Doch nicht nur diese bisher erwähnten Mehrausgaben von an⸗ nähernd 103 Mill. Mark, 17 Mill. Mark und 30 ¾ Millionen bilden den einzigen Deckungsbedarf im Haushalte des nächsten Jahres. Aus dem vorigen Etat war auch noch das Matrikulardefizit mit herüberzunehmen, mit anderen Worten: der Teil der ordentlichen Aus⸗ gaben, der basiert war auf 45 Millionen gestundete und annähernd 24 Millionen durch Ueberweisung nicht gedeckte Matrikularbeiträge, bleibt für das Jahr 1906 ebenfalls noch durch Einnahmen zu decken.
Der Deckungsbedarf stellt sich hierauf für das Jahr 1906 im ganzen auf rund 228 ¾ Millionen Mark. Demgegenüber konnte bei den eigenen Reichseinnahmen nur eine Erhöhung gegen das Vorjahr von im ganzen 49 Millionen Mark vorgesehen werden. Hieran sind die Zölle mit einem Zugang von knapp 5 ½ Millionen Mark beteiligt. Ihre Ver⸗ anschlagung war infolge des am 1. März 1906 in Verbindung mit den neuen Handelsverträgen in Kraft tretenden Zolltarifs eine ganz außerordentlich schwierige. Aber der Ansatz, den ich soeben erwähnte, beruht auf den sorgfältigsten Schätzungen und dürfte vor allem um deswillen nicht höher angenommen werden, weil die mit Sicherheit zu erwartende erhebliche Voreinfuhr im laufenden Rechnungs⸗ jahr naturgemäß die Zollergebnisse des nächsten Jahres ungünstig beeinflussen muß.
Bei der Zuckersteuer und der Branntweinverbrauchsabgabe werden, wie ich bereits erwähnte, für 1905 die Etatsansätze bei weitem nicht erreicht werden. Bei der nun wieder eingetretenen Verbilligung der Ware, sowohl des Zuckers als des Branntweins, wird indes für das Jahr 1906 wieder auf eine höhere Steuereinnahme gerechnet werden können. Gleichwohl erschien es nicht gerechtfertigt, bei dieser Veranschlagung noch über die Etatsansätze des laufenden Etatsjahres hinauszugehen. Da⸗ gegen erschien es zulässig, bei den Stempelabgaben für Wertpapiere sowie für Kauf⸗ und sonstige Anschaffungsgeschäfte, also bei der eigentlichen fogenannten Börsensteuer, über 10 Millionen Mark mehr vorzusehen. Dabei möchte ich jedoch nicht verhehlen, daß es im ganzen Etat kaum noch eine Einnahme gibt, die so schwankender und unsicherer Natur wäre als gerade die aus diesen Stempelabgaben. Gerade der Umstand, daß wir für das Jahr 1906 mit einer so erheblichen Mehreinnahme zu rechnen haben, läßt mich besorgen, daß wir uns bald auch einmal wieder einem erheblichen Rückgang dieser Einnahme gegenüber sehen könnten. Der bei Gegenüberstellung des bekannten Deckungsbetrages von 228 ¾ Millionen und dieser Ein⸗ nahmeerhöhung um 49 Millionen Mark verbleibende Fehlbetrag beläuft sich daher auf 179 ¾ Millionen. Zu seiner Abbindung erübrigt, wie schon dargelegt, in erster Linie die Heranziehung der aus den neuen Steuerentwürfen im ersten Erhebungsjahre zu erwartenden Mehrbeträge. Nach den, nebenbei bemerkt, sehr schwierigen und unsicheren Schätzungen konnten infolgedessen für 1906 aus diesen neuen Steuern nur 156 Millionen Mark zum Etat ge⸗ bracht werden. Von der angeführten Bedarfssumme von 179 ¾ Mil⸗ lionen bleiben also nach dem so gestalteten Etat immer noch 23 ¾ Mil⸗ lionen durch ungedeckte Matrikularbeiträge seitens der Bundes⸗ staaten aufzubringen, demnach eine Summe, die als Höchstbetrag der zulässigen Belastung der Landeskassen in den letzten Jahren wiederholt auch von seiten dieses hohen Hauses anerkannt worden ist.
