Homburg v. d. Höhe, 8. September. Ihre Kaiser⸗ lichen und Königlichen Majestäten statteten gestern nach⸗ mittag in Begleitung des Kronprinzlichen Paares und anderer zur Zeit hier weilender Fürstlichkeiten der Saalburg einen längeren Besuch ab, woselbst Seiner Majestät dem Kaiser ver⸗ schiedene Herren, die sich durch Stiftungen um den Ausbau der Burg verdient gemacht haben, vorgestellt wurden. Abends fand bei den Kaiserlichen Majestäten in Homburg eine Tafel statt, zu der die anwesenden Fürstlichkeiten, die Umgebungen und die Gefolge, der kommandierende General, General⸗ leutnant von Eichhorn, der Oberpräsident von Windheim und der Earl of Lonsdale geladen waren. Heute früh begaben Sich Ihre Majestäten, sowie Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin nach dem Paradefeld bei Nieder⸗Eschbach.
Deutsche Kolonien.
Nach amtlicher Meldung aus Deutsch⸗Südwestafrika haben die zum Angriff gegen Hendrik Witboi versammelten Truppen am 25. August den Vormarsch angetreten.
Die Abteilungen Estorff und Lengerke erreichten nach Säuberung des Nananib⸗ und Hanam⸗Plateaus die Linie Kleinfontein —- Chamis. Der Marsch über die mit Felsgeröll bedeckte, von tief eingeschnittenen I; durchzogene Hochfläche war außerordentlich schwierig. Die Truppen fanden tagelang kein Wasser. Sie mußten daher teilweise die Pferde zum Tränken nach dem Leberfluß zurücktreiben. Vor der Front wichen mehrere kleinere Hottentottenbanden nach Westen zurück. Eine stärkere, auf etwa 150 Reiter und 200 Fußgänger geschätzte Bande mit zahlreichem Vieh überschritt die Linie Gorab — Duwisib in nordwestlicher Richtung und wandte sich in Höhe von Nam nach Westen. Sie wird vom unteren Gorab aus durch die Abteilungen Maercker und Meister unter dem Befehl des Majors Meister verfolgt.
Die Abteilung Koppy, verstärkt durch die 7. Batterie der Abteilung Lengerke, marschiert von Numis über Namtob auf Sinclair⸗Mine zur Säuberung des Tiras⸗ f.e. und der 1
Das Hauptquartier befindet sich unter Bedeckung der Kompagnie Ritter (2. Komp. Regts. 1) in Chamis.
Ein Telegramm aus Windhuk meldet: 8
Am 3. September auf Patrouille bei Gurumanas ist ge⸗ fallen: Sanitätssergeant Max Müller, geboren 12. 6. 80 zu Bräunsdorf, früher im Königlich sächsischen 6. Infanterieregiment Nr. 105, Brustschuß; verwundet wurde Reiter Friedrich Schäfer, eboren 30. 4. 80 zu Althof⸗Ragnit, früher im Feldartillerieregiment Nr. 37; schwer, Schuß in das linke Knie.
Rußland. 2
In der Kathedrale des Großen Palais in Peterhof wurde, wie „W. T. B.“ mitteilt, gestern aus Anlaß des Friedensschlusses ein feierliches Tedeum abgehalten, dem der Kaiser, die beiden Kaiserinnen, die Königin von Griechenland, die Großfürsten und die Großfürstinnen sowie die hohen Würdenträger beiwohnten.
Infolge des Dankgottesdienstes wurde die auf gestern an⸗ gesebte Sitzung der Sonderkonferenz unter dem Vorsitz
es Grafen Solßky auf heute verlegt.
Gestern fand in St. Petersburg unter dem Vorsitz des Ge⸗ hilfen des Ministers des Innern Vatazzi die erste Sitzung einer
emischten Kommission für die Frage der Ausdehnung und der Organi⸗ ation der Unterstützung mit Lebensmitteln der von Mißernte betroffenen Provinzen statt. Auf Grund des vorgelegten Berichts wurde festgestellt, daß unter dieser Not besonders die Pro⸗ vinzen Saratow, Rjäsan, Samara, Pensa, Tambow, Orel, Woronesch, Tula und Wiatka zu leiden hätten. Die Provinzen Witebsk und Kasan seien weniger davon betroffen. Die Provinz Pskow werde sich voraussichtlich selbst erhalten können. Aus der Provinz Simbirsk lägen noch keine Nachrichten in dieser Hinsicht vor. Nach einer an⸗ nähernden Schätzung werde man für die erstgenannten Provinzen etwa 36 ½ Millionen Pud Getreide zu Nahrungszwecken und ungefähr 12 ½ Millionen Pud Saatgetreide nötig haben, abgesehen von den in den städtischen Magazinen befindlichen Vorräten. Für die übrigen Provinzen werde man etwa 22 Millionen Pud zu Nahrungszwecken und 3 ½ Millionen Pud als Saatgetreide nötig haben. Zum Kauf dieses Getreides werde der Staatsschatz mehr als 36 Millionen Rubel anweisen müssen.
In der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch gab es in Baku verschiedentlich Straßenkämpfe. Am Mittwochvormittag fanden in der Stadt mehrere Brandstiftungen statt. Mangel an Lebensmitteln macht sich fühlbar. Im Bohrgebiet dauern die Brände fort. Der Schaden ist sehr groß, die Gesamtlage ist ernst. In der Stadt kam es zu keinem massenweisen Zusammenstoß; aber auf dem Grubenterrain in Balakany, wo eine beträchtliche Streitkraft mit Artillerie zu⸗ sammengezogen ist, um die verderbliche Bewegung niederzu⸗ halten, entstand eine wahre Schlacht. Banden von Arbeitern, die in einem Hospital verschanzt waren, wurden mit Gewehr⸗ feuer und Bajonett vertrieben; andere Banden griffen das Militärlager und das Vorratsdepot an, wurden aber durch Truppen zurückgetrieben, die mehr als tausend Personen und verwundeten. Es herrscht Mangel an Lebens⸗ mitteln.
Die Stadt Tiflis ist von Flüchtlingen aus Baku, die ihr Hab und Gut im Stich gelassen haben, angefüllt. Heute sprachen bei den Behörden Abgeordnete der großen Petroleum⸗ raffinerien vor, die um Schutz für die großen Mengen brenn⸗ barer, in den Reservoiren zu Baku enthaltener Flüssigkeit nach
suchten.
