1904 / 283 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 01 Dec 1904 18:00:01 GMT) scan diff

tritt aus der Kirchengemeinschaft usw. ve Mai 1873 einer Verkürzung der vorerwähnten Frist zu erwägen sein. Ma8

98 langt, so läßt beziehungsweise

sich würde

derselbe praktisch gar nicht er zu allerhand Schwierigkeiten anlassung geben. Er lautet: „Der Beschwerde ist wenn der betreffende Beschwerdeführer nachweist, daß er

halb einer Frist von sechs Monaten, die mit

schaft geworden ist.“ seiner Heranziehung zu Kirchensteuern überhaupt entziehen. Es also in dem Antrage eine Bestimmung vorgesehen, die Meinung nach bei der praktischen Durchführung zu den Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten führen müßte.

Meine Herren, ich habe vorhin schon gesagt, daß tatsächlich kein Bedürfnis vorliegt, eine Aenderung in dem bestehenden Besteuerungs⸗ recht herbeizuführen, wie dies auch Herr Struckmann schon angedeutet hat. Alljährlich ziehen Tausende aus einem Gebiete ins andere, aus den alten Provinzen hinaus in die neuen Provinzen und umgekehrt. Die ersteren nehmen ihren Wohnsitz in den nicht zur unierten preußischen Landeskirche gehörigen Parochien, lassen sich dort ohne weiteres zur Kirchensteuer heranziehen (tatsächlich wird auch in den neuen Provinzen dieses Besteuerungsrecht sehr prompt geübt) fast durchweg ohne Widerspruch. Die letzteren schließen sich ohne weiteres den Parochien der preußischen Landeskirche an. Wie durch Berichte der zuständigen Behörden und auch in der Denkschrift des Evangelischen Oberkirchenrats nachgewiesen ist, sind unter den mehreren tausend solcher um⸗ und neuzuziehenden Evangelischen nur etwa zwei bis drei Fälle jährlich im Durchschnitt, in denen ein Evangelischer, der aus einer Unionsgemeinde in eine lutherische oder eine reformierte Gemeinde der neuen Provinzen zieht, einen Antrag auf Be⸗ freiung von den Parochialasten stellt. Umgekehrt gilt genau dasselbe. Die aus den neuen Provinzen in die alten Pro⸗ vinzen verziehenden Evangelischen schließen sich, soweit sie Mitglieder der betreffenden Landeskirchen waren, ohne weiteres dem Parochial⸗ verbande ihres neuen Wohnsitzes im Bezirk der Union an und werden dann zu der Steuer herangezogen. In den allerseltensten Fällen unter mehreren tausend Fällen sind auch nur durchschnittlich etwa zwei jährlich ist bisher dagegen Beschwerde erhoben worden. In⸗ wieweit da also das Vorhandensein von Gewissensverletzungen be⸗ hauptet und inwieweit überhaupt hier ein Bedürfnis konstruiert werden kann, das, meine Herren, vermag ich nicht einzusehen.

Endlich, meine Herren, muß ich mein lebhaftes Bedauern aus⸗ sprechen, daß der Herr Antragsteller hier auf Fragen so ausführlich eingegangen ist, welche die inneren Konfessionsverhältnisse und die innere Interessensphäre der evangelischen Kirche so lebhaft berühren. Gerade die Argumentation, welche die besonderen Bestrebungen de sogenannten Altlutheraner verteidigen will, beweist, auf welches schwierige Gebiet man sich begibt, wenn man gesetzgeberische Vor⸗ aussetzungen schaffen will, unter denen eine Befreiung von Kirchen⸗ steuern entgegen den bisher tatsächlich bestehenden Zuständen und der allgemeinen Stimmung der Bevölkerung herbeigeführt werden soll. Ich möchte also wirklich auf das dringendste davor warnen, daß dieser Weg, den der Herr Antragsteller vorschlägt, beschritten werde. Der Herr Antragsteller möge sich, was die sogenannte Gewissensverletzung betrifft, mit dem lateinischen Svpruch

im Sinne

den zweiten Teil des Antrags des Herrn Grafen Yorck an⸗ durchführen Ver⸗ stattzugeben, inner⸗ dem ersten Tage des auf die Begründung des Wohnsitzes in der Kirchengemeinde folgenden Monats beginnt, Mitglied einer solchen Religionsgemein⸗ Nach dieser Fassung könnte also ein Steuer⸗ pflichtiger, der etwa alle fünf Monate den Wohnsitz wechselt, sich ist meiner größten

Tagung an einem anderen Orte bevorstehe zubrechen und sich bis Donnerstag 1 Uhr zu vertagen.

Das Haus ist damit einverstanden.

der heutigen Tagesordnung lagen. 3 Schluß 4 ½ Uhr. 8

Auf das vom Herrenhaus aus Anlaß seines J

Vorflutver 8—

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Huldigungstelegramm ist am Abend während des an dem außer zahlreichen Mitgliedern des Hantses des Staatsministeriums und Vertreter des Abgeordnetenhauses teilnahmen, folgendes Antworttelegramm aus Slawentzitz

gegangen:

„Mit freudiger Genugtuung habe Ich die Versicherung treuer Hingebung des Herrenhauses entgegengenommen und entbiete Ihnen und den Mitgliedern Meinen landesväterlichen Dank. Möge Gottes Segen auch fernerhin auf der dem Wohle des teuren Vaterlandes ge⸗ widmeten treuen Arbeit ruhen! i1“

