inanzministerium.
um Zwecke der von den Gewerbetreibenden dringend ge⸗ wünschten Fece eamrigung und Vereinheitlichung der Ent⸗ cheidungen in Zolltarifsachen soll in Preußen vom 1. Januar 8 J. ab versuchsweise nach den anliegenden „Be⸗ stimmungen über die Beschwerde in Zolltarifsachen“ verfahren ÄöZZ
Bestimmungen 8
über die Beschwerde in Zolltarifsachen.
§1. 18
Gegen die Entscheidung der abfertigenden Amtsstellen in Zolltarifsachen kann innerhalb meines Verwaltungsbereichs vom 1. Januar 1906 ab eine fortlaufende Beschwerde mit der Wirkung erhoben werden, daß sie zu meiner ntscheidung zu bringen ist, falls ihr nicht von einer der unteren Instanzen
abgeholfen wird. 82
Die im § 1 angegebene Wirkung wird einer Beschwerde nur dann 8.Zebgt, ea⸗ sie entweder als „fortlaufende be⸗ eichnet oder an meine Adresse gerichtet oder in ihr sonst zum Nusdruch gebracht wird, daß der Beschwerdeführer auf einen ablehnenden Bescheid meine gSe wünsche.
Die fortlaufende Beschwerde ist in jedem Falle bei dem⸗ jenigen Hauptzoll⸗ oder Hauptsteueramt einzureichen, essen Entscheidung angefochten wird, oder zu dessen Bezirk die Amtsstelle gehört, gegen deren Entscheidung Beschwerde er⸗ hoben wird.
Erachtet das Hauptamt die Beschwerde für begründet, so hat es ihr abzuhelfen, andernfalls sie an die vorgesetzte Direktivbehörde weiterzugeben.
0. 8 Errachtet auch die Direktivbehörde die Beschwerde nicht für begründet, so hat sie sie mir dir Entscheidung vorzulegen.
8 1b Von der Weitergabe der Beschwerde haben die Haupt⸗ ämter und Direktivbehörden den deführer zu be⸗
nachrichtigen. Berlin, den 15. Oktober 1905. Der Finanzminister. Freiherr von Rheinbaben.
1111161A1X4A4A“
Gemäß § 46 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (Gesetzsammlung Seite 152) wird hierdurch zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß der im laufenden Steuerjahre zu den Kom⸗ munalabgaben einschätzbare Reinertrag aus dem Betriebsjahre 1904 bezw. 1904/5 8
1) bei der Hoyaer 8 auf 10 400 ℳ, 2) bei der Peine⸗Ilseder Ei enbahn auf 656 ℳ 05 Z, 3) bei der Farge⸗Vegesacker Eisenbahn auf 29 90962 ßischen Strecken der Braun 4) bezügli er preußischen Strecken 2 Sweigischen Landeseisenbahn auf 66 486 ℳ 17 ₰, 5) bezüglich der preußischen Strecke der Rinteln⸗ — S agener Eisenbahn auf 52 342 ℳ 27 ₰, 6) bezüglich der preußischen Strecke der Vorwohle⸗ Emmerthaler Eisenbahn auf 29 889 ℳ 16 ₰ estgestellt ist. .“ 8 Betrieb der Hildesheim⸗Peiner Kreis⸗ eisenbahn ist ein kommunalabgabepflichtiger Reinertrag nicht erzielt worden. 3 Hannover, den 12. Oktober 1905. 8 ¹ Der Königliche Eisenbahnkommissar.
Herbdbig. 8
Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 39 der Gesetzsammlung enthält unter “ 8
Nr. 10 651 die Verfügung des Justizministers, betreffend die Anlegung des Grundbuchs für einen Teil des Bezirks des Amtsgerichts Gladenbach, vom 14. Oktober 1905, und unter Nr⸗ 10 652 die Verfügung des Justizministers, betreffend die Anlegung des Grundbuchs für einen Teil der Bezirke der Amtsgerichte Hadamar, Idstein, Langenschwalbach, Marienberg, Runkel, Usingen und Wiesbaden, vom 17. Oktober 1905.
Berlin VF⸗ den 23. Oktober 1905.
Königliches “ 1
“ Abgereist: 1 8 . der Unterstaatssekretär im Ministerium der öffentlichen Arbeiten Dr. Holle, in dienstlichen Angelegenheiten nach Bremen und Hannover.
1 b b
Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 24. Oktober
Seine Majestät der Kaiser und König heute im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge des Chefs es Militärkabinetts, Generalleutnants Grafen von Hülsen⸗ e und des Chefs des Admiralstabes der Marine, dmirals Büchsel.
Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Eisen⸗ bahnen, Post und Telegraphen und für das Landheer und die estungen sowie die vereinigten Ausschüsse für Eisenbahnen,
. Fen und Telegraphen und für Handel und Verkehr hielten
Das Königliche Staatsministerium trat heute zu einer Sitzung zusammen.
Vom 23. bis 24. Oktober Mittags sind im preußischen Staat keine choleraverdächtigen Erkrankungen oder Todesfälle an Cholera amtlich neu gemeldet worden. Die Gesamtzahl der Cholerafälle beträgt bis jetzt 281, von denen 90 tödlich endigten. MMi Rücksicht auf den erheblichen Rückgang der Cholera⸗ erkrankungen wird eine amtliche Mitteilung von jetzt an bis auf weiteres nur noch am Sonnabend jeder Woche erfolgen. Die Regierungsreferendare Richard Kleffel aus Münster, Hans von Neumann aus Liegnitz, Dr. jur. Peter Peters aus Aachen, Otto Wichmann aus Schleswig, Walter Kunhardt von Schmidt aus Münster und Wilhelm von Born⸗Fallois aus Hildesheim haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestande
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist der Transport der vom Kreuzergeschwader abgelösten Offiziere und Mannschaften mit dem Reichspostdampfer „Bayern“ am 21. Oktober in Colombo (Ceylon) eingetroffen und hat am 22. Oktober die Reise nach Aden fortgesetzt. 8
Der ausreisende Ablösungskransport für die Schiffe der westafrikanischen Station ist mit dem Dampfer „Eleonore Woermann“ am 22. Oktober in Konakri eingetroffen und hat an demselben Tage die Reise nach Monrovia fortgesetzt. 8 1
