Nichtamtliches. Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 8. März.
Seine Majestät der Kaiser und König sind in der vergangenen Nacht von hier nach Oldenburg und Wilhelms⸗ haven abgereist. In Oldenburg wurden Seine Majestät von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog und Seiner Hoheit dem Herzog Georg Ludwig empfangen und nach dem Elisabeth⸗Annenpalais geleitet, wo das Frühstück eingenommen wurde. Die Weiterreise nach Wilhelmshaven erfolgte um 10 Uhr 35 Minuten. Bei der Ankunft daselbst wurden Seine Majestät von dem Staatssekretär des Reichsmarineamts, Staatsminister, Admiral von Tirpitz, dem Generalinspekteur der Marine, Admiral von Köster, und dem Chef der Marine⸗ station der Nordsee, Admiral von Bendemann, empfangen und begaben Sich sofort zum Exerzierhause, wo die Vereidigung der Marinerekruten stattfand.
Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung; ferner hielten die vereinigten Ausschuͤsse für Justiz⸗ wesen und für Elsaß⸗Lothringen -heute eine Sitzung.
aut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „M am 6. März in Dartmouth eingetroffen und setzt am 11. d. M. die Rei unsbüttel nach Kiel fort.
S. M. S. „Geier“ ist auf der Heimreise am 6. März in Gibraltar angekommen.
S. M. S. „Vineta“ setzt am 9. März die Reise von Vigo nach Wilhelmshaven fort, wo die Ankunft am 14. d. M. zu erwarten ist.
Der Ablösungstransport für S. M. S. „Condor“ ist mit dem Reichspostdampfer „Seydlitz“ am 5. März in Genua eingetroffen und hat gestern die Reise nach Neapel fortgesetzt.
n der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs
⸗ʒStaatsanzeigers“ wird eine Zusammenstellung de
ichte von deutschen Fruchtmärkten für den Mona ruar 1905 veröffentlicht.
Posen, 6. März. In der heutigen (2.) Plenarsitzung nahm der Probinziallandtag von einer größeren Anzahl von Jahresberichten üͤber die einzelnen Zweige der Provinzialverwaltung Kenntnis, ge⸗ nehmigte die Ausführung von Erweiterungsbauten in der Provinzial⸗ taubstummenanstalt Posen und der Provinzialblindenanstalt Bromberg und setzte das Reglement und die Hausordnung der Provinzialirren⸗ anstalt zu Obrawalde fest. Zum Schlusse wurden einige Unter⸗ stützungsgesuche von Korporationen und Privaten erledigt. 28
Deutsche Kolonien. Ein amtliches Telegramm aus Windhuk
8 amtl b b in Deutsch⸗ Südwestafrika meldet, wie „W. T. B.“ berichtet: Der Intendanturrat August Drewes, geboren am 16. Dezember
früher bei der Intendantur der 28. Division, ist am 23. Februar an Bord des Dampfers „Bergranow“ plötzlich verstorben. Reiter Emil Bergemann, geboren am 9. November 1881 zu Damm, früher im 3. Garderegiment z. F, verirrie sich 15 km nördlich von Dabis beim Ochsentränken und wird seit dem 15. Fe⸗ ruar vermißt. Gefreiter Reinhold Hilscher, geboren am 13. Oktober 1883 zu Ober⸗Lohendau, früher im 2. Sächsischen Feldartillerieregiment im Gefecht bei Gochas am 5. Januar durch einen Schuß Schulter leicht verwundet worden.
1869 zu Dietrichsdorf,
Oesterreich⸗Ungarn. Der Kaiser empfing ungarischen Abgeordneten
8 -9 g re Hodossy und Toth sowie später den Grafen Apponyi in laängerer Audienz.
Wie das „Fremdenblatt“ meldet, hat gestern im Eisen⸗ bahnministerium die eingehende Besprechung über die Be⸗ gebung der geplanten Anleihen für die Deckung des Refundierungsetats, des Notstandkredits und der Eisenbahninvestitionen begonnen. Die Verhandlung soll heute fortgesetzt werden.
orn H estern d.
Großbritannien und Irland.
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses fragte Welby (kors), ob die Landesverteidigungskommission einen endgültigen Be⸗
eß darüber gefaßt babe, welche Streitmacht zur Verteidigung Großbritanniens unterhalten werden solle. Der Premierminister Zalfour erwiderte, die Kommission sei der Meinung, daß ein Ein⸗ dringen in Großbritannien in einer Stärke, mit der London genommen werden könne, außerhalb jeder Betrachtung liege. Die Erwägungen, die für die Stärke der Truppen, wie sie erhalten werden solle, in Be⸗ tracht kämen, hingen nicht von der Frage der Verteidigung Englands, sondern von der der Kolsnien und noch mehr der Indiens ab.
Frankreich. —
Deputiertenkammer unterzog gestern der Deputierte (Rad.) das zwischen dem Finanzminister Rouvier und von Majoraten, die unter früheren Regierungsformen worden sind, abgeschlossene Abkommen, nach dem diese zuückgekauft werden sollen, einer Kritik Der Deputierte (Soz.) beantragte die Abschaffung der Ma⸗
Der Ministerpräsident Rouvier erwiderte, die Ma⸗ bildeten einen Teil der öffenlichen Schuld; sie seien Besitz, und es sei unmöglich, sie abzuschaffen. Der
ntrag Thivrier wurde mit 278 gegen 249 Stimmen abgelehnt. Der Deputierte Thivrier beantragte darauf, den Betrag für den Rückkauf der Majorate von 16 auf 4 Millionen herabzusetzen. Der Ministerprästent Rouvier bekämpfte diesen zweiten Antrag energisch und sagte, die Annahme dieses Antrags würde eine Beraubung der Majoratebesitzer bedeuten. Der zweite Antrag Thivrier wurde darauf chenfalls abzelehnt, und zwar mit 321 gegen 244 Stimmen. Das odgeikap tal, betreffend die Majorate, wurde sodann ohne weitere Erörterung angenommen. Der Deputierte Gauthier de Clagny (Rad) ersuchte den Ministerpräsidenten, die Anordnungen früheren Ministerpräsidenten Combes wegen der Schaffung Delegierten, die der Regierung über die politische Ge⸗ sinnung von Beamten ꝛc. Auskunft erteilen sollten, aufzuheben. Ministerpräsident Kouvier erwizerte, er gedenke lediglich die regel⸗
8
jorate legitimer
Moltke“
. In 1
Der
übernehmen;
mäßigen Organe der Regierung unter Ausschluß jeden fremden Ein⸗ Der Deputierte Jaurès (Soz.) erklärte, die
flusses zu benutzen. . oz.) er Republikaner hätten die Pflicht, der Regierung zweifelhafte Beamte die von den Gegnern der Republik erkauft würden, namhaft zu machen. Der Ministerpräsident Rouvier versicherte, es gebe keinerlei ungesetz⸗ liche öffentliche Funktion; die Delegierten der republikanischen Komitees würden nach wie vor von den Departementsbehörden empfangen werden.
