folge hat; denn die Anzeigepflicht ist nach dem Regulativ nicht vor⸗ gesehen für Kindbettfieber, Genickstarre und Diphtherie, für drei Krankheiten, bezüglich deren es entschieden notwendig ist, schärfere Maßregeln zu treffen, zumal da die Entscheidungen des Kammergerichts die Möglichkeit, im Wege der Polizeiverordnung die Anzeigepflicht fest⸗ zulegen, als nicht zulässig bezeichnet haben. So bedeutet denn die ganze Vorlage, wie sie Ihnen hier unterbreitet ist, einen wesentlichen Fort⸗ schritt und diesen Fortschritt dadurch hintanzuhalten, daß die Vorlage wieder der Kommission überwiesen wird, sodaß auf diese Weise das Zustandekommen des Gesetzes für die gegenwärtige Session völlig in Frage gestellt wird, dagegen möchte ich mich erneut auf das dringendste aussprechen. Ich glaube wirklich, daß die jetzigen Be⸗ stimmungen, soweit darüber bereits ein Einverständnis besteht, eine so erhebliche Verbesserung bedeuten, daß über die anderen Bedenken wohl hinweggesehen werden kann.
Wenn im Laufe der Zeit bei der Anwendung der neuen Vor⸗ schriften sich Uebelstände herausstellen sollten, meine Herren, dann läßt sich ja später im Wege der Gesetzgebung immerhin noch Abhilfe
affen.
8 möchte ich zum Schluß noch kurz auf den Vorwurf, als ob der Uebereifer einiger Medizinalbeamten eine sehr kostspielige Hand⸗ habung und Ausführung des Gesetzes in Aussicht stelle, ein⸗ gehen. Ich glaube nicht, daß dieser Vorwurf, der all⸗ mählich Legende geworden ist, und in der Tat doch nur auf ganz vereinzelten Erscheinungen beruht, begründet ist. Ich habe mir gestattet, dem hohen Hause eine eingehende Zusammen
stellung der Ergebnisse der Berichterstattung der Provinzialbehörden über die bisherige Tätigkeit der Kreisärzte vorzulegen. Die Herren werden daraus die beruhigende Ueberzeugung entnommen haben, da
die Kreisärzte, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, voll ihre Schuldigkeit getan, die Leistungsfähigkeit der einzelnen Gemeinden ausreichend berücksichtigt und in einzelnen Fällen wirklich eine geradezu segensreiche Verbesserung der sanitären Zustände herbeigeführt haben. Ich brauche wohl auf die tatkräftige und sachgemäße Tätigkeit der
Kreismedizinal⸗ und sonstigen Medizinalbehörden der Provinz Schlesien bei der vorjährigen Ueberschwemmungsgefahr nur hinzuweisen, und ich
glaube 8g viel zu sagen, wenn ich behaupte, daß durch das recht⸗