1905 / 89 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 Apr 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Lebensversicherungsgesellschaften auf eine Eingabe erteilter Bescheid vom 17. Oktober 1904, der die vom Aufsichtsamt aufgestellten Grundsätze für die Beleihung und Er⸗ mittelung des ertes inländischer städtischer Grundstüuͤcke in einer Reihe von Punkten erläutert und näher begründet. Im Anschluß hieran werden Zulassungen zum Geschäftsbetriebe sowie Genehmigungen von Aenderungen des Geschäftsplans inländischer und ausländischer Unternehmungen und von Bestands⸗ veränderungen bekannt gemacht.

Von den beiden wiedergegebenen Beschlüssen erörtert der erste die Frage, inwieweit Aenderungen des Ge⸗ schäftsplans einer ausländischen Gesellschaft, welche den Geschäftsbetrieb im Inlande eingestellt hat, der Genehmigung der inländischen Außsichts⸗ behörde und der Anmeldung zum Handelsregister bedürfen; es wird die Ansicht vertreten, daß die Gesellschaft bis zur vollständigen Abwickelung des inländischen Ver⸗ sicherungsgeschäfts der Beaufsichtigung nach Maßgabe des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterliegt und bis zu diesem Zeitpunkt in gleicher Weise wie eine in Liquidation befindliche inländische Gesellschaft verpflichtet ist, zur Eintragung ins Handelsregister alle Veränderungen

anzumelden, die hinsichtlich der bereits eingetragenen Tatsachen eingetreten sind. Der zweite Beschluß verneint in Abänderung der bisherigen Praxis des Kaiserlichen Aufsichtsamts die Frage, ob die Prämienüberträge regelmäßig einen Bestand⸗ teil der Prämienreserve bilden; denjenigen Gesellschaften, deren Rechnungsgrundlagen eine Teilung der Prämienüberträge und der Prämienreserve vorsehen, wird gestattet, nur die Iihren Rechnungsgrundlagen entsprechend berechnete bilanz⸗ mäßige Prämienreserve dem Soll des Prämienreservefonds zu Grunde zu legen. Die hierauf folgende Rekursentscheidung vom 3. Ja⸗ nuar 1905 stellt fest, daß eine ausländische Versicherungs⸗ unternehmung, welche nach Inkrafttreten des Ver⸗ sicherungsaufsichtsgesetzes nur noch in einem Teile des Reichsgebiets Geschäfte betrieben hat, bezüglich ihres ganzen deutschen Betriebs der Beaufsichtigung durch das Kaiserliche Aufsichtsamt unterliegt, und zwar auch in dem Gebiete, in dem sie sich bereits seit dem 1. Januar 1902 auf die Abwickelung bestehender Verträge beschränkt hat. § 104 des Versicherungsaufsichtsgesetzes erscheine in diesem 1 Falle unanwendbar, es könne nicht innerhalb des einheitlichen Wirtschafts⸗ und Rechtsgebiets des Deutschen Reichs eine und dieselbe Unternehmung bezüglich desselben Versicherungszweiges sowohl im Zustande des Geschaftsbetriebs wie der Liquidation sich befinden. Verfehlt sei die Ausführung der Rekurrentin, daß n den einzelnen Staaten von dem Zeitpunkt an, wo die Ge⸗ sellschaft in diesen ihren Geschäftsbetrieb eingestellt habe, keine landesherrliche Aufsicht mehr bestanden und deshalb ein Auf⸗ sichtsrecht auf das Reich nicht habe übergehen können; das Reich sei im Sinne des Gesetzes vom 12. Mai 1901 nicht Rechtsnachfolger der Einzelstaaten, seine Aufsichtsbefugnis setze sich nicht aus der Summe der vormaligen Befugnisse der Einzelstaaten zusammen. Eine Teilung der Aufsicht zwischen Reichs⸗ und Landesbehörde sei ausgeschlossen. b In einem Anhange werden 20 gerichtliche Ent⸗ scheidungen in Versicherungssachen veröffentlicht. Be⸗ merkenswert erscheint namentlich ein vom Reichsgericht bestätigtes Urteil des Köͤniglichen Landgerichts I Berlin vom 5. März 1904, welches in wesentlicher Ueber⸗ einstimmung mit der Praxis des Kaiserlichen Auf⸗ sichtsamts aus dem Gefamtinhalte der Statuten eines Unterstützungsvereins feststellt, daß hier den Mitgliedern ein Rechtsanspruch auf die in Aus⸗ sicht gestellten Krankengelder zustehe und daß die in den Statuten enthaltene Bestimmung, wonach die Leistungen des Vereins freiwillige seien, und ein Rechtsanspruch auf sie nicht bestehe, nur getroffen sei, um die Behörden über die wahre Natur des Vereins zu täuschen; trotz dieser Bestimmung falle der Verein deshalb unter die Bestimmungen des Versicherungs⸗ aufsichtsgesetzes und seien die Vorstandsmitglieder gemäß § 108 a. a. O. strafbar, wenn sie ohne Erlaubnis der Auf⸗ sichtsbehörde den Geschäftsbetrieb eröffnet hätten.

Oesterreich⸗Ungarn.

„Der Budgetausschuß des österreichischen Abgeordneten⸗ hauses nahm gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, mehrere Titel des Handelsbudgets an. Im Laufe der Debatte stellte der Handels⸗ minister Freiherr von Call mit Befriedigung fest, daß die Bericht⸗ erstatter sowie die Mehrzahl der Redner die Tätigkeit des Handelsministeriums, insbesondere dessen Leistung beim Ab⸗ schluse der Verträge mit dem Deutschen Reiche und Italien, sympathisch berurteilt hätten, und fuhr dann fort: „Mit der Beteiligung an der Londoner Ausstellung im Jahre 1906 wird bezweckt, unsere Produkte direkt auf dem Londoner Markte ein⸗ zuführen, was durch die im Anschluß an die Ausstellung beabsichtigte Errichtung eines österreichischen Importhauses in London erreicht werden soll. An der Mailänder Ausstellung gedenkt die Re⸗ gierung sich offiziell zu beteiligen mit besonderer Berücksichtigung der dem Transportwesen dienenden Industriezweige.“

Im ungarischen Unterhause wurde von dem Abg. Eötvös ein Antrag eingebracht, wonach dem früheren Präsidenten des Abgeordnete nhauses Perezel und dem Ministerpräsidenten Grafen Tisza wegen der Vorgänge am 18. November und 13. Dezember

v. J. die Mißbilligung des Hauses ausgesprochen werden soll.

Großbritannien und Irland.