Haus der Abgeordneten. Sitzung vom 30. November 1904, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Das Haus setzt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Beteiligung des Staats an der Berg⸗ werksgesellschaft Hibernia zu Herne, fort. Nach dem Abg. Gamp (freikons.), über dessen Aus⸗ führungen bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, nimmt das Wort der Ninister für Handel und Gewerbe Möl Der Herr Vorredner hat eine prinzipielle Frag wichtig genug scheint, daß ich kurz auf sie eingehe. .Er hat gemeint, die Königliche Bergwerksverwaltung in Saar⸗ brücken mache nicht dasselbe, was seitens der Privatsyndikate geschehe, daß für Ausfuhrindustrieen besondere Vergünstigungen gewährt würden. Ich möchte den Herrn Vorredner bitten, dieses heikle Thema nicht weiter zu verfolgen. Wer weiß, wie empfindlich viele große Staaten sind, nach denen wir exportieren, der wird wissen, daß es geradezu ausgeschlossen ist für die Staatsverwaltung, einen solchen Weg zu gehen. Im übrigen aber kann der Herr Vorredner durchaus beruhig sein. Wir haben bereits von jeher für die Glashütten im Saar⸗ brücker Revier besondere Rücksichten walten lassen, indem wir für bestimmte Kohlensorten, die für sie geeignet sind, besonders billige Preise stellen. Wir erkennen die schwierige Lage der Saarbrücker Glasindustrie an, die sich weit vom Meere befindet, weite Transport⸗ wege hat, überhaupt am äußersten westlichen Ende des Reiches liegt und für den deutschen Konsum auch große Frachten zu tragen hat. Daß für diese Industrie ausnahmsweise gesorgt werden muß, er⸗ kennen wir an. Ich werde es mir zur Aufgabe machen, noch einmal zu prüfen, ob hier nochmals Rücksicht genommen werden muß. Ich möchte dem Herrn Vorredner aber auch noch bei dieser Ge⸗ legenheit sagen und damit widerlegen, was verschiedene andere Redner gesagt haben, daß die kaufmännische Leitung in Saarbrücken mangel⸗ haft wäre. Wir haben, wenigstens solange ich die Sache übersehe, durchaus Rücksicht genommen auf industrielle Notstände. Ich habe im Jahre 1902 ausdrücklich angeordnet, daß die Kokskohlenpreise

ler: e berührt, die mir

trösten: volenti non fit injuria. Wenn Tausende alljährlich sich mit dem gegenwärtigen Zustande abfinden und Kirchensteuer zahlen, so brauchte der Herr Graf Yorck nicht der wenigen wegen, die sich aus irgend einem Grunde dagegen sträuben, einen Zusatz zu dem Gesetz verlangen, der sich mit seiner Grundlage nicht verträgt. Meine Herren, ich habe mir schon zu Anfang meiner Ausführungen hervorzuheben gestattet, daß die beiden dem hohen Hause vorliegenden Gesetz⸗ entwürfe fowohl für die evangelische, als für die katholische Kirche in ngem Zusammenhang stehen, weil beide nach denselben Grundsätzen und auf derselben Grundlage ausgearbeitet sind. Die gleichen Grundsätze sollen auch in den neuen Landesteilen zur Anwendung sobald die Synoden der neuen Provinzen sich mit den Kirchengesetzen einverstanden erklärt haben werden. Dieses gesetzgeberische Vorgehen entspricht den Wünschen sowohl der evangelischen Landeskirche, wie der katholischen Kirche, und ist also ein Friedenswerk im eminentesten Sinne des Wortes. Wenn die Be⸗ stimmungen Gesetzeskraft erhalten, werden so Gott will, dazu bei⸗ tragen, den Geist konfessionellen Friedens in weiten Kreisen der Be⸗ völkerung zu stärken. Meine Herren, lassen Sie mich an das hohe Haus, das alle Zeit bereitwillig und verständnisvoll gerade auch den im kirchlichen Interesse vorgelegten Gesetzentwürfen dankenswertes Ent⸗ gegenkommen bewiesen hat, den Appell richten, auch im vorliegenden Falle und gerade an dem heutigen Jubiläumstage dieses hohen Hauses in diesem Sinne Beschluß zu fassen. Sie können versichert sein, daß Ihre wertvolle Unterstützung in dieser wichtigen Angelegenheit einen guten und dem Vaterlande sowohl wie den beteiligten Kirchen zum Segen gereichenden Markstein in der Geschichte des hohen Hauses bilden wird. (Bravo!)

Oberhofprediger D. Dryander: Es gibt 14 altlutherische Kirchengemeinden außer der lutherischen Landeskirche. Diese haben sich egenseitig in den Bann getan; und jede erhebt den Anspruch, als Nachfolgerin der ehemaligen lutherischen preußischen Landeskirche betrachtet zu werden. Damit erledigt sich wohl ihre Prätension gegenüber der Union, wie sie eine zu diesem Gegenstande vorliegende I zum Ausdruck bringt. Wenn Herr Dr. Loening gesagt at, durch die Besteuerung würden Austretende formell in der Kirche festgehalten, so muß ich das bestreiten; er muß nur zahlen; zur Kirche gehört er nicht mehr. Nun bin ich, allgemein gesprochen, der Ansicht, wer bewußt den Weg zur Freikirche verfolgt, schädigt die Landeskirche, und darum ist jedes Vorgehen unannehmbar, das den Begriff der Volkskirche durch eine Hinneigung zur Freikirche in Frage stellt. (Der Präsident läutet, um Rube zu schaffen. Der Redner fragt: soll ich mich kurz fassen? was der Präsident verneint.) Ich würde mich einem Antrage anschließen können, der etwa die Frist der Haft⸗ barkeit nach dem Austritt entweder in Wegfall bringen oder ein⸗ schränken wollte. Die Haftbarkeit ist ja eingestellt worden, weil man agitatorischen Austritten begegnen wollte. Aber eine solche Aenderung mußte in einem außerordentlich komplizierten Geschäftsgange durch eine Aenderung des Kirchengesetzes vorgenommen werden. In ein Steuergesetz gehört sie nicht, und darum bitte ich um Ablehnung des Antrages Graf Yorck.

Präsident Fürst zu Inn⸗ und Knyphausen schlägt vor, bei der vorgerückten Zeit und da noch eine fernere

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ganz erheblich herabgesetzt wurden, entgegen der allgemeinen Markt⸗ lage, weil ich anerkannte, daß die Hochofenindustrie in jener Zeit sich in einer Notlage befand. Den gleichen Schritt habe ich in Ober⸗ schlesien tun lassen, ebgleich die Privatindustrie nicht mittat.

Ich will dies hier nur ausführen, um zu zeigen, daß, wenn wir zu der Ueberzeugung kommen, daß bestimmte Industrieen in Notlage sind, wir dieser Notlage stets Rechnung tragen.

