die Antwort gegeben worden, daß von Schwesterkirchen keine Rede sein könne, daß der Katholizismus alle anderen Konfessionen ausschließe und dergleichen Verunglimpfungen mehr. Wie können wir da Ihre Mahnung zum Frieden ernsthaft nehmen? Erst sorgen Sie dafür, daß solche hohnvollen Aeußerungen aus Ihren Reihen nicht mehr er⸗
Schlachtvieh⸗ und Fleischbeschau. Zahl der im 4. Vierteljahr 1904 beschauten Schlachttiere. Zusammengestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt.
Qualität mittel Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner
am Markttage Verkaufte (Spalte 1) 8
Menge cch oaach Aberschläglicher
niedrigster höchster
niedrigster
höchster
ℳ
niedrigster
ℳ
höchster
ℳ
Doppelzentner
Schätzung verkauft . Ihas ö11116“” g “ önen. ölli s frichtige Parität sei icht mögli vZZ Zahl der Tiere, an denen die Schlachtvieh⸗ und Fleischbeschau vorgenommen wurde tönen. Döllinger sagt, aufrichtige Parität sei solange nicht möglich,
(Preis unbekannt)
11ö1“
Bemerkungen.
“ 11I1“ Brandenburg a. H. Stettin. 1“ Greifenhagen. bbe11X1X“ Stargard i. Pomm. 1166* Köslin 16“ Bromberg Breslau
Ohlau “ Goldberg i. Schl. Jauer ö6u8 Hoyerswerda . Leobschütz 3 HA Halberstadt. Eilenburg
Erfurt “ Goslar Duderstadt Fulda
Wesel
Meißen ““ Plauen i. V. Heidenheim Ravensburg Saulgau
Braunschweig Altenburg
Tilsit
Insterburg Z381I1“ L6 Luckenwalde.. Potsdam. Brandenburg a. Frankfurt a. O. Anklam.
Stettin ... Greifenhagen Stargard i. Pomm. Schivelbein .... E“ e1ö11““ Schlawe i. Pomm..
Rummelsburg i. Pomm.
Stolp i. Pomm. Lauenburg i. Pomm. Bromberg.. Namslau F Ohlau
Brieg.
Sagan . Polkwitz. SBEII Goldberg i. Schl. “ Hoyerswerda. Leobschütz. Halberstadt Eilenburg
Erfurt
Kiel Goslar. Duderstadt Lüneburg. Paderborn Fulda.
Kleve.
Wesel... Neuß.. München. Straubing. Regensburg. Meißen Pirngag Plauen i. V. Bautzen
Urach. Heidenheim Laupheim . Ravensburg Saulgau. . EI Offenburg Bruchsal. Rostock Stee Braunschweig. Altenburg ... ee“]
11,00 13,20 13,30 15,00 14,00 14,50 15,50 15,05 15,87
16,10 15,50 16,00 14,00 13,00
14,00 13,00
16,30
18,00 18,40 16,80 16,00 16,25
11,90
12,30 12,80
15,20 14,00 14,60 14,00
12,20 11,40 13,00
13,00 13,00
13,60 13,20 14,70 13,80
13,20 14 20 13,30 13,60
15,10 14,25 14 50 14,00 14,50 13,00 14,00
15,00 14,00
14,20
14,20 16,04
Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner un liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung,
2,5 3,7
15,60 14,50 14,80 14,50 14,00
13,20 12,60 12,20
13,00 12,00 13,40
14,10 13,80 14,80 14,20
—
14,50 14,70 13,80 14,00
15,25 14,75 15,00 14,50 15,00 13,33 14,20 15,25 14,25 14,70 15,20 16,32 15,00 14,80 14,00 15,60
14,40 14,90 14,80 14,40
14,50
13,45
— 15,50 V
Gerste.