Daß unter solchen Umständen für dieses Mal noch davon abgesehen
werden mußte, Mittel zu der beabsichtigten planmäßigen Tilgung der Reichsschulden in dem Etat bereit zu stellen, das dürfte, so beklagens⸗ wert es sonst ist, doch nach Lage der Verhältnisse gerechtfertigt er⸗
scheinen. Die steigende Richtung der Ausgabebedürfnisse, die der sparsam bemessene Entwurf nicht verleugnen kann, zeigt sich auch im außerordentlichen Etat. Dieser erfordert aus der Anleihe mit fast 255 Millionen rund 29 Millionen mehr, als der diesjährige Etat, hauptsächlich, weil für die Unterdrückung des Aufstandes in Südwestafrika ein um fast 22 Millionen erhöhter, hoffentlich in Wirklichkeit nicht voll erforderlicher Aufwand hat vorgesehen werden müssen. Auch die Verweisung der anläßlich der Unruhen in Ostafrika für 1906 erforderlichen außer⸗ ordentlichen Mittel in Höhe von nahezu 1 ½ Millionen Mark auf die Anleihe und die Erhöhung des zu den werbenden Anlagen im Fernsprechwesen für die Reichspostverwaltung bestimmten Aus⸗ gabenfonds von 6 ½ Millionen Mark hat zu dieser Steigerung bei⸗ getragen. Die Uebernahme der durch die Bekämpfung des Auf⸗ standes in Ostafrika außerordentlichen Kosten auf die Anleihe wird nach dem Vorgange von Südvestafrika auch von seiten dieses hohen Hauses kaum einem Widerstand begegnen. Es handelt sich hier gleichfalls um Kriegsausgaben, deren Uebernahme auf ordentliche Mittel die auch im nächsten Jahr noch unzureichende Finanzlage schwer belasten würde. Der für diesen Zweck schon im laufenden Jahre zu bestreitende größere Teil der Kosten mit etwa 2 ½ Millionen Mark bildet den Gegenstand eines besonderen Nachtragsetats, der Ihnen in den nächsten Tagen zugehen wird.
Doch will ich in dieser Beziehung schon jetzt kurz folgendes bemerken. Bei den weiten Entfernungen und dem erst allmählichen Umsichgreifen des Aufstandes, was eine ständige Veränderung in den Dispositionen des Gouverneurs sowie in der Höhe des zu der Niederwerfung des Aufstandes benötigten Personalbedarfs naturgemäß zur Folge hatte, erwuchsen der Reichsverwaltung erhebliche von hier aus in keiner Weise zu beseitigende Schwierigkeiten in der Beschaffung der zur Aufstellung dieses Nachtragsetats nötigen Unterlagen; andererseits war es unmöglich, die erforderlichen Maßnahmen zu verzögern, wenn anders nicht riskiert werden wollte, daß der Aufstand in noch weitere Gebiete übergreife. Es waren deshalb Vorgriffe auf die durch den Nachtragsetat zu fordernden Mittel unvermeidlich.
Da jedoch vom streng etatsrechtlichen Standpunkte immerhin Zweifel an der Zulässigkeit jener Vorgriffe aufgeworfen werden können, wird zu⸗ gleich mit dem Nachtragsetat um Indemnität förmlich nachgesucht werden.
Damit kann ich meine Rede, soweit sie den Etat betrifft, schließen und kann nun übergehen zu dem zweiten Teile, nämlich zu der Finanzreform. Dieser zweite Teil meiner Rede ist nicht nur der wichtigste Teil derselben, sondern auch zugleich der schwierigste. Die der Vorlage beigegebene eingehende Begründung wird mir jedoch gestatten, mich auch hier kürzer zu fassen, als mir andernfalls möglich gewesen wäre.
