1905 / 76 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

sowie auch die Einnahmen aus der statistischen

Debatte, Gebühr. Im Etat des Reichsschatzamts wird das Kapitel „Ueberweisungen aus dem Ordinarium der Aus⸗ aben“ unverändert bewilligt. Ueber das Extraordinarium erichtet der Abg. Speck (Zentr.) namens der Budget⸗ kommission.

Die einmaligen Ausgaben, unter ihnen 15 000 als erste Rate zur Erweiterung der Diensträume des Reichsschatzamts und 50 000 zu baulichen Aenderungen und Herstellungen in dem Kaiserpalast in Straßburg, werden ohne Diskussion bewilligt, ebenso der Etat der Reichsschuld, die bayerischen Quoten (diese vorbehaltlich der Kalkulation), ferner unter den einmaligen Ausgaben „zu Erstattungen auf einzelne aus Landesmitteln aufgewendete Kasernenbaukosten“, „zur Deckung de Fehlbetrages für 1903“, „zur Deckung des Fehlbetrages im ordentlichen Haushalt für 1903“, „Reichszuschuß für Kiautschou“.

Die Zuschußanleihe von 51 Millionen zur Deckung der Ausgaben des ordentlichen Etats für 1905 hat die Kom⸗ mission gestrichen und den Betrag, abgesehen von den Ein⸗ nahmeerhöhungen, die die Kommission beschlossen hat, auf die Matrikularbeiträge zu überweisen beschlossen.

Der Referent Abg. Speck (Zentr.) führt aus, daß die Meinung der großen Mehrheit der Kommission gewesen sei, daß es, sowohl um der Schuldenwirtschaft im Reiche ein Ende zu machen, als auch um die Einzelstaaten zu sparsamerer Gebarung im Bundesrate anzuhalten, geboten sei, die Zuschußanleihen überhaupt aus dem Etat zu beseitigen. Um einigen der kleineren und Mittelstaaten entgegenzukommen, sei vorgeschlagen, den Betrag der Erhöhung der Matrikularbeiträge einst⸗ weilen zu stunden. Gegen den Vorschlag, die Einzelstaaten nach der Leistungsfähigkeit zu Matrikularbeiträgen heranzuziehen, sei die Opposilion namentlich damit gestützt worden, daß man nicht Staaten erster und zweiter Klasse schaffen dürfe. Die Kommissionsmehrheit habe erklärt, es sei nur billig, wenn die Einzelstaaten jetzt die Kon⸗ sequenzen ihrer Abstimmung im Bundesrate zu tragen hätten. Die Darlegungen der einzelstaatlichen Vertreter hätten auf die Mehrheit keinen Eindruck machen können.

Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von St engel: Miieine Herren! Die Deduktionen des Herrn Referenten würden mir an sich Anlaß geben, mancherlei, was er Ihnen soeben dargelegt hat, doch in Zweifel zu ziehen und zu bestreiten. Ich will jedoch in dem

gegenwärtigen Stadium der Sache auf diese Ausführungen nicht näher eingehen, weil ich meinerseits alles vermeiden möchte, was ge⸗ eignet sein könnte, die ohnehin schon bestehenden Gegensätze der Meinungen zwischen Reichstag und Bundesrat in Ansehung der Finanzierung des Etats für 1905 noch irgendwie zu verschärfen. Wie die meisten anderen Gesetze, so ist ja auch das alljährlich zu verab⸗ schiedende Reichshaushaltsgesetz schließlich das Ergebnis von Kom⸗ promissen zwischen den gesetzgebenden Faktoren, bei denen jeder Teil nachgeben, jeder Teil Zugeständnisse machen muß, wenn schließlich ein annehmbares und ersprießliches Werk geschaffen werden soll.

Der diesjährige Etatsgesetzentwurf hat leider mit einem Fehlbetrag abgeschlossen, den niemand lebhafter bedauert hat als ich selbst. 51 Millionen Mark Zuschußanleihe, 24 Millionen Mark ungedeckte Matrikularbeiträge und daneben noch ein Betrag von 46 ½ Millionen Waffenforderungen, von denen ich ohne weiteres anerkennen muß, daß sie sich nach der Natur dieser Ausgaben allerdings besser für das Ordinarium als für das Extraordinarium geeignet hätten.

Der bedenklichste Punkt in dem Etatsentwurf war ohne Zweifel die Zuschußanleihe. Ich erkenne es ohne weiteres als ein unbestreitbares Verdienst der Budgetkommission an, diese Zuschuß⸗ anleihe aus dem Etatsentwurf beseitigt zu haben. Ich glaube

ber, meine Herren, daß diejenigen, die in der Budgetkommission an der Beseitigung dieser Zuschußanleihe mitgewirkt haben, ihrerseits doch auch werden anerkennen müssen, daß ihnen ihre Aufgabe wesentlich erleichtert worden ist durch die entgegenkommende Haltung, die in dieser Frage von seiten der verbündeten Regierungen eingenommen wurde, welche ohne Zögern sofort bereit waren, den noch verbleibenden Rest von rund etwa 20 Millionen auf die ungedeckten Matrikularbeiträge weiter zu übernehmen, obwohl sie mit solchen ohnehin schon durch den Entwurf des Etats im Betrage von 24 Millionen Mark belastet waren.

Die verbündeten Regierungen waren bei diesem Entgegenkommen nur von der einen Voraussetzung ausgegangen, daß den Einzelstaaten, wie schon im Jahre 1904 der Fall gewesen, dieser Mehrbetrag über die 24 Millionen ungedeckter Matrikularbeiträge einstweilen noch gestundet bleibe, und daß des weiteren davon abgesehen werde, bei der schließ⸗ lichen Finanzierung des Etats ihnen noch weitere unvorhergesehene Lasten auf ihre Haushalte aufzubürden.

Meine Herren, dieser letzteren Voraussetzung, von der die verbündeten Regierungen ausgegangen waren, ist die Budget⸗ kommission insofern nicht gerecht geworden, als sie beschlossen und bei dem hohen Hause ihrerseits beantragt hat, die von mir schon erwähnten 46 ½ Millionen Mark für Waffenforderungen auch noch von dem außerordentlichen Etat auf das Ordinarium, das ist auf die Matrikularbeiträge, zu übertragen. Die Bundesstaaten würden dann zuzüglich des dem Reichstage bereits zugegangenen Ergänzungs⸗ etats für das Jahr 1905 mit ungedeckten Matrikularbeiträgen im Gesamtbetrage von annähernd 80 Millionen Mark belastet werden. (Hört, hört!) Wenn hiervon auch nur 24 Millionen Mark, wie auch schon im Vorjahre, demnächst und im Laufe des Jahres 1905 zu entrichten sein würden, und der Rest, der noch verbleibt, also ein Betrag von 53 bis 54 Millionen Mark ihnen einstweilen noch gestundet bleiben soll, so hat doch auch eine solche Art der Finanzierung nach unserem Dafürhalten ihre schweren Bedenken. Es kommt hierbei zu berücksichtigen, daß außer diesen 53 Millionen Mark, deren Stundung für das Jahr 1905 in Aussicht genommen ist, ja noch aus dem Jahre 1904 annähernd 17 Millionen Mark Matrikularbeiträge restieren, die auch einstweilen nur gestundet sind, sodaß also die Gesamtsumme der gestundeten Beträge sich danach auf 70 Millionen Mark steigert. (Hört, hört!)

