Meine Herren, was würden Sie dazu sagen, wenn mit solchen Aus⸗ fällen in den Parlamenten des Auslandes über das Deutsche Reich gesprochen würde? In ganz Deutschland würde Entrüstung darüber wach werden. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Schwerlich kann ein solches Vorgehen dazu beitragen, die friedlichen inter⸗ nationalen Beziehungen, deren wir wahrhaftig in keiner Zeit mehr bedurft haben als jetzt, zu fördern. (Sehr richtig! rechts.)
Der Abg. Lenzmann hat sodann sein Bedauern ausgesprochen, daß der Herr Reichskanzler hier nicht anwesend sei. Der Herr Reichskanzler hat zum Zweck seiner Vertretung vermöge der ver⸗ fassungsmäßigen Institutionen das Recht, die Staatssekretäre inner⸗ halb des ihnen anvertrauten Ressorts für die im Reichstag nötigen Erklärungen zu delegieren, und jeder von Ihnen, meine Herren, wird anerkennen müssen, daß es dem Herrn Reichskanzler, namentlich bei dem jetzigen Stande und dem Umfange sehr wichtiger politischer Ge⸗ schäfte überhaupt unmöglich ist, bei jeder Verhandlung, an der er interessiert sein kann, hier auch zu erscheinen. (Sehr richtig! rechts.) Sie müssen also schon mit seinem Vertreter heute hier vorlieb nehmen, wenn der Herr Abg. Lenzmann auch der Meinung ist, daß er für die Sache ungeeignet sei. (Heiterkeit.)
Meine Herren, wenn der Herr Abg. Lenzmann dann auf den preußischen Herrn Justizminister zu sprechen gekommen ist und seine Abwesenheit hier gerügt hat, so habe ich zu erklären, daß es das Recht jedes Bevollmächtigten zum Bundesrat ist, hier zu erscheinen oder nicht zu erscheinen, daß das Haus nicht in der Lage ist, ihn zu einem Erscheinen zu nötigen. Der preußische Herr Justizminister hat, seiner verfassungsmäßigen Aufgabe entsprechend, der Oeffentlichkeit gegenüber durch seine ausführlichen Erklärungen im preußischen Abgeordnetenhause dargelegt, wie der Sachverhalt in dem Königsberger Prozeß — — — (Unterbrechung von den Sozialdemokraten) — dargelegt, wie der Sachverhalt in dem Königsberger Prozeß ist, und den von ihm in dieser Sache ein⸗ genommenen Standpunkt verteidigt oder erläutert. Diese Erklärungen kennt jedermann. Er hat deshalb keinen Anlaß, hier noch einmal vor diesem Hause zu erscheinen.
Wenn der Herr Abg. Lenzmann sodann sagt, das erste Urteil im Königsberger Prozesse sei ergangen auf dem Boden der Rechts⸗ verletzung und nicht des Rechtes, so muß ich gegen diese Ver⸗ unglimpfung eines deutschen Gerichtshofes ebenfalls entschieden Ver⸗ wahrung einlegen. (Bravo! rechts.)
Meine Herren, solange das Verfahren noch in dem gerichts⸗ verfassungsmäßigen Gange sich befindet, solange der höchste Gerichts⸗ hof nicht in letzter Instanz maßgebend für Sie und für alle ent⸗ schieden hat, ist keiner der Herren Abgeordneten berechtigt, zu erklären, das Urteil des Königsberger Gerichts beruhe auf dem Boden der Rechtsverletzung. Das ist eine Art, mit deutschen Gerichten um⸗ zugehen, die ich im Interesse der Autoritat der Gerichte aufs tiefste beklagen muß. (Bravo! rechts.)
Abg. Lenzmann: Der Staatssekretär hat mich mißverstanden. Ich habe nur gesagt, die Einleitung des Verfahrens beruhe auf einer Rechtsverletzung.
Damit schließt die Diskussion über die Resolution; die Ab⸗ stimmung wird in der dritten Lesung erfolgen.
Zum ersten Titel der Ausgaben für das Reichsjustizamt, „Gehalt des Staatssekretäͤrs“, bemerkt der
Abg. Erzberger (Zentr.): Im vorigen Jahre hat der Reichs⸗ tag eine Reihe von Resolutionen beschlossen, über die uns bis jetzt seitens des Bundesrats keine Entschließung bekannt gegeben ist. Diese Resolutionen bezogen sich auf eine Menge sehr wichtiger Materien, die jetzt unter Umständen alle wieder von neuem angeschnitten werden müßten. Auch der Bundesrat scheint je nach dem Anlaß einem verschiedenen Tempo seiner Entschließungen zu huldigen. Hier heißt es offenbar: Immer langsam voran, daß der deutsche Bundesrat nachkommen kann! und nicht: Frisch auf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd! Elf Monate sind vergangen, seit der Reichstag seine Resolution über die Automobilgefährte gefaßt hat. Wie der Bundesrat dazu steht, wissen wir noch immer nicht. In der Schweiz ist die Frage inzwischen gesetzgeberisch gelöst worden. Ebenso haben wir in einer Resolution die Sicherung der Forderungen der Bauhandwerker gefordert. Auch hier tiefes Schweigen. Be⸗ züglich der Selbstbeköstigung und Selbstbeschäftigung der Preß⸗ verbrecher in den Gefängnissen haben wir indirekt erfahren, daß der Bundesrat die Zustimmung versagt hat. Das muß doch doppelt und dreifach unangenehm berühren in einer Zeit, wo bekannt wird, daß ein ehemaliger Seekadett Hüssener in der Festungshaft Frei⸗ heiten genießt, die in ganz Deutschland Entrüstung erregt haben. Ich will nicht auf das Klischee eingehen, das verschiedene sozial⸗ demokratische Zeitungen gebracht haben, aber feststeht, daß die Erklärung der Militärbehörde ganz und gar nicht genügt, auch nicht die Androhung der Verfolgung wegen Verhöhnung der Stuben⸗ ordnung für die Festungsgefangenen; weit eher muß man in diesem Falle eine Verhöhnung des Rechtsbewußtseins im Volke erblicken, um so mehr, wenn man sieht, mit wie ungleichem Maße auch bei den Festungsgefangenen gemessen wird. Dem Redakteur eines Cölner liberalen Blattes, der ein politisches Vergehen zu büßen hatte, ist jede Vergünstigung, jeder Urlaub, selbst der Kirchenurlaub, verweigert worden. Wenn der Reichstag sich schon auf so ein kleines Stück Strafvollzugsreform zurückgezogen hat, sollte der Bundesrat doch nicht immer wieder mit deinselben glatten Nein antworten. Etwas günstiger scheint der Beschluß auf unsere Wünsche bezüglich der Gefängnisarbeit ausgefallen zu sein; die Resolution ist dem Reichs⸗ kanzler überwiesen worden. Wir wünschen nicht, daß die Ge⸗ fangenen in Strafanstalten und Zuchthäusern handwerksmäßig aus⸗ gebildet werden, um durch ihre Arbeit den ansässigen Handwerkern Konkurrenz zu machen; sie sind in erster Linie bei landwirtschaftlichen Meliorationen, Steinbrüchen ꝛc. zu beschäftigen. Die Koblenzer Handwerkskammer hat den beachtenswerten Vorschlag gemacht, die Insassen der Gefängnisse in erster Linie mit der Anfertigung solcher Gegenstände zu beschäftigen, die wir sonst in halbfertigem Zustande aus dem Auslande beziehen, und dann mit der Herstellung gewisser geringwertiger Gegenstände, die ins Ausland exportiert werden. Wir fordern in einer besonderen Resolution, daß uns jedes Jahr bei der Vorlegung des Etats auch statistische Mitteilungen über die Be⸗ schäftigung von Sträflingen gemacht werden, nebst Aufschluß über deren täglichen Verdienst, auch derer, deren Arbeitskraft an Unternehmer vermietet ist. An der Hand solcher Statistik werden wir dann prüfen können, ob und in welchem Umfange die Wünsche des Handwerks erfüllt werden können.
Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding: Meine Herren! Wenn dem hohen Hause bis jetzt keine Vorlage
gemacht worden ist, aus der sich ergibt, wie sich der Bundesrat zu Kriegsminister zu erbitten.
den Resolutionen des Reichstages im Laufe des letzten Jahres gestellt hat, so liegt das daran, daß es bisher Tradition war, solche Ueber⸗
sichten über die Beschlüsse des Bundesrats zu den Resolutionen des Reichstags nur beim Beginn einer neuen Session — der ja jetzt
bekanntlich nicht eingetreten ist — dem Hause vorzulegen. Inzwischen ist ja die Frage, ob dies Verfahren zweckmäßig ist, oder ob daran eine Aenderung vorgenommen werden soll, eine Anregung gegeben durch
einen Antrag der Herren Abgeordneten Gröber und Dr. Schaedler, der bei dem Etat des Herrn Reichskanzlers zur Erörterung kommen soll. Ich zweifle nicht, daß da, soweit das jetzt schon möglich ist, von seiten der Regierung Stellung genommen werden wird. So er⸗ klärt es sich aber, weshalb zur Zeit eine Mitteilung der gedachten Art dem Reichstag nicht gemacht worden ist.
Wenn der Herr Abgeordnete, der soeben gesprochen hat, die Tat⸗ sache, daß eine Anzahl von Resolutionen des Reichstags von den ver⸗ bündeten Regierungen nicht akzeptiert, sondern abgelehnt worden ist, dazu benutzt, um von einer Nichtachtung des Reichstags seitens der verbündeten Regierungen zu reden — so möchte ich doch bitten, sich dieser Empfindung des Herrn Vorredners nicht anzuschließen. Davon kann gar keine Rede sein; wir prüfen — und das Recht hat der Bundesrat ebenso wie der Reichstag! — jede uns zugehende Vorlage, jeden hier angeregten Gedanken, jeden Vorschlag nach sachlichen Rücksichten und sind verpflichtet, abzulehnen, wenn uns die sachlichen Rücksichten, die gegen die Sache sprechen, überwiegend erscheinen. Irgend ein Gefühl der Nichtachtung dem Reichstage gegenüber kommt dabei nicht in Frage, wie es auch den verbündeten Regierungen niemals eingefallen ist, wenn der Reichstag — was doch auch recht häufig vorkommt — An⸗ träge ablehnt, die von den verbündeten Regierungen eingebracht und sogar mit großer Wärme unterstützt wurden, darin ein Zeichen der Nichtachtung des Reichstags gegenüber den Regierungen zu erblicken, daran hat der Bundesrat niemals gedacht.
Was die Resolutionen betrifft, die von dem Herrn Abgeordneten er⸗ wähnt worden sind, so betrifft die erste, die er berührte, den Automobil⸗ verkehr. In dieser Beziehung kann ich nur sagen, daß die Erwägungen über einen geeigneten, Weg, den zweifelos vorhandenen Mißständen Ab⸗ hilfe zu schaffen, sich dem Abschlusse nähern. Ich habe bereits früher die Ehre gehabt, dem Hause zu erklären, daß das Reichsjustizamt nicht in der Lage sei, in dieser Frage, bei der so viele praktische, tief einschneidende Rücksichten in Betracht kommen, seinerseits die Initiative zu ergreifen, sondern daß das Reichsjustizamt dies der preußischen Regierung überlassen habe. Die preußische Regierung ist inzwischen vorgegangen und hat statistische Ermittelungen angestellt über die Schwierigkeiten, die sich an den Automobilverkehr knüpfen, über die Unfälle, die daraus erwachsen. Es sind infolge⸗ dessen zwischen den preußischen Ressorts und den Reichsressorts Ver⸗ handlungen eingeleitet über die zweckmäßigsten Wege, Abhilfe zu bringen. Diese Verhandlungen schweben eben noch. Es ist zunächst in Frage gekommen, ein Haftpflichtgesetz zu schaffen nach Art des Haftpflichtgesetzes für die Eisenbahnen. Es sind aber mancherlei Bedenken hervorgetreten, nicht zu Gunsten der Automobile, sondern im Interesse des Verkehrs im allgemeinen, ob mit einem solchen Gesetz wirklich die ersehnte praktische Hilfe gebracht werden würde. Es ist darauf anderseits der Vorschlag gemacht worden, die sämtlichen Automobilbesitzer oder ⸗benutzer zu einer Zwangsgenossenschaft im Deutschen Reiche zu vereinigen, damit sie gemeinsam einen Fonds schaffen, aus dem bei Unfällen die nötige Entschädigung gewährt werden könnte, ein auf den ersten Augenblick vielleicht sehr praktisch erscheinender Gedanke, der aber einer sehr sorgfältigen Durcharbeitung bedarf, bevor man sich klar darüber wird, ob er in der Form eines Gesetzentwurfs dem Bundesrat vorgelegt werden kann. Wohin die Entschließung gehen wird, vermag ich zur Zeit noch nicht zu sagen; die Verhandlungen über diese Seite der Sache werden der Natur der Verhältnisse gemäß im Reichsamt des Innern und nicht im Reichs⸗ justizamt geführt, und vielleicht wird der Herr Staatssekretär des Innern, wenn sein Etat zur Verhandlung kommt, in der Lage sein,
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etwas Näheres über den Stand der Vorarbeiten Ihnen mitzuteilen.
