1905 / 125 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 May 1905 18:00:01 GMT) scan diff

sanitären Maximalarbeitstag betrifft, so halten wir daran fest, daß die Regierungsvorlage wohl hätte auch von denen an⸗ genommen werden können, die sonst gegen den Maximalarbeitstag sind. Der Abg. von Heydebrand hat Herrn Dr. Mungdan zitiert, der sich über die Ausbeutung der Krankenkassenorganisation durch die Sozial⸗ demokratie im Reichstag ausgelassen hat. Herr Dr. Mugdan hat niemals gesagt, daß deswegen nun mit der ganzen Sczialpolitik Halt gemacht werden soll. Er ist ein überzeugter Anhänger der Sozial⸗ reform und hat sich sogar, als im Reichstag die Bergarbeiterfrage zur Sprache kam, für Einführung von Arbeiterausschüssen erklärt. Er hat keineswegs behauptet, daß die sozialdemokratischen Kranken⸗ kassen ihre Pflicht nicht tun, ihre Aufgaben vergessen und mit den Mitteln der Krankenkasse sozialdemokratische Agitation treiben. Wir stehen noch immer auf dem Standpunkt, daß diese Fragen des Berg⸗ wesens reichsgesetzlich zu regeln sind. Nachdem der Landtag einmal mit dieser Frage befaßt ist, sind wir zu entschlossener Mitarbeit bereit. Wir werden abwarten, welche Beschlüsse zu den einzelnen Be⸗ stimmungen gefaßt werden, und danach wird unsere Abstimmung aus⸗ bg. Korfanty (Pole): Aus den bisherigen Verhandlungen gewinnt man den zwingenden Eindruck, daß es sich bei der Vorlage gar nicht um ein Gesetz zum Schutz der Bergarbeiter, sondern in erster Linie um den Kampf gegen die Sozialdemokratie und in zweiter Linie um ein Ausnahmegesetz gegen die Bergarbeiter gehandelt hat. Sehr wunderbar mußten die Aeußerungen des Ministerpräsidenten berühren, daß alle diejenigen, welche die Autorität der Regierung respektiert wissen wollen, für diese Vorlage stimmen müßten. Eine Regierung, welche mit allen Mitteln 3 Millionen polnischer Staats⸗ bürger zu unterdrücken bestrebt ist, welche darauf ausgeht, das polnische Volk auszupowern, wird vergebens ihre Autorität reklamieren. Die zweite Lesung ließ es deutlich hervortreten, daß man die Verhältnisse der Bergarbeiter nicht verbessern will, und um diese Abneigung zu markieren, verstecken sie sich hinter der Furcht vor der Sozialdemokratie. Die Uebermacht der Arbeitgeber ist augenschein⸗ lich; der freie Arbeitsvertrag ist kein Vertrag mehr, sondern wird von dem Arbeitgeber diktiert. Die Regierung aber denkt nicht daran, die Uebermacht wirklich zurückzudämmen, um dem Arbeiter zu seinem Recht zu verhelfen. Die Arbeitgeberorganisationen sind unter der Bei⸗ hilfe der Regierung so erstarkt, daß sie sich alles erlauben können, daß sie aufs allgemeine Interesse keine Rücksicht mehr nehmen. Die Bergarbeiter aber werden, wenn sie vom Koalitionsrecht Gebrauch machen wollen, drangsaliert von den Arbeitgebern im Verein mit den Staatsbehörden, wie es skandalöser nicht gedacht werden kann. Die brutale Gewalt, die die Arbeitgeber ausüben, spricht sich aus in den Arbeitsordnungen, die dem Arbeiter überhaupt keine Rechte, sondern nur Pflichten auferlegen. Von einer Vereinbarung des Lohnes mit dem Arbeiter ist keine Rede. Der Bergarbeiter muß die Rute küssen, die ihn peitscht; er muß dem Arbeitgeber gehorsam sein auch bei den Wahlen, auch bei der Wahrnehmung seiner politischen Rechte nach der Melodie: wes Brot ich esse, des Lied ich singe. Der Diktatur des Grubenbesitzers sollte wenigstens in etwas durch die Vor⸗ abgehbolfen werden. (Die Unruhe im Hause wird stärker, so daß der Redner nur noch bruchstückweise zu verstehen ist.) Von den Arbeiterausschüssen ist aber in der Kom⸗ mission nicht viel übrig geblieben, und was jetzt wiederhergestellt werden soll, genügt nicht im geringsten. Von der Festsetzung des Gedinges und der Mitwirkung der Ausschüsse bei der Schlichtung von Streitigkeiten darüber ist keine Rede. Die Zulassung der Auflösung m Falle der Kompetenzüberschreitung und die Befugnis des Arbeit⸗ ebers, den Ausschuß auf ein Jahr außer Tätigkeit zu setzen, sind für uns unannehmbar. Die geheime Wahl wollte man nicht zugestehen, sondern die öffentliche an ihre Stelle setzen, und das in einem ugenblick, wo die erneute Verhandlung des Saarbrücker Prozesses in Trier zeigt, wie die Bergarbeiter auch bei der geheimen Wahl völlig in der Hand ihrer Vorgesetzten und der Grubenberren sind. Und da ist es die Regierung selbst, die an diesen Zuständen mit schuld ist. Wie an der Saar, ist es natürlich auch in Ober⸗ chlesien. Solange die Hauptmängel des Entwurfs nicht beseitigt f unannehmbar. Die Beseitigung des

sind, ist die Vorlage für uns 5 her malstundentages aus der Vorlage ist geradezu ein Attentat gegen ie Bergarbeiter. Abg. Wolff⸗Lissa (frs. Vgg.): 1 ent sich gegen den Vorwurf wahren zu müssen geglaubt, daß er. bei diesem Gesetz zu exzessiv in der Berücksichtigung der Arbeiterinteressen gewesen