Wenn ich mir aber hiernach in meinen mündlichen Darstellungen auch die äußerste Beschränkung auferlegen darf, da ich namentlich in Würdigung der heutigen Tagesordnung ein näheres Eingehen auf alle Einzelheiten der Steuerforderungen grundsätzlich vermeiden will, so kann ich doch nicht umhin, eine
Reihe von wichtigeren Punkten auch aus den einzelnen Steuer⸗ vorlagen noch besonders hervorzuheben und namentlich von der all⸗ gemeinen steuer⸗ und sozialpolitischen Seite her näher zu beleuchten. Ich sehe mich hierzu um so mehr veranlaßt, als die Vorschläge alsbald nach ihrer Einbringung im Reichstage, teilweise auch schon vorher, in verschiedenen Richtungen lebhafte Angriffe in der Presse und auch sonst in der Oeffentlichkeit, namentlich aus Inter⸗ essentenkreisen erfahren haben. Sie werden es, meine Herren, darum auch gewiß verstehen, wenn ich mich nicht entschließen konnte, meine Einführungsrede zu einer so großen und hochwichtigen Vorlage in fünf oder sechs Teile zu zerlegen, um sie Ihnen sozusagen nur stück⸗ oder löffelweise innerhalb 14 Tagen vorzutragen. Meine Herren, die Notwendigkeit einer Sanierung der Reichsfinanzen und das Bedürfnis der Eröffnung weiterer Einnahmequellen wird zwar nahezu allseitig anerkannt, aber fast jeder positive Vorschlag, die Finanzlage des Reiches zu bessern, begegnet, wie Ihnen der Herr Reichskanzler vorhin schon ausführte, sofort dem entschiedensten Widerspruch. Dabei tritt in weiten Kreisen der Bevölkerung ein Mangel an Opferwillig⸗ keit zu Tage (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten), der bei jedem wahren und aufrichtigen Vaterlandsfreund nur das tiefste Bedauern erregen kann. Man findet nur allenfalls solche neuen Steuern noch gerecht und billig, welche anderen auferlegt werden. Mögen aber jene Interessen noch so berechtigt sein, vor der Schwelle dieses Hauses müssen sie Halt machen. Nicht in dem Sinne, als ob wir hier gegen die Geltendmachung der berechtigten Interessen taub sein sollten, aber entscheidend, meine Herren, für Ihre Beschlüsse werden doch immer nur sein und bleiben können die Interessen der Gesamtheit und die Wohlfahrt des Reiches. Dabei glaube ich, daß zu einer gedeihlichen Lösung der ungemein schwierigen Aufgabe nichts förderlicher sein kann als gegenseitige vollste Offenheit und eine rein sachliche Behandlung. Zu langen, unfruchtbaren Kämpfen, meine Herren, ist die Lage eine viel zu ernste, die Notwendigkeit rascher Hilfe eine viel zu dringende. Wir müssen trachten, in Bälde zu einer Verständigung zu gelangen. Ich wüßte in der Tat nicht, wie andernfalls auch nur eine Verabschiedung des Etats für das Jahr 1906 sollte ermöglicht werden können.
Solange die Verhandlungen über die wichtigsten Tarif⸗ verträge noch in der Schwebe waren, mochte es sich zur Not noch rechtfertigen lassen, behufs Balancierung des Reichsetats zu dem an sich nicht unbedenklichen Mittel der Zuschußanleihe oder der schwebenden Schuld seine Zuflucht zu nehmen. Die verbündeten Regierungen haben in dieser Uebergangszeit den Reichstag zur Bewilligung neuer Steuern auch in keiner Weise drängen wollen und in keiner Weise gedrängt; sie haben sich vielmehr genügen lassen, mit dem Reichstage einstweilen das Gesetz vom 14. Mai v. J. zu verein⸗ baren, welches zunächst nur die schlimmsten Uebelstände zu beseitigen und der späteren eigentlichen Reichsfinanzreform den Weg zu ebnen bestimmt war. In der Tat hat jenes Gesetz auch schon in der kurzen Zeit seines Bestehens sich für den Reichshaushalt und für die finanziellen Beziehungen zwischen Reich und Einzelstaaten als eine nicht geringe Wohltat erwiesen. Jetzt aber, wo die erforderlichen Unterlagen für eine wenigstens beiläufige Schätzung des künftigen Durchschnittsmehrertrags der Zölle doch im weessentlichen schon seit Monaten bekannt sind, wäre es geradezu unverantwortlich, die Inangriffnahme einer gründlichen