Der Herr Abgeordnete hat mich dann gefragt, wie es mit der Vorlage zum Schutze der Bauhandwerker steht. Ich kann in dieser Beziehung ihn beruhigen. Die Vorlage iist fertig, die Begründung ist ausgearbeitet, die umfangreiche Arbeit im preußischen Staatsministerium zur Beschlußfassung. Sofern und sobald die preußische Regierung diese Vorlage als annehmbar befunden hat, wird ein entsprechender Gesetzentwurf an den Bundesrat kommen. Wenn der Herr Abg. Burlage, auf den der Herr Vorredner als besonderen Kenner der einschlagenden Verhältnisse hinwies, über den Entwurf keine Mitteilung erhalten hat, so liegt das nicht daran, daß wir nicht besonderen Wert auf seine Sachkunde legten, sondern es liegt einfach daran, daß die preußische Regierung diesen Entwurf noch als ein Internum behandelt und behandeln muß, das der Außenwelt noch nicht zugänglich ist.
Die dritte Frage, die der Herr Vorredner aufgeworfen hat, ist, wie es denn mit dem Antrag Gröber über den Strafvollzug stehe. Meine Herren, in dem Antrag Gröber war — ich habe ihn augen⸗ blicklich nicht vorliegen — meiner Erinnerung nach unterschieden zwischen Untersuchungsgefangenen und Strafgefangenen, und es waren, abgesehen von der Strafhaft auch für Fälle der Untersuchungshaft Erleichterungen zu Gunsten der Verhafteten in Aussicht genommen. Gleich nachdem hier im Hause über diesen Antrag Beschluß gefaßt worden war, habe ich Veranlassung genommen, der Strafprozeßkommission, da es sich hier, soweit die Untersuchungsgefangenen in Frage kommen, um eine Frage der Strafprozesse handelt, die Sache zu unterbreiten. In dieser wird sie erörtert werden und sie wird ihren Austrag finden in dem Entwurf zu der Strafprozeßordnung. Soweit die Resolution dagegen auf die Strafgefangenen sich bezieht, kann sie erst ihre Er⸗ ledigung finden, wenn wir über die Behandlung der Untersuchungs⸗ gefangenen schlüssig geworden sind. Ich glaube, das hohe Haus wird daraus erkennen, daß wir keinerlei dilatorische Behandlung in der Sache haben eintreten lassen, sondern daß ihr die zur Zeit überhaupt mögliche sachgemäße Behandlung zu teil geworden ist.
Der Herr Abgeordnete ist dann auf den Fall Hüssener gekommen. In dieser Beziehung bedauere ich, dem hohen Hause eine Mitteilung nicht machen zu können. Der Fall Hüssener gehört nicht zur Kompetenz der Reichsjustizverwaltung. Der Strafvollzug gegen den Delinquenten mittels Festungshaft unterliegt der Verantwortung der Kommandantur von Koblenz, wo die Strafe verbüßt wird; die Militärverwaltung ist also verantwortlich für die Behandlung des Delinquenten, und ich stelle anheim, bei der Beratung des Militär⸗ etats in dieser Beziehung die gewünschten Erklärungen vom Herrn
Nun, meine Herren, hat der Herr Abgeordnete schließlich eine sehr schwierige Frage behandelt, die ich hier bei der vor⸗ gerückten Zeit nicht näher erörtern will; das ist die Frage der Beschäftigung der Gefangenen in Strafanstalten.
Wir haben auch in dieser Beziehung den hier im Reichstage aus⸗
gesprochenen Wäünschen volle Beachtung geschenkt und sind gegenwärtig
damit beschäftigt, eine Statistik vorzubereiten, die Auskunft gibt über die Art und den Umfang der Beschäftigung der Gefangenen in den einzelnen Anstalten. Meine Herren, wir haben mit diesem Schritt vorgehen müssen, weil die Klagen namentlich aus den Kreisen des kleinen Handwerks über die Konkurrenz, die ihm durch die Sträͤflingz. arbeit gemacht wird, in den Fällen, in denen wir diesen Klagen nähergetreten sind, in den tatsächlichen Unterlagen keineswegs als za⸗ treffend sich erwiesen haben. Ich kann auch die geehrten Herren nu bitten, Klagen, die in dieser Beziehung an sie kommen, mit großer Vorsicht zu prüfen. Erst die Statistik, die wir Ihnen ja sehr gen mitteilen werden, wird ergeben, in wie weit hier Grund zur Be, schwerde vorliegt.
Im übrigen, meine Herren, haben, doch die verbündeten Re, gierungen nicht die mindeste Veranlassung, in diesem Punkt andere Auffassung zu sein als der Reichstag selbst. Wir wünschen eine sach⸗ gemäße Beschäftigung, wie die Gefangenen sie brauchen. Wir wünschen aber nicht, daß die Gefangenen mit dieser Beschäftigung dem ehrsamen Handwerk eine nachteilige Konkurrenz machen. Das würde durchauz gegen die Intentionen der Regierung sein. Die große und schwierige Frage ist nur die: wo ist hier die Grenze zu ziehen, auf der einen Seite das Handwerk zu schützen, auf der anderen Seite die in Interesse der geistigen und körperlichen Disziplin nötige und von den Gefangenen selbst gewünschte Beschäftigung zu wählen. Das ist nicht so einfach, wie der Herr Abgeordnete vielleicht glaubt. Ich kann ihn nur bitten, überzeugt zu sein, daß die Strafanstaltsverwaltungen nach dieser Richtung sich alle Mühe geben und daß die einzelnen Anstalten durchaus in demselben Sinne arbeiten. Zur Bekundung dessen möchte ich nur das Eine anführen, daß in den preußischen Zuchthäusern eis Beschäftigung der Strafgefangenen mit Handwerkerarbeiten seit einer Reihe von Jahren stetig zurückgegangen ist von mehr als 70 duf weniger als 30 % der Gefangenen. Das ist ein Zeichen, daß die Strafanstaltsverwaltung in dem größten Bundesstaat dieser Frage ernste Aufmerksamkeit schenkt und auch mit Erfolg bemüht ist, die möglichsten Erleichterungen zu Gunsten des Handwerks eintreten u lassen.