Aus Beni⸗Unif wird berichtet, daß es im Süden der nordwestalgerischen Provirz Oran zwischen den mit der Be⸗ wachung des Baues der Eisenbahnlinie Ben —Zireg — Beschar betrauten Kapalleriepatrouillen und Wüsten⸗ räubern zu einem Zusammenstoß gekommen sei. Die Wüstenräuber, die in die Flucht geschlagen worden seien, hätten zwei, das Militär einen Toten verloren.
Rußland. 8
Der Kaiser hat, wie dem „W. T. B.“ gemeldet wird,
den Staatssekretär Grafen Ssolsky beauftragt, bei den Versammlungen des Ministerrats den Vorsitz zu führen, bei denen der Kaiser persönlich den Vorsitz nicht übernimmt. Das Ministerkomitee erörterte gestern die Lage der nichtorthodoxen Christen Rußlands. Besprochen wurden Abänderungen der Gesetze, betreffend die Erbauung nicht⸗ orthodoxer Kirchen, die Gründung religiöser Brüderschaften und Klöͤster, die Ergreifung von Strafmaßregeln gegen Geist⸗
liche und die Erteilung des Religionsunterrichts in der Mutter⸗
sprache der Schüler.
In Lodz ist, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern die Fabrik von Posnanski geschlossen worden; mehr als 6000 Arbeiter sind entlassen. Wegen des Schließens der Fabrik befürchtet man antisemitische Unruhen. — Eine in den Garten der Fabrik von Silberstein geworfene Bombe zerstörte nur Fenster⸗ scheiben. — Zwanzig Personen, die beschuldigt waren, Schüler aufgewiegelt zu haben, wurden verhaftet.
Aus Helsingfors erfährt „W. T. B.“, es seien am Sonnabend und Sonntag in der dortigen Umgegend mehrere Menschen ermordet und ausgeplündert worden. .
In Batum wurde gestern nur in den Werken von Mantaschew gearbeitet. Die Arbeiter in der Kistenfabrik von Bnito sind nicht zufriedengestellt. Die Fabrik schlug Löhne nach den Lohnsätzen vor dem Ausstande vor; ohne diese abzulehnen, hielten die Arbeiter weiter Beratungen ab. Während der Unruhen am Sonntag wurde das eiserne Reservoir von Schulz und Zimmermann von einer Kugel durchlöchert.
Aus Kutais wird amtlich gemeldet, daß zweihundert Realschüler, nachdem die Emstellung des Unterrichts bekannt⸗ gegeben war, mit Hurrarufen auf den Schulhof gezogen seien, rote Fahnen entfaltet und Revolverschüsse abgefeuert hätten. Von dort hätten sie sich nach einem Mädcheninstitut begeben, wo 70 Realschüler angehalten und dem Schuldirektor übergeben worden seien; die übrigen hätten sich zerstreut. Den ganzen übrigen Tag hätten die Schüler sodann Umzüge auf dem Boulevard und der Hauptstraße veranstaltet und Revolver⸗ schüsse abgefeuert. Später seien sie durch Handlungsgehilfen verstärkt worden und hätten mit diesen auf Patrouillen gefeuert und Steine geoes sie geschleudert, sodaß auch die Patrouillen genötigt gewesen seien zu feuern; auch aus den Fenstern sei auf Kosaken geschossen worden. In Eriwan, wo am 4. d. M. der Gouvernements⸗ arzt anscheinend aus politischen Gründen auf der Straße er⸗ mordet worden sei, seien an diesem Tage Unruhen aus⸗ gebrochen; aus den Läden und Häusern sei geschossen worden. Drei Armenier und ein Mohammedaner seien getötet worden. Am 7. seien in verschiedenen Stadtteilen Schüsse abgefeuert worden; Polizei und Militär hätten bald dem Unfug gesteuert, die Läden seien geschlossen worden. An diesem Tage seien sieben Mohammedaner und ein Armenier getötet und 18 Personen verwundet worden.
Der Papst hat, wie „W. T. B.“ berichtet, an den Kar⸗ dinal Svampa ein Schreiben gerichtet, in dem er daran er⸗ innert, daß das Rundschreiben, das der Kardinal Merry del Val am 28. Juli 1904 an die italienischen Bischöfe gerichtet, darauf hingewiesen habe, daß eine demo⸗ kratische kirchliche Bewegung nur bestehen könne, wenn sie unter der Aufsicht der Bischöfe stehe. Seit einiger Zeit seien durch die sogenannten unabhängigen christlichen Demokraten Streitigkeiten entstanden, die aus Verlangen nach einer falsch verstandenen Freiheit die Dis⸗ ziplin zu brechen versuchten und nach gefährlichen Neuerungen strebten, die die Kirche nicht billigen könne, mithin zu Re⸗ bellen gegen die Autorität der Kirche geworden seien. Der Papst bedauert, daß so viele unglückliche junge Leute dieser unabhängigen christlichen Demokratie anhingen; er ermahnt sie, denen zu mißtrauen, die sie ins Verderben führen wollten, und bedauert, daß es auch katholische Blätter gebe, die die Bischöfe, die mit Recht die unab⸗ hängigen Demokraten verurteilten, kritisierten. Der Papst mißbilligt den Kongreß der unabhängigen christlichen Demokraten; er ermahnt die wahren Katholiken, an dem Kongreß in Bologna nicht teilzunehmen; Priester, die ungehorsam seien, würden den kanonischen Strafen verfallen. Der Papst drückt zum Schluß die Hoffnung aus, daß seine Klagen die Schuldigen zum Nach⸗ denken veranlassen würden.
Türkei.