Sämtliche Branntweinbrennereien und Seiden⸗
spinnereien im Bezirke Schuscha wurden von Tataren in Brand gesteckt. Einem Teil der Arbeiter gelang es, in die Berge zu flüchten, ein anderer wurde niedergemetzelt.
Die Naphthagruben in Bibi Eibat von Mantahow liegen in Asche; auch die Niederlagen der Kaspischen Gesellschaft sind in Brand gesteckt. Die christlichen Arbeiter sind von Tausenden von Tataren umzingelt.
Nach einer späteren Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ aus Baku ist Balachany vollständig ausgebrannt; die Tataren schleppten alles, was nur den Wert hat, fort. Bibi⸗Eibat brennt noch. In en Straßen Bakus fallen Nachts Schüsse. Die Börse und die Banken sind geschlossen. Die Verluste sind enorwmm.
Italien.
Bei der Eröffnung einer in Desio (Provinz Mailand) veranstalteten Ackerbauausstellung hielt der Minister des Aeußern Tittoni eine Rede, in der er, wie „W. T. B.“ meldet, darauf hinwies,
wie notwendig es für die wirtschaftliche Ent⸗
wicklung des Landes sei, den inneren wie den äußeren Frieden zu erhalten. Bezüglich der äußeren Politik sagte der Minister: „Mein ständiges Bestreben ist es, den äußeren Frieden zu sichern und dabei nichts zu versäumen, um die wirklichen Interessen des Landes zu wahren. Ich bin von der großen Verantwortlichkeit durchdrungen, die ich dem Lande gegen⸗ über trage, und nehme die Verantwortung für meine Politik, die beständig, ruhig und durchaus friedlich ist, voll auf mich. Gerade im Bewußtsein meiner Pflicht und meiner Ver⸗ antwortlichkeit finde ich Kraft und Energie, um denen zu wider⸗ stehen, die das Land in Abenteuer stürzen möchten und die dadurch, daß ste immer neue Fragen aufwerfen, nach und nuch mit allen Großmächten in Streit geraten und sich schließli mit allen überwerfen würden. Einer solchen Politik der Abenteuer ohne jede praktische Unterlage steht das Land ab⸗ lehnend gegenüber.“ Am Schlusse seiner Rede betonte der Minister nochmals, daß seine Politik durchaus friedlich sei und den Wünschen aller derer entspreche, die eine Politik wahrer Reformen wollten. .
Der Kardinal Pierotti ist, dem „W. T. B.“ zufolge, in Rom gestorben. ““
Schweden und Norwegen.
Die Beratungen der in Karlstad zusammengetretenen schwedischen und norwegischen Delegierten über die Unions⸗ auflösung sind gestern bis zum 12. d. M. vertagt worden, um den Delegierten Gelegenheit zu Verhandlungen mit den Regierungen ihrer Länder zu geben.
*Däränemark. 1 Der König hat, wie „W. T. B.“ erfährt, unter dem 5. September verfügt, daß der Kriegs⸗ und Marineminister in Zukunft die Bezeichnung Verteidigungsminister zu führen habe. Das engiish Kanalgeschwader ist heute, Vormittags 10 Uhr, vor Kopenhagen eingetroffen und auf der Außen⸗ reede vor Anker gegangen.
“ 5
In Tokio ist es in den letzten Tagen zu ernsten Ruhe⸗ störungen und Ausschreitungen gekommen, die auf die Unzufriedenheit eines Teils der Bevölkerung mit dem Ergebnis der Friedensverhandlungen zurückzuführen sein sollen.
Nach einer Meldung des „Daily Telegraph“ begannen die Unruhen deswegen, weil fünf Führer der öffentlichen Meinung verhaftet wurden. Am Montagabend fand eine Protestversammlung statt. Am Dienstag sammelte sich eine gewaltige Volksmenge, die dieNationalflagge mit schwarzen Bändern verhüllt trug, außerhalb des Hibiyaparks an. Von Parlamentsmitgliedern wurden Reden gehalten mit der Forde⸗ rung, daß an Marschall Oyama telegraphiert werden sollte, er möge den Kampf fortsetzen und nicht den Frieden, der eine Schande für die Nation sei, annehmen. Ebenso wurde beschlossen, den Geheimen Rat mit einer Petition an den Kaiser anzugehen, daß er den Frieden nicht ratifi⸗ zieren möge. Als die Leute den Park verließen, hörten sie, daß Graf Katsura und der Polizeipräfekt Adachi sich im Hause des Ministers des Innern befänden; sie griffen darauf das Haus an und beschossen es. Die aufrührerische Menge, die hauptsächlich aus Soshifanatikern, die von Agitatoren aufgehetzt waren, bestand, gebrauchte gegen die Polizei Messer und Stöcke; Tausende von Studenten hatten sich den Auf⸗ ständischen angeschlossen. Der Mittwoch verlief außergewöhnlich ruhig. In der Nacht zum Mittwoch hatte eine Versammlung von Vertretern aus allen Teilen Japans stattgefunden; es wurde beschlossen, Bittschriften an den Thron, den Geheimen Rat und das Parlament zu richten mit dem Ansuchen, den Friedensvertrag nicht zu ratifizieren. Wüste Szenen spielten sich am Mittwochabend ab; 2 die Gebäude an der Straßen⸗ bahn entlang und auf die Polizeistationen wurde geschossen, die Wagen wurden in Brand gesteckt. Berittene Truppen griffen die Menge an.
Am Mittwoch fand im Palast eine Konferenz statt, zu der die Minister unter dem Schutz von Kavallerie geleitet wurden.
Nach Meldungen des „W. T. B.“ aus Tokio ist das Dienstgebäude des Ministers des Innern niedergebrannt, ebenso 10 christliche Kirchen und eine einer Missions⸗ gesellschaft gehörige Schule. Der Pöbel stürmte ferner elf abgesondert liegende Polizeistationen und zerstörte sie. Die Polizei trieb die Menge wiederholt auseinander. Während der Nacht werden Abteilungen der National⸗ armee einberufen. Der Straßenbahnverkehr ist eingestellt. Am Mittwochabend wurde durch Kaiserliche Verordnung der Belagerungszustand über die Stadt verhängt. Der Stadtkommandant, General Sakuma hat eine Be⸗ kanntmachung erlassen, worin er das Volk auffordert, sich von den Aufrührern fern zu halten. In Tokio ist der gestrige Tag ruhig verlaufen, aber aus Chiba wird gemeldet, daß die Präfektur und das Gerichtsgebäude nieder⸗ gebrannt sein sollen; die Zeitung „Niroku“ ist suspendiert worden.
