Wir müssen uns aber freuen, einen Sachverständigen des in Deutsch⸗ Südwestafrika geführten Kolonialkrieges vor uns zu haben, denn er wird uns Auskunft geben können, was an den Behauptungen war, daß der General von Trotha Preise auf die Köpfe der Eingeborenen ge⸗ setzt habe. Ich habe am 25. Mai meine Entrüstung darüber bekundet, daß ein deutscher General solche Brutalität begehen könnte, auf die Köpfe seiner Gegner, seiner Feinde Preise auszusetzen und dadurch Mörder zu dingen. Der Kolonialdirektor Dr. Stuebel erklärte damals, amtlich sei davon nichts bekannt, aber der General v. Trotha sei aufgefordert worden, sich zu erklären, aber es sei ja so etwas gar nicht möglich. Am 1. Mai war tatsächlich in den Windhuker Nachrichten der Erlaß vom 23. April abgedruckt, aber am 26. Mai wußte der Kolonial⸗ direktor noch nichts davon. Wir sehen auch hier wieder, daß der Telegroph in diesen Dingen manchmal sehr säumig arbeitet. Aehnlich liegt es ja in der Frage der Unterschleife. Ich frage jetzt die Kolonialverwaltung, was sie getan hat auf diesen Erlaß hin, ob sie den General von Trotha zur Rechenschaft gezogen hat. Die Antwort ist um so notwendiger, als wir wissen, daß derselbe General vorher bei der Bekämpfung der Herero einen, dem Sinne nach gleichen Erlaß gerichtet hat, der durch den Reichs⸗ kanzler rektifiziert worden ist. Der Reichstag wurde aber am 30. Mai geschlossen. Der Kolonialdirektor Dr. Stuebel ist verhindert durch seinen Urlaub, hier selbst Rede zu stehen; der gegenwärtige Reichskommissar dürfte nur aus dritter Hand unterrichtet sein. In dem Erlaß war nach der erwähnten Zeitung gesagt, jeder Herero werde erschossen, keine Frauen und Kinder werden mehr aufgenommen. „Das sind meine Worfe an die Herero. Der große General des mächtigen Kaisers.“ Nachher suchte man den Erlaß dahin abzu⸗ schnächen, daß das Schießen auf Frauen und Kinder nur bedeuten solle, daß über sie hinweg zu schießen sei, um sie zum Laufen zu zwingen. Aber tatsächlich hat man doch die Frauen und Kinder verhungern und verdursten lassen wollen, und das ist eine so ungeheure Infamie, daß ich denke, jeder Deutsche, besonders jeder deutsche Soldat, wird das entküstet von sich ablehnen. (Vizepräsident Graf zu Stolberg⸗Wernigerode: Ste dürfen einen dienstlichen Erlaß eines preußischen Generals nicht als eine Infamie bezeichnen.) Wie steht es jetzt mit dem General von Trotha? Er ist auf der Rückreise. Wir verlangen, daß uns die schriftliche und telegraphische Korrespondenz des Generals vorgelegt wird; jede einzelne Phase dieser Vorkommnisse, besonders aber solche, die dem deutschen Namen zur Unehre gereichen, muß aufgeklärt werden. Am 23. September wurde ein Telegramm veröffentlicht, das der General von Trotha an den Kanzler gesendet haben soll, datiert vom 23. Juli, des Inhalts, daß der Kanzler keine Veranlassung habe, von ihm eine schwächliche Kriegführung vorauszusetzen, er müsse aber mit den Etappen rechnen, deshalb erschiene ihm ein Ab⸗ schluß mit Morenga nicht nur erwünscht, sondern auch geboten. Nach diesem Telegramm hat also der General von Trotha für richtig gehalten. auf diese Verhandlungen einzugehen. So sehr ich sonst den General bekämpfe, so muß ich hier doch zu⸗ geben, daß er in diesem Falle richtig gehandelt hat. Es war in der Tat geboten, die von Morenga gebotene Hand anzunehmen. Der Reichskanzler hat aber gegen diese Absicht Einspruch erhoben, und darüber müssen wir Auskunst verlangen. Der Reichskanzler hat sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht, das ihn in einem kon⸗ stitutionellen Lande unmöglich gemacht hätte. Wir haben hier bo⸗ russische Zustände. Wissen Sie denn nicht, daß das ein Unglück für Preußen ist? Wir haben Regierungszustände, die den jetzt glücklicher⸗ weise zu Fall gekommenen ramponierten russischen Zuständen zum Ver⸗ weifeln ähnlich sehen. Wenn aber der General von Trotha in diesem Fall eine richtigere Politik getrieben hat als die Kolonialverwaltung und der Reichskanzler, so entschuldigt das nicht seine frühere barbarische Krieg⸗ fübeaan. er wollte wohl nur sein böses Gewissen salvieren und den eichskanzler mit auf die Anklagebank bringen. Dieser und die hinter ihm stehen, werden sich vor dem Richterstuhl des deutschen Volkes zu verantworten haben. Kommissar des Bundesrats, Wirklicher Legationsrat Dr. Seitz: Ich will mich auf die rein sachliche Beantwortung der gestellten Fragen beschränken, aber den Vorwurf möchte ich doch zurück⸗ weisen, daß die Kolonialverwaltung, und besonders ihr sbis⸗ heriger hochverdienter Chef, Dr. Stuebel, es an Anerkennung für die Leistungen urd die Tapferkeit unserer Truppen hätte fehlen lassen. Wenn einer diese Tapferkeit vollauf anerkannt hat, so ist es der Kolonialdirektor Dr. Stuebel gewesen. Was die Frage betrifft, weshalb dieser Nachtragsetat erst jetzt vorgelegt ist, so ist es ganz richtig, daß der Ingenieur Paul Ende Mai dieses Jahres den Kostenvoranschlag nach seiner Rückkehr aus Südwestafrika aufgestellt hat. Damit waren aber die Vorarbeiten noch lange nicht erschöpft. Es mußten über die einzelnen Positionen verschiedene Persönlichkeiten gehört, mit Offizieren und Technikern verhandelt und schließlich mit dem Reichseisen⸗ bahnamt und mit dem Reichsschatzamt in Verbindung getreten werden. Sie wissen ja selbst, wie Sie uns in jedem Jahr in der Budget⸗ kommission, besonders bei Eisenbahnvorlagen, auf Herz und Nieren prüfen, und wie vorsichtig wir die Sache nach allen Seiten hin vorher prüfen müssen. Wir haben aber, sobald feststand, daß die Lage im Schutzgebiet den beschleunigten Bau der Bahn erfordere, alles getan, ohne die Mittel des Reichs in Anspruch zu nehmen, um sofort nach erfolgter Zustimmung des Reichstags mit dem Bau beginnen zu können. Das Telegramm von der Rinderpest ist durchaus nicht be⸗ stellt, wir wünschten selbst, wir hätten es nicht erhalten. Garantien über die Vollendung der Bahn nach spätestens acht Monaten haben wir so weit wie möglich uns verschafft. Zunächst liegt eine Garantie darin, daß die Eisenbahn von einer Firma gebaut wird, die