Finanzreform noch weiter auf die lange Bank zu schieben. Jetzt, meine Herren, heißt es endlich vollen Ernst machen auch im Reiche mit der für jeden Haushalt gel⸗ tenden Grundregel, wonach dauernde Ausgaben auch nur in dauernden Einnahmen ihre Deckung finden dürfen; jetzt heißt es endlich vollen Ernst machen auch im Reiche mit einer planmäßigen Schuldentilgung. Leider fehlt es nicht an solchen, die auch noch heute meinen, daß eine solche Reform jedenfalls verfrüht sei, und daß man mit der Erschließung neuer Steuerquellen mindestens noch so lange warten solle, bis man gewiß wisse, wie groß die Mehrerträge des neuen Zolltarifs seien. Meine Herren, das hieße, wie ich mir schon einmal in der vorigen Session hier hervorzuheben erlaubte, in der Tat nichts anderes, als die Sanierung der Reichsfinanzen aufschieben ad calendas Graecas und die Schuldenwirtschaft perennieren; denn der Ertrag der Zölle wird auch in der Folge von den stets wechselnden Konjunkturen mit bedingt und sich niemals mit Sicherheit im voraus berechnen lassen. In einem Haushalte wie dem des Deutschen Reiches, in dem die hauptsächlichen Einnahmequellen schwankender Natur sind, gibt es nur zwei Mittel, den hieraus resultierenden Uebelständen für den Reichshaushalt zu begegnen: möglichst vorsichtige Veranschlagung der Einnahmen und grundsätzliche Reservierung etwaiger Ueberschüsse für das Extraordinarium. Die vorsichtige Veranschlagung der Einnahmequellen, meine Herren, liegt mit in Ihrer Hand. Der Grund⸗ satz der Reservierung etwaiger Ueberschüsse für das Extraordinarium aber ist dank Ihrer gütigen Mitwirkung durch das kleine Reform⸗ gesetz vom 14. Mai vorigen Jahres der Reichsverfassung bereits ein⸗ verleibt worden. Sie können also meines Erachtens in dieser Hinsicht ganz außer Sorge sein. Sollte etwa in der Tat späterhin vielleicht in dem einen oder anderen Jahre der Mehrertrag aus den Zöllen unsere Schätzung übersteigen und infolgedessen hin und wieder die Rechnung mit einem Ueberschuß abschließen, so wäre das noch kein zu großes Unglück. (Heiterkeit.) Im Gegenteil, wir wären dann nur in der Lage, unter anderem auch für die Zwecke der Verminderung Wund Tilgung der Reichsschuld, für Verstärkung der Be⸗ triebsfonds der Reichskassen und dergleichen auch noch ein übriges zu tun. An dem nötigen Schuldenmaterial leiden wir ja bedauerlicherweise keinen Mangel (Heiterkeit), und wie dringend nötig unsere Betriebsmittel der Verstärkung be⸗ dürfen, habe ich ja genügend in dem ersten Teil meiner Rede Ihnen dargelegt. Ich möchte daher von einer etwaigen dilatorischen Be⸗ handlung des Reformwerkes auf das dringendste abraten. Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß es weit besser gewesen wäre, wenn schon in früherer Zeit eine Verständigung der gesetzgebenden Faktoren über eine sachgemäße Finanz⸗ und Steuerreform sich hätte erreichen lassen. Ich bin weit entfernt, um deswillen nach irgend welcher Seite hin einen Vorwurf zu erheben, aber ich möchte doch nicht ver⸗ hehlen, daß durch eine rechtzeitige Kräftigung der ordentlichen Ein⸗ nahmen des Reichs uns Hunderte von Millionen hätten er⸗ spart bleiben können. Wenn auch der vorübergehende Auf⸗ schwung in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre über den begangenen Fehler momentan hinwegtäuschen konnte, die Folgen traten dann nur um so schneller zu Tage, und das rapide Anschwellen der Zinsenlast trägt jetzt nur dazu bei, die ohnehin
ungemein großen Schwierigkeiten der Reform noch erheblich zu steigern. Das Reformwerk kommt infolgedessen dem deutschen Volke von Jahr zu Jahr teurer zu stehen, und wenn, was ich nicht hoffe, die endliche Wiederherstellung des Gleichgewichts im Reichshaushalt nun abermals mißlingen sollte, so würde die Sanierung der Reichs⸗ finanzen von dem deutschen Steuerzahler späterhin nur noch mit um so größeren Opfern erkauft werden müssen.