Afrika.
Im Anschluß an ihre gestrige, von uns bereits veröffent⸗ lichte Meldung über die Angelegenheit des Algeriers Bu Mzian berichtet die „Agence Havas“ weiter: Ein gestern vormittag im Ministerium des Auswärtigen einge⸗ troffenes Telegramm des Grafen Taillandier teile mit, daß die marokkanische Regierung soeben die französischen Forde⸗ rungen in der Angelegenheit des Algeriers Bu Mzian voll⸗ ständig befriedigt habe. Auf Befehl des Sultans habe sich der Großvezier Si Feddul Garnit selbst nach der französischen Gesandtschaft 1“ wo er in Gegenwart des Gesandtschafts⸗ personals, des Bu Mzian und einer Anzahl Mitglieder der europäischen Kolonie dem französischen Gesandten die Ent⸗ schuldigung der marokkanischen Regierung in folgenden Worten zum Ausdruck gebracht habe: „Die scherifische Regierung hat mich beauftragt, Ihnen ihre Entschuldigungen wegen der Festnahme und Einkerkerung des Algeriers Si Bu Mzian el Miliani, eines französischen Untertanen, zu überbringen. Der Maghzen hat den schuldigen Kaid väbena und ich über⸗ 8. ihnen die vereinbarte Entschädigungszahlung für den
eschädigten. Die scherifische Regierung wird es sich zur Pflicht machen, darüber zu wachen, daß ähnliche Zuwider⸗ handlungen gegen Verträge und Gewohnheiten sich in Zu⸗ kunft nicht wiederholen.“ Der Großvezier habe außerdem dem Gesandten Taillandier ein Schreiben des scherifischen Ministers des Aeußern übergeben, in dem die Entschuldigungen der Regierung schriftlich wiederholt und die Absetzung des schuldigen Kaids bestätigt werde. Die für Bu Mzian ver⸗
langte Entschädigungssumme sei sofort gezahlt worden. Taillandier
habe dem Großvezier geantwortet, daß er im Namen der Französischen Republik die Entschuldigungen des Maghze und die Maßnahmen zur Genugtuung annehme. Er nehm ferner die von der scherifischen Regierung für die Zukunf gegebenen Zusicherungen zur Kenntnis. — Wie die „Ageng Havas“ weiter meldet, hat die französische Regierung sogleich die Vorbereitungen fur Abfahrt der Schiffe eingestellt. Frank reich erhält auf diese Weise Genugtuung bezüglich sämtliche Punkte und ohne jeden Vorbehalt.
Wilhelm Geyr, Mitglied des Hauses der Abgeord⸗ neten für den 4. Cölner Wahlbezirk (Siegkreis, Mülheim Wipperfürth), (Zentrum) ist, dem „W. T. B.“ zufolge, heute früh auf dem Gute Kambergerhof bei Neuß gestorben.
Nr. 72 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“ herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 6. Sep⸗ tember, hat folgenden Inhalt: Um⸗ und Erweiterungsbau des König. lichen Gymnasiums in Altona. — Querschnittsbestimmung auf Drutz beanspruchter Stäbe. — Vermischtes: Geplante Einführung der elei⸗ trischen Zugkraft auf den Ladogakanälen. — Doppelschwellen. — Hängeeisen für Rohrschwellen. “
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Die Berliner Posamentenarbeiter im Möbelfache hielten, der „Voss. Ztg.“ zufolge, am Mittwoch eine Versammlung ab, um zu dem von der Innung eingegangenen Bescheide auf ihre Forderungen Stellung zu nehmen. Mit der von der Innung be⸗ willigten Lohnerhöhung auf 55 ₰ Mindestlohn die Stunde, Ein⸗ führung einer 53stündigen wöchentlichen Arbeitszeit, Abschaffung der Akkordarbeit und einen Zuschlag auf Ueberstunden, Nacht⸗ und Sonn⸗ tagsarbeit erklärten sich die Versammelten einverstanden. Die von der Innung verlangte vierjährige Festlegung des Tarifvertrags wurde schließlich in geheimer Abstimmung mit 85 gegen 55 Stimmen an⸗ genommen. .
Die Textilarbeiter von Aachen, Düren und Umgegend sind, wie die „Köln. Ztg.“ mitteilt, in eine Bewegung zur Erringung eines allgemeinen Lohntarifs eingetreten. In einer vorgestern ab⸗ gehaltenen, von 2000 Webern, Färbern und eetwrar n be⸗ suchten Versammlung wurde der von einer Kommission des christlich⸗sozialen Textilarbeiterverbandes ausgearbeitete Entwurf ein⸗ stimmig gutgeheißen. Die Antwort der Fabrikanten soll bis zum 1. November erbeten werden.
In der Segeltuchweberei von Fröhlich u. Wolff in Cassel sind, nac der „Rh.⸗Westf. Ztg.“, 150 Weber wegen Ent⸗ lassung eines Arbeiters ausständig.
Zur Lohnbewegung der Glaser in Hamburg (vgl. Nr. 208 d. Bl.) wird der „Voss. Ztg.“ von dort telegraphiert, daß, nachdem die Einigungsverhandlungen in dem seit acht Tagen bestehenden teil⸗ weisen Ausstand im Glasergewerbe ohne Erfolg geblieben sind, in öffentlicher Versammlung der Glasergesellen der Generalausstand be⸗ schlossen worden sei. Gestern sei die Arbeit auch in den Betrieben niedergelegt worden, die die Forderungen bewilligt hätten.
Kunst und Wissenschaft.