seit langem im Bau tropischer Eisenbahnen erfahren ist. Weiter haben wir versucht, durch den Vertrag, den wir nach der Be⸗ willigung abschließen wollen, eine möglichste Garantie dadurch vor⸗ zusehen, daß wir, da wir nicht in der Lage waren, dem Unternehmer eine Maximalzeit zu setzen, ihn an der möglichst baldigen Fertig⸗ stellung der Bahn finanziell interessierten und seinen Gewinn, wenn die Zeit von acht Monaten überschritten wird, verringern, daß er für jeden Tag der Bauzeit über acht Monate hinaus eine Konventional⸗ strafe von 3000 ℳ zu zahlen hat. Ein seit etwa acht Wochen an Ort und Stelle befindlicher Ingenieur der Firma Lenz hat auch jetzt wieder nach Bereisung der Trace die feste Ueberzeugung aus⸗ gesprochen, daß die Bahn in spätestens acht Monaten fertig sein kann. Eine Rentabilitätsberechnung, deren Fehlen der Abg. Erzberger bemängelte, ist bei einer Kolonialbahn nicht möglich. Wenn aber überhaupt bei einer solchen auf eine Rentabilität zu rechnen ist, so ist es bei dieser Bahn. Ich bitte Sie, in dieser Beziehung die Kosten für die jetzigen Transporte mit den⸗ jenigen für die Eisenbahn inkl. Amortisation des Anlagekapitals zu vergleichen. Wie schon der Oberst von Deimling sagte, wird es nicht möglich sein, in den nächsten Jahren die Truppen im Süden unter 1000 Mann zu verringern. Der General von Trotha hat die Ansicht ausgesprochen, daß auch nach Niederwerfung des Aufstandes mindestens 6000 Mann nötig sind. Wir werden alljährlich mehr als eine Million sparen, wenn wir die Bahn bauen, während des Aufstandes sogar noch mehr. Die bemängelten Widersprüche in den Denkschriften zeigen gerade, wie peinlich die Zentralverwaltung die Berichte der Lokalbehörden beachtet. Gewiß, es wäre sehr leicht, die Denk⸗ schriften mit den bereits vorliegenden in Einklang zu bringen, aber dann würden sie nicht mit den Tatsachen übereinstimmen. Bevor die Mole in Swakopmund gebaut worden ist, hat die Kolonial⸗ verwaltung eine gewissenhafte Prüfung angestellt. Swakopmund ist als die beste Hauptlandungsstelle für das Schutzgebiet erkannt und liegt an einem Platz, von wo aus der Verkehr nach dem Innern am leichtesten ist. Von der Versandung, die bei afrikanischen fen nie ausgeschlossen ist, wird die Mole durch Baggerung zweifellos wieder freizumachen sein. Der Unterschied in den Kosten für die Kamerunbahn und für die Bahn Lüderitzbucht —Kubub ist durch die klimatischen Verhältnisse und die Verschiedenheit des Geländes bedingt. Bei der Kamerunbahn kam sumpfiges Gelände und das zerrissene Hauptgebirge in Betracht. Bei dieser Bahn macht nur die
Ueberwindung der Wanderdünen, die aber viel leichter ist, als unsprüng⸗]
lich angenommen, und die Wasserfrage Schwierigkeiten, welch' letztere allerdings harte Arbeit erfordert. Die Ueberschreitung bei dem Bahnbau Swakopmund —Windhuk wurde dadurch herbeigeführt, daß der Bau vollkommen provisorisch in Angriff genommen wurde. Gegen den später aufgestellten Kostenanschlag ist nur eine Ueberschreitung von 1 Million höchstens vorgekommen. Für eine afrikanische Bahn von solcher Länge ist das gewiß keine große Ueberschreitung. Es wäre nicht möglich gewesen, den Herero⸗Aufstand niederzuwerfen, wenn wir die Truppen nicht auf der Bahn in das Inland schaffen und dort hätten verpflegen können. Nach den jetzigen Einnahmen läßt sich erwarten, daß die Bahn dem Reiche nicht nur keinerlei Belastung mehr bringen, sondern sogar einen Ueberschuß ergeben wird. Als der Vorwurf laut wurde, es seien Uniformstücke nach Argentinien verkauft, wurde sofort das Oberkommando der südwestafrikanischen Schutztruppe zur Rückäußerung aufgefordert. Inzwischen hatte auch schon die deutsche Gesandischaft in Buenos Aires durch den Vizekonsul in Bahia Erkundigungen anstellen lassen. Es hat sich herausgestellt, daß die ganze Sache auf einen einzigen Mann, dessen komplizierten Namen ich augenblicklich nicht angeben kann, zurückzuführen ist. Von einem großen Verschleiß kann nicht die Rede sein. Es ist auch ein merk⸗ würdiges Zusammentreffen, daß ein paar Monate vorher der Dampfer „Gertrud Woermann“ 15 km von Swakopmund gestrandet ist. Er hatte Uniformstücke an Bord, für die die Verwaltung Entschädigung erhalten hat. Bei den Bergungsarbeiten haben sich alle möglichen Leute beteiligt, und es ist bekannt, daß die Neger sich gestrandetes Gut aneignen, wie auch der an der Küste von Liberia gestrandete Dampfer „Lulu Bohlen“ total ausgeplündert ist. Jedenfalls dürfen Sie für diese angeblichen Sünden unsere Truppen in Südwestafrika nicht leiden lassen. 1
Kommissar des Bundesrats, Königlich preußischer Oberst von Deimling: Die Ausführungen des Abg. Ledebour werden von anderer Seite ihre Beantwortung finden. Sch möchte Ihnen nur zwei Kriegserlebnisse kurz erzählen. Einige Tage nach dem Gefecht bei Waterberg wurde eine Patrouille, bestehend aus einem Offizier und elf Reitern, von einer großen Ueberzahl von Hereros angegriffen, umzingelt und nach heldenhafter verzweifelter Gegenwehr bis auf den letzten Mann niedergeschossen. Die Leichen lagen nackt nebeneinander, sämtliche Hände und Füße waren abgehackt, einigen die Augen aus dem Kopfe gedrückt, einem Manne, nach dem Urteil des Arztes, bei lebendigem Leibe das Genick abgedreht. Weiter, nachdem der Hottentottenaufftand aus⸗ gebrochen war und Hendrik Witboi beschlossen hatte, Orlog zu machen, schickte er Samuel Isaak nach Gideon zum Distriktschef, Hauptmann von Burgsdorff, und sagte ihm: Der Kapitän will Orlog machen; Du bist der einzige, der imstande ist, ihn davon abzu⸗ halten. Komm mit mir zu ihm. Der Hauptmann von Burgsdorff ritt ohne Wehr uand Waffen dorthin, und als er unterwegs war, traten sechs Hottentotten hervor und schossen ihn nieder. Und gegen einen solchen bestial ischen, hinterlistigen Feind sollten wir mit Glacéhand⸗ schuhen vorgehen? Nein, das können Sie nicht von uns verlangen. Wir sind auch Menschen mit Nerven. Wer hier in Berlin am Biertische sitzt, der mag allerdings anders urteilen. Aber ich sage: Milde gegen solche Eingeborenen ist Grausamkeit gegen die eigenen Leute.