Durch die Stundung von Matrikularbeiträgen in so bedeutender Höͤhe würde ein großer Teil der Einzelstaaten an der Erfüllung ihrer inneren Kulturaufgaben ohne Zweifel wesentlich gehindert werden. Denn sie müßten ihrerseits doch damit rechnen, daß der Wechsel von 70 Millionen eines schönen Tags, wenn auch erst nach Ablauf einiger Jahre, zur Einlösung präsentiert wird. Sie wären also genötigt, auf Jahre hinaus eigene Staatsaufgaben und Staatsausgaben zurück⸗ zustellen, um eine Reserve anzusammeln für jenen späteren Zeitpunkt. Sie würden in die Notwendigkeit versetzt sein, die ihnen für ihre ordentlichen Ausgaben zufließenden Mittel einstweilen zu thesau⸗ rieren, um auf den Verfalltag in Ansehung jener gestundeten Beträge im voraus gerüstet zu sein.

Außerdem möchte ich aber auch noch hervorheben, daß doch die Reichs⸗ kafse selbst jene 70 Millionen, die den Einzelstaaten gestundet werden sollen, nicht entbehren kann. Der Reichskasse selbst müssen jene 70 Millionen zur Bestreitung der Reichsausgaben bereitgestellt werden.

Nun hat die Budgetkommission ihrerseits zu dem Ende den Vor⸗ schlag gemacht, den Schatzanweisungskredit entsprechend zu erhöhen, aber, meine Herren, eine solche Erhöhung des Schatzanweisungs⸗ kredits und die Notwendigkeit, von dem Schatzanweisungskredit in einem solchen Betrage Gebrauch zu machen, birgt doch volkswirtschaft⸗ lich auch nicht geringe Bedenken und Gefahren in sich. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir bei der Knappheit der Betriebsfonds der Reichskasse ohnehin schon genötigt sind, mit der Begebung von Schatzan weisungen erheblich weiterzugehen, als es an sich rätlich er⸗ scheint. Ich habe dabei selbstredend nur jene Schatzanweisungen im Auge, die unverzinslich sind, und die daher sozusagen die Natur von Wechseln an sich tragen. Die Begebung dieser Schatzanweisungen hat in dem abgelaufenen Jahre, in dem Jahre 1904, zeitweise sogar einen Betrag von über 300 Millionen Mark erreicht, darunter allein über 150 Millionen Schatzanweisungen zur Deckung von Vor⸗ schüssen für die Versicherungsanstalten.

An sich, meine Herren, läßt schon eine so starke, so weit gehende Begebung von Schatzanweisungen nicht auf gesunde Verhältnisse schließen. Man sollte meines Erachtens und ich war stets bestrebt, dahin zu wirken vielmehr darauf bedacht sein, durch gelegent⸗ liche dauernde Verstärkung der Betriebsfonds des Reichs der Notwendigkeit der Begebung von Schatzanweisungen in weiterem Umfang möglichst vorzubeugen. Ich gebe ohne weiteres zu, daß, solange Geld sehr flüssig ist, es auf einige hundert Millionen Mark Schatzanweisungen mehr oder weniger nicht ankommen mag; aber sobald eine Versteifung des Geldmarkts eintritt, besteht die Gefahr, daß das Reich durch eine übermäßige Inanspruchnahme des Schatzanweisungskredits, durch eine übermͤßige Inanspruchnahme der Reichsbank mit der Diskontierung von Schatzanweisungen seinerseits mit dam beiträgt, den Stand des Wechseldiskonts ungünstig zu be⸗ einflussen.

Man sage nicht, meine Herren: auf diese 70 Millionen kommt es schließlich auch nicht mehr an. Es ist der Tropfen im Glas, der schließlich das Wasser zum Ueberlaufen bringt, und der Betrag von 70 Millionen Mark scheint mir doch immerhin ein Tropfen zu sein von nicht zu unterschätzendem Umfang. (Heiterkeit.)

Ich habe mich für verpflichtet gehalten, die Beschlüsse der Kom⸗ mission in diesem Stadium vor dem hohen Hause rein sachlich nochmals zu beleuchten. Wenn ich auch keine Hoffnung hege, heute in der zweiten Lesung das hohe Haus etwa dahin umzustimmen, daß es jenen An⸗ trägen der Budgetkommission seine Zustimmung versagt, so möchte ich doch bitten, wenigstens bis zur dritten Lesung (hört, hört! bei den Sozialdemokraten) die Wiederherstellung der Regierungsvorlage in diesem Punkt oder doch wenigstens eine Annäherung an die Regierungs⸗ vorlage in Erwägung zu ziehen. Ich glaube nämlich, es wäre an sich nicht nötig, die drei Waffenforderungen, um deren Finanzierung es sich ja in der Hauptsache handelt, in einen Topf zu werfen, sie sozusagen über einen Kamm zu scheren. Ich möchte bemerken, daß, wenn sich das hohe Haus in dritter Lesung entschließen sollte, die 10 Millionen, die gefordert sind für die Fußartillerie, einschließlich der bayerischen Quote, zusammen also den Betrag von 11 ¼ Millionen Mark, von der Anleihe weg auf das Ordinarium zu übernehmen, sich dafür aller⸗ dings recht gute Gründe anführen ließen. Insbesondere würde sich dafür der stichhaltige Grund anführen lassen, daß schon seit Jahren fort und fort die vorausgegangenen Raten für die Bewaffnung der Fußartillerie sich ausnahmslos auf dem Ordinarium befunden haben. Wenn man sich hierauf beschränken würde, so würden die Bundes⸗ staaten noch immer für das Jahr 1905 belastet bleiben mit Matrikular⸗ beiträgen im Gesamtbetrage von etwa 45 Millionen Mark, von denen sie 24 Millionen Mark im Laufe des Jahres zu entrichten hätten, während

ihnen ein Rest von etwas über 20 Millionen Mark gestundet würde.