Die Pforte hat, wie „W. T. B.“ erfährt, das ihr seiner⸗ zeit von den Botschaftern der Ententemächte übermittelte Finanzprojekt mit einem Gegenprojekt beantwortet.
Die von den oppositionellen Synodemitgliedern aufgestelten Versöhnungsbedingungen wurden von dem gemeinsamen Patriarchatsrat abgelehnt.
Serbien.
In der gestrigen Sitzung der Skupschtina gelangte, nach einer es „W. T B.:, ein Gesetzentwurf. betreffend einen Nach⸗
it von 200 000 Dinaren, zur Verhandlung, die im Herbst unaufschiebbare Staatsnotwendigkeiten verausgabt waren. agstredit wurde in geheimer Sitzung bewilligt, nachdem sterpräsident Aufklärung über die Verwendung gegeben hatte.
Schweden und Norwegen.
Der Kronprinz⸗Regent beauftragte g. . „W. T. B.“ aus Christiania mitgeteilt wird, den Finanz⸗ minister Michelsen mit der Bildung des neuen Ministeriums. Michelsen antwortete hierauf, daß er aus
Gesundheitsrücksichten große Bedenken hege, den Auftrag zu Durch die Verfassung für das Deutsche Reich und für Elsaß⸗Lothringen
sollte er jedoch nach einer Konferenz mit den
1“
beauftragte gestern, wie dem
leitenden Männern des Storthing die Uebernahme des Auf⸗ trags als seine Pflicht ansehen, so werde er sich ferner nicht weigern. 8
“ Alrlmerika. 1 “ Wie „W. T. B.“ aus Santiago de Chile meldet, hat das chilenische Ministerium seine Entlassung ein⸗
gereicht.
Asien. Ein Telegramm des Generals Kuropatkin 5. d. M. besagt, wie „W. T. B.“ erfährt: —
Der Feind rückte auf dem rechten Ufer des Hunho auf Nu⸗ sintong vor, wurde aber zurückgeschlagen. Unsere Truppen nahmen hierauf die Offensioe wieder auf und besetzten Nusintong und mehrere andere Ortschaften. Auch ein feindlicher Angriff auf Elcaisa wurde abgewiesen. In der Nähe des Putilowhügels machten unsere Truppen 100 Gefangene. Der Feind griff Kanda⸗ lifan an, wurde aber auch hier zurückgeschlagen. Oberst Rum⸗ schewitsch wurde verwundet. Der Feind wich in füdlicher Richtung von unseren Stellungen beim Kutulingpaß zurück. Unsere Jäger gingen bis Schunschusi und Schankheasi vor, und es gelang ihnen, die japanischen Streitkräfte bei Ubenapusa zurückzuschlagen. Der Feind ging auf seine früheren Stellungen bei Kudiasa zurück, und unsere Truppen besetzten nach dem Kampfe eine Anhöhe, die die Umgebung beherrscht.
Ein zweites Telegramm des Generals 6. d. M. lautet:
Im Zentrum herrscht Ruhe, auf der rechten Flanke im Westen von Mukden hält der Angriff an. Der Feind bemühte sich, ein Dorf zu besetzen, wurde aber zurückgeschlagen; um 11 Uhr Abends wurde der zehnte Angriff abgewiesen. Unsere Artillerie bei Erdagu unter⸗ stützte uns bei dem Zurückschlagen der Angriffe auf den Putilowhügel. Gestern gegen Mitternacht griff der Feind Kandalisan an, wurre aber auch hier nach dreistündigem Kampf zurückgeschlagen. Vor dem Kutulingpaß lagen 30 tote japanische Offiziere und 2000 japanische Soldaten; einen Teil haben wir beerdigt. Später griffen die Japarer neuerdings unsere Stellungen bei Ubenapusa an, unsere Abteilung bei Tomaguchan wies mehrere Angriffe der Japaner ab; die Verluste der letzteren sind bedeutend. Die Abteilung auf der äußersten Linken besetzte einen Paß, 10 Werst östlich von Kudiatse, eine japanische Eskadron und eine halbe Kompagnie Infanterie wichen in Unordnung zurück.
Aus Mukden vom 7. März meldet Bureau“:
Die Japaner setzen ihre Flankenbewegung fort. Eine japanische Division hat sich in der Richtung auf Tieling ausgebreitet; in⸗ zwischen setzen die Russen den Angriff auf die japanische Front fort. Sonntagnacht griffen die Javaner Schahopu, Ertagu und Kan⸗ dalisan im Osten an. Im Zentrum werden die Stellungen be⸗ hauptet, im
vom
Kuropatkin vom
das „Reutersche
Südwesten gehen jedoch die Russen auf die zweiten Stellungen zurück. Heute morgen um 2 Uhr griffen die Japaner die russischen Stellungen am Hunho an. Das Artilleriefeuer bielt ununterbrochen an und wurde bei Tagesanbruch in nördlicher Richtung, fast bis zur Straße nach Sinminting, fortgesetzt, von wo ver⸗ wundete chinesische Flüchtlinge jetzt eintreffen. Auch eine Anzahl japanischer Verwundeter ist gebracht worden. Längs der Sinminting⸗ straße war ebenfalls in weiter Entfernung nördlich der Stadt ein Kampf zu hören.
Aus Tokio vom gestrigen Tage meldet dasselbe Bureau:
Nach einem Bericht vom japanischen Hauptquartier wurden am Montag mehrere Gegenangriffe der Russen in der Richtung auf Sing⸗ ching in der Nähe von Titajtita zurückgeschlagen; unsere Angriffe egen Machuntan machen trotz des hartnäckigen Widerstandes langsam Fortschritte. Ein Teil unserer Truppen besetzte am Montagabend um 8 Uhr die nordöstlichen Höhen von Hungtai, 4 km südlich von Machuntan in der Richtung auf Ponsihu. Am Montagnachmittag be⸗ setzten wir die Höhenlinie Paitzukon, 7 Meilen südlich von Machuntan, die Russen zogen sich gegen Sangbiatzu, 3 Meilen füdwestlich von Machuntan, zurück. Sonntagnacht machten dee Russen einen Gegenangriff auf unsere Stellung am Kutuling⸗ paß, wurden aber nach dem Schaho in der Richtung östlich der Eisenbahn zurückgeschlagen. Sonntagnacht machten die Russen einen Gegenangriff nördlich von Tunghiafen, wurden aber zurückgeschlagen. Im übrigen ist die Lage underändert. In Westen der Eisenbahn haben unsere Truppen jetzt nach einem Gefecht Osthanchengpao und Ertaitzu besetzt, wobei sich der Feind hart⸗ näckig verteidigte. Am rechten Hunhoufer machte am Montag früb eine russische Division mit 70 Geschüͤtzen einen Gegenangriff in der Nähe von Taschiktao, 10 Meilen nordwestlich von Mukden, wurde aber zurückgeworfen.