Abg. von Eynern (nl.): Ich will alles weglassen, was eine pitze gegen den Minister sein könnte, ich will nicht angreifen, ondern nur zurückweisen, was durch Tatsachen in den Ausführungen des Ministers zurückzuweisen ist. In der Hibernia ist ein Werk

eschaffen worden, auf das die deutsche Industrie stolz sein kann.

ie Leiter haben in diesem Werke ihre Lebensaufgabe erfüllt. Nur durch Privatwirtschaft kann dieses Werk auf seiner Höhe erhalten werden, und daher ist der entschiedene Widerstand gegen die

Verstaatlichung begreiflich. Würde man uns nachweisen, daß die Verstaatlichung zum Allgemeinwohl notwendig sei, so hätten wir diesem Widerstand nichts entgegensetzen können. Bei der Verstaatlichung der Bergisch⸗Märkischen Bahn habe ich eine sehr einflußreiche Stellung aufgegeben. Wenn Herr Gamp für Ent⸗ schädigung der Aufsichtsräte eintritt, so habe ich zu erwidern, daß Aufsichtsräte Entschädigungen nur zu nehmen gewohnt sind, wenn sie dafür arbeiten. Der Minister sagt, die Aufsichtsräte wollten ihre fetten Pfründen nicht aufgeben; man könne nicht so naiv sein, jemandem das zuzutrauen. Nun, der Minister Mavbach ist so naiv gewesen und hat Erfolg gehabt. Herr Möller ist nicht so naiv und hat keinen Erfolg. Der Minister hat zwar die Beleidigung zurückgenommen, aber sie durfte doch nicht ohne Erwiderung bleiben. Die Namen der Aufsichtsräte der Hibernia (die der Redner alle einzeln aufzählt) bns doch über ganz Deutschland als ehrenvoll bekannt. Der Minister Möller war vor seinem Amtsantritt Mitglied vieler erfolg⸗ reicher Aufsichtsräte, ich glaube nicht, daß er diese seine Stellungen so aufgefaßt hat. Die Aktionäre sollten durch eine Börsenaktion über⸗ rumpelt werden; es ist erklärlich, daß bei der weiten Verbreitung des Aktienbesitzes 12 eine große Erbitterung entstand. Ein Teil der Aktien hat von dem Vater auf den Sohn und Enkel vererbt und ist in festen Händen. Der Minister sagte, der Aufsichtsrat der

ibernia habe mit der Regierung in Verhandlungen eintreten wollen. Will man in Verhandlungen eintreten, so gehört dazu die An⸗ erkennung des beiderseitigen Rechts. Die „Post“ wirft der Re⸗ gierung hier eine Finanzoperation vor, die den unlauteren Wettbewerb

