1905 / 106 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 May 1905 18:00:01 GMT) scan diff

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Staatsanwalt in Tilsit,

über den Bezug von

den Gerichtsassessor Fenwarth in Insterburg zum

die Gerichtsassessoren Wellenkamp in Kiel und Born in Magdeburg zu Staatsanwälten in Magdeburg,

die Gerichtsassessoren Heuser in Frankfurt a. M. und Schenck in Bochum zu Staatsanwälten in Bochum und

den Gerichtsassessor Freyse in Cöln zum Staatsanwalt in Duisburg zu ernennen, sowie

dem Senatspräsidenten Coing bei dem Oberlandesgericht in Celle den Charakter als Geheimer Oberjustizrat mit dem Range der Räte zweiter Klasse,

em Landgerichtsrat Sattig in Glogau den Charakter als Geheimer Justizrat, C““

dem Geheimen Kalkulator Sommer im Justizministerium den Charakter als Rechnungsrat und ““

den Gerichtsschreibern, Sekretären Brambach in Lim⸗ burg a. L., Streich in Melsungen und Wetzmüller in Unna den Charakter als Kanzleirat zu verleihen.

Seine Majestät der König haben den Anschluß der deutschen evangelischen Gemeinden zu Sao Leopoldo und Lomba Grande im Staate Rio Grande do Sul in Brasilien an die evangelische Landeskirche der älteren Provinzen der preußischen Monarchie Allergnädigst zu genehmigen geruht.

Justizministerium.

Der Rechtsanwalt Dr. Alander in Halle a. S. ist zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts Naumburg, mit Anweisung seines Amtssitzes in Halle a. S., und

der Rechtsanwalt Dr. Mahlmann in Emden zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts Celle, mit Anweisung Amtssitzes in Emden, ernannt worden.

Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten.

Die Kreisarztstelle des Kreises Jerichow II mit dem Amtssitz in Genthin ist neu zu besetzen.

Bekanntmachung. Das unterm 2. Dezember 1904 ausgeschriebene Stipendium der Natalie Hirsch, geb. Wolff⸗Stiftung im Betrage von 350 abzüglich der Verwaltungskosten haben wir der Gesangschuͤlerin an der akademischen Hochschule für Musik, Fräulein Elisabeth Levysohn aus Gnesen verliehen. Berlin, den 5. Mai 1905. 4 Der Senat, Sektion für Musik. Radecke.

Ministerium des Innern.

Dor Mf-ffae Tr. Kur DSarrowv in Dertin ifr een waugliede des Königlichen Statistischen Bureaus ernannt worden.

Dem Polizeirat S bei der Königk tragen worden.

1 Slesinger ist die Stelle eines solchen ichen Po izeiverwaltung in Saarb rücke üb

Angekommen:

Seine Erzellenz der Minister des Königlichen Hauses von Wedel, aus Italien.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Prenshon, Berlin, ö5. Mi.

Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten aben gestern abend um 7 ¾ Uhr Venedig verlassen und die eise nach Karlsruhe über Mailand und Basel angetreten

u1“

In der am 4. Mai unter dem Vorsitz des Staatsministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Grafen von Posadowsky⸗ Wehner abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurden die Vorlagen, betreffend den Entwurf von Vor⸗

schriften über die Entwertung der Marken und die Einrichtung

der Quittungskarten für die Invalidenversicherung, den Ent⸗ wurf eines Gesetzes über die Bildung deutscher Kommunal⸗ verbände in den Konsulargerichtsbezirken, ferner betreffend Grundsätze für die Einrichtung, den Betrieb und die 1..sgcs öffentlicher Wasserversorgungsanlagen, welche nicht ausschließlich technischen Zwecken dienen, betreffend den Beschluß des Landes⸗ ausschusses zum Gesetzentwurf über das öffentliche Vereins⸗

und Versammlungsrecht für Elsaß⸗Lothringen sowie die Aus⸗

prägung von 20 Millionen Mark Reichssilbermünzen, den zu⸗ ständigen Ausschüssen überwiesen. Das Gleiche geschah mit dem Schreiben des Kaiserlichen Statthalters in Elsaß⸗Lothringen, betreffendd die vom Landesausschuß beschlossene nt⸗ lastung der Rechnung der Landesschuldenverwaltung von

Elsaß⸗Lothringen für 1903. Die Zustimmung fanden Anträge

wegen Besetzung von Stellen bei den Disziplinarkammern und wegen Festseßung des Ruhegehalts von Reichsbeamten, ferner wegen 2

1 Verleihung der Rechte einer juristischen Person an den in Windhuk, Deutsch⸗Südwestafrika, „Turnverein Windhuk“. Nach Maßgabe der Ausschußanträge wurde ferner die Zustimmung erteilt dem Gesetzentwurf, betreffend Ueber⸗ nahme einer Garantie des Reichs in bezug auf eine Eisenbahn

von Duala nach den Manengubabergen, einem Abkommen zwischen“ dem Deutschen Reiche und Luxemburg über Unfallversicherung

sowie einer Vereinbarung mit dem Großherzogtum Luxemburg

Invaliben⸗ und Unfallrenten. ur Kenntnis wurde genommen eine Mitteilung, betreffend den Bericht über die Tätigkeit der Reichs⸗Limes⸗Kommission im

Jahre 1903. Außerdem wurden Kommissare für die Beratungen

im Reichstage bestellt und über eine Reihe von Eingaben Be⸗ schluß gefaßt. aascaih

Der Präsident des Reichsversicherun mit Urlaub nach Wiesbaden abgereist.

bel ist

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Wolf“ auf der Heimreise am 2. Mai in Sao Thomé eingetroffen und von dort nach Freetown in See gegangen.

. M. S. „Luchs“ ist am 3. Mai in Hankau am Yangtse angekommen.