14,05
13,30 13,60
14,05 13,00 13,60
15,70 14,80 14,80 14,40 13,00 13,60 14,00 15,30 16,00 15,60 15,80 16,50 15,45 16,40 15,50 17,30 16,50 18,00 15,20 16,00 16,00 14,00 15,60 17,10 17,50 18,40 18,30
18,00 18,00 15,40 17,00 17,50
her. 12,60 13,60 12,70 13,60 16,00 15,80 15,00 15,10 14,80 14,20 13,80 13,50 13,00 13,00 13,40
13,60
13,90 14,60 14,50 15,00 14,60 14,80 14,60 14,40 14,80 15,20 14,30 14,40 14,00 15,40 15,50 15,50 14,80 15,30 13,67 14,50 15,20 15,50 14,50 15,20 13,20 15,80 16,50
14,00 15,00 15,00 15,00
15,60
15,20 15,00 15,00 16,50 15,50 13,80 13,80
14,65 15,40
14,40 13,00 13,60
15,80 15,00 15,20 14,60 13,50 13,60 14,00 16,00 16,00 16,00 15,80 16,50 15,80 16,53 16,60 17,90 16,50 19,00 15,20 18,00
16,00 14,00 17,40 17,50 17,50 18,80 18,30
18,40 18,00 15,40 17,00 17,50
12,95 13,60 12,70 13,60 16,00 15,80 15,00 15,10 14,80 14,20 14,00 13,60 13,00 13,60 13,40
13,60
13,90 14,60 14 80 15,00 14 80 14,80 14,60 14,40 14,80 15,20 14,80 14,60 14,50 15,60 15,50 16,00 14,80 15,80 14, 00 14,80 15,60 15,50 14,50 15,20 14,20 16,50 16,60
14,80 15,20 15,00 15,40
16,00
15,40 15,00 15,40 16,50 15,50 13,80 14,30
14,65 15,60
d der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.
12 739 104
299
726 174
13,68 14,65 15,46
14,30
13,22 15,51 16,38 15,00
15,15 15,80 15,85 14,77 15,04 14,79 14,92 16,50
13,59 14,16
15,51
13,65 14,60 14,86
14,80
13,86 15,35 16,74 14,70
14,91 15,35 15,79 14,49 14,80 14,60 14,88 16,00
13,97 14,19
15,60
vo bo
8
do po po po po pobo bo po
0
b0 bo
11. 11. 11. 10. 11. 11. 11. 11. 15. 15.
111
do po po po po ho ho po
Der Du rchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet. )in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt
Staaten und Pferde und Landesteile “ 1
1 Ochsen V Bullen Kühe
Jung⸗ rinder über
3 Monate alt
Kälber V bis Schweine Schafe Ziegen Hunde
Provinz Ostpreußen . . . ... 506 8 bö““ 223 11142* 3 098 Provinz Brandenburg . . . . 2 094 4“ 958 ZA“ 173 ö“ 6 502 EE11“ 2 834 2 723 Schleswig⸗Holstein.. 1 915 5 646 W166“ 2 536 4 834 a4“ 3 859 Hessen⸗Nassau.. 700 9 044 ᷓ“ 57 22 359 Hohenzollern
—
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7 663 4 032 13 0633 93 554 34 368 1 1Go 6 203 3 485 14 150 80 981 14 490 2 487 5 168 10 358 37 446 263 545 101 283 19 24 249 9 970 47 962 220 709 25 028 2 553 7 495 2234 21 591 86 911 23 363 716 6 242 4613 24 353 105 812 13 756 16 298 33 710 17 702 92 219 363 991 19 389 18 429 6 890 37 785 197 366 227 660 12 227 6 736 28 074 103 636 11 234 13 342 6 148 27 586 171 195 42 958 35 490 5 743 36 915 226 720 10 145 16 282 12 010 43 124 303 821 23 473 58 944 19 720 82 900 388 670 88 655 338 446 810 2 045 69
Königreich Preußen.
Bayern rechts des Rheins.. Bavern links des Rheins.