Das Gesetz vom 14. Mai vorigen Jahres war, für sich allein betrachtet, noch keine eigentliche Reform, sollte auch keine sein. Es war, wie wiederholt betont worden ist, nur der erste Schritt zu einer solchen, es war ihr Fundament. Jetzt ist es unsere Aufgabe, auf diesem Fundament weiter zu bauen und den Bau zu vollenden. Während das frühere Gesetz, wie schon angedeutet ist, einen mehr hygienischen Charakter an sich trägt, indem es die hauptsächlichsten Hindernisse einer rationellen Wirtschaftsführung im Reich beseitigt und erneuten Störungen im Reichshaushalt tunlichst vorzubeugen bestimmt ist, will die gegenwärtige Gesetzesvorlage erst die eigentliche Heilung bringen und dem an Blutleere chronisch erkrankten Organismus neue Säfte zuführen. Das kann nun einmal, wie die Dinge liegen, auf keinem andern Wege mehr geschehen als durch Erschließung neuer ergiebiger und nachhaltiger Steuerquellen.
Auf diese Notwendigkeit hatte ich schon in meiner vorjährigen Etatsrede ausdrücklich hingewiesen. Das trug mir damals den Vorwurf ein, ich hätte zwar das dringende Bedürfnis einer Besserung der Reichseinnahmen in drastischer Weise hervorgehoben, aber ich hätte es unterlassen, an meine Darlegungen positive Vorschläge zu knüpfen. Ich konnte und durfte das damals noch nicht. Heute glaube ich durch den Ihnen jetzt vorliegenden Gesetzentwurf vor einer Erneuerung jenes Vorwurfs hinlänglich sicher zu sein.
Bei Auswahl der vorgeschlagenen neuen Steuern wurde nichts weniger als willkürlich und leichtfertig verfahren. Im Gegenteil, sobald die kleine Finanzreform unter Dach gekommen war, wurde ohne Verzug daran gegangen, das ganze Gebiet, das für die Vermehrung der Reichs⸗ einnahmen überhaupt in Betracht kommt, aufs gewissenhafteste und sorgfältigste zu durchforschen; und wenn auch nun vielleicht in dem Ihnen überreichten Bukett die eine oder andere Lieblingsblume ver⸗ mißt werden sollte (Zuruf links und Heiterkeit), so können Sie über⸗ zeugt sein, daß deren Vorenthaltung auf wohlerwogenen Gründen be⸗ ruht. Wir sind gern bereit, bei der Beratung in der Kommission, an die Sie die Vorlage, wie ich annehme, verweisen werden, diese Gründe Ihnen ausführlich darzulegen. Nur in Ansehung der Branntwein⸗ abgabe und der Wehrsteuer glaube ich Ihren Wünschen zu entsprechen, wenn ich den von den verbündeten Regierungen eingenommenen Stand⸗ punkt schon heute in aller Kürze wenigstens anzudeuten mir gestatte. Anlangend vor allem den Branntwein, so braucht man, um zu ver⸗ stehen, weshalb die verbündeten Regierungen Bedenken tragen, gegenwärtig tiefeingreifende Aenderungen der bestehenden Steuer⸗ gesetzgebung vorzuschlagen, gar nicht erst in die viel⸗ umstrittene Frage der sogenannten Liebesgabe sich zu vertiefen; man braucht sich nur daran zu erinnern, daß erst vor ein paar Jahren zwischen den gesetzgebenden Faktoren des Reichs ein Kompromiß zu stande kam, dessen Zweck doch wohl kein anderer war, als daß dem seit 1887 durch sechs Steuergesetze fortgesetzt beunruhigten Brennerei⸗ gewerbé endlich einmal die Möglichkeit gegeben werden sollte, sich längere Zeit hindurch, bis etwa 1912, in Ruhe zu entwickeln. An diesem mühsam zustande gekommenen Kompromiß schon heute wieder rütteln zu wollen, wäre nur geeignet, das Vertrauen in die Stetigkeit unserer Gesetzgebung zu erschüttern. Denn so einfach, wie es sich die Gegner des geltenden Rechts vorstellen, geht es mit der Beseitigung der sogenannten Liebesgaben nicht; so einfach geht es nicht, daß der Schatzsekretär den Betrag von einigen 40 Mill. Mark bloß von Reichs wegen in die Tasche steckt und im übrigen alles beim alten läßt. Ein solches Vorgehen würde, ganz abgesehen von sonstigen schwerwiegenden agrarpolitischen und auch verfassungs⸗ rechtlichen Bedenken, eine Reihe kleiner und kleinster Betriebe in ihrer Existenzfähigkeit bedrohen und unter allen Umständen eine preis⸗ steigernde Wirkung ausüben, eine Wirkung, welche, da sie insbesondere auch auf den steuerfreien Spiritus zu Haushaltungs⸗ und Gewerbe⸗ zwecken sich erstrecken würde, von den grundsätzlichen Gegnern der so⸗ genannten Liebesgabe sicherlich selbst am wenigsten gewünscht wird.
