1905 / 114 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 May 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Theater und Musik.

Deutsches Theater.

8 Unter der Leitung Sigmund Lautenburgs begann im Deutschen Theater gestern ein Anzengruber⸗Zyklus, der die Volksstücke des Wiener Dichters in chronologischer Reihenfolge vorführen wird. Berlin kann sich rühmen, Anzengrubers Dramen zuerst liebe⸗ volles Verständnis entgegengebracht zu haben, zu einer Zeit, als der Dichter in seinem Vaterlande noch vergeblich um Anerkennung seines kernigen und im heimatlichen Boden wurzelnden Talents rang. In Berlin sind die Sympathien Anzengruber auch stets treu geblieben, so konnte ein Anzengruber⸗ Zyklus von vornherein auf lebhafte Teilnahme rechnen, umsomehr, als für ihn die hervorragendsten Darsteller gewonnen waren und das Zusammenspiel einen wirklichen Kunstgenuß versprach. Die Aufführung des „Pfarrers von Kirchfeld“ am Sonnabend entsprach all' diesen Erwartungen, sie war verständnisvoll inszeniert und wurde schauspielerisch meisterhaft durchgeführt. In der Titelrolle zeigte Otto Sommerstorff seine oft bewährte Kunst mit feiner Affektsteigerung und rechtem Maßhalten. Ihm völlig eben⸗ bürtig war der Wiener Willy Thaller, der den Wurzelsepp spielte und namentlich im vierten Akt eine tiefe Wirkung erzielte. Amalie Schönchen wußte aus der kleinen Rolle der Brigitte wiederum ein Kabinettstück zu machen, und Hansi Niese⸗Jarno stellte die Anna Birkmeier mit unübertrefflicher Treuherzigkeit und Naivität dar. Auch die anderen Rollen waren gut besetzt; Eugen Burg, der den Michel Berndorfer gab, verdient noch be⸗ sonders hervorgehoben zu werden. Der Beifall des gutbesuchten Hauses war überaus herzlich und stellte der Veranstaltung ein zahl⸗ reiches und dankbares Publikum in Aussicht, trotz der Theater⸗ müdigkeit, die sich bei der vorgerückten Jahreszeit naturgemäß be⸗ merkbar zu machen beginnt. .““ 1.

Berliner Theater.

Fast ein Jahrzent ist verflossen, seitdem das reizvolle dreiaktige Vaudeville „Tata⸗Toto“ von Bilhaud und Barré durch das Gesamtgastspiel des Hamburger Karl Schulze⸗ Theaters hier bekannt wurde, und über ein Lustrum ist es wohl im Spielplan hiesiger Bühnen nicht mehr aufgetaucht. Dem Berliner Theater könnte man es daher als Verdienst anrechnen, daß es am Sonnabend den Versuch machte, es durch eine Neueinstudierung wieder in Erinnerung zu bringen, wäre nicht die gefällige Musik von Bands, die sich weit über das übliche Durchschnittsmaß erhebt, dabei zu kurz gekommen. Das Werk verdiente mit weit mehr Recht eine Operette genannt zu werden, als vieles andere, was nach ihm unter der Bezeichnung in die Welt gegangen ist, und es ist ganz unbegreiflich, daß hiesige Bühnen, die über die erforderlichen Gesangekräfte verfügen, sich seiner nicht früher wieder angenommen haben. Die gesanglichen Leistungen, die bei der Erstaufführung am Sonnabend geboten wurden, waren bis auf eine einzige Ausnahme unzulänglich. Auch die Darstellung ermangelte zum Teil jener Frische, die leicht über die unwahr⸗ scheinlichsten Situationen hinweghilft. Ihr besonderer Reiz liegt in dem Umstande, daß das Zwillingspaar Tata und Toto von einer und derselben Person gespielt wird. Fräulein Elsa Bötticher, der diese Aufgabe zufiel, löste sie befriedigend; sie carakterisierte den kecken, ungezogenen Kadetten Toto und die zierliche mädchenhafte Tata, den jungen Burschen in Mädchenkleidern und das Mädchen in Knabenkleidern recht gut und bewahrte bei aller Derbheit ein anmutiges Wesen. Neben ihr ist in erster Linie Herr Leopold Deutsch zu nennen, der, wie vor Jahren, als Gast den alten hageren Schulinspektor Blanchard mit stark komischer Wirkung gab; er bildete auch als Coupletfänger die erwähnte einzig rühmliche Aus⸗ nahme. Die anderen Rollen lagen in den bewährten Händen der Damen Carlsen, Erlholz und Kollendt, der Herren Haßkerl, Rohland, Tachauer, Justitz.

Nationaltheater.

Der letzte Gastspielabend von Madame Charlotte Wyns, von der Großen Oper in Paris, brachte am Sonnabend Maillarts komische Oper „Das Glöckchen des Exemiten“. Das be⸗

achtenswerte Können der französischen Künstlerin ist bereits ge⸗ legentlich ihres Auftretens als Leonore in Donizettis Oper „Die Favoritin“ an dieser Stelle gewürdigt worden. War damals an ihrem Spiel bisweilen ein gewisser Mangel an feiner

Abschattierung zu bemerken, so schuf sie diesmal bei der Darstellung der Rose Friquet eine Figur, deren Ausgestaltung bis in die Einzel⸗ heiten fein charakterisiert und glaubhaft war. In der Wiedergabe dieser von der erstgenannten so verschiedenen Partie hatte Frau Wyns

Gelegenheit sowohl schauspielerisch wie gesanglich ihre künst⸗

Ierische Vielseitigkeit zu zeigen. Ihre durchdachte Darstellungs⸗

weise und das veerständnisvolle Zusammenspiel mit ihren

Partnern ließ die sprachliche Verschiedenheit kaum störend bemerkbar

werden und schuf eine recht interessante, wohlabgerundete Vorstellung. Von den Vertretern der anderen Rollen, die sich ihren Aufgaben durchweg nach besten Kräften gewidmet hatten, seien Fräulein Rado (Georgette) sowie die Herren Klemich (Pächter), Birrenkoven (Sylvain) und Joseph (Leutnant) noch hervorgehoben. Das voll⸗ besetzte Haus spendete lebhaften Beifall und ehrte den Pariser Gast noch durch wiederholte Hervorrufe.

Theater.

Aönigliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗ haus. 128. Abonnementsvorstellung. Die Heirat wider Willen. Komische Oper in 3 Aufzügen, frei nach einem Lustspiel des A. Dumas, von E. Humper⸗ dinck. Musikalische Leitung: Herr Kapellmeister Dr. Strauß. Regie: Herr Oberregisseur Droescher. Beallett: Herr Ballettmeister Graeb. Anfang 7 ½ Uhr. Schauspielhaus. 52. Abonnementsvorstellung. Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Schauspiel in 5 Aufzügen von W. von Goethe. Regie: Herr Oberregisseur Grube. Anfang 7 Uhr. Neues Operntheater. Jung⸗Heidelberg. Operette Musik

Meere.

Dienstag, in 3 Akten von L. Krenn und C. Lindau. von Karl Millöcker. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Opernhaus. 6. Billettreservesatz. Lohengrin. Romantische Oper in 3 Akten von Richard Wagner. (Elsa: Mme. Aino Akté, von der Großen Oper in Paris, als Gast.) Die Abonne⸗ ments, Dienst⸗ und ständigen Freiplätze sind auf⸗ gehoben. Anfang 7 Uhr.

„Schauspielhaus. 53. Abonnementsvorstellung. Im frillen Gäßchen. (Quality-Street.) Luftspiel in 4 Aufzügen von J. M. Barrie. Deutsch von B. Pogson. Anfang 7 ½ Uhr.

Neues Operntheater. Jung⸗Heidelberg. Operette

3 Akten von L. Krenn und C. Lindau. Musik von Karl Millöcker. Anfang 7 ½ Uhr.

8 —— Deutsches Theater. (Maispiele.) Di

Der Meineidbauer. Anfang 8 Uhr. Mittwoch: Der Meineidbauer.

Brunnen.

Tränen.

Martha. Wildschütz.

Berliner Theater. Dienstag: Tata Toto. e9 be⸗ Anfang 7 ½ Uhr. geinlben

Mittwoch: Tata⸗Toto. Donnerstag: Tata⸗Toto Freitag: Tata⸗Toto.

Lessingtheuter. Dienstag: Die Frau vom Anfang 8 Uhr.

Mittwoch: Elga. Anfang 8 Uhr.

Donnerstag: Nora.

Schillertheater. o. Abends 8 Uhr: Schwank in 3 Akten von Gustav Kadelburg. Mittwoch, Abends 8 Uhr: Zum ersten Male: Der artesische Brunnen. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Der artesische

N. (Friedrich Wilbelmstädtisches Thrater.) Dienstag, Abends 8 Uhr: Gyges und sein Ring. Eine Tragödie in 5 Akten von Friedrich Hebbel.

Mittwoch Abends 8 Uhr: Die Herren Söhne.

Donnerstag, Abends 8 Uhr: Die Tyrannei der

Theater des Westens. (Kantstraße 12. Bahn⸗ hof Zoologischer Garten.) Dienstag (bei aufgehobenem Abonnement): Die neugierigen Fr

Mittwoch: Schüleropernaufführung des Stern⸗ schen Konservatoriums.

Donnerstag (29. Vorstellung im Abonnement):

Freitag (29. Vorstellung im Abonnement): Der Sonnabend,

Des Meeres und der Liebe Wellen. bends 7 ½ Uhr:

Im Königlichen Opernhause findet morgen, Dienstag, eine Wiederholung der Oper „Heirat wider Willen“ von E. Humper⸗ dinck in der bekannten Besetzung der Hauptrollen statt.

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen „Eötz von Berlichingen“ wiederholt. 1

Dr. Rudolf Pröll, der bekannte Baritonist des Frankfurter Opernhaufes, der bereits im vorigen Herbst im Theater des Westens auftrat, wird demnächst ein zweites Gastspiel an der ge⸗ Bühne eröffnen und u. a. die Titelrolle in „Hans Heiling“

ngen. 1 1

Mannigfaltiges. Berlin, den 15. Mai 1905.

Ueber die Witterung im Monat April 1905 berichtet das Königliche Meteorologische Institut auf Grund der angestellten Beobach⸗ tungen folgendes: Auf die milde Witterung der voraufgegangenen Monate folgte ein recht kühler April. Abgesehen von kurzen Wärme⸗ perioden am Anfange der zweiten Dekade und gegen Ende des Monats, war es nämlich durchweg zu kalt, besonders in der Zeit vom 7. bis 9. April, in der auf dem ganzen Gebiet das Thermo⸗ mefer mehrere Grade unter den Gefrierpunkt sank; das in diesen Tagen aufgezeichnete Minimum der Temperatur ist sogar niedriger als der tiefste Thermometerstand des voraufgegangenen März. Im Durchschnitt war daher die Temperatur allenthalben zu niedrig, am meisten, um mehr als zwei Grad, im mittleren Norddeutschland. Erhöht wurde der unfreundliche Charakter des April durch die häufigen und ergiebigen Niederschläge. Mit Ausnahme des äußersten Südwestens ist überall ein Ueberschuß zu verzeichnen gewesen; mehrfach, namentlich im Nordosten ist etwa das Doppelte der gewöhnlich zu erwartenden Menge gefallen. Schneefälle traten noch allerorts auf, am ausgedehntesten in der Zeit vom 6. bis 9. Zumeist war daher auch in dieser Zeit eine zusammen⸗ hängende Schneedecke vorhanden. Die höchsten Erhebungen der Ge⸗ birge aber waren den ganzen Monat hindurch mit einer Schneeschicht bedeckt, die im Riesengebirge noch fast ein Meter betrug. Entsprechend der Häufigkeit der Niederschläge war die Bewölkung groß und die Sonnenscheindauer gering; nur an der Nordseeküste sowie im Rheingau wurden die normalen Verhältnisse beinahe erreicht. Auf die am Schlusse des März eingetretene warme Witterung folgte zu Beginn des April ein rascher Temperatursturz. Zunächst brachte bei hohem Luftdruck im Südwesten ein von der Nordsee nach Südosten ziehendes Minimum kühle nordwestliche Winde und fast allenthalben Niederschlag. Vom 5. an wurde die Abkühlung noch erheblicher, da dem Maximum ein neues Depressionsgebiet im Norden gegenüberlag, das Teilminima über die deutschen Küsten nach dem vestlichen Rußland entsandte; hierdurch wurnde lebhafte nördliche Luftströmung mit ausgedehnten Schneefällen und ziemlich strengem Froste veranlaßt. Zu Ende der ersten Dekade aber, als das Hochdruckgebiet nach Osten abgezogen war und von Westen her eine umfangreiche Depression heranrückte, trat bei südwestlichen Winden starke Erwärmung ein. Diese wurde jedoch bald wieder aufgehoben, da am 13. eine Antizyklone im Nordosten maßgebend wurde. Dieses Hochdruckgebiet wanderte langsam im Norden vorüber nach Nordwesten und schließlich bei Beginn der dritten Dekade nach Westen. Infolge⸗ dessen waren während dieser ganzen Zeit kalte Winde zunächst östlicher, dann nördlicher Herkunft vorherrschend. Vom 25. ab lag hoher Luft⸗ druck im Süden, während sich im Nordwesten ein Minimum einstellte; die hieraus sich ergebende südwestliche Luftströmung verursachte schnelle Zunahme der Temperatur, sodaß der Monatsschluß endlich schönes, warmes Frühlingswetter brachte.

