1905 / 130 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Jun 1905 18:00:01 GMT) scan diff

anderem Standpunkt steht, in gleicher Weise darüber geurteilt. Dieses Urteil lautet, daß die Regierung hier nicht vor der Sozial⸗ demokratie kapituliert, sondern vor der Wucht der gefährlichen Situation, die aus zurückliegenden Zeiten stammt. Ein bedeutender Teil der Arbeiterschaft gehört gar nicht zur sozialdemokratischen Organisation, und viele Tausende sind unorganisiert. Verlieren die berechtigten Klagen und Wünsche der königstreuen Arbeiterschaft etwa darum ihre Berechtigung, weil sie auch auf dem Programm der Sozialdemokratie stehen? Die Enquete der Regierung bietet noch kein abschließendes Urteil. Wenn die Aussagen der Beamten und der Ar⸗ beiter einander widersprachen, erklärte die Untersuchungskommission, die behaupteten Mißstände seien nicht erwiesen. Man hätte ein solches Urteil überhaupt nicht bilden sollen, sondern die widersprechenden Aussagen sich gegenüber stehen lassen sollen. Und die Er⸗ gebnisse der Enquete entkräftet der Umstand, daß zwar den Arbeitern die Zusage gemacht war, es sollten wegen ungünstiger Aus⸗ sagen ihnen keine Schäden erwachsen, daß aber troßdem mehrere Ar⸗ beiter gemaßregelt wurden, wodurch sich der Arbeiterschaft eine gewisse Verschüchterung bemächtigte. Die Arbeiter beschlossen denn auch, die Enquetekommission nicht mehr zu beschicken. Außerdem spricht gegen die Stichhaltigkeit der Enquete, daß sie noch gar nicht abgeschlossen ist, sondern sich noch bis in den Juni erstrecken soll. Und nun die parlamentarische Rekognoszierung: die „Spritzfahrt ins Ruhrrevier’’! Das Revier hat 1200 große Betriebsstätten, 7000 Beamte und 270 000 Arbeiter. Die Kommission, die auf 2 Tage in 6 Gruppen von je 5 Herren die Verhältnisse untersuchte, war zeitlich nicht einmal in der Lage, die Schornsteine im Revier zu⸗ zählen, geschweige denn über die Verhältnisse zuverlässige Daten zu sammeln. Nach der belgischen Gesetzgebung haben die Revisoren zwar nicht das Recht, ohne Begleitung in die Bergwerke zu gehen, wohl aber das Recht, ihre Begleiter fortzuschicken, um mit den Arbeitern selbst sprechen zu können. Ich meine, eine gut⸗ vorbereitete Arbeit in der „Urania“ in Berlin mit Projektions⸗ bildern aus den Bergwerken hätte ebenso gute Dienste geleistet als diese parlamentarische Untersuchung. In manchen Beziehungen sind die Bergarbeiter im Ruhrrevier in einer bedrückten Lage. Wo in Industrie oder Landwirtschaft sind jemals in letzter Zeit Zustände aufgedeckt worden, wie sie der letzte Trierer Prozeß sehen ließ? Kann man sich wundern, wenn die Arbeiter⸗ schaft sich einer unerhörten Paschawirtschaft ausgeliefert sieht? In unserer deutschen Arbeiterschaft sehen wir auch nicht nur die Sozialdemokratie als Organisator wirken; wir haben auch christliche Organisationen, und leider genießen diese in den Reihen jener Herren, die sich ganz besonders als staatserhaltend angesehen wissen wollen, eine ausgesprochene Gleichgültigkeit, wenn nicht Feind⸗ seligkeit. Evangelische Geistliche nehmen seit Jahrzehnten mit großen Opfern die Organisation der Arbeiter in die Hand; dasselbe gilt vom katholischen Klerus. Ich darf in diesem Zusammenhang an die eitungsfehden erinnern, welche Herr von Stumm mit einem Super⸗ ntendenten Zillessen ausgefochten hat. Hier ist noch manches seitens der Angehörigen der höheren Schichten den Arbeitern gegenüber gut zu machen. Der Urgrund der Klagen der Bergarbeiter stammt aus der Zeit, wo an die Stelle des alten Patriarchalismus das „ganz manchesterliche“ Berggesetz von 1865 trat, wie der Geheime Oberbergrat Arndt es nennt. Nicht der Streik auf der Bruchstraße, sondern die er Umstand ist die tiefere Wurzel des Streiks. Die Selbsthilfe des einzelnen ist zu schwach; die Selbsthilfe durch Organisationen hat sich als wirksameres Gegengewicht gegen das Manchestertum erwiesen. Warum soll auch dieses Gegengewicht dem Bergarbeiter nicht konzediert werden? Graf Kanitz hat schon 1891 in einer vorzüglichen Broschüre über die Kohlen verkaufsvereine den Zustand geschildert, wie ihn das Berggesetz im Ruhrkohlenrevier gestaltet hat. Schon damals hat Graf Kanitz die zweite Auflage des Streiks vor⸗ ausgesagt, die wir nach 14 Jahren erlebt haben. Was die körperliche Oualitat betrifft, welche die jungen Bergleute aufzuweisen haben, so fFann es ja so sein, wie Herr von Burgsdorff meinte; aber die Statistik läßt die Möglichkeit zu, daß doch vielleicht die Arbeitsverhältnisse mit an der Degenerierung schuld sind. Der eigentliche Bergarbeiter⸗ schutz ist außerordentlich zurückgeblieben; das wird am besten durch die akute Unfall⸗ und Krankheitsgefahr dokumentiert. Bei den Unfällen kann von Simulation nicht die Rede sein; die Verhältniszahl der entschädigungspflichtigen Unfälle ist von 6 ½ auf 15 gestiegen. Ebensowenig lassen sich alle Krankheitsfälle durch Simulation erklären. Die „Bergfertigkeit“ ist von 50 auf 46 Jahre heruntergegangen in 12 oder 13 Jahren! Die Wurm⸗ krankbeit hat erschrecklich um sich gegriffen. Endlich fallen auch alle Schatten der sozialen Frage hier hinein. Notstände, Grund zur Mißstimmung ist vorhanden und damit, wenn auch keine volle, aber doch eine zureichende Erklärung für den plötzlichen Ausbruch des Streiks. Daß der Zeitpunkt für die Vorlage der bestgewählte war, will ich keineswegs behaupten; aber gewählt war der Zeitpunkt über⸗ haupt nicht, denn es gab keine freie Wahl, es war ein kritischer Moment gekommen, wo es galt, sich rasch zu entscheiden. Die Regierung hat durch ihr plötzliches Eintreten Blutvergießen verhindert; Sie werden sich doch erinnern, daß 1889 geschossen wurde. Ueber das Wagennullen verliere ich kein Wort, es ist gerichtet; ihm noch einmal den Garaus zu machen, wäre ebenso rückständig, wie es überflüssig wäre, es noch einmal ins Leben zurück⸗ zurufen. Die Arbeiterausschüsse bilden den Kernpunkt der ganzen Frage. Den Stein des Anstoßes bilden hierbei die geheimen Wahlen. Kein geringerer wie Herr von Stumm ist 1899 im Reichstag für obligatorische Bergarbeiterausschüsse eingetreten. Vorsichtiger wie Herr Stumm brauchen wir in der Beurteilung der nicht zu sein. Die Sozialdemokratie hat die Einführung oder Durch⸗ setzung der Arbeiterausschüsse einen Indasstreich genannt. Wenn die Arbeiter zu positiver Mitarbeit berangezogen werden, wenn die Arbeiter zu praktischer Tätigkeit zurückgeführt werden, dann wird gerade der Sozialdemokratie am meisten Abbruch getan. Arbeiter⸗ ausschüsse existieren auf den fiskalischen Gruben Preußens, in Bayern haben sie sich ebenfalls bewährt. Sie existieren für die Staatseisen⸗ bahnen in Preußen, und neuerdings hat sie der Handelsminister auch in anderen Betrieben eingeführt. Auch in Privatunternehmungen be⸗ stehen sie seit langem, auch in Schlesien sind sie teilweise seit Jahr⸗ zehnten eingeführt. In einer geistreichen und gar nicht utopischen Schrift empfiehlt Herr Freese sie seinen engeren industriellen Freunden, nachdem er sie selbst seit 20 Jahren mit bestem Erfolge eingeführt hat. Bedenkliche Erfahrungen hinsichtlich der Arbeiterausschüsse existieren nicht, nur Befürchtungen. Die Befürchtungen hinsichtlich der geheimen Wabhlen scheinen mir unbegründet zu sein. Die Arbeiter haben nur dann Vertrauen, wenn sie unbeeinflußt ihre Wahl treffen können, und da wir einstweilen nichts Besseres erfunden haben, so bleibt eben nichts anderes übrig als die geheime Wahl. Uebrigens sind die Arbeiterausschüsse mit derartigen Kautelen umgeben, daß noch weitere Beschränkungen sie illusorisch machen würden. Den Namen eines kon⸗ stitutionellen Systems verdient ein solcher Ausschuß doch nicht. Die Unternehmer bleiben ziemlich unbeschränkte Herren. Den pädagogischen Wert, den man den öͤffentlichen Wahlen beilegt, kann ich ihnen doch nicht vindizieren. Es ist zu befürchten, daß dabei eine Erziehung zur Liebedienerei und Unehrlichkeit stattfindet. Die Arbeiter würden in die Arbeiterausschüsse nationalliberal wählen, und zu ihrer Erholung für die Reichstagswahlen wieder sozialdemokratisch. Die Mitglieder der Arbeiterausschüsse haben doch nur eine beraten de Stimme. Sie müssen über 30 Jahre alt sein, sie sind also über die Sturm⸗ und Drangperiode weit hinaus, sie nähern sich dem Alter der Bergfertigkeit. Außerdem kann sich der Arbeitgeber unter Voraus⸗ bezahlung des Lohnes des ganzen Arbeiterausschusses mit einem Ruck entledigen. Was den sanitären Marximalarbeitstag betrifft, so ist die Achtstundenschicht eine historische Tradition im „Bergbau. Eine kleine Verkürzung der Arbeitszeit bringt eine Erhöhung der Arbeitsleistung mit sich. Es ist auch zu berücksichtigen, wie an⸗ strengend die Arbeit der Bergarbeiter ist. Die Statistik spricht sehr zu Gunsten einer Fürsorge des Staates hinsichtlich des Arbeits⸗ verhältnisses. Wir müssen danach streben, den Bergarbeiter⸗