Anders liegt es, meine Herren, in Ansehung der Maischraumsteuer. In dieser Beziehung ist regierungsseitig bereits zugesagt, daß der Frage näher getreten werden soll, wie einem weiteren Anwachsen der Maisch⸗ raumprämie Einhalt zu tun sei. An dieser Zusage wird auch fest gehalten; augenblicklich liegt aber ein dringender Anlaß den gesetzgebenden Körperschaften einen solchen Vorschlag zu unter⸗ breiten, nicht vor, denn der Gesamtbetrag der Maischraumvergütung ist in letzter Zeit gefallen, und es ist auch in der nächsten Zeit eine wesentliche Steigerung desselben kaum zu erwarten. In den Rahmen des gegenwärtigen Finanzreformplans würde übrigens ein solcher Vorschlag schon deshalb nicht gepaßt haben, weil die finanzielle Tragweite vorläufig eine ganz untergeordnete wäre und sich jedenfalls erst in weiterer Zukunft geltend machen würde.
Was des weiteren die Wehrsteuer anbetrifft, so lag bekanntlich ein bezüglicher Gesetzentwurf dem Reichstage schon im Jahre 1881 vor. Er wurde aber von sämtlichen Parteien ohne Ausnahme entschieden abgelehnt. Die verbündeten Regierungen, die, wie ich hier mitteilen kann, dem Gesetzentwurf selbst keineswegs einmütig zu⸗ gestimmt hatten, konnten sich auch ihrerseits dem Eindruck nicht verschließen, daß die im Reiichstage gegen die Wehrsteuer geltend gemachten Bedenken in mehrfacher Richtung der Begründung nicht entbehrten. Sie sind deshalb auch auf ihren früheren Vorschlag nicht mehr zurückgekommen. In jüngster Zeit ist verschiedentlich angeregt worden, die Wehrsteuer als eine Art Zwecksteuer einzuführen, um aus ihr die Mittel für bestimmte neue Reichsaufgaben zu gewinnen. In diesem Zusammenhang würde sie aber dem Zwecke einer Sanierung der Reichsfinanzen nicht dienen können, sondern nur die durchlaufenden Posten in unserm Reichshaushalt noch um einen vermehren. Sie würde also schon aus diesem Grunde zur Aufnahme in die gegenwärtige Steuervorlage, die Finanz⸗ reformvorlage, nicht geeignet sein.
Nicht unerwähnt möchte ich weiterhin, lassen, daß man sich hin⸗ sichtlich der finanziellen Wirkung einer Wehrsteuer mehrfach über⸗ triebenen Vorstellungen hingibt. Auch mag vielleicht interessieren, daß in Frankreich die vor Jahren dort eingeführte Wehrsteuer erst in diesem Jahre wiederum abgeschafft worden ist.
Am Schlusse meiner vorjährigen Etatsrede hatte ich dem Gedanken Ausdruck gegeben, daß bei allen Maßnahmen, die in Frage kommen
möchten, um zu einer nachhaltigen Sanierung der Reichsfinanzen zu gelangen, namentlich eines nicht werde außer acht gelassen werden dürfen: die schonende Rücksichtnahme auf die wirtschaftlich Schwachen. Ich will nicht leugnen, meine Herren, daß es gerade auf dem dem Reiche vorbehaltenen Gebiet der indirekten Besteuerung seine besonderen Schwierigkeiten hat, diesem an sich selbstverständlichen, steuerpolitischen Grundsatz der Rücksichtnahme auf die Leistungsfähigkeit der Steuerträger in vollem Maße gerecht zu werden. Auf der andern Seite hat es gerade hier, wo hinter dem eigentlichen Steuerträger nicht der Exekutor steht, der Steuerträger vielfach selbst in der Hand, durch entsprechende Bemessung seines Aufwandes auch die Steuerlast seiner Leistungsfähigkeit tunlichst anzupassen. Jedenfalls darf die an sich berechtigte Rücksichtnahme auf die individuelle Leistungsfähigkeit nicht zu förmlichen Privilegien weiter Volkskreise und schließlich dahin führen, daß, während an den Wohltaten und den Vorteilen der Reichsgemeinschaft alle partizipieren, die Lasten nur den Schultern einer Minderheit auf⸗ gebürdet werden. Daß wir aber auf das sorgfältigste bemüht waren, den berechtigten Grundgedanken der tunlichst schonenden Rücksichtnahme auf die wirtschaftlich Schwachen bei Ausgestaltung der Vorlage nach allen Richtungen, soweit nur immerhin angängig, im Auge zu behalten, davon werden, wie ich hoffe, bei genauerer Prüfung der Vorlage die Herren sich selbst überzeugen.