S. M. S. „Charlotte“ ist am 21. Oktober in Barcelona eingetroffen und geht am 28. Oktober von dort nach Livorno in See.
S. M. S. „Panther“ ist am 21. Oktober in Santos (Südbrasilien) eingetroffen und geht am 27. Oktober von dort nach Paranagua (Südbrasilien) in See. 81
S. M. S. „Iltis“ ist am 22. Oktober in Tschimulpo eingetroffen und geht am 24. Oktober von dort nach Taku in See.
S. M. S. „Möwe“ ist am 23. Oktober in Tsingtau eingetroffen.
8 Foffön Flußkanonenboot „Vaterland“ ist am 23. Ok⸗ tober in Nanking eingetroffen.
8 1“
v ressen. Die Zweite Kammer lehnte gestern, „W. T. B.“ zufolge, bei der Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Reform des Landtagswahlrechts, den Initiativantrag der Ersten Kammer, der die Annahme des Gesetzentwurfs von der Erweiterung der Be⸗ fugnisse der Ersten Kammer abhängig machen will, mit allen gegen drei Stimmen ab. Der Staatsminister Dr. Rothe hatte sich gleich⸗ falls gegen die Annahme des Antrags erklärt, weil er eine Aenderung der Verfassungsurkunde in sich schließe. Damit ist die Wahl⸗ reform vorerst gescheitert. 1“ 1 8 8 ö“ “ 828 “ 888 — 8
Oesterreich⸗Ungarn.
Das ungarische Amtsblatt veröffentlicht die Ernennung des Grafen Paul Szapary zum Gouverneur von Fiume und dem ungarischen Küstenland. t
Rußland.
Die Aerzte der deutschen Gesellschaft vom Roten Kreuz Dr. Kolmers und Dr. Schütze sind, „W. T. W.“ zufolge, gestern nach ihrer Rückkehr aus dem fernen Osten vom Kaiser in Audienz empfangen worden.
Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ Agentur“ ist der Professor Manuilow, ehemaliger Gehilfe des Fürsten Fens eoh, zum Rektor der Universität Moskau gewählt worden. .
Wie „W. T. B.“ meldet, hat gestern in Jurjewez (Gouvernement Kostroma) eine Versammlung von etwa dreihundert Bauern aus den Nachbardörfern beschlossen, an den Wahlen zur Reichsduma nicht teilzunehmen, da sie diese als keine wahre Volks⸗ vertretung ansehen; jeder, der an dieser Wahlkomödie teilnehme, solle als Verräter und Feind der Volksfreiheit gelten. In Krementschug fanden mehrere öffentliche Versammlungen statt, in denen zur Boykottierung der Reichsduma auf⸗ gefordert wurde.
Der Ausstand der Eisenbahnbeamten nimmt immer größere Dimensionen an. Nach einer Meldung der „Peters⸗ burger Telegr.⸗Agentur“ ist der Betrieb auf der Nikolaibahn eingestellt worden; die Eisenbahnverbindung Moskaus mit den anderen Städten des Reichs ist vollkommen unter⸗ brochen. In Charkow hat der Ausstand fast alle Werkstätten und Fabriken erfaßt, der Verkehr stockt. Die Volksmenge hält die Straßenbahnen an, überall sind Truppen verteilt. In Balaschow sind seit Sonntag sämtliche Eisenbahnangestellten im Ausstand, der Zugverkehr ist eingestellt. Gestern wurde der Ausstand in sämtlichen Mühlen und Werkstätten und in der staatlichen Branntweinniederlage erklärt. In Kirsano herrscht gleichfalls völliger Ausstand. In Jekaterinoslaw ist der Straßenbahnverkehr unter⸗ bdrochen; Droschken fehlen ganz. Der Bahnhof, der von Truppen bewacht wird, und der Güterladeplatz liegen im Dunkel. Die Fabrikarbeiter sind in zwei von ihnen selbst zusammengestellten Zügen nach den Vororten abgefahren; infolgedessen wird auch in den Fabriken gefeiert. Wie aus Charkow gemeldet wird, ist seit gestern auch auf den dortigen Bahnen der allgemeine Ausstand ausgebrochen. Am Abend fand eine Versammlung statt, an der etwa 20 000 Arbeiter, Studenten, Schüler und e. teilnahmen. Der Ruf: „Kosaken kommen!“ rief eine Panik hervor, wobei viele Personen verletzt wurden. Nach Herstellung der . dauerte die Versammlung fort. Beim Auseinandergehen stier die Menge mit einer Kavallerieabteilung zusammen. Die Menge srert. Revolverschüsse ab und warf Pe⸗ tarden. Die Truppen gaben drei Salven ab, da⸗ von zwei blinde; auf beiden Seiten wurden viele ver⸗ wundet. In Saratow haben die Eisenbahnangestellten gestern ebenfalls die Arbeit niedergelegt und gemeinsam
lung veranstaltet, in der eine gesetzgebende Körperschaft auf Grund des bekannten liberalen Programms verlangt wurde. Die Angestellten der industriellen Betriebe haben sich der Be⸗ wegung angeschlossen.