Gemeinnützige Rechtsauskunft ist in verschiedenen Gegenden Berlins eingerichtet worden. Die Sprechstunden sind regelmäßig Nachmittags 4 bis 6 Uhr, und zwar in Berlin⸗Nord: Versöhnungs⸗ (Privat)straße 1, Eingang Strelitzer Straße 43, an allen Wochen⸗ tagen; in Berlin⸗Nordost: Landsberger Allee 123 bei Martin an jedem Dienstag und Freitag; in Berlin⸗Südwest: Johanniterstraße 6, links im Erdgeschoß, am Montag und Donnerstag; in Berlin⸗West: Nollendorfstraße 29/30, zwei Treppen. Die ersten drei Rechtsschutzstellen werden von der „Sozialen Geschäftsstelle für das evangelische Deutschland“, die letztgenannte wird vom „Bureau für Sozialpolitik' unterhalten. Sekretäre sind Rechtsanwalt a. D. Fischer und Arbeitersekretär Bartelt. Es werden Vertretungen übernommen, mündlicher Rechtsrat erteilt und Schrift⸗ stücke gefertigt.

Rathenow, 14. Mai. (W. T. B.) Der 175. Stiftungs⸗ tag des Ziethen⸗Husaren⸗Regiments wurde am Sonnabend unter Teilnahme der alten Herren des Regiments, zahlreicher ehe⸗ maliger Offiziere und auswärtiger Ziethen⸗Vereine gefeiert. Unter anderen waren dazu eingetroffen der Generalfeldmarschall Graf von Haeseler, der General der Kavallerie Graf von Wartensleben, der Generalleutnant von Bülow, der Generalleutnant von der Lanken, der Generalmajor von der Schulenburg. Mittags gegen 1 Uhr fand auf dem Kaiser Wilhelmplatz eine Parade statt, nach der der General Graf von Wartengleben nach kurzer Ansprache ein dreimaliges Hurra auf Seine Majestät den Kalser ausbrachte. Zur Feier des Stiftungs⸗ tages fanden Reiterspiele auf dem Reitplatz der Kaserne statt.

Heute vormittag erfolgte auf dem Ziethenplatz im Beisein des Ministers für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielski, mehrerer

Generale, der Garnison, der Behörden, von Vertretern der Ziethen⸗ Vereine sowie der hiesigen Kriegervereine die feierliche Grundstein⸗ legung zum Denkmal für den Reitergeneral von Rosenberg. Der Staatsminister von Podbielski hielt eine Gedächtnisansprache.

Hamburg, 14. Mai. (W. T. B.) Bei schönem Wetter fand heute die offene Segelwettfahrt des Norddeutschen Regattavereins auf der Alster statt. „Es beteiligten sich 27 Boote. In der Sonderklasse steuerte Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich das Boot „Tilly VII“ der Herren Doll⸗ mann und Krogmann und siegte über „Sonderling“ und „Tilly VI“. Nach der Regatta nahm Prinz Heinrich an dem Frühstück im Uhlen⸗ horster Fährhaus teil. 18

Wien, 13. Mai. (W. T. B.) Die aus Anlaß des Jubiläums des 25 jährigen Bestehens des Deutschen Schulvereins stattfindenden Festlichkeiten sind heute mit einer musikalischen und deklamatorischen Feier im großen Musikvereinssaale eröffnet worden. Die Festrede hielt der Abg. Professor Groß.

Budapest, 13. Mai. (W. T. B.) Im Almasyschacht des Resicaer Bergwerks wurden heute nacht bei Sprengungsarbeiten infolge einer Explosion 22 Bergleute getötet und einer

schwer verwundet.

Paris, 14. Mai (W. T. B.) Nach einer Meldung der Agence Havas“ hat sich unter dem Titel: „Vereinigung für die natio⸗ nalen Interessen und den internationalen S eine aus Gelehrten, Schriftstellern, Künstlern, Politikern und Juristen aller Länder Europas und Amerikas zusammengesetzte Gesellschaft gebildet, die sich zum Ziel setzt, sowohl die innere Wohlfahrt der einzelnen Länder zu fördern wie auf gute auswärtige Beziehungen der Länder untereinander hinzuwirken. Die Gruppenvorstände der Ver⸗ einigung sind: für Frankreich Berthelot, Bourgeois und D’ Estournelles, für Deutschland Haeckel, für Rußland Baron Staal, für Norwegen F. Nansen, für Schweden von Lagerheim.

Toulon, 15. Mai. (W. T. B.) Der Kreuzer „Desaix“, der die auf der Wettfahrt Algier Toulon befindlichen Motorboote begleitet, teilte gestern durch Funkspruch mit, daß alle Motorboote, außer dem „Quandmôme“, von dem man keine Nach⸗ richten habe, wegen der schweren See von den Mannschaften verlassen worden seien. Die Mannschaften seien gerettet. Das Boot „Mercedes C. P.“ sei 50 Meilen vor Toulon gesunken. Die Insassen wurden gerettet. Die Herzogin von Decazes erhielt inzwischen von dem Kapitän der Vergnügungsjacht ihres Gatten eine Depesche, nach der das Boot „Quandmoôöme“, das von dem Torpedoboot „Arbalete“ begleitet war, die Richtung nach Corsica eingeschlagen habe. An Bord des „Quandméême“ befinden sich 11 Personen, darunter der Herzog von Decazes und mehrere Marineoffiziere. Der Kommandant des Torpedojägers „Pertuisane“, der gestern das untergegangene Motorboot „Mer⸗ cedes⸗Mercedes’ eskortierte, erzählt: Das Boot stand mehr⸗ mals still, weshalb die „Pertuisane“ ihre Fahrt verlangsamen mußte. Gegen 8 Uhr Morgens wurde das Motorboot in Schlepp ge⸗ nommen, und seme Mannschaft kam an Bord des Torpedojägers. Gegen 7 Uhr Abends mußte man 70 Meilen von der Küste der Provence wegen der schweren See die Wellen hatten 8 m Höhe erreicht die Schlepptrosse kappen. „Mercedes⸗Mercedes' trieb ab und verschwand bald in der Dunkelheit. Wahrscheinlich hat das Gewicht der 150 m langen Stahltrosse das Vorderteil des Boots niedergezogen und es so zum Kentern gebracht.