Zunächst das Bedenken,

noch nur immer sehr wenige Zahl zusammenfinden, notwendig ist.

können.

Industrie existieren,

werden? Velsen hat gesagt,

au nahestehen,

Berg

wir es heute

Vaterlandes verdienen.

die Ausführungen gemacht haben,

Mängel vorhanden,

einzumischen in der sich auf zieht dabei für eine

dieses Privileg

den

es herbeigeführt hat.

hausen ersucht den

schädliches halte.

zulegen.

von Bülow:

hat gemeint,

essen der hatte, Der verlesen dem darüber

erreicht hielt. Stellen ich vor Zweifel

stand als zufriedenes Glied in das Staatsganze einzuordnen. Die

Arbeiter müssen diejenigen Rechte bekommen, welche im öffentlichen v

Welt durch: nirg

führung der Arbeiterschi einmal ein großer Streik auch fegt, so wird es unsere erste Handlung schüsse wieder einzuführen. 1 1 haben Größeres geleistet als mit diesen Bestimmungen der Novelle. Ich erinnere Sie an die Bauernbefreiung. bißchen Grenzregulierung z beklagen, wa Februarerlassen von 1890 8. worden, daß die Arbeiterschaft eine Organisation erhalten so einem friedlichen Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeit⸗ nehmern und der Vertretung gegenüber dienen soll. dieses feierlichen Programms auf sich warten lassen. wichtiger Teil jener Zusage vor. em Prüfung und Entscheidung. Möge die Entscheidung derart ausfallen, daß wir den Dank der Schwachen wie der Starken

teresse notwendig sind. Es nd 8 Fuberes ges daß H andere Industriearbeiter, auch die S unkte aus würde es schwer sein, 1 1b Dage en scheinen mir die Aussichten für die Landwirtschaft einstweilen sehr gering zu sein. Die Landwirtschaft hat keinen geschlossenen Betrieb, keine Arbeitsordnung, sie . Auf einem Hof wird 2 die für die Bildung eines Arbeiteraueschusses

Wenn auf einem knechte vorhanden sind, wird man Die ö des Großbetriebes, n

der Weise zu Tage getreten. schaft weniger um einen

Eine ernstere Frage ist die: 1 Sozialdemokratie dienen, werden sie die „Organisation der Rebellion

Darauf erwidere ich: Stärken Sier vereine, interessieren Sie sich für sie und un ihnen und den anderen Arbeiterpereinen. „Oberberghauptmann von daß die Arbeiterausschüsse im Falle eines Streiks hinweggefegt würden, und man hat daraus geschlossen, daß man sie erst * nicht einführen solle. .