Aus oskau meldet die „Petersburger ö Agentur“, daß der Postverkehr infolge des Ausstandes der Eisenbahnangestellten eingestellt ist. Die Stadt besitzt noch für acht Tage Vieh, für drei Wochen Pökelfleisch und für fünf Tage Molkereierzeugnisse. Die Fleischpreise lagee auf. Milch mangelt fast vollständig. Der
irtschaftsbericht sieht eine stufenweise fortschreitende Ver⸗ teuerung der Nahrungsmittel voraus. Eine Aberdnang von Ausständigen begab sich zum Verkehrsminister Fürst Chilkow und forderte die Gewährung von politischen Rechten und die Freilassung der in Haft ge⸗ nommenen Personen, Dinge, die seiner Machtbefugnis in keiner Weise unterstehen. Fürst Chilkow sprach in freundlicher Weise mit den Mitgliedern der Ab⸗ ordnung und erinnerte daran, daß er früher, als er noch Arbeiter gewesen sei, in England und Amerika 16 Stunden am Tage gearbeitet habe, um sein Ein⸗ kommen zu erhöhen. Der Fürst wies ferner auf die größere Leistungsfähigkeit der ausländischen Arbeiter sowohl in bezug auf Quantität wie Qualität der Arbeitsleistung hin und stellte fest, daß deren Einkommen dieselbe Höhe habe wie das der russischen Arbeiter. In einer Versammlung wurde beschlossen, den Ausstand der Bahnarbeiter fort⸗ usetzen, bis alle Forderungen erfüllt seien. Die verhafteten Mitglieder des Eisenbahnverbandes sind wieder freigegeben worden. Gestern trafen in Moskau 40 Brigaden des Eisenbahnbataillons zur Ausübung des Lokomotivdienstes auf der Bahnlinie Moskau— Kasan ein. Der Verkehrs⸗ minister Fürst Chilkow versuchte gestern zwei Stunden lang die Maschinisten zur Arbeitsaufnahme zu bewegen. Nur einer ließ sich überreden und fuhr mit dem Minister auf der Maschine des nach Rjäsan 1 Zuges. Der Bürger⸗ meister von Moskau ist davon in Kenntnis gesetzt worden, daß die städtischen Arbeiter in den allgemeinen Ausstand zu treten beabsichtigten, falls ihre Forderungen nicht bis zum 28. Oktober bewilligt würden.
Spanien.
Der Präsident Loubet ist gestern in Madrid ein⸗ getroffen und auf dem Bahnhof vom König, dem Prinzen Ferdinand Maria von Bayern und dem Prinzen von Asturien v worden. Am Nachmittag statteten der Präsident Loubet und der Ministerpräsident Rouvier der Königin⸗Mutter und anderen Mitgliedern der Königlichen Familie Besuche ab. Der König veranstaltete zu Ehren Loubets ein Galadiner, dem die gesamte Königliche Familie, die Minister, Marschälle und andere beiwohnten. Während des Mahles brachte der König, wie „W. T. B.“ berichtet, folgenden Trinkspruch aus, der stehend angehört wurde: .
Herr Präsident, empfangen Sie meinen herzlichen Gruß bei Ihrer Ankunft in meinem Lande. Seien Sie sicher, daß Sie überall in Spanien nur sehr berzliche Beweise von Freundschaft, die das spanische Volk für Frankreich hat, empfangen werden. Spanien wünscht lebhaft, stets seine Interessen mit denen Frankreichs in Ueberein⸗ stimmung zu bringen. Diese Uebereinstimmung, die bisher vollkommen war, wird auch in Zukunft ihren natürlichen Lauf nehmen. Die herz⸗ liche Freundschaft Spaniens und Frankreichs ist sicher mit der Freund⸗ schaft Spaniens für alle anderen Völker in Einklang zu bringen. Der allgemeine Frieden ist der heiße Wunsch meines Herzens; ich bin sicher, daß er das Ziel der Politik beider Regierungen ist. Ich erhebe mein Glas zu Ehren Eurer Exzellenz auf die Wohlfahrt und die Größe Frankreichs.
Der Präsident Loubet antwortete:
Sire, ich danke Eurer Majestät für den so herzlichen Empfang, der mir von seiten Eurer Majestät, der Königlichen Familie und des ganzen spanischen Volkes zuteil geworden ist. Die Sympathie⸗ kundgebungen, die dem Präsidenten der Republik erwiesen worden sind, gleichen denen, welche die französische Regierung und die Be⸗ völkerung von Paris Eurer Majestät erwiesen haben. Die vorzüg⸗ lichen Beziehungen, die immer zwischen den beiden benachbarten und befreundeten Ländern bestanden haben, können in Zu⸗ kunft nur noch enger werden, und wenn Ihre Reise nach Frankreich außerordentlich viel zu dieser Uebereinstimmung beigetragen hat, so gelobe ich, daß meine Reise nach Spanien ihr ebenso dienlich sein soll. Wie Sie, bin ich überzeugt, daß die herzlichen Beziehungen nur den Interessen unserer beiden Länder und der Sache des all⸗ gemeinen Friedens dienen können, der uns teuer ist. Von ganzem Herzen erhebe ich mein Glas zu Ehren Eurer Majestät, der Königin Maria Christine und der Königlichen Familie und trinke auf die Wohlfahrt und Größe Spaniens.
Am Abend empfing Loubet die Mitglieder des diplomatischen Korps, die ihm vom Botschafter Cambon vorgestellt wurden.
Belgien.
Auf Antrag Frankreichs ist, „W. T. B.“ zufolge, der internationale ständige Zuckerausschuß zu einer Tagung zusammengetreten, um die Lage derjenigen Länder, hinsichtlich deren die Anwendung der früher festgesetzten Aus⸗ gleichszölle vorläufig ausgesetzt worden war, einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen. Es handelt sich um Bolivien, Bra⸗ silien, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Paraguay und die Philippinen.
Serbien.