die Sitzung ab⸗

Tagesordnung der nächsten Sitzung: Vereidigung, Rest ältnisse, kleinere Vor⸗ u

ubilãäums an Seine Majestät den Kaiser und König gesandte estdiners, Mitglieder

an den Präsidenten Fürsten zu Inn⸗ und Knyphausen ein⸗

8

8 Minister sagt, er verstände, kaufmännische Geschäfte zu machen, so erlaube ich mir zu bemerken, daß meine kaufmännische Er⸗ ziehung eine andere gewesen ist. Die Dresdner Bank hätte unter Umständen einen Gewinn von 20 Millionen Mark machen können. Die Erhöhung des Aktienkapitals um 6 ½ Millionen Mark war in der Verwaltung der Hibernia schon bevor die Ver⸗ staatlichungsofferte bekannt war; sie war bestimmt zur Ausgestaltung des Werkes; es waren nach dem Protokoll der Generalversammlung für 5 Millionen Neuanlagen, elektrische Anlagen, Grunderwerb usw. im Jahre 1905 geplant. Als in der Verwaltung der Beschluß darüber gefaßt wurde, hatte noch kein Mensch eine Ahnung von dem Ankauf von Aktien zum Zweck der Verstaatlichung. Ich habe selbst gesagt, daß nach den bindenden Erklärungen an eine Verstaatlichung nicht zu denken war, als die Aufkäufe der Dresdner Bank stattfanden. In der Klageschrift des Staats vor dem Reichsgericht wird be⸗ hauptet, daß die Erhöhung des Kapitals um 6 Millionen nur den Zweck der Sicherung der Machtstellung der Majorität gehabt habe, was nach der Gesetzgebung unzulässig sei. Durch Vernehmung der einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrats ist festzustellen, daß diese Auf⸗ fassung tatsächlich unrichtig ist. Die Deutsche Bank hat eine Be⸗ teiligung abgelehnt und gesagt, solches Geld nehme sie nicht; die Handelsgesellschaft hat dasselbe gesagt; auch andere haben gesagt: Solche Geschäfte machen wir nicht. Als ich zuerst von der Offerte des Staats hörte, telegraphierte ich sofort: „Ich hoffe auf Ablehnung jeder Vereinbarung mit der Dresdner Bank und Ablehnung der Tei⸗ lung des Raubes.“ Das Kohlensyndikat hat selbst dem Minister die Teilnahme an dem Syndikat angeboten; der Minister hat aber die Beteiligung abgelehnt; jetzt will er durch die Hibernia hinein. Was für ein Einfluß sollte der Einfluß der staatlichen Beamten auf das Syndikat denn sein, wenn sie nicht auf die Preisbildung Einfluß haben sollen, wie der Minister selbst sagt? Das Syndikat dient doch gerade der Preisfeststellung, das ist seine Tendenz. Wenn dabei die Staatsbeamten nicht mitwirken sollen, was hat dann die ganze Beteiligung des Staats für einen Zweck? Oder will der Minister die Hibernia kaufen, um den eigenen Bedarf der Eisenbahnen zu decken? Das wäre erklärlich, aber der Staat braucht an westfälischen Kohlen nur 2 107 000 t, die Hibernia produziert aber 5 Millionen Tonnen. Mit dem übrig bleibenden Quantum müßte der Staat also dem Syndikat beitreten, und dann müßte er auch an der Preisgestaltung mit⸗ wirken. Der Minister will die Fusionen verhindern, aber die Fusion von Gelsenkirchen ist erst infolge dieser Verstaatlichungs⸗ aktion perfekt geworden. Der Prozeß der Verschmelzung von Kohlen⸗ und Eisenwerken wird forkdauern, denn sonst würden wir gegen England und Amerika ins Hintertreffen kommen. Nun soll darin mit einem Male eine Wendung herbeigeführt werden. Billiger werden die Preise aber durch die Verstaatlichung nicht werden, denn der Staat nützt alle seine Werke in fiskalischem Sinne aus. Der Redner führt sodann, während das Haus, das bis dahin seinen Ausführungen aufmerksam gefolgt ist, immer unruhiger wird, aus, daß die Privat⸗ gesellschaft Hibernia schon ihrerseits alles tue zur Bekämpfung der Sozialdemokratie, zur Unterdrückung der Wurmkrankheit und für alle Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen. Wie der Staat dagegen verwalte, sehe man z. B. daran, wie gsam die Beseitigung der Niveauüber⸗ gänge bei den Eisenbahnen vorn sich gehe. Minister für Handel und Gewerbe Möllerr: Meine Herren! Der Herr Vorredner hat im Eingang seiner Rede gesagt, er wolle mit aller Ruhe sprechen. Das hat er allerdings getan, und er hat mir mit einer Ruhe seine Mißachtung ausgesprochen persönlich in einer Weise, wie es, glaube ich, in diesem hohen Hause noch niemals einem Staatsminister gegenüber geschehen ist. (Sehr richtig! rechts.) Ich muß mich in der Tat wundern, daß diese An⸗ gelegenheit dem Herrn Abg. von Eynern Anlaß zu einem so unerhörten Vorgehen gegeben hat. (Sehr richtig! rechts.) Der Herr Abg. von Eynern hat eine Menge gebracht. Es würde zu weit führen, wenn ich sie widern wollte. Er hat seine Rede damit begonnen, ich hätte in allen Punkten die Verwaltung der Hibernia angegriffen. Ich wüßte nicht, wo ich das getan haben sollte. Der einzige Punkt, den habe ich gestern schon berührt —, war der, daß ich geredet habe über die Aufsichts⸗ räte und die Bankiers der Gesellschaft, von denen ich nicht annehmen könne, daß sie willig auf mein Anerbieten eingegangen wären, weil es ihrem persönlichen Vorteil widersprochen hätte. Ich will Ihnen das unkorrigierte Stenogramm nochmals in der betreffenden Stelle vor⸗ legen, und werde dann an dieses Haus appellieren, ob überhaupt eine Beleidigung für die Herren darin liegen könnte. Ich habe gesprochen von dem Vorstand und den Bankiers und habe zunächst von den Bankiers gesagt: Wenn ich ihnen gesagt hätte, meine Herren, ich halte es nach der Staatsräson für notwendig, daß ich die Hibernia für den Staat erwerbe, es tut mir ungeheuer leid, daß ich euch eure besten Bank⸗ kunden nehmen muß, daß ich euch persönlich eine fette Aufsichtsrats⸗ pfründe nehmen muß meine Herren, wäre es menschlich wahr⸗ scheinlich, wäre es möglich gewesen, daß die Herren freudig gesagt hätten: alles dies wollen wir, weil du es uns sagst, freudig auf dem Altar des Vaterlandes opfern? Meine Herren, liegt darin eine Beleidigung? (Lebhafte Rufe: nein!) Ich bin dann fortgefahren: Ich glaube: das wäre im höchsten Grade unwahrscheinlich gewesen, und ich glaube, daß der Skeptizismus, mit dem ich an diese An gelegenheit herangetreten war, durchaus begründet war. Ich habe dann gestern schon ausgeführt: es wäre ja eine entfernte Möglichkeit, daß die Herren das uͤbel nehmen, und wenn sie das übel nehmen, so spräche ich es ausdrücklich aus: jede Absicht der Beleidigung hätte mir ferngelegen. Es ist nur eine logische Entwicklung dessen ge⸗ wesen, was ich getan habe zum Beweise dafür, warum ich so gehandelt habe, und ich habe sogar ausgesprochen: ich nehme den ganzen Passus zurück. Ich wiederhole das hiermit und halte diese Angelegenheit damit für erledigt. Eine Beleidigung kann ich darin aber wirklich nicht sehen. (Rufe: Nein!) Dann hat der Herr Vorredner mir eine Beteiligung an mehr⸗ fachen Preßäußerungen vorgeworfen, trotzdem ich gestern ganz aus⸗ drücklich gesagt habe: außer der Erklärung in der „Berliner

Falschheiten vor⸗ im einzelnen er⸗

in der Börsenspekulation fördern könne. Der Minister stellt Be⸗ trachtungen an über die Köpfe von Staatsmännern und von Aufsichts⸗ räten, wie er einer früher war. Das Gefahrlichste für einen Minister sind pspchologische Irrtümer. Die Sache erinnert mich an die Ge⸗ schichte von dem Müller von Sanssouci: Es gibt noch Richter in Preußen. Es ist auch das Gericht in dieser Sache angerufen worden. Die „Kreuzzeitung“ hat berichtet, daß der Minister diese Verstaatlichungs⸗ sache persönlich geleitet habe. Nachdem der Staat sich verpflichtet hat, der Prozeßkosten zu tragen, glaube ich auch, daß er selbst die Prozesse eingeleitet hat. Der Minister hat alle diese Prozesse verloren, und die Steuerzahler werden ein nettes Sümmchen an Prozeßkosten zu zohlen haben. Der Minister spricht von einem Trotztrust, man köͤnate auch Schutz⸗ und Trutztrust sagen, aber solche Witze sind nicht erlaubt gegen Männer, die dafür arbeiten, daß die wirtschaftliche Entwickelung des Landes nicht in sozialdemokratische Hände gelangt. Die Regierung wird weiter verstaatlichen, wenn nicht aus wirtschaftlichen und

politischen Gründen, so doch aus fiskalischen Gründen, und wer noch eCags zu verstaatlichen hat, sollte seine Türen mit eigenen zuschließen.