nur so konkluͤdieren: cht brauchen wir Arbeiterausschüsse, und wenn

Graf von -ttler. es nicht zu verwischen, Ich halte mich aber für verpflichtet, geben, weil derselbe in der Fraktion olierte 1 punkt der ganzen Vorlage liegt für mich einerseits in dem Zeit⸗ punkt der Einbringung und anderseits in den Arbeiterausschüssen. In bezug auf den Zeitpunkt besteht, mit sehr geringen Abweichungen. eine Prämie auf den Kontraktbruch sser die Darlegung der Regierung nichts geändert. dann war 8 an die Beseitigung dieser Mängel heranzugehen, sie abzustellen. konnten wir verlangen, dazu haben minister und dem Oberberghauptmann Mängel nicht so dringend, dann warten, bis nach dem Streik die war aber eine unvorteilhafte Rolle zwei wirtschaftlichem Gebiete kürzeren. außerordentlich 500 000 Bergarbeitern 3 000 000 industriellen Arbeitern nicht versagen, d regierung würde einem solchen Anspruch nicht widerstreben können. Das würde ein schwerer politischer Fehler sein. ist ein sehr böses Gesetz. 1— ruhit So viel Bosheit und Galle ist kaum in einem Gefetz zusammengetragen. (Präsident Redner, auf dieses nicht zur Debatte stehe.) kommt den Zielen entgegen, 1 inter Buche „Demokratie und Kaisertum“ vorgezeichnet hat. Diejenigen, die ein Interesse an der Erhaltung der Staats⸗ und Gesellschaftsordnung haben, können es nicht annehmen. der Volksherrschaft wünschen, der Ruin der Landwirtsch konservativen Einflusses der Ruin des Kohlenbergbaues, die vierte der Staatssozialismus. Herr Naumann will ja seiner Volksherrschaft die Kaiserkrone auf⸗ setzen und will alles für der Volkeherrschaft nach Naumannschem Rezept und der Krone, wie wir sie erhalten und verteidigen wollen, liegt eine tiefe Kluft. Da gibt es keinen Ausweg. Stellungnahme bin ich mir durchaus klar. Fraktion die Ablehnung vertreten, . Ich modifiziere aber meine Stellungnahme dahin, daß ich bereit bin, in der Kommission mitzuarbeiten. 3 einen Antrag einzubringen, worin die Staatsregierung aufgefordert wird, den Entwurf einer Kodifikation des ganzen Bergrechts uns vor⸗ Mit diesem Stück⸗ und ganze Arbeit getan werden.

Präsident des Staatsministeriums, Reichskanzler Dr. Graf

Meine Herren, ich werde auf das Stillegungsgesetz nicht näher eingehen aus den eben von dem Herrn Präsidenten hervorgehobenen Gründen. Wenn aber der Herr Graf von Tiele⸗Winckler gesagt hat, er habe niemals erlebt, daß in ein Gesetz so viel Gift und Galle destilliert worden sei wie in die erwähnte Vorlage, so muß ich darauf auf⸗ merksam machen, daß der Königlichen Staatsregierung, als sie diesen Gesetzentwurf dem Landtage unterbreitet hat, jede Animosität selbst⸗ verständlich vollkommen ferngelegen hat.

Ich wende mich nun zu einigen anderen Ausführungen, die im Laufe der Debatte gemacht sind. Der Herr Freiherr von Manteuffel die Königliche Staatsregierung hätte sich während des Streiks im Ruhrgebiete ganz auf die Seite der Bergarbeiter Demgegenüber weise ich hin auf die Artikel, welche damals in der sozialdemokratischen Presse erschienen sind, und in denen der König⸗ lichen Staatsregierung und speziell mir im Gegenteil vorgeworfen wurde, daß wir in der rücksichtslosesten, herzlosesten Weise die Inter⸗ Arbeiter weise hin auf die Rede, die,

der Reichstagsabgeordnete Bebel im Reichstage Abg. zu Reichstage lassen, die vollen Machtmittel des Staates einsetzen würde, Ruhrgebiet entfesselte Lohnkampf in Erzesse ausarten sollte. Dann fuhr Herr Bebel fort: „Ist das eine Sprache von einem Staatsmanne? In einem Augenblicke, wo die Arbeiter sich der größten Ruhe befleißigen, eine

derartige Drohung auszusprechen! ends wird in einem solchen Falle ein Staatsmann

wischen Arbeitern und Arbeitgebern! Würden

Anderthalb Jahrzehnte

den

nun zwei Bedenken aufgetaucht. haben wollen. Vom Rechtsstand⸗ solche Ansprüche zurückzuweisen.

hat von jeder Arbeiterkategorie sich sehr selten die Hofe 12 Kuhmägde und 12 Pferde⸗ doch keinen Ausschuß verlangen wie sie in der in der Landwirtschaft auch nicht in

Es handelt sich bei der Landwirt⸗ Großbetrieb, als um einen Großbesitz. Werden die Arbeiterausschüsse der

ie christlichen Arbeiter⸗ rscheiden Sie zwischen

Wie können die Herren, die dem für die soziale Weiter⸗

Ausschüsse über den Haufen sein müssen, diese Aus⸗ kann ich sagen: Wir

diese

Im allgemeinen

Was ist dagegen dieses

s vor 100 Jahren geschehen ist? In den ist in unzweideutiger Weise göir eh e, welche

ihrer Standesinteressen dem Staate hat die Erfüllung Heute liegt ein An diesem hohen Hause liegt die

unseres gesamten

Um den tiefen Eindruck, den Burgsdorff augenscheinlich kann ich mich kurz fassen. meinem Standpunkt Ausdruck zu ein isolierter war. Der Schwer⸗

Herrn von

glaube ich, nur eine Meinung Die Aktion der Regierung ist als aufzufassen. Daran wird dur Waren wirkli es die Pflicht des .lminsse a8 wir das Gehalt dem Handels⸗ bewilligt. Waren aber die hatte der Handelsminister Zeit zu Gemüter sich beruhigt hatten. Es für die Staatsregierung, Parteien, in einen Kampf, abspielte. Wer das tut, Die Arbeiterausschüsse halte ich gefährliche Maßregel. Wenn man gibt, so kann man es versagen, und die Staats⸗

streitende

Das Zechenstilllegungsgesetz Sie wissen nicht, welche Beunruhigung Fürst zu Inn⸗ und Knyp⸗ Gesetz nicht einzugehen, das Die Gesetzgebung, die uns hier beschäftigt, welche Naumann in seinem interessanten

Für diejenigen, die die Errichtung ist die erste Etappe auf diesem Wege aft, die zweite die Beseitigung des agrarisch⸗

auf die Staattregierung, die dritte

Heer und Aber zwischen

Flotte bewilligen.

die Verantwortung meiner Ich habe in meiner weil ich das Gesetz für ein gemein⸗

Ueber

Ich behalte mir vor,

Flickwerk ist nichts getan. Es muß

gestellt.

