Königlich Preußische Armer.
Offiziere, Fähnriche usw. Ernennungen, Beför⸗
derungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. Wies⸗ baden, 25. Mai. In ihrem Kommando bis zum 30. Juni 1906 belassen: Frank, Oberlt. im 2. Rhbein. Hus. Regt. Nr. 9, bei der Botschaft in Paris, Boͤcking, Lt. im Ulan. Regt. Graf Haeseler (2. Brandenburg.) Nr. 11, bei der Botschaft in Konstantinopel. 8 Wiesbaden, 26. Mai. v. Falken⸗Plachecki, Hauptm. und Komp. Chef im Schleswig⸗Holstein. Inf. Regt. Nr. 163, zum Kadettenhause in Naumburg a. S. versetzt. Goetze, Hauptm. in demselben Regt., zum Komp. Chef ernannt.
Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. Wies baden, 26. Mai. Philipps (August), Lt. im Inf. Regt. Vogel von Falckenstein (7. Westfäl.) Nr. 56, der Abschied bewilligt.
Nachweisung der beim Sanitätskorps im Monat April 1905 eingetretenen Veränderungen. Durch Ver⸗ fügung des Generalstabsarztes der Armee. Mit Wahr⸗ nehmung offener Assist. Arztstellen sind beauftragt worden:
7. April. Dr. Köhlisch, Unterarzt beim Inf. Regt. von der vI 18 Ir 61,
11. Apri r. Heinemann, Unterarzt beim 9. Westpreuß. Inf. u Nr. 176, 8 Frent
20. April. Lotze, Unterarzt beim Füs. Regt. Generalfeld⸗ marschall Graf Blumenthal (Magdeburg.) Nr. 36,
29. April. Müller, Unterarzt beim 3. Magdeburg. Inf. Regt. Nr. 66, Glasmacher, Unterarzt beim Füs. Regt. Fürst Karl Anton von, Hohenzollern (Hohenzollern.) Nr. 40, Lindner, Unterarzt beim Ins Regt. Graf Tauentzien von Wittenberg (3. Brandenburg.) Nr.*20, Dr. Vogelsberger, Unterarzt beim 9. Bad. Inf. Regt.
Nr. 170.
Möslein, Unterarzt beim 4. Großherzogl. Hess. Inf. Regt. (Prinz Carl) Nr. 118, zum 1. Großherzogl. Hess. Drag. Regt. (Gardedrag. Regt.) Nr. 23 versetzt und bei letzterem mit Wahr⸗
nehmung der offenen Assist. Arztstelle beauftragt.
Nichtamtliches.
Deutsches Reich. 8 Preußen. Berlin, 30. Mai.
Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute früh im Lustgarten zu Potsdam die Parade der dortigen Garnison ab.
Seine Königliche Hoheit der Fürst von Montenegro und Ihre Kaiserlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Arisugawa von Japan sind gestern nach⸗
mittag hier eingetroffen.
Der Präsident des Oberlandeskulturgerichts, Wirkliche Geheime Oberregierungsrat Rintelen ist von der Reise zuruͤckgekehrt.
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Falke“ am 28. Mai in Acapulco eingetroffen und geht heute von dort nach Manzanillo (Mexiko) in See.
S. M. S. „Jaguar“ und S. M. Flußkanonenboot „Vaterland“ sind gestern von Nanking nach Wuhu ab⸗ gegangen.
S. M. Flußkanonenboot „Tsingtau“ ist gestern von Canton nach Whampoa in See gegangen. e“
ͤͤbbb “ Wie das „Dresdner Journal“ meldet, ist Ihre Majestät die Königin⸗Witwe an einem Luftröhrenkatarrh erkrankt.
Lübeck.
In der gestrigen Versammlung der Bürg erschaft wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, die Senatsvorlage, betreffend die Reform des Wahlrechts, zur Beratung an eine Kommission zurück⸗ verwiesen. 1 8 g
Deutsche Kolonien. 8
Ein Telegramm aus Windhuk in Deutsch⸗Südwest⸗ afrika berichtet dem „W. T. B.“ zufolge: Sergeant Hermann Paasch, geb. am 24. 11. 1881 zu Barby, früher im Infanterieregiment Nr. 137, ist am 21. Mai auf atrouille bei Leistord gefallen; Reiter Adolf Bode, geb. am 1. 5. 1883 zu Nordhausen, früher im Infanterieregiment Nr. 49, ist an der auf einem Patrouillenritt bei Kowes am 17. Mai erhaltenen Verwundung am 21. d. M. im Lazarett zu Gochas ge⸗ storben. Nachträglich wird gemeldet, daß im Gefecht bei Kowes am 17. Mai noch der Reiter Augustin Stresau, geboren am 26. August 1881 1u.“ früher im Grenadierregiment Nr. 1, verwundet worden ist.
Großbritannien und Irland..
Im Unterhause teilte gestern, wie „W. T. B.“ meldet, der hatronagesekretär des Schatzamts Acland Hood mit, daß der remierminister Balfour an einer starken Erkältung leide und ans ett gefesselt sei. Er werde zwei oder drei Tage lang nicht imstande sein, im Hause zu erscheinen. Die Erörterung des Tadels⸗ votums müsse deshalb bis zur nächsten Woche vertagt werden. Der Unterstaatssekretär des Aeußern Earl Percy erklärte in Beant⸗ wortung einer an ihn gerichteten Anfrage, die Regierung habe keine amtliche Bestätigung der Meldung über die Seeschlacht in der Korea⸗ straße erhalten. 5 1 Frankreich.
Wegen des Besuchs des Königs von Spanien hat sich der Senat, wie „W. T. B.“ berichtet, bis zum 6. Juni und die Deputiertenkammer, nachdem sie zwei weitere Artikel des Gesetz⸗ entwurfs über Trennung von Kirche und Staat angenommen hatte, bis zum 5. Juni vertagt. y“ I
8 Spanien. Der frühere Ministerpräsident Silvela T. B.“ erfährt, gestern gestorben.
8* 8 1
8 8 ürkei. *
Wie das Wiener „Telegr.⸗Korresp.⸗Bureau“ meldet, ist der Khedive, der am 28. d. M. in Konstantinopel ein⸗ getroffen ist, gestern von dem Sultan in Audienz empfangen worden.