Ob es tunlich sein wird, jedes Jahr ein Statistik der von dem Herrn Vorredner gewünschten Art aufzustellen, lasse ich dahingestelt sein. Vielleicht wird auch der geehrte Herr bereit sein, sein Urteil in dieser Beziehung noch auszusetzen, bis er in die Statistik Einblick he⸗ kommt, die wir jetzt im Begriff sind, herzustellen. Er wird sich danmn doch vielleicht überzeugen, daß auf der einen Seite eine Statistik, die alle Jahre aufgestellt und vorgelegt werden muß, für die in Betracht kommenden Verwaltungen eine viel zu große Arbeit und auf der anderen Seite auch für die Herren Abgeordneten zur Orientierung auf diesem Gebiet keineswegs nötig ist.
Hierauf wird um 5 ½ Uhr die weitere Beratung auf Donnerstag 1 Uhr vertagt.
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Preußisch⸗deutsche Gesetzsammlung 1806 — 1904 Vierte Auflage in systematischer Anordnung, unter Mitwirkung von Dr. Cretschmar, Erstem Staatsanwalt, Dr. Hoffmann, Ge⸗ heimem Oberregierungsrat, Dr. Mielcke, Wirklichem Geheimen driegsrat, Petersen, Regierungsrat, Dr. Strutz, Geheimem Ober⸗ finanzrat, herausgegeben von G. A. Grotefend, weeil. Geheimem Regierungsrat, und fortgeführt von Dr. G. Cretschmar, Erstem Staatsanwalt. Lieferung 31—83. Düssel⸗ dorf, L. Schwann, Königliche Hofbuchhandlung. — Von diesem großen Werke, das den die Jahre 1806 — 1904 umfeassenden gewaltigen Stoff gesetzgeberischer Arbeit des Deutschen Reiches und des Königreichs Preußen in systematischer Anordnung und in gegenwärtiger Geltung enthält, sind mit der Ausgabe der hier an⸗ gezeigten Lieferungen die Bände I 1: „Verfassungsrecht“, II: „Ver⸗ waltung“, III 1: Versicherungswesen, Gewerbe, Gewerbegerichte, Bergbau“ und III 2: „Landwirtschaftschaft“ zum Abschluß gelangt; ferner liegen von den Bänden I 2: „Reichs⸗ und Staatsfinanzen, Kommunalabgaben; und IV: „Bürgerliches Recht, Strafrecht und Rechtspflege“ je 8 Hefte vor. Die Sammlung läßt sich also bereits in fast allen ihren Teilen bei der täglichen Arbeit benutzen und erweist sich dabei, dank der durch die sgstematische Anordnung des Stoffes ermöglichten großen Uebersichtlich⸗ keit und der Lückenlosigkeit des ebotenen umfangreichen Materials, als außerordentlich wertvoll. Es bestand ein dringendes tatsächliches Bedürfnis nach einem solchen Werke, das nunmehr be⸗ friedigt ist. Denn einmal haben die preußische und die deutsche Gesetzgebung einen so großen Umfang erlangt, daß es menschliches Ve mögen übersteigt, den in den offiziellen Gesetzsammlungen nur nach zeitlicher Anordnung gebotenen Stoff zu übersehen; sodann ist es wohl für jeden, der bei wissenschaftlicher oder praktischer Arbeit diese Gesetzsammlungen zu benutzen hat, der Regel nach ein begrenztes und doch wieder so großes und unübersichtliches Quellengebiet des Rechtes, aus dem er für seinen Beruf zu schöpfen hat. Die vorliegende systematische Be⸗ arbeitung bietet mehr oder minder scharf umgrenzte Gebiete in einer die Uebersicht gewährleistenden Anordnung, zugleich aber auch die Möglichkeit, den inneren Zusammenhang der Sondergebiete mit dem Ganzen zu erkennen und durch diese Kenntnis und Erkenntnis die Benutzung der Gesetzgebung eines Sondergebiets zu befruchten. Dazu tragen namentlich die in Anmerkungen zum Gesetzestext u. a. ent⸗
haltenen Hinweise auf die in Betracht kommenden anderen Gesetz
wie auf die Ausführungsbestimmungen der Zentralbehörden bei. Der Herausgeber und die mitwirkenden Herren haben sich in die Arbeit so geteilt, daß der als Verfasser des in vier Auflagen erschienenen Baches „Rheinisches Zivilrecht“ und des 1903 herausgegebenen Werkes „Das bürgerliche Recht, unter besonderer Be⸗ rücksichtigung der preußischen Landesgesetzgebung dargestellt und er⸗ läutert“ bekannte Erste Staatsanwalt Dr. Cretschmar das bürgellich Recht (einschließlich des Handelsrechts), das Strafrecht und die Rechts⸗ pflege, der Geheime Oberregierungsrat Dr. Hoffmann das Gewerbe⸗ Bergbau⸗ und Versicherungsrecht, der Wirkliche Geheime Kriegsrat Dr. Mielcke die für das Heer und die Marine ergangenen Gesetze ꝛ, der Regierungsrat Petersen die Agrar⸗, Auseinandersetzungs⸗ und An⸗ siedelungsgesetzgebung, sowie die die Landwirtschaftskammern und die Landeskultur einschließlich der Viehzucht, der Viehseuchen und 8 Veterinärwesens betreffenden Gesetze ꝛc, der Geheime Oberfinanzra Dr. Strutz das Reichs⸗, Staats⸗ und Kommunalfinanzwesen und der Geheime Regierungsrat Grotefend das Verfassungsrecht des Deutschen Reichs und des preußischen Staates einschließlich der Rechtsverhältniße der Kommunalverbände, der Reichs⸗, Staats⸗ und Kommunalbeamten. und das Verwaltungsrecht, soweit dieses nicht die vorbezeichneten Materien, sondern die allgemein? Land. sverwaltung und das Ver⸗ waltungsstreitverfahren, die allgemeinen wirtschaftlichen Angelegen, heiten (Aufenthalts⸗ und Niederlassungsrecht, Paßwesen, Auswanderunge⸗ wesen, öffentliche Verkehrseinrichtungen und Verkehrsanstalten), die Fürsorge für das Gemeinwohl, den Schatz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, das Unterrichts⸗ und Erziehungswesen, den Schutz 18 die Förderung der Wissenschaften und Künste, die Angelegenheiten
Kirchen und der Religionsgemeinschaften betrifft, bearbeitet hat. Na
dem Tode Grotefends hat der Erste Staatsanwalt Dr. Cretschmal 26 Fortführung der Herausgabe übernommen. Jedem abgeschlossen
Bande sind außer einer eingehenden systemalischen Inhaltsübersi
or die
sollte,
ein chronologisches und ein alphabetisches Register und außerdem werden dem ganzen Werke als besonderer Band ein chronologisches und ein ausführliches alphabetisches Allgemeinregister beigefügt. Der bevorstehenden Vollendung des Werks können die neuen Bearbeiter und die Verlagsbuchhandlung mit gleicher Genugtuung entgegensehen; denn die praktische Erfahrung und das Geschick beider Teile haben vortrefflich zusammengewirkt, um ein wirklich brauchbares, lückenloses und leicht zu benutzendes Nachschlagewerk zu schaffen, das alle Aus⸗ sicht hat, sich schnell bei den Behörden und Beamten einzubürgern.
u den abgeschlossenen Bänden sind auch bereits praktisch gearbeitete endende en ausgegeben worden.