„Bei den Ausgrabungen der alten sumerischen oder präbabylonischen Stadt Bismya, die vor 4500 Jahren den Höhe⸗ punkt ihrer Entwicklung erreichte, hat man ein beachtenswertes Entwässerungssystem, das der Alluvialebene der mesepotamischen Wüste ausgezeichnet angepaßt ist, entdeckt, über das E. J. Banks im „Scientific American“ einen interessanten Aufsatz veröffentlicht. Babyplonien ist ganz eben, von Bagdad bis zum Persischen Golf sieht man nicht die kleinste Erhebung, abgesehen von künstlichen Erdwällen oder einer vereinzelten veränderlichen Sand⸗ wehe. Meistens liegt eine Rinde Lehm auf der Oberfläche, die von der heißen Sommersonne gedörrt und so hart ist, daß sie wie Stein aussieht. Teile der Wüste gleichen so einer vollkommenen Radfahrbahn. Unter der Kruste, die in Bismva selten dicker als 4 Fuß ist und an einigen Stellen gänzlich fehlt, liegt loser, nach⸗ gebender Sand, der bis zu einer unbekannten Tiese reicht. Die Entwässerung in dem Lande ohne Hügelabhänge oder Ströme fließenden Wassers könnte auch den Scharfsinn eines modernen Ingenieurs wohl auf die Probe stellen. Bei einem Hausbau ruben nun die alten Sumerer vor mehr als 6000 Jahren zuerst is zu einer beträchtlichen Tiefe ein Loch in den Sand; in Bismya hat man mehrere Beispiele gefunden, wo die Grube über 14 m tief unter dem Fundament des Hauses liegt. Vom Grunde aus baute dann der alte Baumeister ein senkrechtes Abzugsrohr aus großen zylindrischen Terrakottateilen, von denen jedes mit gefurchten Rändern versehen ist, in die das nächste obere Stück eingepaßt wurde. Diese Abteilungen eines Abzugsrohres hatten einen Durchmesser von 48 cm und eine Höhe von 60 cm; andere waren weiter und viel kürzer, die Dicke des Mantels betrug 2,7 cm. Die Röhren zeigten in Zwischen⸗ räumen kleine Löcher von etwa 2 cm Durchmesser. Die oberste Abteilung des Abzugsrohres war halbkugelförmig, paßte wie eine Kappe auf die untere und hatte eine Oeffnung zur Aufnahme des Wassers von oben. Sand und Scherben wurden dann um das Abzugsrohr aufgefüllt, und es war gebrauchsfertig. Das herein⸗ strömende Wasser wurde schnell von dem Sande auf dem Grunde aufgesaugt und wenn es dort an raschem Abfluß verhindert war, entwich es durch die Löcher in den Seiten der Ziegel. Die Tempel in Bismya waren mit mehreren solchen Abzugsrohren versehen. Bei einem Palast entdeckte man vier; auch ein großes Bad, das einem modernen türkischen Bade ähnlich ist und einen nach einer Ecke abfallenden Asphaltfußboden hat, ergoß sein Wasser in ein solches. Beim Ausräumen der Abzugsröhren waren einige, deren Oeffnungen ungeschützt gewesen waren, mit Treibsand angefüllt; andere waren halb voll von dem Unrat lange vergangener Zeiten. „In einem der Tempel“ erzählt Banks, wie wir einem in der „Voss. Ztg.“ veröffentlichten Auszug aus seinem Aufsatz entnehmen, ent⸗ fernten wir utzende flacher Trinkschalen aus Terrakotta, die in Form und Größe einer Untertasse ähnelten. Augen⸗ scheinlich hatte der Graben das verbrauchte Wasser eines Trinkbrunnens aufgenommen, und die Schalen waren zufällig hereingefallen. In der etwa 2750 v. Chr. gebauten Tempel⸗ plattform von Bismya legten wir einen wagerechten Abzugskanal aus Röhren keghf. von denen jede etwa einen Meter lang war und einen Durchmesser von 15 cm hatte; sie waren den jetzt ge⸗ brauchten in der Form nicht unähnlich. Der Kanal leitete das Wasser von der Plattform zu einem der senkrechten Abzugsrohre. Eine Röhre war so gut konstruiert, daß sie uns lange Zeit als Kamin für unser Haus diente, bis mein türkischer Aufseher anregte, daß ihr dunkles rauchiges Ende aus den Schießscharten des Hauses hervorragen sollte, um die Araber zu überzeugen, daß wir gut ge⸗ wappnet seien; sie diente uns also bis zum Schluß der Ausgrabungen als „Kanone“. In anderen Teilen des Tempels waren einfachere Abzugsröhren verwendet, die das Oberflächenwasser von der leicht geneigten Plattform fortführten. Sie bestanden einfach aus einer aus Ziegeln gebauten Rinne oder waren durch Auslassen von Ziegeln in dem Fußboden angelegt; häufig war die Rinne über den senkrechten Rand der Plattform fortgeführt.
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New York 177, St. Petersburg 42, Wien 60; desgl. an
Babylonier der späteren Zeit, die ihre Toten nicht einäscherten, sondern begruben, versahen auch ihre Friedhöfe mit Abzugs⸗ gräben. Die Gräben waren kleine hausförmige Bauten, die ganz oder keilweise über dem Boden standen; wenn sie auf dem Abhange eines Erdwalles standen, wurden sie oben durch eine Art Wellenbrecher ge⸗ chützt, während sich an den Seiten entlang viereckige offene Ziegel⸗ abzugsröhren befanden. Der Erfolg ist der, daß einige Gräber, ob⸗ gleich sie Jahrtausende alt und aus ungebranntem Lehm sind, noch vollkommen erhalten sind. Obgleich man bis vor kurzem noch annahm, daß der Bogen den Alten unbekannt war, verwandten ihn die Präbabylonier vor mehr als 6000 Jahren doch schon recht häufig. So wurde vor wenigen Jahren ein nur schlecht erhaltenes Gewölbe in der untersten Schicht unter der babylonischen Stadt Nippur ent⸗ deckt. Später wurde ein gewölbter Abzugsgraben unter der alten Stadt Fara gefunden, die von deutschen Forschern im mittleren Babylonien ausgegraben wurde. Obgleich die Stadt eine der ältesten bekannten ist, wurde doch auch sie schon auf den Trümmern einer noch früheren erbaut und mit einem gewölbten, einen Meter hohen Abzugs⸗ graben aus kleinen plank onvexen Ziegeln versehen.
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.
Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankbeiten.
(Aus den „Veröff entlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“, Nr. 36 vom 6. September 1905.)
Pest.
Aegypten. Vom 19. bis 26. August sind 5 neue Erkrankungen (und 4 Todesfälle) an der Pest zur Anzeige gelangt, davon 4 (3) in Alexandrien und 1 (1) in Port Said.
Britisch⸗Ostindien. Während der am 12. August ab⸗ gelaufenen Woche sind in der Präsidentschaft Bombay 1541 Erkrankungen (und 995 e; an der Pest zur Anzeige gelangt, davon 73 (60) in der Stadt Bombay, 16 (8) im Stadt⸗ und Hafengebiet von Karachi, 8 (8) in demjenigen von Jamnagar, 7 82 im Hafen von Porbandar und 2 (2) in dem von Broach.
n Moulmein sind Ende Juli 2 weitere Pesttodesfälle fest⸗ gestellt worden. .