245 782 110 087 507 978 2 608 956 385 871
V 2977 9589 12 332 52 024 890 43 510 24 367 148 655 443 617 56 019
Königreich Bayern. . . 3 526 1 1 12 990
Königreich Sachsen... 2 10 102 b11..“ 58 : 7 399 Mecklenburg⸗Schwerin † 53 . 1 455 111114A“ 5 256 Mecklenburg⸗Strelittztz . 43 1r8188688683,8h.ZO 1 1 219 vSI“ 12 259 2 124 Sachsen⸗Meininen 130 124 Sachsen⸗Altenburg . . . . . .. 298 Sachsen⸗Coburg⸗Gotha .. . .. 107 b111XAX“X“]; 32 2. 726 Schwarzburg⸗Sondershaufen 32 3. 58 Schwarzburg⸗Rudolstant . * 41 wbbb-“ 70 Reuß jüngerer Linie... 97 8 138 wWEbbeen]; . 27 111“ 218 hb1“” 82* 23 801 u6*“ 1 650 1 055 Elsaß⸗Lothringen ... 903 5 960 1 395
46 482 33 956 160 987 495 641 56 909 37 407 2845 105 667 350 293 13 707 18 817 45 857 135 277 10 821 18265 41 608 126 945 8 82 9479 17 360 95 012 4 276 1283 22 504 43 538 2 905 1539 6068 25 637 530 2 668 7 690 2 199 326 . 34 519 1616 243 25 103 319 1 968 243 3269 14 525 2 479 366 16 569 2 560 1152 36 42 674 1 628 G 929 22 409 968 384 1 13 607 554 32. G 4 320 165 . 5 2 275 444 1 1 016 7180 280 34 1471 806 214 7818 ’ 12 540 633 4499 28 638 1 515 5 13 787 55 995
18 489 — 33 402 86 161 15 004
Deutsches Reich.. 359 111 732 dagegen im 3. Viertelj. 1904. 23 8. 128 553
410 340 219 817 999 291 4 400 260 609 599 136 957 379 179 246 478 1 072 835 3 61
08 768 461 44 223
Deutscher Reichstag. 2. Sitzung vom 18. Februar 1905, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Tagesordnung: Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abgg. Graf von Hompesch (Zentr.) und Genossen eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Freiheit der Religionsübung.
Ueber den Anfang der Sitzung wurde am Sonnabend berichtet.
Abg. Dr. Hieber (nl.) fortfahrend: Bei den Schutzgebieten handelt es sich nicht um mehr als tausendjährige, durch eine höchst verwickelte einzelstaatliche Gesetzgebung engverknüpfte Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Nach § 1 des Entwurfs steht jedem Reichs⸗ angehörigen die volle Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften, sowie der gemeinsamen häuslichen und öffent⸗ lichen Religionsübung zu; den bürgerlichen und staatsbürgerlichenPflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen; unberührt sollen bleiben die allgemeinen polizeilichen Vorschriften der Landesgesetze über das Vereins⸗ und Versammlungswesen. Herr Bachem sagt, das sei die unveränderte Herübernahme des Artikels 12 aus der preußischen Verfassung. Es kommt doch hier die staatliche Kirchen⸗ hoheit, das jus circa sacra in Frage. Heute stellen die Herren vom Zentrum die Existenz einer solchen überhaupt in Abrede. Das war nicht immer so; aber heute gilt von dem Staate wohl das Wort des Herrn Schaedler: Er hat nur Steuerzettel und Kanonen. Wenn der § 1 die kirchliche Staatshoheit beseitigen soll, kann er nicht anderseits harmlos sein. Der Artikel 12 der preußischen Verfassung ist nur vollständig mit den Artikeln 13, 30 und 31 derselben Verfassung; diese Vorbehalte, die sich auf die Korporationsrechte und andere staatliche Rechte beziehen, fehlen in dem Antrag. Aehnliches gilt von der Verfassung der übrigen deutschen Bundesstaaten. § 1 des Antrages hebt alle einzel⸗ staatlichen Gesetze, die ihm entgegenstehen, sofort auf. Herr Gröber sagte, jede Religionsgesellschaft kann Rechtsfähigkeit er⸗ langen, indem sie sich in eine Aktiengesellschaft verwandelt. Das ist von katholischer Seite in der Tat schon gedacht. In Straßburg ist ein Musterstatut erschienen über Handlungen in religiosis. Daran hat man allerdings bei Schaffung des Handelszesetzbuches und des Aktiengesetzes nicht gedacht. Das Zentrum imputiert dem Protestantismus Angst vor der Macht der katholischen Kirche. Ich weiß keinen parlamentarischen Ausdruck, um diese Insinuation zurück⸗ zuweisen. Es sind sachliche Gründe, die uns diesen Antrag bekämpfen lassen. Wir stehen da auf demselben Boden wie die „Kreuzzeitung“, die geschrieben hat, ein derartiger legislatorischer Versuch würde zu Härten und Unzuträglichkeiten und Kämpfen führen müssen, gegen die der Kulturkampf der 1870 er Jahre ein harmloses Kinderspiel sein würde. Die Regelung der religiösen Kindererziehung sollte im Bürgerlichen Gesetzbuch erfolgen. Dieser Versuch scheiterte aber an dem Widerstand des Zentrums; es blieb bei der landesgesetzlichen Regelung. Es ist nun auffallend, daß das Zentrum diese Frage jetzt in einem Reichsreligionsgesetz regeln will. Wir tragen Peßen die betreffende Bestimmung des Antrags schwere Bedenken.