— Grillparzers Werke. Mit Grillparzers Leben, Bildnis und Faksimile, Einleitungen und Anmerkungen herausgegeben von Dr. Rudolf Franz. 5 Bände in Leinenband 10 ℳ (Meyers Klassikerausgaben.) Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien. — Mit dem eben erschienenen fünften Band wird die von Dr. Rudolf Franz bearbeitete Grillparzerausgabe des Bibliographischen Instituts abgeschlossen. Der Band bringt die letzten der natürlich
vollzählig dargebotenen Dramen Grillparzers: „Der Traum, ein Leben“ und „Weh dem, der lügt!“ Im übrigen ist er, wie Band 1 den „Gedichten“, der „Prosa“ eingeräumt. Und zwar enthält er von Erzählungen den „Armen Spielmann“ und das weniger bekannte „Kloster bei Sendomir“. Des weiferen findet man in ihm Proben aus Grillparzers satirischen Schriften, aus seinen Studien zur Aesthetik und zur Literatur, zur Musik („Beethoven“) und zur Geschichte und Politik, sowie charakteristische Abschnitte aus seinen Tagebüchern (D„Reise nach Italien“) und aus seiner Selbstbiographie („Besuch bei Goethe“*). Eine Anzahl von Aphorismen machen den Schluß. Auch in diesem Bande gehen Einleitungen jedem Werke vorauf. Ein um⸗ fangreicherer Anhang von Anmerkungen und Lesarten macht die im Text nicht mit Fachwissenschaft beschwerte Ausgabe auch für den Fach⸗ mann wichtig; namentlich werden die sorgsamen Belege aus den zum Teil fremdsprachlichen Quellen Grillparzers diesem erwünscht sein. .
ö 1““ Kurze Anzeigen neu erschienener Schriften, deren Besprechung vorbehalten bleibt. Schillers „Wilhelm Tell“. Beiträge zur Erläuterung und aufsatztechnischemn Behandlung des Dramas. Von M. Strich. Berlin C. 19. G. Pintus. Bürgerliche Hausbaukunst von Victor Zobel. Kart. 1,20 ℳ München, D. W. Callwey. zur praktischen Aesthetik im Städtebau. 4 ℳ München, D. W. Callwey.
Beiträge Von K. Henrici. 8 1
Rangliste der Offiziere des Beurlaubtenstandes der Königlichen Preußischen Armee. Nach dem Stande vom 1. Oktober 1904 zusammengestellt von Radziejewski. I. Teil. Gebdn. Berlin SW. 19. Verlag „Die Jachts.
Die direkten Steuern. Von B. Fuisting. II. Band. Kommentar zum Ergänzungsteuergesetz. 2. Aufl. Gebdn. 14 ℳ Berlin W. 8. Carl Heymanns Verlag.
Das Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893 nebst Ausführungsanweisung vom 10. Mai 1894. Erläutert von F. Nöll. 5. Aufl. 10 ℳ Berlin W. 8. Carl Heymanns Verlag.
„Taschen⸗Gesetzsammlung 6. Reichsgesetz, betr. den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken. Von Dr. Eduard Braun. Gebdn. 2 ℳ Berlin W. 8. Carl
Heymanns Verlag. Almanach interessanter
Der Pitaval der Gegenwart. Straffälle. II. Band Heft 1. Preis für den Band (4 Hefte) 6 ℳ
Leipzig, C. L. Hirschfeld. Handel und Gewerbe.
(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie“
Mexiko.
Zollbehandlung von ausländischen Warenmustern.
Laut des durch Verordnung des Präsidenten der Republik vom 29. März 1904 abgeänderten Artikels 217 der Zollordnung ist den Einführern von vollständigen, als Muster dienenden Gegenständen, welche leicht gekennzeichnet werden können, die zollfreie Einfuhr gegen Hinterlegung einer Sicherstellung in Höhe des Zolls mit dem Beding der Wiederausfuhr nach Ablauf einer bestimmten Frist ge⸗ stattet. Diese Vergünstigung ist eingerichtet worden zur Abwickelung von Geschäften, die durch Vorlegen von Mustern, welche an sich nicht die zum Verkauf bestimmte Ware bilden, sondern nur als Auswahl⸗ muster dienen, bewirkt werden können; der Zweck würde nicht erreicht werden, wenn als Muster gegen Sicherheitsbestellung Waren zuge⸗ lassen würden, die, wie z. B. die Schmucksachen aus Edelmetall mit oder ohne Steine, als Verkaufsgegenstände für umherziehende Schmuck⸗ händler dienen.
Laut Zirkulars des Generalzolldirektors vom 4. August 1904 dürfen deshalb gemäß den vom Finanzminister erlassenen Erläuterungen zu Artikel 217 der Zollordnung Schmuckgegenstände aus Gold, Silber oder Flaasa. mit oder ohne Steine, als Muster im Sinne des genannten
lrtikels nicht betrachtet werden; sie können demnach nur nach end⸗ gültiger Entrichtung des Eingangszolles über die Zollämter zugelassen werden. (Moniteur officiel du Commerce.)
Aenderungen des Zolltarifs und der Zollordnung. Laut Verordnung vom 23. November 1904 ist die Nummer 263 des Zolltarifs, wie folgt, ergänzt worden:
263 A. Silbermünzen nationaler Prägung, in Stücken von je 1 Peso, sofern nicht mehr als 5 Stück eingeführt werden. 1ö1b“*“ Silbermünzen nationaler Prägung, in Stücken von je 1 Peso, sofern mehr als 5 Stück eingeführt werden. kg Rohgew. 10 Pesos.
Der Zollsatz der Tarifnr. 263 B soll bei allen Zollämtern der Republik erhoben werden, auch wenn die Münzen nach der Freizone bestimmt sind.