Afrika.
Der Prinz Adalbert von Preußen hat sich, wie das „Reutersche Bureau“ berichtet, gestern von Port Said nach Kairo begeben.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Siteg des Reichs⸗ tags befindet sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— In der heutigen (158.) Sitzung des Reichstags wurde zunächst ein Antrag auf Strafverfolgung des Abg. Thiele (Soz.) wegen Beleidigung des Reichstags der Geschäftsordnungskommission überwiesen.
Zur Beratung standen der im Dezember 1903 eingebrachte Antrag der Abgg. Dr. Ablaß (sr. Volksp.) und Genossen:
„Die verbündeten Regicrungen zu ersuchen, dem Reichstag alsbald einen Gesetzentwurf, betreffend die Neueinteilung de Reichstagswahlkreise, unter Berücksichtigung der seit Grün dung des Deutschen Reiches erfolgten Verschiebung der Bevölkerung vorzulegen,“
und der Antrag des Abg. von Chrzanowski (Pole):
„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Riichstage tunlichst bald das im § 6 des Reichswahlgesetzes vom 31. Mai 1869 vorgesehene Reichsgesetz über die Abgrenzung der Wahlkreise vorzulegen und bei der Neueinteilung der Wahlkreise die seit dem Jabre 1867 veränderten Bevölkerungsverhältnisse in angemessener Weise zu berücksichtigen“.
Es ist dazu ein Antrag Paasche eingegangen, die beiden Anträge den verbündeten Regierungen zur Erwägung zu überweisen. 1
Abg. Kopsch (fr. Volksp): Die Eeschichte des Antrags auf Sicherung des Wahlgeheimnisses hat gezeigt, daß Beharrlichkeit zum Ziele führt. Bei jeder Wiederholung des Antrags wucks die Zabl seiner Anhänger, und selbst die Konservativen gaben schließlich ihren Widerspruch auf, nachdem die Regierung die Sicherung des Wahl⸗ geheimnisses als eine „sittliche und ethische Forderung“ bezeichnet hatte. Jetzt wählen in abgeschlossenen Räumen Fürsten und Handwerker, Bauern und Geheimräte und Portiers zusammen. Der vorliegende Antrag, von dem zu hoffen ist, daß das Zentrum als Pflegevater binzutreten wird, wurde zuerst 1893 gestellt und 1895 verhandelt. Es sprachen damals nur die Abgg. Hermes und Tutzauer, die Mebrheit begnügte sich mit der einfachen Ablehnung. Die jetzige Wahlkreiseinteilung beruht auf dem Gesetz für den norddeutschen Reichstag von 1869. Danach sollte durch⸗ schnittlich auf 100 000 Seelen ein Abgeordneter kommen und die er⸗ forderliche Abgrenzung der Wahlkreise durch Bundesgesetz erfolgen.
katen zu der Zahl der früheren Abgeordneten noch weitere hinzu, sodaß schließlich die Zahl von 397 erreicht wurde. Nach den gesetz⸗ lichen Bestimmungen unterliegt es keinem Zweifel, daß nicht durch die Verwaltung, sondern nur durch Reichsgesetz unter Mitwirkung der Volkevertretung die Festlegung der Wahlkreise erfolgen kann. Bei der weiteren Einteilung ist den veränderten Bevölkerungs⸗ verbältnisirn Rechnung zu tragen. Eine mathematische Gleichheit stt ja nicht durchzuführen, aber der Sinn des Gesetzes gebt dahin, daß die Zahl der Wähler eines Wahlkreises sich nicht allzuweit von dem Durchschnitt der 100 000 Seelen entfernt. Sait 1869 warten wir auf das zugesagte Gesetz. 36 Jahre sind ver⸗ zangen; 1870 batte Deutschland 40, 1904 aber 59 Millionen Ein⸗ wohner; die Wählerzahl ist von 8 auf 12 ½ Millionen gewachsen; die Steigerung ist aber nicht gleichmäßig erfolgt. Im wesentlichen schränkt sie sich auf die Großstädte und die industriellen Bezirke.
[Der Kreis Lennep⸗Mettmann stieg 1870 bis 1903 von 136 000 auf
230 000 Seelen, Düsseldorf von 115 000 auf 310 000, Leipzig Land von 123 000 auf 421 000, Bochum von 110 000 auf 560 000 Einwohner; die letztere Seigeang etnag volle 400 %. 1903 entfiel auf jeden Abgeordneten im Durchschnitt eine Wählerzahl von 31 565. Ueber die Hälfte der Wabhlkreise bleibt aber hinter diesem Durchschnitt zurück. Nur 86 haben die normale Zahl von 30 — 40 000 Wählern. Die übrigen sind Riesenwahlkreise, von diesen 13 mit über 75 000, 2 sogar mit über 150 000 — 200 (00 Wählern. Die 13 Kreise hätten statt auf 13 auf 45 Mandate Anspruch, Berlin auf 14 statt 6 Mandate. Dem stehen die Zwergwahlkreise gegenüber, wie Schaumburg⸗Lippe, wo der Einzelne ein 19 faches Wahlrecht hat im Vergleiche mit dem Wäbler in Teltow⸗Beeskow⸗Storkow. Der Wähler Fraustadt⸗Lissa hat ein 10 fach größeres Wahlrecht als der in den drei Kulturzentren Ham⸗ burg, Leipzig und Berlin. 1
Bei Schluß des Blattes spricht der Redner weiter.
— Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (156.) Sitzung, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten von Budde beiwohnte, die zweite Beratung des Staats⸗ haushaltsetats für das Rechnungsjahr 1905, und zwar die allgemeine Besprechung des gesamten Eisenbahnwesens an der Hand des Etats der Eisenbahnverwaltung fort.