S. . S. „Panther“ ist am 1. d. M. in Ponce (Portorico) eingetroffen und geht am 6. Mai von dort nach Santa Cruz (Kleine Antillen) in See.

S. M. S. „Falke“ ist am 3. Mai in Corinto (Nicaragua) angekommen und geht am 6. Mai von dort nach Amapala (Honduras) weiter. 8 1

Der Transport der abgelösten Besatzung von S. M. S. „Falke“ ist mit dem Dampfer „Syria“ am 3. Mai in St. Thomas (Westindien) eingetroffen und hat an demselben Tage die Reise nach ee fortgesetzt.

Der Transport der abgelösten Besatzung von S. M. S. „Condor“ ist mit dem Reichspostdampfer gestern in Adelaide angekommen und setzt am 6. Mai die Reise nach Fremantle fort.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der König von Sachsen ist gestern abend, wie „W. T. B.“ berichtet, nachdem Allerhöchstderselbe sich von dem Kaiser Franz Joseph auf dem Bahnhofe auf das herzlichste verabschiedet hatte, mit dem Erzherzog Franz Ferdinand zu Jagden nach Neuberg abgereist.

Wie der „Politischen Korrespondenz“ mitgeteilt wird, nahm die Zusammenkunft des Ministers des Aeußern Grafen Goluchowsli mit dem italienischen Minister des Aeußern Tittoni in Venedig den in jeder Be⸗ ziehung höchst befriedigenden Verlauf, der sowohl in Wien wie in Rom vorausgesehen worden war. Diese Zusammenkunft konnte nicht den Zweck verfolgen, in den für beide Staaten in Betracht kommendm Angelegenheiten ein Einvernehmen erst herzustellen, da die Regierungen beider Länder schon seit langem in dieser Bezehung sich in vollständigem Einklang befinden. Der politische Wert der Begegnung bestand in der dadurch gewonnenen Gllegenheit, der engen Fühlung der beiden Staaten das lebhafte Cepräge des gesprochenen Wortes zu ver⸗ leihen sowie den Paralelismus der Bestrebungen der beider⸗ seitigen Kabinette zu bkkräftigen. Eine weitere Bedeutung der

usammenkunft liegt darin, daß der innige Charakter des Ver⸗ ältnisses zwischen Italen und Oesterreich⸗Ungarn, das vielfache Mißdeutungen erfahren hat, mit zweifelloser Klarheit sichtbar gemacht wurde. Wenn ssmit die Begegnung in die Beziehungen der beiden Regierungen kein neues Moment bringen konnte, so bildet sie doch bezüglche des Bundesverhältnisses und der herzlichen Freundschaft zwichen Oesterreich⸗Ungarn und Italien bine mit lobhafter Genugzuung zu begrüßende Manifestation, die in der öffentlichen Meinang beider Länder verständnisvolle Würdigung gefunden hat. Man darf hoffen, daß diese Wirkung sich als nachhaltig erweisen und das neuerliche Auf⸗ tauchen irriger, der Politik der beiderseitigen Regierungen durchaus zuwiderlaufender Ansichten verhindern werde.

In der gestrigen Sitzung des österreichischen Abgeordneten⸗ hauses wies, dem „W. T. B.“ zufolge, bei der zweiten Lesung des Zolltarifs der Handelsminister Freiherr von Call auf die unab⸗ sehbaren nachteiligen Folgen für die gesamte österreichische Produktion hin, falls der 1. Marz 1906, der einen Markstein in der künftigen handelspolitischen Aera bedeute, das Land unvorbereitet treffe. Der Minister besprach eingehend das Zustandekommen des Zolltarifs, der deutlich die vom Auslande, namentlich von Deutsch⸗ land, ausgegangene Bewegung zu Gunsten einer schärferen Be⸗ tonung der Schutzzollpolitik widerspiegele und ein dem allgemeinen Volkswohl dienendes Kompromiß der widerstreitenden Interessen dar⸗ stelle. Die Feststellung der Zollsätze habe der ökonomischen Situation der einzelnen Produktionszweige entsprechen, andererseits die praktische Brauchbarkeit des Tarifs erhalten und stärken müssen, umso⸗ mehr als Oesterreich gewillt gewesen sei, ungeachtet der ver⸗ änderten handelspolitischen Lage an dem erprobten Grundsatze der Vertragspolitik festzuhalten. Endlich bedeute der Zolltarif ein Kompromiß im Rahmen des Ausgleichs mit Ungarn. Niemals hätten sich die Vorteile der Gemeinsamkeit des Zollgebiets überzeugender als gegenwärtig dargestellt. Das Haus möge überzeugt sein, daß die parlamentarische Erledigung des Zolltarifs die wichtigste, aber auch unentbehrlichste Gewähr für die wirksame Wahrung der wirtschaftlichen Interessen Oesterreichs biete. Dies gelte auch speziell hinsichtlich des wirtschaftlichen Verhältnisses zu Ungarn. Der Minister schloß mit einem warmen Appell an das Haus, durch eine rasche, unveränderte Annahme des Zolltarifs die erste Etappe zur Bestellung des wirtschaftlichen Haushalts zu schaffen. Der Abg. Formanek bemerkte: wenn auch die jetzige Re⸗ gierung das von dem Ministerpräsidenten von Körber an dem tschechischen Volke begangene Unrecht nicht gutgemacht habe, so wollten doch die tschechischen Abgeordneten nicht zur wirtschaftlichen Schädigung des Reichs beitragen; sie müßten jedoch betonen, daß, wenn die Verhandlung dieser Vorlage zuließen, sie deshalb ihre kulturellen und wirtschaftlichen Forderungen nicht vertagten. Bei der Besprechung der Handelsverträge mit Deutschland und Italien be⸗ mängelte der Redner den ungenügenden Schutz der heimischen roduktion. Insbesondere die landwirtschaftliche Bevölkerung Böhmens werde durch den Handelsvertrag mit Deutschland arg geschädigt, namentlich werde der Gerstenexport aus Böhmen unmöglich gemacht. Der Abg. Dr. Lemisch (Verband der deutschen Volkspartei) führte aus, man könne heute nicht mehr von einem Zolltarif und einem gemeinsamen Wirtschaftsgebiete prechen. Sowohl die landwirtschaftlichen als auch die industriellen Körperschaften ständen auf dem Standpunkte der Trennung. Wenn seine Partei trotzdem für den vorliegenden Zolltarif stimmen werde, so tue sie es in der Ueberzeugung, daß er den Uebergang zu einer Um⸗ in einen selbständigen österreichischen Zolltarif. darstelle. Der Abg. Heimrich meinte, der neue Zolltarif biete keinen genügenden Schutz gegenüber dem Auslande. Man daß bei dem Kompromiß zwischen Oesterreich und Ungarn Ungarn mit einer viel stärkeren Hand mitgewirkt habe. Eine Aenderung sei deshalb unumgänglich notwendig. Er werde, abgesehen von politischen Gründen, aus diesem Grunde gegen den Tarif stimmen. Der Abg. Dr. Schoepfer christl.⸗soz. Vereinigung) befürchtete, daß der neue Vertrag mit Deutschland wegen des Veterinär⸗ übereinkommens den Viehverkehr sehr schädigen werde. Im weiteren Verlaufe der Verhandlungen traten die Abgg. Dr. Pfaffinger und Sommer für rasche Erledigung des Zoll⸗ tarifs ein; der Abg Tambosi erklärte, wegen der Höhe der Getreide⸗ zölle nicht für den Zolltarif stimmen zu koͤnnen. Darauf wurde die Verhandlung abgebrochen. 1