In einer dem Unterhause zugegangenen schriftlichen Beant⸗ wortung einer Anfrage erklärte, wie „W. T. B.“ meldet, der Par⸗ lamentssekretär des Aeußern Earl Percy: „Mir sind keinerlei Fälle bekannt, in denen die deutsche Regierung eine von der unsrigen ab⸗ weichende Ansicht über den Sinn der Klausel von der meist⸗ begünstigten Nation vertreten hätte. Sir Henry Campbell Bannerman (lib.) kündigte an, daß er einen Tadelsantrag legen die Regierung wegen ihrer neueren Politik hinsichtlich der rischen Verwaltung einzubringen beabsichtige. Der Premierminister Balfour versprach, nach den Osterferien solle Gelegenheit zur Be⸗ ratung des Antrages gegeben werden. Im Laufe der Debatte über eine von Tuff (kons.) eingebrachte Resolution, durch die Sir Henry Campbell Bannerman aufgefordert wird, ausführlich zu er⸗ klären, ob er die Homerule⸗Politik bei den etwaigen nächsten Wahlen empfehlen werde, besprach dieser den außergewöhnlichen Charakter der Resolution und weigerte sich, Erklärungen darüber abzugeben, welche Politik er für die Zukunft empfehlen werde, wieder⸗ holte aber seine Ansichten, die er vorher über die irische Verwaltung

das Verlangen der Nationalisten nach Homerule und sprach seine Befriedigung über die Rede Str Henry Campbell Bannermans aus.

Der Premierminister Balfour erklärte dessen Ausführungen für

23. Oktober

11“

geäußert hatte. John Redmond (Nationalist) betonte nochmals

zweideutig und versicherte, daß die konservative Partei an der Sache des Unionismus festhalten werde. Darauf wurde die weitere Be⸗ sprechung auf unbestimmte Zeit vertagt.

Im Klub der liberalen Unionisten zu London hielt Joseph Chamberlain gestern eine Rede, in der er, dem „W. T. B.“ zufolge, sagte: 1

Ich wünsche, daß jedes Mitglied des Klubs sich darüber klar sei, was wahrscheinlich die Folge der kürzlich von Deutschland mit anderen Ländern abgeschlossenen Handelsverträge sein werde. Alle diese Verträge sind unabhängig von uns abgeschlossen worden. Ich weiß nichts davon, daß das Auswärtige Amt in dieser Hinsicht Einspruch erhoben habe; wir wissen aber sehr wohl, daß, wenn es protestiert hätte, es damit keinen Erfolg gehabt haben würde, solange wir keine Waffe haben, mit der wir kämpfen können. Es ist nutzlos für unsere Gegner, zu sagen, daß möglicherweise die Meistbegünstigungsklausel auf uns Anwendung finde. Diese wird uns nur Vorteile bei Artikeln bringen, die wir nicht erzeugen und an deren Erzeugung uns nichts liegt. Sehr bemerkenswert ist die Aeußerung, die der Marquis of Salis⸗ bury im Oberhause kürzlich gemacht hat, daß bei dem gegenwärtigen großen Handel mit Deutschland nur wenig mehr als zwei Prozent unserer ganzen Ausfuhr unter die Meistbegünstigungsklausel falle.

Frankreich.

In der gestrigen Vormittagssitzung des Senats wurde die Er⸗ örterung des Marine budgets fortgesetzt. Der Marineminister Thomson erläuterte, wie „W. T. B.“ erfährt, das Programm vom Jahre 1900 bezüglich der Flottenneubauten, die im Januar 1907 be⸗ endet sein sollten, aber, soweit die Kreuzer in Betracht kämen, erst mit einer Verspätung von 15 Monaten fertiggestellt sein würden. Der Marineminister legte sodann die Notwendigkeit dar, nach der Erledigung des Flottenprogramms von 1900 mit dem Bau von neuen Kriegs⸗ schiffen fortzufahren; denn sowohl die englische wie die amerikanische Flotte sei der französischen überlegen, und die deutsche Flotte sei ihr fast gleich. Frankreich beschränke sich übrigens darauf, seine alten Schiffe durch neue zu ersetzen. Der Minister verbreitete sich dann über die Unterseeboote und sagte, daß Frankreich eine Flotte von Torpedo⸗ und Unterseebooten besitze, die allen anderen sehr überlegen seien. Es sei vorauszusehen, daß es werde nötig werden, den Tonnen⸗ gehalt der Unterseeboote zu vergrößern, um gewisse Verbesserungen zu erreichen. Der Minister bemerkte sodann, daß für Neu⸗ bauten im Budget 1905 121 Millionen vorgesehen seien. Mit diesen Aufwendungen fortzufahren sei nötig, denn nur so werde es möglich sein, die veralteten Schiffe zu ersetzen. Auf ver⸗ schiedene Bemerkungen erwiderte der Minister, daß diese Ausgaben, ohne auf das Extraordinarium zurückzugreifen, gedeckt werden könnten, wies sodann auf die Notwendigkeit hin, die Ausrüstung des Arsenals zu vervollständigen, und erklärte, die Ausführungen d'Estournelles seien ebenso chimärisch, wie achtenswert und hochherzig gewesen. Die besten Mittel, den Frieden aufrecht zu erhalten, seien Voraussicht und eine starke Flotte. In der Nachmittagssitzung stimmte das Haus mit 154 gegen 116 Stimmen dem Beschlusse der Kommission zu, wonach die Löhne der Arsenalarbeiter herabgesetzt werden sollten. Das Marinebudget gelangte dann zur Annahme.

Die Deputiertenkammer nahm gestern, nach Ablehnung einiger Abänderungsanträge, mit 422 gegen 45 Stimmen den ganzen Artikel 1 der Vorlage, betreffend die Trennung von Kirche und Staat, an, in dem Gewissensfreiheit und freie Ausübung der Kulte zugesagt wird.

Die Deputierten Delonele, Jaurès, Archdeacon und Hubert, die in der Deputiertenkammer Interpellationen über Marokko eingebracht haben, ließen sich in die Rednerliste für die Debatte über das Ministerium des Aeußern eintragen, die voraussichtlich im Laufe der nächsten Woche gelegentlich der Erörterung der vom Senat an dem genannten Budget vorgenommenen Aende⸗ rungen stattfinden wird.

Rußland.

Der Kaiser hat gestern nachmittag, wie die „St. Peters⸗ burger Telegr.⸗Agentur“ meldet, in Zarskoje⸗Sselo den neuen Botschafter der Vereinigten Staaten von Lengerke⸗Meyer ur Ueberreichung seines Beglaubigungsschreibens in feierlicher Audienz empfangen. Nachher wurde der Botschafter von der Kaiserin und der Kaiserin⸗Witwe empfangen.