Abg. von Böhlendorff⸗Kölpin (kons.): Wenn die ver⸗ bündeten Regierungen die Vorlage schon jetzt eingebracht haben, so müssen sie wohl den größten Wert darauf legen, daß sie schleunigst verabschiedet wird. Die Notlage wird verstärkt, geradezu zu einem Notstande, durch die ausgebrochene Rinderpest. Meine Freunde hoffen, daß die Vorlage, nachdem sie in der Kommission beraten ist, noch vor den Ferien zur Verabschiedung gelangt. Für jeden Tag, an dem die Bahn später fertig wird, müssen wir mindestens 50 000 ℳ ausgeben. Wir haben während der 22 Monate, die der Aufstand leider schon währt, für den Landtransport von Lüderitzbucht nach Kubub für jeden Monat 1¼ Millionen ausgeben müssen. Wie viel günstiger stünden wir da, wenn wir die Bahn schon gehabt hätten, als der Aufstand losging. Wir würden an Transportkosten mindestens 50 Millionen gespart haben. Ich freue mich, daß die Bahn einer Firma übertragen werden soll, mit der wir in Togo so gute Erfahrungen gemacht haben. Die Kostenanschläge scheinen mir nirgends zu hoch gegriffen zu sein. Der verehrte Abgeordnete Erz⸗ berger sagte, seine Freunde seien keine Kolonialgegner. Auch wir 88 für eine vernünftige Kolonisation und für eine ausgiebige Be⸗ nutzung der Eingeborenen, aber eine ausgiebige Kolonisation ist ohne ausgiebigen Eisenbahnbau nicht möglich. Darum wünschen wir, daß die Vorlage möglichst bald unter Dach und Fach kommt. Was die technischen Bedenken anlangt, die früher gegen diesen Bahn⸗ bau bestanden haben, und weshalb man wohl etwas zögernd an den Bau herantrat, so sind sie jetzt geschwunden; die Sanddünen sind nicht derart, daß ein tüchtiger Techniker nicht mit ihnen fertig werden könnte; auch die Kostenfrage macht hier keine Bedenken. Die Wasser⸗ frage wird durch den Kondensator beftiedigend gelöst werden; die Lokomotiven sollen so eingerichtet werden, daß sie bis Kubub genügend Wasser haben. Die Rinderpest, die unglücklicherweise ausgebrochen ist, macht größte Eile und Beschleunigung notwendig, da die Ver⸗ pflegung und Versorgung der Truppen dadurch direkt in Frage gestellt werden. Ich beantrage, die Vorlage an die Budgetkom mission zu verweisen. 1
Abg. Dr. Semler (nl.): Meine politischen Freunde stehen wesentlich auf dem Standpunkt des Vorredners. Wenn wir auch für Kommissionsberatung stimm en, so sehen wir doch die Vorlage als das an, was sie ist, nämlich als eine Kriegsvorlage. Die 1 ½ Millionen des Kostenanschlages für den Ausbau der Bahn zu Friedenszwecken sind in der heutigen Forderung nicht einbegriffen. Daraus ergibt sich schon, daß es sich um eine Kriegsvorlage handelt, und die Budget⸗ kommission muß sie also auch danach behandeln, d. h. schleunigst ver⸗ abschieden. Die Erörterung der Frage nach den Werten der Kolonie, nach ihren Wassenverhältnissen, kann in anderem Zusammenhang ge⸗ schehen; hier kommt es darauf an, daß unsere Truppen versorgt werden. Da fragt es sich lediglich, ob die Vorlage das zweckmäßige Mittel bietet. Selbst wenn wir jetzt einen Teil der Truppen dort zurückziehen könnten, so ist doch klar, daß wir auf absehbare Zeit einen Teil der Truppen und Pferde dort halten müssen, oder wir haben den Krieg noch einmal. Welche Unsummen sind nicht für die Transportkosten bisher ausgegeben worden! Da kommen die 5 oder 7 ½ Millionen für diese Bahn gar nicht in Be⸗ tracht. Mit wahrem Bienenfleiße hat Herr Erzberger gearbeitet, um uns seinen Zitatenschatz vorzutragen; da wird er längst schon selbst seine Meinung geändert und erkannt haben, daß er mit seiner Verneinung nicht durchkommt, denn der Oberst von Deimling wird auch auf ihn seinen Eindruck nicht verfehlt haben. Der fragte, warum wir nicht schon im letzten Frühjahr die Bahn bewilligt haben. Ich gebe die Antwort: Weil diejenigen, die hier im Reichstag arbeitslustig waren, plötzlich von der Regterung vorzeitig nach Hause geschickt sind. Welche Summen sind bei dem bisherigen Transport der Verpflegung vergeudet worden, man braucht ja bloß die Schiffslisten daraufhin anzusehen. Freuen wir uns doch, daß wir endlich eine Entlastung für Swakopmund bekommen. Es ist erwiesen, daß, so⸗ lange wir die Bahn nicht bauen, wir ungleich höhere Transportkosten aufzubringen haben werden. Ist dafür gesorgt, daß in Lüderitzort, dem Endpunkt der Bahn, nicht eine Grundstuͤcksspekulation einsetzen kann? In Kamerun haben wir sehen müssen, daß die für die Bahn nach den Maneguba⸗Bergen unbedingt nötigen Terrains alle an Eng⸗ länder verkauft worden sind; so etwas darf hier nicht vorkommen. e. wir für schleunigste Verabschiedung, wenn der Anerkennung der Leistungen der Truppen im Weißen Saal die Tat folgen soll.