Rumänien.
Gestern vormittag hat in Constantza die Legung des Unterseekabels Constantza — Konstantinopel durch das deutsche Schiff „von Podbielski“ in Gegenwart des Königs, der Königin, der Königlichen Familie, der Minister, des türkischen und des deutschen Gesandten sowie zahlreicher Gäste stattgefunden. An der Feier nahm auch der deutsche Botschafter in Konstantinopel Freiherr Marschall von Bieberstein teil. Nach der religiösen Zeremonie begab sich der König an Bord des Schiffes und sandte von dort Be⸗ grüßungstelegramme an den Deutschen Kaiser und an den Sultan ab. Bei dem darauf folgenden Festmahl an Bord des Paketbootes „Roumania“ gab der König, sich an den Fiee Marschall von Bieberstein wendend, dem
hanke für den Kaiser Wilhelm dafür Ausdruck, daß Aller⸗ höchstdieser dem Botschafter gestattet habe, dem Feste beizu⸗ wohnen; er begrüße den Botschafter in Constantza mit Genug⸗ tuung. Dann fuhr der König, wie das Wiener „Telegr.⸗ Korresp.⸗Bureau“ berichtet, fort:
„Ihre Anwesenheit ist uns eine kostbare Bürgschaft für die aus⸗ gezeichneten Beziehungen, die beide Länder verbinden. Deutschland be⸗ zeigt seit langem Interesse an den Fortschritten und der wirtschaftlichen Entwickelung Rumäniens. Der jüngst geschlossene Handelsvertrag und das Abkommen vom Jahre 1899, wodurch der spezielle Dienst der Eisenbahnen, der Post und des Telegraphen geregelt wurde, stellt einen neuerlichen Beweis hierfür dar. Die vollständige Durchführung des erwähnten Abkommens ist durch gewisse Schwierigkeiten erschwert worden, und heute erst, indem wir das Kabel zwischen Constantza und Konstantinopel legen konnten, können wir den Erfolg unserer Bemühungen feiern. Ich beglückwünsche mich, die glückliche Gelegenheit ergreifen zu können, um die glühenden Wünsche zu erneuern, die ich für Seine Majestät den Kaiser Wilhelm hege, und ich trinke auf das Wohl Seiner Majestät es Deutschen Kaisers.“
Sodann hielt Fer. eine Ansprache an den türkischen Gesandten Kiazim Bey, in der er aussprach, welch hohen Wert er auf die Freundschaft des Sultans lege und wie glücklich er sei über die väterliche Fürsorge, die der Sultan für seine treuen Untertanen rumänischer Abkunft zeige. Der König trank schließlich auf das Wohl des Sultans und auf das Ge⸗ deihen seines Reiches.
Bei einem Bankett aus Anlaß der Taufe des neuen Paketboots „Roumania“ hielt der König eine Rede, worin Allerhöchstderselbe auf die in der kurzen Zeit erzielten Fort⸗ schritte der Seeschiffahrt Rumäniens hinwies, durch die das Land den internationalen Handel herangezogen habe, sodaß viele Staaten mit ihm Verträge abgeschlossen hätten. Ins⸗ besondere Deutschland gebühre in dieser Beziehung Rumäniens Dank. Der König gab der Ueberzeugung Ausdruck, daß die rumänische Handelsmarine ebenso wie die hriscancvhe überall ihren Namen in Ehren und mit Würde tragen werde, und schloß mit dem Wunsche, daß die Fahrt des Schiffes dem Lande Segen bringen möge.
Serbien.
Der König hat, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern den Ukas, betreffenz die Ernennung des neuen Kabinetts, vollzogen. An Stelle . 2s Obersten Zivkowitsch, der krank ist, ist der Oberst Antbönitsch zum Kriegsminister ernannt worden.
88 Schweden und Norwegen.
Der norwegische Staatsminister Michelsen erhielt, dem „W. T. B.“ zufolge, von dem König Oskar folgendes Telegramm:
Aus Anlaß von Aeußerungen der norwegischen Regierung, die am 27. d. M. sowohl schriftlich in deren Abschiedsgesuch wie auch mündlich im Staatsrat erfolgten, nachdem ich die Sanktion des Konsulatsgesetzes verweigert hatte, muß ich erklären, daß ich die darin gegen mich und meine Handlungsweise ge⸗ richteten Auslassungen auf das bestimmteste zurückweise. Ich halte an allem fest, was ich im Staatsrat über mein verfassungsmäßiges Recht gesagt habe, und bitte den Staatsminister, dieses sobald als möglich der Oeffentlichkeit bekannt zu geben.
Das „Norsk Telegrambureau“ teilt mit, daß die gestern gebrachte Nachricht, es werde bei dem König in Stockholm 88 Staatsrat stattfinden, auf einem Mißverständnis eruhe.
Asien.
Aus Gunschuling meldet die St. Petersburger „Tele⸗
graphen⸗Agentuͤr“, der — Friedrich Leopold von Preußen sei gestern früh im russischen Hauptquartier ein⸗ getroffen. Der General Linewitsch habe den Prinzen am Bahnhof empfangen, wo eine Ehrenwache aufgestellt ge⸗ wesen sei.
UHMUeber die Seeschlacht in der Straße von Korea liegen die nachstehenden Meldungen vor:
Die „Daily Mail“ meldet aus Söul:
Der Admiral Togo weilte am Morgen des Sonnabend mit fast allen großen japanischen Schiffen auf der Höhe von Masampo. Die Russen waren durch den östlichen Kanal, das heißt zwischen Tsuschima und Japan, in die Koreastraße eingedrungen. Der Admiral Togo fuhr unverzüglich mit größter Schnelligkeit um die Nordspitze von Tsuschima herum, und als er an der Insel vorbeigesegelt war, sah er die Russen, die in zwei Kolonnen herannahten. Er ließ auf die Flanke der Backbordkolonne sowie auf die Spitze der Steuerbordkolonne ein heftiges Feuer er⸗ oöffnen. Als unter den russischen Schiffen Unordnung einzutreten be⸗ gann, drängte sie der Admiral Togo gegen die japanische Küste, wo sie von allen unter japanischer Flagge kämpfenden Schiffen angegriffen wurden von dem größten Erfolge begleitet.