Madrid, 14. Mai. (W. T. B.) Gestern wurde von der hiesigen deutschen Kolonie unter zahlreicher Beteiligung auch von spanischer Seite eine Schillerfeier abgehalten, an der u. a. die Mitglieder der deutschen Botschaft und des deutschen Konsulats teil. nahmen. Die Festrede hielt der Direktor der deutschen Schule.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Potsdam, 15. Mai. (W. T. B.) Ernst von Sachsen⸗Altenburg wurde einem Prinzen glücklich entbunden.

St. Petersburg, 15. Mai. (Meldung der „St. Peters⸗ burger Telegr.⸗Agentur“.) Der gestrige Abend verlief in der Residenz im allgemeinen ganz ruhig. In den öffentlichen Gärten, wo sich die Arbeiter zu versammeln pflegen, wurden Kundgebungen versucht. Die Polizei verhaftete gegen 50 Per⸗ sonen und stellte die Ordnung schnell wieder her.

Die Prinzessin heute früß von

1X““ 8 (Fortsetzung des Amtlichen und Nichtamtlichen in 83ß Feiten und Dritten Beilage.)

Heiling.

folgende Tage: Ledige Leute.

Anfang 8 Uhr. 8

(Wallnertheater.)

Weiber von Windsor. Familie Schierke.

tag, Abends 8 Uhr: Der Familientag.

Dienstag, Abends 8 Uhr:

auen. Herzogin Crevette.

Bentraltheater.

Zu kleinen

Nachmittags 3 Uhr:

2 Akten von Louis Varney.

Zum ersten Male: Haus

Lämmer.

Sponntag, Nachmittags 3 Uhr: Zu halben Preisen: Der Bettelstudent. Abends 7 ½ Uhr: Hans

Neues Theater. (Spielzeit der Direktion Karl und Theodor Rosenfeld.) Dienstag und

Nationaltheater. (Direektion: Weinbergsweg 12a 13 b.) Dienstag: Die lustigen

Mittwoch: Die Fledermaus.

Donnerstag: Die Regimentstochter.

Freitag: Amelia, oder: Ein Maskenball. Sonnabend: Zar und Zimmermann. Sonntag: Die lustigen Weiber von Windsor.

Lustspielhaus. (Friedrichstraße 236.) Diens⸗ amilientag. Mittwoch bis Sonnabend, Abends 8 Uhr: Der

Residenztheater. (Direktion: RichardAlexander.) Herzogin Crevette. (La Duchesse des Folies-Bergèͤre.) Schwank in 1 Vorspiel und 3 Akten von Georges deutscher Bearbeitung von Benno Jacobson.

Mittwoch und folgende Tage,

Dienstag: Lämmer. (Les petites brebis.) Vaudeville in

Mittwoch und folgende Tage: Die kleinen 8*

Thaliatheater. (Dresdener Straße 72/73) Gastspiel der Wolzogen⸗Oper.

folgende Tage: Die Bäder von Lucca. 84 8

Direktion: Kren u. Schönfeld.) Dienstag, Abende 8 Uhr: Liebesmanöver. Lustspiel in 3 Akten von Kurt Kraatz und Freiherrn von Schlicht.

Mittwoch und folgende Tage: Liebesmanöver.

8 8 Hugo Becker.

Trianontheater. (Georgenstraße, wischen

Friedrich⸗ und Universitätsstraße.) Dienstag: Ihr zweiter Mann. Anfang 8 Uhr. Mittwoch bis Sonnabend: Ihr zweiter Mann.

Familiennachrichten. 88

Verehelicht: Hr. Leutnant i. reit. Feldjägerkorps und Forstassessor Siewert mit Frl. Hildegard Euen (Berlin).

Geboren: Eine Tochter: Hrn. Regierungsrat Kilburger (Oppeln). Hrn. Oberleutnant Luchs (Lauban).

Gestorben: Hr. Professor Dr. Karl August Lentzner (Berlin).

eydeau, in Verantwortlicher Redakteur Dr. Tyrol in Charlottenburg.

Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Druck der Norddeutschen eedrheee und Verlagt AAnstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Zehn Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Abends 8 Uhr:

Die kleinen

Dienstag und

Belleallianretheater. (Bellealliancestraße 778.

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No. 114.

1

Erste Beilage

1

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Berlin, Montag, den 15. Mai

eiger und Königlich Preußische

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n Staatsanzeiger. 1905.

DMHEsr veas wemüxxsn an.

Pergamon und die neuen Ausgrabungen des Kaiserlich deutschen Archäologischen Instituts.

Pergamon gehört zu der alten Landschaft Mysien, die egenüber der 1ö8e- Insel Mytilene oder Lesbos an das Aegäische Meer herantritt. Der Hauptfluß des Landes ist der alte Kaikos, der in ost —westlichem Laufe eine große Fruchtebene durchströmt. Nicht fern von seiner Mündung steigt schroff ein 335 m hoher Bergrücken auf, der fast ganz von den tief eingeschnittenen Tälern zweier dem Kaikos zufließenden des Ketios und des Selinus, umschlossen ist. Auf diesem Berge erhob sich das alte Pergamon. Er war die natürliche Warte der ganzen Ebene. Wer auf ihm festsaß, war Herr des fruchtbaren Landes und Wületch. der Karawanenstraße, die aus dem Innern Kleinasiens durch die Ebene zum Meere führte. So tritt uns auch Pergamon in der Geschichte zuerst nicht als Stadt, sondern nur als fester Platz entgegen, den persische Große, die Grund⸗ besitzer der Ebene, mit ihren Leuten innehatten. Der Athener

enophon nahm im Jahre 399 diese Festung ein, nachdem er sich nach dem glücklich durchgeführten Rückzug aus Persien mit einem Teil seiner Griechen dem in Ng os gegen die Perser kämpfenden spartanischen König Agesilaos angeschlossen hatte. Die Bewohner dieses Platzes waren auch im vierten Jahrhundert noch gemischt. Neben äolischen Griechen saßen auch Angehörige der alten mysischen Bevölkerung auf der Höhe. Von ihr zeugt noch eine Inschrift auf einer Säule des Athenetempels, des ältesten uns bekannten Bauwerks der Burg, das noch im IV. Jahrhundert errichtet sein muß.