Die Vorschriften unter Ziffer III des Artikels 78 der Zollordnung sind in folgenden Punkten geändert oder ergänzt worden:
„E. Für die Beglaubigung von Konsularfakturen über Münzen nationaler Prägung in Stücken von je 1 Peso sind die unter Ziffer III der Abschnitte A, B, C und, je nach Lage des Falles, des Abschnitts D bezeichneten Gebühren zu entrichten.
Anmerkung: Ziffer III des Artikels 78 der Zollordnung lautet:
Für die Beglaubigung jeder Klasse von konsularischen Fakturen sind zu entrichten: 1 Pesos
A. Wenn der Wert der in die Faktura aufgenommenen
Waren 100 Pesos nicht übersteigt. . . . ...
B. Wert 100 Pesos, jedoch nicht 1000 Pesos
C. Für jede 500 Pesos oder einen Bruchteil von 500 Peso
nn Z““ 8 ““
D. Wird die Faktura zwei Tage nach der Abfahrt des
ddie Waren führenden Schiffes zur Beglaubigung vor⸗
dagern so werden die oben genannten Gebühren ver⸗
F. Die Beglaubigung von Konsularfakturen über jede andere Art
umlaufsfähiger Silber⸗ oder Gsldmünzen, einheimischer oder fremder
oder auch über Barknoten der in der Republik auf Grund des Ge⸗
setes über die Kreditanstalten bestebenden Banken, sofern in den “ “ mufhelgbet sind, ist gebührenfrei. erner haben die Artikel 242 und 524 der Zollordnung fo
Fassung erhalsen: 8
„Artikel 242. Die Zollamtsverwalter können die Einfuhr von
Münzen nationaler Prägung in Stücken von je 1 Peso in die Re⸗
publik beschränken, wenn dieselbe Person von der für die Einfuhr der
Künzen in Mengen von nicht über 5 Stück bewilligten Zollfreiheit
häufiger Gebrauch macht. Ferner können sie, wenn es notwendig sein
die nach der Zollordnung Reisenden bewilligte Zollfreiheit
263 B.
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beschränken, falls sich diese aus irgend einem Grund des Schmuggels
verdächtig machen sollten usw.
Artikel 524. Die Uebertretung der in den beiden vorhergehenden Artikeln gegebenen Vorschriften sowie die heimliche Einfuhr von Silbermünzen nationaler Prägung in Stücken von je 1 Peso wird mit Beschlagnahme der Waren oder Gegenstände bestraft; die Zoll⸗ ämter haben Vorkehrung zu treffen, daß solche Waren solange sicher hinterlegt werden, bis die endgültige Entscheidung über ihre weitere Verwendung ergangen ist.
Die Verordnung ist am 1. Januar 1905 in Kraft getreten.
(Diario oficial.)
Der Handel und die wirtschaftliche Lage Paraguays.
Im Verglesch zu dem Standpunkte, den Paraguay vor einem Jahrzehnt einnahm, ist ein unverkennbarer Fortschritt auf allen Ge⸗ bieten des wirtschaftlichen Lebens zu verzeichnen. Die Ein⸗ und Aus⸗ fuhr haben stetig zugenommen, die Produktionskraft des Landes ver⸗ mehrt sich zusehends, und beständig entstehen neue industrielle Unter⸗ nehmungen. Die am Paraguayflusse erstandenen Estanzias und Fabriken haben der Uferregion einen anderen Stempel aufgedrückt, und das Kapital findet Anlage in Betrieben, die in bisher ver⸗ einsamten Gegenden ihre Niederlassungen gründen.
Der Wert des Gesamthandels hat sich seit 1885, wo er 3137 122 Pesos Gold *) betrug, mehr als verdoppelt, indem er im Jahre 1903: 7 805 476,92 Pesos erreichte. Die Viehzucht, einst eine ärmliche, den traditionellen Methoden der Kolonisationsepoche unter⸗ worfene Industrie, gestaltet sich immer mehr zu einem Hauptquell nationalen Reichtums und fängt an, in der Aufzucht Beweise einer größeren Verfeinerung zu geben. Außer ihr haben die Yerba⸗ gewinnung sowie die im Lande befindlichen beiden Quebrachoertrakt⸗ fabriken mit dazu beigetragen, das Aktivum der Handelsbilanz zu steigern. Ernste Bestrebungen, Regsamkeit und Arbeit machen sich geltend in den Städten am Paraguayflusse und in den Häfen des Alto Parana, und die Nation drängt nach Beteiligung an dem all⸗ gemeinen Fortschritte, der in den Republiken des La Plata so fühlbar
zu Tage tritt.
Aber dem im wesentlichen erfreulichen Bilde fehlen auch die Schatten nicht. Bei der großen Fruchtbarkeit des Landes würde die Entwickelung desselben sicherlich eine noch weit schnellere und durch⸗ greifendere sein, wenn es durch Eisenbahnen und Wegebauten mehr erschlossen wäre. Die einzige, in englischen Händen befindliche Eisen⸗ bahn der Paraguayan Central Railway Co., welche Asuncion mit Villa Rica verbindet und darüber hinaus bis Pirapé führt, verfügt nicht über genügendes Kapital und ausreichendes rollendes Material, um den an sie herantretenden Anforderungen des Transports in dem erwünschten Maße gerecht werden zu können, und kommt vermöge ihrer Lage nur einem beschränkten Teile des Landes zugute. Die Leüdürat befinden sich trotz der im Interesse des Wege⸗ und Brückenbaues eingeführten, persönlichen Arbeitspflicht nicht in dem Zustande, welchen ein reger Verkehr erheischt, und sind nach heftigen Regengüssen stellenweise, namentlich für größere Lasten, geradezu unpassierbar. Das erschwert natürlich den Absatz der Pro⸗ dukte und ist insbesondere nicht geeignet, die Einwanderung anzulocken, für welche noch weite Strecken zur Besiedelung offen stehen. Außer der Einwanderung mit ihrem Zuwachs an neuer Arbeits⸗ und Steuer⸗ kraft bedarf Paraguay dringend der Heranziehung fremden Kapitals, welches eine belebende Rückwirkung auf die Produktionskraft des Landes und die allgemeine Geschäftslust ausüben würde.
Die Ein⸗ und Ausfuhr haben gegenüber dem Vorjahre wieder zugenommen trotz der durch Goldmangel verursachten, heftigen Schwankungen des Agios.