Anders wie mit der Bewaffnung und den Beschaffungen für die Fuß⸗ artillerie liegt die Sache in Ansehung der Beschaffung von Handwaffen und in Ansehung der Beschaffung des Feldartilleriematerials, wofür ein⸗ schließlich der bayerischen Quote im Etat im ganzen 35 ¼ Millionen Mark vorgesehen sind. Abgesehen davon, daß diese Beschaffungen an Hand⸗ waffen und Feldartilleriematerial vorwiegend Kriegszwecken zu dienen bestimmt sind, möchte ich mir gestatten zu bemerken, daß in der Ver⸗ gangenheit in einer ganzen Reihe von Fällen es mit der Verfassung als vereinbart erachtet worden ist, und zwar, obschon damals die Finanzverhältnisse des Reichs wesentlich günstigere waren, gleichartige Ausgaben, die nach Hunderten von Millionen zählten, auf das Extra⸗ ordinarium zu übernehmen. Was speziell die Forderung für die Feldartillerie betrifft, so möchte ich auch noch darauf hinweisen, daß die erste Rate, die hier seinerzeit, wenn ich nicht irre, im Jahre 1897/98, im Betrage von 30 Millionen Mark gefordert wurde, auch schon auf dem außerordentlichen Etat sich befand und im außerordentlichen Etat anstandslos bewilligt wurde. Man würde hier, wenn man der Vorlage folgte, insofern nicht einmal auch nur dem Wortlaute nach mit den sogenannten Grundsätzen von 1901 in einen direkten Widerspruch geraten. Jene Grundsätze von 1901 finden Sie nieder⸗ gelegt in der Denkschrift zu dem Reichshaushaltsetat für das von mir soeben genannte Jahr, und dort ist bezüglich der Militärausgaben unter anderem folgendes bemerkt:

Die übrigen Ausgaben für Heereszwecke werden jetzt grundsätzlich den ordentlichen Reichseinnahmen zur Last gestellt und nur noch insoweit auf Anleihe verwiesen, als erste Ratenbewilligungen zu Lasten der Anleihe erfolgt sind.

Das wäre also der hier gegebene Fall. Sodann wird in einer Anmerkung unter c noch des weiteren gesagt, daß auf Anleihemittel bisher verwiesen worden sind Ausgaben für Heeresverstärkungen, ferner Ausgaben zur Steigerung der Operations⸗ und Schlagfertigkeit des Heeres und größere Anschaffungen von Waffen, Artilleriematerial, Munition und Ausrüstungsgegenstände. Ich kann nur wiederholen: bezüglich der Beschaffungen für die Feldartillerie würde es auch dem Wortlaute nach mit den Grundsätzen von 1901 nicht im Widerspruch stehen, wenn man sich entschließen würde, diese Forderung in dem außerordentlichen Etat zu belassen.

Hinsichtlich der Handwaffen habe ich vorhin schon bemerkt, daß auch in dieser Beziehung früherhin Forderungen, die sich mitunter auf viele Millionen beliefen, regelmäßig auf das Extraordinarium ge⸗ nommen wurden, ohne daß man annehmen zu sollen glaubte, daß hiermit den verfassungsmäßigen Bestimmungen irgendwie zu nahe ge⸗ treten würde. 1“ 111““ ““ 8

1“ 1u“ 31

Ich wünsche nun auch meinerseits durch us kein grundsäznz. Verlassen der strengen Praxis, die mit dem Jahre 1901 zwischen verbündeten Regierungen und dem Reichstage vereinbart worden n

Aber die augenblickliche Situation ist eine so außergewöbnliche, 88 die verbündeten Regierungen der Meinung waren, daß es sich drs wohl rechtfertigen würde, auch zu außerordentlichen Mitteln sein Zuflucht zu nehmen. Allseitig wird wohl anerkannt werden müssen daß wir in naher Zeit zu einer gründlichen Sanierung unserer Reichs. finanzen werden gelangen müssen.

Ebenso wird es keiner weiteren Darlegung bedürfen, daß g. innerhalb der kurzen Zeit, die zwischen der Ratifikation der Handelz. verträge und der Finanzierung des Etats in Mitte lag, ausgeschlosse war, eine durchgreifende Steuerreform zu bewerkstelligen. Wir 8 finden uns also, wie ich mir schon hervorzuheben gestattete, ohne Zweifel mit der Finanzierung des Reichsetats augenblicklich in eing Not⸗ und Zwangslage. Da schiene es mir doch wohl gerechtfertigt sein, in Ansehung der Finanzierungsweise eine einmalige und hoffentlich letzte Ausnahme zuzulassen eine Ausnahme, die früher dezennienlang als mit den verfassungsmäßigen Bestimmungen vereinbar und alz Regel gegolten hat. Jedenfalls würde es nicht der Billigkeit ent, sprechen, die finanziellen Konsequenzen dieser augenblicklichen Zwangs⸗ und Notlage nun ohne weiteres und in vollem Umfange auf die Schultern der Einzelstaaten abzuwälzen. Es erschien mir ein solchte Verfahren um so weniger billig, als die Einzelstaaten gerade in den letzten Jahren und in jüngster Zeit einen dankens⸗ werten Beweis ihrer Opferwilligkeit für allgemeine Reichs⸗ zwecke gegeben haben. Ich erinnere hier an den ganz erheblichen und wachsenden Ausgabebedarf, den die Veteranenbeihilfen erfordern. Von Gesetzes und Rechts wegen hätten diese Ausgaben für Veteranen⸗ beihilfen auf dem Invalidenfonds belassen werden sollen. Nun aber, nachdem sich herausgestellt hat, daß der Reichs⸗ invalidenkonds kaum mehr in der Lage sein wird, diese Lasten zu tragen, haben sich die Bundesstaaten ohne weiteres bereit erklärt, diese erhebliche Last, die sich für die Jahre 1904 und 1905 auf nicht weniger als 26 Millionen Mark beläuft, auf ihren Haushalt und auf Matrikularbeiträge zu übernehmen. Daß es nach solchem Vorgang in den Kreisen der verbündeten Regierungen eine um so größere und tiefere Verstimmung erzeugen mußte, wenn der Beschluß der Budgetkommission bezüglich der Finanzierung auch von dem Reichstage in dritter Lesung unverändert Annahme finden würde, das glaube ich nicht erst versichern zu dürfen, und deshalb möchte ich zum Schlusse noch der Hoffnung Ausdruck geben, daß es trotz all der scharfen Reden, die in der Budgetkommission gefallen waren, vielleicht doch noch gelingen möchte, über die Finanzierung des Etats auf das Jahr 1905 zu einer allseitigen, befriedigenden Ver⸗ ständigung zu gelangen. Und, meine Herren, ich möchte das um so dringender wünschen, als ich überzeugt bin, daß eine solche Ver⸗ ständigung zugleich geeignet sein würde, die unmittelbar bevorstehende und in der Tat ungemein schwere Aufgabe der Sanierung der Reichs⸗ finanzen durch eine zweckentsprechende Steuerreform ganz wesentlich zu erleichtern. (Bravo! rechts. Zuruf von den Sozialdemokraten.)