Schlüsseln

Gründe sind wohlfeiler wie Brombeeren. Wenn der

Korrespondenz“ ist nicht ein einziges Schriftstück aus meinem Ministerium in die Presse berausgegangen; ich habe dagegen zahl⸗ reichen Vertretern der Presse, und darunter Vertretern der Presse, die sonst niemals meine Freunde sind, wenn sie zu mir gekommen sind, Auskunft gegeben. Das habe ich getan, und selbstverständlich sind auf Grund solcher Auskünfte mehrfache Artikel erschienen. Ich bin für den Wortlaut dieser Artikel in keiner Weise verantwortlich; ich habe den Herren gesagt: ich bäte aber um jeden Preis, daß sie die Sache nicht so hinstellten, als ob die Artikel von mir irgendwie beeinflußt wären; ich könne ihnen nur meine Meinung aussprechen, und ich habe immer nur den Herren gesagt: wenn sie überhaupt schreiben wollten, dann allerdings würde es nützlich sein, auf die Ge⸗ fahren hinzuweisen, die heraufbeschwört würden durch eine Opposition,

wie solche gemacht ist.

zum Deutschen Reichsan

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Das habe ich gestern ausgesprochen und wiederhole es auch heute. Es sind das keine Drohungen gewesen. Ich weise es ausdrücklich zurück: ich habe nicht gedroht. Der Herr Abg. von Eynern hätte sich daher die langen Ausführungen, die er über diesen Gegenstand gemacht hat, füglich sparen können. Sehr richtig!) 8

Dann hat Herr von Eynern beanstandet, ich hätte die Prozesse geleitet. Meine Herren, wie lag die Sache? Ich habe der Dresdner Bank ich habe den einen Brief ja vorgelesen gesagt: ich ver⸗ pflichte mich, eine Vorlage zu machen, wenn du mir die genügende Zahl Aktien schaffst zunächst um die Verstaatlichung durch⸗ zuführen —; bei dem zweiten Schreiben: wenn du mir eine Mehr⸗ heit schaffst.

Meine Herren, der ganze Vertrag mit der Dresdner Bank wurde für die Dresdner Bank ja hinfällig, wenn sie diese Bedingung nicht erfüllte. Sie mußte beinahe für ihre Existenz kämpfen, um zu erreichen, daß sie die Mehrheit bekam. Ich konnte ihr dabei doch unmöglich in den Arm fallen, wenn sie Prozesse führen wollte. Ich habe aber in keiner Weise an der Instruktion teilgenommen; ich habe die Instruktion zum großen Teil gar nicht mal gekannt und habe ausdrücklich gebeten, mich damit zu verschonen; denn ich wollte keine Verantwortlichkeit dafür übernehmen, und ich meine, ich brauche auch keine Verantwortung dafür zu übernehmen.

Dann hat der Herr Abgeordnete es weiterhin hingestellt als eine ganz ungeheuerliche Tat von mir, daß ich der Dresdner Bank die Möglichkeit geboten hätte, die Differenz zwischen den Kursen von 196 und 240 einzustreichen. Er hat dabei eine recht gruselige Zahl her⸗ ausgerechnet, die in die Tasche der habgierigen Bank hätte fließen sollen. Herr von Eynern würde gerade so wenig wie ich erwartet haben, daß die Dresdner Bank oder alle Banken Deutschlands zu⸗ sammengenommen die Aktien zu 196 hätten kaufen können. Daß der Kurs alsbald steigen würde, war ganz naturgemäß; ein gutes Bei⸗ spiel dafür, daß auf ähnlichen Gebieten sich ganz ähnliches vollzogen hat, bietet die Preissteigerung der Gelsenkirchener Aktien in den Monaten vorher. Ich erinnere Herrn von Eynern daran, daß er bei mir ge⸗ wesen ist und mich gefragt hat ich weiß nicht, ob es im April

der Mai war (Zuruf des Abg. von Eynern: am 5. Mai!)

Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember wir akzeptieren es nicht. Irgend einen Ton der Mißachtung, wie er in den Aeußerungen des Herrn von Eynern lag, mir gegenüber, hat Herr Schwabach nicht gebraucht, und ich stehe mit dem Herrn General⸗ konsul Schwabach heute gerade so freundschaftlich, wie ich je mit ihm gestanden habe.

Meine Herren, der Abg. von Eynern hat bei der Besprechung der Beeinflussung der Banken mehrfach Ausdrücke gebraucht, die in der Tat so weitgehende sind, daß ich sie in schärfster Weise zurückweisen muß. Das Wort, daß sie sich weigerten, Bestechungsgelder zu nehmen, habe ich schon zurückgewiesen. Aber den weiteren Ausdruck, den er brauchte, sie lehnten eine Teilung des Raubes ab, ist auch in der Tat ein höchst ungewöhnlicher und ungehöriger. Es ist von Teilung des Raubes gar keine Rede gewesen, sondern die Tatsachen haben bewiesen, daß der Durchschnittskurs, der genannt ist, ein angemessener war. Bei ähnlichen Aufkäufen von Aktien sind die Aktien auch in ähn⸗ licher Weise gestiegen. Wenn der Kauf von bestimmten Aktien durch⸗ gesetzt werden soll, so steigen die Aktien rapide. Wer diese Dinge an den Börsen verfolgt man hat auch gegenwärtig wieder Gelegen⸗ heit, solche Dinge zu verfolgen —, der weiß, wie solche Steigerungen, wenn einmal Meinung vorhanden ist, in rascher Weise entstehen.

Meine Herren, die Behauptung, daß die Aktionäre benachteiligt, daß schwere Vermögensverluste herbeigeführt sein sollen, heißt doch die Sache vollkommen auf den Kopf stellen. (Sehr richtig! rechts.) Niemand hat Geld verloren, sondern manche haben nicht so viel ver⸗ dient, wie sie nachher hätten verdienen können. (Sehr wahr! rechts. Große Heiterkeit.)