ie zuständigen Organe der evangelischen Kirche teilen diese Bedenken. Die Klage der Dissidenten halten wir für berechtigt. Es ist unrichtig, daß in Braunschweig bei Kindern aus gemischter Ehe das Erziehungsrecht der Eltern vollständig ignoriert wird, wie Herr Bachem behauptet hat. Herr Bachem beschwerte sich darüber, daß Pfarrer und Kapläne der ausdrücklichen staatlichen Bestätigung bedürfen, wenn sie geistliche Amtshandlungen vornehmen wollen. Er vergaß nur hinzuzufügen, daß es sich um auswärtige Geistliche handelt. Unrichtig ist es auch, daß die katholischen Kinder, welche die braunschweigische Mittelschule besuchen, dem lutherischen Bekenntnis zugeführt werden. Gegenüber dem Fall aus Altenburg möchte ich auf einen anderen Fall hinweisen, wo ein Pfarrer die Zu⸗ schickung eines Geburtsscheines einem katholischen Arbeiter, der sich mit einer evangelischen Braut trauen lassen wollte, verweigerte, weil es ihm unangenehm sei, einem evangelischen Pfarrer gegenüber einen Schein auszustellen. Der Bischo an den man sich beschwerde⸗
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führend wandte, schrieb, er könne keinen Pfarrer zwingen, gegen sein Gewissen zu handeln. So steht es mit der Toleranz der katholischen Kirche. Redner zitiert im Gegensatz dazu einen Fall evangelischer Toleranz in der Friedhoffrage im Herzogtum Meiningen und empfiehlt dem Zentrum dieses Beispiel im Elsaß zur Nachahmung, wo man die Bevölkerung mit Ekel erfüllt habe, neben einem oder zwischen zwei Protestanten den letzten Schlaf zu schlafen. Was Sachsen betrifft, fährt er fort, so hat der Wechselburger Fall mit dem staatlichen Kirchenhoheitsrecht nichts zu tun. Es handelt sich da um einen rein zivilrechtlichen Prozeß. Im übrigen sind wir gern bereit, die Hand dazu zu bieten, namentlich auch was Mecklenburg betrifft, polizeilichen Vexationen und Schikanen auf religiösem Gebiet ein Ende zu machen. Wie steht es denn in dem katholischen Bayern? Den Altkatholiken ist immer noch nicht die volle Gleichberechtigung gegeben. Das Zentrum hätte Gelegenheit, im bayerischen Landtage in dieser Beziehung Schritte zu tun. Glockengeläute ist Protestanten von der katholischen Kirche verweigert worden und dergleichen mehr. In der Frage der gemischten Ehe sind geradezu heillose Konflikts⸗ fälle in Bayern vorgekommen. In den südamerikanischen Staaten, in Spanien und Portugal sind diejenigen Prinzipien verwirklicht, die Sie (zum Zentrum) auf diesem Gebiete für richtig halten. Sie können also nichts dagegen einwenden, wenn wir darauf hin⸗ weisen, wie die Protestanten dort behandelt werden. — Was den zweiten Teil des Antrages betrifft, so führt man mit einem Male den Begriff der anerkannten Religionsgesellschaft ein, der, wie der sozialdemokratische Redner mit Recht hervorgehoben hat, mit § 1 in Widerspruch steht, es müßte denn sein, daß § 9 ganz anders gemeint ist, nämlich so, daß das alte System der religio recepta hinein⸗ gebracht werden soll, das aber unlösbar verbunden ist mit der staat⸗ lichen Kirchenhoheit. Im ersten Teile werden sämtliche Staats⸗ hoheitsrechte niedergerissen, im zweiten werden alle seine Pflichten wieder aufgerichtet, der Staat zum Diener der Kirche degradiert. Jede Anerkennung einer einzelnen Religionsgesellschaft in einem einzelnen Bundesstaat, etwa einer buddhistischen, mormonischen usw., hätte selbstverständlich sofort die Anerkennung derselben in jedem anderen Bundesstaat zur Folge; landesherrliches Kirchenregiment, synodale Verfassung einer einzelnen Landeskirche. Alles wird be⸗ seitigt. Die evangelischen Landeskirchen beruhen auf der Landeshoheit