Abg. Dr. Brunstermann (b. k. F.): Wenn man sich ver⸗ gegenwärtigt, daß die vorgenommene Einstellung dieser Mittel in den außerordentlichen Etat eine Praxis ist, die seit Deiennien vom Reichs⸗ tage geübt worden ist, so kann es nicht bedenklich erscheinen, auch in diesem Jahr einmal eine Ausnahme von dem Abkommen von 1901 zuzulassen. Diese Ausnahme wird dringend erfordert durch die Finanzlage vieler Einzelstaaten, namentlich der Kleinstaaten; durch den Beschluß der Budgetkommission würden sich die ungedeckten Matrikularbeiträge auf 80 Millionen erhöhen. Das würde z. B. für Schaumburg⸗Lippe eine Erhöhung von 18000 auf 63 000 bedeuten gegenüber einem Gesamtetat, der noch nicht mit 700 000 balanziert. Aus diesen Gründen kann deshalb der größere Teil meiner politischen Freunde dem Beschluß der Kommission nicht beistimmen.

Abg. Patzig (nl.): In der ersten Lesung des Etats hat der Abg. Spahn gesagt, es sei unerläßlich, bei der Verteilung der Matrikularbeiträge die Leistungsfähigkeit der Einzelstaaten zu Grunde zu legen. Wir glaubten damals, es würde ein Jahr Zeit sein, sich zu überlegen, in welcher Weise eine anderweitige Verteilung der Matrikularbeiträge herbeizuführen wäre, und wir glaubten, daß in den Verhandlungen der Budgetkommission diese Sache Gegenstand vor⸗ bereitender Besprechungen sein würde. Zu solchen Verhandlungen ist es aber nicht gekommen. Wir glaubten, es würde beim Abschluß des Etats ungefähr so kommen wie im vorigen Jahre, daß die Einzelstaaten, wenn auch nicht mit 24 Millionen Matrikular⸗ beiträgen, so doch nicht mit allzuviel mehr durchkommen würden. 17 Millionen waren ja gestundet, und die müssen bezahlt werden. Dieses Opfer hätten auch die kleinen Staaten in Gottes Namen getragen. Die Kommission hat dann im letzten Augen⸗ blick noch die regulären Zölle um 10 Millionen erhöht, das erscheint mir nicht unbedenklich; denn wir wollen gar nicht hoffen, daß die Getreidezölle eine so viel höhere Einnahme bringen als früher; aber darüber will ich nicht richten. 12289 kam nun dieser Beschluß der Budgetkommission, aus dem Extraordinarium 46 Millionen für Waffenmaterial in das Ordinarium herüber⸗ zunehmen. Ich darf annehmen, daß auch die Reichsfinanzverwaltung von diesem Entschluß vollständig überrascht worden ist. Andern⸗ falls wäre es ihre Pflicht gewesen, im Interesse des guten Einvernehmens der Einzelstaaten ein Notgesetz zu schaffen, um diese schwere Belastung der Einzelstaaten zu vermeiden. Zu einer solchen Abhilfe ist es natürlich jetzt zu spät. Man hat einen Antrag Paasche angenommen, der eine Stundung in Aussicht nimmt wie im vorigen Jahre. Wenn wir uns die wirt⸗ schaftliche Entwickelung mit der Etatsziffer ansehen, so kommen wir zu der Besorgnis, daß aufgeschoben nicht aufgehoben ist. Es handelt sich um eine Mehrbelastung der Einzelstaaten von 1 Mark für den Kopf der Bevölkerung, wenn man die Matrikularbeiträge von 24 auf 80 Millionen hinaufschraubt, und in der Budgetkommission kann man schwerlich der Meinung gewesen sein, daß die Einzelstaaten diese Mehrbelastung ertragen können. Ersparnisse zu machen, wird namentlich den kleinsten Staaten überhaupt unmöglich sein. Diese Staaten werden geradezu zur Pumpwirtschaft gezwungen, während es doch die Aufgabe wäre, die schwächsten Glieder möglichst zu schonen. Ich sage das nicht etwa, weil ich einen der kleineren Staaten hier vertrete, sondern ich sage es vom nationalwirtschaftlichen Stand⸗ punkt. (Zuruf b. d. Soz.: Wo bleibt die Verfassung!) Was als Gesetz beschlossen wird, ist nach der Verfassung auch gutes Recht. Die Lasten müssen so umgelegt und verteilt werden, daß die Schwächeren sich auch erholen und entwickeln können. Diese Ausgleichepolitik, diesen Schutz des Schwachen würden wir verlassen, wenn wir nach dem Vorschlage der Budgetkommission den Etat abschlössen. Das würde dem Grundsatz entsprechen: dem, der da hat, dem wird egeben, und dem, der nicht hat, wird genommen, was er hat.

reußen hat seine Spartöpfe ausgezeichnet gefüllt, außerordentlich hohes Extraordinarium und hohe Eisenbahndispositionsfonds. Preußen kann diese 1 also aufbringen ohne jede nanspruchnahme der Steuerzahler. Das können aber die kleineren Staaten nicht, die ihre Mehreinnahme aus den Steuern nehmen müssen. Dann beginnt eine wirtschaftlich ohnehin schon ungleiche Entwickelung noch ungleicher zu zu werden. Die direkte Steuerleistung beträgt in Preußen auf den Kopf 6,40 ℳ; die kleineren weisen schon heute 7,50 auf. Die

8

ist doch nicht

8

wirtschaftliche Steuerkraft in den kleineren Staaten rößer als in Preußen, eher das Gegenteil. Mit dieser inanzierung kommen sie auf 8,60 ℳ, und unter einer so erheblichen Belastung müssen entweder die Kulturaufgaben noch mehr leiden, oder es muß zur Pumpwirtschaft gegriffen werden. Die Kulturaufgaben leiden in den kleineren Staaten schon jetzt Not; in Thüringen will man die Volksschullehrer⸗ und Beamtengehälter den preußischen Sätzen näher bringen, kann das aber um so weniger, wenn sie derart belastet werden. Ich befürworte deshalb auch meinerseits lebhaft eine Vereinbarung und Verständigung zwischen zweiter und dritter Lesung; der eerzieherische“ Druck des Kommissionsbeschlusses in der . auf Sparsamkeit beim Reichstage wie ne den Einzel⸗ staaten wird sich lediglich auf die Kleinen geltend machen. Der preußische Finanzminister, der heute neben dem Schatzsekretär stehen müßte, ist nicht an seinem Platze, die Verwaltung, gegen die sich der Beschluß wohl eigentlich richtet, ist nicht da. Herr von Rheinbaben hat sich kurz auf die Erklärung beschränkt, daß er sich an seine Erbschaftssteuer nicht tippen läßt. Den stärksten Staat dürfte also diese Finanzpolitik der Kommission nicht berühren; die kleinen Staaten aber, die eigentlich nicht getroffen werden sollen, trifft man am härtesten und bringt sie in eine Bedrängnis, die wir vom nationalen Standpunkt aufs tiefste beklagen müssen. Käme die Vereinbarung nicht, dann müßten wir uns mit der Finanzverwaltung iber ein Notgesetz verständigen, das die Stundung der 53 Millionen in einen Erlaß verwandelt; dann wird der Starke ein erheblich gröͤßeres Teil zu tragen haben als jetzt.