In der Skupschtinasitzung am 22. d. M. find, wie „W. T. B.“ berichtet, drei Adreßentwürfe vorgelegt worden. Der Entwurf der Regierungspartei stimmt der Regierungserklärung zu, so⸗ wohl bezüglich der äußeren Politik als bezüglich der Maßnahmen zur Grenzsicherung. Der Entwurf der Altradikalen verlangt so früh als möglich Lösung der Frage der Neubewaffnung der Armee; die Skupschtina könne die notwendige Neubewaffnung nicht in aller Ruhe abwarten, wei dies weder durch die allgemeine politische Lage noch durch die Er⸗ eignisse in den Serbien umgebenden Gebieten gerechtfertigt werde. Der Adreßentwurf der Nationalpartei klagt über das Nachlassen der Sicherheit des Lebens und des Eigentums in einzelnen Landesteilen, lenkt die Aufmerksamkeit der Regierung auf die unbefriedi enden moralischen Zustände in der Armee und bedauert die äußere olitit der Regierung, insbesondere ihre Auffassung der Lage in Mazedonien; dieser Entwurf fordert ferner die Wiederherstellung normaler diplomatischer Beziehungen zu England, zumal die offtziellen Kreise Großbritanniens sich immer mehr für das Schicksal der Serben in Altserbien und Mazedonien interessieren und die mächtige Stimme Großbritanniens zweifellos nicht ohne fühlbaren Einfluß bei der Lösung der Balkanfrage sein werde.
1 Norwegen.
In der gestrigen Vormittagssitzung des Storthings stand der Antrag von 8 Mitgliedern, betreffend die Volksabstim mung zur Beratung. Der Präsident schlug, wie „W. T. B.“ berichtet, au Antrag der Regierung vor, die Beratung bis auf weiteres auszusetzen. Dieser Vorschlag wurde unter der Voraussetzun ein⸗ stimmig angenommen, daß der Antrag der zehn Storthingsmitg ieder
heute Sitzungen.
16
mit den Arbeitern eine von 3000 Personen besuchte Versamm⸗
gleichzeitig mit einem in dieser Angelegenheit von der Regierung etwa einzubringenden Antrage beraten werde. “
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Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Santiago de Chile befinden sich die dortigen Fleischer im Aus⸗ stand. Infolge der Abwesenheit der Garnisonstruppen, die im Manöver sind, hat der Ausstand den Charakter einer ernsten Ru hestörung angenommen. Gestern sah sich die Polizei wiederholt veranlaßt, auf den Pöbel zu schießen, der versuchte, Häuser zu plündern. wurden getötet und 80 verwundet. Privatleute und Feuerwehrleute wurden herangezogen, um die Polizei zu unkerstützen, und patrouillieren, mit Flinten bewaffnet, in den Straßen. Gestern wurden 5 Personen getötet. Der Kriegsminister ordnete schleunigste Entsendung von 2 Regi⸗ mentern aus dem Manöver an. Wie berichtet wird, sind jedoch die Schienenwege aufgerissen worden, um die Ankunft der Truppen zu verhindern. Der Geschäftsverkehr ist voll⸗ kommen lahmgelegt.
1“
Asien.
Nach einer Meldung des „Reuterschen Vureaus“ aus Tokio fand gestern eine Karabe über die kombinierte japanische sflcete und die erbeuteten und wieder flott⸗ S russischen Kriegsschiffe auf der Bai von Tokio statt.
er Kaiser und Admiral Togo waren anwesend. Afrika.
Wie „W. T. B.“ aus Gibraltar meldet, gab der Piraten⸗ führer Valiente die gefangenen englischen Offiziere gegen Freilassung von fünf durch die marokkanische Regierung gefangen gehaltenen Personen heraus und stellte die Bedingung, daß noch zehn andere Gefangene freigelassen würden. Der Vertreter des Sultans machte sich anheischig, daß dies Verlangen gewährt werde. Valiente hat, als die Auswechselung seines Bruders gegen die englischen Offiziere erfolgte, zehn Gewehre und 10 000 Patronen Ieee die ihm auch sofort gegeben wurden. Die englische Gesandtschaft wird ungefähr am 6. November von Fes abreisen. Der Ge⸗ sandte Lowther hat amtlich das Verlangen gestellt, daß der Räuber Valiente bestraft werde.
Statistik und Volkswirtschaft. 8
Deutschlands Außenhandel in den neun Monaten Januar bis September 1905.
Nach dem vom Kaiserlichen Statistischen Amte herausgegebenen Septemberheft 1905 der „Monatlichen Nachweise über den auswärtigen 88 des deutschen Fe. betrug in den neun Monaten Januar bis
eptember 1905 die Einfuhr in Tonnen: 39 467 608 gegen 35 210 222 und 34 229 374 im gleichen Zeitraum der beiden Vorjahre, daher 4 257 386 bezw. 5 238 234 mehr, die Edelmetalleinfuhr 1046 gegen 1009 und 945. Bei 31 der 43 Zolltarifnummern hat die Einfuhr zugenommen, und zwar hauptsächlich bei: Kohlen (+ 2 393 870), Getreide und an⸗ deren Erzeugnissen des Landbaus (+ 729 258), Holz und Holzwaren usw. (+ 384 325), Steinen und Steinwaren (+ 238 335), Abfällen (+– 193 856), Oelen und Fetten (+ 101 820), Material⸗, Spezerei⸗ und Konditorwaren (+ 58 320), Drogerie⸗, Apotheker⸗ und Farbwaren (+. 51 756), Erden, Erzen. Edelmetallen (+ 43 161), Petroleum (+ 17 560), Tonwaren + 17 173), Vieh (+ 15 446), Blei und Bleiwaren (+ 14 646),
aumwolle und Baumwollwaren (+ 11 705), Instrumenten, Maschinen usw. (+ 10 140). Abgenommen hat hauptsächlich die Einfuhr von Eisen und Eisenwaren (— 24 730), Teer, Pech, Harz, Asphalt (— 24 719), Papier und Papierwaren (— 2272), Zinn und . (— 797), Haaren, Federn, Borsten (— 130), Pelzwerk
Die Ausfuhr betrug in Tonnen: 29 379 213 gegen 28 370 680 und 28 262 034 in den beiden Vorjahren, demnach 1 008 533 und 1117 179 mehr, die Edelmetallausfuhr 390 gegen 291 und 275. Eine Zunahme der Ausfuhr hat bei 29 der 43 Zolltarifnummern stattgefunden, hauptsächlich bei: Erden, Erzen, Edelmetallen usw. (+ 770 310), Eisen und Eisenwaren (+ 259 822), Steinen und Steinwaren (+ 136 984). Drogerie⸗, Apotheker⸗ und Farbwaren (+ 79 784), Instrumenten, Maschinen usw. (+ 19 723), Teer, Pech, Harz, Asphalt (+ 16 859), Kupfer usw. und Waren daraus (+ 14 325), Abfällen (+ 14 188), eine Abnahme der Ausfuhr hauptsächlich bei: Getreide und anderen Erzeugnissen des Landbaus H 151 048), Material⸗-, Spezerei⸗ und Konditorwaren (— 57 083),
ohlen (— 45 377), Tonwaren (— 30 716), Holz usw. und Holz⸗ waren (— 25 766), Oelen und Fetten (— 19 705), Vieh (— 2462).
