Ihre Majestät die Königin⸗Witwe hat sich gestern von Dresden nach München begeben.
Württemberg.
Die Kammer der Abgeordneten hat gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, bei der Beratung der Magistratsverfassung, unter Ablehnung des Regierungsvorschlages, einen von der Volkspartei, dem Zentrum und den Sozialdemokraten sowie einem Mitgliede der deutschen Partei unterstützten Antrag mit 36 gegen 36 Stimmen, wobei der Hifüerät den Stichentscheid gab, an⸗
genommen: die die Verfassung für größere Städte betreffenden Arrikel 58 — 120 der Gemeindeordnung mit der 8 Mafcabe an die Kommission zurückzuverweisen, s in der Verfassung auch der großen Städte die Einrichtung eines Gemeinde⸗ rates und eines Bürgerausschusses geschaffen und die Zulässigkeit der Berufung ihrer Vertreter durch direkte Verhältniswahl, unter Ermög⸗
ichung der Ernennung von besoldeten Stadträten, vorgesehen, auch die
Frage der Vergrößerung des Bürgerausschusses, unter Aufrechterhaltung der Gleichstellung beider Kollegien, in Erwägung gezogen werde.
8 Deutsche Kolonien.
Nach einer dem „W. T. B.“ zugegangenen Meldung sind in Deutsch⸗Südwestafrika am Typhus gestorben: Unterveterinär Christian Rechel, geboren 20. 4. 76 zu Rodau, früher im Feldartillerieregiment Nr. 15, am 13. November im Lazarett Owikokorero. ie Georg Schmidmeier, geboren 30. 8. 81 zu Edelhausen, früher im Königlich bayerischen 6. Feldartillerieregiment, am 29. No⸗ vember im Lazarett Otjimbinde. Reiter Paul Seipel,
geboren 19. 8. 83 zu Offenbach a. M, früher im Infanterie⸗ regiment Nr. 166, am 11. November im Lazarett Epukiro. —
Am 22. November im Gefecht bei Kub verwundet: Reiter
Fritz Bandelt, geboren 29. 1. 82 zu Zabern, früher im Füsilierregiment Nr. 86, schwer, Knochenschuß im rechten
nterschenkel.
Ueber die Zustände im Croßbezirk des Schutzgebiets
enerun berichtet, wie das „Deutsche Kolonialblatt“ mitteilt,
der berleutnant und Führer der 6. Kompagnie Schlosser folgedes:
Le Erfüllung der Friedensbedingungen nimmt allmählich, doch ohne Uterbrechung ihren Fortgang. Recht guten Erfolg hat die auf das rede Eebzuser nach Bodam entsandte Patrouille des Unter⸗
oeffiziers hormann aufzuweisen. Außer den beiden Häuptlingen von
Bodam hben sich auch die Häuptlinge von Ladi (Dari) und Danare
gestellt. IMnare ist der Ort, bei dem die Kompagnie Ende April so schwere Geächte gehabt hat. 3 b
Die Huptlinge von Ekamaia (Kadjifu) und Ekagwa (Ewisi) haben angefagen, Strafarbeiter zu stellen, haben sich auch schon an⸗ geblich persönich in der gegenüber Ossidinge auf dem rechten Ufer belegenen Pflanung bei dem Pflanzungsleiter blicken lassen. Dieser hat leider die Leute nicht verankassen können, hierher zu kommen. Es besteht aber Ausscht, daß sie in nächster Zeit kommen werden.
Im ganzen ginger in der Zeit vom 23. August bis 9. September allein vom Kompagiebezirk auf dem rechten Croßufer über 50 Straf⸗ arbeiter ein.
Der Regierungevertreter, Stabsarzt Dr. Mansfeld, hat sich ent⸗
schieden, Ossidinge als Stationsplatz zu behalten. Ich habe ihm darauf zunächst das ganze linke Croßufer, soweit es in den Kompagnie⸗ bereich fällt, sowie die nächsten, ihrer Lage nach auf Ossidinge hin⸗ gewiesenen Ortschaften des rechten Ufers Gorhan und Betime über⸗ geben. Demnächst wird Mansfeld auch den auf dem linken Ufer be⸗ legenen Teil des Bezirks der 4. Kompagnie nach weiterer näherer
Vereinbarung mit dem Oberleutnant Heinicke übernehmen.
Aus dem am 6. September bier eingegangenen Bericht des
Offizierpostens Bascho ergibt sich, daß auch in dem bisher nicht völlig
aufgeklärten Gebiete zwischen dem Wege Bascho—Olulo und der
englischen Grenze Widerstand nicht mehr geleistet wurde und auch äicht mehr zu erwarten ist. Eine von dem Postenführer, Leutnant von Oertzen, unternommene größere Patrouille (16. bis 29. August) wählte zunächst von Bascho nach Bapa⸗Ongia denselben Weg, auf dem ich seiner Zeit von meiner Patrouille zurückgekehrt war. Von
Bapa⸗Ongia aus holte Oertzen weiter nach Nordwesten aus und
kehrte in einer Schleife nach Bascho zurück. Aus seinem Bericht führe ich auszugsweise folgendes an:
8 „Während in Bascho weiter Friedensverhandlungen stattfanden, trat ich am 16. August eine größere Patrouille an in der Absicht, die
schon früher von Patrouillen berührten Ortschaften und die noch
unbekannten Fomakudörfer aufzusuchen, um dabei eine annähernde Einwohnerschaͤtzung vorzunehmen und auf Grund dieser Schätzung die Gestellung von Strafarbeitern zu fordern. In fast allen von mir berührten Ortschaften, einschließlich der Fomaku⸗ dörfer, waren Leute anwesend, hatten kleine Wegestrecken gereinigt und brachten Vieh als Friedenszeichen. Besonders interessant war die Feststellung, daß Assumbo, welches im Graslande liegt und etwa 150 Hütten zählt, in einem Hörigkeitsverhältnis zu dem Häupt⸗ ling Fomaku steht; angeblich datiert dieses Verhältnis von einer früheren Unterwerfung des Assumbo durch Fomaku. Leider gelang es mir nicht, dieses Häuptlings habhaft zu werden, da seine Angehörigen ihn durch ein ausgedehntes Lügennetz schützen und er zufällig immer von dem Ort, an dem seine Verfolger sich gerade befinden, wenigstens zwei Tagemärsche entfernt ist. Ruhiges Abwarten führt, glaube ich, in diesem Fall am ersten zum Ziel. Meine Patrouille hat scheinbar
lle in Frage kommenden Ortschaften beruͤhrt; nach Nordwesten hin führen keine größeren Wege. Gewiß wird dort im Laufe der Zeit noch ein oder das andere bisher unbekannte Dorf gefunden werden.