Die japanische Gesandtschaft in London veröffentlicht, dem „W. T. B.“ zufolge, eine Reihe Telegramme des Admirals Togo, in denen gemeldet wird: —
Das japanische vereinigte Geschwader habe die baltische Flotte zur Tageszeit am 27. d. M. nahe Okoschima an⸗ gegriffen und wenigstens vier Schiffe zum Sinken gebracht. Der Schaden der japanischen Schiffe sei unbedeutend. Ein Torpedo⸗ angriff sei nach Sonnenuntergang erfolgt. Das Hauptgeschwader habe den Angriff am 28. d. M. erneuert, worauf mehrere russische Schiffe sich ergeben hätten. Die Verluste der Russen seien folgende: Zwei
Küstenpanzer, fünf Kreuzer, zwei Schiffe vom Spezialdienst und drei
Torpedoboote seien gesunken; zwei Panzer, zwei Küstenpanzer, ein Schiff vom Spezialdienst und ein Torpedojäger seien genommen.
Aus Tokio berichtet das „Reutersche Bureau“:
Amtlich werde gemeldet, der Admiral Togo melde der Regierung, daß die Gesamtverluste der russischen Flotte am Sonnabend und Sonntag folgende gewesen seien: 2 Schlachtschiffe, 1 Küsten⸗ panzer, 5 Kreuzer, 2 Schiffe der Freiwilligen Flotte und 3 Torpedobootszerstörer seien zum Sinken gebracht worden,
Mehrere Torpedobootsangriffe auf die russische Flotte waren
vorwerfen.
Gesetze berufen sind. Ich
in unsere Immuni
E1““; 8
weiter seien 2, Schlactschiffe, 2, Küstenpanzer, 18
der Freiwilligen Flotte und 1 Torpedobootsze weggenommen worden. Es seien mehr als 2000 Gefangezene worden. Der Admiral Togo füge hinzu, daß das japanisg schwader unbeschädigt sei. Eine weitere Meldung des „Reuterschen Bureaus“ 9e In der Schlacht mit der japanischen Flotte seien fi russische Schiffe gesunken: die Panzerschiffe „Borodinge „Imperator Alexander III.“, die EE“ ¹ Nachimow“, „Dimitri⸗Donskoi; und „Wladimir Monomq Küstenpanzerschiff „Admiral Uschakow“, die geschte Kreuzer „Swjetlana“ und „Schemtschug“, die Transporfsth „Kamtschatka“ und „Irtessim,. Die Panzerschiffe On „Nikolaus II.“, die Küstenpanzerschiffe „Admiral Ssai und „General⸗Admiral Apraxin“ seien von den Japanern geng worden. Im ganzen seien zehn Schiffe gesunken und vier genn worden. 8
Dasselbe Bureau berichtet aus Tokio von gestern mittag:
„Der Admiral Nebogatow und 3000 russische Sey befänden sich in japanischer Gefangenschaft. Der A. Roschdjestwensky scheine entkommen zu sein. Die Schlach am Sonnabendvormittag begonnen. Die Verfolgung dauere nah
Der „Daily Telegraph“ meldet aus Tokio: b Ein russisches Kriegsschiff sei auf der Höhe von Iwar japanischem Gebiet, 150 Meilen von Tsuschima, angekomme habe die weiße Flagge gehißt. Dreihundert zum größten Tal wundete Marineoffiziere seien in JFwami in der Pflege des javas Roten Kreuzes. 1
Nachrichten zufolge, die aus Tokio bei dem Man departement in Washington eingegangen sind, hale Japaner außer den bereits genannten Schiffen noch russische Schlachtschiff „Sissoi Weliki“ genommen das russische Flaggschiff schwer beschädigt.
Wie der „Daily Mail“ aus Washington genz wird, erhielt das dortige Marinedepartement ein Telem aus Tokio, nach dem das Flaggschiff des Am Roschdjestwensky „Fürst Ssuworow“ mit diesem an k gesunken sei.
Die „New York Sun“ meldet aus Tokio: das M ministerium habe bestimmte Angaben darüber veröffent daß die Baltische Flotte am 20. d. M. bei Formosa; amerikanischen dampfer in den Grund gebohrt hat. einem Telegramm des amerikanischen Gesandten in X0 hat es sich indessen herausgestellt, daß das von der ruff⸗ Flotte auf der Höhe von Formosa zum Sinken getr Schiff ein englisches gewesen sei. 1
2
Parlamentarische Nachrichten. —
Auf der Tagesordnung der heutigen (193.) Sitzum Reichstags, der der Staatssekretär des Reichsjustin Dr. Nieberding und der Staatssekretär des Reichzt amts Freiherr von Stengel beiwohnten, standen zur Petitionen, die von der Petitionskommission als zur Erörm im Plenum nicht geeignet erachtet worden sind.
„Auf Antrag der Abgg. Thiele und Gen. (Soz.) wurde beschl die Petition von Leder in a. M., Wiedereinstellu Sgen betreffend, zur Erörterung zu bringen; denselben Laßte das Haus auf Antrag Bargmann bezüglich einer Pe⸗ Marineintendantursekretärs a. D. Sell in Kiel. Im übrigenn
keine Petition aufgenommen; die Petenten werden geschäftsordm
mäßig beschieden werden. 8
Die Rechnungen über den Haushalt des St Fehets Kiautschou für 1900 bis 1902 wurden echnungskommission überwiesen.
Es folgten mündliche Berichte der Geschi ordnungskommission über 1) das Schreiben des 8 vertreters des Reichskanzlers, betreffend den Antrag Ersten Staatsanwalts beim Landgericht in Dessan Genehmigung der strafrechtlichen Verfolgung des Abgo
wegen Beleidigung durch die Presse; 2) den Antrag der Na
anwälte Karl Suchsland und Oskar Suchsland in Halle: auf Genehmigung der Strafverfolgung des Abg. T. wegen angeblich verleumderischer Beleidigung durch die in der Privatklagesache des Professors Dr. Suchs Halle a. S.