Der Ministerpräsident hat

sei. Der Vorwuff ist sicherlich unbegründet. Wir haben bereits früher hervorgehoben, daß uns der Gesetzentwurf als das Mindeste an sozialpolitischer Rücksichtnahme gegen die Bergarbeiter erscheint. Gegen uns kann ferner die Klage nicht erhoben werden, wir unterstützten die Autorität der Regierung nicht genügend. Wir haben von Anfang an bierin die Regierung unter⸗ stützt, während sie von der rechten Seite angegriffen wurde. Der Ge⸗ setzentwurf hat in zweiter Beratung teils durch Annahme der Kom⸗ missionsbeschlüsse, teils durch Ausscheidung der Bestimmungen über die Arbeiterausschüsse eine für uns wertlose Gestalt angenommen. Der Ministerpräsident meint, daß die gemachten Kompromißvorschläge im wesentlichen das wiedergeben, was die Regierungsvorlage gewollt habe. Das scheint mir nicht der Fall zu sein, denn gegenüber der Regierungsvorlage sind die Voraussetzungen für das passive Wahlrecht erschwert. Es ist ferner die Auflösung und die Suspendierung von Arbeiterausschüssen zugelassen worden. Ueberraschend kam freilich die Ansicht, daß es sich hier um überein⸗ stimmende Maßnahmen handelt; man scheint in bezug auf Ueberein⸗ stimmung wenig anspruchsvoll zu sein. Wenn man die heutigen Ausführungen Herrn von Zedlitz' gehört hat und seine Bemerkung, daß er sich nicht wesentlich von seinem Standpunkt bei der zweiten Be⸗ ratung entfernt habe, so muß der geringe Anspruch in der Uebereinstimmung überraschen. Es wäre wünschenswert, seine beiden Reden hintereinander gedruckt zu sehen, damit die Mit⸗ welt sich ein Urteil darüber bilde. Auf die allgemeinen Fragen will ich nicht eingehen. Unerläßliche Bedingung ist für uns, daß das geheime Wahlrecht eingeführt wird. Im übrigen haben wir einen Antrag eingebracht, der unsere Wünsche enthält und im wesentlichen die Regierungsvorlage wiedergibt. Sollten diese Anträge abgelehnt werden, so werden wir für die Kompromißanträge stimmen. Diese enthalten zwar keineswegs das, was wir für die Arbeiter für nötig halten, aber er bildet doch eine Grundlage, die einen Schutz der Arbeiter und eine Beseitigung der erheblichsten Schäden darstellt. Wir wollen lieber ein Gesetz zus berechtigten Wünsche Rechnung trägt, stande zu belassen. Kompromiß stimmen. Darauf wird die Generaldiskussion geschlossen. Dem § 80 c 2, durch welchen das wird, wollen die Abgg. Hitze und Gen. hinzufügen:

als es bei dem bisherigen Zu⸗

„Der Bergwerksbesitzer ist ferner verpflichtet, den Lohn des f ständigen Arbeiterausschusses Arbeiter verschußweise zu den vorschußweise gezahlten Lohn den

Vertrauensmannes auf Antrag des 11“ Mehrzahl der beteiligten zahlen er ist berechtigt, 3 beteiligten Arbeitern bei der Lohnzahlung in Abzug zu bringen. Abg. von Brandenstein (kons.):

Aufhebung des Nullers zu begründen. eine humane Einrichtung, über deren 2 der Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und treffen kann, und die gesetzlich zu ändern nicht der Anlaß vorliegt. Dieser Eindruck ist noch verstärkt worden

macht haben. zwecke konstruiert.

zustande bringen, das einem Teil der

sprechend davon zu überzeugen, daß im Bergbau Mißstände vorhanden 122 die ein Einschreiten der Gesetzgebung erforderlich machen. Außerdem haben wir, wenigstens ich für meine Person immer und immer die Herren Bergbeamten, insbesondere die Revierbeamten, darauf aufmerksam gemacht, daß wir keines wegs gekommen wären, um etwas Böses zu sehen, sondern uns davon zu überzeugen, ob unleid⸗ liche, unerträgliche Mi ände zu finden seien. Wenn es nun ist, uns diese

den Herren nicht F i vorzuführen, so schließe ich daraus, daß . Fftänd⸗ eben nicht vorhanden sind. i der

Der Minister hat das ja Kommission und im Hause auch eigentlich zugegeben. Auch die Beamten haben gesagst, das Nullen wäre gar nicht eine so schlechte Einrichtung, die Arbeiter wollten nun einmal die Abschaffung. Das ist das rote Tuch für sie. Man meint wohl, warum soll man nicht einmal dem Unverstand ein Opfer bringen. Wir sind nicht gewillt, bei Gelegenheit der Gesetz⸗ gebung dem Unverstand ein Opfer zu bringen, namentlich, wenn er seine Abstammung berleitet pon der Sozialdemokratie, und wenn die Staatsregierung nachgibt. Diese Bestimmungen sind im wesent⸗ lichen eine Prämie auf den Kontraktbruch und eine Kapitulation der Staatsregierung vor der Sozialdemokratie, die wir unter keinen Um⸗ ständen 88*

Minister für Handel und Gewerbe Möller: 8

Meine Herren! Die letzten Worte des Herrn Vorredners ware doch zu kräftig, um nicht darauf antworten zu müssen.

Meine Herren, die Spezialfrage, um die es sich hier handelt, wird der Herr Vorredner wohl nicht als eine Kapitulation vor der Sozialdemokratie bezeichnen, sondern er wird sich hier wohl etwas als Generalredner gefühlt haben, als welcher er nicht mehr gesprochen hat; vielleicht hat auch dieser Ideengang auf ihn eingewirkt. Meine Herren, die Vorlage ist keine Kapitulation, sondern die Vorlage ist, wie ich bei der Generaldiskussion der ersten Lesung schon ausgeführt habe, eine ganz naturgemäße Konsequenz der ganzen Entwicklung ge⸗ wesen. (Widerspruch rechts.) Und so muß ich nochmals hier ganz kurz skizzieren, wie wirklich die Entwicklung gewesen ist, nicht, wie sie jetzt in den Gehirnen vieler Herren der Presse und auch, wie sie hier vielfach dargestellt wird.

Meine Herren, der Streik ist entstanden, weil man auf der Zeche Bruchstraße die Einfahrtseit verlängerte, obgleich man wußte, daß dies ein Streikfall für die Arbeiterschaft war. Der Streik ist dann von seiten der Arbeiterführer nach Möglichkeit hintangehalten, man hat ihn lokalisieren wollen, schon im eigenen Interesse, damit es nicht zu viel Geld kostet. Man hat das nicht gekonnt. Der Streik ist dann ein Sympatbiestreik geworden, ein Streik der anderen, die die Brüder auf der Zeche Bruchstraße haben unterstützen wollen. Alles Zurvernunftreden, daß die zeit und das Geld für den Streik nicht da wäre, daß die Ursache auch nicht geeignet wäre, einen Generalstreik zu inszenieren, haben nichts gepuchtet, der Streik ist entstanden.