Abg. Freiherr von Richthofen⸗Damsdorf (d. kons.): Der Angriff des Vorredners auf Preußen scheint uns das Arrangement der Sache sehr zu erschweren. Wir werden stimmen, wie wir in der Kommission gestimmt haben. Wir haben Zuschußanleihen stets für verfassungswidrig erklärt. Die Matrikularbeiträge sind durch die Praxis der Reichsfinanzverwaltung in anderem Umfange eingeführt worden, als die Verfassung wollte. Sie sind schlimmer als Kopf⸗ steuern, sie sind ein ganz anorganisches Element in unseren Reichs⸗ smnanzen. In ihrer Beseitigung oder wesentlichen Herabminderung sehe ich die Hauptaufgabe der kommenden Reichsfinanzreform. Die jetzige Gelegenheit möchte ich nicht benutzen, um die Matrikular⸗ beiträge noch zu verschlechtern, aber solange sie bestehen, müssen sie zuch verfassungsmäßig respektiert werden. Gegen eine Aufleaung nach der Leistungsfähigkeit würden wir durchaus protestieren müssen. Das würde ja eine Strafe für gute Finanzwirtschaft der Einzel⸗ staaten sein. Die Berücksichtigung der Steuerkraft des einzelnen Reichsangehörigen kann gar nicht in Frage kommen. Der vorliegende Beschluß der Kommission ist freilich in diesem Sinne eine Inkonsequenz. Aber die Vereinbarung von 1900,01, obwohl an sich vernünftig und nach Möglichkeit zu beachten, hat keine bindende Gesetzeskraft, und

iiessmal muß eben eine Abweichung von der Regel zulässig sein. leberraschend war nicht der Beschluß der Kommission, sondern die Etatisierung. „Der Notstand liegt darin, daß ohne Verschulden des Reichstags die Handelsverträge unerwünscht spät abgeschlossen sind. Die einzelnen Bundesstaaten möchte ich darunter nicht leiden lassen. Erlangt der Kommissionsvorschlag keine Mehrheit, so werden wir uns sern bemühen, um mit dem Staatssekretär eine mittlere Linie der

Verständigung zu finden. Abg. Singer (Soz.): Ich hoffe, daß die Hoffnung des Schatzsekretärs auf die dritte Lesung sich nicht erfüllt, denn einmal muß ein Ende gemacht werden, und je früher, desto besser. Gelingt 2 wirklich, die Sache noch einmal zu verschieben, so kommt e im nächsten Jahre unfehlbar wieder. Herr Patzig stellt die Dinge geradezu auf den Kopf; wenn man eine gesunde Finanzierung ünscht, darf man keine laufenden Ausgaben auf Anleihen stellen. ie frühere Finanzpolitik der nationalliberalen Partei war derjenigen es Herrn Patzig gerade entgegengesetzt; ihre damaligen Wortführer den sich über Herrn Patzigs Ausführungen im Grake umdrehen. Unter wesentlicher Mitwirkung der nationalliberalen Partei sind die oßen Ausgaben des Reiches beschlossen worden: seine Grundsätze d Ratschläge, nicht die schwachen Schultern zu belasten, straft ne Partei Lügen, indem sie im Reiche die Zoll⸗ und olitik treibt, die die Schwachen und Armen belastet. Mit ‧Notgesetz“ wird Herr Patzig schwerlich Eindruck machen. Die orgen des Reichsschatzsekretärs sind ja begreiflich; aber nach⸗ im er jahrelang die Meinung des Reichstags kennen gelernt hat, lte er doch darauf verzichten, immer noch eine allerletzte Aus⸗ üme von der Regel zu verlangen. Die Forderung der neunten e für Feldartilleriematerial will er auf Anleihen verweisen, weil vefeit die erste Rate auf Anleihe übernommen wurde; alle übrigen aien sind aber auf den ordentlichen Etat übernommen worden, man sich davon überzeugt hatte, daß sie dahin gehörten; kann man nun sagen, die neunte Rate müßte aus der leihe gedeckt werden, weil zufällig die erste daraus gedeckt dde? Einen solchen Zufall sollte sich doch der Staatssekretär t für seine Deduktionen zunutze machen. Mit der Pump⸗ schaft muß wirklich ein Ende gemacht werden, das ist die gabe einer sich ihrer Verantwortung bewußten Volksvertretung. eute, die so wirtschafteten, würden einfach unter Kuratel werden. Wenn den verbündeten Regierungen an geordneten anzverhältnissen liegt, ist es ganz verkehrt, nur auf die Zukunft zu neisen; dann fange man bei der Gegenwart an und strecke ‚nach der Decke. Sonst treibt man die Finanzpolitik eines mlerotteurs. Wir bleiben bei dem Beschluß der Kommission stehen er Ueberzeugung, daß nur der unbeugsame Wille, dieser Pump⸗ Anleihewirtschaft einen Riegel vorzuschieben, uns weiter bringen 7. Die Matrikularbeiträge sind zur Zeit für uns das einzige atel, um der uferlosen Militär⸗ und Marinepolitik einigermaßen zu gebieten. Die kleinen Staaten sollten sich freuen, darin ein tel zu besitzen, Preußen und den Mittelstaaten in ihren Aspirationen wenig den Zaum anzulegen. Was wir für Vorteile haben, wenn auf dem Beschlusse bestehen bleiben, koͤnnen wir sehr gut über⸗ was aber wird, wenn wir dem Staatssekretär folgen, weiß 2 denn niemand kennt die Finanzreform, welche Herr von Stengel

et.