Widerstand ist von dieser Seite nicht mehr zu erwarten, und es kann
das Gebiet nördlich von Bascho bis zum Grasland als aufgeklärt be⸗
trachtet werden.“
Vorstehende Ausführungen bestätigen, daß der eigentliche Aufstand oöllig niedergeschlagen ist. Sollten hier und da noch kleinere Putsche ntstehen oder ein Einschreiten mit Waffengewalt gegen säumige Zahler notwendig werden — ich halte dies übrigens für unwahr⸗
scheinlich —, so ist das auf den ganz unzuverlässigen, ausnahmsweise artnäckigen und heimtückischen Charakter der Bevölkerung zu schreiben.
Ein Verbleiben der Truppe erscheint daher zum mindesten noch so
lange für erforderlich, als die Friedensbedingungen noch nicht voll⸗
ständig erfüllt sind.
“
Desterreich⸗Ungarn. 18
Der russische Botschafter am österreichisch⸗ungarischen Hofe Graf Kapnist ist gestern mittag, wie „W. T. B.“ berichtet, infolge eines Schlaganfalls in Wien gestorben. 8 In der gestrigen Sitzung des österreichischen Abgeordnetenhauses trat bei der weiteren Debatte über die Regierungserklärung der Abg. Malik für eine vollständige Trennung Oesterreichs von Ungarn sowie für einen bundesstagtlichen Anschluß an das Deutsche Reich ein; er kritisierte auf das schärfste das gesamte gegenwärtige Regierungssystem, das zur Repolution führen müsse. Der Abg. Schuklje erklärte, es sei die Pflicht der Regierung, ohne auf den Ein⸗ spruch von irgend einer Seite zu hören, die kulturellen Forde⸗ ungen sämtlicher Nationalitäten nach einem bestimmten Plane zu erfüllen; da die Regierung dies von einem vorherigen Ausgleich zwischen den Nationalitäten abhängig mache, mache sie sich um Gefangenen; die Slovenen gönnten den Italienern eine eigene Universität, verlangten aber für sich das gleiche Recht unter Geltend⸗ machung historischer Ansprüche auf das Adria⸗Litorale. Damit wurde die Verhandlung abgebroch Die vom Notstandsausschuß erledigten kotstandsanträge sowie die Notstandsvorlage der Re⸗ ierung wurden dem Budgetausschuß zugewiesen.
Der Kriegsminister Berteaux hat an die komman⸗ dierenden Generale ein Rundschreiben erichtet, in dem ihnen, wie „W. T. B.“ mitteilt, eingeschärft wird, zur Eintracht und Beruhigung der Gemüter beizutragen. Im Kriegsministerium gebe es keine Auskunftszettel mehr. Die Hauptsache sei, daß die Offiziere sich nicht durch Aufhetzungen aus den feindlichen Lagern beeinflussen ließen und alle Heraus⸗ forderungen unterließen.
Die Deputiertenkammer 85 gestern die Besprechung der Iate über den Ausstand in Marseille fort. Der Deputierte Boyer (sozialistischer Radikaler) legte Verwahrung gegen die Behauptung ein, daß soztalistische Deputierte den Ausstand organisiert hätten. Der Marineminister Pekletan rechtfertigte die Hal⸗ tung der Regierung. Er führte aus, daß kein Grund zu einer Intervention von seiner Seite vorgelegen habe und daß man die eingeschriebenen Seeleute nicht als Deserteure bebandeln dürfe. Sie hätten sich nur eines Rechts bedient, das allen Bürgern zustehe. Der Minister fügte hinzu, die Gesellschaften seien es gewesen, die die Schiffsoffiziere ge⸗ zwungen hätten, in den Ausstand zu treten. Der Minister unterzog sodann die Ursachen der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Schiffs⸗
gesellschaften und ihren Offizieren und eingeschriebenen Seeleuten den
die Mittel, um eine Wiederholung ähnlicher Vorfälle zu verhindern, einer Prüfung, wobei er die einschlägige französische Gesetzgebung sowie mit der entsprechenden des Auslandes verglich. Die Beratung wurde sodann abgebrochen.
Die Kommission der Deputiertenkammer zur Beratung der Vorlage, betreffend die Trennung von Kirche und Staat, hat den Entwurf des sozialistischen Radikalen Depille, durch den die vorber bereits abgelehnte Regierungevorlage wieder hergestellt wurde, angenommen. Die noch in der Kommission verbliebenen Mit⸗ glieder der Minderheit legten gegen den Beschluß als formell unzu⸗ Rüste St6 ein.
Wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg ge⸗ wird, trat daselbst am 1. d. M. die vorläufig für Irkutsk bestimmte Abteilung des Deutschen Roten Kreuzes usammen. Das Oberpersonal wurde gestern von der Kaiserin⸗Mutter in Audienz empfangen. Allerhöchst⸗ dieselbe sprach hierbei deutsch und überreichte jedem Mitglied der Abteilung ein Medaillon mit einem Heiligenbild. Morgen abend erfolgt die Weiterreise nach Moskau.
Dem amtlichen finnischen Blatte zufolge hat der General⸗ gouverneur dem Senat mitgeteilt, der Kaiser habe an⸗ geordnet, daß, da die Teilnahme am Landtag nach der Land⸗ tagsordnung nicht nur Recht, sondern auch Pflicht sei, den ausgewiesenen Personen, die zu Lang gewählt würden, oder Famn lentzäunter von Erbgeschlechtern seien, ge⸗ stattet werde, sich bis zum Schluß des Landtags in Finnland aufzuhalten und an den Sitzungen teilzunehmen.