Im ungarischen Unterhause ergriff gestern im Laufe der Adreßdebatte der Abg. Kossuth als Führer der Majorität das Wort. Er erklärte, die Adresse gebe den Anschauungen der Koalition Ausdruck. Die Unabhängigkeitspartei halte jedoch ihre Grundsätze unversehrt aufrecht, sie habe sich mit den anderen Fraktionen der

spüre,

Graf Zedtwitz,

Opposition nur zu dem Zwecke verbündet, um dem bei den Wahlen gefallenen Regierungssystem ein Ende zu bereiten und eine regierungs⸗ gäbige Mehrheit zu bilden.

Großbritannien und Irland.

Der König traf gestern abend kurz nach 6 Uhr, wie „W. T. B.“ meldet, von Paris auf der Viktoria⸗Station in London ein und wurde von dem Premierminister Balfour, dem Minister des Aeußern Marquis of Lansdowne und dem Minister des Innern Akers Douglas empfangen. Nach einer wenige Minuten dauernden mit den Ministern begab sich der König nach dem Buckinghampalast.

Im Unterhause richtete gestern Dalziel (Lib.) an den Staatssekretär für Indien Brodrick die Frage, ob er offizielle Nach⸗ richten darüber habe, daß Lord Kitchener mit den bestehenden Verhältnissen bezüglich seines Postens als Oberbefehlshaber Indiens unzufrieden sei. Der Staatssekretär erwiderte, das System der Armeeverwaltung in Indien habe kürzlich den Gegenstand eines Schriftwechsels zwischen der britischen und der indischen Regierung

ildet und liege jetzt der ersteren zur Begutachtung vor. 8

Frankreich.

In Paris verlautet, dem „W. T. B.“ zufolge, die japanische Gesandtschaft wolle infolge der Meldung, daß die Flotte Roschdjestwensky's am 30. April in Port Dayot in der Penghoi-Bucht Anker geworfen habe, ihren Protest, betreffend die Verletzung der französischen Neutralität, erneuern. Der japanische Gesandte Motono habe bereits gestern die Aufmerksamkeit des Ministers des Aeußern Delcassé auf diese Angelegenheit gelenkt. Es heiße, die französische Regierung habe am Dienstag eine Abteilung des französischen ostasiatischen Geschwaders unter dem Befehle des Admirals Jonquiéères nach der Penkhoi⸗Bucht entsandt, 3 über genaue Beachtung der französischen Neutralität zu wachen.

Rußland.

Die Moskauer Monarchistenpartei hat heute, wie die „St. Petersburger Telegraphen⸗Agentur“ meldet, ihr Programm veröffentlicht, worin gesagt ist, es sei die Auf⸗ gabe der Partei, mit gesetzlichen Mitteln die Beseitigung der inneren Wirren anzustreben. Sollte der Kaiser die Anwendung streng Sen. rationeller, fester Diktaturmaßnahmen nötig finden, so sei die Partei bereit, die Regierung zu unter⸗ stützen. Nach Beendigung der Wirren und erfolgter Besiegung der Japaner breche der Zeitpunkt für Reformen an, die die unbeschränkte Selbstherrschaft noch mehr zu festigen und die orthodoxe Kirche zu verherrlichen geeignet seien, die der natio⸗ nalen Kulturidee im ganzen Reiche freie Frkwferung hehen und zur breiten dezentralistischen Entwicklung des lokalen Wirtschafts⸗ lebens durch ununterbrochene Fürsorge für das materielle und geistige Wohl der Bauern und des Arbeiterstandes zur Ein⸗ bürgerung des Rechtszustandes und Ordnung in Stadt, Land und Schule, endlich durch rationelle Organisation der Ueber⸗ siedlung zur Vergrößerung des bäuerlichen Grundbesitzes führen und ein starkes russisches Reich schaffen würden.