der einzelnen Bundesstaaten, aber die §§ 9 bis 14 heben diese Institution ohne weiteres auf. Die Freiheiten, Möglichkeiten, mit welchen der Antrag die evangelischen Kirchen beglücken will, werden von dieser nicht begehrt, sondern weit zurückgewiesen. Durch das Gesetz wird der Staat rechtlos gemacht und soll anderseits ver⸗ pflichtet werden, die katholische Kirche mit allen Rechten und Freiheiten auszustatten, welche sie verlangt. Der Toleranzantrag macht einen Strich durch die ganze jahrhundertelange Entwickelung. Kein Bundesstaat kann sich das auf diesem Gebiete Bestehende durch einen Machtspruch des Reichstags nehmen lassen, ohne seine Selb⸗ ständigkeit aufzugeben; der Staat mißt auf diesem Gebiete seine Machtsphäre selbständig ab. Mindestens hätte dieses Gesetz eine Flut von Einzelausführungsgesetzen zur notwendigen Folge. Können die ersten acht Paragraphen von einem doktrinären Liberalismus noch gebilligt werden, die §§ 9 bis 14 werden außer Zentrum und Welfen keine Freunde finden. Die Ansprüche der katholischen Kirche sind hier allerdings in ihrer Totalität und systematisch zu⸗ sammengefaßt. Mit den Grundsätzen des Zentrums kann weder das Deutsche Reich noch der preußische Staat auf die Dauer bestehen, das habe ich gelernt, sagte Fürst von Bismarck. Und der frühere Kanzler der Universität Tübingen Rümelin, der stürzte, weil er den Ultra⸗ montanen zu weit entgegenkam, hat sich ganz ähnlich ausgesprochen. Dem germanischen Geist ist der Religionszwang von Hause aus unbekannt gewesen und ihm erst als fremdes Reis aufgepfropft worden. Die religiöse Freiheit in dem heutigen Umfange ist nur langsam erkämpft worden. Heute aber ist der Toleranz⸗ gedanke so mächtig geworden, daß auch die früheren Gegner sich ihm beugen gelernt haben. Wir wollen keinen Kulturkampf, aber wir wollen dem Kampf, wenn er uns aufgedrungen wird, auch nicht aus⸗ weichen. Wir sind in der Abwehr; will ihn das Zentrum auch nicht, dann braucht es nur solche Anträge nicht zu stellen. Herr Gröber schloß mit der Aufforderung an die Konfessionen, zusammen zu wirken im staatlichen Interesse. Darauf ist aus den Reihen der Zentrumspresse
11““ “ 8
als eine Kirche die andere bedroht und nach der Alleinherrschaft strebt; das sagt kein Protestant, sondern einer der namhaftesten katholische Gelehrten. Die Ablehnung des Toleranzantrags ist geboten, weil er ein revolutionärer Einbruch in das Kirchenrecht der modernen Staaten ist und die Quelle endloser konfessioneller Streitigkeiten werden müßte. Die Notwendigkeit der Kommissionsberatung kann ich nicht einsehen. Wir haben von früher einen sehr eingehenden Kommissionsbericht; neue Momente sind nicht eingetreten. Der Reichskanzler und seine Vertreter bleiben der heutigen Verbandlung fern. Lehnen wir den Antrag ab, wir tun damit ein Werk des konfessionellen Friedens. Bevollmächtigter zum Bundesrat, Königlich sächsischer Gesandter Dr. Graf von Hohenthalund Bergen: Ich kann dem Vorredner bestätigen, daß die verbündeten Regierungen heute noch auf dem Stand⸗ punkt stehen, den der Herr Reichskanzler in der Sitzung vom 5. De⸗ zember 1900 hier zur Kenntnis gebracht hat. Ich werde deshalb auf den materiellen Inhalt des sogenannten Toleranzantrag keiner Weise näher eingehen. Lediglich der Umstand, d Herr Gröber in der Sitzung vom 8. dieses Monats sehr heftige Angriffe gegen die Königlich sächsische Regierung gerichtet hat, veranlaßt mich, Ihre Aufmerksamkeit auf einige i Minuten in Anspruch zu nehmen. Während nämlich der Herr Abg. Dr. Bachem zugegeben hat, daß in der letzten Zeit es in Sachsen auf dem hier in Frage stehenden Gebiete zu