Und, meine Herren, damm haben wir nicht die einzelnen Uebelstände, von denen bei den Unterstchungen die Rede gewesen ist und die die Herren bei ihrem Besuche hiobachtet haben, zur Grundlage unserer Ge⸗ setzevorlage gemacht, sonden wir haben geprüft die Vorgeschichte nicht dieses Streiks, sondern der gazzen Bergarbeiterbewegung in Westfalen seit 15, 20 Jahren. Wir sind wie ich das in meiner Einführungsrede gesagt habe, lediglich davon ausgegangen, daß wir Versprechungen, die den Arbeitern im Jahre 1889 gemacht worden waren und die, nicht aus Böswilligkeit sondern durch die Entwicklung der Dinge nicht ge⸗ halten worden sind, und die Klagen der Arbeiter zum Gegenstand unserer Gesetzgebung gemacht habes. Das Nullen stand allerdings außerhalb, ist aber dann auch schon merkannt, selbst von Mitgliedern des Bergbaulichen Vereins, als eine sehr stritige Sache.

Herr von Brandenstein sagt, das Nullen wäre eine humane, eine milde Sache, und andererseits, es wäre eine Schwäche gewesen von seiten der Regierung und der anderen Parteien, die dem zugestimmt haben, daß man die Beseitigung eines roten Lappais zum Gegenstand der Gesetzgebung gemacht hätte; Herr von Bragfenstein behauptete dann, man trüge dem Unverstand Rechnung. Nein, neine Herren, ich habe aus⸗ geführt, das wiederhole ich hier man eseitigt einen der gefähr⸗ lichsten Agitationsstoffe, den es in der garbeiterbewegung je ge⸗ geben hat und in Zukunft geben wird, und wir beseitigen etwas, ohne welches man in fast allen Bergrevieren Fr Welt auskommt. Was man im übrigen Deutschland nicht brauch meine Herren, das braucht man schließlich auch im Ruhrrevier selbsthicht. Und, meine Herren, im Ruhrrevier haben seit Jahren eine suze Reihe von Zechen das Nullen als ein notorisches Aergernis die Arbeiter bereits selbst beseitigt. Ich glaube, das Nullen ist ein von den Fragen, die wirklich in allerletzter Linie hier in Betracht komfen; es hat eine sehr geringe Bedeutung an sich, ist aber, wie ich besder ersten Lesung ausgesührt habe, der gefährlichste Agitationsstoff, de es überhaupt gibt. Warum soll man einen derartig gefährlichen Agkstionsstoff nicht ausräumen? Wir würden schwere Gefahr hervorrufez wenn wir jetzt, namentlich in diesem Stadium, nachdem man glaßt, die Sache würde beseitigt werden, wieder zurückkehren wollte zu en früheren Zustande.

Meine Herren, ich bitte Sie drinend, es bei dem Beschlusse zu lassen, wie die Kommission und die ermittelungsanträge ihn for⸗ muliert haben: es liegt keinerlei Anlch vor, von dem, dem die große Mehrheit in der Kommission und vor allen Dingen die Ver⸗ treter der Bergwerksinteressen in der Kommission selbst zugestimmt haben, abzugehen.

Abg. Schiffer (nl.):

Wir bperden dem Antrag Hitze zu⸗ stimmen, glauben aber, daß

seine Fraktische Anwendung zu großen

Wir werden deshalb für das Gesetz mit dem

Nullen verboten folgenden Zusatz

Da wir in der General⸗ diskussion nicht mehr zum Worte gekommen sind, so muß ich mich darauf beschränken, unsere ablehnende Stellung zu der Bestimmung über die

Üö Jedenfalls ist das Nullen eibehaltung oder Abschaffung Arbeiter Bestimmung mindeste durch die Beobachtungen, die wir an Oxct und Stelle im Ruhrrevier ge⸗ Die Verhältnisse waren keineswegs für unsere Studien⸗ Die Revierbeamten, denen ja die Beaufsichtigung des Bergbaues obliegt, und die von dem Betrieb der Bergwerke min⸗ destens ebenso viel verstehen müssen als Zeitungsschreiber, haben offen⸗ bar den Auftrag gehabt, uns den Intentionen des Ministers ent⸗

Schwierigkeiten Anlaß geben kann. Es fellt eine Bestimmung in

dem Gesetz, wer „die beteiligten Arbster“ siw, und diese Frage hängt mit der anderen zusammen: wer singdie Arbiter, die den Vertrauens⸗ mann beanspruchen können? Ist erfordrlich, daß die Mehrheit der beteiligten Arbeiter diesen Wuns hat?

Oberberghauptmann von Velsen: TS möchte die Anfrage des Abg. Schiffer gleich dahin beantwerten, bei der Regierung gar kein Zweifel darüber besteht, wie de Sack gehandhabt werden soll. Wenn die Mehrheit der Arbeiter eien Vetrauensmann wünscht, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, ihn zu ellen. Die verauslagten Kosten werden sodann von der Gisamthe der beteiligten Arbeiter wieder eingezogen. b

Der Antrag Hitze wird gegen d Stimmen der Konser⸗ vativen und eines Teils der Freikonserativen angenommen.

Zu § 80 f (in der zweiten Lesung abgelehnt) liegt der Antrag Friedberg⸗Schiffer (nl.) Por, den Paragraphen

mit dem Antrag Dippe in zweiter Lung übereinstimmender Fassung wiederherzustellen: 1 1 „(Abs. 1.) Auf denjenigen Bergaken, auf welchen in der Regel mindestens 100 Arbeiter beschigt werden, muß ein ständiger Arbeiterausschuß orhanden sein. Ihm liegt es ob, darauf hinzuwirken, daß dasute Einvernehmen innerhalb der Belegschaft und zwische der Belegschaft und dem Arbeitgeber erhalten bleibt odewieder hergestellt

in folgender, mit Ausnahme der öffenichen Wahl, wesentlich

.

(Abs. 2.) Der ständige Arbeiterausschuß hat die in den §§ 80 c, 80 d und 80; bezeichneten Aufgaben. Durch die Arbeitsordnung können ihm noch weitere Aufgaben zugewiesen werden. Außerdem hat 8 er An träge, Wünscheund Beschwerdender Belegschaften, die sich auf die Betriebs⸗ und Arbeitsverhält⸗ nisse des Bergwerks beziehen, zur Kenntnis des Berg⸗ werksbesitzers zu bringen und sich darüber zu äußern.