Die Einfuhrwerte betrugen im ganzen in Millionen Mark: 5030 gegen 4822 und 4626 der gleichen Zeit der beiden Vorjahre, hiernach 208 und 404 mehr, beim Edelmetall 158,7 gegen 210,2 und 218,4. Die größte Wertzunahme der Einfuhr zeigt sich bei Ge⸗ treide und andern Erzeugnissen des Landbaues (+ 89), die größte Abnahme bei Baumwolle und Baumwollenwaren (— 97).
Die Ausfuhrwerte betrugen im ganzen in Millionen Mark: 4114 gegen 3861 und 3766, demnach 253 und 348 mehr, beim Edel⸗ metall 88 gegen 78 und 83. Zugenommen haben die Ausfuhrwerte hauptsächlich bei Eisen und Eisenwaren (+ 39), abgenommen be⸗ sonders bei Getreide usw. und bei Hopfen (je — 4). Die Einzelwerte sind meist die im Vorjahre ermittelten.
Die Steigerung der Fleischpreise im Vergleich mit der der Viehpreise. Bei einer Gegenüberstellung der für die letzten beiden Monate des laufenden Jahres ermittelten durchschnittlichen Vieh⸗ und leischpreise und derjenigen der gleichen Monate der früheren ahre, wie sie vom Königlichen Statistischen Landesamt veröffentlicht worden sind, findet man, daß die Steigerung der Fleisch⸗ reise ungleich größer als die der Viehpreise gewesen ist. m meisten fällt dies beim Rindfleisch auf. Es betrug z. B. in Berlin der Preis junger fleischiger, nicht ausgemästeter und älterer ausgemästeter Ochsen für das Kilogramm: im August 1904 144,5, im August 1905 146,0, Steigerung 1,5 ₰, im September 1904 145,5, im September 1905 145,8, Dagegen kostete im Kleinhandel 1 kg: Rindfleisch von der Keule .“ im August 1904 150, im August 1905 162, Steigerung 12 ₰, im September 1904 150, im September 1905 170, 2 20 ,
Rindfleisch vom Bauche im August 1905 135, Steigerung 88 ₰,
„ 7 *
A. 1904 125, im August im September 1904 125, im September 1905 136, 8 L1g Ferner betrug der Preis für vollfleischige Schweine, die höchste Berliner Notiz, für das Kilogramm: 1 im August 1904 109,8, im August 1905 137,5, die Steigerung 27,7 ₰, „Sept. 1904 109,8, „ Sept. 1905 138,6, „ 4 28,8 „ s nns Schweinefleisch aber kostete im Kleinhandel durch⸗ nittlich: im August 1904 136, im August 1905 167, Steigerung 31 ₰, „ September 1904 133, „September 1905 177, 2 44 „ Hierbei muß berücksichtigt werden, daß im Jahre 1904 ein ganz außerordentlicher Tiefstand der Schweinepreise zu verzeichnen war. Wenn die Preise für Schweine aus dem Jahre 1902, in dem geee. falls eine große Fleischteuerung geherrscht hat, zum Vergleiche heran⸗ gezogen werden, so tritt die bedeutende Erhöhung, die der Aufschlag auf den Fleischpreis erfahren hat, noch weit stärker in die Erscheinung. Es kosteten nämlich vollfleischige Schweine per kg: im August 1902 129,6, im August 1905 137,5, Steigerung 7,9 ₰,
Sieben Personen
und die Kleinhandelspreise für 1 kg Schweinefleisch stellten sich auf: im August 1902 155, im ngeft 1905 167, Steigerung 12 ₰, im Sept. 1902 155, im Sept. 1905 177, ¹ 22 ₰.
Es muß nun weiter hierbei berücksichtigt werden, daß man es bei den oben zum Vergleich herangezogenen Viehpreisen nur mit denjenigen zu tun hat, die sich aus der amtlichen Notiz am Berliner Schlacht⸗ viehhof ergeben. Würde man dagegen die Viehpreise in Vergleich stellen können, die der Landwirt erhält, dann würde der Preisaufschlag beim Fleisch gegenüber der Steigerung der Viehpreise noch weit stärker
indessen.