Italien.

In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer erklärte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Unterstaatssekretär des Aeußern Fusinato in Beantwortung von Anfragen der Abgg. Romussi und Santini, welche Stellung die Regierung gegenüber der von zahlreichen italienischen Bürgern erhobenen Forderung, daß Italien die Initiative zur Friedensvermittlung zwischen Ruß⸗ land und Japan ergreifen solle, einzunehmen gedenke: die Regie⸗ rung schätze den Edelsinn der Bewegung, die sich in Italien zu Gunsten eines Friedensschlusses zwischen Rußland und Japan geltend mache, außerordentlich, aber ein Staat könne derartige Initiativen, für deren Erfolg keine Wahrscheinlichkeit bestehe, nicht ergreifen. Wenn sich eine günstige Gelegenhbeit biete, werde die Regierung es nicht unterlassen, ihre humanitäre Aufgabe zu erfüllen.

Spanien.

Der König und die Königin von England haben Port Mahon gestern vormittag verlassen und trafen Nach⸗ mittags in Palma ein.

Belgien.

Die Repräsentantenkammer erötterte, zufolge, gestern den Zusatzvertrag zum deutsch⸗belgischen Handelsvertrage. Die Lnke erhob Einspruch gegen die Be⸗ stimmung, nach der der belgischen Regierung die Befugnis zusteht, die Wertzölle des Tarifs A in gleichwertige spezifische Zölle umzuwandeln. Der Deputierte Woeste beglückwünschte die Regierung zu ihren Er⸗ folgen in der Handelspolitik. Die Verhandlung wurde darauf vertagt.

In der letzten Sitzung der ständigen Zucker⸗ kommission wurde hauptsächlich die Anwendung der in dem Zuckerabkommen 1““ Strafklausel beraten. Hinsichtlich der Vertragsländer war es nicht strittig, daß das Vorhandensein eines über den vereinbarten Aus⸗ gleichzoll hinausgehenden Zuschusses die Anwendung der Klausel bedinge; hinsichtlich der außerhalb des Vertrags stehenden Staaten überwog die Ansicht, daß ein derartiger Zuschuß als Prämie aufzufassen sei. Es wurde hervorge⸗ hoben: Der Kommission liege es nicht ob, eine Frage der Aus⸗ legung des Brüsseler Abkommens zu entscheiden, und wenn die Erörterung auf das Gebiet der Prinzipien gebracht werde, müsse die Entsche dung der Vertragsstaaten selbst an⸗ gegangen werden. Dank den Anschauungen der verschiedenen Vertreter, war es möglich, die Anwendung der Klausel von Fall zu Fall ins Auge zu fassen; wo begründete Zweifel vor⸗ agen, wurde von einer Beschlußfassung abgesehen, bis das ständige Bureau in der Lage sein werde, der Kommission ent⸗ scheidende Beweise für oder gegen das Vorhandensein von Prämien 2gen Die Kommission hat sich dann bis zum .J. vertagt. 11“

Türkei. ö111“ „Telegr.⸗Korresp.⸗Bureau“ meldet aus Kon⸗ stantinopel, die französische Botschaft habe ein „Armenisches Revolutionskomitee“ unterzeichnetes Zirkular er⸗ halten, das eine Intervention gegen das gewalttätige Vor⸗ gehen der türkischen Beamten in Zeitun gegen die Armenier

Das Wiener

erbitte, die durch fortwährende Verfolgungen gezwun.. seien, aus Zeitun, das fortgesetzt militärisch verstattnungen auszuwandern. Dieses Zirkular dürfte allen Botschaften dde⸗ gehen, da im Januar 1896 die Unterwersung der aufständis i Zeitunisten durch Vermittelung der Großmächte erfolgte. cen Die „Frankfurter Zeitung“ meldet aus Saloniki d gestrigen Tage, in der Ortschaft Zagoritsank (Kreis Kastorzn habe gestern ein Kampf zwischen einer starken griechischih Bande und Bulgaren stattgefunden. Dreißig Bulgaren seien gefallen, ebensoviele von den Griechen als Geiseln 8 geschleppt worden. Eine andere zu Hilfe eilende bulgarische Bande sei niedergemacht worden.

Griechenland. Der Kaiser Wilhelm machte gestern, wie „W. T. B.“ aus Corfu berichtet, mit der Königlichen Familie einen Ausflu nach Peleka und besichtigte hierauf das S chloß Achilleion Die Königliche Familie geleitete sodann den Kaiser zur Landungsstelle, worauf Seine Majestät auf die „Hohen⸗ zollern“ zurückkehrte. Am Abend veranstaltete, da „Agence Havas“ zufolge, der Admiral des eng lischen Geschwaders Sir C. E. Domvile an Bord seins Flaggschiffes „Bulwark“ zu Ehren des Deutschen Kaisers umd der griechischen Königsfamilie ein großes Festmahl. Na 10 Uhr Abends gingen die deutschen Schiffe unter lebhaften Abschiedsovationen der Bevölkerung und dem Salut der Kriegs⸗ schiffe nach Messina in See. b

Rumänien. 8

Der Finanzminister legte gestern, wie „W. T. B.“ berichtet der Deputiertenkammer den Gesetzentwurf uüͤber die Kon⸗ version von 422 Millionen Franecs fünfprozentiger Anleihen in vierprozentige Schuldverschreibungen zum Nettokurse von 87 ½ mit einer Umlaufsdauer von 40 Jahren vor. Durch diese Konversion wird die jährliche Zinsenlast des Staats um fünf Millionen Francs verringert.

Schweden und Norwegen.

In beiden Kammern des Reichstags haben, wie „W. T. B.“ erfährt, Mitglieder aller Parteien, mit Ausnahme der sozial⸗ demokratischen, einen Antrag eingebracht, der Reichstag solle seine Zustimmung zu der jüngst vom Kronprinzen⸗Regenten ab⸗ gegebenen Erklärung bezüglich neuer Verhandlungen über die Unionsfragen erklären. Die der Zweiten Kammer angehörigen Antragsteller betonten in der Begründung des Antrages, die Erklärung des Kronprinzen habe unter den Freunden der Union lebhafte Be⸗ friedigung hervorgerufen, und die neuen Verhandlungen würden eine entscheidende Bedeutung für die Union haben.