(Abs. 3.) Ein Arbeiterausschuß, der seine im Abs. 2 begrenzte Zuständigkeit überschreitet, kann nach fruchtloser Verwarnung durch das Oberbergamt aufgelöst werden. Nach wiederholter Auflösung kann das Oberbergamt die Vorschrift des Abs. 1 auf höchstens ein Jahr außer Kraft setzen“ (d. h. den Aus schuß suspendieren). 8

Nach Abs. 4 des Antrags sollen als Arbeiterausschüsse elten die Krankenkassenvorstände, die Knappschaftsältesten, die bereits bestehenden Arbeiterausschüsse und endlich solche Ver⸗ tretungen, die von den Arbeitern in unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt werden. Die Verhältnis⸗ wahl soll zulässig sein. Zur Wahl berechtigt sollen nur volljährige Arbeiter sein, welche mindestens ein Jahr f dem Bergwerk gearbeitet haben. Die

ununterbrochen auf 1 gewählten Vertreter sollen mindestens 30 Jahre alt auf dem Bergwerk

sein und mindestens drei Jahre gearbeitet haben, und sie sollen ferner der deutschen Sprache mächtig sein; ihre Zahl soll mindestens drei betragen. Die Arbeiterausschüsse sollen mindestens alle fünf Jahre neu zu wählen sein. Die Abgg. Fischbeck u. Gen. (fr. Volksp.) beantragen im wesentlichen die Wiederherstellung der Fassung der Regierungsvorlage, jedoch mit der Aenderung, daß schon bei 50 Arbeitern ein Arbeiterausschuß u errichten ist, daß der Ausschuß Anträge, Wünsche und Zeschwerden auch an das Oberbergamt richten kann, daß das Er⸗ fordernis der deutschen Sprachkenntnis gestrichen wird und die Zahl der Ausschußmitglieder mindestens fünf beträgt. 8

Abg. Oeser (fr. Volksp.) befürwortet den Antraz Fischbeck, der die Regierungsvorlage in § 80 f in allen wesentlichen Punkten wieder⸗ herstellen will. Nach der bestimmten Erklärung des Minister⸗ präsidenten sei freilich zu fürchten, daß dieser Antrag jetzt keine Mehr⸗ heit finde. Der Kompromißantrag der Abgg. Friedberg und Schiffer enthalte einige Verbesserungen, enthalte aber die grundsätzlich bedenk⸗ liche Bestimmung, daß der Arbeiterausschuß aufgelöst und schließlich durch das Oberbergamt auf ein Jahr suspendiert werden könne, wenn er seine Zuständigkeit überschritten habe. Das sei ein Aus⸗ nahmegesetz schlimmster Art. So wenig man die Verfassung suspendieren dürfe, so wenig dürfe man den Arbeiterausschuß suspendieren lassen. Es werde doch hier eine Verfassung für das Arbeitsverhältnis geschaffen; alle Rechte, die dem Arbeiter hier gegeben würden, beseitige man mit einem Schlage wieder, wenn man die Suspension zulasse. Der Redner erinnert zur Frage, ob öffentliche oder geheime Wahl, auch seinerseits an die Ergebnisse des Saarbrücker Prozesses und seiner zweiten Auflage. Die Bedingung, daß in Arbeiterausschüssen nur der wählen könne, der mindestens 1 Jahr auf dem betreffenden Werk beschäftigt ist, sei ebenfalls eine Ver⸗ schlechterung gegenüber der vrbeces Regierungsvorlage; noch viel mehr aber diejenige, daß zum Vertreter nur gewählt werden kann, wer mindestens drei Jahre ununterbrochen auf dem Werk gearbeitet hat. Mit der Bestimmung wegen der Auflösung und Suspension sei der Antrag Friedberg unannehmbar.

Minister für Handel und Gewerbe Möller:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat im Eingang seiner

Rede erklärt, daß er mit der Regierung von Anfang an bei dieser Vorlage Arm in Arm gegangen wäre. Ich hätte gewünscht, daß er das auch bis zum Schluß seiner Rede fortgesetzt und hier seine Zu⸗ stimmung zu dem Antrag auf Nr. 1014 nicht davon abhängig gemacht hätte, daß der Absatz 3 fortfiele. Ich kann dem Herrn Vorredner nicht verhehlen, daß auch ich das Gesetz lieber ohne diesen Zusatz akzeptiert bätte; aber, meine Herren, ich bin so weit Realpolitiker und das Staatsministerium ist mit mir so weit realpolitisch, daß wir uns den Verhältnissen fügen, die in diesem hohen Hause gegeben sind. Nachdem vollständig klargestellt ist, daß für die Regierungsvorlage und das, was der Herr Vorredner verteidigt hat, eine Mehrheit in keiner Weise zu finden ist, nehmen wir von der Vorlage das, was wir immerhin für so gut und wichtig halten, daß wir glauben, es nicht verantworten zu können, uns gegen die Gesamtheit des Antrages auf Drucksache 1014 auszusprechen, auch selbst mit dem, was mir nicht sympathisch ist Wir fühlen die volle Verantwortung dafür, daß wir, wenn wir in diesem Punkt an der Regierungsvorlage festhalten, dann die gesamte Vorlage in Gefahr bringen, und diese Verantwortung lastet auf uns so schwer, daß wir nicht anders können, als die Vor⸗ lage in der Fassung annehmen, wie sie von den Mehrheitsparteien vorgeschlagen ist. Ich hoffe, daß der Herr Vorredner es sich auch noch einmal überlegen wird, ob er, der ja doch für die Vorlage im ganzen ist, nicht das Verantwortungsgefühl mit uns teilen und für die Vorlage stimmen wird, wenn es darauf ankommt, daß seine und seine Freunde Stimmen notwendig sind.

Abg. Schiffer (nl.): Ich schließe mich dem letzten Wunsche des Vorredners an. Ich verstehe allerdings, daß Herr Oeser es schmerzlich empfindet, wenn die Bundesgenossenschaft mit der Staatsregierung hier nicht Stich hält. Es handelt sich hier um eine Organisation des Friedens, um eine Maßnahme, welche gegen Mißbrauch unter Umständen geschützt werden soll. Die Parallele des Arbeiterausschusses mit politischen Körperschaften lehnen wir aus⸗ drücklich ab. Von den Machtmitteln des Staates soll ja keineswegs den Arbeitern gegenüber sofort der rücksichtsloseste Gebrauch gemacht werden, deshalb ist zunächst Verwarnung vorgesehen; auch soll die Suspendierung an eine wiederholte Auflösung geknüpft werden. Damit ist die Gewähr gegehen, daß nicht allzuscharf und allzuschnell einge⸗ schritten wird. Ohne die Suspension ist aber unseres Dafürhaltens nichts zu erreichen, wenn es sich wirklich um ein Instrument des Friedens handeln soll. Es handelt sich um eine spezielle Behandlung spezieller Fälle, welche keineswegs eine Spitze gegen die Arbeiter⸗ organisation hat. Die Voraussetzungen für die Wahl haben wir im übrigen ermäßigt, um den Kreis der Wahlberechtigten zu erweitern. Eine gewisse Reife, ein gewisses Verantwortlichkeitsgefühl muß dem Arbeiter innewohnen, der zum Arbeiterausschuß wählen will und ge⸗ wählt werden darf.