Es sind folgende Anträge gestellt:
Die Abgg. Dr. Wiemer, Goldschmidt (frs. Volksp.) und Genossen beantragen, „die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, eine Reform des Eisenbahnversonentarifs msöglichst bald dahin in die Wege zu leiten, daß unter Aufhebung der Rück⸗ fahrkarten die Preise für die einfache Fahrt auf die Hälfte der Preise der jetzigen Rückfahrkarten festgesetzt werden“.
Abg. Gamp (fr. kons.) beantragt dazu folgende Aenderungen: „a. hinter „daß“ einzufügen: zum Zweck der Vereinfachung des Fahr⸗ kartenwesens“, b. hinter „Fahrt“ einzufügen: in Personenzügen“, c. hinter „festgesetzt“ einzufügen: „und für Schnellzüge ent⸗ sprechende Zuschläge eingeführt““.
Die Budgetkommission beantragt, den Antrag in folgender Fassung anzunehmen: „eine Reform des Eisenbahnpersonen⸗ tarifs mit dem Ziel der Vereinfachung ohne wesentliche finanzielle Einbuße in die Wege zu leiten“.
Die Abgg. Dr. Friedberg (nl.), Freiberr von Zedlitz und Neukirch (freikons.) und Genossen beantragen: „zur Verhütung einer im volkswirtschaftlichen und finanziellen Interesse gleich nach⸗ teiligen Ueberlastung des Eisenbahnverkehrs mit Zuschässen für die allgemeinen Staatsausgaben 1) den Ausbau des Staatsbahnnetzes kräftiger als bisher zu fördern und dabei die Verkebhrsinteressen der an dasselbe anzuschließenden Landesteile in erster Linie zu berücksichtigen, 2) auf die planmäßige Ermäßigung der Tarife für solche Güter Bedacht zu nehmen, welche als Produktionsmittel oder Produkte der heimischen Gütererzeugung für deren Ertragsfähigkeit, insbesondere für die Ertragsfähigkeit von Landwirtschaft und Industrie von großer Be⸗ deutung sind“.
Abg. Graf Moltke (fr. kons.) beantragt für den Fall der Ab⸗ lehnung des eben erwähnten Antrags Friedberg⸗Zedlitz, „die Regierung zu ersuchen, in Erwägungen darüber einzutreten, wie — unter Berück⸗ sctigung der gegebenenfalls aus Eisenbahnüberschüssen vorhandenen Mitel und nach Maßgabe der Dringlichkeit im einzelnen Fall — 1) in den zur Zeit der Aufschließung besonders hbebürftigen Landesteilen der Ausbau des Eisenbahnnetzes noch rascher gefördert werden kann, a sher geschehen, und 2) eine schrittweise Ermäßigung der Tarife für die der hei⸗ mischen Gütererzeugung in Landwirtschaft und Industrie dienenden Produkrionsmittel sowie für die von beiden her⸗ gestellten Produkte behufs Stärkung des Inlandsmarktes und wicksamer Bekämpfung der ausländischen Konkurrenz herbeigeführt werden kann“.
Der Abg. Freiherr von Zedlig und Neukirch (fr. kons.) allein beantragt, „bei dem Ausbau des Staatsbahnnetzes fortan folgende Grundsätze zu befolgen: 1) bei der Beurteilung der Bauwürdigkeit neuer Bahnlinien neben dem Verkehrszuwachs anderer Bahnstrecken auch die von der neuen Linie zu erwartenden Frachtermäßigungen zu berücksichtigen und fiskalische Rücksichten zurückzustellen, sobald wesentliche ver⸗ kehrspolitische Gesichtspunkte vorliegen, insbesondere es sich um die Befriedigung wirklicher Verkehrsbedürfnisse handelt: 2) den Ausbau bauwürdiger Linien durch leistungsfähige und zuverlässige Privatunternehmungen zu fördern, sofern der Staat zum Ausbau nicht bereit ist; 3) notleidenden Landstrichen eine besonders wirksame Fürsorge durch Anschluß an den Eisenbahnverkehr zuteil werden zu lassen“.
Abg. von Strombeck (Zeutr.) beantragt, „bei der Anlage neuer Eisenbahnen die in wirtschaftlicher Beziehung
[darniederliegenden Gegenden mehr als bisher zu berücksichtigen“.
Die Budgetkommission beantragt, den Antrag Friedberg⸗ Zedlitz zu 1, den Antrag Zedlitz und den Antrag Strombeck an⸗ zunehmen, den Antrag Moltke zu 1 für erledigt zu erklären. übrigen hat die Kommission über die Anträge noch keine Beschlüsse gefaßt.
Endlich beantragen die Abgg. von Arnim kkons—.), Dr. Fried⸗ berg (nl.) und Freiherr von Zedlitz und Neukirch (sr kons.), „unter voller Anerkennung der bei der Fortbildung der Güter⸗ tarife der Staatzbahnen befolgten Metoode die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, innerhalb der durch die sict auf die Finanzlage des Staats und die Konkurrenzverhält⸗ nisse gezogenen Grenzen planmäßiger als bisher auf die Er⸗ mäßigung der Tarife, insbesondere für solche Güter Bedacht zu nehmen, welche als Produktionsmittel oder Produkte der heimischen Gätererzeugung für deren Ertragsfähigkeit, insbesondere für die Ertragsfähigkeit von Landwirtschaft und Industrie, von großer Be⸗
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Adeutung sind
Referent Abg. Macco (nl.) berichtet über die Verhandlungen er Kommission und über die in dieser gestellten Anträge. Ausführlich habe man sich in der Kommission über die Betriebsergebnisse der Eisenbahnen von 1903 und 1904 unterhalten. Die Entwigkelung des Staatsbahnnetzes habe in früheren Jahren mit der Vermehrung der Bevölkerung nicht gleichen Schritt gehalten. Es sei als wünschenswert bezeichnet worden, daß die einmal beschlossenen Bahnbauten mit großer Beschleunigung ausgeführt und die wirtschaftlich schwachen Gegenden nicht in dem gleichen Maßstabe belastet würden, wie die wirtschaftlich starken. Die Kommission habe in diesem Sinne den betreffenden Anträgen zugestimmt. Die Ermäßigung der Eisen⸗ ahntarife hebe den inländischen Verkehr und dränge die ausländische Einfuhr zurück. Was die Schnelligkeit der Züge anbetreffe, so habe sich herausgestellt, daß durch die Verwendung größerer Maschinen in Amerika eine Vermehrung der Zuglast der Güter⸗ büͤge und so bedeutende wirtschaftliche Vorteile erzielt würden. Der Redner berichtet schließlich über die Verhandlungen der Kom⸗ mission über die Beamten⸗ und Arbeiterverhältnisse; sämtliche Mitglieder der Kommission hätten den Eindruck empfangen, daß der Minister für seine
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Beamten und Arbeiter alles tue, was er tun könne. Die Eisenbahnverwal⸗ tung dürfe nicht allein auf Betriebssicherheit und Schnelligkeit bedacht sein, sondern sie müsse als großer industrieller Betrieb auch in die Lage versetzt werden, ihre sozialpolitischen Aufgaben zu erfüllen. Die Eisenbahn⸗ verwaltung sei allerdings gegenüber der Finanzverwaltung in einer schwierigen Lage. Es sei eine gegenseitige Rücksichtnahme erforderlich, da nun einmal die Staatsfinanzen von der Eisenbahnverwaltung ab⸗ hingen Es sei aber erwünscht, die Eisenbahnverwaltung möglichst unabhängig von der allgemeinen Staatsverwaltung zu führen.