Berichterstatter Abg. Kirsch beantragt namens Kommission: der Reichstag wolle beschließen, die Genehm zur Strafverfolgung der Abgg. Peus und Thiele ni erteilen. .
Das Haus beschließt demgemäß.
Im Auftrage derselben Geschäftsordnungskommissiecn richtete der Abgeordnete Kirsch über das Schreiben Stellvertreters des Reichskanzlers vom 8. Juni 1904, betrch das Ersuchen des Reichstags um Mitteilung von Akten ein das Mitglied des Reichstags Jessen betreffendes 8. verfahren wegen Beleidigung. Die Kommission schlägt! der Reichstag wolle folgende Erklärung beschließen:
Der Reichstag erblickt in dem nf deen der Staatsam
schaft gefaßten Beschluß des Königlichen Amtsgerichts zu Flerz vom 1. März 1904, durch den in der Strafsache d Redakteur der Zeitung „Flensborg Avis“, Jens Jessen in burg, die Beschlagnahme des Manuskripts zum Artikel Skandale paa Graasten“ in Nr. 273 der Zeitung „Flensborg; vom 22. November 1903, sofern die Durchsuchung der Geschäfts
Redaktionsräume dieser Zeitung zwecks Beschaffung von Bea⸗ mitteln zur Ermittlung des Verfassers des genannten Artikel⸗ ordnet worden ist, eine gegen den Reichstagsabgeordneten ¾ gerichtete Strafuntersuchung, die ohne Genehmigung des Reichs
erfolgte und daher einen Verstoß gegen Artikel Reichsverfassung darstellt. 1 Abg. Eickhoff (fr. Volksp.): Ich habe schon am 19. Mit
dieser Sache ausgeführt, daß es üc hier um eine flagrante Verlch
der Reichsvperfassung handelt. ch möchte den Kommissionsbe noch mit einem Wort unterstreichen. Die Parteistellung des
Jessen kommt für uns hier nicht in Frage. igen st⸗ dem betreffenden Artikel durchaus fern. Das Vorgehen der Sh
anwaltschaft und des Amtsgerichts in Flensburg ist durchaus ue
ständlich. Wenn man nicht annehmen will, daß sie wider be⸗ Wissen gehandelt haben, so muß man ihnen Unkenntnis der Reichsvern⸗ Sie haben in der Tat ab irato gehandelt. Die R. verfassung sollten am ventgsten diejenigen verletzen, die zu Hütemn
1— ann Sie nur bitten, einstimmig dem B der Kommission beizutreten.
Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Ich bedaure, daß der Reik dieser wichtigen Sache nicht mit voller Aufmerksamkeit folgt, des
handelt sich hier in der Tat um nichts mehr und nichts weniger⸗ eine Verletzung der Immunitäͤt eines Reichstagsabgeordneten. Man das Vorgehen des Gerichts verurteilen, welcher Parteirichtung auch angehöre. Wenn man sich vergegenwärtigt, mit welcher Er
der Reichstag früher solche Verletzungen der Reichsverfassung rügt hat, so muß man erwarten, daß er auch diesmal einmuni·
Vorgehen zurückweist, um auf lange Jahre hinaus derartige Eiss tät unmöglich zu dch
von Podbielski
8 üngshedingunsen seitens der Pächter halten und veran daß die 1S.
Siemrens u. Ko. genommen. Der Vertrag läuft 85 also mit den
Im übrigen sus
8
preußische Justizv die sassf 9s b dh. .)
Ibg. Storz dtsch. Vp.): Das Vorgehen der Behörden ist nicht anders zu erklären wie aus Unwissenheit 8— aus Fahrlässigkeit. Demgegenüber muß man sich wirklich fragen, ob Preußen ein echtsstaat oder ein Polizeistaat ist. Die Richter sollten doch nicht agitatorisch tätig sein.
urch die Verfolgung der dänischen Sprache, die Ausweisungen, die den Leuten das ökonomische Fortkommen erschweren, die polizeilichen Maßnahmen gegen einen Volksstamm, der doch der gleichen germani⸗ schen Abstammung ist, wird das Ansehen Preußens und unsere ganze internationale Stellung auf das äußerste gefährdet. Der deutsche Reichstag hätte alle Veranlassung, einer derartigen Schädigung unserer auswärtigen Politik, unserer Reichsinteressen durch die Reenzische Ver⸗ waltung entgegenzutreten. Preußen sollte alles vermeiden, was ihm die Sympathien Süddeutschlands entfremden könnte, es sollte wirklich
den Spruch zur Wahrheit machen: Preußen in Deutschland voran!
(Schluß des Blattes.)
— Der Bericht über die gestrige Sitzung des Herren⸗ hauses und der Schlußbericht über die gestrige Süben des der Abgeordneten befinden sich in der Ersten
eilage.
— In der heutigen (192.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister für Landwirtschaft ec. beiwohnte, gelangte zunächst folgende 1oeöö des Abg. Cahensly (Zentr.) zur Ver⸗ ung: „Ist es wahr, daß der bisherige, bis zum 1. April 1916 mit der Firma Siemens u. Ko. abgeschlossene Vertrag bezüglich der Verpachtung der fiskalischen Mineralbrunnen zu Niederselters und Fachingen aufgehoben worden ist, und daß diese Quellen dem Rechtsna folger dieser in Liquidation sich be⸗ findenden Firma (Siemens Erben) bis zum 1. April 1927 ver⸗ pachtet worden sind?“
Nachdem sich auf die Anfrage des Präsidenten der
Miinister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielski bereit
.. die Interpellation sofort zu beantworten, begründet e Abg. Cahensly (Zentr.): Im vorigen Jahre hat bei der Etats⸗
beratung das Haus auf meinen Antrag eine Resolution gefaßt, wonach die Regierung von einer Verlängerung des Pachtvertrages mit der
—
1 sen solle, chen so bezeichnet würden, daß eine Verwechslung mit dem Wasser anderer Quellen unmöglich sei. Es ist bedauerlich, daß auf diese Wünsche des Hauses bisher so wenig von der Staats⸗ regierung gegeben ist. Durch die Firma Siemens ist der Bezug des Wassers von Niederselters und Fachingen, verteuert worden. Wenn eine neue Verpachtung vorgenommen werden sollte, hätte sie mindestens öffentlich ausgeschrieben werden sollen.
Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielski: Der be⸗ stehende Vertrag ist nicht aufgehoben worden sondern dieser Vertrag läuft noch bis zum Jahre 1916. Infolgedessen war es nicht nötig, jetzt eine neue Ausschreibung vorzunehmen, sondern es war nur die Frage, ob dieser Vertrag, gegen den nicht mit Unrecht verschiedene Einwendungen erhoben werden, ge⸗ ändert werden sollte. Ich habe nicht den Wünschen des hohen Hauses nicht entsprochen, sondern ich habe in der Budget⸗ kommission erklärt, es sei eine Reihe zwingender Gründe, die dazu Veranlassung gäben, den Vertrag zu ändern, und ich wolle im Laufe dieses Jahres dem näher treten. Der Vertrag der Regierung ging
Firma Siemens u. Ko. zur Zeit absehen, auf die S der Ver⸗ af
mit Friedrich Siemens, die Führung der Geschäfte war auf Widerruf
der Firma Siemens u. Ko. gestattet. Als Friedrich Siemens starb, wurde der Widerruf ausgesprochen und die Geschäftsführung der Frne
von Friedrich Siemens, der Witwe und den drei Söhnen. Mit den Erben
ist jetzt über eine een des Vertrags verhandelt worden. Der
Vertrag ist mit elfjähriger Verlängerung dahin geändert worden, daß
Siemens Erben in eine Neufassung der Quellen eingewilligt haben.
Die Interessen der Krugbäcker sind dabei gewahrt worden. Die
Deputation derselben unter Führung des Abg. Dahlem hat mir ihren Dank für die Wahrnehmung ihrer Interessen ausgesprochen. Ich lehne also den Vorwurf ab, daß ich die Wünsche des Hauses nicht berücksichtigt habe, und hoffe, daß jetzt endlich Ruhe in den Verhält⸗ nissen eintritt.
Auf Antrag des Abg. Cahensly findet eine Besprechung der Interpellation statt.
Abg. Dr. Lotichius (nl.): Nach der Annahme der Resolution der Budgetkommission hätte man erwarten können, daß eine Ver⸗ längerung des Vertrages nicht eintreten würde. Mir scheint, daß weder die Interessen der Krugbäcker, noch die des Publikums genügend gewahrt sind. 8
Abg. von Pappenbeim kkons.): Die Mitteilung des Ministers in der Budgetkommission konnte sich seinerzeit nur darauf⸗ beschränken, daß Vertragsverhandlungen schwebten, daß der Tod eines Kontrahenten die Abschließung eines neuen Vertrages nötig mache. Im Plenum ist damals die Sache nicht zur Sprache gebracht worden, um dem Abschluß eines neuen Vertrages nicht Schwierigkeiten zu bereiten. Der Beschluß des Hauses, zur Zeit von einer Neuverpachtung Abstand zu nehmen, ist insofern von der Regietung nicht befolgt worden, als sie lange vor Ablauf der Pachtzeit den Vertrag ver⸗ längert hat. Welche Gründe haben die Regierung dazu veranlaßt? Die eingetretene Veränderung besteht in der Hauptsache in dem Tod des einen Kontrabenten. Die Interessen der Krugbäcker sind in dem neuen Vertrage tatsächlich gewahrt. Zu beanstanden aber blieb die Ver⸗ längerung des Vertrags um 11. Jahre. Wir hören, daß nur gegen diese Konzession eine Neufassung der Quellen durchgesetzt werden konnte. Selbstverständlich kann man nicht den Vertrieb des Wassers plötzlich einschränken, bis diese Neufassung vollendet ist. Der neue Vertrag schließt diese Eventualität aus. Der Pächter mußte insoweit an dem Ausbau der Quellenfassung interessiert werden, daß ihm für die großen Kosten, dier dabei aufzuwenden sind, auch nachher ein ent⸗ sprechender Nutzen zukam. Wie es scheint, sind auf diese Weise die Interessen des Staats, der Interessenten und des Publikums immerhin in gleichmäßiger Weise gewahrt worden. Der gewählte Weg empfiehlt sich auch deswegen, weil dadurch eine plötzliche hohe Preis⸗ steigerung des Wassers vermieden wird; eine Verteuerung wird nicht eintreten, sondern es ist vielmehr anzunehmen daß der Preis des Wassers sich in den näͤchsten Jahren auf seiner biel erigen Höbe halten wird. Auch wir halten die Quellen nicht in erster Linie für eine Finanz⸗ quelle, deshalb können wir nur der Auffassung Ausdruck geben, daß die Regierung hier allen Interessen gerecht geworden “ K
Abg. Funck (fr. Volksp.). Ueber die formelle Berechtigung des Vorgehens der Regierung ist ja kein Streit. Durch die Verlängerung des Vertrages hat sich aber die Regierung nicht nur mit dem Hause, ondern auch mit dem Beschluß des Wiesbadener kommunalständischen
dtags in Wiershenc gesetzt. Die Neufassung der Quellen scheint mir damit doch erheblich zu teuer bezahlt zu sein. Es wäre sehr wünschenswert gewesen, wenn die Regierung uns über den Inhalt des Vertrags Näheres mitgeteilt hätte, damit wir selbst beurteilen können, ob dieser Verlängerung vollwertige Aequivalente gegenübestehen. Bis jetzt können wir in dieser Beziehung irgend etwas Greifbares nicht ent⸗ dechen. Es mutet doch eigentuͤmlich an, daß “ sich so schlank über die Wünsche des Hauses hinwegsetzt. Wir sind freilich an der⸗ gleichen gewöhnt, und ich kann den Schmerz des Kollegen Cahensly nachfühlen, daß ihm als Mitglied einer großen, vielleicht ausschlag⸗ gebenden Partei etwas Aehnliches passieren mußte. Jetzt bleibt uns nur das lebhafte Bedauern übrig, in wie schlechter Weise die Regierung über die Wünsche des Hauses zur Tagesordnung über⸗
t
gegangen ist.
erwaltung alles tun wird, was derartige Fälle für)
rben.