Unternehmern geopfert hätten. Ich als der Streik seinen Höhepunkt diese kurzen darauf, daß wolle keinen Staatsregierung wenn der im

Bebel ich bitte, dürfen nahm Bezug gesagt hatte, ich daß die preußische

Gehen Sie alle Parlamente der

eine solche Provokation Streikenden ins Gesicht zu schleudern

wagen. Das ist eine Provokation unerhörtester Art.“

Der Abg. Bebel sagte weiter: Aehnliches wäre einem englischen Minister nicht passiert; es wäre in England einfach unmöglich gewesen, daß ein Minister so zum Parlamente, zu den Vertretern der Arbeiter im Lande geredet hätte, wie der Reichskanzler es am 20. Januar im Reichs⸗ tage getan hat. Was haben wir am 20. Januar zu hören be⸗ kommen? Gegen die Arbeiter eine Drohung, gegen die Unter⸗ nehmer einen leisen Tadel und am Schlusse der Rede die größten Komplimente für die Unternehmer. So stehen im Augenblick die Sachen. Der Herr Reichskanzler braucht sich nicht zu wundern, daß auch in der bürgerlichen Presse ein großes Mißbehagen über die Stellung der Regierung zu der kleinen Kapitalisten⸗ und Unter⸗ nehmerklasse der Zechenbesitzer sich entwickelt hat. Der Herr Reichskanzler braucht sich auch nicht zu wundern, wenn alle Welt rief: Hier kapituliert die Staatsgewalt vor der Kapitalsgewalt!“

Also, der eine wirft mir vor, ich kapituliere vor der Kapitals⸗ gewalt, der andere, ich kapituliere vor der Sozialdemokratie! Meine Herren, die Wahrheit liegt auch hier in der Mitte. Die Wahrheit ist, daß die Königliche Staatsregierung während dieses Streiks Unparteilichkeit und Sachlichkeit beobachtet, daß sie sich weder von der einen noch von der anderen Seite hat ins Schlepptau nehmen lassen, daß sie sich über den verschiedenen Interessengruppen gehalten hat, daß sie bemüht gewesen ist, und mit Erfolg bemüht gewesen ist, im Interesse der Allgemeinheit diesen Streik möglichst bald⸗ zu Ende zu führen. Wie notwendig es war, dafür zu sorgen, daß dieser Streik nicht zu einer großen allgemeinen Kalamität aus⸗ wuchs, habe ich seinerzeit eingehend im Abgeordnetenhause nach⸗ gewiesen, das hat soeben der Herr Handelsminister von neuem dar⸗ gelegt und das hat zu meiner Befriedigung auch Herr Oberbürger⸗ meister Becker zugegeben. Meine Herren, wenn eine Sache leidlich ausgegangen ist, dann ist es leicht sagen, sie hätte unmöglich schief gehen können. Ich stehe aber doch lieber hier mit dem Bewußtsein, daß wir diesen Streik friedlich und rasch zu Ende geführt haben, als wenn derselbe politisch oder wirtschaftlich uns unheilbare Wunden geschlagen hätte. Nun hat Herr von Burgsdorff sich in temperamentvoller Weise mit der Entstehung des Streiks beschäftigt. Er hat gemeint, dieser Streik sei absichtlich, planmäßig und dirckt herbeigeführt worden von der Sozialdemokratie. Ich gebe ihm zu, daß bei Streiks in der Regel meist sozialdemokratische Hetzerei im Spiele ist. In diesem Falle ist aber der unmittelbare und direkte Anstoß nicht von der Sozialdemokratie gegeben worden, sondern die Ursache war kom⸗ plizierter und tiefer liegender Natur. Herr von Burgsdorff hat weiter gemeint, die Bergarbeiter brauchten nur einen zweiten Streik in Szene zu setzen, um auch den übrigen Teil ihrer Forderungen durchzusetzen Ich habe schon gesagt, daß die Königliche Staatsregierung den Arbeitern die Beseitigung derjenigen Beschwerden in Aussicht gestellt hat, welche schon seit Jahren vog ihr als gerechtfertigt anerkannt waren, nicht aber die Erfüllung ungerechtfertigter und erst während des Streiks entstandener Wünsche und Forderungen. Herr von Burgsdorff hat weiter gemeint, die Maßnahmen, welche wir jetzt für die Bergarbeiter berieten, würden naturge mäß auch auf andere Gewerbe ausgedehnt werden. Ich Abgeordnetenhause gesagt, daß das durch die Natur Dinge ausgeschlossen ist. Ich füge hinzu, daß eine Aus⸗ dehnung dieser auf die Eigenart der Bergarbeit berechneten Maß⸗ nahmen nun gar auf die Landwirtschaft meinen politischen Ansichten und Ueberzeugungen widerspricht.

Nun, meine Herren, weiß ich nicht,

ob das auf Herrn von Burgsdorff einen besonderen Eindruck machen wirß. Ich fürchte,

daß er kein sehr großes Vertrauen zu mir hat. (GSeiterkeit.) Ich möchte wirklich nichts sagen, was unbescheiden klingt, aber Herr von Burgsdorff hat seinerzeit auch gemeint, es würde mir niemals gelingen, irgend etwas für die Landwirtschaft zu tun. Er kleidete dieses Mißtrauen, diesen geringen Grad von Vertrauen damals in die witzige und von mir sehr appreziterte Formel: ein Reichskanzler, der von der Landwirtschaft nicht mehr verstände, al daß man einen Bullen nicht melken könne (Große Heiterkeit), der sei nicht imstande, etwas für die Landwirtschaft zu tun. Nun hat Frei⸗ herr von Manteuffel und dafür danke ich ihm doch anerkannt, daß es mir gelungen ist, in den Handelsverträgen einiges für die Landwirtschaft zu tun. Ich sage „einiges“, ich hätte gern noch viel mehr für die Landwirtschaft getan. Aber etwas ist doch schließlich erreicht worden, und ich hoffe, daß ich auch bei anderen Anlässen Herrn von Burgsdorff die Möglichkeit geben werde, seine Ansichten. über mich zu revidieren.