Italien. .“
In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer übernahm wie „W. T. B.] meldet, Marcora das Präsidium mit einer An⸗ sprache, die vom Hause sehr beifällig aufgenommen wurde. Auf seinen Antrag wurde mter Zustimmung des Hauses beschlossen, daß das rne göagr. mit der gesamten Kammer sich nach dem Quirinal egeben und dem König sowie der Königin die Glückwünsche des Hauses zur Geburt des Kronprinzen vrberen solle. Auf Anfragen der Deputierten Brunialti und Barzilai über die Vorgaͤnge in Innsbruck erklärte der Minister Tittoni: Ich werde kurz und klar antworten. Die Ereignisse in Innsbruck können nur beklagt werden, und ich bedauere sie lebhaft. Indessen kann die Ausschreitung einer erregten Volksmenge nicht die Bande lockern, die deutsche Wissenschaft und Zivilisation mit der italienischen verbinden, und die Beziehungen zwischen Italien und Oesterreich⸗ Ungarn nicht beeinflussen, die ihre tiefe Wurzeln in dem Schutze großer Interessen, in der Arbeit zur Erreichung großer Ziele und in den festen und loyalen Absichten der beiden Regierungen haben. Von der Menge sind in Innsbruck tadelnswerte Ausschreitungen begangen worden, das Vorgehen des Kaiserlichen Statthalters aber ist unparteiisch und energisch gewesen, das italienische Konsulat ist in wirksamer Weise beschützt worden. Ein italienischer Untertan ist brutal angegriffen, von der Polizei aber geschützt und zum Bahnhofe geleitet worven, sodaß er ungefährdet abreisen konnte; der Angreifer ist der Behörde übergeben worden. Die Erklärungen, die der öster⸗ reichische Ministerpräsident von Koerber im österreichischen Parlament abgegeben hat, sind durchaus korrekt, und die Sprache vieler der an⸗ gesehensten Wiener Blätter ist von Sympathie für italienische Kultur erfüllt gewesen. Weiter habe ich nichts hinzuzufügen. Ich habe schon Gelegenheit ehabt, in der Kammer zu erklären, daß wir, ohne die er. eeah Regeln des internationalen Rechts zu verletzen, uns in die inneren Angelegenheiten eines andern Staates nicht mischen dürfen. Ich sehe ja voraus, daß die Fragesteller hierauf antworten werden, was der Deputierte Fradeletto im vorigen Jahre bei einer vethe Gelegenheit gesagt hat, nämlich daß, wenn die Regeln des internationalen Rechts amtliche Vorstellungen ver⸗ böten, die Bündnisbande einen freundlichen Gedankenaustausch über Vorkommnisse anrieten und rechtfertigten, die, wenn sie sich auch innerhalb der Grenzen eines der beiden Staaten ereigneten, doch die öffentliche Meinung im Nachbarstaat erregt hätten. Das Haus wird verstehen, daß ich in dieser Hinsicht Zurückhaltung beobachte. Im Interesse der beiden Staaten liegt es selbstverständlich, daß jeder Zwischenfall vermieden werde, der in einem der beiden Länder die öffentliche Meinung erregen könnte, und es ist natürlich, daß wir, der österreichisch⸗ ungarische Minister und ich, auch abgesehen von den Innsbrucker Vorfällen, uns das mit der Herzlichkeit und der Loyalität angelegen sein lassen, von denen unsere Beziehungen belebt sind. Es ist aber auch offenbar, daß jeder freundschaftliche Gedankenaus⸗ tausch, der zufällig über ähnliche Gegenstände zwischen uns stattfinden könnte, an dem Tage, an dem davon den beiderseitigen
arlamenten Mitteilung gemacht würde, aufhören würde, ein freund⸗ chaftlicher zu sein und einen amtlichen Charakter annehmen würde. Nachdem die Deputierten Brunialti und Barzilai auf diese Aus⸗ fähriage erwidert hatten, war die Anfrage erledigt. Der Minister
ittoni legte hierauf dem Hause den Handelsvertrag mit der Schweiz und das Handelsprovisorium mit Oesterreich⸗ Ungarn vor.
Der Papst empfing gestern den Kardinal⸗Erzbischof von Köln Fischer.
3 Spanien.
Der „Agence Havas“ zufolge sprach der japanische Gesandte am 25. v. M. bei dem Minister des Aeußern vor und bat um Aufklärungen über die Kohlen⸗ und Lebensmittelaufnahme des russischen Geschwaders in Vigo. Der Minister habe die gewünschten Aufklärungen gegeben und seither habe keinerlei Meinungsaustausch über die Sache mehr stattgefunden.
In der Deputiertenkammer wurde gestern, wie „W. T. B.“ mitteilt, bei der Beratung des Budgets seitens des Finanz⸗ ministeriums erklärt, nach Maßgabe der Erhöhung des Wechsel⸗ kurses würden neue Handelsverträge für Spanien nachteilig sein. Die Bank von Spanien werde Rückzahlungen mittels der Ueberschüsse des Budgets erhalten; eine Anleihe werde nicht ohne Ermächtigung der Kammer abgeschlossen werden.
meldet
Serbien. Das Kabinett Gruitsch hat, wie „W. T. B.“ erfährt, gestern demissioniert. 1 Schweden und Norwegen. Der Hofgerichtspräsident Hammerskiöld ist, dem „W. T. B.“ zufolge, zum Mitglied des permanenten Schiedsgerichts im Haag ernannt worden.
Amerika.
Der japanische Geschäftsträger hat dem stellver⸗
tretenden Sekretär des Staatsdepartements Loomis mit⸗ eteilt, daß Japan am 1. d. M. die Einladung des Präsi⸗ enten Roosevelt zu einer zweiten Friedenskonferenz erhalten habe, die alsbald dem Parlament überwiesen
werden solle.
In einer Rede bei einem Festmahl des Home Market Club in Boston, an dem etwa 3000 Personen teilnahmen, erklärte der zum zukünftigen Vizepräsidenten der Vereinigten Staatenerwählte Senator Fairbanks: wenn eine Aenderung in dem Zolltarif im öffentlichen Interesse liege, werde die republika⸗ nische Partei eine Tarifreform nicht als Befriedigung eines bloßen Gefühls, sondern nach den Erfordernissen einer gesunden Oekonomie und der Notwendigkeit vornehmen.
Afien.
Der General Kuropatkin hat, wie „W. T. B.“ be⸗ richtet, dem Kaiser unter dem 1. d. M. gemeldet:
Die Ssotnien, die den am 30. November vom Paß, 12 Werft südlich von Tsinhetschen, vertriebenen Feind verfolgten. bedrängten ihn die ganze Zeit und gelangten über Ssuidun bis zum Taitseho. Sie beschädigten die Telegraphenlinie im Flußtal und nahmen Leitungsdraht mit sich. Die Japaner verbrannten während eines Gefechts Proviantniederlagen in zwei Dörfern im Tale des Taitsebo. Von der zur Verfolgung der Japaner ausgesandten Abteilung sind zwei Kosaken verwundet worden. Nach Aussagen von Chinesen brachten die Japaner während des Kampfes im Paß am 30. November etwa fünfzig Tote und 150 Verwundete auf Karren fort. Wir fanden noch 23 Leichen. Wir haben sieben Mann gefangen genommen. In der Nacht zum 1. Dezember sind keine Meldungen über Kämpfe eingegangen.