Abg. Kopsch (fr. Volksp.): Der Verwunderung über den frühen Schluß und die späte Einberufung des Reichstags schließe ich mich an. Hätte der Oberst von Deimling seine heutige Rede damals im Bundes⸗ rat, als über den Reichstagsschluß beschlossen wurde, halten können, hätte er sicherlich seinen Erfolgen in Afrika, für die ihm das deutsche Volk herzlich dankbar ist, auch Erfolge im Bundesrat hinzugefügt. Die Vorwürfe, daß die Bahn noch nicht gebaut ist, richten sich also gegen eine andere Stelle, nicht gegen dieses Haus. Auch Abg. vo Böhlendorff wäre vielleicht wenn er
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Mitglied des Bundesrats wäre, dort mit seiner Milchmädchen⸗ rechnung über die Bahnbauten mitbestimmend gewesen. Ueber das System der Kolonialpolitik werden wir beim Etat sprechen. Früher las mans im Zentrum anders, aber die heutige Erklärung ent⸗ spricht der Stimmung des Volkes. Unser Volk ist kolonialmüde, und namentlich werden die Steuervorlagen über mehr als 200 Mill. Mark ernüchternd auch da wirken, wo lange Jahre das Kolonigalfieber gehaust hat. Wir haben früher erklärt, daß wir die Forderungen für die Niederwerfung des Aufstandes bewilligen. So wird es auch jetzt Aufgabe der Kommission sein, die zwingenden militärischen Ver⸗ hältnisse, und wie lange diese andauern können, ernst zu prüfen. Kriegsvorlage, ganz recht, aber diese Bahn kann erst in 5 bis 8 Monaten wirksam werden. Wenn dauernd eine Besatzung von 6000 Mann in ganz Südwestafrika, und von 1000 Mann allein im Süden nötig ist, so sind das ja nette Aussichten für die Zukunft. Meine Freunde Bamberger und so weiter haben ia seinerzeit vor den Hunderten von Millionen gewarnt, die unsere Kolonialpolitik kosten würde. Die Kom⸗ mission muß prüfen, ob die Bedenken mancher Sachverständigen gegen diesen Bahnbau durch die Regierung behoben werden können. Die Herren der Regierung sind selbst schuld, wenn wir ihren Darlegungen nicht immer volle Beweiskraft beimessen. Wenn der Wirkliche Legationsrat Dr. Seitz aus den Widersprüchen der Denkschriften gerade die Ge⸗ wissenhaftigkeit folgert, so müssen wir die Regierung bitten, uns nun endlich die Wahrheit mitzuteilen. Gerade Mit⸗ glieder des Reichstages wünschten genaue Informationen über die Meeresströmungen und Landungsmöglichkeiten, ehe man Millionen für den Molenbau von Swakopmund aufwendete. Damals wurden diese Warnungen verlacht auf Grund von fachmännischen Ur⸗ teilen, die sich nun als irrig erweisen. Für eine Gegend, wo heute ein Berg, morgen ein Tal ist, und Hunderte von Leichen den Weg zeigen, den man der Nase nach, d. h. nach dem Leichengeruch geht, sollen diese großen Aufwendungen gemacht werden. Nach der Be⸗ gründung der Vorlage kommt erst 74 Kilometer landeinwärts die erste Quelle mit salzhaltigem Wasser, und erst 167 Kilometer einwärts die zweite Stelle mit 18 bis 22 Kubikmeter trinkbarem Wasser. Wir sind alle dankbar für die Aufopferung, die unsere braven Söhne und Brüder in Afrika gezeigt haben, aber es er⸗ füllt mit Weh, zu sehen, wofür die Opfer an Gut und Blut und Geld gebracht werden. Es war auch ein deutscher Reichskanzler, der einst sagte, die ganze Orientalische Frage ist mir nicht die Knochen eines pommerschen Grenadiers wert! Und für dieses Land wie Süd⸗ westafrika sollen Tausende bluten und Hunderte von Millionen aus⸗ gegeben werden? Gewiß will unser Volk den Aufstand niederwerfen, aber dann ist Einkehr zu halten, ob diese ganze Kolonialpolitik fort⸗ gesetzt werden soll. Wir schließen uns dem Antrag auf Ueberweisung an die Kommission an, aber Eile mit Weile. Wenn die Regierung ein halbes Jahr Zeit hatte mit der Vorlage, muß auch der Reichstag die Möglichkeit haben, sie gewissenhaft zu prüfen. Wenn die militärischen Gesichtspunkte die Notwendigkeit nachweisen können, werden wir unsere Entscheidung danach treffen.
Kommissar des Bundesrats, Wirkl. Legationsrat Dr. Gollinelli⸗ Die Vorlage ist lediglich vom Gesichtswinkel des Kcieges aus zu be⸗ urteilen, und danach hoffe ich, den Angriffen des Abg. Erzberger, daß sie materiell nicht begründet sei, zu begegnen, und bei seiner Gerechtigkeit voraussichtlich mit Erfolg. Wir haben sie wirtschaft⸗ lich nicht begründet, da wir überzeugt sind, daß, wie der Abg. Semler so klar und so patriotisch ausführte, ohne die Bahn eine Beendigung des Aufstandes nicht zu erzielen ist, die Soldaten dort ein menschenwürdiges Dasein nicht führen, und wir nicht unseren Pflichten gerecht werden können, die Sicherheitsmittel dem Süden zu geben, die für die öffentliche Ordnung nötig sind. Ich möchte unser armes südwestafrikanisches Schutzgebiet etwas in Schutz nehmen gegen die abfälligen Urteile, nicht als Schriftgelehrter, nicht als übertriebener Kolonialphantast, sondern als Beamter, der 5 Jahre ununterbrochen in Südafrika auf englischem Gebiet in Kapstadt und in unserem deutschen Schutzgebiet tätig gewesen ist. Materiell beurteilen kann dieses Gebiet vielleicht nur, wer den Maßstab beberrscht, der den Messungen in afrikanischen Gebieten entspricht. Es ist ungerecht und vielleicht etwas hart, Südwestafrika mit mehr oder weniger heimischem Maßstab zu beleuchten. Wer die dortigen wirtschaftlichen Verhältnisse studiert, kommt bald zu der Ueberzeugung, daß es so schlecht mit Deutsch⸗Südwestafrika nicht bestellt ist. Ich will deshalb die Ehre dieser armen Kolonie, die schweres Mißgeschickh über sich ergehen läßt, retten und dadurch auch die Herzen der Gegner unserer Schutzgebiete etwas wärmer dafür schlagen lassen. Von Gelehrten, die das Schutzgebiet lange und oft bereist haben und die zu der Regierung in keiner Beziehung stehen — ich nenne unter anderen auch den Major v. Frangois —, ist die Ueberzeugung aus⸗ gesprochen, das Schutzgebiet ist nicht schlecht. Schwerwiegender ist aber noch das Urteil der Praktiker. Bei mir war eine Ansiedler⸗ deputation aus Anlaß des Schadens, der durch den Aufstand ange⸗ richtet war. Diese Männer haben, gebeugt durch das Unglück und mit tränenden Augen, bekannt: „Wir haben alles verloren, aber den Mut und das Vertrauen auf das Land haben wir nicht verloren; gebt uns nur einen kleinen Halt, und wir wollen zum vierten Male wieder die Arbeit aufnehmen.