Queensland. Vom 15. bis 22. Juli sind in Queensland
keine neuen Pestfälle gemeldet worden.
“ Pest und Cholera.
Britisch⸗Ostindien. In Kalkutta starben in der Woche vom 23. bis 29. Juli 8 Personen an der Pest und 26 an der
lera. Se Cholera.
Deutsches Reich. Bis zum 4. September Mittags wurden dem Kaiserlichen Gesundheitsamte folgende festgestellten Erkrankungen (und Todesfälle) angezeigt: 1
Ostpreußen: in Pagrs (Kreis Rastenburg) 1 (1).
Weichselgebiet: in Neufahrwasser 1 (—), Einlage (Kr. Danziger (1), Graudenz 2 (—), Kulm 2 (1), Fordon 3 (2), Thorn —
Netze⸗Warthegebiet: in Nakel 5 (2), Usch (Kreis Kolmar i P.) 1 (—), Czarnikau 1 (—), Filehne 1 (1), Zantoch (Kr. Lands⸗ berg) 1 (1).
Hamburg: 2 (1).
Außerdem kam noch eine Anzahl verdächtiger Erkrankungen und Todesfälle zur Anzeige. Gelbfieber.
Es gelangten zur Anzeige in den Vereinigten Staaten
n Amerika: in New Orleans vom 4. bis 11. August 412 Er⸗ krankungen (und 59 Todesfälle), in Sellers (Louisiana) am 7. August 4 (0), in Shreveport vom 2. bis 9. August 1 (0), in Montgomery (Alabama) am 28. Juli 1 (0), in der Golf⸗ Quarantänestation am Mississippi bis 3. August weitere 4 (0) auf Schiffen. Ferner wurden gemeldet in Cholo ma (Honduras) 26. Juli 10 (4), in Puerto Cortez vom 22. bis 27. Juli 7 (1), in Colon vom 9. bis 25. Juli 6 (2), in Panama vom 16. bis 25. Juli 8 (2), in Livingston am 21. und 22. Juli 0 (2); endlich in Zacapa (Guatemala) am 3. August 9 Todesfälle. Unter den aus Colon gemeldeten 6 (2) Fällen befinden sich 3 Gelbfieberkranke, welche von dem Dampfer Seguranca dort gelandet waren; einer der Kranken starb am 24. Juli.
In New Orleans hat das Gelbfieber während der beiden Wochen vom 26. Juli bis 10. August erheblich an Umfang zuge⸗ genommen. Vom. 26. Juli bis 3. August sind dort 252 Personen erkrankt und 42 der Seuche erlegen, vom 3. bis 10. August sind 325 erkrankt und 45 an Gelbfieber gestorben. Während anfangs über⸗ wiegend Angehörige der basenichen Bevölkerung erkrankt und aus⸗ schließlich Personen mit italienischen Namen gestorben waren, hat sich später die Seuche weiter ausgebreitet, u. a. ist der katholische Erz⸗ bischof ihr am 9. August erlegen. 8
Die Anordnung und Leitung der Maßregeln zur Bekämpfung der Seuche hatte, zufolge einer Mitteilung vom 11. August, die Bundes⸗ regierung übernommen, und damit insbesondere das ve- ee; des Marineamts beauftragt. Die Einschleppung des Gelbfiebers wird allgemein auf den Handel mit Südfrüchten zurückgeführt, der von den Häfen Zentralamerikas aus nach dem Hafen von New Orleans getrieben wird. An dem Kleinvertrieb dieser Obsteinfuhr sind haupt⸗ sächlich Italiener beteiligt, und die sanitären Verhältnisse in dem von ihnen bewohnten Stadtteile, der den ursprünglichen Ansteckungsbezirk bildet, sollen viel zu wünschen übrig lassen.
Genickstarre.
Rußland. Zufolge einer amtlichen Veröffentlichung sind im Juli 14 Fälle von epidemischer Genickstarre festgestellt, und zwar 4 im Gouv. Uleaborg, 3 im Gouv. Helsingfors, 2 im Gouv. Abo⸗Björneborg und je 1 in den Gouv. Wasa, Kuopio, Simbirsk, Kasan, Odeffa.
Milzbrand.
Rußland. Im Gouv. Wjatka sind vom 20. Juli bis 9. August noch 23 Fälle von Milzbrand festgestellt worden, davon 15 im Kreis Wjatka und 8 im Kreis Slobodskoi. 8g
Verschiedene Krankheiten.
Pocken: Moskau, Warschau je 2 Todesfälle; St. Petersburg 4, Warschau (Krankenhäuser) 3 Erkrankungen; Fle ckfieber: St. Peters⸗ burg 4, Warschau (Krankenhäuser) 21 Erkrankungen; Rückfallfieber: St. Petersburg 2 Todesfälle, 16 Erkrankungen; Genickstarre: New Vork 19 Todesfälle; Reg.⸗Bez. Arnsberg 2, New York 26, Wien 5 Erkrankungen; Ruhr: Reg.⸗Bezirke Arnsderg 33, Marienwerder 100 Erkrankungen; Brechdurchfall: Nürnberg
Erkrankungen; Influenza: London, St. Petersburg je
3 Todesfälle; kontagiöse Augenentzündu ng: Reg.⸗Bez. Arns⸗ berg 21 Erkrankungen; Krebs: Altona 3, Berlin 38 Todesfälle; Ankylostomiasis: Reg.“Bez. Arnsberg 19 Eö Aussatz (Lepra): Hamburg 3 Frkrarkangen betr. aus Lissabon zugereiste, früher in Brasilien ansässige Ulanter. Ferner wurden Erkrankungen angezeigt an Scharlach in Berlin, Hamburg je 20, Budapest 26, London (Krankenhäuser) 343, New York 37, St. Petersburg 22, Wien 41; desgl. an Masern und Röteln in den Reg.⸗Bezirken osen 121, Stettin 122, in Budapest 47, New York 178, St. Peters⸗ urg 35, Wien 41; desgl. an Diphtherie und Krupp in Berlin 37, Breslau 25, Hamburg 26, Christiania 37, London (Feanken änfer) 1. euch⸗ Nürnberg 37, Ham⸗ 46, Wien 114;
husten im Reg.⸗Bez. Schleswig 90, in 50, Kopenhagen 23, ew Vork an Typhus in Berlin 53, in den Reg.⸗Bezirken Arnsberg 28, Düsseldorf 36, Marienwerder 28, Posen 45, Stettin 28, in Budapest 33, London (Krankenhäuser) 24, New York 254, St. Petersburg 96.
im Vormonat.