Der General Ssacharow meldet dem Generalstab
unter dem 1. d. M.:
Unsere Truppen auf dem linken Flügel zwangen den Feind im weiteren Verlauf der Verfolgung, eiligst die Dörfer Dapinduschan und Hitsyintz zu räumen und sich auf Tsianschan zurückzuziehen. Nach den Kämpfen auf den Päössen südlich von Tsinhetschen fanden wir noch 50 japanische Gewehre. Am 30. November unter⸗ nahmen Truppenteile unseres rechten Flügels am Schaho eine Erkundung in der Richtung auf Lamutun. Sie näherten sich den feindlichen Schanzen bis auf 20 Schritt und wurden von einem heftigen Gewehrfeuer empfangen. In diesem Scharmützel wurden auf unserer Seite ein Bfaie⸗ und drei Mann verwundet und drei Mann getötet. Nachdem es beim Feinde ruhig geworden war, wiederholte ein Teil der Abteilung den Erkundungs⸗ versuch, schlich sich an die feindlichen Schanzen westlich von Lamutun heran und warf sich mit dem Bajonett auf den v. Die Japaner flohen nach hartnäckigem Kampfe, wobei sie bis aufs rechte Ufer des Schaho verfolgt wurden. Ein Japaner wurde gefangen, gegen 25 getötet. Gewehre, Ausrüstungsgegenstände und Decken wurden von uns erbeutet. Auf unserer Seite wurde ein Offüzier verwundet und ein Mann getötet. Auf unserem linken Flügel schlich sich in der Nacht zum 1. Dezember eine Abteilung an die Stellung des Feindes heran und gab eine Salve gegen dessen Feldwache ab. Aus einer nahen
Befestigung brachen gegen 60 Japaner hervor und eröffneten ein
heftiges Gewehrfeuer. Die Schanzen wurden von uns im Bajonett⸗ kampf genommen, wobei einige Gewehre und Ausrüstungsgegenstände in unsere Hände fielen. Am 1. Dezember sind keine Meldungen über Kämpfe eingelaufen.
Der „Russischen Telegraphen⸗Agentur“ wird aus Mukden vom 2. d. M. gemeldet:
Russische Kavallerie setzt die Verfolgung des Feindes fort, der sich aus den südlichen Pässen zurückzieht. Dem General Rennen⸗ kampf gelang es, durch ein Gefecht am 29. v. M. festzustellen, daß die Frontstellung der Japaner eine sehr ausgedehnte sei, ihre Reserven aber nicht sehr erheblich seien.
I „Reutersche Bureau“ meldet aus Mukden vom
Der britische Attaché bei der russischen Armee ist gestern abgereist, um den Winter in England zu verbringen. Er hat die Erlaubnis erhalten, im Frühjahr wieder zu kommen. Der General Rennenkampf hatte einige Zusammenstöße mit den Japanern im Osten, wo allmählich wieder eine regere Tätigkeit zu bemerken ist. Auf eine Entfernung von 8 km bei Liuschinpu haben die Russen und Japaner Untergrundwege eingerichtet, die beiden Teilen erlauben, sich in ihren Stellungen sicher zu bewegen. Die Gegner stehen sich so nahe gegenüber, daß die Russen in dem Dorfe Tzeth die Stimmen der Japaner deutlich hören können.
Aus Tokio wird dem „W. T. B.“ semnelgen
Laut Bekanntmachung des Generalstabs seien 17 Offiziere im Felde gefallen und 64 verwundet worden; der Kampfplatz werde nicht man nehme aber an, daß es in dem Kampfe vor Port Arthur gewesen sei. — Das „Reutersche Bureau“ teile mit, es heiße, die Russen hätten die Wiedereroberung des 203⸗Meterhügels mit großen Streitkräften versucht, seien aber mit schwerem Verlust zurück⸗ geschlagen worden; die Russen befestigten jetzt Stellungen zwischen Liautischan und Nantauschan, wo sie, wie man annehme, den letzten Halt machen würden.
Die nach Kabul bestimmte britische Sondergesandt⸗ schaft ist, nach einer dem „W. T. B.“ zugegangenen Meldung, am 30. v. M. in Girdikai Sie ist gestern
nach Dschellalabad weiter gegangen und wird am 12. d. M.
die Reise nach Kabul fortsetzen. 1 .“ Afrika.
Der russische Kreuzer „Rion“ ist gestern, dem „W. T. B.“ zufolge, mit zwei Torpedobootszerstörern in Tanger eingetroffen. Heute sind ein weiterer russischer Hilfskreuzer und zwei Torpedobootszerstörer in Tanger angekommen.
Der Korrespondent der Londoner „Times“ in Tanger Harris wurde in der Nacht zu gestern in seinem außerhalb der Stadt gelegenen Hause Fnn Benimsawers angegriffen, die einen sehr entschlossenen Versuch machten, ihn gefangen zu nehmen. Die Bergbewohner hatten das Haus geräuschlos umzingelt, die Wachen, ohne einen Schuß zu tun, überwältigt und einen, der Alarm zu schlagen versuchte, erstochen. Die Wache sagte den Benimsawers, daß Harris in der Stadt sei, die An⸗ greifer warteten einige Zeit und zogen sich dann, nachdem sie den Wachmannschaften Gewehre und Kleider fortgenommen hatten, zurück. Harris hat auf Ersuchen der britischen Ge⸗ sohdischaf sein Haus verlassen. Die britische Gesandt⸗ chaft hat den Vertreter des Sultans Muhammed⸗el⸗Torres benachrichtigt, daß sie die marokkanische Regierung für jeden Schaden haftbar mache, der durch Plünderung oder Zerstörung des viele Kostharkeiten enthaltenden Hauses entstegen sollte. Die Benimsawers haben gestern die in der Nähe des Hauses aufgestellte Schutzwache abermals angegriffen, einen Mann
getötet und den übrigen eine Anzahl Gewehre sowie Patronen abgenommen. Es verlautet, daß in der Nacht zu gestern, als das Feuern vernommen worden sei, zwei bemannte Boote von dem französischen Kriegsschiff „Kléber“ abgeschickt worden seien, die aber, nachdem die Mannschaften gegenüber dem Haus Harris', mehrere Salven abgegeben hatten, zu ihren Schien zurückgekehrt seien. er „Standard“ berichtet aus Kapstadt vom 2. d. M.: Eine gewaltige Menschenmenge bildete am Hafen und in den Straßen Spalier, als die Leiche des Präsidenten Krüger eintraf. Die verschiedenen Konsulate, die Schiffe im afen und die meisten Häuser der Stadt hatten halbmast ge⸗ flaggt. Vor der Landung fand an Bord ein kurzer Gottes⸗ dienst statt. Der Sarg wurde von Seeleuten an Land ge⸗ getragen und auf den Leichenwagen gesetzt, der einen Kranz der Königin der Niederlande trug. Gegen 100 Wagen folgten dem Trauerzuge zu der Gedächtnishalle der Hugenotten. Zahlreiche Holländer aus den Landdistrikten waren in die
9—
Stadt gekommen.