“ Auch die „Südwestafrikanische Zeitung“ ist der Zuversicht, daß das Land an sich und mit Beihilfe kräftiger und energischer Pioniere wohl in der Lage ist, seine Auf⸗ gaben zu erfüllen. Wir haben eine Parallelwirkung in dem engli⸗ schen Rhodesia. Dort werden Jahr für Jahr Millionen ausgegeben, nur um dem Lande die Kraft zu geben, sich aus sich heraus zu ent⸗ wickeln. Unter enormen Mitteln sind englische Bahnen dort gebaut worden. Hierfür spricht auch das Urteil des gewiß sachverständigen Gouverneurs von Lindequist. Unser Schutzgebict wird höchstens von dem besten Teil des Kapgebiets geschlagen. Es gibt allerdings zwei schwierige Punkte, auf die der Abg. Erzberger schon hingewiesen hat: die Wasser⸗ und Verkehrsfrage. Sind diese erst gelöst, dann wird auch das hohe Haus Freude an dem Schutzgebiet haben. Die Wasser⸗ frage ist zu den Unstimmigkeiten in der Denkschrift gerechnet worden. Die Denkschrift enthäilt keine Unwahrheit. Die Kolonie befindet sich in einer fortschreitenden Entwicklung, es geht bald hinauf, bald herunter. An einzelnen Stellen finden wir bei 4 m Wasser; in einem anderen Gebiete und zu einer späteren Zeit ergibt sich wieder ein anderes Bild. Wir haben große Schwierigkeiten längs der Bahn⸗ linie; aber wir hoffen, unter Verwertung der bisherigen Erfahrungen so viel Wasser schaffen zu können, wie in Britisch⸗Südwestafrika. Daß dort nicht gleich von vornherein abgeschlossene Arbeit geleistet worden ist, beweist die große Wasserkonferenz, die vor 14 Tagen statt⸗ gefunden hat. n will. Wenn ich vor Ihnen in so warmen Tönen spreche, so ge chieht es, weil ich der Ueberzeugung bin, daß das Schutzgebiet wirklich unserer Hilfe wert ist. Zweifellos hat es einen geologischen Wert. Ein Beweis dafür ist auch die Gründung der Otavi⸗Gesellschaft. Die Ditconto⸗Gesellschaft hat 1 ½ Millionen dafür ausgegeben, um fest⸗ zustellen, ob Mineralien dort vorhanden wären. Sie hätte sich gewiß darauf nicht eingelassen, wenn sie nicht Vertrauen gehabt hätte. Es wurde der Bau einer Bahn beschlossen, und sicherlich hätte sich dafür nicht das Kapital gefunden, wenn man die Anlagen nicht für lohnend gehalten hätte. Das Land eignet sich zur Viehzucht, und es besitzt einen Grundstock für die Bildung eines Wollmarktes in Deutschland. Die Vorbedingungen für die Schafzucht sind vorhanden. Es ist gesagt worden, es befinde sich dort eine Straße, die so schön angelegt sei wie eine Chaussee in der Heimat. Man hat in dieser Beziehun auf den Jahresbericht verwiesen und Unstimmigkeiten in der Denk⸗ schrift gefunden. Man muß das im afrikanischen Sinne beurteilen. Die Straße zwischen Keetmanshoop und Lüderitzbucht führt durch ein Gebiet, das überhaupt nicht für Straßen herrichtbar ist. Wir haben uns aber draußen bemüht, die Wege so fest wie möglich zu gestalten, wir haben aber nicht versprechen wollen, daß in jenem Abschnilt iic Sns wie eine deutsche Chaussee herzustellen sei. Es ist ledigli eine falsche Ausdrucksweise, wenn wir von „Vollendungen“ sprechen.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
Glauben Sie nicht, daß ich vor Ihnen schönfabn
Berlin, Montag, den 4. Dezember
Eine Straße wird nie vollendet. Wir haben die Absicht, die Straße zu einer vollendeten zu machen. Gehen Sie hinaus, und Sie werden finden, daß sie vollendeter geworden ist. Die Wanderdünen erreichen eine Höhe von 120 m. An den Abhängen können wir mit Ochsen⸗ wagen fahren, aber nicht jeden Tag auf derselben Spur. Man kann die Wanderdünen ja durch Anpflanzungen festmachen, wie es auf der sibirischen Bahn durch Kuropatkin geschehen ist. Wenn eine Firma, wie Lenz u. Co., sagt, wir können die Bahn in 6 bis 8 Monaten fertigstellen, s können wir uns wohl darauf verlassen. Der Abg. Semler hat gefragt, ob wir Vorkehrungen getroffen haben, daß in Lüderitzbucht nicht eine wüste Landspekulation Platz greift. Allergings steht das Küstengebiet im Eigentum der Kolonialgesellschaft für Südwestafrika. Die Verträge, die seinerzeit geschlossen wurden, sind anerkannt worden, und auf Grund dieser Verträge wurde die Schutzherrschaft über das Schutzgebiet ausgesprochen. Die Deutsche Kolonialgesellschaft besitzt zur Zeit allerdings das Eigentumsrecht an Grund und Boden; aber es ist dafür gesorgt, daß wir dadurch nicht behindert werden. Als die Bahn gebaut werden sollte, wurden vom Gouvernement Vorkehrungen zum Enteignungsverfahren ge⸗ troffjen. Wir werden verhindern, daß eine Landspekulation an dieser Stelle Platz greift. Ich bitte Sie nochmals, in der Beurteilung unseres armen Sckutzgebiets etwas weich⸗ herziger zu sein. Wir verlangen weiter nichts als die Prüfung der Berichte, die über den Wert des Schutzgebiets vorliegen. Wenn es sich augenblicklich auch nur um eine Kriegsbahn handelt, so werden wir sie später in den Dienst der Volkswirtschaft stellen, und ich bin überzeugt, daß das Schutzgebiet Ihnen Freude machen wird.
Abg. Graf von Arnim (Rp.): Wir sind bereit, in eine wohl⸗ wollende Prüfung der Vorlage einzutreten. Ich habe den Ein⸗ druck, daß im Laufe der Zeit ein Umschwung in der Beurteilung der Kolonie eingetreten ist. Kolonien ohne Bahnen sind ein Unding. Die Millionen und abermals Millionen, die wir in die Kolonien hineinstecken, sind verschwendet, wenn wir keine Bahnen bauen. Die Usambarabahn, die von den ver⸗ schiedensten Seiten angegriffen wurde, und die jetzt in die Hände der Firma Lenz gelegt ist, erforderte einen Zuschuß von 140 000 ℳ Schon im nächsten Jahre wird die Hälfte des Ueber⸗ schusses in Höhe von 120 000 bis 130 000 ℳ abgeführt werden können. Was wäre geschehen, wenn die Bahn Swakopmund damals, als die Rinderpest ausgebrochen war, nicht gebaut worden wäre? Was würde aus der Kolonie bei dem Ausbruch des Aufstandes geworden sein? Ich bin überzeugt, das Gouvernement hätte nicht diejenige Hilfe er⸗ halten, die es erhalten hat beim Aufstande. In bezug auf die Finanzierung der Bahn kann sich der Abg. Eczberger beruhigen und zu der Regierung Vertrauen haben. Diese wird gewiß nicht un⸗ nötige Kosten machen. Hätten wir seinerzeit 500 Mann mehr im Lande gehabt — und die Kosten wären für das Deutsche Reich nicht unerschwinglich gewesen — so wäre der beklagenswerte Krieg nicht entstanden, der so viel Blut gekostet hat. Ich meine, daß wir alles tun müssen, was der Ehre Deutschlands ent⸗ spricht, und daß die gebrachten Opfer nicht vergeblich gebracht worden sind. Ich freue mich, daß die Ausführungen des Abg. Erzberger von den Regierungsvertretern aus eigener Kenntnis der Dinge abgeschwächt worden sind, und ich hoffe, daß der Abg Erzberger sich überzeugen wird, daß die Bahn notwendig ist im militärischen Interesse. Wir müssen die Truppen vor Entbehrangen schützen, vor Hunger oder vor einem schmachvollen Rückzug. Die Bahn muß sofort gebaut werden; denn im November und Dezember herrschen dort an der Küste derartige Stürme, daß es besser ist, wenn sie bis dahin fertig wird. Eine Firma von dem Weltruf der Firma Lenz wird ihre Abmachungen schon rechtzeitig erfüllen. Es ist nur zu bedauern, daß die Bahn nicht bereits vor 9 Monaten gebaut wurde.