Der Kurs des Geldes, welcher zu Beginn des Jahres 1903 1050 % notierte, sank Anfang März auf 990, um Ende Juni bis auf 1110 zu steigen; von da ab fiel er allmählich auf 950, 900 und schließlich 875 %. Diese großen Schwankungen sind teilweise auch darauf zurückzuführen, daß bei dem herrschenden Argwohn gegen die finanziellen Zustände des Landes alle Ersparnisse in Gold angelegt werden und ins Ausland abfließen, statt, wie in anderen Ländern, wieder der einheimischen Produktion zugute zu kommen. Es bedarf keiner näheren Ausführung, daß unter den obwaltenden Umständen die Stetigkeit der Handelsbewegung namentlich hinsichtlich der Preise der Waren und Landeserzeugnisse ungünstig beeinflußt wurde. Der Ein⸗ fuhrhandel litt außerdem nach wie vor unter der Unsicherheit der zoll⸗ amtlichen Behandlung, welcher es an der Durchbildung fester Grund⸗ sätze noch fehlt.
Der Gesamtwert der Ein⸗ und Ausfuhr in den beiden Jahren 1902 und 1903 betrug in Pesos Gold:
1902 1903
Einfuhr. 2 406 3881 3 551 824,92 Ausfuhr. 3 890 668 4253 652,00 Summa 6 297 039 7 805 476,92.
Das ergibt für 1903 eine Zunahme von 1 508 437,92 Pesos
Gold, wovon auf den Export 362 994 entfallen.
An der Einfuhr waren die verschiedenen Länder nach den zoll⸗ amtlichen Angaben in folgender Weise beteiligt:
1902 1903
.863 455
. 325 185
—. 295 300
.412 455
.202 350
—. 79 415
. 109 115
15 945
4 140
Großbritannien.
Deutschland.
Argentinien.
JEE1“];
11“1“”“;
Vereinigte Staaten von Amerika..
Belgien..
Brasilien.
Uruguay 1116“ 8 7 050 16 971,92
Verschiedene Länderr 91 971 491 558,72
Die Haupteinfuhrländer sind hiernach Großbritannien, Deutsch⸗ land, Frankreich, Argentinien, Italien, Spanien und die Vereinigten Staaten von Amerika. Ob die vorstehenden Zahlen auf absolute Richtigkeit Anspruch erheben können, muß bei dem Mangel einer gut durchgebildeten Statistik in Paraguay bezweifelt werden; schon allein der große Unterschied zwischen der Einfuhrziffer der Staaten Bra⸗ silien und Uruguay sowie der nicht namentlich aufgeführten Länder im Jahre 1903 gegenüber dem Vorjahre gibt in dieser Hinsicht zu denken und der Vermutung Raum, daß die Feststellung des Ursprungs der Waren oft der Zuverlässigkeit entbehrt. Die Einführung direkter Konnossemente dürfte hierin mit der Zeit Wandel schaffen. Ein Vergleich des Jahres 1903 mit dem Jahre 1882 ergibt folgendes Bild von der Einfuhr: 1882 1903
Gewebe 497 656,12 1 032 035,28 Eßwaren „ . 230 742,82 621 830,99 Eisenwaren. . 79 595,97 329 818,99 ee“ .195 578,87 265 846,30 ͤ 151 461,52 Kramwaren... 62 548 93 121 464,03 Konfektionswaren . 85 314,90 35 919,47 Waffen E1111“*“ 6 493,25 33 758,58 Schuhwarenn ..2868 287,05 6654,21 Ee166ö666 3 388,25 2 719,93 Zusammen (einschl. sonstiger Artitel) 1 257 326,43 3 551 824,92. 1 Danach beträgt die Importziffer des Jahres 1903 fast 183 % mehr als diejenige des Jahres 1882.
In ähnlichem Verhältnisse ist der Export gestiegen; während er sich 1882 nur auf 1 620 679 Pesos Gold belief, übertraf er diese Ziffer bereits im ersten Halbjahre 1903 mit 1 763 939,36 und erreichte am Ende desselben 4 253 652. Die Hauptausfuhrländer sind Argen⸗ tinien, Uruguay, Brasilien, Deutschland, Frankeeich, Großbritannien und Belgien. Die Hauptausfuhrartikel hatten im Jahre 1903 die folgenden Werte in Gold⸗Pesos aufzuweisen: Rinderhäute,
99 1 Peso Gold = 4,08 ℳ
““
186 671,77 22 505,39 30 443,79 27 604,50
mahlen 757 678, desgl. desgl. gesägt 41 521,
321 590, Rolltabak 612, Apfelsinen (Pomeranten) Rindertalg 51 143, Petit⸗grain⸗Essenz 35 914, Haare (Pferde⸗ und
1““ “ desgl. eingesalzen
1“
799 096, Yerba, unge⸗ gemahlen 32 766, Holz, hart 399 418, Dörrfleisch 398 558, Tabak, in Blättern Tabaksaft 1760, Quebrachoextrakt 300 628, 156 173, Zederholz 144 122, Pfosten 69 015,
tocken 241 995,
inder⸗) 34 104, Knochen 20 408, Rundhölzer im allgemeinen 19 141,
V Latten 17 667, Wildhäute 15 130, Quebracho in Rundhölzern 15 092,
FI 14 154, Fett im allgemeinen 11 646, Wolle 10 544, N edizinalpflanzen 8619, Kokosnüsse (Palmkerne) 5892, Palmen 5796, Holzkürbisse, kleine 4598, Reiherfedern 4300, Tiere, lebende 3845, öu“ 2n 1ehesh. 2250, Cumpayrinde 2144, Pflanzen 927, Straußenfedern 1671, Eingemachte Früchte 1269. (Bericht des 1“ ö“
Absatzmöglichkeit für Gefriermaschinen in Argentinien.
Am Riachuelo bei Buenos Aires ist, wie das Kaiserliche General⸗ konsulat in Buenos Aires berichtet, die Gefrieranstalt La Plata Cold Storage Co. zwar noch im Bau begriffen, die Maschinen sind in⸗ dessen bereits aufgestellt, und im Januar 1905 soll die Arbeit auf⸗
genommen werden. nm übrigen sind weitere Anlagen oder Gefrieranstalten pro⸗ jektiert, ohne daß indessen das dazu nötige Kapital bereits zusammen⸗ gebracht worden wäre. Die Unternehmer sind Francisco Seeber in Buenos Aires, calle Paraguay y Avenida Rosales, und Exequiel Ramos Melia in Buenos Aires, calle Callao 1834 wohnhaft. An diese würden etwaige Angebote wegen Lieferung von Maschinen zu richten sein. Die Korrespondenz mit ersterem könnte in deutscher Sprache geführt werden.
Absatzmöglichkeit für Eismaschinen in Chinodc.