Abg. von Kardorff (freikons.): In meiner langen parlamentarischen Dienstzeit habe ich nicht gerade selten über Arbeiterausschüsse reden hören. Noch heute kann ich mich nicht losmachen von der Auf⸗ fassung, daß die obligatorische Einführung von Arbeiterausschüssen eine Einmischung in den freien Arbeitsvertrag ist, die allenfalls nur in den eigentümlichen Verhältnissen der Bergarbeiter ihre Be⸗ rechtigung findet. Dieser Standpunkt ist aber heute von ziemlich allen Parte en schon verlassen, und selbst die Konservativen haben sich auf den Standpunkt gestellt, unter den heutigen Verhältnissen seien solche für Bergarbeiter eine Notwendigkeit. Wenn wir sehen, wie leiden⸗ schaftlich die Sozialdemokratie für diese Ausschüsse eintritt, so ist es doch klar, welche Ziele sie dabei verfolgt: sie will in den Ausschüssen Kampforgane gewinnen für die sozialdemokratische Propaganda. Wenn wit jetzt hier diese Ausschüsse konzedie so wollen wir versuchen sie

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anst bei den Handelsverträgen im Auge behalten; wir müssen ihm

i mu Kampforganen zu machen, sondern zu Instrumenten, welche 98 Einvernehmen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern nach . t ichkeit konservieren bezw. wiederherstellen können. In dem öffent⸗

en Wahlrecht sehe auch ich eine größere Garantie nach der Richtung, e diese Ausschüsse nicht der Sozialdemokratie anheimfallen. Aber aͤschätzen soll man doch das öffentliche Wahlrecht auch nicht. z kenne eine große Menge von Fabrikanten, welche bei Einführung

Arbeiterausschüsse auf ihren Werken die geheime Wahl vorgezogen uzen; auch viele Bergwerksbesitzer würden, wenn man sie befragte,

nworten, daß sie die geheime Wahl vorzögen. In den direkt be⸗ Aaigten Kreisen selbst ist also eine sehr verschiedene Auffassung; ich

tt versönlich würde ja immer die öffentliche Wahl vorziehen. Der rapromißantrag gibt aber eine recht große Zahl von Garantien, s die Wahlen nicht absolut zu Gunsten der Sozialdemokratie

Fallen. Ganz werden wir das ja nicht verhindern können. Eine erse Kautel ist die vorgeschlagene Karenzzeit für das aktive und eiswe Wahlrecht. Jedenfalls werde ich nicht das ganze Gesetz age stellen, bloß um nicht die geheime Wahl zu konzedieren. „Herr von Heydebrand sich in zweiter Lesung lebhaft über den alliberalen Antrag beschwerte, so kann ich ihm nicht unrecht den; aber er muß doch auch beachten, daß die Kommissionsmitglieder git absolut sind, sondern nachher von ihrer Partei desavouiert b können. Hätten die Konservativen sich nicht ablehnend

aam weitere Kompromißverhandlungen verhalten, so wäre viel⸗ tt noch mehr zu erreichen gewesen. Der Kanzler hat

großer Energie das Gedeihen der deutschen Landwirt⸗

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cfr dankbar sein, und diese Dankbarkeit sollte uns zur Pflicht ucchen, ihm in dieser Frage keine Verlegenheiten zu bereiten. Er sind überzeugt, die verkehrte Politik der Nachfolger des Fürsten zmarck gegenüber der Sozialdemokratie auf irgend eine Art zu be⸗

,, wird ihm auch gelingen. Wenn die Krankenkassengesetzgebung

uch eine Novelle umgestaltet würde, welche der Herrschaft der saldemokratie darin ein Ende bereitete, würde das die Nation mit wier Freude begrüßen. 8 8

Ein Schlußantrag wird angenommen.

In persönlicher Bemerkung versucht der Abg. Trimborn (Zentr.) sachlich auszuführen, was ihm aus⸗ vibren durch den Fohle der Diskussion unmöglich gemacht worden vird aber vom Präsidenten mehrfach unterbrochen und muß zn großer Heiterkeit des Hauses von seinem Vorhaben abstehen; vetläßt mit den Worten: Sapientibus sat! die Tribüne.

Der Antrag Fischbeck wird gegen Freisinnige und Polen oelehnt, ebenso der Antrag Bockelberg gegen die Konser⸗

Ueber den Satz im Antrage Friedberg: „Nach wieder⸗ nner Auflösung kann das Oberbergamt für das betroffene bagwerk die Vorschrift, daß ein Arbeiterausschuß vorhanden ir muß, auf die Dauer von höchstens einem Jahre außer eft setzen“, wird auf Antrag Fischbeck gesondert abgestimmt.

Die Abstimmung bleibt nach Probe und Gegenprobe cfelhaft; die Auszählung ergibt die Aufrechterhaltung des zes mit 209 gegen 137 Stimmen. Gegen den Satz amen die Konservativen, einige Freikonservative, die Frei⸗ erigen und die Polen.

Ebenfalls wird die geheime Wahl gegen die Stimmen Konservativen und einiger Freikonservativen im Antrage biffer aufrechterhalten; der Antrag wird darauf auch im zen angenommen.

Bei den Bestimmungen über die Arbeitszeit wird der Za, wonach diese Bestimmungen nur für Steinkohlen⸗ erxgwerke gelten, unverändert angenommen. Nach § 93 b sdie regelmäßige Arbeitszeit durch die Ein⸗ und Ausfahrt tt um mehr als eine halbe Stunde verlängert werden. 8 Mehr soll auf die Arbeitszeit angerechnet werden.

Ein Antrag der Abgg. Stengel und Freiherr von blitz und Neukirch, hinzuzufügen: „Eine Verlängerung k Arbeitszeit, welche für Umgehung der vorstehenden Be⸗ amungen erfolgt, ist unzulässig“, wird nach kurzer Be⸗ wortung durch den Abg. Freiherrn von Zedlitz angenommen.