Im Monat Juli stehende Todesfälle — außer den v cee von sieber — gemeldet worden: Pocken: 1 4 Malaga ²) 21, Buenos bür 53, Kairo 7, Rio de Janeiro 13, St. Louis ²) 4; Fleckfieber: Kairo 42; Rückfallfteber; Kairo 2;
Cholera, Pest und Gelb⸗
Genickstarre: Beuthen 5, Lipine 1, Oppeln 2, Zabrze 6, Buffaloz) 13,
Indianapolis *), Manila je 3; Influenza: Berlin 8, Barcelona ²) 17, Genua op 8, . Slan 32 11, Murcia ²) 10, Rotterdam 2, Buenos Aires 7, Manila 3, Rio de Janeiro 69; Lepra: Manila 3; 1 Manila 15, Rio de Janeiro 11; Ankylostomiasis: Rio de
aneiro 2.
Im übrigen war in nachstehenden Orten die Sterblich⸗ keit an einzelnen Krankheiten im Vergleich mit der Gesamtsterblichkeit eine besonders große, nämlich höher als ein Zehntel: an Diphtherie und Krupp (1886/95 erlagen diesen 4,27 von je 100 in sämtlichen deutschen Berichtsorten Ge⸗ storbenen): in Naumburg; an Keuchhusten: in Aachen, Wermels⸗ kirchen, Rosenheim. Mehr als ein Fünftel aller Gestorbenen ist ferner nachstehenden Krankheiten erlegen: der Tuberkulose 1886/95 starben an Lungenschwindsucht 12,38 % in allen deutschen
rten): in Forst, Minden, Ohligs, Saarbrücken, Siesburg, Solingen, Velbert, Wilhelmshaven, Wittenberg⸗ Bamberg, Erlangen, Rosen⸗ heim, Schweinfurt, Schönefeld, Bremerhaven, Aussig, Basel, Genf, Gratz, Rio de Janeiro; den Krankheiten der Atmungsorgane (1886/95 starben an akuten Erkrankungen der Atmungsorgane 11,98 % in allen deutschen Orten): in Höhscheid, Luckenwalde, Schönebeck a. Elbe, Siegen, Velbert, Waldenburg i. Schl., Güstrow, Wismar, Barcelona²), Genua¹), Madridꝛ²), Murciaꝛ); dem Magen⸗ und Darmkatarrh, Brechdurchfall (1886/95 starben an akuten Darmkrankheiten 11,72 % in allen deutschen Orten): in 166 deutschen Orten, darunter sogar mehr als die Hälfte in Biebrich, Burg, Caternberg, Köpenick, Duisburg, Graudenz, Hamborn, Rotthausen, Tilsit, Wilhelmsburg, Fürth, Lech⸗ hausen, Neustadt a. Haardt, Annaberg, Oelsnitz, Radeberg, Ludwigs⸗ burg, Reutlingen, Mannheim, Metz.
Von den 325 deutschen Orten mit 15 000 und mehr Ein⸗ wohnern hatten 20 im Berichtsmonat eine verhältnismäßig hohe Sterblichkeit (über 35,0 auf je 1000 Einwohner und aufs Jahr berechnet): Lechhausen 35,3, Memel 35,9 (1886/95: 27,5), Franken⸗ thal 37,0 (1898/1902: 23,3), Reichenbach i. Schl. 37,6, Weißensee 38,1 (1887/96: 30,5), Straubing 38,8 (1897/1901: 29,9), Reutlingen 39,1 (1886/95: 22,8), Neuruppin 39,9 (1896/1900: 25,3), Greifs⸗ wald 40,0 (1886/95: 30,2), Anklam 41,6, Kalk 41,9 (1895/99: 25,8), Tübingen 44,9, Posen 45,1 (1886/95: 26,8), Lipine 48,7 (1897/1901: 31,7), Bogutschütz 50,0, Köpenick 52,7 (1892/1901: 25,9), Zabrze 55,4, Schwientochlowitz 55,8, Ebers⸗ walde 59,2 (1891/1900: 26,2), Borhagen⸗Rummelsburg 62,4 (1891/1900: 27,3). Im Vormonat betrug das Sterblichkeitsmaximum 44,4 %o. — Die Säuglingssterblichkeit war in 123 Orten eine beträchtliche, d. h. höher als ein Drittel aller Lebend⸗ geborenen; sie betrug in 16 Orten sogar mehr als zwei Drittel, und zwar in: Langenbielau 673 %0 (Gesamtsterblichkeit 33,4), Anklam 676 (41,6), Küstrin 686 (28,0), Posen 702 (45,1), Reichenbach i. Schl. 711 (37,6), Metz 717 (32,7), Annaberg 724 (24,3), Schweidnitz 733 32,2), Kalk 753 (41,9), Reutlingen 776 (39,1), Lipine 782 (48,7),
emel 791 (35,9), Tilsit 888 (31,8), Weißensee 953 (38,1), Köpenick 1013 (52,7), Eberswalde 2206 (59,2).
Die Gesamtsterblichkeit war während des Berichtsmonats geringer als 15,0 (auf je 1000 Einwohner und aufs Jahr be⸗ rechnet) in 50 Orten. Unter 10,0 % betrug sie in: Dtsch.⸗Wilmers⸗ dorf 9,6 (1898/1902: 11,7), Bielefeld 9,6 (1886/95: 18,0), Sieg⸗ burg 9,6, Schwelm 9,5 (1898/1902: 18,4), Wald 9,3 (1896/1900: 15,2), Lüdenscheid 8,6 (1886/95: 21,9). — Die Saäuglings⸗ sterblichkeit betrug in 14 Orten weniger als ein Zehntel der Lebendgeborenen. Unter einem Siebentel derselben blieb sie außerdem in 19, unter einem Fünftel in 45 Orten.