Die weltgeschichtliche Bedeutung von Pergamon beginnt mit dem Augenblick, da der ehemalige Feldherr Alexanders des Großen Lysimachos, der bei der Teilung des makedonischen Weltreiches 18 Thrakien und später auch Kleinasien zu erringen wußte, seinen Scha von 9000 Talenten, etwa 32 Millionen Mark, unter der Obhut des getreuen Philetairos in diese Burg legte. Dieser verteidigte tapfer das anvertraute Gut seines Herrn. Erst als Lysimachos im Fahre 281 im Kampfe gegen Seleukos von Sprien gefallen war, eignete sich Philetairos den Schatz an. Mit seiner Hilfe gründete er sich eine kleine Herrschaft, die 858 weit über die Kaikosebene hinausreichte, und errang ihr die Unabhängigkeit von den mächtigen Nachbarreichen. Seine Nachfolger und Bruderföhne, Eumenes I. und Attalos I. dehnten ihre Herrschaft im Kampfe mit den syrischen Königen und besonders durch die Frfundscaft mit den Römern über die ganzen vorderasiatischen Küstenlandschaften aus. Das Ansehen dieses jungen Reiches erhöhte es besonders, daß Attalos den in Kleinasien eingedrungenen Kelten, die eine wahre Geißel der griechischen oder gräcisierten Bevölkerung Kleinasiens geworden waren, als Vorkämpfer des Griechen⸗ tums und Kultur machtvoll entgegentrat. Nach einem ent⸗ scheidenden Siege, den er über diese Horden bei Sardes errang, nahm er 239 v. Chr. den Königstitel an. An seinem Hofe förderte er Kunst und Wissenschaft. Er legte den Grund zu der bedeutenden Bibliothek. Den Ruhm seiner Kriege verkündeten Statuengruppen, die er auf der Burg von Pergamon und auf der athenischen Akropolis aufstellen ließ. Von den pergamenischen Bildwerken sind die Basen mit den In⸗ schriften wiedergefunden, 11 sind jetzt im Pergamon⸗Museum auf⸗ estellt. Die Figuren selbst, aus Erz, wurden jedenfalls schon im spaten Altertum eingeschmolzen. Doch haben sich eini e Kopien dieser Werke unter unserem Vorrat antiker Statuen nachweisen lassen. Hierher gehört vor allem der sogenannte sterbende Fechter, jene be⸗ rühmte Figur des capitolinischen Museums zu Rom, die in Wirklich⸗ keit einen in der Feldschlacht tödlich getroffenen Gallier darstellt. Von großer politischer Bedeutung war das Freundschaftsverhältnis, in das Attalos zu den Römern trat. An diesem hielt auch sein Sohn und Nachfolger Eumenes II. (197 159 v. Chr.) fast sein ganzes Leben lang fest. Mit den Römern verbündet, kämpfte er gegen Antiochos den Großen von Syrien und gewann sich so fast ganz Kleinasien bis zum Tauros. Aus dem bescheidenen Kleinstaat war nun ein großes Reich geworden. Pergamon, die kleine Bergstadt, mußte 85 würdigen Hauptstadt dieses neuen Reiches umgestaltet werden. Neben dem alten Palast auf der Höhe des Stadtberges haute sich Eumenes einen neuen, größeren. Der Platz des alten Athenetempels wurde mit zweigeschossiger, luftiger Säulenhalle umgeben, hinter deren einer Seite die Räume der Bibliothek lagen. Die Schranken zwischen den Säulen des Obergeschosses waren mit den bekannten Waffenreliefs geschmückt, von denen sich bedeutende Reste erhalten haben. Es war sogar möglich, in unserem Pergamon⸗Museum ein ganzes Stück der Halle mit ihrem bildlichen Schmucke wieder aufzubauen. Das be⸗ deutendste Bauwerk des Eumenes ist jedoch der große Altar mit seinem reichen Reliefschmuck, dieser unschätzbare Besitz des Berliner Museums.

Auch der alte Mauerring, der ziemlich hoch oben auf dem Stadt⸗ berge hinlief, genügte für die maͤchtig aufblühende Großstadt nicht mehr, es mußte ein neuer, größerer gezogen werden, der sich bis beinahe zum Fuße des Berges herabzog, sodaß also der ganze Abhang in den Kreis der Stadt hineingezogen wurde. Galten die früheren Ausgrabungen, die das Berliner Museum unter der Leitung von Conze und Humann, den Urhebern dieses großen Unternehmens, von 1878 bis 1886 ausführen ließ, und die so reiche Ausbeute brachten, den Bauten auf der Höhe des Berges, so haben die neuen Grabungen, die das Kaiserlich deutsche Archäologische Institut seit 1900 veranstaltet, vor allem den Zweck, die am Abhang sich ausdehnende Stadt des Eumenes bis hinauf zur Höhe der Burg klarzulegen. Wieder ist es Conze vergönnt, auch diese Unternehmung zu leiten. Ihm zur Seite steht jetzt Dörpfeld, dessen geniale Meisterschaft auch hier wieder sich glänzend bewährt hat.

Die neue Grabung setzte an der Stelle ein, wo die aus dem Innern des Landes kommende Hauptstraße auf den Südabhang des Berges trifft. Schon früher hatte man an dieser Stelle, die am Ende der heutigen, in der Ebene sich ausdehnenden Stadt Bergama, eegen den Anstieg des Berges zu, liegt, Spuren eines Tores gefunden.

etzt ist es blofggelegt. Es ist das Haupttor der Stadt des Eumenes, ein großer, fast quadratischer Hofraum, dessen äußere Ecken durch starke Türme geschützt sind. Während bei griechischen Toranlagen das in die Stadt selbst führende Tor in der dem anderen Eingange gegenüberliegenden Rückwand des Hofes liegt, mußte in Pergamon wegen der Beschaffenheit des Terrains von dieser Regel abgewichen werden. Das äußere Tor und das innere liegen in derselben Westwand des 89 voneinander getrennt durch die außen an diese Wand an⸗ toßende Stadtmauer. Wer von der Stadt oder von außen her in in den Hof trat, hatte an der Ostseite eine Laubenhalle vor sich, die apränglich eine Brunnenanlage barg. In ihr konnte der Wanderer

erquicken und auch vom Staube der Straße reinigen.