Konflikten nicht gekommen sei, und die Königlich sächsische Regierung bemüht gewesen sei, Härten hintanzuhalten, hat der Herr Abg. Gröber zwei angeblich neue Fälle von Intoleranz ganz ausführlich behandelt. Es ist mir möglich gewesen, in der Zeit, die seit der letzten Verhandlung verflossen ist, mich über diese Fälle einigermaßen zu orientieren, und ich halte mich für verpflichtet, Ihnen das Ergebnis der Erkundigungen, die ich eingezogen habe, heute in Kürze mitzuteilen. Ich werde mir erlauben, das, was sich auf den ersten Fall bezieht, vorzulesen aus der amtlichen Mitteilung, die ich erhalten habe: Zunächst hat Abg. Gröber den Fall erwähnt, in dem es in Sachsen auf rechtliche Schwierigkeiten stieß, als ein evangelisch⸗ lutherischer Sachse, der sich mit einer bayerischen Staatsangehörigen verheiratet hatte, kraft notariellen Vertrages, der in Bayern geschlossen war, seine Kinder römisch⸗katholisch erziehen wollte. Der Tatbestand ist vom Abg. Gröber in der Hauptsache zutreffend wiedergegeben worden. Unbegreiflich ist nur, wie der Abg. Gröber aus diesen Vorgängen irgend einen Beweis für eine den Katholiken unfreundliche Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis gerade des König⸗ reichs Sachsen hat herleiten können. Daß das konfessionelle Erziehungs⸗ recht durch Staatsgesetz geordnet ist, und in dem einzelnen Bundesstaat die Staatsangehörigen nach ihrem Landesrecht beurteilt werden, entspricht selbstverständlichen Rechtsgrundsätzen; wenn es ein Vorwurf ist, so trifft er alle übrigen Bundesstaaten genau so wie das Königreich Sachsen. Ob der von katholischer Seite gewünschte Erfolg erst nach längeren oder kürzeren Erörterungen und Verhandlungen erreicht worden ist, dürfte ziemlich belanglos sein. Es ist zu bezweifeln, ob in anderen Bundesstaaten in ähnlichen Fällen immer in kürzerer Zeit zu einer durch alle Instanzen geführten Erledigung der Sache zu gelangen sein würde. Nun würden die Beschwerden des Abg. Gröber zu verstehen sein, wenn er sich hätte darauf beziehen können, daß das betreffende Kind ungeachtet des notariellen Erziehungsvertrages hätte evangelisch lutherisch erzogen werden müssen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Abg. Gröber hat selbst im Reichstage bestätigen müssen, daß das betreffende Kind nach den sächsischen landesrechtlichen Vor⸗ schriften im römisch⸗katholischen Bekenntnis erzogen wird. Wie man sich vom katholischen Standpunkte aus hierüber beschweren kann, ist völlig unverständlich, namentlich aber, wie man diesen Fall zu einem Argument für eine katholikenfeindliche Gesetzgebung verwenden kann. Denn nach der sächsischen Gesetzgebung wäre Verlauf und Aus⸗ gang der Sache genau so gewesen, wenn es sich um die evangelische Erziehung des Kindes eines römisch⸗ katholischen Vaters gehandelt hätte. Das einschlagende Gesetz vom 1. No⸗ vember 1836 behandelt alle aufgenommenen Kirchen völlig gleich. Was den zweiten Fall anlangt, in dem ein katholischer Geistlicher, der einem tödlich verunglückten Arbeiter die Sterbesakramente gereicht hätte, mit einer Geldstrafe von 30 ℳ belegt worden sei, so hat der Herr Abg. Gröber unterlassen, anzugeben, wann und wo dieser Vorfall sich zuge⸗ tragen hat. Es ist aber mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß es sich hier um einen Priester gehandelt hat, der ein Reichsausländer war, und dessen Name dem Herrn Abg. Gröber, falls er es wünscht, privatim zur Verfügung steht. Dieser Herr, von dem der Herr Abg. Gröber selbst angedeutet hat, daß er diejenige Vorbildung, die nach dem sächsischen Gesetz erforderlich ist, nicht besessen hat, hat im