Meine Herren, dann darf ich noch auf einige weitere Bemerkungen eingehen, die ich lediglich berichtigen will. Herr von Eynern sagt, der Eintritt ins Syndikat sei mir angeboten. Die Sache ist ja in der Presse genügend ausgetragen; man hat sich schließlich dahin zurückgeschnitten, mir zu sagen, man hätte mir ein Vetorecht an⸗ geboten. Wenn dieses Vetorecht mir überhaupt ernsthaft angeboten worden wäre ich habe es nicht ernsthaft aufgefaßt, weil ich den Herren von vornherein gesagt habe: es kann überhaupt von einer Verhandlung über den Eintritt ins Syndikat mit Gladbeck nicht die Rede sein, da ich im Abgeordnetenhause die positive Er⸗ klärung abgegeben habe, daß wir nicht eintreten werden, und ohne eine Entlastung durch das hohe Haus kann ich nicht eintreten; darum kann ich auch nicht verhandeln. Wenn dann nachher in einer Unter⸗

gut! ich weiß das Datum nicht, Sie haben die Sache nicht erzählt. Sie haben mich gefragt ich weiß nicht in welchem Auftrage —, ob ich an eine Verstaatlichung dächte, und haben mir dabei erzählt von den Aufkäufen, die in Gelsenkirchener Aktien gemacht wären. Meine erren, ich habe ihm da mit dem vollen Brustton der Ueberzeugung, der innersten eigenen Ueberzeugung antworten können: ich denke nicht an eine Verstaatlichung der Aktien von Gelsenkirchen. Ich stehe voll⸗ ständig auf dem Standpunkte, den ich bisher eingenommen habe: ich halte es noch nicht für nötig einzugreifen. Dann hat mich aber diese Anfrage des Herrn von Eynern doch in hohem Grade stutzig gemacht, (sehr richtig! rechts) und ich habe an

meine Behörden in der Provinz Auftrag gegeben, ihre Ohren nach

allen Richtungen aufzusperren, was denn los wäre. Da sind all⸗ mählich die Nachrichten eingelaufen, zunächst Gerüchte, die sich aber immer mehr verdichtet haben, allerdings immer nur Gerüchte, und diese Gerüchte gingen allerdings dahin, daß die Aufkäufe in Gelsen⸗ irchener Aktien zusammenhingen mit beabsichtigten Fusionen, und es wurden verschiedene Werke genannt, auch ein Werk, das jetzt nicht mitfusioniert ist. Als dann auch weiterhin die Fusion der Harpener Gesellschaft mit der Reederei Kannengießer und der Tauerei sich voll⸗ zog, da trat für mich der Moment ein, wo ich allerdings mich für verpflichtet hielt, den Herrn Finanzminister darauf aufmerksam zu machen, daß jetzt die Zeit gekommen wäre, wo wir uns überlegen müßten, ob wir nicht zugreifen wollten, wenn wir uns überhaupt je einen Einfluß im Kohlensyndikat sichern wollten. (Abg. Krawinkel: Bravo!) Und, meine Herren, ich glaube, ich habe im Interesse der großen Mehrheit dieses Hauses und im Interesse des Staats ge⸗ handelt, wenn ich gehandelt habe, wie ich es tat.

Dann hat der Herr Abg. von Eynern weiterhin gesagt, es sei eine ungeheuerliche Zumutung gewesen, die ich den Banken gestellt hätte, sie gewissermaßen zu verführen, zu bestechen, wie er sich ausdrückte, um gegen ihre eigenen Kunden illoval zu verfahren, ihre eigenen Kunden, die die Aktien bei ihnen deponiert hatten. Das soll ich den Banken zumuten, ihre Kunden sollten sie verführen, zu billigen Preisen ihre Aktien herzugeben, um sie zu hohen Preisen einzuführen! Nein, meine Herren, daran habe ich gar nicht gedacht, sondern ich bin fest überzeugt gewesen, daß überhaupt eine derartige große Aktion nur durchzuführen sei in Gemeinschaft mit den großen Banken, und die ersten Eisenbahnverstaatlichungen sind samt und sonders auch in Ge⸗ meinschaft mit den großen Banken durchgeführt worden. Ich erinnere nur an ein geflügelt gewordenes Wort von dem Herrn Minister Mavybach aus der damaligen Zeit von dem Giftbaum der Börse, das gefallen ist, als er nicht damit einverstanden war, wie die damaligen Banken sich zuweilen zusammenschlossen, um einen höheren Preis zu bekommen, als der Herr Minister Mavbach sich gedacht hatte.

Meine Herren, dann hat der Abg. von Eynern auch über die Verhandlungen gesprochen, die stattgefunden haben zwischen der Dresdner Bank und den verschiedenen Banken, die aufgefordert werden sollten. Ich habe diese Verhandlungen nicht geführt, ich habe mir nur berichten lassen, und meine Berichte stimmen mit dem, was der Abg. von Eynern hier ausgeführt hat, nicht überein. Ich halte es für nicht am Platze, derartige persönliche Berichte hier in scharfen Gegensatz zu stellen, ich widerspreche nur ausdrücklich der Version, die der Herr Abg. von Eynern gegeben hat.

Auf eine Aeußerung nur muß ich zurückkommen, trotzdem sie eine Person betrifft, die ich in allerhöchstem Maße hochschätze, und die ich in hohem Maße bedaure, hier persönlich mit hereinziehen zu müssen, das ist der Generalkonsul Schwabach, der angeblich mir gesagt haben soll, auf solche Geschäfte ginge er nicht ein. Meine Herren, er hat mir lediglich gesagt: wir können das Geschäft nicht