An dieses Tor schließt die Hauptstraße an, die in großen Windungen allmähli ch den Abhang hinaufzieht. Das aus großen Platten bestehende Pflaster ist teilweise noch recht gut erhalten. Von dem starken Wagenverkehr zeugen die tief eingefahrenen Gleise. Unter dem Pflaster liegen die Wasserleitungsröhren und Abwässer⸗ kanäle. Die Grabungen folgten dieser Straße, denn man mußte in ihrer Nähe auf große Gebäude 8 %

Bald kam auch eine sehr große Anlage zum Vorschein. Es ist ein offener Hof von rund 34 % 64 m, von einer doppelgeschossigen Säulenhalle umgeben, hinter der Zimmer liegen, die sich auf den Hof zu öffnen. Man erkannte sofort, daß es sich um einen Marktbau, eine Agora, handelte. Diese aus der Anlage gewonnene Deutung wurde auch durch Inschriftfunde bestätigt. Die den freien Platz umgebenden Zimmer dienten als Läden. Einige dieser Räume an der Westseite

daß sie sich mit geringer Mühe wieder⸗

herstellen ließen. In ihnen ist jetzt das Museum für die Einzelfunde eingerichtet. Die Beschaffenheit des abfallenden Terrains machte ge⸗ wisse Abweichungen von der typischen Gestalt dieser Marktanlagen, wie wir sie aus anderen Städten kennen, notwendig. Der Boden lag im Süden und Osten so viel tiefer als an den beiden anderen Seiten daß noch ein Untergeschoßk angebracht wurde mit Zimmern, die sich auf die vorbeiführenden Straßen öffneten. Im Süden wurde außer⸗ dem noch eine stattliche Säulenhalle vorgelegt. Die Stadt Pergamon hatte noch einen andern großen Markt auf ziemlicher Höhe des 81 Er ist jedenfalls der ältere. Diese fiitt aufgedeckte Agora gehört zur Stadt des Eumenes, ihre Anlage fäaͤllt in die Zeit, als der ganze untere Teil des Bergabhangs der Bebauung üdergeben wurde. In diesem Bau der Königszeit lassen sich noch deutlich Einbauten und Ausbesserungen, die unter der Herrschaft der Römer gemacht wurden, erkennen. Sie sind mit Kalkmörtel ausgeführt, den die griechische Baukunst noch nicht verwendete. Solche Zusätze waren besonders an der Nordseite erforderlich, wo durch Verschiebung des Bodens ein Einsturz drohte. Er wurde durch starke Pfeiler, die hinter den Säulen und vor der Rückwand der Säulenhalle errichtet und mit Bogen ver⸗ bunden wurden, abgewendet. Schon der alte Architekt kannte genau die Gefahr, die solchen am Abhang kngelegten Gebäuden das im Boden von oben herabsickernde Wasser bringt. Er hatte darum da, wo eine Wand mit der Rückseite gegen den gewachsenen Felsen oder das Erdreich sich hätte anlehnen müssen, hinter der nach außen sichtbaren Mauer im Abstand von 4 m eine zweite angelegt, welche die vordere vollkommen isolierte und die Bodenfeuchtigkeit von ihr fernhielt. Daß diese solide Art des Bauens in der Bergstadt Pergamon 5 war, lehrt uns eine hochinteressante, neu gefundene Urkunde, die eingehende polizeiliche Be⸗ stimmungen über Wegebau, Hochbau und Wasseranlagen enthält und in der auch über diesen Isoliergang zwischen den zwei Mauern und die Ableitung der angesammelten Feuchtigkeit gehandelt wird. In dem großen Hofe, dessen Pflaster teilweise noch gut erhalten ist fanden sich die Reste einer christlichen Kirche. Sie muß in ziemlich frühe Zeit hinaufgehen der Bau nimmt noch Rücksicht auf die den Hof umgebenden Hallen, diese standen also noch aufrecht und ist für die Kenntnis der Entwicklung des frühchristlichen Kirchenbaues von großer Bedeutung.

Auf allen vier Seiten des Marktes ziehen sich Straßen hin. An der Ostseite ist es die Fahrstraße zur Oberstadt. An ihr liegt auch der Haupteingang des Marktes. Oberhalb seiner Nordostecke biegt die Straße in scharfem Winkel nach Westen um und führt nun an der Nordseite des Markts hin, und zwar in der Höhe des Daches seiner nördlichen Halle.

An der Straße, die an der Westseite des Marktes hinaufsteigt und an dessen Nordwestecke auf die Hauptstraße trifft, liegt ein 55 großes, palastähnliches Wohnhaus, das ursprünglich einem vornehmen Manne in der veit der Königsherrschaft gehört haben muß, aber in der Kaiserzeit umgebaut wurde. Den Osten nimmt ein großer Vorhof ein, in den eine breite Tür von der Straße her hineinführt. Einige Ge⸗ mächer öffnen sich auf ihn. Von ihm aus gelangt man in einen großen, auf allen vier Seiten einst von Säulenhallen umgebenen Zentralhof, an dessen Nordseite und Westseite die stattlichen Haupt⸗ räume liegen. Die ganze Südseite des Hauses ist abgerutscht. Jetzt hat man von dem Hofe aus einen trefflichen Ueberblick über die anze Agora und namentlich über die heutige Stadt und die Kaikosebene. Auf dem Boden des Hofes ist das Haus gebaut, das den bei den Arbeiten in Pergamon tätigen deutschen Gelehrten als Wohnung dient.

An der Nordwestecke des Marktes wendet die e wieder mit einem starken Knick um und steigt nach Nordosten an. Zunächst ist sie von einer Reihe von Läden eingefaßt, auch kleine, als Treppen angelegte Querstraßen zweigen von ihr ab. Oberhalb dieser Läden, nördlich von der Straße, haben sich die Reste eines zweiten, sehr großen Wohnhauses gefunden, das wir unten noch einmal er⸗ wähnen müssen. Den oberen Verlauf dieses Teils der Straße begrenzt im Norden eine gewaltige Stützmauer, die oben eine Terrasse trägt. Ueber ihr bietet die starke, mit großen halbrunden Türmen versehene späte Festungsmauer einen sehr malerischen Anblick. Diese stammt aus dem späten Altertum, als die Stadt, die sich in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit auch in der Ebene ausgedehnt hatte, anfo ge der immer mehr überhandnehmenden Entvölkerung und der durch Barbareneinfälle verursachten Unsicherheit des Reichs sich wieder auf die Höhe des Berges zurückzog.