Ich will heute auf die viel erörterte Frage der Arbeiterausschüsse nicht näher eingehen. Ich möchte mich nur gegen die Gegenüber⸗ stellung von Arbeiterausschüssen und Krankenkassen wenden. Ich erkenne an, daß cs der Sozialdemokratie leider gelungen ist, sich der Krankenkassen zu bemächtigen; ich erkenne weiter an, daß dies zum großen Nachteil der sozialen Bedeutung der Krankenkassen geschehen ist. Ich erkenne ebenso an, daß sich hier Zustände entwickelt haben, die der Remedur dringend bedürfen. (Bravo!) Aber, meine Herren, die Parallele, die gezogen worden ist zwischen den Krankenkassen und den Arbeiterausschüssen, die kann ich nicht zugeben. Hier, bei den Krankenkassen, große Verwaltungskörper mit bezahlten Beamten, Ausdehnung auf ganze Industrieorte; dort ehrenamtliche Funktionen, gutachtliche Tätigkeit unter Beschränkung auf die Verhältnisse des eigenen Werks, bleibende wirtschaftliche Abhängigkeit der Arbeiter von dem Unternehmer.

Von allen Herren Vorrednern ist das weite Gebiet der Sozial⸗ politik erörtert, ist unser Verhältnis zur Sozialdemokratie berührt worden. Im Inlande und Auslande wird anerkannt, daß Deutsch⸗ land in der Sozialpolitik an erster Stelle steht. Wir folgen, ich habe eben daran erinnert nur dem Beispiele unseres alten Kaisers und seines Kanzlers, wenn wir in der Fürsorge für die Armen und Schwachen nicht erlahmen. Vieles ist schon auf diesem Gebiet er⸗ reicht worden; manches und großes steht uns zu tun noch bevor.

habe im der

.“

Veranlassung zu dem Gesetz eine h

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger

No. 130.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

——

Ich sage offen, ich würde es für unverantwortlich, ich würde es geradezu für einen Akt moralischer Mutlosigkeit der Staatsregierung und des Reichskanzlers halten, wenn sie sich durch die Furcht vor der Sozial⸗ demokratie abhalten ließen, eine weite und richtige Sozialpolitik weiter zu treiben. Ich sage: eine weite Sozialpolitik; denn ich glaube, daß unsere Sozialpolitik sich nicht allein auf die Arbeiter zu beschränken hat, sondern daß wir zu sorgen haben für alle Schutzbedürftigen, so⸗ weit das ohne Ueberspannung unserer Kräfte möglich ist. (Sehr richtig!)

Wir müssen vorsichtig, vorsichtig! nach festgestecktem Ziele weiter⸗ gehen. Jede Ueberhastung wäre vom Uebel. Vor allem müssen wir als Vorbedingung hierfür die dringend notwendige Ver⸗ einigung der getrennten Organisationen der Arbeiterversicherung durchführen. Meine Herren, Regierung und Volksvertretung haben die Pflicht, nach Möglichkeit die Klassengegensätze zu mildern und auf eine friedliche Lösung der großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme hinzuwirken. Je gewissenhafter sie diese Pflicht erfüllen, um so mehr sind sie auch berechtigt und verpflichtet, den Kampf aufzunehmen gegen diejenigen Elemente, die nicht auf⸗ bauen, sondern zerstören wollen und die die sozialen Gegensätze be⸗ nutzen zur Erreichung ihrer auf den Umsturz der bestehenden Verhält⸗ nisse und auf den Umsturz der Verfassung gerichteten politischen Zwecke. Dieser Kampf kann kommen, aber er muß im richtigen Augenblick, auf dem richtigen Felde und mit den richtigen Waffen geführt werden. Bis dahin halte ich es für meine Aufgabe, aber auch zugleich für meine unabweisbare Pflicht, dafür zu sorgen, daß die bestehenden Gesetze mit Festigkeit und ohne Zögern angewandt werden, und keinen Zweifel darüber zu lassen, daß die Sozialdemokratie nicht eine berechtigte Institution im politischen Kampfe ist, sondern eine unberechtigte, mit allen gesetzlichen Mitteln zu bekämpfende. Auf sozialem Gebiete sehe ich ebensowohl in der ruhigen und planmäßigen Fortführung unserer Sozialpolitik wie in der entschlossenen Bekämpfung der Sozialdemokratie die Aufgabe der Königlichen Staatsregierung, und ich hoffe, daß uns die Unterstützung dieses hohen Hauses in der einen wie in der anderen Richtung nicht fehlen wird.

Endlich, meine Herren, hat Herr Freiherr von Manteuffel aus dem reichen Schatz seiner Erinnerungen ein Wort seines verewigten Vaters zitiert, daß Revolutionen oft, daß sie meist von oben gemacht werden. Meine Herren, das Wort ist richtig, die Geschichte bestätigt es. Revolutionen können aber von oben in zweifacher Weise gemacht werden: Sie können von oben gemacht werden durch Schwäche gegenüber subversiven Bestrebungen, das ist leider schon dagewesen. Sie können aber auch dadurch gemacht werden, daß notwendige Reformen nicht rechtzeitig vorgenommen und daß die Zeichen der Zeit nicht erkannt und verstanden werden. Ich bin über⸗ zeugt, daß der verewigte Freiherr von Manteuffel, daß unser großer Feldmarschall von Moltke das von Herrn von Manteuffel eben zitierte Wort in dieser seiner doppelten Bedeutung verstanden haben. Ich denke, meine Herren, daß die Dynastie, unter der wir leben, immer mit der entschlossenen und festen Verteidigung der Fundamente des preußischen Staates offenen Sinn für die Erfüllung berechtigter Wünsche und gerechter Forderungen verbinden, daß sie immer fest⸗ halten wird an ihrem Wahrspruche suum cuique, Jedem das Seine, den Großen und den Kleinen. Ich schließe mit der Hoffnung, daß, wie mit dem Hause der Abgeordneten, so auch mit diesem hohen Hause wir zu einer Verständigung kommen werden, die im Interesse aller Teile, die im Interesse des Landes liegt. (Lebhaftes Bravo.)