Parlamentarische Nachrichten. 8 (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags, des Hödea hen e und des Hauses der ““ befinden sich in der Ersten und Zweiten eilage.
— In der heutigen (104.) Sitzung des Reichstags⸗ veelcher der Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner, der Staatssekretär des Reichsmarineamts, Staatsminister, Admiral von Tirpitz,
der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben, der Kriegsminister, Generalleutnant von Einem genannt von Rothmaler, der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Richthofen, der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke und der Staatssekretär des Reichs⸗ schatzamts Freiherr von Stengel beiwohnten, stand die erste Beratung des Reichshaushaltsetats und des Haushalts⸗ etats für die Schutzgebiete für 1905, in Verbindung mit den Nachträgen zum Reichshaushaltsetat und zum Etat für die Schutzgebiete für 1904, dem Gesetzentwurf, betreffend die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres, und einem Gesetzentwurf, betreffend Aenderung der Wehr⸗ pflicht, auf der Tagesordnung. 8 Zur Einleitung der Debatte nahm zunächst der Staats⸗ sekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel das Wort, dessen Rede bei Schluß des Blattes noch fortdauerte.
— Auf der Tagesordnung der heutigen (110.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten stand zunächst der Antrag der Abgg. Kindler (fr. Volksp.) und Genossen:
„Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, in jeder Provinz Meisterkurse einzurichten und Ausstellungen von im Kleingewerbe verwendbaren Maschinen und Werkzeugen
zu veranstalten.“
Die Handels⸗ und Gewerbekommission, der der Antrag überwiesen war, beantragt folgende Resolution:
„Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, entsprechend den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses vom 4. Juni 1902, betr. den Antrag der Abgg. Trimborn u. Gen., eine Zentralstelle zu schaffen, der vae Perasgziehnne von Sachverständigen aus dem Handwerker⸗ und Gewerbestande insbesondere die Festes des Handwerks zu unterstellen ist.“ 8 „Der Berichterstatter Abg. Jacobskötter (kons.) weist darauf
hin, daß, obwohl der Minister den Antrag Kindler eigentlich für fe erklärt habe, das Haus dennoch die Kommissionsberatung eschlossen habe. Es handle sich bei diesen Meisterkursen nicht um die von den Handwerkskammern eingeführten theoretischen
Meisterkurse, in denen Buchführung, Gewerberecht und der⸗ gleichen gelehrt werde, sondern mehr um praktische Kurse. Die Kommission habe sich nicht dazu entschließen können, den Antrag Kindler zur Annahme zu empfehlen, sondern habe sich auf die ein⸗ stimmig angenom mene Resolution beschränkt.
Abg. Kindler (fr. Volksp.): Die Gruͤnde, aus denen die Kamaifsion meinen Antrag abgelehnt hat, kann ich nicht als stich⸗ haltig anerkennen. Die bisherigen Meisterkurse in Cöln und Hannover haben sich durchaus bewährt. Opfer dafür würden ebenso in anderen Orten gebracht werden wie in Cöln und Hannover. Das als gut Erkannte sollte man nicht darum unterlassen, weil es Opfer erfordert. Es ist den Meistern nicht immer möglich, Fach⸗
schulen zu besuchen, weil es zu kostspielig ist und zu viel Zeit er⸗ fordert und weil diese Schulen nur einen beschränkten Unterrichtsplan haben. Wo ist denn die allgemeine Begeisterung geblieben, die bei der Beratung des Antrags Trimborn seiner Zeit im Hause herrschte? Sie scheint merkwürdig abgeflaut zu sein. Die Meister⸗ kurse sind namentlich für die Meister notwendig, die sich bisher nicht mit den Neuerungen in ihrem Gebiete haben bekannt machen können. Besonders auf dem Lande fehlt es den Handwerksmeistern an jeder Gelegenheit, sich weiter auszubilden. In den Staaten, wo Meisterkurse eingeführt sind, hat man nur die besten Erfahrungen mit ihnen gemacht. Die Resolution der Kommifsion an sich ist allerdings auch gut und wir werden für sie stimmen. Aber wenn die Resolution angenommen ist und die Regierung ihr zustimmt, wird die Zentralstelle eingerichtet, darüber vergehen aber ein bis zwei Jahre und dann werden erst die Sachverständigen gehört. Mit unserem Antrage können wir dagegen sofort vorgehen, und ich bitte, ihn anzunehmen Geheimer Regierungsrat Dr. von Szeea⸗ Wenn die Re⸗ gierung sich in der Kommission mit der Ablehnung des Antrages Kindler einverstanden erklärt hat, so ist das nicht so aufzufassen, daß die Regierung nun mit der Einführung von Meisterkursen Halt machen will, sondern daß sie sich nicht zu einem schnelleren Zeitmaß drängen laffen will, als sie bisher für richtig gehalten hat. Wir halten es für richtig, wie bisher mit der Einführung von Meisterkursen schritt⸗ weise und vorsichtig vorzugehen. Bei der Etatsberatung werden wir Gelegenheit haben, Ihnen über das Auskunft zu geben, was wir auf diesem Gebiete schon getan haben. Wir halten es nicht für richtig, gleichzeitig oder in kürzester Frist in allen Provinzen Meisterkurse einzurichten. Abgesehen von finanziellen Schwierigkeiten, fehlt es uns auch an der nötigen Zahl der Fachlehrer. Wir sind bestrebt gewesen, diesem Mangel dadurch abzuhelfen, daß wir die bestehenden Meister⸗ kurse nutzbar machen zur Ausbildung von Fachlehrern, die ihrerseits wieder imstande 89 ihre Kollegen zu unterweisen.