Im übrigen werden die Bestimmungen über die Arbeits⸗

unverändert nach den Beschlüssen zweiter Lesung an⸗ zommen

Zu dem von der Kommission vorgeschlagenen § 192a, echer die Zulassung des Verwaltungsstreitverfahrens gegen

Entscheidungen des Oberbergamts auf Grund dieser Novelle

elt, beantragen die Abgg. Dr. Friedberg und Schiffer em Zusatz, wonach gegen die Entscheidung des Oberbergamts

Grund des § 197 die Klage nicht beim Bezirksausschuß,

Irn bei dem neu von ihnen beantragten Bergausschuß rinden soll, und ferner gegen die Entscheidung des Bezirks⸗ schusses sowie des Bergausschusses das Rechtsmittel der esion bei dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

Nach kurzer Erläuterung des Antrages durch den Abg. ziffer und der Zustimmung des Oberberghauptmanns Velsen wird § 192a nach dem Antrag Friedberg⸗Schiffer genommen.

Die Abgg. Dr. Friedberg und Schiffer beantragen durch scaltung eines § 194a die Bildung eines Bergaus⸗ aisses bei dem Oberbergamt. Der Bergausschuß soll hen aus dem Berghauptmann als Vorsitzendem und sechs zliedern, von denen zwei aus dem Oberbergamt durch den delsminister ernannt werden und die vier anderen Mit⸗ der durch den Provinzialausschuß gewählt werden.

Ohne Debatte wird der Antrag angenommen. gbg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch will den § 197 weiten Satz des Absatzes 1 folgendermaßen fassen:

Die Oberbergämter sind verpflichtet, zu prüfen, ob mit Rück⸗ tt auf die den Gesundheitszustand der Arbeiter heeinflussenden etriebsverhältnisse eine Festsetzung der Dauer, des Beginnes und * Endes der täglichen Arbeitszeit geboten ist. Gegebenenfalls ft das Oberbergamt nach Anhörung des Gesundheitsbeirats die azu erforderlichen Festsetzungen für den Oberbergamtsbezirk und Teile desselben und erlaßt die zur Durchführung erforderlichen zerdnungen. Aus besonderen Gründen können einzelne Bergwerke ibren Antrag durch das Oberbergamt von der Beobachtung wver Vorschriften gänzlich oder teilweise, dauernd oder zeitweise zzuanden werden.“

Lög. Fischbeck (fr. Volksp.): Wir halten es nicht für angebracht, in der dritten Lesung nochmals den Versuch zu machen, die Re⸗ urssvorlage wiederherzustellen. Wir geben uns der Hoffnung hin, wenn diese Bestimmung in der von dem Abg. von Zedlitz vor⸗ slagenen Form Gesetz wird, für Leben und Gesundheit der Arbeiter schend gesorgt werden wird. Wir werden für diesen Antrag und * für das ganze Gesetz stimmen.

Der Antrag von Zedlitz und Neukirch wird ange⸗ nen, ebenso der Rest des Gesetzes ohne Debatte.

Auf Vorschlag des Abg. Dr. Spahn wird über den Fentwurf sofort im ganzen abgestimmt; er gelangt gegen Stimmen der Konservativen, Polen sowie einiger Frei⸗ fewativen und Freisinnigen endgültig zur Annahme. Schluß 4 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr. eite Lesung des Stittegungsgesebes.) 8

Statistik und Volkswirtschaft.

1114“ Cöniglich preußische Statistische Bureau, das am 28. Mai auf das erste Jahrhundert seines Bestehens zurückblicken kann, hat aus diesem Anlaß eine glänzend veröffentlicht, die neben einem kurzen Rückblicke auf die Ent⸗ wicklung der brandenburgisch⸗preußischen Statistik überhaupt ein übersichtliches und doch erschöpfendes Bild über den äußeren und inneren Werdegang, die Bestrebungen und Leistungen der preußischen statistischen Landeszentralstelle sowie der sach⸗ lichen Bedingungen gibt, unter denen sie die ihr bei ihrer Gründung gestellte Aufgabe im ersten J rhundert ihrer Wirk⸗ erfüllt hat. Die von dem Präsidenten des Statistischen zureaus, Geheimen Oberregierungsrat Blenck herausgegebene Fest⸗ schrift gliedert sich in drei Teile. Der erste enthält eine geschichtliche Darstellung des Werdens und der Entwicklung der mit der Pflege der amtlichen Statistik in Preußen betrauten Behörde und eine systematische Behandlung der ihr zufallenden einzelnen weige dieser Tätigkeit. Der zweite Teil, mit dem ersten in einem de vereinigt, bringt statistische Tabellen und Uebersichten, die dem dritten Teile, einem 116 Tafeln umfassenden „Statistischen Atlas für den preußischen Staat⸗, als Unterlagen dienen und eine eingehende wissenschaftliche Benutzung des umfangreichen Stoffes gestatten. Der im ersten Teil enthaltene Bericht erstreckt sich auf die Geschichte des Statistischen Bureaus im allgemeinen einschließlich der Ressortveränderungen, denen es unterworfen war, auf seine äußere Entwicklung, auf sein Arbeits⸗ 7 überhaupt und auf seine einzelnen Arbeiten, auf seine Ver⸗ indung mit anderen Instituten, auf seine wissenschaftlichen und mechanischen Hilfsmittel, auf seine Veröffentlichungen als in die Außenwelt tretendes Ergebnis seiner Tätigkeit, auf seine Etats⸗ und Personalverhältnisse sowie auf das Heim, in dem das preußische Statistische Bureau seit über 90 Jahren sich be⸗ findet. Bei der Schilderung seines Geschäftskreises und der in ihm eingetretenen Aenderungen sind die ersten neun Jahrzehnte der Wirksamkeit des Statistischen Bureaus, da über diese bereits frühere, zum Teil sehr ausführliche Veröffentlichungen vorliegen, nur kurz behandelt; dagegen folgt der Bericht für den Zeitraum von 1896 bis 1905 der Entwicklung der preußischen statistischen Zentralstelle und ihrer Tätigkeit genauer und legt insbesondere den gegenwärtigen