Die Bedeutung der Milch für das Haushaltungsbudget.
wissen doch die meisten Verbraucher von ihr kaum mehr, als daß sie von der Kuh kommt, in heißen Tagen leicht gerinnt und Butter und Käse aus ihr bereitet werden können. Das ist sicher zu bedauern, aber man kann diese Unkenntnis doch damit entschuldigen, daß selbst die heutige Wissenschaft ein Wichtiges von der Milch nicht er⸗ gründet hat: nämlich ihre Entstehung. Diese Entstehung der Milch ist das Geheimnis des Tierkörpers geblieben, obgleich die Milchwirt⸗ schaft in den letzten Jahren ganz ungeheure Fortschritte Frc⸗ hat und zu einer umfangreichen Wissenschaft ausgebildet ist. Wir wissen, daß wir die Milch im Tiere durch verschiedene Fütterungsmethoden beeinflussen können, aber unsere eigentliche Kenntnis der Milch be⸗ ginnt erst, nachdem sie den Körper verlassen hat. Von hier ab gibt es kaum noch ein Geheimnis. Wir wissen jetzt, daß wir die Milch von der Kuh keimfrei erhalten, daß sie aber sofort beim Austritt aus dem Euter von Bakterien angegriffen wird. Im Kampfe gegen diese besteht in der Hauptsache die ganze heutige Wissenschaft von der Milch. Wenn man sich vergegenwärtigt, welche wichtige Aufgabe diese bei der Kinderernährung zu erfüllen hat, so muß man der Wissenschaft von der Milch eine bedeutende Stelle unter den Sozialwissenschaften zuweisen, aber nicht nur wegen der Kinder⸗ ernährung. Sie gewinnt mit der sich ausbreitenden Kenntnis von der Schädlichkeit des Alkohols auch auf die Ernährung der Erwachsenen immer mehr Einfluß und dies mit Recht.
Nach fast vierzehntausend Untersuchungen, die in einem Jahre in der großen Molkerei von Pfund in Dresden vorgenommen wurden und über deren Ergebnisse in der „Sozialkorrespondenz“ berichtet wird, besteht die mittlere Zusammenletang der Kuhmilch aus 88,29 % Wasser, 3,07 % Fett, 3,07 % Eiweißstoffen, 4,82 % Milchzucker und 0,75 % Mineralbestandteilen. Diese Zusammensetzung hat für das Haushaltungsbudget einer Familie, die auf sie den dee Wert legt, eine ganz hervorra gende Bedeutung. Man kauft nämlich für
eine Mark Se 8 Stickstofffreie Extraktivstoffe
in hnttlch ... 117 1 EE1——5--85* 500 in Magermil Ea’” 56 in ten 2 280 180 EEE111““ 122 101 in Ochsenfleisch. 101 58 Ii1 47 in Hammelfleisch. 96 60 in Schweinefleisch (mager) 139 47 3
In einer Zeit der Fleischteuerung, überhaupt in Teuerungs⸗ perioden ist es ganz besonders angebracht, auf diese Bedeutung der Milch für die Volksernährung immer wieder hinzuweisen. Im Deutschen Reiche werden jährlich etwa 7 Milliarden Liter Milch ver⸗ braucht, und es würden 10 000 Eisenbahnzüge zu je 100 Wagen nötig sein, um diese Menge zu befördern. In unsere Grobßstädte ergießen sich von allen Bahnlinien täglich gewaltige Milchströme, aber trotzdem erfreut üch dieses Nahrungsmittel noch immer nicht der Hochschätzung für die Ernährung der Erwachsenen, die es im Interesse einer gesunden und wohlfeilen Lebenshaltung verdient.
Allerdings scheinen wir uns auch hier, wie gesagt, auf dem Wege einer günstigen Entwicklung zu befinden, und es ist daher sehr weht zu verstehen, daß die Sozialhygiene immer nachdrücklicher bestrebt ist, Milcherzeugung und Milchverkauf mit möglichst zuverlässigen Sicher⸗ heitsmaßregeln gegen Betrügereien und die Einwirkung von Bakterien zu umgeben. Dies war auch der Zweck eines internationalen Kon⸗ gresses für Milchwirtschaft, der in diesen Tagen in Paris ab⸗ gehalten wurde. Er verlangte eine einheitliche Gesetzgebung über Gehalt, Nachahmung und Verfälschung von Molkereierzeugnissen, über Pflege des Milchviehes, Milchhandel und Untersuchungsmethoden. Auch die Landwirtschaft ist sich heute darin einig, daß sie folgende Mindestforderungen zu erfüllen hat: Gewinnung der Milch nur von gesunden Kühen, saubere Haltung und Pflege der Milchkühe, reinliche Ge⸗ winnung der Milch, Seihung und Abkühlung sofort nach dem Melken und kühle Aufbewahrung in einem besonderen Raume bis zur Abgabe an die Konsumenten. Landwirte und Molkereien werden bei einer den gesundheitlichen Anforderungen entsprechenden Milchwirtschaft in der wirksamsten Weise durch die hochentwickelte Molkereitechnik unterstützt, von deren Leistungsfähigkeit man sich eine Vorstellung machen kann, wenn man weiß, daß z. B. eine Lawallesche Zentrifuge in der Stunde 2000 1 Milch entrahmt.