Dänemark. -

Der König hat, wie „W. T. B.“ erfährt, gestern zwei neue Posten militärischer Direktoren geschaffen und der Departementsdirektor, Oberstleutnant Seedorff zum Direktor des Kriegsministeriums und den Departementsdirektor, Kapitän zur See Kofoed⸗Hansen zum Direktor des Marineministeriums ernannt. Die Oberleitung der beiden Ministerien bleibt in den Händen des Ministerpräsidenten.

Der Kronprinz und die Kronprinzessin, die Prinzessinnen Thyra und Dagmar und der Prinz Gustav sind gestern abend von Kopenhagen nach Wien abgereist. 1“

3 Amerika.

Aus Washington berichtet das „Reutersch der Kriegssekretär Daft habe die Antwort des Präsidenten Castro auf die letzte Mitteilung des amerikanischen Gesandten Bowen erhalten, er wolle aber die Antwort dem Präsidenten Roosevelt nicht zustellen, sondern sie selbst erwägen. Es heiße, das Antwortschreiben enthalte einen Ausdruck, den Bowen vorher für insolent erklärt habe.

Nach einer in New York aus Caracas eingegangenen Meldung vom 11. d. M. längere Reise in das Innere Venezuelas angetreten.

Asien.

In Tokio eingegangenen Meldungen aus der Mand⸗ schurei. zufolge, fahren, wie das „Reutersche Bureau“ meldet, die Russen fort, ihre Streitkräfte zusammenzuziehen und ihre Stellungen auf der Linie Tschangtschun —Kirin zu be⸗ festigen. Die Abteilung Madrikows behält beständig Fühlung mit dem japanischen linken Flügel; häufig finden Scharmützel statt, es dürfte möglicherweise zu einem größeren Gefecht kommen. Wie ferner verlautet, nehmen die Russen in Wladiwostok mit sechs Unterwasserbooten, die sämtlich im Ausland gebaut worden sind, Uebungen vor. Es sind darunter Boote von französischem, englischem und amerikanischem Typus.

„Lloyds Agency“ erfährt aus Nokohama, daß der norwegische Dampfer „Henry Bolckow“ beschlagnahmt worden sei. 1

Der englische Kreuzer „Sutley“ ist, wie das „Reutersche Bureau“ meldet, in Singapore angekommen und meldet, daß er die russische Flotte, einschließlich sieben Schlacht⸗ schiffe, vorgestern bei Tagesanbruch etwa 550 Meilen nord⸗ östlich von Singapore gesehen habe.

Dem Kohlendampfer „Hindoo“, der in Tandjong⸗ Pandan auf Billiton 4200 Tonnen Cardiff⸗Kohle an Bord genommen hat, wurde in Singapore die Ausklarierung nach Saigon verweigert, wenn der Kapitän nicht die Ver⸗ pflichtung eingehe, daß die Ausfolgung der Ladung in Saigon durch Vermittelung des britischen Konsuls hasge Eine Abteilung Sikhs sei als Wache an Bord des Schiffes gegeben worden. 1“

e Bureau“,

Nach einer dem „Reuterschen Bureau“ zu

Meldung aus Tanger wird der Vizekonsul der Ver⸗

einigten Staaten nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, den

Kaid Maclean nach Fez begleiten.

8 Statistik und Volkswirtschaft.

Die Verschuldung der ländlichen Grundbesitzer Preußens

im Verhältnisse zum Grundsteuerreinertrage 1 902.

In Ergänzung früher veröffentlichter Artikel über die Ver⸗ schuldung der selbständigen Landwirte im Hauptberufe mit ¶☛ Grundbesitz von mindestens 60 Grundsteuerreinertrag im Ver⸗ hältnis zu ihrem Gesamt⸗, Grund⸗ und Kapitalvermögen ²) in der „Stat. Korr.“ jetzt deren Schulden mit dem Grundsteuer reinertrage ihrer Besitzungen verglichen. ban

Allerdings ist die preußische Grundsteuerveranlagung schon langer Zeit erfolgt und kann demnach in zahlreichen Einz

²) „Reichs⸗ und Staatsanzeiger“ Nr. 7 vom 9. Januar und 88 8

vom 13. März 1905.

hat der Präsident Castro es e

1. ³ 8 egangenen

8 1— ttreffender Maßstab für die heutigen Bodenwerte schwerlich nhe e aber der Grundsteuerreinertrag im allge⸗ gelten. c gegenwärtig noch brauchbare Anhaltspunkte fu die Be⸗ 8 g. 8 Wertunterschiede des Grundes und Bodens, da die ng des Verhältnisses zwischen Grundsteuerreinertrag und namentlich soweit die natürliche, nicht erst durch erbesserungen oder sonstige Kulturfortschritte bedingte Er⸗ Bodenven des Landes in Frage steht, sich in allen ebieten wenigstens giebigkei leichmäßig vollzogen haben werden, als d früher besseren“ nnsofern gchteren⸗ Gebiete noch heute dieselben sind⸗). Noch jetzt ist 8 für die Darstellung des Bodenwerts und seiner Ab⸗ wesentlich auf die Ergebnisse der Grundsteuerveranlagung sufun n Es ist ihnen daher auch als Grundlage für die n m der ländlichen Besitzungen bei der neuen Verschuldungs⸗ Geune⸗ umsomehr der Vorzug zu geben, als die Einteilung nach lati ngruppen wegen der Verschiedenheit der Kulturart und Bonität sicfaglnen Bestandteile des Grundbesitzes untunlich und der gleich⸗ dn ur Nefsad geenhe bct Becitzungen 8 nicht ie Liegenschaften, sondern auch zugleich untrennbar 4 eeösenten Haebesg sowis, ds sandwirtschaftliche Anlage⸗ und ehskapital der Grundbesitzer bezieht. encchsfapitel, sich die Schulden der Eigentümer 8 auf das ... fache des Grundsteuerreinertrages in der Grundsteuerreinertragsklasse von 60 90 150 300 750 1500 3000 60 bis bis bis bis bis bis und und 90 150 888 82 18 8 . vnaer en 43,0 392 35,9 36,3 45,3 53,7 38,7 40, Alhrenge,. 484 45,5 44,6 41,9 433 42,0 426 Stadtkreis Berlin 55,3 211,8 143 32,1 349 21,8 23,3 Brandenburg. .38,9 31,1 26,9 22,6 32,1 30,5 277 Palieen . . . 40,8 38,9 365 36,6 31,9 Sahsen. 28,8 24,3 20,1 205 23,2 leswig⸗ 8 Scülsteir. . . 35 15,8 Hannover . . . 23 14,9 Westfalen. .20 14,9 Hessen⸗Nassau. 8- .1 201 169