Ein am 4. d. M. in St. Petersburg erschienener Aufruf des Zentralkomitees der Sozialistenpartei fordert, wie dem „W. T. B.“ gemeldet wird, die Arbeiter auf, eine Feier am 1. (14.) Mai in verschiedenen Stadtteilen von St. Petershurg zu begehen sowie zu versuchen, einen Umzug zu veranstalten. Im Falle des Einschreitens der Polizei sons bewaffneter Widerstand geleistet werden. Die intelligente Bevölkerung wird aufgefordert, die Arbeiter auch durch die Tat zu fördern und sich ihnen anzuschließen.

In Warschau wurden gestern fruͤh die Trambahnen, Droschken und Arbeitswagen in den abgelegenen Straßen angehalten. Um Mittag hatte die Ausstandsbewegung schon die Mehrzahl der Trambahnen ergriffen. Um 2 Uhr waren die Straßen verödet. In der Marschalkowska⸗ und in den benachbarten Straßen waren fast alle Läden geschlossen. Der Verkehr wurde eingestellt. Ein Volkshaufe, der in der Umgebung des Hospitals zum Kinde Jesus eine Leichen⸗ prozession erwartete, wurde durch Kosaken zersprengt. Einige Straßen wurden durch Telegraphenpfähle, die dort zur Re⸗ paratur lagen, von der Menge gesperrt. Abends wurde in der Marschalkowskastraße gegen eine Patrouille eine Bombe geschleudert, die aber nicht explodierte.

Bei den vorgestrigen Ereignissen in Lodz ging der An⸗

riff von Ruhestörern aus, die sich hinter der Kirche und en sie umgebenden Mauern aufhielten und auf die heran⸗ kommende Kosakenpatrouille feuerten. Gleichzeitig wurden aus den Fenstern der anliegenden Häuser etwa hundert Schüsse auf die Kosaken abgegeben, worauf diese das Feuer erwiderten und sechs der Angreifer leicht verwundeten. Von den Kosaken wurde einer verletzt.

In der Deribassowstraße zu Odessa wurde gestern eine Person verhaftet, die eine Sprengbombe bei sich trug. In der Semskajastraße wurde eine geheime Waffennieder⸗ lage entdeckt.

Unruhen, die vorgestern in Simferopol entstanden waren, wurden durch Truppen schnell unterdrückt. Der Vizegouverneur ritt mit einer Eskadron der Krimdivision durch die Straßen und beruhigte die gegen die Juden erregte Bevölkerung.

Im Dorfe Orlowka (Gouvernement Jekaterinoslaw) überfiel gestern die orthodoxe Bevölkerung unter Führung der Dorfbehörden die Baptisten während des Gottesdienstes und mißhandelte sie. Mehrere Baptisten, die festgenommen wurden, wurden erst nach 10 Stunden freigelassen.

Nach einer Meldung aus Melitopol (Gouvernement Taurien) kam es dort am letzten Montag zu Unruhen, bei denen Juden gemißhandelt wurden und jüͤdisches, aber auch christliches Eigentum zerstört und geplündert wurde. Eine Reihe von Buden wurde verbrannt. Die Ordnung wurde von Truppen wiederhergestellt. 8 .“

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Spanien. Gestern fand, wie die „Agence Havas“ erfährt, im König⸗ lichen Palais ein Ministerrat statt, bei dem der Minister⸗ präsident Villaverde dem König über die Stellungnahme der verschiedenen Mächte in der Marokkofrage Vortrag hielt. Die Abreise des neuen spanischen Gesandten in Tanger Laveria wurde auf den 10. Mai festgesetzt. 8

Türkei.

Wie die „Frankfurter Zeitung“ aus Konstantinopel meldet, wird der Sultan ein Expeditionskorps von 40 000 Mann, das aus auserlesenen türkischen Truppen und albanesischen Regimentern bestehen soll, zum Entsatze der Truppen nach Yemen senden. Man hoffe, in zwei Monaten die Oberherrschaft des Sultans wiederherzustellen, voraus⸗

esetzt, daß keine fremde Einmischung erfolge. Der Chef der Netenen hat sich den Titel eines Großimams beigelegt und für unabhängig erklärt.

er Generalprior des in der Türkei tätigen Ordens der Conventualen hat, dem „W. T. B.“ zufolge, die französische Regierung, die sich geweigert hatte, bei der Pforte zu Gunsten des Ordens zu intervenieren, davon verständigt, daß die Missionsanstalten des Ordens sich unter das

italienische Protektorat gestellt hätten.

Schweden und Norwegen.

Die Zweite Kammer des schwedischen Reichstags

hat gestern, wie dem „W. T. B.“ berichtet wird, alle Vor⸗ schläge in der Stimmrechtsfrage abgelehnt, sowohl die⸗ jenigen, betreffend die Proportionalwahl, als auch die, be⸗ treffend die Majoritätswahl. Damit ist die Stimmrechts⸗ reform in der jetzigen Reichstagssession gefallen.

Die Zollkommisson des Storthing erstattete gestern ihren Bericht. Die Kommissionsmehrheit hat sich für Annahme des Vorschlags der seinerzeit eingesetzten Tarifkommission ausgesprochen, fuͤr die bisher zollfreien Kar⸗ toffeln einen Zoll von 50 bis 60 Oere für 100 kg festzusetzen.

Asien.

Ein Telegramm des Generals Linewitsch vom 3. d. M. meldet, wie P. T. B.“ berichtet:

Am 1. d. M. stieß eine Abteilung Kosaken auf eine japanische Eskadron Dragoner und griff sie an. Ein japanischer Offizier und eine größere Anzahl Dragoner wurden getötet und elf Mann gefangen genommen.

Das dritte russische Geschwader hat, wie das „Reutersche Bureau“ berichtet, in Stärke von 6 Kriegs⸗ und 11u“ heute um 5 ½ Uhr Morgens Singapore passiert.

Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ Agentur“ aus Teheran vom gestrigen Tage flüchtete die dortige angesehene Kaufmannschaft, die während der Abwesen⸗ heit des Schahs Steuererpressungen befürchtet, in die elf Kilometer von Teheran entfernte heilige Stadt Abdul Ahim, um damit gegen die Reise des Schahs zu protestieren. Dem Regenten sei es gelungen, die Geflohenen zur Rückkehr und zur Wiederaufnahme des Handels zu bewegen.

Afrika.

Der „Matin“ meldet aus Fez unter dem 30. April, daß der Maghzen zwar die Notwendigkeit der von der fran⸗ zösischen Regierung vorgeschlagenen Reformen einsehe, zu ihrer Verwirklichung jedoch nur den gemeinsamen Beistand aller europäischen Mächte, nicht lediglich denjenigen Frankreichs, annehmen werde.

Nr. 18 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 3. Mai 1905 hat folgenden Inhalt: Personalnachrichten. Arbeiten a. d. Kais. G.⸗A. XXII. B., 2. Heft. (Ankündigung.) Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Zeitweilige F1 gegen Pest. Gesetzgebung usw. (Preuß. Reg.⸗Bez. Osnabrück.) Trichinenschau. (Reg.⸗Bez. Aachen.) Schlachtvieh⸗ und Fleischbeschau. (Hessen.) Arzneien. (Mecklen⸗ burg⸗Schwerin.) Tuberkulöse. (Oldenburg.) Uebertragbare Krank⸗ heiten. (Braunschweig.) Fleisch. Schlachtungsstatistik. (Sachsen⸗Meiningen.) Fleischfreibänke. (Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.) Hundefleisch. (Oesterreich.) Landessanitätsräte. Spirituöse Labemittel. (Niederösterreich.) Armneien. Tierbeilmittel. (enn Leichentransport. (Kant. Zürich.) Erkrankt e Arme. Kant. Bern.) Zündhölzchenfabriken. (Britisch⸗Südafrika. Transvaal⸗ kolonie.) Heilpersonal, Arzneien ꝛc. (Schluß). (Argentinien.) Aerztliche Prüfungen. Tierseuchen in Bayern, 1904. Desgl. in Schweden, 1903. Zeitweilige Maßregeln gegen Tierseuchen. (Preuß. Reg.⸗Bez. Aachen.) Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Preußen.) Landeskommission für Volkswohlfahrt. Hebammen, Aerzte, Wasser⸗ versorgung ꝛc. Vermischtes. Sterblichkeitsverhältnisse der groß⸗ städtischen Bevölkerung. (Bapern.) Landespferdeversicherungsanstalt, 1903/04. Geschenkliste. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgleichen in größeren Städten des Auslandes. in Kranken⸗ Sh sern deutscher Großstädte. Desgleichen in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung. Beilage: Gerichtliche Entscheidungen auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege (Kurpfuscher, Kur⸗ pfuscherei, Heilmittel, Gifte).

Sttatistik und Volkswirtschaft.

Die Dampfpflüge in Preußen am 1. April 1904. Die Anzahl der Dampfpflüge in Preußen war bis jetzt in keiner

amtlichen Quelle angegeben. Bei der Berufs⸗ und Gewerbezählung von 1895 wunde lediglich festgestellt, wie viele Betriebe Dampfpflüge benutzten; es gab deren damals in ganz Deutschland 1696, in Preußen 1209. Kurz vorher (im Jahre 1892) hatte der Amtsrat Rimpau die Zahl aller in Deutschland vorhandenen Dampfpflüge zu nur 205 angegeben *), sodaß erst etwa auf 8 Betriebe mit Dampf⸗ bodenkultur ein Des ees gekommen wäre. Es galt also, diesen Unstimmigkeiten auf den Grund zu gehen. Die gegenwärtige Aus⸗ zählung, die auf der Grundlage der im Königlichen Statistischen Bureau alljährlich eingehenden Katasterblätter über die Lokomobilen vorge⸗ nommen ist, bestätigt allerdings, daß die Anzahl der Dampfpflüge ganz erheblich hinter der der Betriebe, die Dampfpflüge verwenden, zurück⸗ bleibt, daß also weitaus die meisten solcher Betriebe im Lohn mit Dampf pflügen lassen. Es waren am 1. April 1904 in Preußen erst 347 Dampfpflüge mit 2 Lokomotiven, 47 mit einer Lokomotive oder Lokomobile vorhanden; 218 Dampfpflüge stammten aus der Zeit vor 1892. Fragt man sich, ein wie hoher Teil des preußischen Acker⸗ bodens mit Dampf gepflügt werden konnte, so könnte man davon ausgehen, daß ein Zweimaschinendampfpflug etwa 100 Tage in

Tätigkeit ist und etwa je 5 ha täglich beim Tiefpflügen leistet.

Ein Einmaschinenpflug wird es höchstens auf die halbe Leistung bringen. Man bekommt alsdann 347 % 100 % 5 + 47 100 %✕ 2 ½ = 173 500 + 11 750 = 185 250 ha. Mit anderen Worten: Es wäre wenig über 1 v. H. des preußischen Ackerbodens mit Dampf gepflügt worden. Nun ist bekanntlich der Hauptverwendungszweck der Dampf⸗ pflüge das Tiefpflügen für die Rübenkultur; aber selbst unter der Voraussetzung, daß das Dampfpflügen lediglich für Zuckerrüben in rage kommt, würde doch nur etwa die Hälfte der mit Zuckerrüben estellten Fläche dampfgepflügt sein. Von Interesse dürfte noch die Mitteilung sein, daß von den 347 Zweimaschinendampfpflügen allein 248 von einer englischen Firma erbaut waren; darauf folgt eine deutsche Firma mit 43, eine zweite deutsche Firma mit 10 und eine englische Firma mit 15 Zweimaschinenpflügen. Im ganzen waren unter den Erbauern 9 englische und 10 deutsche, zusammen 19 Firmen vertreten. Die Anzahl der Pferdestärken aller zum eeö benutzten 741 Lokomobilen betrug 31 558. Erbaut waren die Loko⸗ mobilen in den Jahren: 8 88— ö“

*) Jahrbuch der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, Bd. VII S. 97.