In dem Bericht über das Ergebnis der vierzehntausend Milch⸗ untersuchungen in der größten Molkerei Dresvens wird zum Schluß befürwortet, daß „überall der Fettgehalt der zum Verkauf gebrachten Milch ortsgesetzlich festgesetzt wird, etwa auf 3 %. Es genügt nicht, einfach nur unverfälschte Milch vorzuschreiben, da die Milch schon in der Kuh „gewässert“ werden kann. Es geschieht dies durch gewisse salzreiche Futtermittel, die eine Kuh starkmelkend machen; aber diese Milch ist dünn und, obgleich nicht im Sinne des Gesetzes ge⸗ fälscht, doch minderwertig. Auch eine Zahlengrenze für gewisse Keime, die eine zum Verkauf gebrachte Milch nicht überschreiten darf, sollte festgesetzt werden. Die Sozialhygiene hält es für wünschenswert, daß jede Milch gereinigt und pasteurisiert wird, ehe sie in den Haushaltungen zur Verwendung gelangt, wie dies von den meisten großen Molkereien übrigens jetzt schon geschieht. Es ist daher gerade in unseren Tagen der Fleischteuerung ein glücklicher Umstand, aussprechen zu können, daß die Milch bereits zum größten Teil e. erfüllt, die von der hygienischen Wissenschaft an sie als Volksnahrungsmittel ge⸗ stellt werden.“
Eiweiß Fett
Hnsusbeiterbe —
Die Einigungsverhandlungen zur Beilegung des Ausstands in der Berliner Wäscheindustrie (vgl. Nr. 249 d. Bl.) haben, wie hiesige Blätter melden, gestern eS. zu keinem Ergebnis geführt. Nachdem Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich öffentlich über ihre allgemeine Haltung in der Lohnbewegung ausgesprochen hatten, traten die Vertrauensmänner der Arbeiter mit den Arbeiterbeisitzern des Einigungsamts zu einer Besprechung zusammen, um si über ihre Stellung zu den eigentlichen Tarifverhandlungen schlüssig zu machen. Eine Sitzung zum gleichen Zweck hielten die Arbeitgeber mit ihren Beisitzern ab. Unter dem Vorsitz des “ von Schulz hatten darauf die Arbeitgeber⸗ und Arbeiter des Einigungsamts eine Bepercung. als deren Er⸗ gebnis der Magistratsrat von Schulz um 5 ½ Uhr Nachmittags ver⸗ kündete, die vesehderlen Verhandlungen des Einigungsamts mit den Hertegen hätten nicht dazu geführt, daß dieses in der Lage wäre, den
arteien Vorschläge zu machen. Das Einigungsamt vertagte daher seine Verhandlungen auf heute. 1 In Aachen trat am Montag, wie die „Rh.⸗Westf. Ztg.“ be⸗ richtet, unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters das im Jahre 1904 auf Grund eines Uebereinkommens zwischen dem Arbeitgeber⸗ verband der Textilindustrie in Aachen sowie den christlichen Textilarbeiterverbänden errichtete Schiedsgericht zu⸗
im Sept. 1902 128,0, im Sept. 1905 138,6, 8 10,6 „
zum Ausdruck kommen. Genaue statistische Angaben hierüber fehlen
Obgleich die Milch eines der wichtigsten Volksnahrungsmittel ist,
abgelehnt hat, sowie die Frage des Zweistuhlsystems zu beraten (vgl. Nr. 238 d. Bl.). Die Verhandlungen über den allgemeinen Lohntarif nahmen die gesamte Vormittagssitzung in Anspruch. Es wurde schließlich folgender Beschluß gefaßt Das Schiedsgericht erklärt einstimmig die Einführung eines all gemeinen Lohntarifs für die Weber und Weberinnen der Aachener Tuchindustrie für wünschenswert. Bei den zur Zeit bestehenden Schwierigkeiten — nach der Ansicht einiger Schiedsgerichts⸗ mitglieder Unmöglichkeit — der Durchführung desselben wird zunächst die Einführung von Einzeltarifen in allen Fabriken befürwortet die den in Frage kommenden Arbeitern einen hinreichenden
Minimaldurchschnittslohn sichern. Ueber die Feststellung dieser Löhn sowie die Funge einer Regelung des Lohns für die Appretur⸗ und 1 “ eiter sollen die Verbände der Arbeitgeber und Arbeiter ver⸗
andeln. Nachmittags wurden die Verhandlungen über die Frage des
weistuhlsystems aufgenommen. Die Verhandlungen endigten gegen
Uhr mit dem Beschluß, die weiteren Beratungen über diesen Gegen⸗ stand bis zum 1. März n. J. zu vertagen.
Im Bochumer und im Dortmunder Revier fanden, wie die „Frkf. Ztg.“ meldet, am Montag 43 Belegschaftsversamm⸗ lungen statt, die gegen die verlängerte Sperre ausständig gewesener Bergleute protestierten, ferner die neue Arbeitsordnung für völlig un⸗ 8 zulänglich erklärten und die Arbeitsordnung forderten, die von 5 Berggewerbegerichtsvorsitzenden ausgearbeitet worden ist.
Die Ausstandsbewegung des freien Metallarbeiter verbandes in den Messerschlägereien des Solinger In⸗ dustriebezirks (vgl. Nr. 240 d. Bl.) verliert, wie die „Rh.⸗Westf 3t. erfährt, mit jedem Tage an Umfang und Bedeutung, da immer mehr Schlägereiarbeiter aus dem Metallarbeiterverband austreten und sich der Freien Vereinigung der Schlägereiarbeiter anschließen. Mitglieder der letzteren Organisation werden nämlich von der Aussperrung nicht betroffen Ueberdtes hat jetzt der Verein der Schlägereibesitzer die Organisatio der Füüen Vereinigung der Schlägereiarbeiter förmlich anerkan Die beiden Vereine haben vereinbart, eine Vergleichskammer, ähnlich derjenigen der übrigen Branchen der Solinger Industrie, zur Regelung der Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen und Schlichtung etwaiger Differenzen ins Leben zu rufen. 8
In Meuselwitz beschlossen, nach einer vom „W. T. B.“ wieder⸗ gegebenen Meldung des „Meuselwitzer Tageblatts“, die Weber in einer gestern abend abgehaltenen Versammlung einstimmig, am 6. No⸗ vember die Arbeit geschlossen wieder aufzunehmen und den neuen Lohntarif anzuerkennen. Sie sprachen zugleich die Hoffnung aus, daß Maßregelungen nicht erfolgen und daß die Fabriken am 6. November wieder geöffnet werden (vgl. Nr. 247 d. Bl.).
In Marseille ist, wie „W. T. B.“ meldet, unter den Straßen kehrern ein Ausstand ausgebrochen. Polizisten und Feuerwehrleute mußten mit Hilfe von Tagelöhnern die Straßenreinigung besorgen.
Kunst und Wissenschaft. b
Die Sammlung Adolf von Carstanjen, die rühmlich be kannte Privatgalerie alter Gemälde, ist leihweise den Königlichen Museen übergeben worden. Die aus 49 Bildern bestehende Samm lung, in der besonders die Hauptmeister der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, wie Rembrandt, Franz Hals und Albert Guyp glänzend vertreten sind, ist im Saale 61 des Kaiser Friedrichmuseums aufgestellt und von dieser Woche an dem Publikum zugänglich. 1
Land⸗ und Forstwirtschaft. Saatenstand und Ernte in Oesterreich.