Abg. Cahensly beklagt mit dem Abg. Funck die einseitige Art des Vorgehens der Regierung. Die Verteuerung des Wassers sei bereits eine Tatsache, und der Preis werde noch weiter steigen.
Damit ist der Gegenstand erledigt.
Für die Rechnungen der Kasse der Oberrechnungskammer für 1903, soweit sie sich auf die preußische Verwaltung be⸗ siehen, wird nach dem Antrage der Rechnungskommission Ent⸗ astung erteilt.
Der Gesetzentwurf wegen Aenderung der Landes⸗ renze gegen die freie Hansestadt Bremen bei remerhaven und bei Fischerhude, Kreis Achim,
gelangt in dritter Lesung ohne Diskussion endgültig zur
Innahme.
Es folgs die zweite Beratung des von dem Abg. Gamp (freikons.) eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderungdes Allgemeinen Berggesetzes (Sperrung der Mutungen auf Steinkohlen und Steinsalz).
Die Kommission beantragt die Annahme des Gesetz⸗ entwurfs in folgender Fassung:
„§ 1. Die Annahme von Mutungen auf Steinkohle sowie auf Steinsalz nebst den mit diesem auf der nämlichen Lagerstätte vor⸗ kommenden Salzen findet vom Tage der Verkündigung dieses Gesetzes an bis zu anderweiter gesetzlicher Regelung der Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 über das Muten und Verleihen, längstens aber auf die Dauer von 2 Jahren, bei den staatlichen Behörden nur insoweit statt, als die Mutungen eingelegt werden auf Grund von Schürfarbeiten, welche
1) vor dem 31. März 1905 begonnen worden sind oder
2) im Umkreise 4184,8 m um den Fund einer noch schwebenden Mutung unternommen werden, deren Mineral bei der amtlichen Untersuchung bereits vor Verkündigung dieses Gesetzes nachgewiesen worden ist.
has Feld einer Mutung nach Ziffer 2 darf sich an keiner Stelle über den dort beieichneten Umkreis hinaus erstrecken.
Zwei Punkte der Begrenzung eines auf Grund des gegen⸗ wärtigen Gesetzes gestreckten Feldes dürfen bei einem zulässigen Flächeninhalt von 2 189 000 qm nicht über 4150 m voneinander entfernt liegen.
Zu den Mutungen, welche vor der Verkündigung dieses Gesetzes eingelegt worden sind, muß innerhalb eines Jahres nach dem Tage der Verkündigung des Gesetzes, und zu den nach diesem Zeitpunkte einzulegenden Mutungen muß innerhalb sechs Monaten nach der amt⸗ lichen Untersuchung von dem Muter der Schlußterminbeantragt werden. Ist dieser Antrag nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen gestellt worden oder wird er zurückgenommen, so ist die Mutung von Anfang an ungültig. Auch darf in diesen Fällen ein Dritter auf denselben Fundpunkt eine neue Mutung nicht einlegen.
2. Unberührt von dieser Vorschrift bleiben diejenigen Mutungen, die die staatlichen Bergbehörden in Vertretung der In⸗ haber von Bergregalitätsrechten anzunehmen berechtigt sind.“
Die Kommission beantragt ferner folgende Resolution:
„die Regierung zu ersuchen,
a. in eine eingehende Prüfung darüber einzutreten, in welcher Beziehung das Berggesetz insbesondere über das Muten und die Verleihung des Bergwerkeigentums einer Aenderung zu unterwerfen sein möchte, und den diesbezüglichen Gesetzentwurf sobald als mög⸗ lich vorzulegen; 1
b. vorher aber dem Landtage in einer eingehenden Denkschrift über die einschlägigen berggesotzlichen Bestimmungen der vorzugs⸗ weise in Frage kommenden außerpreußischen Staaten im Vergleich mit den preußischen Bestimmungen Mitteilung zu machen,
c. möglichst noch in dieser Session durch einen Nachtragsetat diejenigen Gelbmittel anzufordern, die zu einer systematischen Auf⸗
schließung des Landes, insbesondere der östlichen Füafünten in bezug auf das Vorhandensein von Kohlen und Steinsalzen entweder durch Vermehrung der staatlichen Bohrversuche oder durch den Abschluß von Verträgen mit privaten Bohrgesellschaften not⸗ wendig sind.“
Die Abgg. von Bockelberg (kons.), Gamp (freikons.), Dr. König (Zentr.) und Oeser (fr. Volksp.) beantragen, in § 1 zwischen Abs. 1 und 2 folgenden neuen Absatz ein⸗ zuschieben: 1
„Die Annahme von Mutungen nach Absatz 1 Ziffer 2 ist aus⸗ geschlossen, wenn der Muter innerhalb zwei Wochen nach Verkündigung dieses Gesetzes dem zuständigen Oberbergamt erklärt, daß, er auf weitere Mutungen in dem in Ziffer 2 bezeichneten Umkreise verzichtet. Diese Erklärung ist unwiderruflich.“
Der Referent der Kommission Abg. Dr. König⸗Crefeld (Zentr.) führt kurz aus, daß die Kommission durch die Annahme des Antrags in der von ihr vorgeschlagenen Fassung vor allem die Mög⸗ lichkeit verhindere, daß eine große Zahl von Arbeitern der Bohr⸗ gesellschaften, wenn auch nur vorübergehend, arbeitslos werde. Das Ziel des Antrages Gamp sei von der Kommission unverrückt festgehalten worden, nämlich das noch bergfreie Gelände dem Staats⸗ besitz zu erhalten, es nicht in Privathände übergehen zu lassen. Die jetzige Entscheidung greife der späteren Entscheidung des Landtages darüber, was mit dem reservierten Gelände geschehen solle, in keiner Weise vor. —
Abg. von Bockelberg (kons.): Die Gefahr liegt unzweifelhaft nahe, daß mit dem Mineral Kali ein Raubbau getrieben und dadurch die landwirtschaftliche Produktion geschädigt werden kann. Bei energischem Zugreifen möchte sich auch jetzt noch etwas Wertvolles für die Zukunft retten lassen. Wenn wir der Regierung aber so erhebliche Machtmittel in die Hände geben, so muß gefordert werden, daß das Berggesetz auch nach dieser Richtung revidiert wird. Das Berggesetz ist allerdings in den 40 Jahren seiner Geltung durch die kapitalistische Entwicklung völlig überholi worden. Meine politischen Freunde wollen nun nicht ganz so weit gehen, wie der ursprüng⸗ liche Antrag Gamp. Nach Möglichkeit wollen wir wohlerworbene Rechte der vorhandenen Bohrgesellschaften schützen; weitere Pripilegien wollen wir aber nicht erteilen. Wir werden den Kommissionsvorschlägen beitreten und bitten Sie, meinem Zusatzantrage zuzustimmen.