Abg. Dr. Wiemer (frs. Volksp.): Ich möͤchte meiner Genug⸗ tuung darüber Ausdruck geben, daß die Notwendigkeit einer Personen⸗ tarifreform jetzt von allen Seiten und auch vom Minister anerkannt wird. Unser Antrag verlangt die Aufhebung der Rückfahrkarten und die Ermäßigung des Preises der einfachen Karten auf den balben Preis der bisherigen Ruͤckfahrkarten. Die Kommission hat dem Antrage zugestimmt, aber sich nicht im einzelnen gebunden und binzugesetzt, daß die Reform ohne wesentliche Einbuße der Staats⸗ finanzen erfolgen soll. Ich erwarte von dieser Reform im Gegenteil eine Vermehrung der Eisenbahneinnahmen, werde aber trotz des finanziellen Vorbehalts des Kommissionsantrags für diesen stimmen. Hoffentlich werden sich bei der Regierung bestehende Schwierigkeiten bald überwinden lassen, und hoffentlich tritt die so notwendige Reform bald in Kraft.
Abg. Hirsch⸗Essen (nl) tritt für eine weitere Ermäßigung der Gütertarife ein, um unserer Industrie den Konkurrentkampf mit dem Ausland zu erleichtern, zumal da die neuen Handelsverträge die Lage der deutschen Industrie wesentlich verschlechtert hätten. In dieser Beziehung verdienten die Worte, die vorgestern der Abg. Freiberr von Zedlitz in dieser Hinsicht gesprochen hat, den wärmsten Dank. Möge die Reform der Massengütertarife möglichst bald von der Eisen ⸗ bahnverwaltung in Angriff genommen werden. Die Eisenbahn⸗ verwaltung lasse Ausnahmetarife nur zu, wenn es sich um ein all. gemeines Interesse handele. Dieses berechtigte Interesse liege aber bei Artikeln wie Kohle und Getreide zweifellos vor. Sie könne solche Tarife einführen, ohne eine finanzielle Einbuße zu befürchten.
Unterstaatsfekretär Fleck: Die Grundsätze, von denen die Staats⸗ regierung bei der Fortbildung der Gütertarife ausgegangen ist, decken sich mit denen, die in dem Antrage Arnim⸗Zedlitz⸗ Friedberg zum Ausdruck kommen. In erster Reibe handelt es sich um billigere Frachten für die inländischen Produkte und für den Bezug von Rohstoffen in Industrie und Landwirtschaft, sodann um die Förderung des Absatzes der inländischen Erzeugnisse im Wettbewerb mit anderen Nationen, besonders um die Erleichterung der Ausfuhr. Nach diesen Gesichtspunkten ist namentlich feit der Verstaatlichung verfahren worden. Die Bestrebungen der Verwaltung fallen durchaus mit den Absichten der Antragsteller zu⸗ sammen. Die Konkurrenzverhältnisse im Inlande müssen jedoch berücksichtigt werden. Der Staat wird aber auch immer auf Zuschüsse aus der Eisenbahnverwaltung angewiesen sein; diese kommen der Gesamtheit wieder zugute. ist nicht so einschneidend, wie man gewöhnlich annimmt; ungleich stärker fällt ins Gewicht der Widerstreit der einzelnen Inter⸗ essen im Lande. Ich erinnere an die eingehenden Verhandlungen über die Zuckertarife. Die Interessen des Westens stehen in scharfem Gegensatz zu den Interessen des Ostens. Innerhalb dieser Grenzen wird die Verwaltung bestrebt sein, die Gütertarife zu bemessen; sie stimmt der Tendenz des Antrags also durchaus zu. Der Minister hat nur das Wohl des Landes, die Kraft, Würde und Sicherheit des Staats im Auge.