Rbeinland. Hohenzollern ²) 2,4 im Staate 28,1 26,1 27,3 Im Gesamtstaate entfallen hiernach auf je 1 Grundsteuer⸗ reinertrag der selbständigen Landwirte

in der Provinz

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2 31,8 0 20,4 6 4

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im Hauptberufe 24.7 Schulden. Nimmt man den mit 4 v. H. kapitalisierten Grundsteuer⸗ weinertrag als den allgemeinen Bodenwert an, so erscheint die Ge⸗ samtheit der ländlichen Grundbesitzer in dessen voller Höhe ver⸗ schuldet. Aber auch, wenn man nicht durchschnittlich das 20⸗ bis Pfache, sondern gemäß den auf amtlicher Avfzeichnung der Grund⸗ stückepreise beruhenden Ermittelungen aus den Jahren 1871— 1881 den 63,3 fachen Betrag des Reinertrags zu Grunde legt, beträgt die gesamte Verschuldung immer noch rund zwei Fünftel des Bodenwerts; sie ist also für den Staatsdurchschnitt recht bedeutend. 8

Noch höher als bei den Landwirten im Hauptberufe beziffert sich bei denjenigen im Nebenberufe, also denen, welche aus der Land⸗ oder Forstwirtschaft nur ihren Nebenerwerb, ihren Haupterwerb dagegen aus Gewerbebetrieb, Hausbesitz, Beamtenstellung u. dergl. haben, die Verschuldung im Verhältnisse zum Grundsteuerreinertrage, nämlich auf das 97,9fache des letzteren; in dieser Ziffer kommt vor allem die große Beleihungsfähigkeit des Hausbesitzes, insbesondere auch der ge⸗ werblichen Gebäude, zum Ausdruck. Betrachtet man die Landwirte im Haupt⸗ oder Nebenberufe zusammen, so stellt sich deren Verschul⸗ dung auf das 29,2 fache ihres Grundsteuerreinertrags.

Auffallen müssen nach vorstehender Uebersicht die Verschuldungs⸗ unterschiede zwischen den östlichen und westlichen Landwirten im Haupt⸗ berufe. Während im Osten der Monarchie nur Berlin etwas unter dem Staatsdurchschnitte steht, geht im Westen (einschließlich der Pro⸗ vinz Sachsen) kein Landesteil darüber hinaus, und die niedrigste Ver⸗ schuldung de; Ostens (in Berlin und Brandenburg) ist noch größer als die höchste des Westens (in Sachsen und Schleswig⸗Holstein). Unter den Regierungsbezirken nimmt Marienwerder mit dem 465 fachen des Grundsteuerreinertrags die erste Stelle ein; es folgen Gumbinnen mit dem 43,3, Köslin mit dem 43,0, Bromberg mit dem 42,4, Königsberg mit dem 39,0, Danzig mit dem 37,1, Posen mit dem 36,4, Liegnitz mit dem 34,0, Stettin und Breslau je mit dem 33,2, Oppeln mit dem 32,6fachen usw.; die niedrigsten Ziffern finden sich in den Bezirken Koblenz mit dem 3,2, Trier mit dem 3,5, Aachhen mit dem 5,5, Wiesbaden mit dem 7,3 und Cöln mit dem 9efachen. In den westlichen Bezirken Düsseldorf und Cassel ist die Verschuldung mit dem 20,0 bezw. 16,5fachen des Grundsteuerrein⸗ ertrags im Hergleiche mit den übrigen rheinischen Regierungsbezirken nw. mit dem Bezirke Wiesbaden ziemlich och. 1

Die einzelnen Grundsteuerreinertragsklassen zeigen im Gesamt⸗

3 hinsichtlich der Reinertragsverschuldung keine sehr erheblichen

weschungen von einander; am geringsten sind die mittleren Klassen von 300 bis 1500 ℳ, am höchsten die oberste und die unterste ver⸗ schuldet. Um so größere Verschiedenheiten nehmen wir aber von Provinz zu Provinz sowie innerhalb einiger Landesteile wahr. Bei⸗ spielsweise in der untersten Gruppe ist die Verschuldung in Berlin sowohl wie in der Provinz Pommern annähernd zehnmal so be⸗ deutend wie im Rheinlande; es. gilt für Hohenzollern von der untersten im Vergleich mit der obersten daselbst usw. Insbesondere der überaus hohe Grad der Reinertragsverschuldung in der Klasse von 90 bis 150 und selbst in der von 750 bis 1500 von Berlin

idet seine Erklärung darin, daß es sich hier um Grundslücke handelt,

velche zwar zur Zeit noch land⸗ oder forstwirtschaftlich genutzt 1e. denen aber mit Rücksicht auf ihre künftige Bebauung mit Gebäuden ein von ihrem Grundsteuerreinertrage unabhängiger, sehr beträchtlicher Spekulationswert innewohnt.

Invaliden⸗, Witwen⸗ und Waisenversicherung

für die Angestellten der Ham burg⸗Amerika⸗Linie. . Zu den Institutionen sozialer Fürsorge, welche die Hamburg⸗ merika⸗Linie zu Gunsten ihrer Beamten und Arbeiter geschaffen hat, kehört seit 1888 eine Invaliden⸗, Witwen⸗ und Waisen⸗ densionskasse für die ständigen Bureauangestellten der Gesellschaft 1 die Kapitäne, Offiziere und Unteroffiziere ihrer Flotte. Diese ürichtung hat sich dank der stetig wachsenden Zahl der Kassen⸗ iiglieder sowie dank der tatkräftigen Unterstützung durch die csel chaft im letzten Jahre z. B. gewährte die Ham⸗ ur Amerika⸗Linie der Pensionskasse außer dem ordentlichen 8 von 114 210 noch eine besondere Zuwendung sir 50 000 außerordentlich günstig entwickelt, sodaß N die Folge selbst bei einem Zusammentreffen ungünstigster

e ihre Leistungsfähigkeit eine Einbuße nicht erleiden wüͤrde. t ihr in den 17 Jahren ihres Bestehens gelungen, ein Ver⸗ gen von 2 861 000 anzusammeln. Die Höhe dieser Summe veonders den Ergebnissen der letzten Jahre zuzuschreiben, die große Faebsausdehnu ngen und in ihrem Gefolge einen Zustrom von neuen jij uten brachten. Während das Vermögen der Kasse in dem zehn⸗ ungen Zeitraum 1890 1900 von 353 779 auf 1 667 839

stieg es in den folgenden vier Jahren 1901 1904 auf

86 2 uum annähernd dieselbe Summe wie in dem vorauf⸗

rzehnt.