Oberbürgermeister Zweigert⸗Essen: Ich bin 20 Jahre im Ruhrrevier und habe drei große Streiks durchgemacht; ich Fabre die Verhältnisse einigermaßen beurteilen zu können. Der diesjährige Streik kam uns allen überraschend. Wir hatten wohl beobachtet, daß in letzter Zeit die sozialdemokratischen Hetzereien mehr Boden in der Arbeiterschaft als früher gefunden hatten; aber so früh hatte ihn doch niemand erwartet, man hatte ihm höchstens im Frühjahr ent⸗ gegengesehen. Wenn der Kanzler und der Handelsminister be⸗ haupten, der Ursprung sei in dem Vorgehen auf Zeche Bruch⸗ straße zu suchen, so stehe ich auf einem anderen Stand⸗ punkt. Der Streik war keine wirtschaftliche, sondern eine volitische Bewegung. Ich habe das mit meinen eigenen Augen gesehen. Die ganze Streikbewegung wurde vom ersten Augenblick an geleitet von den politischen Agitatoren der Sozial⸗ demokratie. Um so wunderbarer war, daß die gesamte öffent⸗ liche Meinung sich sofort auf seiten der Arbeiter stellte. Wie das kommen konnte, darüber läßt sich schwer ein Bild gewinnen. Der Kontraktbruch war ja gewiß nicht schön. Man kann ja nun nicht verlangen, daß sich 200 000 Arbeiter unter Einhaltung aller Kündigungsfristen zum Streik anschicken; bei solchen Riesenbewegungen geht es ohne einen Rechtsbruch nicht ab. Die ganze Bewegung war aber eine politische, das hätte der öffent⸗ lichen Meinung nicht entgehen sollen. Sehr geschickt hat sich eine andere politische Partei, das Zentrum, der Bewegung angenommen. Es war also eine rein politische Bewegung. Geschah es gestern nicht am grünen Holze des Herrn von Durant, daß er erklärte, für das ihm wenig sympathische Gesetz zu stimmen, um seine Sympathie nach außen zu bekunden? Die Regierung hat Anspruch auf das Zeugnis, daß sie trotz des Drängens auf militärische Hilfe das Ruhr⸗ revier freigebalten hat von Militär; aber es trifft sie der schwere Vorwurf der Ankündigung dieses Gesetzes zu möglichst ungelegener Zeit. Dazu kam die fortwährende Prüfung des Reviers durch hohbe Staats⸗ und Polizeibeamte. Das konnte nicht zur Beruhigung beitragen; die Leute warteten einfach darauf, daß noch drei Minister kommen würden und daß dann etwas geschehen würde. Damit verlängerte die Regierung künstlich immer wieder den Streik. Hätte sie sich darauf beschränkt, Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, so würde der Streik verkürzt worden sein. Ich kann dem Ministerpräsidenten nicht zugeben, daß seine Depesche irgend etwas gewirkt hätte auf die Dauer des Streiks. Dieser ist zu Ende gegangen an dem vollständigen Mangel an Mitteln. Das nach meiner Meinung wenig zweckmäßige Verhalten des bergmännischen Vereins hat das Wort des Handelsministers hervorgerufen: Wenn ihr nicht mit den Arbeitern verhandeln wollt, werde ich mir anders zu helfen suchen. Dieses Wort bezeugt doch, daß das Gesetz etwas ab irato gemacht worden ist. Wenn nun aber auch die

Berlin, Sonnabend, den 3. Juni

das mich doch nicht veranlassen, das Gesetz abzulehnen, sondern i werde es annehmen, und ich bitte, auch das 81dics 68 88 1g möglichst schnell. Ich tue das nicht, weil ich fürchte, die Regierung werde an den Reichstag gehen und ihn zur Revisionsinstanz für die Einzellandtage machen; ich gehe darauf gar nicht weiter ein. Graf Oppersdorff will wohl bloß die Macht des landwirtschaftlichen Unternehmers nicht gebrochen haben, aber die Macht aller anderen. Die Vorlage ablehnen, hieße einen noch viel größeren Fehler setzen auf den Fehler, der mit der Vorlage gemacht worden ist. Die Re⸗ ierung hat das Gesetz versprochen; hat sie nicht die Kraft, es im andtage durchzubringen, so ist ihre Autorität absolut gefährdet, und eine Heruntersetzung der Autorität der Staatsregierung würde auch eine Heruntersetzung der Autorität des Staates sein. Wir haben keinen übermäßigen Ueberschuß an Autorität zu vergeben, um damit leichtsinnig umspringen zu können. Aber auch materielle Gründe bestimmen mich für das Gesetz. Wäre es in ruhigen, fried⸗ lichen Zeiten gekommen, so würde ich mit Vergnügen daran mitgearbeitet haben, und mein sozialpolitischer Standpunkt geht noch weiter, als die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses. Er weicht auch vollkommen von dem Standpunkt der Arbeitgeber ab. Trotzdem erkenne ich an, daß sie in diesem Streik im Rechte waren. er freie Arbeitsvertrag ist bei den heutigen Verhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeiter nicht mehr möglich, wir müssen deshalb eine gesetzliche Organisation der Arbeiter schaffen. Andernfalls werden sich die Arbeiter selbst eine freiwillige Organisation schaffen, die dann unzweifelhaft in die Hände der extremsten t kommt. Die Herren, die gegen diese Arbeiterausschüsse nd, stärken damit diese freiwillige Organisation. Auf dem Gewerkschaftskongreß in Cöln sagte ein Gewerkschaftsführer: Gewerkschaft und Sozialdemokratie sind eins. Wir schwächen also die So ialdemokratie durch die gesetliche Organisation der Arbeiter. onst wird schließlich sozusagen der Arbeitsvertrag im Bergbau zwischen der sozialdemokratischen Fraktion des Reichstags und dem Syndikat abgeschlossen. Allerdings werden die Arbeiterausschüsse bei wichtigen Fragen versagen, wie wir es bei den Gesellenausschüssen gesehen haben. Ich habe mit dem ge⸗ samten Baugewerbe Tarifverträge vermittelt und zustande gebracht und habe dabei immer verhandelt mit der sozialdemokratischen Arbeiter⸗ organisation, der christlichen Arbeiterorganisation und dem Arbeitgeber⸗ verband; nur bei den Malern hatte ich mit dem Gesellenausschuß zu verhandeln, und da kam ein Tarifvertrag nicht zustande. Die Ge⸗ sellenausschüsse verlieren nämlich ihre Bedeutung in dem Augenblick, wo sie gewählt sind. Die Einwirkung der Sozialdemokratie auf die Arbeiterausschüsse wird auch nicht groß sein.é Bei den Krankenkassen hat die Sozialdemokratie ihre bezahlten Stellen für die Agitatoren, das ist bei den Arbeiterausschüssen unmöglich. Und wenn wirklich ein sozialdemokratischer Arbeiter, der den Tag über seine Kohlen geklopft hat und nicht zu den systematischen Hetzern und Verderbern gehört, hineingewählt wird, so ist das kein großes Unglück. Ich teile nicht die Auffassung, daß, wenn die Arbeiterausschüsse da Fehe wären, der große Streik vielleicht nicht entstanden wäre. Die rbeiter wären vielmehr über die Ausschüsse noch viel mehr zur Tages⸗ rer. Die Arbeiter⸗ er auch nicht die Hoffnungen 1 Darum werden sie aber doch nicht über⸗ flüssig sein, sondern werden sich langsam zu wirklichen Ver⸗ tretern der Arbeiterschaft entwickeln, zu denen Arbeiter und Arbeitgeber Vertrauen haben. Die Hauptsache bei der Wahl ist, daß der Wille des Wählers zum Ausdruck kommt. Das wird bei dem geheimen Wahlrecht viel mehr der Fall sein. Zwar kann von einer politischen Beeinflussung der Arbeiter durch die Arbeitgeber heute nicht mehr die Rede sein; aber es handelt bei der geheimen Wahl sich darum, die Arbeiter der Kontrolle der Sozialdemokratie zu entziehen. „Wer nicht gehorcht, der fliegt“, und zwar nicht nur aus der Parteiorganisation, sondern auch aus der Arbeitsstelle, und ob der Arbeiter mit seiner Familie hungert, ist den Herren Sozial⸗ demokraten sehr gleichgültig. Zum Schutz der Arbeiter vor der Sozialdemokratie brauchen wir die geheime Wahl. Ich warne Sie dringend davor, durch die öffentliche Wahl die Arbeiter massenhaft in die Sozialdemokratie zu treiben. Mit dem öffentlichen Wahlrecht würde das Gesetz für mich ganz unannehmbar sein. Wir müssen jedes Gesetz uns von dem Gesichtspunkt aus ansehen, wie es dem sozialen Frieden dient. Die Autorität des Staats wird nur durch Gesetze gewahrt, die allen Bevölkerungsklassen dienen. Diese Ueber⸗ zeugung habe ich von diesem Gesetze gewonnen. Die Bestimmungen über das Wagennullen, den sanitären Arbeitstag usw. sind vor⸗ trefflich, die umstrittenen Bestimmungen über die Arbeiterausschüsse und das Wahlrecht sind nicht zu beanstanden. Das geheime Wahl⸗ recht ist notwendig als Kampfmittel gegen die Sozialdemokratie.