Im ganzen scheint sich der Gesundheitszustand gegenüber dem Vormonat, und zwar besonders unter den Säuglingen, bedeutend verschlechtert zu haben. Eine höhere Sterblichkeit als 35,0 % hatten
20 Ortschaften gegen 4 im Juni, eine geringere als 15,0 % hatten
50 gegen 79. Mehr Säuglinge als 333,3 auf je 1000 Lebendgeborene starben in 123 Orten gegen 22, weniger als 200,0 in 78 gegen 197
Belgien.
Durch eine im „Moniteur Belge“ vom 1. d. M. veröffentlichte Verfügung des belgischen Landwirtschaftsministers vom 31. v. M. sind zur der Einschleppung der Beulenpest in Belgien die Bestimmungen der Artikel 1 bis 4 der Königlichen Verordnung vom 5. April 1897 für Herkünfte aus Callao, Lima und Paita vom 2. d. M. ab in Kraft gesetzt worden.
Solche Herkünfte von See sollen an den Quarantänestationen in der Schelde, in den Häfen von Ostende in Nieuport sowie in Selzaete nach den Vorschriften der Kapitel II, III und IV des der Venediger internationalen Sanitätskonvention vom 19. März 1897 beigefügten Sanitätsreglements behandelt werden. (Vergl. „R.⸗Anz.“ vom 27. April 1897, Nr. 98.) -
Türkei.
Der internationale Gesundheitsrat in Konstantinopel hat für Herkünfte von Damiette eine ärztliche Besichtigung an⸗ eordnet, die im ersten türkischen Hafen, in dem sich ein Sanitätsarzt befinder, zu erfolgen hat. ve1ö1¾“
Schweden.
Nach einer Bekanntmachung des Königlich schwedischen Kommerz⸗ kollegiums vom 2. d. M. ist Galizien für choleraverseucht er⸗ klärt worden. 1
Niederländisch⸗Indien.
Nach drei im „Javaschen Courant“ vom 8. August d. J. ver⸗ öffentlichten Verordnungen des Generalgouverneurs von Nieder⸗ ländisch⸗Indien ist gegen Bangkok ne. Ausbruchs der Pest Quarantäne verhängt und die gegen Broach (Britisch⸗Indien) und Port Said verfügte Quarantäne wieder aufgehoben worden. (Vergl. „R.⸗Anz.“ vom 10. März und vom 17. Juni d. J, Nr. 60 und 141.) 88 8
Berlin, 8. September. (W. T., B.) Wie wir zuverlaͤssig erfa hren, ist bei dem dieser Tage in der Friedenstraße in Berlin ver⸗ storbenen Holzschneidereibesitzer Zurus nach dem Obduktionsbefunde und der bakteriologischen Untersuchung Choleraverdacht aus⸗
geschlossen. Stettin, 7. September. T. B.) Seitens der Stadt⸗ daß im ganzen Gebiete von
W. verwaltung wird bekannt e. — Stettin, oderabwärts und⸗„aufwärts, irgend ein Fall von Cholera⸗ erkrankung nicht vorgekommen sei. Aus der Meldung, daß eine aus Stettin gekommene Schiffersfrauu in Posen an Cholera erkrankt sei, könnte geschlossen werden, daß die Frau in Stettin infiziert worden sei. Dieser S lußh sei durchaus unrichtig, da die Wasserfahrt von Stettin na osen mindestens 10 Tage in Anspruch nehme, die Inkubationsdauer bei asiatischer Cholera aber längstens 5 Tage währt. Die Stadtverwaltung habe im Einverständnis mit der Regierung alle Vorsichtsmaßregeln getroffen, um etwa eingeschleppte Fälle von Cholera sofort zu ssolieren.
Lübeck, 8. September. (W. T., B.) Der Senat unter, sagte den Verkehr russischer Auswanderer über Lübeck und machte die interessierten Reedereien mit dieser Maßnahme be⸗ kannt. Die Besatzungen von Schiffen, die aus choleraverdächtigen Gegenden kommen, sollen ärztlich untersucht, und gedruckte Merkblätter über Verhaltungsmaßregeln wegen des Schutzes gegen die Cholera⸗ gefahr sollen an die Schiffer verteilt werden. 8
) März. — *) April. — *) Mai. — “) Juni.
05 (für die deutschen Orte) sind nach 19% Cfür den fortlaufenden wöchentlichen
Barcelona ²) 23, Madrid ²) 2,
in Kuis (Deutsch Südwestafrika) ist aufgehoben.
Hamburg, 7. September. (W. T. B.) Zur Abwehr der Choleraeinschleppung wurde heute eine Kontrollstation für Ober⸗ länder Schiffer bei Entenwärder eröffnet. Die Station, die Tag und Nacht geöffnet ist, ist mit 12 Beamten besetzt.
Antwerpen, 8. September. (W. T. B.) „Mötropole“ meldet, daß die Gesundheitskommission der Schelde wegen der Cholera in Deutschland die Verfügung erlassen hat, daß Schiffe aus Königsberg und von der Weichsel unter Quarantäne gelegt werden sollen. *
Verkehrsanstalten.
In Banjo (Kamerun) ist eine Postagentur eingerichtet worden, deren Tätigkeit sich auf die Annahme und Ausgabe von gewöhnlichen und eingeschriebenen Briefsendungen sowie auf die Ausgabe von ge⸗ wöhnlichen Paketen erstreckt.
In Owikokorero (Deutsch⸗Südwestafrika) ist eine Postanstalt eingerichtet worden, deren Tätigkeit sich auf die Annahme und Aus⸗ gabe von gewöhnlichen und eingeschriebenen Briefen erstreckt.
In Kub (Deutsch⸗Südwestafrika) ist eine Postanstalt eingerichtet worden, deren Tätigkeit sich auf die Annahme und Ausgabe von gewöhnlichen und eingeschriebenen Briefen erstreckt. Die Postanstalt
Theater und Musik.