Am Ende des eben genannten Abschnitts läßt die Steigung der Straße nach. An dieser Stelle wurde der große Stadtbrunnen auf⸗ gedeckt. Ein Becken von 21 m Länge und 3,15 m Breite war auf drei Seiten mit festen Quaderwänden umgeben; an der Vorderseite, wo die Schöpfenden herantraten, war eine Schranke angebracht. Eine doppelte Säulenreihe trug das aus Steinplatten bestehende Dach. Gespeist wurde das Bassin durch eine Tonrohr⸗ leitung aus der Druckwasserleitung, die aus ziemlicher Ent⸗ fernung vom Gebirge her das Wasser auf den Stadtberg brachte. Links schließt an das Brunnenhaus ein Torgebäude von eigentümlichem Grundriß an. Dieser bildet nämlich den Ausschnitt einer Kreiszone. Von diesem Raume führte einmal eine Tür nach Westen zu der Terrasse, deren große Stützmauer wir schon als Begrenzung der Fahr⸗ straße kennen gelernt haben, ferner eine breite Wendeltreppe in fünf Absätzen zu einer höher gelegenen zweiten Terrasse. Ueber dieser liegt

gestützt. Zur Verstärkung sind den Mauern teils Strebepfeiler vor⸗ Abstand eine zweite gezogen, die mit der vorderen durch Quermauern dadurch entstandenen Kammern G

dieser großen dreifachen Anlage ergibt Platz für diesem Gvmnasium betätigten, in Knaben, Jünglinge und junge sich auf der unteren Terrasse eine große Liste von Knaben gefunden errasse für die Juünglinge, die obere für die jungen Männer in An⸗ ist fast ganz abgerutscht. An ihrer Rückwand, die die Stützmauer der die als Postamente für große Inschrifttafeln und Ehren⸗ 2 m höber gelegenen Mittelterrasse bildete. Die unteren zwei Ad⸗

noch eine dritte. Auch diese Terrassen sind durch mächtige Mauern gesetzt, teils ist da, wo die Mauer besonders hoch sein mußte, und darum einen stärkeren Druck auszuhalten hatte, hinter ihr in gewissem verbunden ist. Die de sind mit Erde und kleinen Steinen ausgefüllt. Die Bestimmung ich aus den gefundenen Inschriften; sie war das Gymnasium, der die Leibesübungen. In den Inschriften werden diejenigen, die sich in Männer geschieden. Wir dürfen 2f mit diesen drei Altersklassen auch die Dreiteilung der Anlage in Zusammenhang bringen, und da hat, die unter König Attalos II. Epheben, d. h. Jünglinge geworden nd so werden wir den unteren Platz für die Knaben, die mittlere spruch nehmen. 8 b Das Terrain der unteren Terrasse, die dreieckige Gestalt hatte, mittleren Terrasse bildet, sind durch die vorgesetzten Strebe⸗ pfeiler Nischen gebildet. In diesen standen einst Bänke, statuen gedient haben. Von besonderer architekturgeschichtlicher Bedeutung ist die Wendeltreppe, die den Zugang zu der 83 sind noch woblerhalten, der obere Theil ist durch einen der pät antiken Festungstürme überbaut. Das Merdwürdtgste ist die noch

a vorhandene Ueberdachung durch ein Tonnengewölde aus sorg⸗ fältig geschnittenen Steinen. Wir haben hier eines der frühesten Beispiele dieser Konstruktion, die dann in der römischen und der späteren Baukunst eine solche Rolle spielt. Daß wir am Anfang der ganzen Entwicklung stehen, daß der Architekt noch etwas ängstlich war lehrt vor allem die noch nicht geschickte Lösung der Aufgabe da, wo zwei Gewölbe in rechtem Winkel aufeinander treffen. das Gewölbe nicht entsprechen 9 steigen, sonder

lauben, doch wird er auch

rrage seines Herrn ged andelt, so be Marterstock und der Herr derliert das detreffende Gut Auch Reß er

er setzte die Bedachung aus mehreren horizontalen, treppenförmig einander überhöhenden Abschnitten zusammen. Steht man jetzt auf der Treppe und blickt hinaus zum Türeingang, so hat man wie in einem Rahmen ein wundervolles Bild der Ruinen und weiterhin des breiten Kaikostales vor sich.

Auf der mittleren Terrasse sind im östlichen Teile die Reste eines Tempels korinthischer Ordnung erhalten. An der Nordseite war ein langer Hallenbau, angelehnt an die Stützmauer der obersten Terrasse, errichtet. Er hatte wahrscheinlich zwei Geschosse. An ihn schließen sich nach Osten mehrere Gemächer an. Eines von diesen ist na vorn durch eine Säulenstellung geöffnet. Nach einer hier 8. in situ gefundenen Inschrift war es ein Kultraum, den Göttern des Gymnasions Hermes und Herakles, später auch noch dem Augustus und der Livia geweiht.

Im Osten führt eine offene Treppe zu der Oberterrasse hinauf. Auf ihr wurde schon in der früheren Periode der Arbeiten gegraben. Es wurde vor allem ein großer Hallenbau aus der römischen Kaiser⸗ zeit dr. Auch die Bestimmung des Ganzen als Gymnasion der jungen Männer wurde durch Inschriftfunde gesichert. Die ursprüng⸗ liche Anlage gehört dagegen, wie die beiden anderen Terrassen, auch in die Königszeit. Eine genauere Kenntnis ist von der weiteren Frei⸗ legung zu erwarten. Zu bemerken ist, daß also an dieser Stelle die neue Grabung an das Gebiet der älteren den Anschluß erreicht hat. „Tcrotzdem alle diese hier betrachteten Gehäude in Trümmern liegen, manche Teile ganz abgestürzt sind, machen diese Ruinen durch die Größe der Abmessungen und die noch jetzt überall sichtbare Sorg⸗ falt der baulichen Ausführung einen gewaltigen Eindruck auf jeden Besucher. Es sind eben die Reste der Hauptstadt eines roßen Reiches, in der Handel, Kunst und Wissenschaft in höchster Blüte standen. Noch ist die Grabung nicht abgeschlossen, für mehrere Kampagnen ist genug Arbeit vorhanden. Welche Ueberraschungen kann uns hier der Spaten noch bringen!

Von Einzelfunden seien nur einige erwähnt. Ziemlich im Anfan der neuen Grabungsperiode wurde ein marmorner Kolossalkop Alexanders des Großen gefunden. Er nimmt unter den erhaltenen Bildnissen dieses Herrschers einen ganz hervorragenden Platz ein, denn er zeigt uns ganz besonders deutlich die Kunstweise des Lysippos, jenes berühmten Künstlers, der das Privileg hatte, Alexander zu bilden. Einen Abguß dieses jetzt in Konstantinopel befindlichen Werkes ist im Berliner Museum aufgestellt.