Abg. Schrader (fr. Vgg.): Die wenig shasft gen Ergebnisse unserer bisherigen Kolonialverwaltung sind darin begründet, daß man es nicht verstanden hat, den Bedürfnissen der Kolonien gerecht zu werden; unsere Verwaltungsbeamten in den Kolonien waren Militärs, waren Juristen, und unsere Kolonisatoren waren zum Teil Abenteurer, die in Europa nicht bleiben konnten. Daraus erklären sich die mancherlei Mißgriffe, die begangen worden sind, auch die Fehler in der Behandlung der die mancherlei begangenen Grausamkeiten und Willkür⸗ akte. Der Kolonialdirektor Dr. Stuebel hat redlich das Seinige getan, um eine gesunde Verwaltung in den Kolonien zuwege zu bringen; es ist ihm nicht ganz geglückt. ir müssen hoffen, daß der neuen Leitung auf diesem Gebiet ein voller Erfolg beschieden sein möge. Die heutige Vorlage können wir nicht ablehnen. Die Ausführbarkeit der Bahn erscheint mir gewährleistet; mit den Sanddünen wird man schon fertig werden. Ich erinnere mich noch der Zeit, wo die Bahn zwischen Berlin und Leipzig acht Tage lang wegen Schnee⸗ verwehungen gesperrt war. Den Sanddünen wird man beikommen, wie den Schneeverwehungen. Die Tunnelbauten, vor denen der Abg. Ledebour solche Bedenken hat, werden nicht unter, sondern über der Erde angebracht werden, man wird die Bahn ausbauen. Die Kommissionsberatung wird nach meiner Meinung auch gar nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Für die Versorgung und Verpflegung der Truppen muß zunächst das Nötige mit tunlichster Beschleunigung vor⸗ Fühet werden. Die Bahn hat aber nicht allein einen trategischen Wert, sondern auch einen kulturellen, schon des⸗ halb, weil Lüderitzbucht einen wirklich brauchbaren Hafen hat, vermutlich den einzigen brauchbaren im ganzen Schutzgebiet. Die Bahn wird also nicht bloß eine Militärbahn sein, sondern später auch dem Verkehr dienen können. Ob Südwestafrika mehr oder weniger Wert hat, wir sind genötigt, die Kolonie zu behalten und
ir sie zu sorgen. Ein zutreffendes Urteil über seine Natur und seinen Wert können wir heute unmöglich fällen. Ein Gebiet von dieser En wird ohne Zweifel Distrikte enthalten, die brauchbar und bebaubar sind; so schlecht, wie es heute von mancher Seite ge⸗ macht worden ist, dürfte es nicht sein. Nachdem wir das Land durch den Aufstand in solche Not, in solche trostlose Lage gebracht haben, dürfen wir es nicht verlassen, sondern müssen alles versuchen, ihm die Ruhe, die Entwicklungsmöglichkeit wiederzugeben. Lassen Sie uns also kurze und schnelle Arbeit machen, damit der Bahnbau desto eher begonnen werden kann.
Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.): Die große Mehrzahl meiner FPeunde begrüßt den vorgeschlagenen Bahnbau mit großer Freude.
ie technische Möglichkeit des Bahnbaues findet allerdings in der Denkschrift keine genügende Grundlage, und das ist ein Vorwurf Pebe die Regierung, da das Verlangen nach dieser Bahn längst im
ublikum besteht. Speziellüber die Bewältigung der Wanderdünen hätte mehr und besseres Material gegeben werden müssen; beschäftigt sich doch die Regierung selbst seit länger als zehn Jahren mit diesem Projekt. Die englische Gesellschaft, die ursprünglich diese Bahn bauen wollte und zu diesem Zwecke 128 Farmen zugewiesen erhielt, hat auf den Bau verzichtet, aber diese 128 Farmen hat sie immer noch im Besitz. Diese Konzessionsfrage spielt hier auch hinein. Die Antwort, die auf die Frage des Abg. Dr. Semler wegen der Verhinderung der Landes⸗ ekulation an der Lüderitzbucht erfolgte, ist ebenfalls nicht genügend.
aß wir diese Bahn auch zur . Erschließung des Landes notwendig haben, wird von der Denkschrift nicht erörtert. In einer Versammlung, die ich in Ruhla abhielt, ist ein Sozialdemokrat auf⸗ getreten, der auf Grund eigener Erfahrung bestätigte, daß Südwest⸗
afrika eine gute Kolonie sei, sobald man den Dünengürtel überwunden habe. Ich habe um den Namen dieses Sozialdemokraten geschrieben und werde ihn in wenigen Tagen dem Abg. Ledebour mitteilen, damit dieser sich bei seinem Parteigenossen über Südwestafrika erkundigen kann. Das Land rechts und links neben der Bahn, das erst nach dem Bau der Bahn einen Vorteil davon haben wird, gehört der Deutschen Kolonialgesellschaft. Diese tritt das Terrain für die Bahn dem Fiskus ab; ein großes Opfer ist das nicht, es erinnert mich an den Kampf zweier Terraingesellschaften, die sich stritten, welche von ihnen das Terrain für das neue Amtsgericht in Pankow schenken solle. Der Fiskus handelte sehr gescheit, indem er es von derjenigen Gesellschaft geschenkt nahm, die ihm noch das meiste in bar dazu bot. Der Bodenspekulation muß auf alle Fälle ein Riegel vorgeschoben werden. Schon jetzt sind die Preise in Lüderitzbucht außerordentlich gesteigert. Die Inhaber des Grund und Bodens machen schon Ansätze, ein Landmonopol dort anzubahnen; auffällig ist jedenfalls, daß auch in der Begründung an die Stelle der Firma Lenz u. Co. plötzlich die Firma der Deutschen Kolonial⸗Eisenbahnbau⸗ und Betriebsgesell⸗ schaft tritt. Wer steht hinter dieser zuletzt genannten Gesellschaft? Vielleicht die Freunde des Landungsmonopols? Welche Rechts⸗ ansprüche die Nachfolgerinnen der Lüderitz⸗Gesellschaft in diesen Ge⸗ bieten haben, ist bis heute noch nicht einwandsfrei festgestellt. Dar⸗ über aber müssen wir vor allem Klarheit haben. Die kommissions⸗ lose Annahme der Vorlage ist lediglich durch die Schuld der Re⸗ gierung vereitelt worden, weil sie nicht genügendes Material für die technische Prüfung uns unterbreitet hat; eine derartige Annahme⸗ der Vorlage wäre aber für das ganze deutsche Volk von größter Be⸗ deutung gegenüber dem internationalen Werte der Bahn, wenn eventuell Krieg mit England gekommen wäre; ich weise nur auf die ernsten Worte der Kaiserlichen Thronrede hin.