Jahr der Zahl der Erbauung Lokomobilen 1 12 1WEö 10 161““ 22 E11XA“ 29 Eeö“ 24 0ü. 18 WW15ö 138 . 8 EI1I1616A16X“ ä1“ 6 55 10 Z“ 7 EII11“I 13 12 1871. 1 7 E1111“” 12 1868 (Stat. Korr.)

Zahl der Lokomobilen 23

Die Firma W. Spindler in Spindlersfeld⸗Berlin besitzt einen Invaliden⸗ und Reliktenfonds, der am 31. De⸗ zember 1904 sich auf 1 343 560 belief. Im verflossenen Jahre wurde ihm ein Betrag von 91 951 aus Mitteln des Betriebes und aus Zinsen zugeführt. Unterstützungen empfingen aus demselben 100 Invaliden, 91 Witwen und 6 Waisen. Die Höhe der monat⸗ lichen Unterstützungen schwankte bei den Invaliden zwischen 187,50 und 10 ℳ, bei den Witwen zwischen 78 und 10 ℳ, bei den Waisen zwischen 6,50 und 4

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veb.]

In Cöln waren, wie die „Köln. Ztg.“ mitteilt, die Lohn⸗ kommission des Zentralverbandes der Handels⸗ und Transport⸗ arbeiter und des Fuhrmannsvereins mit Lohnforderungen an die Arbeitgeber herangetreten. Da die Arbeitgeber diese Forderungen der Fuhrleute nicht unterschrieben und die dafür gesetzte Frist ver⸗ strichen war, ist der größte Teil der Arbeitnehmer im Fuhrgewerbe gestern vormittag in den Ausstand getreten. Bei einer großen Speditionsfirma sind über 100 Mann ausständig.! Mg e

In Halle traten gestern, wie der „Voss. Ztg.“ telegraphiert wird, 389 Malergehilfen in den Ausstand, da die Arbeitgeber nur 47 statt 50 Mindestlohn bewilligten. 8 5

In Göttingen erklärten sich, wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, die organisierten Maurergesellen mit den streikenden Zimmer⸗ leuten solidarisch und stellten die Arbeit ein, damit die arbeits⸗ willigen die Neubauten nicht vollenden können.

In Hamburg ist nach einem Telegramm der „Voss. Ztg.“ der Ausstand der Landschaftsgärtner nach vierwöchiger Dauer beendet. Die Ausständigen nahmen die Arbeit nach Bewilligung einer kleinen, noch vor kurjem als ungenügend erklärten Lohnerhöhung auf (vgl. Nr. 95 d. Bl.). 116

Aus Lyon wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß ein Teil der Bergarbeiter in Saint⸗Bel ausständig ist. Ein Bataillon des 96. Infanterieregiments ist dorthin abgesandt worden, weil die Ausständigen das Drahtseil der Förderbahn durch Dynamit zerstört, die Telegraphendrähte durchschnitten und die arbeits⸗ willigen Bergleute terrorisiert haben. Die Soldaten wurden bei ihrer Ankunft in Saint⸗Bel von den Ausständigen verhöhnt.

Ueber ein Nachspiel der Maifeier in Verviers berichtet die „Köln. Ztg.“: Die Kammgarnspinnereien hatten am 1. Mai den Betrieb ruhen lassen, ihre Arbeiter aber verpflichtet, sich am 2. Mai wie an sonstigen Tagen um 6 Uhr Morgens in den Fabriken einzu⸗ finden. Statt dessen stellten sich die Arbeiter, offenbar auf Verabredung, am 2. Mai erst um 8 Uhr Morgens ein. Sie fanden die Fabriken geschlossen und antworteten hierauf damit, daß am Abend auch keiner von ihnen zur Nachtschicht erschien. Die vereinigten Spinnereibesitzer haben daraufhin den Betrieb vorläufig gänzlich eingestellt, und zwar, wie sie auf einer Versammlung erklärten, zur Wahrung 1 Ansehens. Von der Aussperrung sind über 1200 Arbeiter be⸗ troffen.

In Charleroi sind, demselben Blatte zufolge, die Streitig⸗ keiten zwischen den Glasfabriken und den Arbeitern noch lange nicht geschlichtet. Vor dem Gewerbegericht er⸗ schienen verschiedene Magazinarbeiter wegen Vertragsbruchs. Sie hatten nach der kürzlichen Wiederaufnahme des Be⸗ triebes neue Arbeitsverträge unterzeichnet, sich dann aber nicht zur Arbeit gestellt, und machten nachträglich geltend, daß ihnen beim Abschluß der Verträge die Unterschrift „abgenötigt“ worden sei. Das Gewerbegericht verurteilte die Beklagten zu Schadenersatz an die eain für jeden versäumten Tag vom 1. April bis zum 1. Sep⸗ ember.

Zum Ausstand der Fuhrleute in Chicago (vgl. Nr. 105 d. Bl.) berichtet „W. T. B.“, daß es auch gestern wieder mehrfach zu Ruhestörungen kam, als lange Wagenreihen unter Bedeckung durch die Straßen gefahren wurden. Eine Anzahl der Union nicht angehörender Kutscher und unbeteiligter Zuschauer wurden verletzt, einige lebensgefährlich. Die öffentliche Meinung billigt den von den Arbeitgebern veranlaßten Zuzug von Negern an Stelle der Ausständigen nicht, die Arbeitgeber beschlossen daher, von dieser Maßnahme künftig abzustehen. Am Sonnabend wird der Gouverneur eine Besprechung mit dem Bürgermeister zum Zweck der Beilegung des Ausstandes haben.