Abg. Gröber (Zentr.): Herr von Richthofen hat durch seine zpfung der Matrikularkeiträge ernsthaften Widerspruch notwendig st. Die Matrikularbeiträge sind kein anorganischer Bestandteil eichsfinanzen, sondern ein organischer Bestand der Reichs⸗ zung. Die Matrikularbeiträge sind ein Korrelat des Bundes⸗ 8, und wenn sie abgeschafft würden, so könnte der Bundesrat seine

lumachen. Man scheint das föderative Prinzip nur gelten lassen ollen, wenn den Bundesstaaten Ueberweisungen zufallen aber nicht, wenn die Bundesstaaten etwas zahlen sollen. aber nichts zu zahlen hat, der hat auch nichts zu sagen, dann auch wir als Reichstag nichts zu sagen. Die Matrikular⸗ se dürfen nicht in ihrer Bedeutung herabgedrückt, sondern in einer Höhe gehalten werden, daß sie noch eine Bedeutung Benn man die Besorgnis hat, daß die kleinen Staaten zu lastet werden, so wird man über kurz oder lang zu einer eisen Bemessung der Matrikularbeiträge kommen müssen. Wer jelstaaten nicht durch die Lasten für Heer und Marine be⸗ will, muß einen Unterschied machen nach der Leistungsfähigkeit zelstaaten. Einzelstaaten erster, zweiter usw. Klasse werden keineswegs geschaffen. Wenn Sie glauben, daß Preußen Fine Tasche öffnen würde, um für die anderen Staaten en, so kennen Sie Buchholzen schwach. Nach dem Gesetz, ¹auch die Konservativen und Nationalliberalen ge⸗ haben, sind die Matrikularbeiträge nicht mehr ein vorüber⸗ Zustand, ein Notbehelf, sondern ein regelmäßiger Be⸗

unserer Finanzwirtschaft. Was der Abg. von Richt⸗

treten hat, ist der Gedanke des Einheitsstaates. aatssekretär hat nun eine Art Vergleichsvorschlag gemacht, r die 10 Millionen auf die Matrikularbeiträge übernehmen agegen hat er Bedenken bezüglich der andern beiden Posten nung. Es handelt sich hier nicht um eine grundsätzliche dersetzung, sondern um die Schwierigkeit des Zahlens. Es 4 soll mit der bisherigen Pumpwirtschaft fortgefahren werden 1 ch bin der Meinung, daß durch eine reinliche Scheidung

zwischen Ordinarium Extraordinarium der künftigen Finanzreform der beste Dienst geleistet wird. Wir fassen einen heilsamen, nütz⸗ bicen Beschluß, wenn wir es bei dem Beschluß der Budgetkommission elassen.

9 von Kardorff (Rp.): Ich möchte doch vor dem etwas zu starken Pessimismus warnen, den der Abg. Patzig geäußert hat. Eine so drückende Notlage besteht für die Einzelstaatem nicht. Ich glaube, wir müssen uns doch der Hoffnung hingeben, daß wir mit den ver⸗

ündeten Regierungen uns einigen über die Art und Weise, wie das

Geld werden soll, dessen das Reich bedarf. Hauptsächlich die Ausgaben für Heer und Marine (Zwischenruf des Abg. Singer) Ihr Milizheer, Herr Singer, würde noch viel mehr kosten. Die Einzelstaaten werden einen sehr schweren Widerstand leisten, nament⸗ lich gegen die Reichseinkommensteuer. Es ist viel nützlicher für das Reich, wenn es als Wohltäter, als Spender, als wenn es als Bettler, als Kostgänger bei den Einzelstaaten erscheint. Daß die indirekten Steuern wesentlich eine Belastung der arbeitenden Klasse darstellen, ist eine Redensart. Wenn Sie der Sache auf den Grund gehen, werden Sie finden, daß diese Steuern die oberen und mittleren Klassen viel schärfer treffen als die ärmeren. Wenn in Deutschland allein für geistige Getränke 3 ½ Milliarden aus. gegeben werden, soll man mir nicht erzählen, daß das Deutsche Reich zu arm ist, um seine Ausgaben für Heer und Marine zu decken. In 1 bis 2 Jahren werden wir mit der Finanzreform so weit sein. Mit dem Gedanken der Heranziehung der Einzelstaaten nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit kann ich mich nicht einverstanden erklären, aber wir könnten sehr gut eine Besteuerung der Staatseisenbahn⸗Reinerträge vornehmen. Ich glaube, mit 10 % würde auch Herr Gröber ein⸗ verstanden sein. Preußen sollte auf diese Weise schärfer zu den Reichsausgaben herangezogen werden. Es ist der größte und stärkste und leistungsfähigste Staat, und noblesse oblige.

Abg. Werner (Reformp.) erklärt, sich kurz fassen zu wollen. Er führt im einzelnen aus, daß es im Interesse der Sanierung e. Reichsfinanzen läge, es bei den Beschlüssen der Kommission zu

assen.

Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.): Auch ich kann mich kur fassen, um so mehr, als der Abg. Gröber schon den Gedanken Ausdru

gegeben hat, die ich vortragen wollte. Resolutionen werden auch nichts helfen, die Armut kommt von der Powerté her und die Powerté von der Armut. Gerade vom Standpunkt der Reichsfinanzreform sind die Bundesstaaten möglichst stark zu Matrikularbeiträgen heran⸗ zuziehen, es ist das ein bundesrätlich pädagogisches Mittel. Was die Besteuerung der Eisenbahnerträge der Einzelstaaten betrifft, so wird sich Preußen zu einer solchen nicht herbeilassen. Wenn Sie sparen wollen, so haben Sie vielfältige Gelegenheit dazu; wollen Sie nicht am Militär sparen, so sparen Sie an der Flotte, sparen Sie an der Kolonialpolitik, wo eben noch Hunderte von Millionen ausgegeben werden sollen. Wir können doch nicht alles haben: das stärkste Heer und die stärkste Marine. Ehe es nicht an der Spitze anders wird, ehe man sich nicht oben zu der Nüchternheit entschließt, die Preußen groß gemacht hat, eher wird es nicht besser werden, eher wird auch keine Ordnung in die Reichsfinanzen kommen.

Abg. Dr. Pachnicke ffr. Vgg.): Der Beschluß der Budget⸗ kommission entspricht der Verfassung und den Grundsätzen einer gesunden Finanzgebarung. Die Matrikularbeiträge sind in der Tat nicht mehr das, was sie früher waren, ein Notbehelf. Die Einzelstaaten dürfen ja auch hoffen, daß Uekerschüsse vorhanden sein werden, sodaß sie nicht den vollen Betrag der Matrikular⸗ beiträge zu zahlen haben werden. Dieser Gedanke liegt ja auch dem Stundungsantrag zu Grunde. Auch im konstitutionellen Interesse müssen wir den Budgetkommissionsantrag annehmen, wir dürfen auf unser Einnahmebewilligungsrecht nicht verzichten. Eine wirkliche Besserung der Reichsfinanzen ist nur möglich, wenn der Weg der direkten Reichsbesteuerung gewählt wird. Hierfür hat der Staats⸗ sekretär die gesamte Linke und auch das Zentrum. Selbst Herr von Kardorff widerstrebt an sich der direkten Besteuerung nicht. Bei allen Nichtpreußen wird er mit seinem Vorschlage der Besteuerung der preußischen Staatsbahnen Beifall finden. Für weitere indirekte Steuern dagegen würde er auf keine Unterstützung rechnen können. Eine Steigerung der Erträge aus der Brausteuer stößt auf Wider⸗ spruch, höchstens für eine finanziell einflußlose Staffelung würde Stim⸗ mung vorhanden sein. Das Bier verdrängt immer mehr den Schnaps. Schon darum, den Gedanken der Reichseinkommensteuer durchzusetzen, ist es nach meiner Meinung entgegen der des Herrn von Kardorff er⸗ wünscht, daß sich im Süden eine Bewegung für die Einführung des Reichswahlrechts in die Einzelstaaten geltend macht.