Abg. Krause⸗Waldenburg (fr. kons.): Nach dem Vortrage des Berichterstatters könnte es scheinen, als ob die Kommission in ihrer großen Mehrheit der weiteren Einrichtung von Meisterkursen abhold sei. Das ist nicht der Fall. Im Namen meiner sämtlichen politi⸗ schen Freunde kann ich sagen: Als wir den Antrag Kindler zum ersten Male lasen, haben wir uns gesagt, daß dieser Antrag ja eigent⸗ lich nur etwas wolle, worüber dieses Haus schon längst vollständig einig sei. Wir haben dies durch einstimmige Annahme der Kommissions⸗ anträge infolge des Antrags Trimborn 1902 bekundet. Wir haben damit in nicht rizderfehenges Weise ausgedrückt, daß die Regierung, soweit es die Verhältnisse gestatten, mit der Errichtung von Meister⸗ kursen vorgehen möge. Mein Fraktionsgenosse Freiherr von Zedlitz hat schon unter dem vorigen Handelsminister die Notwendig⸗ keit der Meisterkurse dargetan. Die Regierung wird
vorgehen, wo wenigstens die Grund⸗ lagen dafür vorhanden sind. Die Errichtung von Meister⸗ kursen erfordert erhebliche Mittel. In der ersten Zeit wurden darin Fehler gemacht: man fing bei den Meisterkursen mit den Funda⸗ menten des betr. Handwerks an, als wenn es sich um Leute handelte, die im Handwerk noch keinerlei Heganng. besäßen. Damit wurde viel 85. versäumt und eine große Masse Geld unnütz ausgegeben. ermeidet man künftig diesen Fehler, so wird man mit erheblich geringeren Mitteln auskommen. Die Handwerks⸗ kammern sind nicht in der Lage, große Mittel aufzubringen. Auch die Mittel, die der Staat heute zur Verfügung stellt, entsprechen der Bedeutung der Sache selbst in keiner Weise. Der Fonds zur Förderung des Handwerks beträgt 130 000 ℳ für den ganzen preußischen Staat; das ist doch eine winzige Summe, die hoffentlich, was ich dringend erbitte, schon im nächsten Etat ganz erheblich erhöht sein wird. Oesterreich wendet für denselben Zweck 1 Million Gulden jährlich auf; auch die anderen deutschen Staaten geben ganz un⸗ verhältnismäßig mehr für diese Zwecke aus. Gestern hat die XX. Kommission die große wasserwirtschaftliche Vorlage angenommen und damit hunderte von Millionen festgelegt, die im wesentlichen der Großindustrie und dem Handel zugute kommen werden; da kann doch die Förderung des Mittelstandes wenigstens einige Hunderttausende mehr erwarten. Das bisherige Tempo bei der Er⸗ richtung von Meisterkursen will der Kommissar beibehalten wissen; ich nehme an, daß er damit nicht das Tempo der ehemaligen öster⸗ reichischen Landwehr meint, wenn wir auch im übrigen einverstanden sind, daß die Errichtung schrittweise erfolgt. Die Stadt Breslau, die eine ausgezeichnete Handwerks⸗ schule besitzt, ist bereit, die Klassen⸗ und Werkstatts⸗ räume für die Zwecke der Meisterkurse herzugeben; die Schule besitzt ein ausgezeichnetes Lehrerpersonal, das bereit ist, die Kurse zu übernehmen. Schon vielfach hat sogar der Staat Versuche gemacht, diese Lehrkräfte der Schule zu entführen. Je schneller mit den Kursen vorangegangen wird, desto leichter wird es sein, diese Lehrkräfte der Schule zu erhalten. Den sachverständigen Augen des Ministers und seines Kommissars wird nicht entgangen sein, daß die jüngste Ausstellung zwar die tüchtigen Leistungen des schlesischen Handwerks gezeigt hat, daß aber diesen Leistungen die oberste Politur noch fehlt, die erst durch die Meisterkurse gegeben werden kann. Beiträge und Zuschüsse zur Errichtung von Meisterkursen haben die Handwerkskammern zugesagt; aber diese Mittel werden doch aufgebracht durch Steuern der Handwerker; würde man also für die Errichtung der Kurse die Erhöhung dieser Beiträge in die Wege leiten, so würde das ein höchst bedauerliches Vorgehen sei. Daß die Beteiligung an den Kursen seitens der Handwerksmeister so gering ist, liegt daran, daß in den Kreisen der Hand⸗ werker heute leider in weitem Umfange das Verständnis für diese Bestrebungen und ihre Bedeutung noch sehlt. Wenn auch der Antrag Kindler heute nicht angenommen wird, so betrachten wir doch die Er⸗ richtung von Meisterkursen als etwas für die Förderung des Hand⸗ werks absolut Notwendiges. An der weiteren Debatte beteiligten sich bis zum Schluß des Blattes die Abgg. Dr. Schroeder (nl.), Hammer (kons.) und Trimborn (Z.) und Rosenow (frs. Vg.).
8
8
natürlich dort damit
Kunst und Wissenschaft.
Im Lichthof des Kunstgewerbemuseums wird Sonntag eine umfangreiche Sonderausstellung „Die Kunst im neueren Buchdruck“ eröffnet. Anläßlich des Jubiläums der Berliner Typo⸗ graphischen Gesellschaft sind zahlreiche Beispiele der heutigen Druck⸗ und Buchkunst vereinigt worden, gegen tausend Einzelblätter und sechshundert Bücher. Seit der Ausstellung alter Drucke, die das Museum vor sechs Jahren veranstaltete, ist besonders in Deutschland die Freude an schöner Buchausstattung, an geschmackvollem Satz und an guten Druckschriften erfreulich gewachsen. So können aus Berlin, Leipzig und manchen anderen deutschen Druck⸗ und Verlagsorten viele Muster neu gezeichneter und geschnittener Schriften, ge⸗ druckter Akzidenzarbeiten und Bücher mit künstlerischem Schmuck Vund in ediegener Druckausführung vorgeführt werden. Auch das Ausland ist durch beste Beispiele reich vertreten, indem der eigene Besitz des Museums durch Leihgaben von Bücher⸗ freunden und Bibliotbeken ergänzt worden ist. England steht voran als die Wiege der Reform, die sich im Anschluß an die alten Meister vollzogen hat. Allein aus der berühmten Kelmscott Press des Reformators William Morris Fn 30 Drucke vereinigt worden. Der künstlerisch hoch entwickelte Buchdruck der Amerikaner, die feine Buchkunst der Niederlande und Dänemarks u. a. sind mit besten Beispielen zur Stelle. Ein kleiner gedruckter Führer, für Laien und Fachleute geschrieben, orientiert über die wesentlichen Tendenzen der einzelnen Gruppen. Die Ausstellung ist von nächster Woche ab geöffnet, an den Wochentagen von Dienstag bis Sonnabend auch Abends 7 ½ bis 9 ½ Uhr.
Im „Hobenzollern⸗Kunstgewerbehause“ (Leipziger Straße 13) ist gestern die Weihnachtsausstellung eröffnet worden. Die Sonderausstellung der „Wiener Werkstätte“ bleibt noch bis Weihnachten bestehen. Zur Erleichterung des Verkehrs ist während
dieser Zeit das Eintrittsgeld für das gesamte Haus aufgehoben.