Minister für Handel und Gewerbe Möller:

Meine Herren! So sehr ich mit den Ausführungen des Herrn Vorredners sympathisiere, so halte ich es doch für notwendig, auf einige abweichende Aeußerungen einzugehen. Zunächst bezüglich der Ausschüsse stehe ich entschieden nicht auf dem Standpunkte des Herrn Vorredners, daß die Ausschüsse so harmlos sind, wie er glaubt. Meine Herren, die Ausschüsse müssen richtig konstruiert sein, und vor allen Dingen ein Instrument, auf dem richtig gespielt wird. Geschieht dies, so haben die Ausschüsse einen großen Einfluß auch nach der Richtung hin, nach der der Herr Vorredner eingewirkt haben will. Meine Herren, wenn die Ausschüsse lediglich die Aufgabe hätten, Beschwerden der Arbeiter zur Kenntnis der Arbeit⸗ geber zu bringen, dann würden sie allerdings sehr wenig wirken. Ich habe aber im anderen Hause ausgeführt und wiederhole es bier: man muß den Ausschüssen eine ständige Beschäftigung geben; man muß sie beteiligen an allen Wohlfahrtseinrichtungen, dann kommt man von selbst in ein Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern des Ausschusses, was jetzt gänzlich fehlt, und, meine Herren, ich habe schon hervorgehoben, ich glaube, die Dinge sind konstruiert nicht vom grünen Tisch, sondern aus eigenen Lebens⸗ erfahrungen; ich hatte allerdings nicht mit tausenden, aber mit hundert Arbeitern zu operieren und habe gefunden, daß, wenn man sie nur in geeigneter Weise an alledem, was man zu ihrem Besten tun will, be⸗ teiligt, sie mitraten läßt, alsdann sich ein Vertrauensverhältnis etabliert, weit hinaus über die politischen Zwistigkeiten zwischen Arbeiter und Arbeitgeber. Wir können heute auch, wir alten Arbeitgeber, in vielen Gegenden nicht verhindern, daß die Arbeiter samt und sonders sozial⸗ demokratisch wählen. Darum kann nichtsdestoweniger ein Vertrauens⸗ verhältnis zwischen Arbeitgeber und ⸗nehmer existieren. Das ist das, was wir zunächst erstreben müssen. Wenn wir im gegenwärtigen Streitfall an der Ruhr nicht in der Lage sind, diese Untersuchungen zu führen, die von den Arbeitgebern selbst gewünscht wurden, ohne daß wir uns von den von den Arbeitern gewählten sieben Männern, die im wesentlichen von der Sozialdemokratie beeinflußt

ordnung übergegangen, wie über ihre eigenen Führer. ausschüffe werden nicht gefährlich sein, 8. 8 erfüllen, die manche hegen.

1905.

daß wir einen großen Distrikt, wie den an der Ruhr, wo nahezu 300 000 Arbeiter beschäftigt sind, nicht länger existieren lassen können ohne die geringste Fühlung zwischen Arbeitgeber und Arbeiter. Meine Herren, in Konfliktsfällen, darin stimme ich mit dem Herrn Vorredner überein, werden die Ausschüsse auch versagen. Das wird zunächst sicherlich der Fall sein, ob auf die Dauer, das bezweifle ich, wenn das per⸗ sönliche Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter eintritt wie es bei den vernünftig geleiteten Ausschüssen zweifellos eintritt, ist dorie wohl eine starke Waffe gegen die politische Agitation zu finden. Wenn der Herr Vorredner der Meinung gewesen ist, der Streik sei lediglich politisch gemacht, so möge er mir verzeihen, wenn ich ihm, trotzdem er mitten im Revier wohnt und sicherlich ein gutes Urteil haben wird darin widerspreche. In dem einen gebe ich ihm Recht: vorbereitet war der Streik durch politische Agitation, aber das waren weniger politische Hetzereien, als Hetzereien, welche die Arbeiter in die Gewerk⸗ vereine hineinpressen sollten. Dies ist die eigentliche Ursache der Hetzereien gewesen. Diese Hetzereien haben wir sehr wohl mit angesehen und angehört und haben uns häufig ge⸗ fragt, ob und wo wir eingreifen können. Aber alle früͤher gemachten Erfahrungen sprechen dafür, daß es ver⸗ geblich gewesen wäre, wenn wir versucht hätten, von seiten der Re⸗ gierung berichtigend gegen die kleinen Hetzereien vorzugehen. Der Angelpunkt des Streiks und das behaupte ich nochmals auf der Zeche Bruchstraße ist die Verlängerung der Einfahrtszeit gewesen. Das ist die Ursache des Streiks in der Bruchstraße gewesen, und nachher wurde der Streik, wie ich im Abgeordnetenhause ausgeführt habe, ein Sympathiestreik der anderen Arbeiter, weil sie sich sagten: wenn überhaupt gestreikt wird, müssen wir alle mitstreiken, um unseren Genossen zu helfen. Da half alles Gerede der Arbeiterführer nichts, denn die wollten den Streik nicht, weil er ihnen unendlich viel Geld kostete was sie lieber sparen wollten. Also das sind keine politischen Gründe gewesen, sondern es war ein längst aufgespeicherter scharfer Gegensatz der nur durch das eine Moment der Verlängerung der Einfahrtszeit auf einer Zeche zur Explosion gebracht wurde. Das ist die wirkliche Ursache gewesen.