(Bericht des K. K. Ackerbauministeriums nach dem Stande zu Mitte Oktober 1905.)
Nachdem zu Beginn der Berichtsperiode noch durch einige Zeit warmes Wetter geherrscht hatte, nahm die Witterung später in den meisten Ländern einen für die Landwirtschaft ungünstigen Verlauf Die letzten Septembertage brachten einen starken Kälteeinfall von längerer Dauer, und in Oberösterreich, Böhmen, in den Karst⸗ und den Alpenländern (Kärnten ausgenommen) gleichzeitig bis zum Abschlusse der Berichtsperiode anhaltendes Regenwetter mit häufigen Stürmen, im Gebirge ab Schneefälle, welche bis zur Talsohle herabreichten. Durch die Unguns des Wetters erleidet der Herbstanbau und die Ernte der Hackfrüchte eine bedeutende Erschwerung und Verzögerung, und es wird infolge der Beeinträchtigung des Herbstfutterschnitts und der Nichtausnützung der gut bewachsenen Herbstweide mit der Trockenfütterung befach bedeutend früher begonnen werden müssen, als in Aussicht ge⸗ nommen war.
In den Gebirgsgegenden Böhmens, Oberösterreichs und Tirols verursachte der frühe Einbruch des Winters schwere Schäden, da dort Späthafer, Grummet und die Hackfrüchte, deren Ernte vielfach erst im Beginn stand, tief unter dem Schnee begraben liegen. In Niederösterreich, Schlesien, Mähren (mit Ausnahme des östlichen Landesteiles) und in den Ostländern, wo auch in den letzten Wochen Trockenheit und Dürre vorherrschend blieben und die Feldarbeiten er⸗ schwerten, stellten sich nach dem 9. Oktober ausgiebige Niederschläge ein.
Der Anbau der Wintersaaten gestaltete sich in den meisten Ländern sehr schwierig. In jenen Gebieten, in welchen bis vor kurzem Trockenheit herrschte, waren die Vorbereitungen zur Aussaat und der Anbau selbst sehr mühevoll, und es mußten die schwersten Geräte in Verwendung treten, um die großen und harten Schollen zu zerkleinern. Infolge des Mangels an Bodenfeuchtigkeit sind die früheren Saaten häufig ne kensnsg aufgegangen, und sie zeigten einen schwachen, lückigen Stand, während die später in den Boden gebrachten Saaten oft nicht oder nur langsam ankeimten. Man kann hoffen, daß sich die schwachen Saaten nach den letzten Regen, welchen teilweise Ausheiterung folgte, bald erholen und gut bestocken werden. Erheblich ungünstiger sind vorläufig die Aussichten in jenen Ländern, in denen seit Ende September täglich Regen fielen, besonders in Böhmen und Oberösterreich, wo die früheren Saaten zwar einen ziemlich gleichmäßigen Stand auf⸗ weisen, sich jedoch infolge des Wärmemangels nur sehr langsam entwickelten. In vielen Gegenden — besonders des westlichen und nördlichen Böhmen — konnte der Anbau auf bindigen Böden zeit⸗ weise nicht fortgesetzt werden; derselbe befindet sich daher häufig noch stark im Ruckstande. Falls nicht bald günstige Witte⸗ rung eintritt, werden dort in ungünstigeren Lagen viele 8 un⸗ bestellt bleiben und die späteren Saaten, welche zu ihrer Kräftigung sehr der Wärme bedürfen, in schwacher Entwicklung in den Winter treten. Der Herbstanbau ist vorerst nur in Riederösterrei „Kärnten, Steiermark, “ und Galizien nahezu abgeschlossen. Im Süden hat man mit der Aussaat erst kürzlich begonnen.
Die Rapssaaten entwickelten sich bisher zumeist günstig. Der Buchweizen wurde Anfang Oktober nahe der Reife häufig vom Froste versengt, und es haben sich infolgedessen weitergehende Ernte⸗ hoffnungen nicht erfüllt. Immerhin kann das Ernteresultat in Kärnten, Steiermark, Südtirol und in den Küstenländern im ganzen nochals ziemlich befriedigend gelten, während in Krain zum Teil nur schwächere Fechsungen erzielt wurden. — Die Maisernte befindet sich mit Ausnahme der südlichen Länderzone, wo die Erntearbeiten infolge der kühlen Witterung der letzten Wochen später in Angriff genommen wurden, dem Ab⸗ schlusse nahe. Die Frucht, welcher der heiße Sommer sehr zuträglich war, ist mit Ausnahme höherer Lagen Tirols gut ausgereift und lieferte zumeist befriedigende Ernteergebnisse. Bloß im östlichen Teile Galiziens, in den meisten Gegenden der Bukowina und in einigen Bezirken Kärntens und Südtirols wurden infolge der langandauernden Dürre nur schwächere Ernteresultate erzielt. Der Abschluß der Grummet⸗ ernte, deren Ergebnisse in dem zu Mitte September hinausgegebenen Saatenstands⸗ und Ernteberichte bereits ausführlich besprochen wurden, hat sich in höheren Lagen der von einer längeren Regenperiode heim⸗ gesuchten Länder sehr verzögert, und es ist dort viel Heu am Felde verfault. In Böhmen, Oberösterreich und Tirol ist der hierdurch erwachsene Schaden beträchtlich. Hinsichtlich des Herbstfutters wird noch bemerkt, daß dasselbe mit Ausnahme der auch in dieser Berichts⸗ periode von der Dürre betroffenen Gebiete geraten ist; ebenso sind
sammen, um den von den Arbeiterverbänden ausgearbeiteten all⸗ gemeinen Lohntarif, dessen Einführung der Arbeitgeberverband
die Weiden unter gleichen Verhältnissen gut bewachsen. Aehnlich verhält es sich mit den heurigen Kleeschlägen, welche sich dort,