Abg. Dr. Röchling (nlv.): Wenn sich Uebelstände herausgestellt haben, wäre es nach Ansicht meiner Freunde Sache der Staate⸗ regierung gewesen, ihrerseits uns eine Vorlage zu machen; dann hätten wir auf Grund von genügendem Material die Frage prüfen können. Jetzt müssen wir mit dem Antrag Gamp gewissermaßen im Dunkeln tappen. Wir konnten dem Antrag Gamp nicht zustimmen, weil er ohne Not in bestehende Rechtsverhältnisse eingreift. Es ist nicht richtig, wenn man sagt, daß es sich hier nicht um Rechtsverhältnisse, sondern nur um tatsächliche Verhältnisse handele; denn das Reichsgericht hat die Praxis, die sich herausgestellt hat, als zu Recht bestehend anerkannt. Wenn wir noch einen Kohlenschatz für die nächsten 200 Jahre haben, kann ich nicht einsehen, weshalb man einen so gewaltsamen Eingriff in bestehende Rechte machen will. Der An⸗ trag ist allerdings wesentlich verbessert aus der Kommission herauskommen, und ich kann daher im Namen der großen Mehr⸗ zahl meiner Freunde erklären, daß wir für den Kommissionsantrag stimmen können. Erleichtert wird uns unsere Zustimmung da⸗ durch, daß alle Parteien in der Kommission erklärt haben, daß sie an dem Grundsatz der Bergfreiheit nicht rütteln wollen. Ein kleiner Teil meiner Freunde wird allerdings aus prinzipiellen Gründen auch gegen die Kommissionsfassung stimmen, weil er auch darin eine gewisse Gefahr für die Bergfreibeit erblickt und eine organische Regelung dieser Frage wünscht. Es muß nach Ansicht dieser meiner Freunde die Privattätigkeit erhalten werden
(Schluß des Blattes.)
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Statistik und Volkswirtschaft.
Deutschlands Handel mit Portugal und Spanien 8 im Jahre 1904.
Vom Band 165 der Statistik des Deutschen Reichs“ hat das Kaiserliche Statistische Amt das Heft XIII. (Portugal und Spanien) herausgegeben.
Die Einfuhr aus Portugal erreichte 16,3 Millionen Mark im Jahre 1904, die Ausfuhr dahin 29,4 Millionen Mark. Die Einfuhr hat um 5,2 v. H., die Ausfuhr um 20,5 v. H. gegen das Vorjahr zugenommen. aupteinfuhrwaren sind: Korkholz, Wein in Fässern, Kakaobohnen, Schwefelkies, Ananas und Bananen; Hauptausfuhr⸗ waren: Zucker, Reis, Maschinen, Waren aus edlen Metallen, Leder.
Die Einfubr aus Spanien umfaßte 1904: 99,3 Mill. Mark, die Ausfuhr dahin 56,1 Mill. Mark. Die Einfuhr hat um 13,12 v. H. zugenommen, die Ausfuhr hat um 3,6 v H. abgenommen gegenüber dem Jahre 1903. Haupteinfuhrwaren: Eisenerze, Schwefelkies, Wein in Fässern, Apfelsinen, Korkwaren, Mandeln, frische Weinbeeren, Ver⸗ schnittwein, Schaffelle, Olivenöl, Kupfer. Hauptausfuhrwaren:
aschinen, Waren aus edlen Metallen, Eisenwaren, Lokomotiven und Lokomobilen, Teerfarben, Waren aus unedlen Metallen, vergoldet
usw. Leder. —
Die Zentralauskunftsstelle für Auswanderer hat nach der jetzt veröffentlichten Statistik ihres 3. Geschäftsjahres, das vom 1. April 1904 bis zum 31. März 1905 reicht, insgesamt 2859 Aus⸗ künfte wegen Auswanderung erteilt, darunter 515 mündliche (18 v. H.). Die Mehrzahl, nämlich 2654 kamen aus dem Deutschen Reiche, 3z aus den deutschen Kolonien und 202 aus dem Auslande. Von den Anfragenden waren 661 Kaufleute, 577 Landwirte und Gärtner, 428 11““ 189 Ingenieure, Techniker und Architekten, 92 Arbeiter, 37 Lehrer, 346 aus verschiedenen Berufszweigen, 448 ohne Angabe des Berufs und 81 Anfragende weiblichen Geschlechts.
Die meisten Anfragen, nämlich 1982 (d. i. 69 v. H.), bezogen sich auf die deutschen Schutzgebiete, die der Häufigkeit der Anfrage nach folgendermaßen sich ordnen: Deutsch⸗Südwestafrika, Deutsch⸗ Ostafrika, Kamerun, Kiautschou, Samoa, Togo und die einzelnen Südseebesitzungen. Ein reichliches Drittel aller Anfragen bezog sich auf Amerika, wobei Südbrasilien vor den Vereinigten Staaten und Argentinien an der Spitze steht.
Zur Arbeiterbewegung.