Theater und Musik. Nationaltheater. 8
Auch das neue Operntheater am Weinbergsweg sieht sich, gleich anderen Unternehmungen seiner Art, wohl dazu genötigt, zur breiten Bettelsuppe der modernen sogenannten Operette zu greifen, um sich ein groß Publikum heranzuziehen, von 8” Zulauf es bestehen kann.
Bedauerlich wäre es, wenn dort diese niedere Kunstrichtung die höhere verdrängte, zu begrüßen dagegen, wenn sie Mehrerträge lieferte, die wieder besseren Zwecken dienstbar gemacht würden. Die Zukunft wird erst zeigen, ob das Nationaltheater so viel Idealismus zu be⸗ währen fähig ist. Der äußere Erfolg der gestern zum ersten Male aufgeführten dreiaktigen Operette „Die Millionenbraut“, Text von A. M. Willner und E. Limé, Musik von Heinrich Berté, ließ jedenfalls auf eine größere und längere Anziehungskraft dieses Werkes schließen, das lediglich dem Unterhaltungsbedürfnis entgegenkommt. Weder der Text noch die Musik bieten irgend etwas Neues; der erstere behandelt das viel verwendete Possenmotiv von dem durch Leichtsinn verarmten Edelmann, der um die Hand einer reichen Erbin anhält, von dieser zuerst wegen des durchschauten Stgenus seiner Werbung abgewiesen, schließlich aber, als die wahre Liebe sich einstellt, in Gnaden angenommen wird; die Musik weist jenen Se. losen Eklektizismus auf, der sich damit begnügt, für jeden Akt eine Anzahl wirksamer Nummern wahllos aneinander zu reihen, unter denen, das sei nicht geleugnet, sich manches anmutige und gefällige Stücklein befindet; dazu gehören u. a. ein hübsches Tanz⸗ couplet und das an den „Mikado“ gemahnende Finale des ersten Akts, das Schmetterlingsduett des zweiten und ein komischer, mit dem üblichen Cakewalk endender Tanz im dritten Akt. Was aber der Sache den Hauptreiz verlieh, war die unter Herrn Sondermanns Regie und Herrn Kapellmeisters Saenger mustkalischer Leitung überaus ut einstudierte Aufführung, die den flotten Zug hatte, der folche Werke erst genießbar macht. Ein Münchener Gast, dn Fritz Werner, gab den lebenslustigen verarmten Edelmann darstellerisch ge⸗ wandt und entledigte sich auch als Sänger mit Geschmack seiner Aufgabe. Die Millionenbraut fand in Fräulein Saccur eine in Spiel, Gesang und Tanz sehr anmutige Vertreterin, und in der Rolle eines Detektivs konnte Herr Seibold seine ganze drollige Beweglichkeit entwickeln, mit der er in dem Grotesktanz des dritten Aktes sogar den Vogel ab⸗ schoß. In den anderen Partien bewährten sich die Damen Raabe⸗ Burg und Sondermann, die Herren Robert und Hertzka. Das zahl⸗
reiche war in beifallsfreudiger Stimmung, die mehrere
Wtederholungen erzwang. ““
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Schillertheater N. (Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater)
Ernst von Wildenbruchs Schauspiel „Die Haubenlerche“, die früher schon im Stammhause des Schillertheaters eine Reihe von Aufführungen erlebt hatte, wurde gestern, neueinstudiert, den Be⸗ suchern der nördlichen Schwesteranstalt vorgeführt. Das Stück, in dem Wildenbruch auch der naturalistischen Schule gegenüber den Befähigungsnachweis als Dichter erbracht hat, fesselte wieder die Zuschauer von der ersten bis zur letzten Szene. Es wurde aber auch in einer so einheitlich guten Darstellung dargeboten, wie man sie nicht nur am Schillertbeater sondern dg auf anderen Bühnen nur selten findet. Die Titelrolle, die Lene, spielte Fräulein Becker mit einer Feinheit der Charakteristik, die ein erfreulicher Beweis dafür war, wie diese junge Schauspielerin, seitdem sie hier wirkt, künstlerisch gewachsen ist; ganz besonders eindrucksvoll war ihre Darstellung in der heiklen nächtlichen Szene. Die beiden Brüder Langenthal fanden in den Herren Ziegel und Köstlin dem gänzlich verschiedenen Wesen der beiden entsprechende, vorzügliche Vertretung, und der eigen⸗ nützige Onkel Ale wurde von Verrn Kirschner mit diskreter Komik verkörpert. In den andexen Rollen zeichneten sich die Damen Wiecke und Gundra sowie Herr Senger aus: Als Regisseur hatte Herr Runge mit vollem Verständnis seines Amtes gewaltet.
Bellealliancetheater.
„Harte & Co.“ heißt das als „Weihnachtskomödie“ bezeichnete Ausstattungsstück, das gestern vor vollbesetztem Hause erstmalig in Szene ging. Charles Dickens' bekannte Erzählung „Christmas Carol“ bat L. Ottomeyer, unter geschickter Anpassung des Stoffes an deutsche Auffassung, für die Bühne bearkeitet, und Fritz Krause hat eine ansprechende Musik dazu ge⸗ schriebben. Das Stück weiß Scherz und Ernst mitein ander in eindrucksvoller Weise zu vereinen. Aufgeführt wirkt es aber nicht nur auf Herz und Sinn, sondern bietet auch dem Auge viel Schönes. Die reiche szenische Ausstattung und die eingefügten lebenden Bder, die eine Blütenlese aus dem Märchenlande hervorzaubern, sind Gaben, für deren sinnige und geschmackvolle Darbietung der Regie alle Ihre gebührt. Die Darsteller setzten ihr bestes Können dafür ein, den günstigen Eindruck noch zu erhöhen. Besonders gelang dies Fräulein rahms (Wirtschafterin) sowie den Herren Bartels (Christian Harte) und Winckler (Buchhalter), die ihre Rollen vor⸗ trefflich dem Charakter des Stückes anzupassen verstanden Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß die anderen Mitwirkenden irgendwie ihren Aufgaben etwas schuldig blieben. Der rauschende Beifall des W“ unter dem sich die frohgestimmte Jugend in großer Zahl efand, zeugte von der allseitigen Anerkennung, die der Aufführung gezollt wurde.