üchterösant ist die rasche

n der E welche die einzelnen

Steigerung, E. Die Zahlungen der

6 innahmen erfahren haben.

101” Pergl. Reichs⸗ und Staatsanzeiger“ Nr. 197 vom 20. August

nürgang 18gtrschriff des Königlich preußischen Statistischen Bureaus,

vertez ig gen Seite 128 ff.: G. Evert, Die Abstufung des Acker⸗ 6 en.

ier entspricht 1 Grundsleuerreinertrag einem Grund⸗ al von 20

g

lieder betrugen 1890 59 000 ℳ, 1900 bereits 141 000 und;

1904 248 000 An Zuschüssen der Hamburg⸗Amerika⸗Linie flossen der Pensionskasse im Jahre 1890 27 000 zu, 1900 92 000 und 1904 114 000 (ohne die oben erwähn sondere Zuwendung von 50 000 ℳ). Zinsen und sonstige nahmen kamen 1890 11 000 ℳ, 1900 73 000 1904 156 000 in Anrechnung. In gleicher Weise sind auch die Ausgaben, mit anderen Worten die Leistungen der Kasse gewachsen. Seit Gründung der Pensionskasse ist an Pensionen, zurückgezahlten Beiträgen ꝛc. insgesamt die stattliche Summe von nahezu einer Million Mark gezahlt worden, und zwar bis 1890 19 000 ℳ, bis 1900 489 000 und bis 1904 937 000 Dabei ist bemerkenswert, daß allein die Zuschüsse der Gesellschaft (1888 1904 zusammen 972 713 ℳ) dazu ausgereicht haben würden, die an die Kasse gestellten Anforderungen zu erfüllen.

Ueber die Fortschritte der Pensionskasse, speziell im letzten Jahre gibt die soeben veröffentlichte Jahresabrechnung Auskunft. Die Einnahmen beliefen sich einschließlich der Extrazugabe auf 567 918 (1903: 425 149 ℳ), die Ausgaben auf 139 668 (1903: 121 154 ℳ). Die Zahl der Mitglieder hat sich im Laufe des vergangenen Jahres durch das Ausscheiden von 160 und den Eintritt von 322 Personen von 1667 auf 1829 gehoben, sie ist also um 162 (1903 um 65) gewachsen. Pensionen wurden an .128 (im Vorjahre an 114) Personen gezahlt und zwar an 46 Invaliden und 78 Witwen, an letztere auch für 54 Kinder. Unter den außerordentlichen Einnahmen verdient ein Betrag von 14 976 besondere Erwähnung, der der Pensionskasse von den Passagieren der Hamburg⸗Amerika⸗Linie aus den Erträgnissen gelegent⸗ licher Konzerte oder Abendunterhaltungen an Bord überwiesen wurde.

und

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Cöln wird dem nachdem ein Bovykottschutzverband rheinisch⸗westfälischer Brauereien in kleinem Umfange schon bestanden hatte, in einer Versammlung von Brauereileitern ein Boykottschutzverband rheinisch⸗west⸗ fälischer Brauereien gegründet wurde, dem ungefähr 200 Brauereien angehören, und der notarielle Akt über die Grün⸗ dung vollzogen wurde. Die Versammlung sprach den bobkottierten Brauereien von Cöln und Umgegend ihre Sympathie aus und beschloß einstimmig, am 28. April in sämtlichen Verbandsbrauereien die Hälfte aller zum Zentralverband deutscher Braueretarbeiter gehörigen Arbeiter zu entlassen, falls bis dahin der Boykott nicht aufgehoben ist (vgl. Nr. 85 d. Bl.).

Die Solinger Messerfabrikanten lehnten, der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ zufolge, eine Lohnerhöhung von 30 vom Hundert für ihre Taschen⸗ und Federmesserarbeiter ab, die infolgedessen den allgemeinen Ausstand vorbereiten. G

8 Die Zimmerleute in Göttingen und der Umgegend st. mwie der „Voss. Ztg.“ telegraphiert wird, in den Ausstand ge⸗ treken, weil die Arbeitgeber sich geweigert haben, den Stundenlohn auf 40 zu erhöhen.

Unter den Arbeitern zweier Porzellanfabriken von Limoges ist, wie „W. T. B.“ meldet, eine Ausstandsbewegung im Gange. Es heißt, daß sich im Falle eines Ausstandes die übrigen Fabriken mit den beiden betroffenen Fabriken solidarisch erklären wollen. Dadurch würden 20 000 Arbeiter beschäftigungslos werden.

8 Kunst und Wissenschaft.

Nach den amtlichen Berichten aus den Königlichen Kunst⸗ sammlungen sind für das letzte Vierteljahr 1904 u. a. Pg Neuerwerbungen, Ueberweisungen und Geschenke zu ver⸗ zeichnen:

Die Eröffnung des Kaiser Friedrich⸗Museums hat den Sammlungen der Gemäldegalerie und der christlichen Plastik eine Reihe sehr wertvoller Geschenke eingebracht, die von Gönnern der Sammlung als Ausdruck ihrer Freude an deren Gedeihen und ihres Interesses an der alten Kunst gespendet wurden. Seine Majestät der König hatte die Gnade, das Kaiser Friedrich⸗ Museum mit einer Anzahl der verschiedensten und wertvollsten Kunst⸗ werke auszustatten. Zum Schmuck des kleineren Treppenhauses hbestimmte Seine Majestät die sechs großen Marmorstatuen der Generale Friedrichs des Großen, die früher den Wilhelmsplatz schmückten, darunter je zwei Meisterwerke von Schadow und Tassaert sowie die Marmorstatue der Venus von Pigalle als Gegenstück des schon von Friedrich Wilhelm III. überwiesenen Merkur, zwei Hauptwerke dieses größten französischen Bildhauers des XVIII. Jahrhunderts. Der Abteilung der altchristlichen Kunst wurde von Seiner Majestät das Mosaik der Apsis von S. Michele in Africisco zu Ravenna überwiesen, das Friedrich Wilhelm IV. 1843 erworben hatte. Dadurch hat diese Abteilung ihr Mittelstück und einen groß⸗ artigen Abschluß crhalten, wie sie keine andere Sammlung dieser Art diesseits der Alpen aufzuweisen hat.

Mit der Eröffnung des Museums ist auch das Geschenk Seiner Majestät des Sultans an Seine Majestät unseren Kaiser, die Fassade von M'schatta, aufgestellt, daz von Allerhöchstdemselben dem Kaiser Friedrich⸗Museum überwiesen wurde.