Stand ihrer Arbeiten, ihrer Leistungen und Kräfte des näheren dar. Ein Ausschnitt aus dem Gesamtgebiete der Königlich preußischen Verwaltung und mit deren Geschichte eng verbunden, zeigt die Ge⸗ schichte des Königlichen Statistischen Bureaus ein getreues Bild der weitgehenden Ausgestaltung, welche die Formen des Staatslebens zu⸗ leich mit dem Wachsen der öffentlichen Aufgaben im letzten ahrhundert erfahren haben. Aus kleinsten Anfängen ist das Königliche Statistische Bureau erwachsen. Das lebendige Erwachen des Bewußtseins, vor allem sich selbst erkennen zu müssen, war für den preußischen Staat eines der Zeichen seiner Wiedergeburt. Dieses Bewußtsein in die Tat umzusetzen, diesem Erkennungsdienste“ Form und Ziele zu verleihen, war der Anlaß zur Grün⸗ dung der Dienststelle, an der alle die verschiedenen Gebiete statistischer Feststellung ihre Zusammenfassung und Würdigung finden sollten. Die Festschrift des Königlichen Statistischen Bureaus zeigt, in welcher umfassenden Weise es dieser Aufgabe gerecht geworden ist und heute, am Schlusse des ersten Jahrhunderts seines Bestehens, den ihm zugefallenen Beruf erfüllt, die wichtigsten Er⸗ scheinungen des Staats⸗ und Volkslebens schnell und sicher zu erfassen, ihre Wechselbeziehungen zahlenmäßig zum Ausdruck zu bringen und so die Vorarbeiten für die Tätigkeit des Gesetzgebers, für die Wirk⸗ samkeit der ausführenden Behörden und für die Forschungen der

Wissenschaft zu liefern. .

Produktion und Verbrauch alkoholischer Getränke.

Die kürzlich veröffentlichte britische Parlamentsdrucksache Alco- holic Beverages 1903¼ gibt interessante Aufschlüsse über Produktion und Verbrauch von Wein, Bier und Branntwein in den wichtigsten Ländern.

Wein. Die wichtigsten, an der Weinproduktion beteiligten Länder sind Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Oesterreich, Deutschland und Ungarn. Die Produktion betrug in den Jahren 1899 bis 1903 in den einzelnen Ländern:

Länder 1899 1900 1901 1902

Millionen Gallonen

1482 1275 877 766 972 912 517 433 365 127 †) 132

1054 70⁰

Frankreich Italien Spanien. 465 Portugal; 127 †) 106 Oesterreich. 74 115 106 107 Deutschland. 46 69 53 54 ööö;; 45 43 68 71 Von diesen Ländern haben Italien, Spanien und Portugal fast nur Weinausfuhr zu verzeichnen; ihre Einfuhr ist gering und steht zu der Ausfuhrmenge in keinem Verhältnis. Frankreich und Deutschland dagegen haben eine größere Einfuhr als Ausfuhr. So bezieht Frankreich große Mengen an algerischen und spanischen Weinen gewöhnlicher Qualität, die zum Verschnitt mit leichteren französischen Sorten verwendet werden. Der größte Teil der schnell anwachsenden algerischen Weinproduktion fließt nach Frankreich ab. Die deutsche Einfuhr erfolgt zum größten Teil von Frankreich, in zweiter Linie aus Italien und Oesterreich⸗Ungarn. Die Weinproduktion in den nichtigsten Ländern und den Weinverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung veranschau⸗ licht nachstehende Uebersicht: 4 Verbrauch auf den

Produktion Kopf der Bevölkerung 1902 1903 1902 1903 Imp.⸗Gallonen 18 0,36 0,33

83 292 000 1,14 1,61

778 844 000 *) 22,0 *) 11,7*) 14,7*)

Länder

Großbritannien Deutschland 8 E11a“.“ Portugal .. . . Spanien... 111111“”“ 23,0*) Oesterreich. . 106 854 000 4,6 *) Ungarn 71 038 000 6 3,1 —„f— 177 892 000 168 036 000*) 4,0*) Bulgarien . . 26 774 000 35 618 000 9,0 Serbien 5 104 000 *) : *) Rumänien 22 946 000 40 788 000 6,6 Vereinigte Staaten

27 757 000 **) **)

von Amerika. II. Bier. Die Biererzeugung ist nicht so großen Schwankungen unterworfen als die Weinproduktion. Als Haupterzeugungsländer kommen Deutschland, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika in Betracht, die je mehr als 1000 Millionen Gallonen herstellen, dann in beträchtlichem Abstand von diesen Ländern Oester⸗ reich, Belgien, Frankreich und Rußland. Von sämtlichen vorgenannten sieben Staaten sind nur Großbritannien, Deutschland und Oesterreich reine Exportstaaten, da ihre Erzeugung weit größer ist als ihr Ver⸗ brauch, während dies bei den Vereinigten Staaten von Amerika, Belgien, Frankreich und Rußland nicht der Fall ist. Die Biererzeugung in den wichtigeren Ländern und der Bier⸗ verbrauch auf den K. d Bevölkerung sich, wie folgt: 1

†) Durchschnitt von 1899/1900. *) Vorläufige Ermittelungen.

ausgestattete Festschrift

Produktion 3 1902 1903

.“ Imp.⸗Gallonen

—. 1 290 692 000 1 279 367 090 125 248 000 8*

8 756 000

Kopfder Bevölkerung 1902 1903 29,7 * 3,1 88 20,8 *) 25,6 47,7

8

Großbritannien Rußland .. ) Norwegen. 7 062 000 Schweden... 64 702 000 8 Dänemark 353 349 000 52 627 000 Deutschland. 1 489 378 000 1 516 944 000 Belgien 317 482 000 325 688 000 Frankreich 183 546 000 49) Schweiz 43 978 000 2 Italien 3 696 000 4 070 000 Oesterreich 431 816 000 8) Ungarn. 27 236 000 29 106 000 *) Zus. Oesterr.⸗Ungarn 459 052 000 e. Bulgarien. 1 924 000 1 166 000 Serbien 1 562 000 i1. Rumänien 1 562 000 9*) Vereinigte Staaten er

von Amerika 1 206 455 000 15,0 8

„1III. Branntwein. An der Branntweinproduktion sind in erster Linie Rußland und Deutschland, dann die Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und Oesterreich interessiert. Großbritannien erscheint erst an sechster Stelle, an siebenter Ungarn. Es folgen schließlich noch die Niederlande und Belgien, in vereinzelten Jahren auch noch Spanien mit einer Produktion von mehr als 10 000 000 Probe⸗ Gallonen. Die nachstehende Tabelle ergibt die Zahlen der wichtigsten Produktionsländer für die Jahre 1901/03:

1902 1903

Länder 1901 1 Normal⸗Gallonen Rußland ... 178 470 000 168 248 000 ) Deutschland . 178 288 000 186 516 000 148 852 000 Ver. Staaten von Amerika 110 65 123 456 000 2*) 16728 3 028 000 90 068 000 ʒ 166 000 8; Großbritannien. 000 51 114 000 44 088 000*) d 15 246 000

Ungarn. . 000

Niederlande 000

Belgien. 16 214 000 10 824 000. Für die Branntweinbereitung werden die verschiedensten Stoffe ver⸗ wendet, in Rußland vorzugsweise Kartoffeln und Roggen, in Deutschland Kartoffeln, in den Vereinigten Staaten von Amerika Fhaes in Frankreich Runkelrüben und Melasse und in Großbritanien

alz.