Im Königlichen Opernhause findet morgen, Sonntag, die 650. Aufführung von C. M. von Webes Oper „Der Freischütz“ statt Die Besetzung lautet: Agathe: Fräulein Destinn; Aennchen: Fräulein Dietrich; Max: Herr Grüning; Kaspar: Herr Mödlinger; Ottokar: Herr Berger; Cuno: Herr Nebe; Eremit: Herr Knüpfer; Kilian: Herr Krasa; Brautjungfern: die Damen Voltz, Lindemann, Weitz, Parbs. Der Kapellmeister Dr. Strauß dirigiert. — Am Montag wird „Figaros Hochzeite“ von W. A. Mozart gegeben. Die Rolle der, Gräfin singt Frau Jost. Grundmann aus Wien als Gast. Die Damen Kauffmann, Parbs, Lieban⸗Globig, Voltz, die Herren Hoffmann, Wittekopf, Lieban, Nebe, Krasa sind in den übrigen Haupt⸗ rollen beschäftigt. Der Kapellmeister von Strauß dirigiert
Die im Neuen Königlichen Operntheater (Kroll) morgen, Sonntag, vom Komitee des Ferienheims unter dem Vorsitz der Prinzessin Ebuard zu Salm⸗Horstmar stattfindende Wohltätigkeitsmatinee beginnt um 12 ½ Uhr. Außer Krau Schramm und Herrn Vollmer wirken noch folgende Künstlerinnen und Künstler mit: Fräulein Leontine de Ahna; Fräulein Irene von Brenner⸗ berg, Violinvirtuosin; Fräulein Maria Holgers, Rezitatorin; Frau Knüpfer⸗Egli, Opernsängerin; Fräulein Olga Lenk, Konzertsängerin aus Wien; die Herren Otto Bake und H. Balcke, Pianisten; Herr Martin Kögel, Tenor; Herr Konzertsänger Koennecke, Bariton; Herr Karl Müller, Kapellmeister.
Im Deutschen Theater finden in der kommenden Woche folgende Aufführungen statt: das Schauspiel „Kettenglieder“ wird morgen nachmittag und am nächsten Sonntagnachmittag, „Maskerade“ morgen abend sowie am Montag, Dienstag, Mittwoch und Sonn⸗ abend gegeben. Am Donnerstag geht zum ersten Male die dreiaktige Komödie „Helden“ von Bernard Shaw, übertragen von Siegfried Trebitsch, in Szene, die am Freitag und nächsten Sonntagabend wiederholt wird. 1
Im Berliner Theater wird morgen sowie am Dienstag, Donnerstag, Sonnabend und nächsten Sonntag Shaws Komödie „Ein Teufelskerl“ zur Aufführung gelangen. Am Montag wird „Zapfenstreiche, am Mittwoch werden „Die Karlsschüler“ gegeben; für Freitag ist „Alt⸗Heidelberg“ angesetzt. Am Mittwoch und Sonn⸗ abend, Nachmittags 3 Uhr, geht das Weihnachtsmärchen „Die schöne Melusine“ in Szene.
Das Lessingtheater hat für nächste Woche folgenden Spel⸗ plan aufgestellt: morgen abend, Dienstag und Freitag: „Traumulus“; Montag: „Florian Geyer“; Mittwoch: „Der Biberpelz“; Donners⸗ tag: „Die Frau vom Meere“. Am Sonnabend geht Ernst Rosners neues Schauspiel „Johannes Herkner“ zum ersten Male in Szene und wird am darauffolgenden Sonntagabend wiederholt. Als Nachmittags⸗ vorstellung ist für morgen „Rose Bernd“, für nächstfolgenden Sonntag „Monna Vanna“ angesetzt.
Das Schillertheater O. (Wallnertheater) bringt morgen nach⸗ mittag „Die Räuber“, Abends den Blumenthal⸗Kadelburgschen Schwank „Die Großstadtluft“ zur Aufführung. Am Montag geht das Lust⸗ spiel „Die Tyrannei der Tränen“ in Szene. Für Dienstag ist die erste Aufführung des Anzengruberschen Weihnachtsstückes „Heimg'funden“ angesetzt, das am Donnerstag, Freitag, Sonn⸗ abend wiederholt wird. Am Mittwoch kommt „Wallensteins Tod“, nächsten Sonntagnachmittag das Volksstück „Die Kreutel⸗ schreiber“, nächsten Sonntagabend „Krieg im Frieden“ zur Auf⸗ führung. — Im Schillertheater N. (Friedrich Wilbelmst. Theater) finden morgen und am nächsten Sonntagnachmittag sowie auch am Donnerstagabend Wiederholungen von Halbes „Mutter Erde“ statt. Morgen abend, sowie am Dienstag, Mittwoch und Freitag geht „Die Haubenlerche“ in Szene. Am Montag wird „Krieg m Frieden“ Sonnabend das Lustspiel „Die Tyrannei der Tränen“ ge⸗ geben. Für nächsten Sonntagabend ist „Johannisfeuer“ angesetzt.
Im Neuen Theater wird Ruederers Münchener Komödie „Die Morgenröte“ morgen sowie am Dienstag, Donnerstag und Sonnabend aufgeführt. Am Montag und Freitag gehen „Die Kron⸗ prätendenten“, am Mittwoch und Sonntag „Die lustigen Weiber von Windsor“ in Szene.
„Kamerad von Zeck“, Komödie in vier Akten von Arthur Zapp, gelangt morgen nachmittag im Lustspielhause zur Aufführung. Allabendlich geht das Kadelburgsche Lustspiel „Familientag⸗ in Szene.
Im Zentraltheater gelangt morgen nachmittag „Die Geisha“ zur Aufführung. — Abends wird „Die Fledermaus“ gegeben. Im übrigen lautet der Spielplan der nächsten Woche: Montag: „Der Bettelstudent“; Dienstag: „Das süße Märel“; Mittwoch: „Der Zigeunerbaron“; Donnerstag: „Der Generalkonsul“; Freitag: „Die
ledermaus“; Sonnabend: „Die Puppe“. Am Mittwoch und Sonn⸗ abend wird Nachmittags „Däumelinchen“ als Kindervorstellung gegeben.
Im Bellealliancetheater geht morgen abend die Nooität
„Harte u. Co.“ in Szene. Nachmiltags werden „Die Räuber“ auf⸗ geführt. Die nächste EEII1ö““ („Frau Holle“) findet am Mittwochnachmittag statt. 4 Bobnach am Montag, Abends 7 ½ Uhr, in der Marienkirche stattfindenden Orgelvortrag des Musikdirektors Otto Dienel werden der württembergische Hofopernsänger Aibin Güntber, Frau Anny Günther, Fräulein Käte Brettschneider, Herr Paul Schnyder und der Klara Krausesche Chor Kompositionen von Fach (Duette und Arien aus dem Weihnachtsoratorium), Bru