Durch verschiedene Mitglieder des Kaiser Friedrich⸗Museums⸗ Vereins sind dem neuen Museum wertvolle Geschenke zutell geworden:

Herr James Simon schenkte eine vollständige, sehr gewählte Sammlung von verschiedenartigen Kunstwerken der Renaissance, die als Ganzes im Neubau zur Aufstellung gekommen ist; ein Geschenk von einem Wert, wie den Königlichen Museen noch keins zuteil ge⸗ worden ist. An Gemälden enthält sie u. a. Werke von Mantegna, Raffaellino, Bronzino, Catena, G. David und B. Bruyn, von Skulpturen solche von Nino Pisano, Ben. Da Majano, Andrea della Robbia u. a. daneben zahlreiche kleine Bronzen, Holz. und Wachsbild⸗ werke und eine größere, sehr vielseitige Sammlung von Medaillen der Renaissance, die sich der unseres Münzkabinetts durch manche dort fehlende oder ungenügend vertretene Stücke würdig anreiht. Ein be⸗ schreibendes Verzeichlis der Sammlung James Simon wurde bei Eröffnung des Kaiser Friedrich⸗Museums herausgegeben. 1

Eine andere Sammlung, die gleichfalls von einem unserer Mit⸗ bürger hier gebildet ist, gelangte zur Eröffnung des Neubaues käuflich in den Besitz des Museums, die Sammlung alter niederländischer und holländischer Bilder des Herrn Adolf Thiem in San Remo, deren Hauptbild: ein herrliches Frauenbild van Dycks aus der Genueser Zeit, vom Besitzer als Geschenk an Seine Majestät den Kaiser über⸗ wiesen wurde. Die Sammlung umfaßt im ganzen 26 Bilder, darunter Werke von Dirk Bouts, Orley und Clouet, einige italienische Gemälde von E. Roberti und C. Crivelli; der Rest niederländische Bilder des XVII. Jahrhunderts von hoher malerischer Qualität, namentlich vorzügliche Stilleben von Fyt, Snyders, Hondecoeter, Heda, ferner Bilder von P. de Hooch, T. Ruisdael, Rubens u. a. m. Diese Sammlung ist, wie die Simonsche, in einem besonderen Roum aufgestellt worden. Das⸗ selbe ist der Fall mit der Auswahl tüchtiger Gemälde der ver⸗ schiedenen Schulen, die die Erben des bekannten Kunstfreundes Otto Wesendonck, die Herren Dr. von Wesendonck und Dr. Freiherr F. W. von Bissing, dem Kaiser Friedrich⸗Museum leihweise zur Aus⸗ stellung übergeben haben. Darunter befinden sich Gemälde von J. van Ruisdael, G. Terborch, J. Vermeer van Haarlem, Patenier, Zurbaran, Moretto, Costa, Reynolds u. A. m. 1

Als ganze Sammlung, die aus Beiträgen einer Reihe von Mit⸗ gliedern unseres Kaiser Friedrich⸗-Museums⸗Vereins seit etwa 1898 zusammengebracht und füͤr den Neubau geschenkt worden ist, ist die Sammlung altchristlicher, byzantinischer und koptischer Antiquitäten aller Art jetzt im Kaiser Friedrich⸗Museum zur Aufstellung gekommen. Um ihre Zusammenbriagung haben sich namentlich die Herren Professor Strzygowski in Graz und Direktor Wiegand in Konstantinopel bemüht. Die eingehendere Würdigung dieser Sammlung, die in ihrer Art eine der umfangreichsten und mannigfaltigsten ist, wird einem späteren besonderen Bericht vorbehalten. Seine Majestät

„W. T. B.“ gemeldet, daß dor gestern,

der Kaiser hatten die Gnade, aus Allerhöchstem Interesse an dieser neuen, fast ganz aus Geschenken gebildeten Abteilung, eine Anzahl gewählter Stücke dieser Richtung, die in den Umgängen der Friedens⸗ kirche in Potsdam aufgestellt waren, dem Kaiser Friedrich⸗Museum zu überweisen und die Sammlung der mittelalterlichen Elfenbeinbild⸗ werke durch ein wertvolles Relich aus dem IX. Jahrhundert zu be⸗ reichern.

8. Zahl der einzelnen Kunstwerke, die dem Kaiser Friedrich⸗ Museum bhei seiner Eröffnung geschen kweise überwiesen sind, ist gleich⸗ falls bedeutend. Das wertvollste Stück ist ein Porträt von Ginsborough, von Herrn Alfred Beit in London geschenkt; ein treffliches großes Gemälde des Künstlers, das für unsere Sammlung von besonderem Wert ist als erstes Stück der englischen Schule. Angeregt durch diese Schenkung und in dem Wunsch, die Galerieleitung zu der Schaffung einer kleinen Sammlung altenglischer Gemälde zu be⸗ wegen, hat Seine Exzellenz Graf G. Seckendorff dem Kaiser Friedrich Museum ein tüchtiges männliches Bildnis von Th. Law⸗ rence zum Geschenk gemacht.

Dem Antiquarium wurde eine großartige Zuwendung durch Franz Freiherrn von Lipperheide gemacht, der durch seine Studien auf dem Gebiete der antiken Waffenkunde rühmlichst bekannt st; 8 hat seine reiche Sammlung antiker Helme vorläufig als Leihgabe auf fünf Jahre dem Antiquarium überlassen. Ueber den Wert und die Eigenartigkeit dieser Sammlung ist s. Z. an dieser Stelle bereits aus⸗ führlich berichtet worden.

Unter den Ankäufen ist ferner die Erwerbung einer Sammlung von Altertümern aus Dodona anzuführen. Die Stücke bestehen aus Schmucksachen in Gold, einer größeren Anzahl von Orakeltäfelchen aus Blei und Bronzegeräten und ⸗beildwerken.

Die Vasensammlung sowie die der Bronzen und Terra⸗ kotten wurde ebenfalls durch Ankäufe und Geschenke vermehrt.

Aus den Erwerburgen für das Kupferstichkabinett seien hervorgehoben: Eine Reihe Federzeichnungen deutscher Schule vom Anfang des XV. Jahrhunderts, das Leben des hl. Augustinus dar⸗ stellend. Von Werken neuerer Kunst wurden erworben: Kupfer⸗ stiche und Radierungen von Ernst Forberg, Wilhelm Hecht, Albert Hendschel, Richard Kaiser, Karl Rauscher, Philipp Rumpf, Ferdinand Schmutzer und Johann Sonnenleiter.