Die Branntweinerzeugung und der Branntwein verbrauch e 2 der Bevölkerung stellte sich in nachbenannten Staaten, wie folgt: ; Verbrauch auf den

r t se . Produktion Kopf der Bevölkerung 1903

1902 1903 Imp.⸗Gallonen 51 114 000 0,80

) 1à. ⁴½

1 694 000 8 646 000 7 381 000 148 852 000 15 246 000 10 824 000 90 068 000

8

8

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9) 15*)

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82 r 2S 8888 & —₰½ 888888 8 0☛ S 00 00

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524 4 5bb E

Länder

Großbritannien Rußland. Norwegen Schweden Dänemark Deutschland Niederlande.. Belgien Frankreich Schweiz. eee“]; 11116ö6“ 1“ Italien 7 612 000 Oesterreich 65 824 000 Ungarn 44 660 000 Zus. Oesterr.⸗Ungarn 110 484 000 Bulgarien 748 000 Rumänien 7 260 000 Ver. Staaten von

Amerika . 123 456 000

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25 00

Zur Arbeiterbewegung.

Die Berliner städtischen Gasarbeiter haben, der „Voss. Ztg.“ zufolge, eine Eingabe an den Magistrat gerichtet um baldige Einführung des Achtstundentages für Betriebsarbeiter und des Neun⸗ stundentages für Handwerker, Hofarbeiter usw., da bereits in Bremen, Crefeld, Fürth, Königsberg und einer Reihe anderer Städte der Acht⸗ stundentag eingeführt sei. Falls der Forderung nicht Gehör geschenkt wird, ist ein Ausstand in Aussicht genommen.

Zu dem Ausstand der Stukkateure in Frankfurt a. M. (vgl. Nr. 88 d. Bl.) hatten beide Parteien das Gewerbegericht als Einigungsamt angerufen, und zwar nur wegen der Forderung der Arbeiter, die eine Zulage von 5 für diejenigen Gehilfen verlangten, die bereits einen Stundenlohn von 60 haben. Wegen der übrigen Lohnforderungen hatte man sich auf 45 bis 55 für Arbeiter unter 20 Jahren und auf 60 für ältere Arbeiter geeinigt. Das Gewerbegericht fällte, der „Frkf. Ztg.“ zufolge, einen Schiedsspruch, nach dem den Gehilfen, die jetzt einen Stundenlohn von 60 und mehr erhalten, bis zum 31. März 1907 eine Erhöhung von 3 ₰, von da ab eine solche von 2 gewährt werden soll. Ueber die Annahme oder Nichtannahme dieses Ver⸗ gleichsvorschlags werden sich die Parteien noch schlüssig machen. 1“ Solingen beschloß, wie die „Köln. Ze⸗ berichtet, gestern eine von 2000 Personen besuchte Gewerks aftsversammlung den Generalstreik aller bei der Stahlwarenfirma Hammes⸗ fahr beschäftigten Arbeiter wegen Lohn⸗ und Tarifstreitigkeiten. (Vgl. Nr. 118 d. Bl.)

In ihrer gestrigen Versammlung beschlossen, wie der „Voss. Ztg.“ telegraphiert wird, die Bauhilfsarbeiter Leipzigs, die Bauten⸗ sperren aufzuheben und den Vorschlag des Bauarbeitgeberverbandes, in Tarifverhandlungen einzutreten, anzunehmen. (Vgl. Nr. 123 d. Bl.) Wegen Beilegung des schon seit Wochen andauernden Ausstands der Schneider in Gießen wird, wie die „Frkf. Ztg.“ berichtet, seit Donnerstag zwischen den Arbeitnehmern und Arbeit⸗ gebern verhandelt. Die Arbeitgeber sind bereit, die Lohn⸗ erhöhung, die sie seinerzeit, um den Ausstand zu ver⸗ meiden, zugestanden haben, auch jetzt noch aufrecht zu er⸗ halten. Die bedingungslose Wiederaufnahme der Arbeit wird von den Arbeitgebern nicht verlangt. Einzelne Arbeitgeber haben sich bereit erklärt, später nach Beilegung des Streiks eventuell noch kleine Lohn⸗ erhöhungen zu bewilligen.

In München befinden sich die Maschinenarbeiter zum Teil im Ausstande. Die Maschinenindustriefirmen Eisenwerk „München“, Kustermann, Lokomotivfabrik Krauß, Maschinenfabrik Landes, Ma⸗ schinenbaugesellschaft Maffei, Metallwerk Goeggl, Münchener Motoren⸗ fabrik, Rathgebersche Waggonfabrik machen infolgedessen, wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, durch Fabrikanschlag den Arbeitern folgendes bekannt: „Die gegebene Sachlage zwingt die unterzeichneten ee ihren Betrieb ganz einzustellen, falls nicht längstens bis Freitag, den 2. Juni 1905, Morgens 6 Uhr, die Arbeit bei den vom Ausstand betroffenen Firmen auf Grund der bestehenden Arbeitsordnungen wieder aufgenommen ist. Die Ausdehnung der Betriebseinstellungen auf sämtliche Mitglieder des Verbandes bayerischer Metallindustrieller ist nach Ablauf einer weiteren Frist vorgesehen.“ Im Ausstand stehen die Arbeiter bei Krauß, Maffei, Landes und Rathgeber.

In Würzburg haben, nach demselben Blatte, die Zimmerer sämtlicher dortigen Firmen beschlossen, wegen Lohnstreitigkeiten die Arbeit niederzulegen.

Der Ausstand der Brückenbauarbeiter der öein. Eisenwerke ist, der „Köln. Ztg.“ zufolge, beigelegt worden. (Vgl.

**) Ermittelungen liegen noch nicht vor.

8

Nr. 123 d. Bl.)