Abg. Dr. Süde kum (Soz): Das redliche Bestreben des Schatz⸗ sekretärs, die Reichsfinanzen in Ordnung zu bringen, sichert ihm auf allen Seiten des Hauses Achtung; sonst würde seine heutige Rede, die die Umstoßung des Kommissionsbeschlusses in dritter Lesung bezweckt, mit ihren fadenscheinigen Gründen aus der Mitte des Hauses viel schärfer zurückgewiesen worden sein. Ueberrascht konnte auch Herr Patzig von der Stellungnahme der Kommission nicht sein; denn von allem Anfang an war doch offenbar, daß von verschiedenen Seiten die Beseitigung der Zuschußanleihe beabsichtigt wurde. Herr von Kardorff hat sich doch nur sehr platonisch für direkte Reichssteuern ausgesprochen; er findet gerade noch den Anschluß. Wichtiger noch als diese Reform wäre eine Reform des brutalen Geldsackswahlrechts des preußischen Junkerparlaments; ehe da nicht Wandel geschafft ist, kommen wir nicht zu befriedigenden Zuständen im Reiche. Aber eine kleine Besserung wird immerhin erzielt, wenn wir die Reform des bemn F8 Stengel beschleunigen durch Festhalten an dem Kommissions⸗

eschluß.

Damit schließt die Diskussion. Das Haus beschließt gegen die Stimmen der Deutschkonservativen und eines Teils der Reichspartei, die 461 ½ Millionen für Waffenforderungen nach dem Kommissionsvorschlag in das Ordinarium des extra⸗ ordinären Etats einzusetzen. 1

Sodann wird die Zuschußanleihe einstimmig abge⸗ lehnt. An dem Anleihebetrage werden entsprechend dem Kommissionsvorschlage 101 586 359 abgesetzt und der An⸗ leihebetrag auf 161 552 913 normiert. ie Matrikular⸗ beiträge werden um 53 317 787 auf 266 567 881 erhöht.

„Die Einnahmen aus dem Bankwesen hat die Kom⸗ mission von 12 290 000 auf 15 109 000 erhöht.

Abg. Dr. Arendt (Rp.): Ich kann mich mit diesem Vor⸗ schlage einverstanden erklären und hoffe und wünsche, daß das Reichs⸗ bankdirektorium die Wünsche seiner Beamten wohlwollend berück⸗ sichtigen möge.

Die vorgeschlagene Erhöhung wird einstimmig genehmigt.

Die Einnahmeposten: „Besonderer Beitrag für Elsaß⸗ Lothringen“ und „Ueberschüsse aus früheren Jahren“ werden ohne Debatte genehmigt, der Einnahmeposten „Zuschuß des ordent⸗ lichen Etats, entsprechend den Beschlüssen zur Zuschußanleihe“, wird gestrichen. Desgleichen werden ohne Debatte genehmigt die Einnahmen zum usgleich für die Brausteuer von Bayern, Württemberg, Baden und Elsaß⸗Lothringen, für den Ueberschuß der Post⸗ und Telegraphenverwaltung von Bayern und Württemberg, für die eigenen Einnahmen der Verwaltung des Reichsheeres von Bayern mit zusammen 19 123 067 ℳ, ferner die Rückerstattung auf die aus dem Reichsfestungsbaufonds geleisteten Vorschuͤsse.

Darauf wird auch das Etats esetz nach den Vorschlägen der Budgetkommission angenommben. Der Etat balanzlert mit 2180167 160 Die Anleihe beziffert sich auf 191 471 413 ℳ; Schatzanweisungen durfen bis zum Betrage von 350 (Vorlage 275) Millionen Mark ausgegeben werden. In § 4 ist die Befugnis des Reichskanzlers eingefügt, den

Einzelstaaten denjenigen Betrag an Matrikularbeiträgen zu

öht worden sind.

stunden, um welchen 5 den Etatsentwurf durch die Be⸗

schlüsse des Reichstages er

Damit ist die zweite Beratung des Reichshaus⸗ haltsetats für 1905 beendet.

Es folgen Berichte der Wahlprüfungskommission.

Die Wahlen der Abgg. Lesche (So. 10. Schleswig⸗ Holstein), von Janta⸗Polczynski (Pole, 4. Danzig), Faltin (Zentr, 7. Oppeln), Dr. Mugdan (fr. Volksp., 9. Liegnitz), Dr. am Zehnhoff (Zentr., 12. Duüsseldorf) werden für gültig erklaͤrt.

Die Wahl des Abg. von Riepenhausen (d. kons., 1. Stralsund) beantragt die Kommission ebenfalls für gültig zu erklären.

Abg. Herbert (Soz.) bringt einen Wahlprotest zur Sprache, nach dem der Kammerherr von Riepenhausen in Stralsund kurz vor der Wahl in einem Fischereiverein dessen Mitgliedern seine Kabinetts⸗ bilder als Andenken verehrt und Bier spendiert haben solle. In diesen und ähnlichen Wahlbeeinflussungen liege ein System, wie es auch sonst von den Parteigenossen des Herrn von Riepenhausen befolgt worden sei und ihnen zu einem Erfolge verholfen habe.

Die Wahl des Abg. von Riepenhausen wird für gültig erklärt, ebenso die Wahlen der Abgg. Winckler (d. kons. 7. Merseburg), Itschert (Zentr. 1. Wiesbaden) und Schmid (Zentr. 6. Schwaben und Neuburg).

Bezüglich der Wahl der Abgg. Freiherr von Hodenberg (Zentr. 14. Hannover), Malkewitz (d. kons. 3. Köslin), Dr. von Jaunez (14. Elsaß⸗Lothringen), Krause (d. kons. 88 Königsberg), Kern (d. kons. 4. Liegnitz) und von Massow (d. kons. 2. Königsberg) werden Beweiserhebungen beschlossen.

wird Vertagung beschlossen. räsident Graf von Ballestrem schlägt vor, die nächste Sitzung abzuhalten Mittwoch 11 Uhr mit der Tagesordnung: Dritte Lesung der Gesetzentwürfe, betr. die Friedenspräsenzstärke des Heeres und Aenderung der Wehrpflicht, und Dritte Lesung des Etats.