Kupferstiche und

Ferner wurden Holzschnitte, Lithographien, Radierungen angekauft. Die Sammlungen des Münzkabinetts sind vermehrt um 54 griechische, 25 römische, 33 mittelalterliche, 370 neuzeitliche, 29 orientalische Münzen, 17 Medaillen, 1 Stück Papiergeld, 1 alt⸗ ägyptisches Steinge vicht, 2 Geldringe und 12 Stuͤck von Geldsurro⸗ gaten der Naturvölker, insgesamt 544 Stück. Die Sammlung der antiken Münzen verdankt Fräulein Elise Koensgs einige sehr wertvolle, durch vorzügliche Erhaltung oder große Seltenheit sich auszeichnende Stücke. Als die schönsten und kostbarsten sind daraus hervorzuheben: etruskische Silbermünze mit der Aufschrift Oezi, zwei kleine Bronzemünzen von Syrakus mit der Künstlersignatur des Phrygillos, ein Tetradrachmon von Knidus mit dem Kopf der Aphrodite von sehr schönem Stil, eine Bronzemünze mit dem Bildnis des Augustus von wunderbarer Schönheit und vier stempelfrische Goldstücke der Kaiser Pertinax, Septimius Severus und Caracalla aus dem Funde von Karnak. Von den übrigen Erwerbungen sind zu erwähnen eine in Philippopolis (Thrazien) geprägte Münze des Geta mit der Darstellung des von lauschenden Tieren umgebenen Orpheus sowie eine römische Bronze⸗ münze des Vespasianus, auf der Roma auf den sieben Hügeln thronend dargestellt ist. Unter den Mittelaltermünzen ist die hervor⸗ ragendste ein Achtgroschenstück des Hochmeisters des Deutschen Ordens, Albrechts von Brandenburg, und unter den neuzeitlichen ein Halber⸗ städter halber Zwittertaler des Kardinals Albrecht von Mainz und 8 u“ des Erzbischofs Heinrich von Bremen mit seinem orträt.

In Wiesbaden ist gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, der 22. Kongreß für innere Medizin unter dem Vorsitz des Ge⸗ heimen Hofrats, Professors Dr. Erb⸗Heidelberg eröffner worden. Zur Teilnahme sind über 300 Gelehrte aus Deutschland, Oesterreich, der Schweiz, Rußland, England und Japan ein⸗ getroffen. Nach der Begrüßung durch Vertreter der Regierung und der Stadt hielt der Geheime Hofrat, Professor Dr. Ziegler⸗Jena ein Referat über den Stand der Vererbungslehre und der Biologie. Nach ihm sprach der Professor Dr. Martius⸗Rostock über die Be⸗ deutung der Vererbung und Disposition in der Pathologie mit be⸗ sonderer Berücksichtigung der Tuberkulose. Die Verhandlungen des Kongresses sollen bis Sonnabend dauern.

Land⸗ und Forstwirtschaft. Das biologische Verhalten der Reblau

Die bereits erwähnte Denkschrift des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts über die Bekämpfung der Reblauskrankheit im Jahre 1903 enthält auch Mitteilungen über weitere Beobachtungen und Versuche betreffs des biologischen Verhaltens der Reblaus aus einem Berichte, den der Geheime Regierungsrat Dr. J. Moritz hierüber erstattet hat. Diese Arbeiten wurden in der Zeit vom 30. August bis 27. September 1903 in einem Weinberge der Provinz Sachsen ausgeführt. Statt der in de letzten Jahren beobachteten stetigen Abnahme in dem Auftreten der ge⸗ flügelten Form der Reblaus auf demselben Versuchsfelde hat sich im Berichtsjahre wieder eine erhebliche Zunahme gezeigt. Die Zahl der im Freien gefundenen Rebläuse betrug 50, gegen 15 im Jahre zuvor und 20 und 23 in den Jahren 1901 und 1900. Es scheint, da 1 dieses zahlreichere Erscheinen von geflügelten Rebläusen in dem vor⸗ liegenden Falle durch die Witterungsverhältnisse mit bedingt gewesen ist.

Die Nachforschungen nach dem Verbleib der Nachkommen der geflügelten Rebläuse auf den Blättern der Reben haben auch im Ses ceishr⸗ weder von Eiern der Geflügelten, noch von Geschlechtstieren geführt. 8

Jahre 1992 eingeleiteten Versuche betreffs der Dauer der Haltbarkeit und des Verseuchtbleibens abgeschnittener, reblausbehafteter Wurzeln in verschiedenen Bodenarten haben 1903 ergeben, daß im Humusboden die Rebwurzeln größtenteils gefault und verpilzt waren und keine Rebläuse mehr erkennen ließen. Im Kiesboden hatten sich die Wurzeln besser gehalten, doch konnten an den herausgenommenen Stücken Rebläuse ebenfalls nicht mehr gefunden werden. Dagegen zeigten sich mehrere der im Tonboden ein Jahr lang verbliebenen 8 Rebwurzelstücke verhältnismäßig gut erhalten und noch stark mit lebenden Rebläusen besetzt. Unter den letzteren wurden auch eier⸗ legende Tiere beobachtet, die bereits mehrere Eier abgelegt hatten.

Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, daß die Dauer der Er⸗ haltung abgeschnittener, im Boden verbliebener Rebwurzelreste in hohem Grade von der Natur des betreffenden Bodens abhängt. Toniger Boden begünstigt die Erhaltung, humoser Boden wirkt ihr entgegen. Ferner hat sich gezeigt, daß an in den Boden gelangten, ab⸗ geschnittenen Rebwurzelstücken die Reblaus unter Umständen mindestens ein Jahr lang lebend und vermehrungsfähig erhalten bleiben kann.

Neben den biologischen Beobachtuugen wurden im Berichtsjahre die Versuche betreffs der Wirkung verschiedener Desinfektionsmittel fortgesetzt. Diese Versuche haben bis jetzt unter anderem zu der Er⸗ kenntnis geführt, daß das Kresolwasser in betreff der vernichtenden Wirkung auf die Reblaus dem Petroleum erheblich überlegen ist.

Die 20. Wanderausstellung der Deutschen Landwirt schafts⸗Gesellschaft in Berlin⸗Schöneberg vom 21. bis 26. Juni 1906.

Die 20. Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts⸗Gesell⸗ schaft, deren Präsidium zu übernehmen, Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz gebeten worden jist, wird bei Berlin in den Tagen vom 21. bis 26. Juni 1906 stattfinden. Der Ausstellungsplatz ist seitens der Stadt Schöne⸗ berg der Deutschen Landwirtschafts⸗Gesellschaft in der ent⸗

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