Und nun, meine Herren, zu der Kritik, die der Herr Vorredner über unser Eingreifen geäußert hat. Meine Herren, es ist die alte Sache: nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, ist es immer leichter zu urteilen als vorher. Ich erinnere daran, daß nicht nur einzelne Gruppen weitsichtiger Leute die damalige Streikbewegung günstig beurteilt haben, sondern ich erinnere daran, daß ich es im Reichstage leider aussprechen mußte, daß sich die Arbeitgeber in Westfalen einer geradezu geschlossenen öffentlichen Meinung im ganzen Lande gegenüber befanden. Das mag bedauerlich sein, das mag eine mißleitete öffentliche Meinung gewesen sein. Tatsache ist, daß diese öffentliche Meinung bestanden hat.

Meine Herren, ich wiederhole nochmals: ich bitte Sie dringend, erwägen Sie, daß das, was das Gesetz bringt, in der Tat nichts ist von dem, was die Arbeiter als Forderungen in dem Streik formuliert hatten, sondern daß es lediglich die Ausräumung von alten Agitations⸗ stoffen ist, die schon vor 16 Jahren von allen Seiten als solche an⸗ erkannt wurden. Meine Herren, wenn man derartige alte Uebelstände ausräumt, sorgt man am besten dafür, die Wiederholung von Streiks zu verhindern, und vor allen Dingen auch dafür, denjenigen, die die Autorität des Staats aufrecht erhalten müssen, das ruhige Gewissen zu geben, daß sie zur rechten Zeit das Richtige getan haben.

„Professor Dr. Schmoller: Ich möchte der Staatsregieru

nicht bloß in meinem Namen, meinen dchte 11“ 8 und wie sie eingegriffen hat in den Streik, weil ich der Ueberzeugung bin, daß die manchesterliche Lehre, die seit 30 Jahren gepredigt wird solche Streiks müsse man sich selber überlassen, bis der wirtschaftlich Stärkere gesiegt habe, eine der gefährlichsten ist, die es gibt. Hat nicht Präsident Roosevelt dasselbe getan, wie unsere Re⸗ gierung? Und wie hat die Regierung eingegriffen? Nur da⸗ durch, daß sie den Arbeitgebern zur Verhandlung mit den Arbeitern riet. In demselben Augenblick kam die Broschüre des Bergmeisters Engel, die die längst widerlegte Weisheit abermals vertrat, daß der Zechenbesitzer nur direkt mit seinem Arbeiter verhandeln könnte. Die Führer der Arbeiter im Ruhrrevier haben mir selbst gesagt: unsere einzige Erwartung am nächsten Sonntag steht auf dem Verhalten der Regierung. Tatsächlich wäre die Sache viel schlimmer gewesen ohne dieses Eingreifen der Regierung. Zu dieser Differenz mit Herrn Zweigert kommt bei mir noch die fernere, daß ich bestreite, es sei keine Ursache zum Ausstand gewesen. Gewiß, der Ruhrarbeiter ver⸗ dient viel, aber es bleibt doch wahr, daß er bis 1865 vom Gesetz ganz anders geschützt war, weil er vom Bergbeamten gegenüber dem Unternehmer ganz anders geschützt wurde. Die Arbeit ist viel schwerer, viel gesundheitsgefährlicher geworden namentlich in den letzten 15 Jahren. Aber das Wichtigere ist, daß der Bergarbeiterstand seit 1889 den Stachel im Herzen behielt, daß er hier in Berlin mit Hammacher verhandelte und mit ihm zu einem Kompromiß kam, und daß Hammacher von den Unternehmern des⸗ avouiert wurde. Das war das große Unglück. Hammacher, der durchaus zuständig war, hatte die kleine Konzession gemacht, und man brachte ihn dahin, daß er den Vorsitz niederlegen mußte und bis an sein Lebens⸗ ende den Stachel im Herzen behalten hat, daß ihn seine Kollegen von der Unternehmerschaft so haben sitzen lassen. Ich habe immer Beziehungen zu den Führern im Ruhrgebiet gehabt; die Leute sagten mir schon vor einem halben Jahre: der Streik wird kommen, wir können die Leute nicht mehr halten. Wie ist nun überhaupt zu helfen? Unsere heutige Arbeiterschaft, einerlei, ob sozialdemokratisch oder nicht, ist uͤberhaupt nur noch gouvernabel und vernünftig zu machen, wenn sie Führer bekommt, denen sie gehorcht. Das ist natürlich nicht leicht; die Gefahr besteht, daß die Krakeeler an die Spitze kommen. Aber ein altes Sprichwort sagt: Die Krakeeler gehören aufs Rathaus. Man kann die Draufgänger, die Temperament⸗ vollen, nicht ausschließen, das lehrt ein Blick auf alle Parteien.

Sodann darf man nicht davor zurückschrecken, daß zuletzt durch eine

staatliche oder selbständige Organisation der Arbeiter der Friede wieder hergestellt wird. Der Streik ist ein großes ulgg und der große Sozialist Rodbertus, der aus Versehen auch acht Tage lang preußischer Minister wurde, hat ausgesprochen, ein späteres Zeitalter werde diesen Zustand gar nicht mehr begreifen. Dem Arbeiter das Koalitionsrecht zu nehmen, ist eine Un⸗ möglichkeit; Sie können ihm das Koalitionsrecht und das Streikrecht nur nach und nach abgewöhnen, wenn Sie ihm beibringen, daß mit

wurden, die Arbeitervertreter nennen lassen mußten, so war das ein

öchst beklagenswerte war, so wird

eklatantes Beispiel dafür, daß so die Dinge nicht weiter gehen konnten, . 8 8

seinen Vertretern und Vertrauensleuten verhandelt wird. Dabei i es gar nicht erforderlich, daß der Arbeiter immer recht bekommt,