Im nördlichen China werden im Sommer die aus dem Winter stammenden Eismengen verbraucht, nach einzelnen Hafenplätzen des mittleren und sürlichen Chinas wird im Winter vom Norden her Eis gebracht und für den Gebrauch im Sommer eingelagert. In den Binnenstädten des mittleren und südlichen China ist aber während der langen und heißen Sommerzeit fast nie Eis zu erhalten. Die Chinesen schätzen das Eis sehr, indessen gestattet die Armut der großen Masse nicht, sich ständig Eis zu halten; die reicheren Klassen erstehen bei jeder Gelegenheit Eis und verwenden es zu allen mög⸗ lichen Zwecken. Es hat sich deshalb eine steigende Nachfrage nach Eis während der Sommermonate nicht nur bei der unausgesetzt wachsenden Zahl der Fremden, sondern auch bei den bemittelteren Chinesen bemerkbar gemacht. Das Wirkungsgebiet zur Anlage von Eiswerken ist deshalb groß.
In Hankau, einer Stadt von etwa 1 Million Einwohnern, gibt es beispielsweise kein Eiswerk, obwohl die Nachfrage nach Eis immer stärker hervortritt. Während der Sommermonate pflegen einige der größeren Fischhändler mit ihren Fischladungen Eis von Ningpo mitzubringen, das sich im Winter mit Eis vom Norden verproviantiert. Beabsichtigt ist die Errichtung eines Eis⸗ werks auf dem Komplex der großen Baumwollenfabrik; angeblich soll bereits mit Agenten einer fremden Firma in Schanghai wegen der Ausrüstung verhandelt werden. Ein großes Arbeitsfeld würde aber auch so noch für andere derartige Unterneh mungen bleiben, da ähnliche Zustände wie in Hankau noch in 4 bis 5 Städten des Konsularbezirks, ganz abgesehen von den Verhältnissen im übrigen China, herrschen.
Neben der Errichtung von Eiswerken in den vorgedachten Städten macht sich auch die Nachfrage nach Eismaschinen für Haushaltungs⸗ zwecke bemerkbar. Für Interessenten würde es sich empfehlen, Kataloge zu versenden und das Geschäft möglichst zu beschleunigen. (Nach einem Bericht des Konsuls der Vereinigten Staaten von Amerika in Hankau veröffentlicht in den Daily Consular Reports) 1“
Gewerbstätigkeit in Neusüdwales.
Nach einer kürzlich veröffentlichen offiziellen Statistik waren in Neusüdwales am Schlusse des Jahres 1903 in der Landwirtschaft 71 161 Personen, in der Molkereiwirtschaft 27 559 Personen (darunter 15 208 Männer und 12 331 Frauen) und in der Viehzucht 26 051 Personen, zusammen also 124 751 Personen beschäftigt. Von dieser Anzahl, die im Verhältnis zu der gesamten Einwohnerzahl des Staats (1 438 744 Seelen) recht unbedeutend ist, sind sogar noch 13 500 nur teilweise in der Landwirtschaft beschäftigt. In den Bergwerken sind 37 559 Leute und in den übrigen Rohstoffe erzeugenden Industriezweigen 6000 Personen tätig. Demnach stellt sich die Ge⸗ samtzahl der Personen, die Nahrungsmittel und Rohstoffe produzieren, auf 168 310, und ihre Produktion bewertet sich auf 126 529 000 Doll. Die Produktion der weiter verarbeitenden Industrie dagegen erreicht in Neusüdwales nur einen Wert von 53 551 500 Doll., mithin 72 977 500 Doll. weniger als die Rohstoffproduktion. (Daily Con- sular Reports.)
Ausschreibungen.
Der Ausbau des elektrischen Straßenbahnnetzes in Glasgow ist von der Stadtverwaltung beschlossen worden; die Genehmigung hierfür soll nachgesucht werden. (The Electrical Engineer.)
Winkefürden Absatzvon Straßenbahnmaterialien usw. nach Rußland. Die Londoner Zeitschrift „Commercial Intelligence“ weist darauf hin, daß die Prüfung der Pläne für alle russischen Straßenbahnen in Händen des Professors Sultanow, des Vorsitzenden des technischen Baukomitees im Ministerium des Innern, in St. Petersburg liege, und daß es sich vielleicht empfehlen würde, in ge⸗ eigneten Fällen behufs näherer Auskunfserteilung sich an diesen Be⸗ amten zu wenden. 86
1“ . 11.“
Taägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks
86 an der Ruhr und in Oberschlesien.
An der Ruhr sind am 11. d. M. gestellt 16 971, nicht recht⸗ jeitig gestellt keine Wagen.
In Oberschlesien sind am 10. d. M. gestellt 7471, nicht recht⸗ jeitig gestellt keine Wagen.
Die am 10. d. M. abgehaltene Hauptversammlung des Ver⸗ bandes deutscher Wasserrohrdampfkesselfabriken hat der „Kölnischen Zeitung“ zufolge die Verlängerung des Verbandes bis Ende 1907 beschlossen.
— Vom rheinisch⸗westfälischen Eisenmarkt schreibt die Köln. Zig.“ u. a.: Die Lage bleibt insofern unklar, als die tat⸗ sächliche Besserung auf dem internationalen Markte sich noch nicht recht auf den heimischen hat übertragen können. Das gänzliche Scheitern der Bestrebungen, den Feinblechverband zu halten, und das teilweise Auseinanderfallen des Grobblechverbandes sowie die ungewisse Lage für Stabeisen lassen kein rechtes Vertrauen aufkommen. Die Verhältnisse in Stabeisen werden einigermaßen gestützt dadurch, daß die großen Flußeisenhütten ihr Abkommen bis zum Schluß des Monats verlängert haben. In heimischen Qualitätserzen sind die Ahschlüsse im allgemeinen für das 1. Jahresviertel gemacht worden auf Grund des ermäßigten Preises von 13,50 ℳ für Rostspath mittlerer Güte. Fester ist die Lage für heimischen Roteisenstein zu etwas über 10 ℳ für 48 %iges Erz. Minettes sind ziemlich an⸗ geboten, die Hauptgeschäfte sind gemacht, bessere Sorten, die die Fracht nach Westfalen vertragen können, sind immer schwieriger zu haben. Der Roheisenmarkr hat sich weiter erheblich befestigt, trotz der früheren Erfahrungen haben die Verbraucher von Puddel⸗- und Stahleisen gewünscht, sich zu den jetzigen Päeisen für das 1. Halbjahr zu decken, was zugestanden worden ist. Daneben gehen weitere beträchtliche Abschlüsse in Gießereieisen, außerdem hat die Beschäftigung der Stahlhütten soweit zugenommen,
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