Zwei öffentliche Versammlungen der Berliner Herren⸗ maßschneider nahmen, der „Voss. Ztg.“ zufolge, zur Aussperrung im Schneidergewerbe Stellung. In beiden Versammlungen wurde eine Erklärung angenommen, in der sich die Versammelten mit den Aus⸗ gesperrten solidarisch erklären und sich verpflichten, jede ihnen angebotene Ausstandsarbeit zu verweigern. Die Versammlung erwartete von der Mitgliederversammlung des Arbeitgeberverbandes bestimmte Garan⸗ nien darüber, daß sie sich dem Vorgehen des Gesamtverbandes gegen die Organisation der Arbeitnehmer nicht anschließe. Würden diese Garantien nicht gegeben, so verpflichten sich auch die Berliner Herrenmaßschneider, sich dem Vorgehen ker gesamten Kollegenschaft Deutschlands anzuschließen.
Da die ausständigen organisierten Bauarbeiter in Dort⸗ mund der Aufforderung, die Arbeit gestern wiederaufzunehmen, vicht nachgekommen sind, haben, „W. T. B.“ zufolge, die Mitglieder des Rheinisch⸗Westfälischen Arbeitgeberbundes für das Baugewerbe gestern und heute ihren sämtlichen organi⸗ sierten Arbeitern gekündigt; die Arbeiter werden am 12. Juni entlassen. Die Maßregel erstreckt sich nicht auf 6 oder 7 Orte, in denen feste Tarifverträge bestehen, doch soll dort für etwa austretende Arbeiter kein Ersatz eingestellt werden. Ungefähr 15 bis 20 000 organi⸗ sierte Arbeiter sind von der Maßregel betroffen.
In Lübeck sind, wie „W. T. B.“ meldet, die Schneider⸗ gesellen ausständig geworden.
In Innsbruck sind 2000 Arbeiter des Baugewerbes in den Ausstand getreten. Ihre Forderungen sind, „W. T. B.“ zufolge: Abschaffung der Akkordarbeit, Festsetzung von Mindestlöhnen und Regelung der Arbeitszeit. Die Unternehmer haben sich bisher ab⸗ lehnend verhalten. Der Magistrat sucht zu vermitteln.
Kunst und Wissenschaft.
v. A. Bei Wertheim ist eine Reihe neuer Wohnrãume nach Entwürfen von Künstlern zur Ausstellung gelangt und gibt Gelegenheit, auf gedrängtem Raum zu überblicken, was auf dem Ge⸗ biete des Kunstgewerbes Neues erreicht und erstrebt wird. Die Zeit des heftigen Kampfes ist lange vorüber, Arbeit und Fortschritt in all diesen Dingen vollziehen sich heute geräuschlos und selbstverständlich. Die Künstler wissen, was sie wollen, und das Publikum hat gelernt, ihre Absichten zu verstehen. Das, worauf es heute am meisten an- kommt, ist, die schönen und einfachen Formen bei guter Ausführung so herzustellen, daß sie nicht ein Spielzeug oder Schmuck der Reichen bleiben, sondern ein Gut des Volkes werden können. Auch dies ist noch Aufgabe der Künstler, die das, was sie geschaffen haben, davor schützen müssen, daß es in billiger Fabrikware eine schreckliche Auf⸗ erstehung erlebt. Künstlerisch geleitete Werkstätten, die mit annehm⸗ v55 Preisen arbeiten, scheinen für eine gesunde Entwicklung not⸗ wendig.
Die bei Wertheim ausgestellten Wohnräume halten sich von allen früher üblichen Uebertriebenheiten fern, sie sind auch nicht bis in die kleinste Einzelheit stilvoll ausgestattet, sondern lassen dem individuellen Geschmack Raum. Nur in großen Zügen ist ein ein⸗ heitliches, harmonisches Ganze gegeben. Der einzige phantastische Raum ist das Eßꝛimmer von dem Engländer Baillie Scott, das ganz in schwarzerot gehalten ist und kalt und unruhig zugleich wirkt. Für diese Art starker, unrermittelter Farben fehlt auf deutschem Boden wohl der Sinn. Im übrigen läßt sich in den, doch von den verschiedensten Künstlern entworfenen Räumen eine gewisse Schablone nicht verkennen. Einzelne Formen haben durchaus die Alleinherrschaft erlangt und drängen alle anderen zurück. So herrscht überall der runde Tisch vor, der freistehende, geschwungene Schreibtisch ohne Aufsatz, der flache, offene Bücherschrant mit den hohen Regalen. Am stief⸗ mütterlichsten kommt immer der Salon fort. Er ist durchweg in kalten, hellen Tönen gehalten, die Möbel steif, wenig einladend, wie beispielsweise in dem Raum von Wilhelm von Dobschütz. Hier das Elegante urnd das Repräsentative mit harmonischer Wärme und Gemütlichkeit zu verbinden, ist bisher noch keinem von den Künstlern gelungen. — Unter den Wohnräumen, die eine besondere Besprechung verdienen, ist vor allem das Schlafzimmer von Peter Behrens hervorzuheben. Einen etwas strengen Charakter verleugnen die Arkbeiten dieses ernsten Künstlers, dessen Stilempfinden eine seltene Höhe erreicht hat, niemals, aber die wunder⸗ bare Einheit seiner Schöpfungen wirkt immer zwingend und weckt die Bewunderung. Die wenigen, vollkommen gradlinigen Möbelstücke aus hellem, unpoliertem Holz sind im höchsten Grade zweckentsprechend. Ungewohnt wirkt das sehr niedrige Bett, aber es wirkt gut. Besonders schön ist die Tapete, die dem ganzen Raum einen wunderbar vor⸗ nehmen Anstrich gibt. Auch das Waschgeschirr mit den einfachen, kräftigen Formen ist überaus geschmackooll. Sehr hübsch sind fast durchweg die Eßzimmer ausgestattet. Die Helle und Lrichtigkeit der Möbel, der Tapeten, der Teppiche, der viele freie Raum muten unendlich mehr an, als die schwer⸗ fälligen, massiven Schränke und Büffetts der früheren Einrichtungen. Besonders für die verhältnismäßig kleinen Räume in den Stadtwohnungen wird diese Ausstattung bei weitem vorzuziehen sein. Anton Huber und Wilhelm Thiele sind hier zu nennen. Bei letzterem wirkt die Mattenverkleidung der Wand noch besonders apart. Beachtenewert ist auch de Versuch von dem Holländer
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