Abg. Freiherr von Erffa (kons.): Wir Kommission die Empfindung bekommen, daß waltung des Ministers ein gewisser großer Zug geht, der sich in der Fortführung der Bahnbauten, Beautzung der neuen technischen Mittel usw. zeigt. Und der Minister unternimmt nichts, ebe er sich nicht davon überzeugt hat, daß es gut ist. Allerdings wird ihm seine Aufgabe dadurch erleichtert, daß er aus dem Vollen wirtschaften kann. Aus einem vollen Geldbeutel ist leichter zu wirtschaften als aus einem leeren. Es ist dem Minister immer alles bewilligt worden. Nur den Bahnhofsbau in Biebrich haben wir abgelehnt, um dem Minister in dieser Hinsicht noch freie Hand zu lassen. Im übrigen ist der Etat von der Kommission unver⸗ ändert bewilligt worden. In der Frage der Umleitung des Güterverkehrs freut es mich, daß nicht der absolut kürzeste Weg, sondern der wirt⸗ schaftlich beste gewählt werden soll. Die Reform der Personentarife soll hauptsächlich eine Vereinfachung, aber keine Verbilligung berbei⸗ führen. Wir haben in der Kommission dem Antrag Wiemer zugestimmt und empfehlen ihn auch heute, aber die Kommission hat mit Recht den Nachsatz beschlossen, daß damit keine wefentliche finanzielle Einbuße verbunden sein darf. Es ist uns ein ganzer Kasten von etwa 1000 benutzter, aber nicht abgestempelter Rückfahrkarten vorgelegt worden. Danach kann man an der Notwendigkeit der Reform nicht mehr zweifeln. Aber gleichzeitig mit der Reform der Fahrkarten muß eine Reform der Gevräcktarife stattfinden; es ist nicht einzusehen, warum derjenige, der ohne Gepäck reist, dasselbe zahlen soll wie der⸗ jenige, der Gepäck mit sich führt. Im Verkehr mit dem Ausland möchte ich die zusammenstellbaren Rundreisehefte im Interesse der Bequemlichkeit beibehalten sehen. Wir wünschen keine allgemeine Ermäßigung der Gütertarife, sondern Bemessung derselben je nach dem Bedürfnis. Mit den Staatsfinanzen ist eine allgemeine Herab⸗ setzung der Tarife nicht vereinbar. Ich habe keinen Auf⸗ trag, mich gegen den Antrag Friedberg⸗Zedlitz zu 2 auszu⸗ sprechen, er bedarf aber noch der Kommissionsberatung. Der Reichsschatzsekretär ist mit einer Finanzreform beschäftigt, aber da die Steuerfreiheit gewissermaßen als ein angeborenes Recht des Deutschen angesehen wird, wird leider die Mehrheit des Reichstages einer Besteuerung von Tabak und Bier, deren Erträg⸗ nisse sozusagen auf der Straße liegen, nicht zustimmen. Ich empfehle ferner die Petition um Ausdehnung der Arbeiterkarten über 50 km hinaus; das sind Wohlfahrtskarten, mit denen die Acbeiter Sonntags ihre Familie aufsuchen können. Die Frage der Beleuchtung in den Eisenbahnwagen wird gelöst sein, wenn die neue Beleuchtungsart mit einer Lichtstärke von 72 Kerzen sich bewährt. Die Schwierigkeiten der Heizung verkenne ich nicht, aber es ist nicht richtig, wenn an den Hebeln steht: warm, gemäßigt kalt. Das gibt es nicht: entweder ist es kalt oder warm. Eine wirklich gemäßigte Temveratur ist nicht zu erreichen. Die Coupés sollten in beißer Zeit geringer besetzt werden. Aber dafür kann nicht die Außentemperatur maßgebend sein; denn in den Eisenbahnen ist immer heiße Zeit. Man sitzt vielfach eingepfercht in den zwar nicht überfüllten, aber doch voll besetzten Coupés. Die erste Klasse sollte mehr ausgenutzt werden. Warum wird z. B. ver⸗ weigert, daß die vollkommen lrere erste Klasse besetzt wird von Reisenden zweiter Klasse, wenn diese Klasse bollkommen besetzt ist? Vielleicht geschieht es nur in der Erwartung, es könne ein Reichstags⸗
haben in der durch die Ver⸗
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abgeordneter oder ein Mitglied der Verwaltung kommen. Es ist erfreulich, daß aus den Platzkarten 3 ½ Millionen Mark eingenommen werden, aber es ist ungerecht, daß man die Platzkarte Verfin Halle ebenso mit 2 ℳ bezuhlen muß, wie die Platzkarte Berlin —Rom. Man sollte mehr Zonen für die Platzkarte einführen. Wer nach Rom reist, wird auch gern 4 oder 5 ℳ dafür zahlen. Ich hoffe, daß der Minister weiter mit Reformen vorgeht zum Segen des Landes und der Finanzen. 8.
(Schluß des Blattes)
Statistik und Volkswirtschaft.
Der Außenhandel des deutschen Zollgebiets im Januar 1905. 1“ Nach dem vom Keaiserlichen Statistischen Amt soeben heraus⸗ gegebenen Januarheft 1905 der „Monatlichen Nachweise über den auswärtigen Handel des deutschen Zollgebiets“ betrug im Januar 1905 die Einfuhr in Tonnen: 3 608 436 gegen 3 283 033 und 3 203 699
Das fiskalische Interesse
im Januar der beiden Vorjahre, daher mehr 325 403 und 404 737; die Edelmetalleinfuhr: 83 gegen 79 und 91. 24 von 43 Zolltarif⸗ nummern brachten eine Einfuhrzunahme; diese ist am stärksten bei Kohlen (+ 387 004, also mehr, als die Gesamteinfuhr zunahm), Ge⸗ treide usw. (+ 113 060), Material⸗ usw. Waren (+ 25 754) hebliche Ausfälle brachten Erden, Erze (— 125 683), Holz (— 722 Die Ausfuhr betrug in Tonnen: 2 761 656 gegen 2 92 und 3 149 758 im Januar der beiden Vorjahre, daher weniger 1 und 388 102; die Erelmetallausfuhr: 74 gegen 20 und 39. 23 tarifnummern ergaben eine Ausfuhrzunahme; sie ist erbebli Erden, 18 71 919), Getreide (+ 10 373). Die Roggenausfuhr hat noch stärker zugenommen, als die Ausfuhr der sämtlichen Land⸗ bauerzeugnisse. Große Ausfälle sind für Kohlen (— 266 669), Eisen und Eisenwaren (— 15 059), Holz usw. (— 11 904) zu verzeichnen. Die Ergebnisse des Außenhandels sind diesmal vom Ausstand im Ruhrgebiet stark beeinflußt; es wurden weit mehr Brennstoffe einge⸗ führt und weit weniger ausgeführt als früher. 2
Deutschlands Vieh⸗ und Fleischeinfuhr im Januar 1905. Die Gesamteinfuhr an lebendem Vieh zeigt im Monat Januar keine große Veränderung gegen das Vorjahr. Das Nachlassen der österreichischꝛungarischen Zufuhren auf der einen Seite und das Anwachsen der dänischen Einfuhr auf der anderen Sei kommen besonders darin zum Ausdruck, daß die Zufuhr an 2 1 erheblich nachgelassen, dagegen diejenige von Kühen und Jungvieh zugenommen hat. Im einzelnen stellte sich die Einfuhr folgenderm 7 807 Stück 911 450
2 1
Schweine⸗ un elfleisches in allen Gattu
iegen, bei frischem Rindfle sogar recht erheblich,
ne Mehreinfuhr von 6608 dz im Monat Januar gegenü orjahre gehabt haben. Der Rückgang in der Schmalzeinfu
auptsächlich darauf zurückzuführen sein, daß im Januar no Schweineschlachtungen, besonders auch auf dem Lande, stattfin daß die Nachfrage nach Schmalz in Deutschland gering ist; die gestaltung läßt aber eine baldige starke Mehreinfuhr wieder erwarten. Die Fleischeinfuhr betrug:
Januar 1905 Rindfleisch, frisch. 17 537 dz 6 561 dz Schweinefleisch, frisch 4 312 1 333 Hammelfleisch, frisch... 123 9 Rindfl isch, einfach zubereitet 4 563 3 Schweinefleisch, einfach zubereitet 2 846 Schweineschinken.. 118 Schweinespeck 8 886 Schweineschmalz 61 780
24——y—: —2 AN₰
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gegen Januar 1904
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ur Arbeiterbewegung.