Kommissar des Bundesrats, Wirklicher Lezationsrat Dr. Seitz: Es ist selbstverständlich, daß die in Frage kommenden Landgesellschaften das für den Bahnbau erforderliche Land unentgeltlich abtreten. Entsprechende Zusagen sind bereits er⸗ folgt. Es ist auch daran festgehalten worden, daß unter allen Um⸗ ständen verhindert werden müsse, daß sich in Lüderitzbucht eine Landspekulation entwickelt; ebenso, daß die in das Interessen⸗ gebiet der Bahn fallenden Landgesellschaften und Plan⸗ tagenbesitzer zu entsprechenden Leistungen heranzuziehen sind. Es ist auf Veranlassung der Kolonialverwaltung, als mit Sicherheit anzunehmen war, daß eine Vorlage über den Bahnbau gemacht werden würde, eine Sperrverfügung über das Gelände ergangen, die noch besteht und absolut verhindert, daß dort Gelände zu Spekulations⸗ zwecken verkauft wird. Bei den Verhandlungen wegen eines Entgegen⸗ kommens der beteiligten Gesellschaften hinsichtlich ihrer Leistungen für den Bahnbau hat sich ein weitgehendes Entgegenkommen auf seiten der Gesellschaften gezeigt. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, es ist aber sicher, daß die Gesellschaften⸗ unter allen Umständen zu Leistungen herangezogen werden, sei es, daß sie Land dem Reiche abtreten und dem Reiche die nötige Bewegungsfreiheit bei Festsetzung des Bauplans sichern, oder daß man zu einer Be⸗ steuerung des Wertzuwachses ihres Grund und Bodens schreitet.
Abg. Erzberger (Zentr.): Meine politischen Freunde wollen dem Wunsche der konservativen Fraktion, die Vorlage der Budgetkommission zu überweisen, Rechnung tragen. Es ist doch sehr eigenartig, daß man gerade zu einer Zeit, wo die Mitteilung von der vollständigen Einstellung der Feindseligkeiten im Hereroland an uns gelangt, mit einer solchen Vorlage kommt. Ich glauhe, man sollte nicht, wie der Abg. Semler, deren Charakter als Kriegsvorlage betonen, denn damit richtet man den schwersten Vorwurf gegen den Bundesrat, daß er nämlich, obwohl er schon im Mai 1905 die Bahn als notwendig für die Truppen erkannt hat, noch ein halbes Jahr lang
underte von Soldaten den Gefahren, die durch die Bahn eseitigt werden sollen, ausgesetzt hat. Glaubt denn der Abg. von Böhlendorff, daß die Schwarzen diese Bahn, wenn sie schon gebaut gewesen wäre, nicht ebenso gut zerstört haben würden wie die Bahn von Swakovmund nach Windhuk? Die Kommissare des Bundesrats haben sich die ganz vergebliche Mühe ge⸗ geben, die Denkschriften zu rechtfertigen. Ist es so mit der Haltbar⸗ keit der Angaben in diesen Denkschriften bestellt, so werde ich künftig 50, auch 75 und noch mehr Prozent abziehen, um der Wahrheit näher zu kommen. Daß meine Angaben bezüglich der Rinderpest nicht stimmen, muß ich ganz energisch zurückweisen. Ich habe die Zahlen den Reden des jetzigen Staatssekretärs des Auswärtigen Amts Freiherrn von Richthofen und dem Etat entnommen, und wenn diese Angaben hier so einfach in Zweifel gezogen werden, dann ist eine parlamentarische Diskussion hier über⸗ haupt nicht mehr möglich. Ueber die Unterschleife in Südwestafrika habe ich meinerseits eine direkte Behauptung überhaupt gar nicht auf⸗ gestellt. Ich frage nochmals, ob nicht dem Auswärtigen Amt von dritter Seite die Mitteilung von den Unterschleifen zugegangen ist? Ich habe keine Schwarzmalerei getrieben; alles, was ich anführte, ist den amtlichen Denkschriften der Regierung entnommen. Wenn der Graf von Arnim von falscher Sparsamkeit sprach, so kann sich der Vorwurf, der darin enthalten sein soll, nur gegen den Bundesrat richten. Die Autorität des Obersten von Deimling kann ich nicht höher ein⸗ schätzen als die des Kapitäns, der uns seinerzeit nachweisen mußte, daß mit dem Hafen von Swakopmund auch alles in Ordnung sei, und es stand doch sehr schief darum. Wir sind also mit Kommissions⸗ beratung einverstanden.
Staatsminister, Staatssekretär Dr. Freiherr von Richthofen:
Der Herr Vorredner hat meine Person noch einmal ins Feld geführt, das veranlaßt mich, ihm zu bemerken, daß der erste Kostenvoranschlag für die Bahn von Swakopmund aus gar nicht einmal auf 4 bis 5 Mill. Mark lautete. Der erste Gedanke war vielmehr, die Bahn als Eselsbahn und lediglich bis Karibib zu bauen, und man hoffte, mit 2 Millionen fertig zu werden. Dann ist man weiter gegangen und hat die Bahn als schmalspurige Eisenbahn und, wie ich auch gleich von vornherein hoffte, allmählich bis Windhuk ausgeführt, und ich glaube, daß ich es mir als Verdienst anrechnen kann, daß während der Zeit, als ich Kolonialdirektor war, diese Bahn in Angriff genommen worden ist. (Sehr richtig! rechts.) Diese Bahn ist zu dem glänzendsten Geschäft geworden, das das Reich je gemacht hat. Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte die Reichs⸗ regierung ihre Autorität in Südwestafrika überhaupt nicht aufrecht erhalten können (sehr wahr! rechts), und sie hätte auch an Transport⸗ kosten Summen aufwenden müssen, mit denen die gegenwärtig in Frage stehenden überhaupt nicht zu vergleichen sind.
Der Herr Abg. Erzberger hat ferner eine Aeußerung über den Herrn Kolonialdirektor Dr. Stuebel gemacht. Ich bin zur Zeit noch Chef, zwar nicht der Verwaltung in den Kolonien, aber der Kolonialabteilung, und kann nur den energischesten Protest gegen die Art und Weise einlegen, in der sich der Herr Vorredner über das Verhältnis des
des Auswärtigen Amts
Herrn Kolonialdirektors Dr. Stuebel zu dem Herrn General von Trotha
2 ausgesprochen hat. Der Herr Abg. Erzberger hat — es geschieht da nicht zum ersten Male — dabei gesagt, daß er Beweise in Händen hätte. Er hat sie aber bisher nicht gegeben. Wir erwarten sie mit derselben Ruhe, mit der wir die Beweise erwarten, die der Herr Abg. Erzberger schon in einem früheren Kolonialfalle in der Presse folgenlos in Erwartung gestellt hat.