Königreich Sachsen niemals ein Kirchenamt bekleidet. Er hat aber seinen vorübergehenden Aufenthalt in Sachsen dazu benutzt, um auch ohne ein Kirchenamt die Funktionen eines Parochialgeistlichen aus⸗ zuüben, was wegen Kollision mit dem ständigen katholischen Pfarr⸗ amt zu beanstanden war. Auf seiten der katholisch⸗kirchlichen Be⸗ hörden war die Uebertragung pfarramtlicher Geschäfte auf jenen Priester weder beabsichtigt noch ausgeführt worden. Nachdem zunächst erteilte Verwarnungen fruchtlos geblieben, ist ihm die Ausübung ee Funktionen unter Strafandrohung ausdrücklich ver⸗ oten worden. Zu einer Bestrafung ist es aber nicht gekommen, da der Herr das Königreich Sachsen verlassen hat. Was die Strafe von 30 ℳ anlangt, so wäre sie ihm jedenfalls auch erlassen worden, wenn er darum nachgesucht hätte. Im übrigen aber müßte doch der Herr Abg. Gröber als Jurist eigentlich wissen, daß, wie die Verhältnisse einmal lagen, die Strafe über den Mann notwendigerweise verhängt werden mußte. Selbstverständlich macht sich der Fall, in der pointierten Weise, wie es der Herr Abg. Gröber versteht, vorgetragen, gut als Argument für den Toleranzantrag; in Wirklichkeit aber ist es keins. Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole): Kulturkampfreden, wie heute Herr Hieber, neulich Herr Sattler und teilweise auch Herr Müller⸗ Meiningen gehalten haben, zu hören, muß mich doch einigermaßen wundernehmen. Ich kann als ein in der Seelsorge stehender Mann, der die Tragweite der Forderungen des Toleranzantrages genau zu übersehen vermag, nur erklären, daß der Antrag auch nach der formalen Seite durchaus korrekt gefaßt ist. Herr Stoecker nahm dem Antrag gegenüber eine etwas freundlichere Stellung ein, meinte aber, er würde nur der katholischen Kirche zugute kommen, da die evangelische zu sehr mit dem Staat verquickt sei. Es gibt auch viele an⸗ gesehene Staatsrechtslehrer, die ein Recht des Staats, über die Kirche zu herrschen, in Abrede stellen. Der Antrag greift nicht in die Staatsbefugnisse ein, sondern er verteidigt die Religionsgemein⸗ schaften gegen die Uebergriffe des Staats. Daß die katholische Kirche die Anerkennung der evangelischen Kirche als einer berechtigten Form des Christentums nicht aussprechen kann, ohne sich selbst auf⸗ zugeben, sollte doch ein so gebildeter Theologe, wie Herr Stoecker, wissen. Daß sie sie als eine christliche Kirche anerkennt, steht fest; denn die evangelische Taufe und die evangelische Ehe werden von der katholischen Kirche anerkannt. Die Altkatholiken werden nur deshalb nicht anerkannt, weil sie den Anspruch erheben, die eigentlichen Ver⸗ treter des katholischen Glaubens zu sein. Die Herren auf der Linken haben sich auf verschiedene katholische Publikationen gegen die staatlichen Volksschulen berufen und diese für den Kampf gegen den Antrag ver⸗ wertet. Es muß hierbei immer auf die Volksstimme geachtet werden, die gegen die staatliche Volksschule als Zwangsanstalt eingenommen ist. In unseren Volksschulen in den polnischen Landesteilen wird die Sprache des Volkes ganz unberücksichtigt gelassen. Da kann man sich nicht wundern, daß man über solche Volksschulen sehr abfällig urteilt. Nicht nur katholische Schriftsteller sprechen sich so aus, auch einige protestantische Staatsrechtslehrer haben sich sehr herb üder die Uebergriffe des Staats auf dieses zarte Gebiet geäußert. Herr Müller⸗Meiningen betonte die Notwendigkeit der Freiheit der issenschaft. Das entspricht auch der Verfassung, aber Herr Müller weiß, daß der Staat dies Recht insoweit einengt, als es mit dem Be⸗
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