Kunst und Wissenschaft.

Die philosophisch⸗historische Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften hielt am 27. April unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Vahlen eine Sitzung, in der Herr Burdach über den Prosadialog „Der Ackermann aus Böhmen“ vom Jahre 1399 sprach. Es wurde stilistisch. sprachliche Abhängigkeit von der Königlichen Kanzlei aus der symmetrischen Tauto⸗ logie sowie aus den rhythmischen Formen des Satzschlusses („cursus“) und des Satzinnern nachgewiesen. Weiterhin wurden die humanisti⸗ schen Elemente, die auf Petrarca weisen, die Frage nach der Person des Verfassers (Johannes Pflug von und die Be⸗ e zur Gestalt des „Piers plowman“ von William Langland erörtert.

In der an demselben Tage unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Waldeyer abgehaltenen Sitzung der physikalisch⸗mathe⸗ matischen Klasse las Herr Warburg über die Reflexion der Kathodenstrahlen an dünnen Metallbättchen, nach Ver⸗ suchen von S. Williams. Kathodenstrahlen werden von dünnen Blättchen ebenso wie von dicken Platten desselben Metalls reflektiert, solange die Geschwindigkeit oder das Potential der auf⸗ fallenden Strahlen kleiner ist als ein gewisser kritischer Wert, der bei Aluminium für Blättchen von 0.53, 1.9, 2.44 ¼ Dicke bez. 11 000, 21 800, 28 000 Volt beträgt und bei dem dichteren Kupfer für die Blättchendecke 0.66 2 größer ist als 28, 000 Volt. Oberhalb des kritischen Potentials reflektieren dünnere Blättchen schwächer, die Ab⸗ nahme beginnt bei den Strahlen größten Geschwindigkeits⸗ verlustes und schreitet mit wachsendem Potential zu Strahlen kleineren Geschwindigkeitsverlustes fort. Herr Waldeyer besprach, unter Demonstration von Original⸗ präparaten S. Ramön y Cajals in Madrid, den gegenwärtigen Stand der Neuronen⸗Lehre und berichtete dabei über die neueren Mitteilungen von G. Retzius und Schiefferdecker. Derselbe demonstrierte, unter Hinweis auf eine im Jahre 1826 in der Akademie erfolgte Mitteilung C. A. Rudolphis, ein menschliches Gehirn mit Defekt des Tractus olfactorius der linken Seite.

Hier fehlte auch vollständig der Sulcus olfactorius, sodaß der Defekt als ein angeborener angesehen werden muß.

Ueber

den Befund an der Regio olfactoria konnte keine Mitteilung gemacht werden, da sie nicht zur Verfügung gestanden hatte. 12 Schottky P eine Mitteilung des Herrn Dr. H. Jung in Mar⸗ burg vor: Ueber die allgemeinen Thetafunktionen von vier Veränderlichen. Die Aufgabe wird dadurch gelöst, daß eine besondere Riemannsche Klasse Abelscher Funktionen von sieben Variabeln in Betracht gezogen wird, die sich rational darstellen lassen durch Thetafunktionen von vier, und solche von drei Variabeln. Es werden algebraische Ausdrücke aufgestellt für die Werte, in die die Thetaquotienten über⸗ gehn, wenn man für jedes Argument je ein Integral mit bestimmter oberer und bestimmter unterer Grenze einsetzt.

Schulwesen.

Die Förderung der der Fortbildungs⸗ ule

im Organismus der nationalen Bildungseinrichtungen ist noch nicht geklärt. In den Staaten, die sich der landesgesetzlich geregelten Fortbildungsschule erfreuen, wird sie noch zumeist als ein Zubehör der Volksschule betrachtet. Diese Anschauung entspricht zwar der historischen Entwickelung, nicht aber den tatsächlichen Bedürfnissen; denn seitdem die Fortbildungsschule die berufliche Ausbildung des Nachwuchses aller Erwerbskreise in den Mittflpunkt ihrer Wirksamkeit gestellt hat, ist sie nicht mehr eine Fort⸗ setzung der Volksschule, sondern sie steht fest und sicher auf eigenen Füßen. Sie hat in der „Berufsbildung“ ihren Schwerpunkt, wenn⸗ gleich auch die allgemeinen Kenntnisse in Geschichte, Naturkunde usw. vertieft werden sollen und die Staatskunde neu hinzuzutreten hätte. Die Volksschule ist aber lediglich auf dem großen Gedanken der „Menschenbildung“ aufgebaut. Daraus folgt, daß auf die Länge der Zeit eine Zusammenkoppelung der beiden in ihren Zielen und in ihrer Tätigkeit grundverschiedenen Anstalten nicht aufrecht zu er⸗ halten ist. 8

Eine nachahmenswerte Einrichtung hat die Fortbildungsschule zu Cassel getroffen. Sowohl in der gewerblichen wie in der kauf⸗ männischen Abteilung wird, von wenigen Fachstunden abgesehen, aller Unterricht von Lehrern erteilt, die im Hauptamte angestellt sind. Die städtischen Behörden wünschen eine Lehrerschaft zu haben, welche die Tätigkeit in der Fortbildungsschule als ihre Lebensaufgabe betrachtet, die sich demgemäß im vollen Um⸗ fange in die Ziele und die Eigenart des Unterrichts dieser Schulgattung vertieft und sich eng mit derselben verbunden fühlt. Man gedachte auch eine Ueberbürdung der Lehrerschaft zu verhüten, die früher dadurch herbeigeführt wurde, daß die beteiligten Herren neben ihren vollen 28 bis 30 Stunden im Hauptamt an der Volks⸗ schule noch nebenbei 6 oder mehr Stunden wöchentlich Unterricht in der Fortbildungsschule erteilten. Daß dadurch der Gesundheitszustand der Lehrerschaft zum Teil recht ungünstig beeinflußt werden mußte, folgt schon aus der Tatsache, daß der Unterricht in der Fort⸗ bildungsschule ein tieferes Studium voraussetzt und auch sonst mancherlei Schwierigkeiten bietet. Wenn man außerdem noch hört, daß in Cassel aller Fortbildungsschulunterricht am Tage erteilt wird, daß der allen Teilen schädliche Abendunterricht vollständig beseitigt ist, dann darf man die Hauptstadt der Provinz Hessen⸗Nassau in erster Linie unter denjenigen Orten nennen, die auf dem Gebiete des Fort⸗ bildungsschulwesens die Aufgaben der Gegenwart in glücklichster Weise zu lösen gesonnen sind.