Schillertheater O. (Wallnertheater)
Anzengrubers Bauernkomödie „Der G'wissenswurm“, die in letzter Zeit häufiger im Spielplan hiesiger Bühnen erschienen ist, — erinnert sei an das Kainz⸗Gastspiel und die Darstellungen Anzengruberscher Stücke im Deutschen Theater vom Frühjahr d. J. — ging gestern, neu einstudiert, im Schillertheater in Szene. Die köst⸗ liche Geschichte von dem bäuerlichen Tartüff, der die Gewissenspein seines frommen Schwagers ausnutzen möchte, um in Besitz seines Hases zu gelangen, beizeiten aber mit seiner Heuchelei Schiff⸗ ruch leidet, ist bei einer einigermaßen guten Aufführung der Komödie ihrer Wirkung auf das Publikum stets gewiß. Der estrigen Darstellung darf man aber noch mehr nachrühmen r. stand hinter den besten, die man hier gesehen hat, nur um ein zurück. Herrn Pateggs naturwahrer Grillhofer ist schon von rüher her bekannt; ihm ebenbürtig war der Dusterer des Herrn Thurner, der dessen gleißnerisches Wesen, ohne in die Uebertreibungen zu geraten, zu denen die Rolle leicht verleitet, zur Anschauung brachte. Eine herzige Horlacherlies war Fräulein Blaha und ein urwüchsiger Wastl Herr Herrmann. In den anderen Rollen ver⸗ vollständigten Fräulein Wolff, die Herren Rolan, Dapper u. a. das treffliche Zusammenspiel. Ein besonderes Lob verdient noch Herrn Pateggs Regie, die den Stimmungen der Dichtung durchweg gerecht wurde.
Im Königlichen Opernhause wird morgen, Sonnabend E. Humperdincks komische Oper „Die Heirat wider Willen“ zum ersten Male in dieser Spielzeit wiederholt. Herrzvon Strauß hat die musikalische Leitung des Werks übernommen. In den Haupt⸗ rollen sind, wie in voriger Spielzeit, die Damen Destinn, Herzog, die Herren Berger, Hoffmann, Knüpfer und Philipp beschäftigt.;
Im Königlichen Schauspielhause werden morgen die beiden Lustspiele „Wann wir altern“ und „Die Romantischen“ auf⸗ eführt. In letzterem Stück tritt Herr Albert Heine als Straforel fein Engagement am Königlichen Schauspielhause wieder an.
In der im Residenztheater am Dienstag, den 12. September, stattfindenden Erstaufführung des Schwankes „Die Höhle des Löwen“, in der Richard Alexander als Chalindrey zum ersten Male in dieser Spielzeit wieder auftritt und Helene die Antoinette spielt, sind die übrigen Hauptrollen mit den Damen Clemens und Lentz und den Herren Georg, John und Sikha besetzt.
In der am kommenden Mittwoch im Lustspielhause statt⸗ findenden Erstaufführung des dreiaktigen Lustspiels „Jungfer Ambrosia“ von Franz Servaes wird die Titelrolle von Frau Maria Mallinger dargestellt; ferner sind in den weiblichen Hauptrollen die Damen Hiller, Kuhn, Marba und Wilhelmy, in den männlichen die Herren Bach, Beckmann, Lettinger, Paulmüller und Walter beschäftigt. Die Regie des Stücks führt Dr. Martin Zickel.
Für die am 15. September stattfindende Eröffnungs⸗ vorstellung des Kleinen Theaters unter der Direktion Viktor Barnowskys („Die Laune des Verliebten“ von Goethe und „Der zerbrochene Krug“ von Kleist) beginnt der Vorverkauf an der Theaterkasse und an den bekannten Billettverkaufsstellen am Sonntag, den 10. d. M. Vorausbestellte Billette können nur bis Donnerstag, 1¹ September, 11 Uhr Vormittags, an der Kasse aufgehoben werden.
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Das „Militär⸗Wochenblatt“ enthält in einer seiner letzten Nummern folgende beachtenswerte Anregung zur Begründung eines Deutschen Garnisontheaters:
Unter den zahlreichen Garnisonen in Deutschland — schreibt das „Militär⸗Wochenblatt“ — sind nur etwa acht oder zehn solche, in denen sich Hoftheater befinden, die den Offizierkorps Gelegen⸗ heit bieten, ohne wesentliche Opfer regelmäßig gute Theater⸗ vorstellungen besuchen zu können; an weiteren 150 Garnisonen dürften sich ständige Bühnen befinden, mindestens die Hälfte aller deutschen Standorte aber sind, was den Theaterbesuch anlangt, auf die wenigen Abende angewiesen, an denen sie gelegentlich von einer „gastierenden“ Gesellschaft aufgesucht werden. Recht oft sind das Theaterunternehmungen, für die man den bezeichnenden Ausdruck „Schmieren“ geprägt hat. 1—
Nehmen wir aber auch an, daß im allgemeinen in jenen theater⸗ losen Garnisonen doch erträglich gute Ensembles gelegentlich eine kurze Reihe von Vorstellungen geben, so ist damit immerhin an⸗ gesichts der keineswegs niedrigen Eintrittspreise den Unteroffizieren und Mannschaften die Gelegenheit, einigen Theaterabenden bei⸗ zuwohnen, noch nicht geboten, und wenn ja einmal nur für Angehörige der Garnison gespielt wird, so stellen sich solche Vor⸗ stellungen in der Regel als äußerst minderwertig heraus. Die darstellenden Mitglieder des Ensembles haben die Empfindung, daß es sich hier um eine Art Massenbesuch handelt, bei dem jedes Spiel gut genug sei. So wurde beispielsweise in einer rheinischen Garnison unlängst an einem Sonntage dreimal hintereinander dasselbe Stück in dieser Weise „verzapft“. Wie dabei die Vorstellungen ausgefallen sein mögen, läßt sich unschwer ermessen. Endlich kommt es aber doch wohl nicht nur darauf an, daß und wie Theater gespielt wird, sondern vor allem auch, was gespielt wird.
Selbstverständlich können jene wandernden und gastierenden Ensembles ihr Repertoire für solche selten auf dem Spielplan stehenden Militärvorstellungen nicht eigens zuschneiden, Stücke wie „Der wilde Reutlingen’ oder — wenn man einmal krafasch kommen will — Lessings „Minna von Barnhelm“ erfordern Kostüme und Vorberei⸗ tungen, die angesichts solcher Gelegenheitsvorstellungen wirklich auch bei bestem Willen nicht verlangt werden können.
Da ist denn der Gedanke, ein „Deutsches Garnisontheater“ ins Leben zu rufen, vielleicht naheliegend. Wir geben gern den nach⸗ stehenden Bemerkungen Raum, welche uns in Form eines Rund⸗ schreibens durch den Leiter der deutschen Gastspiele in den Donau⸗ ländern, Wolf von Metzsch⸗Schilbach, zugestellt wurden. Die Vor⸗ arbeiten zur Ausführung dieses Plans werden von ihm geleitet, und
gelegentlich an unsere Redaktion gelangende Zuschriften sind wir gern berect an seine Adresse weiter zu befördern. - 8