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haltung, die trotzdem geführt worden

ist, beiläuftg diese Sache gestreift ist, so kann mir nicht zugemutet werden, daß ich sie als ein ernst⸗ haftes Angebot ansehen sollte. Außerdem wäre die Gewährung eines Vetorechts für den Staat nichts als eine Abwälzung der Ver⸗ antwortlichkeit für Preissteigerungen auf den Staat gewesen (sehr richtig!), und die würde ich niemals akzeptiert haben; denn von einer Einwirkung auf Preisermäßigungen, die etwa notwendig wären, ist auch nach der Version des Generaldirektors Kirdorf nicht die Rede. Dann hat der Herr Abg. von Eynern noch von Widersprüchen gesprochen, in die ich mich verwickelt hätte, daß ich auf die Preis⸗ bildung keinen Einfluß haben und doch ins Syndikat eintreten wollte. Wenn Herr von Eynern die Güte gehabt hätte, meinen gestrigen Aus⸗ führungen besser zuzuhören, wäre ihm dieser Irrtum nicht passiert. Ich habe gestern ganz ausdrücklich ausgeführt: ich perhorresziere für den Staat die Verantwortlichkeit, für die Gesamtpreisbildung; und habe weiter ausgeführt, daß ich es für richtiger halte, daß die Ge⸗ samtpreisbildung durch die Einflüsse des Weltmarktes erfolge und nicht willkürlich; das etwa sind meine Ausführungen gewesen. Aber daß ich es für nützlicher halte, im Syndikat gelegentlich einen guten Rat zu geben, zur Mäßigung zu reden, das habe ich als etwas Vernünftiges und auch als etwas für das Syndikat selbst Nütz⸗ liches bezeichnet. Der jetzige Vertreter des Syndikats hat sich immer mit Recht etwas darauf zu gute getan, ein Vertreter des gemäßigten Prinzips zu sein, und er hat zweifellos häufig mit minder gemäßigten Elementen im Syndikat zu kämpfen gehabt. Ich habe gestern nur gesagt, es könnte diesen ruhigen, staatsmännisch veranlagten Elementen nur nützlich sein, wenn sie in den Vertretern des Staates eine ruhige Beihilfe hätten. Ich habe es abgelehnt, die Verantwortung für das gesamte Syndikat haben zu wollen, und ich habe gesagt, sei voll⸗ ständig ausreichend, wenn ich mit dem bescheidenen Anteil, den Hibernia im Svndikat hat, meinen guten Rat erteilen könnte. Und, meine Herren, das halte ich auch jetzt noch aufrecht. Dann möchte ich den Herrn Abg. von Eynern nur ganz neben⸗ sächlich auf einige recht verfehlte Beispiele aufmerksam machen, die er gebraucht hat, um die Verderblichkeit des Staatsbetriebes darzulegen. Er hat gesagt, daß bei den Eisenbahnen die Beseitigung der Niveau⸗ übergänge 1 ½ Milliarden kesten würde, und ich habe es so auffassen müssen, als wenn der Abg. von Eynern der Meinung wäre, das sei Schuld der Stäaatsverwaltung. Meine Herren, wenn der Herr Abg. von Evnern besser unterrichtet wäre über die Geschichte der Entstehung der Eisenbahnen in den verschiedenen Ländern, dann wäre er nicht in den Irrtum verfallen; er würde gewußt haben, daß z. B. in England nach der Konstitution keine Eisenbahnkonzession erteilt werden darf, ohne daß das Parlament die Genehmigung dazu gegeben hat, und das englische Parlament hat Anfang an den Grundsatz ausgesprochen, daß es in der Nähe irgend eines Ortes einen Niveauübergang nicht duldet. Infolgedessen ist das Kilometer Eisenbahn in England von Anfang an um das Vielfache teurer gekommen als in Deutschland,

und ich habe bei 1

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von

früheren Gelegenheiten, als ich noch Mitglied der Eisenbahnen nicht in der wohlhabenden Verfassung gewesen seien,

wieder gut zu machen. Aber, meine Herren, dafür kann

Evnern die Staatsverwaltung nicht

zeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger

dieses hohen Hauses und Berichterstatter für den Eisenbahnetat war, Ihnen einmal ausgeführt, daß wir leider bei dem Beginn des Baues

in der wir uns gegenwärtig befänden, und daß wir darauf hätten verzichten müssen, ebenso wie England zu handeln; das sei leider nicht Herr von verantwortlich machen; das war die Armut Deutschlands (Abg. Krawinkel: Sehr richtig!) und nicht

1904

Minister überhaupt die Betriebe erwerben, die Eisenbahn braucht an westfälischen Kohlen 2 ½ Millionen Tonnen, die Hibernia fördert 6 Millionen! Herr von Eynern möge entschuldigen, wenn ich ihn, den Aufsichtsrat der Hibernia, berichtige: Hibernia fördert nicht 6 Millionen, sondern etwa 4,6 Millionen, und hat 5,3 Millionen Anteil am Svondikat. (Heiterkeit.) Gladbeck, sagt er, fördert 1 Million Tonnen. Leider noch nicht, erst 700 000. Item, es ist die Förderung von Hibernia und Gladheck zusammen 5,3 Millionen, denen 2 ½ Millionen gegenüberstehen. Aber nicht alle Kohlen, die Hibernia fördert, sind brauchbar für die Eisenbahn, sondern nur verhältnis⸗ mäßig wenige, und selbst wenn wir Hibernia in unserem Besitz hätten, würde es kaum ausreichen, um die Kohlen für die Eisenbahn in der Qualität zu liefern, wie sie sie nötig hat.

Dann muß ich noch eine besonders kühne Behauptung von Herrn von Eynern zurückweisen. Er tat so, als ob wir durch unsere Ver⸗ staatlichungsaktion das Karnickel gewesen wären, das die Fusion von Gelsenkirchen mit Schalke und Rote Erde hervorgebracht hat. Meine Herren, ist eine Naivetät, wie ich sie Herrn von Eynern nicht zugemutet hätte. (Heiterkeit rechts.) ie Sache ist lange vorher beschlossen gewesen. das Forum