Abg. Ledebour (Soz.): Durch ihre schwungvollen, sehr schönen Tischreden haben uns der Wirkliche Legationsrat Dr. Gollinelli und der Oberst von Deimling den Mund nach Tatsachen wässerig gemacht. Tat⸗ sachen beigebracht aber haben sie nicht. Sie haben uns mit allgemeinen Redensarten abgespeist, während ich Tatsachen vorgeführt habe. Ich kann mich auch weiter noch auf das Urteil des Pro⸗ fessors Wohltmann, eines genauen Kenners Südwestafrikas, berufen, der es als eine geradezu wahnwitzige Idee bezeichnet, dort etwas herauswirtschaften zu wollen. Ich habe noch immer keine Antwort auf die von mir erwähnte Depesche des Generals von Trotha erhalten. Ich habe zu meinem Erstaunen die entrüstete Ansprache des Staatssekretärs von Richthofen an den Abg. Erzberger gehört, in welcher der Staatssekretär erklärt, er verlange Tat⸗ sachen. Ich habe Tatsachen gebracht, aber eine Antwort erfolgt nicht. Wenn das Telegramm gefälscht ist, so genügt ein Wort; wenn es aber nicht gefälscht ist, wie ist es dann zu erklären, daß der Reichskanzler dem General von Trotha verbieten konnte, mit Morenga in Ver⸗ handlungen zu treten? Auch meine Frage wegen des ungeheuerlichen Erlasses des Generals Trotha muß ich wiederholen. Der Oberst von Deimling hat als Antwort darauf zwei Kriegserlebnisse erzählt. Ich stimme mit ihm überein, daß die Witboi⸗Leute von einer barbarischen Grausamkeit sind, und teile seine Entrüstung. Aber ist denn das eine Rechtfertigung dafür, daß wir in verelden Weise Krieg führen? Ein deutscher Soldat aus Sagan schreibt in einem Briese aus Deutsch⸗ Südwestafrika, der in einem bürgerlichen Blatte veröffentlicht ist: eine aus Haut und Knochen bestehende Frau sei, weil sie nichts aussagen wollte, niedergeschossen worden. (Oberst von Deimling: Das glaube ich nicht!) Auch bei den Enthüllungen aus China hieß es immer, das glaube ich nicht“, bis sie erwiesen waren. Wir verlangen, daß die Gebote der zivilisierten Kriegführung überall beachtet werden, die von allen zivilisierten Menschen anerkannt sind. Der General von Trotha ist aber von diesen Gesetzen abgewichen, indem er zum Meuchelmord auch an Frauen und Kindern aufgefordert hat. Und das billigen Sie? (Oberst von Deimling: Vollständig!) Dann tut es mir ungeheuer leid, wieder zu sehen, wie ver⸗ rohend diese Kriegführung in den Kolonicen wirkt. Es ist das eine die bei allen Völkern, die Ausbeutungs⸗ und Unter⸗ drückungskriege in den Kolonien führen, gemacht worden ist. Wir wollen aber nicht, daß Deutschland auf ein solches Niveau heruntersinkt. Aber das ist der Fluch, der sich an die deutsche Kolonialpolitik knüpft, und Sie sollten dafür sorgen, daß endlich ein Ende gemacht wird.
Abg. von Böhlendorfflk.) hält seine Behauptung, daß pro Tag an Transportkosten 50 000 ℳ ausgegeben werden müßten, gegenüber dem Abg. Erzberger aufrecht.
Abg. Erzberger (Zentr.): Ich habe nur bestritten, daß in Zu⸗ kunft, nachdem die Beruhigung großenteils eingetreten ist, dies auch weiter nötig sein werde. Der Staatssekretär hat meine erste Rede nicht gehört. Ich habe Beweise angeboten, jetzt um 4½7 Uhr kann ich das aus Rücksicht auf das Haus nicht mehr tun. Ich erwähne bloß noch, daß der General von Trotha mir seinen Dank schriftlich aus⸗ gesprochen hat, daß ich ihn verteidigt habe.
Staatsminister, Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Richthofen:
Ich möchte zunächst auf das, was der Herr Abg. Erzberger soeben angegeben, erwidern, daß der Herr General von Trotha auch dem Herrn Reichskanzler gegenüber betont hat, in der Sitzung vom 25. Mai nicht verteidigt worden zu sein. Es hat sich dann, wie mir mitgeteilt worden, herausgestellt, daß der Herr General dieses Schreiben — und wahrscheinlich wird dies auch für das Schreiben an den Herrn Abg. Erzberger gelten, das wohl von demselben Tage datieren wird — auf Grund des Sitzungsberichtes eines Berliner Blattes ver⸗ faßt hat, in dem diejenigen Worte, die der Herr Kolonialdirektor Dr. Stuebel in dieser Beziehung für den General eintretend gesprochen hat, zufällig nicht enthalten waren. Das ist Herrn General von Trotha auch mitgeteilt worden.
Dem Herrn Abg. Ledebour sind doch die Kompetenzverhältnisse im Reich, wie ich zu meinem Bedauern konstatieren muß, nicht genau be⸗ kannt. Ich bin nicht Chef der Verwaltung der Kolonien; die steht in gewisser Weise selbständig unter dem Herrn Reichskanzler. Mir untersteht aber zur Zeit noch die Kolonalabteilung als ein Glied des Auswärtigen Amts. Infolgedessen habe ich mich gemüßigt gesehen, hier ein⸗ zugreifen in die Debatte mit Rücksicht darauf, daß gegen den mir unterstellten Herrn Kolonialdirektor Dr. Stuebel Beschuldigungen erhoben worden waren. Ich möchte aber diese Gelegenheit benutzen, um, nachdem ich mich mit den Herren der Kolonialverwaltung darüber verständigt habe, dem Herrn Abg. Ledebour auch sachlich zu erklären, daß der Herr Reichskanzler niemals in die Verhandlungen zwischen dem Herrn General von Trotha und dem Häuptling Morenga einge⸗ griffen hat.
Abg. Ledebour (Zur Geschäftsordnung): Um dem Abg. Erzberger Gelegenheit zu geben, die von ihm versprochenen Tatsachen anzuführen, beantrage ich die Vertagung. Der Abg. Erzberger wird mir dafür gewiß dankbar sein, denn er hat uns ja Enthüllungen in Aussicht gestellt.
Präsident Grafvon Ballestrem: Solche, Enthüllungen“ könnte ich von meinem Standpunkt als Präsident nur zulassen, soweit sie in Verbindung stehen mit der Bahn nach Kubub oder wie sie heißt.
Abg. Erzberger: Enthüllungen habe ich überhaupt nicht zu machen, sondern nur den Beweis anzutreten für das, was ich öffent⸗ lich behauptet habe, und vielleicht für manche andere Sachen. Außer⸗ dem würde mich der Präsident, wie wir eben gehört haben, an solchen Darlegungen verhindern. Ich werde bei der ersten Gelegenheit, die sich mir bietet, auf die Sache zurückkommen.
Abg. Ledebour: Aus den eben gehörten Worten ist zu ent⸗ nehmen, daß es dem Abg. Erzberger jetzt nicht angenehm ist, die Sachen vorzubringen.
Damit schließt die Diskussion.
Der Nachtragsetat geht an die Budgetkommission.
Darauf tritt Vertagung ein. Schluß gegen 6 ³¼ Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch, 1 Uhr. (Reichshaushaltsetat für 1906, Flottenvorlage, Steuervorlagen.)