In New York sind, wie „W. T. B.“ meldet, gestern früh die Angestellten der Verbindungsbahnen auf den Unter⸗ grund⸗ und Hochbahnen in den Ausstand getreten infolge de Weigerung der Verwaltung, die gestellten Forderungen zu be willigen. Der Ausstand erstreckt sich auf 5000 Angestellte un hemmte fast den ganzen Verkehr, sodaß es für viele Bewohner d unteren Stadt unmöglich war, zur richtigen Zeit ihre Geschäfts⸗ stellen zu erreichen. 3000 Polizeibeamte bewachen die Stationen der Untergrund⸗ und Hochbahnen. Eine spätere Meldung besagt, daß die Züge mit neuem Personal besetzt wurden. Nach 4 Uhr Morgens war es dem Publikum gestattet, auf den Untergrund⸗ und Hoch⸗ bahnen auf eigene Gefahr zu fahren. Abteilungen der Ausständigen standen an den Eingängen zu den Stationen und warnten die Fahrgäste vor der Fahrt, die infolge der Unerfahrenheit der Mannschaften gefährlich sei. Nach 8 Uhr besserte sich die Lage auf der Untergrundbahn. Die Züge verkehrten häufiger, auch fuhren einige Schnellzüge. Auf eine Anzahl von Zügen wurde mit Steinen geworfen; auf anderen Zügen wurden die Führer von Aus⸗ ständigen überwältigt und die Luftbremsen entfernt, worauf die Arbeits⸗ willigen, in Schrecken versetzt, die Züge verließen. Bei der End⸗ station der Untergrundbahn stießen zwei Züge zusammen, wobei dem Vernehmen nach 2 Personen getötet und 23 ver⸗ wundet wurden.
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Kunst und Wissenschaft.
A. F. Die Märzsitzung der Gesellschaft für Erdkunde eröffnete der Vorsitzende mit einem warm empfundenen Nachruf auf Adolf Bastian. Den Vortrag des Abends hielt Professor Dr. G. Merzbacher aus München über eine zweijährige Reise nach den Hochgebirgsregionen des Tian⸗Schan, jenes ge⸗ waltigen Hochgebirges Zentralasiens, das sich auf der Grenze zwisch n Rusisch⸗ und Chinesisch⸗Turkestan erstreckt. Schon im Jahre 1892 war der Vortragende am Tian⸗Schan gewesen, um sich mit den Vor⸗ ketten und Zugängen bekannt zu machen. Als Teilnehmer für die eigentliche Forschungsreise, die auf 2 Jahre berechnet war, wurden ge⸗ wonnen für die topographischen Arbeiten und zur Begebung der Eisregionen der Ingenieur und bekannte Alpinist Hans Pfann⸗ München, für die geologischen Forschungen Hans Keidel⸗Freiburg, ein zoologischer Präparator und Sammler in der Person eines Herrn Russel sowie ein junger Tiroler Bergführer, dem sich im zweiten Jahre noch ein anderer aus dem Salzburgischen beigesellte. Die am 15. Mai 1902 von München aus angetretene Reise führte über das Schwarze Meer, den kaukasischen Isthmus, das Kaspische Meer, durch Turkestan nach Taschkent und von da, der Postroute folgend, durch die Steppen des südöstlichen Turkestan, am Nordfuße der bereits dem Tian⸗Schan zugehörigen Alexanderkette entlang, zum mächtigen Issyk⸗Kul⸗ See, der beinahe 1700 m über dem Meeresspiegel liegt, und an seinem Nordufer hin bis zum Städtchen Prschewalsk. Hier wurde eine Karawane gebildet und am 2. Juli zunächst nach einem der größten, am Nordfuß des zentralen Tian⸗Schan pos W nach O sich erstreckenden Längstäler, dem Tekes⸗Tal, aufgebrochen. Auf dem Wege dahin passierte man das weit ausgedehnte Becken von Karkara, 2000 m hoch, das, einst altex Seeboden, jetzt von grünen Matten eingenommen und umfaßt von einer vielgipfligen Kalkkette, die meiste Zeit im Jahre einsam liegt, aber alljährlich von Mai bis September die Stätte eines Jahrmarkts ist, der für die Kirgisen⸗ bevölkerung des Gebirges große Bedeutung erlangt hat. Da in diesen Monaten die russischen Behörden hier auch ihren Sitz nahmen, gelang es dem Führer der Expedition, seine Karawane be⸗ friedigend zu vervollständigen und für die Gebirgsreise zu organisieren. Am 9. Juli war das nahe am Nordfuß des zentralen Tian⸗Schan gelegene Narynkol erreicht, das nun für längere Zeit als Stützpunkt für die Forschungen im Hochgebirge diente. Leider war der Sommer 1902 im Tian⸗Schan für Hochgebirgsforschungen sehr ungünstig. Vor⸗ zeitig mußte, wegen anhaltender Schneefälle, schon am 23. September nach Narynkol zurückgekehrt und durch das Tekes⸗Tal ab⸗ wärts dem Großen Musart⸗Paß zugestrebt werden, um nach Ueber⸗ schreitung der chinesischen Grenze noch vor vollständiger Einwinterung nach der Südseite des Gebirges zu gelangen, deren klimatische Ver⸗ hältnisse viel günstiger sind. Nach Ueberwindung des gefahrvollen 269 langte die Expedition, die große chinesische Handelsstadt Ak⸗su erührend, am 18. Oktober im Winterquartier Kaschgar an, von wo die Herren Pfann und Russel die Heimreise antraten, während Dr. Merzbacher November und Pezember benutzte, um die schneefrei gebliebene südliche Randkette des Tian⸗Schan und