Ländliche Fortbildungsschulen.

Das von der Westprignitz gegebene Beispiel beweist, daß bei

gutem Willen und bei dem Handinhandgehen aller beteiligten Faktoren das ländliche Fortbildungsschulwesen trefflich gedeihen kann. Es be⸗ stehen in diesem Landstrich nicht weniger als 22 Fortbildungsschulen dieser Art, in denen Lehrer und Geistliche den Unterricht erteilen. Die Gesamtzahl der Schüler beträgt 345. Das Hauptverdienst an dem Zustandekommen der Schul d T h des Landrats von Jagow.

1“ 1“ 8 Land⸗ und Forsftwirtschaft.

Der Studienplan für das Sommerhalbjahr 1905 an der Königlichen Gärtner⸗Lehranstalt zu Dahlem bei Steglitz⸗Berlin enthält folgende Vorlesungen: Direktor Th. Echter⸗ meyer: Grundlagen des Obstbaues, Spalierzucht, Obstsortenkenntnis, Obstverwertung, Vorfübrungen im Obstbau, Gehölzzucht. Ab⸗ teilungsvorstand Willy Lange: Gemüsebau, Grundlagen des Pflanzenbaus, Ausschmückung und Bindekunst, Pflanzenphysiognomie und Photographieren, Landschaftliche Naturkunde und Geschichte der Gartenkunst, Betriebslehre und Verwaltungskunde, Handelsstauden, Blumenzucht und Samenbau. Abteilungsvorstand Zahn: Grund⸗ lehren der Gartenkunst, Feldmessen und Nivellieren, Planzeichnen, Gartentechnik. Entwerfen von Plänen. Abteilungsvorstand Professor Dr. C. Müller: Botanik. Oberlehrer Heine: Physik und Meteorologie, Mathematik, Chemie, Boden, und Düngerlehre, Zoo⸗ logie. Zeichenlehrer Kießling: Feldmessen und Nivellieren, Frei⸗ handzeichnen, Projektionslehre. Kustos am Koͤniglichen Botanischen Garten Dr. Graebner: Pflanzenkunde, Gehölzkunde. Geschäftsführer für Obstbau der Landwirtschaftskammer Grobben: Obstbaumzucht, Obstbaumpflege. Königlicher Hofgärtner Meermann: Obst⸗ und Weintreiberei, Gemüsetreiberei. Architekt Menzel: Gewächshausbau, Baukunde. Ober⸗ gärtner am Königlichen Botanischen Garten Peters: stauden, Pflanzenbau. Kunstmaler Schnee: Malen. ierungsbaumeister Stahn: Architektur. Kustos am Köͤniglichen

otanischen Garten, Professor Dr. Volkens: Kolonialpflanzen. Geheimer Regierungsrat, Professor Dr. Wittmack: Samenkunde. Geheimer Regierungsrat, Direktor des Königlichen Botanischen Gartens, Professor Dr. Engler⸗Pflanzengeographische Demonstrationen. m August d. J. werden auf der Königlichen Gärtnerlehranstalt

in Dahlem 2. ein gartenkünstlerischer Kursus und ein Kursus für Obst⸗ und Gemüseverwertung abgehalten. Die Aufnahme der Hörer für die ganzen Lehrgänge findet jedes Jahr am

1. Oktober statt.

Nach einer Reihe von unergiebigen Weinernten hat sich für

den Rheingau das Jahr 1904 als ein der Güte und Menge nach zufriedenstellendes Weinjahr erwiesen. Zwar kommt der Mengen⸗ ertrag nur einem durchschnittlichen halben Herbste (circa 60 000 hl) gleich, aber der durchschnittliche Preis des 1904 er Weines ist im Vergleich zu jenem der Weine in den letzten Jahren um ein be⸗ deutendes höher, sodaß sich für den Rheingauer Weinbau diesmal ein

6.

günstiger finanzieller Erfolg ergibt.

Verkehrsanstalten.

Wie bei den letzten Verhandlungen des Kolonialwirtschaft⸗ lichen Komitees mitgeteilt wurde, ist ein Zusammenschluß der kolonialen Eisenbahngesellschaften mit dem Komitee zu wirtschaftlichen Vorarbeiten in den Gebieten der Erschließungsbahnen er⸗ folgt. Zur Erkundung der landwirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere der Möglichkeit der Einführung der Baumwollvolkskultur, hat der stell⸗ vertretende Baumwollinspektor Holzmann im Februar und März eine Inspektionsreise längs der Bahnlinie Daressalam Mrogoro und weiter bis Kilossa ausgeführt. Allein im Mrogorobezirk be⸗ zeichnet Holzmann über 200 000 ha als gutes Baumwollland.

Mit der Spezialaufgabe, auf einen rationellen Baumwollbau und eine rationelle Erntebereitung der EI der Oelpalme im Interessengebiet der Lome⸗Palime⸗Eisenbahn einzuwirken, hat das Komitee den amerikanischen Baumwollpflanzer Potthoff am 20. März nach Togo entsandt. Zur Einrichtung von Stationen für maschinelle Erntebereitung wird ihm der Maschinenmeister des Komi Frantzke zugeteilt werde 28