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Da einmal Privatgespräche vor gezogen sind, darf ich sagen, daß meine Quelle dafür, daß die Fusionen beschlossen sind, am Tage der Veröffentlichung durch den „Reichsanzeiger“ der Herr Generaldirektor Kirdorf selbst gewesen ist. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Hirsch⸗Essen (nl.) weist darauf hin, daß die Preispolitik der staatlichen Gruben im Saarrevier immer dahin gegangen sei, die Preise höber zu halten, als sie in Westfalen waren. Vor einer solchen Preisbildung müßten sich die Konsumenten bedanken. Der Staat könne sich eine Einwirkung auf die Preise in jedem Augenblick mit Hilfe seiner eigenen Gruben verschaffen, ohne in die Privatbetriebe einzugreifen. Mit der Vorlage gerate der Staat auf eine schiefe Ebene. Die Einwirkung der einzelnen Mitglieder im Syndikat richte sich nur nach ihrer Beteiligung, der Staat würde also mit seinem jetzigen Hiberniabesitz nur einen Einfluß von. einem Zwölftel haben. Wolle er eine stärkere Einwirkung, so müsse er mit der Verstaat⸗ lichung über die der Hibernia binausgehen. Nach der Begrnhüng sei die Vorlage erfolgt wegen der Verschiebungen der Machtverhält⸗ nisse im Syndikat, wegen der Zusammenschlüsse von Werken. Der Weg der Vorlage sei aber nicht geeignet, solche Konzentrationen zu verhindern. Und dabei habe der Minister selbst den Wert der Kon⸗ zentration für die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit gegen das Aus⸗ land anerkannt. Etwas anderes bezweckten auch diese Konzentrationen gar nicht. Die Interessengemeinschaften verdankten ihre Entstehung nur der Notwendigkeit der Selbsterhaltung im Konkurrenzkampf. Diese Entwickelung unserer Industrie habe kommen müssen, um den Kräften, welche mit viel größerer Kapitalkraft und .

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arbeiten, gleichwertige Kräfte entgegenstellen zu können. se Be⸗ wegung aufhalten hieße unserer Industrie einen schweren Schlag versetzen. Hier handle es sich nicht um Trusts, sondern um die Ver⸗ einigung von Werken, welche die eigenen Rohprodukte selbst ver⸗ arbeiten und sich damit von der Produktion unabhängig machen wollten. Der Weg der Vorlage sei ganz ungeeignet, einer weiteren Kon⸗ zentration entgegenzutreten. Dazu verhelse nur die Verstaatlichung des Bergbaues, und daran denke die Regierung ja nicht. Von dieser Erwägung aus müsse man aber die Verstaatlichung der Hibernia als den Beginn weiterer Verstaatlichungen ansehen. Wenn es dem Staat lediglich auf einen Einfluß auf das Kalisyndikat ankomme, werde er denselben ebenso haben können wie auf das Kohlensyndikat. Der Minister habe 2 *ℳ 1z Leuten anders übrig geblieben, als sich zu vereinigen, um die Majorität zu behalten. Der Regierung möge es mit der Erklärung Ernst sein, daß sie an eine weitere Verstaatlichung nicht denke, aber es frage sich, ob nicht in Zukunft die Verhält⸗ nisse stärker sein würden, als der Wille der Regierung. Diese Verstaatlichungsvorlage falle in eine Zeit, wo die 8 erstaatlichungs⸗ idee geradezu in der Luft liege und große politische Parteien dafür zu haben seien. Die „Kreuzzeitung“ sage z. B. aus Anlaß des Artikels der „Berliner Korrespondenz“, daß in der Bekämpfung des Privat⸗ monbpols die Regierung der Mehrbeit des Abgeordnetenhauses gar nicht weit genug gehen könne. Und gestern habe der konservative Redner bedauert, daß sich die Regierung in der Begründung gegen die weitere Verstaatlichung so festgelegt habe. Die Verstaatlichung des Bergbaues bedeute aber, die ganze Industrie vom Staate abhäng g zu machen. Darauf könne die Industrie niemals eingehen. Aus grund⸗ sätzlichen Erwägungen heraus könne man⸗ daher der Vorlage nicht scharf genug entgegentreten, damit die große 2 eunruhigung der In⸗ dustrie beseitigt werde. Der Gedanke eines Gesetzes gegen die Kartelle werde in weiten Kreisen erwogen, und nur die Schwierigkeit, die Formen für ein solches Gesetz zu finden, habe die Industrie bisher vor einem solchen Gesetz bewahrt. Darauf wird die Diskussion geschlossen. Persönlich bemerkt Abg. Cassel (freis. Volksp.) gegenüber einer Bemerkung des Abg. Gamp: Ich habe nicht gesagt, daß ich von Geschäften nichts verstände, sondern nur, daß ich nicht verstände, solche Geschäfte zu

machen, wie der Minister. 1 bes Geschäftsordnung: Mein Stand⸗

Abg. Oeser (fr. Volksp.) zur ftsor S punkt weicht prinzipiell von dem des Abg. Cassel ab, durch den Schluß

in ich verhindert, meinen Standpunkt darzulegen, 2 Le Eynern (nf.): Nachdem der Minister in so lovaler Weise seine Aeußerung richtig gestellt hat, stehe ich nicht an, zu er⸗ klären, daß mir nichts ferner gelegen hat, wie ich auch im Anfang meiner Rede sagte, als gegen den Minister Spitzen zu richten. Ich nehme nun auch meine Aeußerungen zurück und bedauere, daß sie unrichtig verstanden worden sind.

Darauf wird die Vorlage an die Budgetkommission über⸗ wiesen. Für die Ueberweisung an eine besondere Kommission stimmt nur die Linke.

Schluß 4 ½ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. (Interpellation Cassel wegen Verwendung von städtischen Schulräumen zu anderen als Schulzwecken.)

8 ee818“ Ftthhb.

Die Rechtsverhältnisse an den der Verfügung des Grundeigentümers nicht entzogenen Mineralien mit be⸗ sonderer Berücksichtigung des Kohlenbergbaus in den vormals üchsi⸗ schen Landesteilen Preußens, des Eisenerzbergbaus im Herꝛogtum Schlesien u. a. sowie des Kalibergbaus in der Propinz Hannover. Von Dr. Emil Sehling, ordentlichem Professor der Rechte an der Universität Erlangen. VII und 271 Seiten,. A. ö Verlagsbuchhandlung Nachf., Leipzig. Geheftet 6 Die Mine⸗ ralien sind heute in Deutschland zumeist dem Grundsatze der Berg⸗ baufreiheit unterstellt. Außerdem sind in der letzten Zeit in einigen

etwas anderes. Weiterhin hat

Herr von Eynern gesagt: wozu will der Herr

Staaten gewisse Mineralien dem Staat vorbehalten worden.

von Trutztrust gesprochen; was sei denn aber den