Der Abg. Wellstein (Zentr.) bittet, die heute noch nicht erledigten Wahlen der Abgg. Gamp, Barbeck, v. Dirksen, Brejski und Korfanty morgen zunächst zu erledigen. Er zieht jedoch seinen Vorschlag zuruck, nachdem der Präͤsident dagegen Be⸗ denken im Interesse des Zustandekommens des Etats erhoben hat. Es bleibt also beim Vorschlag des Präsidenten.

Schluß gegen 5 ¾ Uhr.

8 8 1““ Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 170. Sitzung vom 28. März 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt die erste Beratung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Abänderung einzelner Be⸗ stimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865/1892 (über die Arbeiterverhältnefse), fort.

Abg. Brust (Zentr.): Die Arbeiter sehen mehr und mehr ein, daß diese Vorlage doch nicht so mangelhaft ist. Die Arbeiter stehen jetzt auf dem Standpunkt, daß die Einhaltung der Kündigungsfrist im beiderseitigen Interesse besser gewesen wäre. Herr von Zedlitz hat die Vorgänge beim Streik ganz unrichtig dargestellt. Die Arbeiter⸗ führer haben vor dem Eintritt in den Streik ganz energisch gewarnt. Es sind auch keine Geldversprechungen gemacht worden. Im übrigen kann ich mich den Ausführungen des Abg. Spahn über die Vorgeschichte der Vorlage anschließen. Die Durchführung der vor⸗ geschlagenen Bestimmungen wird außerordentlich schwierig sein. Wer soll genau und untrüglich feststellen, wo die Bestim⸗ mungen über die Grubentemperatur Platz greifen sollen? Ich laube, die Bergbehörde kann und wird getäuscht werden durch ftarter⸗ Anwendung von Ventilatoren usw. Auch sonst können die Bestimmungen umgangen werden. Ich möchte daher wünschen, daß die Begrenzung der Arbeitszeit, wie sie die Vorlage vorsieht, für den ganzen Bergbau ohne Ruͤcksicht auf die Temperatur festgelegt wird. Es ist keineswegs erwiesen, daß durch eine Beschränkung der Arbeitszeit immer eine Einschränkung der Arbeitsleistungen hervor⸗ gerufen wird. Im Gegenteil, dort, wo die Arbeitszeit verkürzt worden ist, hat sich herausgestellt, daß die Arbeitsleistung größer geworden ist, als sie bei längerer Arbeitszeit war. Die Verwendung der Arbeiterausschüsse bei der Grubenkontrolle ist gestern als ein glücklicher Gedanke bezeichnet worden. Dann verstehe ich nur nicht, weshalb man nicht diesen glücklichen Gedanken gleich in gesetzliche Form kleidet. Die Zahl der Unfälle im Bergbau hat sich vermehrt. Die Begründung des Regierungsvertreters bei einer früheren Gelegen⸗ heit, daß jetzt auch der kleinste Unfall angemeldet werde, ist für die Betrachtung der Unfallzahlen nicht ausschlaggebend. Es ist eine prozentuale Steigerung der Unfallziffer zu konstatieren. Die Zahl der Unfälle stieg auf je 1000 Arbeiter von 119 im Jahre 1898 auf 147 im Jahre 1903. Diese Steigerung ist zurückzuführen auf die Gefährlichkeit des Betrtebs und auf die massenhafte Heranziehung ungeschulter Arbeiter. Deshalb ist eine strenge Kontrolle der Betriebe nötig, und zwar unter Mitwirkung der Arbeiter. Wenn man die Sicherheitseinrichtungen verbessern will, soll man sich nicht sträuben gegen die Zulassung von Arbeiterkontrolleuren. Ueber den ortsüblichen Tagelohn sind viele Streitigkeiten entstanden, und es sind die wider⸗ sprechendsten Gerichtsurteile ergangen. Es ist nicht richtig, daß beim Nichtzustandekommen des Gedinges der perdiente Lohn nach dem Durchschnitt aller Löhne, auch der Tagearbeiter, berechnet wird. In der Vorlage sollte Klarheit geschaffen und bestimmt werden, daß beim Nichtzustandekommen des Gedinges der Lohn zu berechnen ist, welchen der Bergmann in der vorhergegangenen Periode verdient hat. Der Redner weist auf einen auf dem Tisch des Hauses bn Seee; großen schwarzen Stein hin, der aus der Entfernung wie ein Stück Kohle aussieht, und zeigt daran, wie leicht es sei, daß die Arbeiter aus Versehen Steine in die Hunde hineinwürfen. Er bemerkt zum Schluß, daß er auf die jetzt angestellten Unter⸗ suchungen keinen allzugroßen Wert lege, da die seit langem bekannten Mißstände schon genügten, um eine ö des Gesetzes zu ver⸗ langen. An einzelnen Stellen sei z. B. bis zu 9 % genullt worden. Er hofft, daß aus der Beratung des Gesetzes etwas Ge⸗ deihliches herauskommen werde.

Abg. Hilbck (nl.): Ich habe namens meiner politischen

reunde zunächst eine Aeußerung des Reichskanzlers zurückzuweisen. Der

r Reichskanzler hat gesagt, unser Parteifreund Heyl zu Herrnsheim abe im Reichstage selbst eine rasche Erledigung dieses vor⸗ liegenden Gesetzes verlangt. Das Gegenteil ist der Fall gewesen. Unser Parteifreund hat verlangt, daß die Ber arbeiterverhältnisse des ganzen Deutschen Reiches durch die arbeitersiatiftsche Kommission untersucht werden sollen. (Der Redner verliest den betreffende

assus.) Er hat weiter gesagt, daß die Einbringung ei olchen Novelle nicht übereilt werden und eine

stürzung nicht stattfinden möge. Sie sehen, das ist diametral verschieden von dem, was der Reichskanzler gestern be⸗ hauptet hat. Ich habe mich, als der Streik hier besprochen wurde, jedes Wortes enthalten, weil ich weder auf die Seite der Arbeiter noch auf die der Arbeitgeber treten, weil ich das Ergebnis der amtlich angestellten Untersuchun erst abwarten wollte. Die Arbeitervertreter in der Siebener⸗ ommission haben die Miß⸗ stände recht drastisch hingestellt, aber wenn Sie damit die Protokolle im „Reichsanzeiger“ vergleichen, werden Sie über die Berechtigung

des Streiks anderer Meinung werden. Die Arbeiter haben