Eine andere hochwichtige Skulptur kam unter den Trümmern der Läden an der Nordseite der Fahrstraße zwischen Markt und Stadt⸗ brunnen heraus. Sie ist offenbar aus dem großen Hause, das sich, wie oben gesagt, über den Läden erhob, heruntergestürzt. Es ist ein Bild des Gottes he- in der altertümlichen Form eines viereckigen Pfeilers mit aufgesetzter Büste. Solche Bilder wurden besonders an Wegen und Toren aufgestellt. Die Inschrift des Pfeilers sagt uns, daß dieses Bild der Hermes „pro pylon“ ist, ein Werk des Alkamenes. Natürlich handelt es sich nur um eine antike Kopie; das Original, der Hermes Propylaios, stand, wie wir aus der Beschreibung des antiken Reiseschriftstellers Pausanias wissen, am inneren Eingang der Propyläen, des berühmten Prachttores der athenischen Akropolis. Pausanias nennt irrtümlich als den Künstler Sokrates. Durch den pergamenischen Fund erfahren wir den wirklichen Schöpfer und lernen dazu ein be laubigtes Werk dieses Künstlers, des bedeutendsten Schülers des hidias, kennen. Sehr interessant ist es zu sehen, wie der Künstler im ganzen Schema, in der altertümlichen Haar⸗ und Barttracht sich an die alten Vor⸗ bilder gehalten, dafür aber doch der Gesichtsbildung den Stempel seiner fortgeschrittenen Kunst aufgedrückt hat. Diese Vorbilder stammen aus der attischen Tyrannenzeit. Wir wissen, daß Hipparch, der Sohn des Peisistratos, überall in Attika solche Hermenbilder auf⸗ stellen und auf ihnen die Sprüche der sieben Weisen einhauen ließ. Auch darin ahmt die neugefundene Herme jene alten nach. Unten am Schaft lesen wir die Worte: „EFrkenne dich selbst!“ Wie be⸗ rühmt das Werk des Alkamenes war, zeigen die zahlreich vorhandenen Kopien des Kopfes, die sich jetzt um die pergamenische gruppieren.

Unter den vielen wichtigen Inschriften, die herauskamen, seien nur zwei erwähnt, die ein hervorragendes kulturhistorisches Interesse haben. Beide sind einstweilen in den Mitteilungen des atdenischen Instituts, in denen in bestimmten Zwischenräumen über die Arbeiten in Pergamon eingehend herichtet wird, veröffentlicht. Die erste, von verfefsor W. Kolbe trefflich behandelt, ist ein Teil einer großen

olizeiverordnung aus der Zeit der Königsherrschaft. Wir bekommen eine große Achtung vor der Ordnung, die in der Stadt und dem Reiche herrschte, und der eingehenden, auf alles gerichteten Aufmerk⸗ samkeit der Herrscher. Das erhaltene Stück beginnt mit dem Verbot der Okkupation öffentlicher Straßen und Plätze durch Private. Die Straße darf nicht von Privaten aufgegraben werden, es soll auf ihr nicht Lehm be⸗ reitet werden, auch sollen keine Steine auf ihr zugehauen werden. Ferner dürfen keine Abwasserkanäle über dem Pflaster angelegt werden. Kein Unrat soll auf die Straße geworfen werden. Wer irgend etwa der⸗ artiges tut, wird um Geld gestraft, und muß natürlich auch die Straße wieder in ihren früheren Zustand bringen. Weigert er sich, so vergidt die Polizeibehörde die zu leistende Arbeit, und jener muß dann da Anderthalbfache der Kosten bezahlen. Beachtenswert ist, daß bei diesen und den folgenden Fällen auch für die Beamten, die die bier dor⸗ geschriebenen Pflichten nicht erfüllen, Strafen dorgeseben sind. Es wird ihnen von der höheren Behörde eine Geldstrafe diktiert, die de⸗ deutend höher ist als diejenige, die den Pridaten trift außerdem müssen sie dann selbst das Anderthalbfache der Kosten kür die der⸗ gebene Arbeit tragen. Für die Straßenreinigung haben die Anwohner aufzukommen, sie haben nämlich bestimmte Taxen zur Bestreitung dieser Arbeit zu zahlen, die von der Stadt vergeben wird. Wer nicht be⸗ zahlen will, wird gepfändet. Aehnlich liegt auch auf dem freien Lande die Erhaltung der Straßen und Wege den angrenzenden Grund⸗ besitzern od, die ja auch cin natürliches Interesse daran haben.

Eine andere Kolumne der Urkunde enthält Vorschriften der Bau⸗ polizei. Das Verfahren gegen Unbotmäßige ist wieder dasselbe. So wird von der Behörde eingeschritten, wenn ein Haus baufällig ist und den Nachbar bedroht. Besonders eingehende Bestimmungen erfordert der so häufige Fall, daß eine Mauer zwei Häusern gemeinsam war. Er konnte natürlich nur zu oft zu Streitigkeiten der Nachdarn führen. An dieser Stelle wird auch über den zur T rockenlegung einer Wand nöͤtigen Isoltergang gehandelt, don dem wir oben bei der Anlage des Marktes gesprochen haben. Der Nachbar muß die Anlegung eines solchen Ganges auf seinem Grund und Boden gestatten, er nen auch wenn die örtlichen Verhältnisse es erfordern, dem andern den Jugang zu diesem Raume zum Zwecke der Reinigung durch sein Eigentum er⸗ gegen ctwaige Schikanen dieses geschützt.

Die letzten erhaltenen Bestimmungen find in hpgiensscher Hinsicht von großer Bedeutung. Die Abwässerkanäle müssen rein gehalten werden. Besondere Aufmerksambeit dat die olizeidehörde den öffentlichen Brunnen und idren Inleitungen und bleitungen zu widmen. Eine Verunreinigung der Brunnen wird mit ungemein schweren Strafen geahndet. Wer ein Tier an einem Stadtbrunnen tränkt oder Kleider und Geräte in ihm wäscht, geht, wenn er ein Freier ist, des Tieres oder der Gegenstönde verlustig und muß noch 80 Drachmen Strafe Ldlen. Ist er rin Sklave und dat er im Auf⸗

kommt er 50 Stockschläge im Hat schließ⸗ wird ihm

lic der Sklade ans cigenem Antriede sich vergangen, so

seine ganze Habe genommen, er erhält 100 Schläge im Marterstock.