Sollte es Ihnen, meine Herren, gelingen, die Vorlage in dieser Beziehung im Rahmen des von mir eingenommenen grundsätzlichen Standpunktes unbeschadet der damit verbundenen Zwecke noch zu ver⸗ bessern, so wüßte ich in der Tat nicht, welche Bedenken hiergegen zu erheben sein sollten.
Aus der Begründung der Gesetzesvorlage haben Sie bereits er⸗ sehen, daß wir den durch Erhöhung der Reichseinnahmen zu deckenden chronischen Fehlbetrag im ordentlichen Reichshaushalt auf etwa 245 bis 255 Millionen, im Durchschnitt also auf rund 250 Millionen veranschlagt haben. Wir werden Ihnen in der Kommission alle zur näheren Prüfung des veranschlagten Betrages noch etwa benötigten Materialien bereitwilligst zur Verfügung stellen.
Als Deckungsmittel kommt vor allem der von dem neuen Zoll⸗ tarif zu erwartende Mehrertrag in Betracht. Aber was davon nach Ueberwindung des Uebergangsstadiums der Reichskasse zur Verwendung für allgemeine Reichszwecke noch verbleibt, vermögen wir unter Berück⸗ sichtigung der nach der lex Trimborn zunächst zu thesaurierenden Beträge mit dem besten Willen auf mehr als etwa 20 bis 30 Mil⸗ lionen, sagen wir also durchschnittlich auf 25 Millionen Mark, nicht zu veranschlagen. Auch hier werden wir Ihnen in die näheren Unter⸗ lagen unserer Schätzung bei der Kommissionsberatung gern jede ge⸗ wünschte Einsicht gewähren. Wir haben überhaupt absolut nichts vor Ihnen zu verbergen.
Der neue Zolltarif hatte von Hause aus nur die Verfolgung volkswirtschaftlicher Zwecke im Auge; die Erzielung von Mehr⸗ einnahmen für die Reichskasse lag dem ganzen Tarife inhaltlich der Begründung der Regierungsvorlage von Anfang an durchaus fern. Vom Reichstage wurde dann dieser programmatische Gedanke noch weiter ausgebaut, indem beschlossen wurde, bei Finanzzöllen — ich erinnere an Tee und Kakao — aus wirtschaftlichen Gründen die bis⸗ herigen Tarifsätze noch mehr herabzusetzen; auf der anderen Seite aber die unvermeidlichen Mehrerträge der Erhöhung der Nahrungsmittel⸗ zölle aus dem allgemeinen Reichsfonds auszuscheiden und für einen neuen sozialpolitischen Zweck zu reservieren.
Es verbleibt also noch ein Fehlbetrag von mindestens 230 Millionen Mark, für den anderweite Deckung zu schaffen war. Zur Deckung dieses Fehlbetrages sollen die vorgeschlagenen neuen Steuern be⸗ ziehungsweise die Steuer⸗ und Zollerhöhungen dienen. Meine Herren, es mag ja schwer fallen, bei der gegenwärtigen Lage unseres Reichs⸗ haushalts auf einen ansehnlichen Teil der Mehreinnahmen aus den Zöllen verzichten zu sollen, aber es war doch ohne Zweifel ein hoch⸗ herziger sozialpolitischer Gedanke, die aus der Mehrbelastung der unentbehrlichsten Nahrungsmittel des Volkes fließenden Einnahmen zur Fürsorge der Witwen und Waisen der Arbeiter zu verwenden. Nur wird man jetzt auch die Konsequenz ziehen müssen und wird vor dem Entschlusse nicht zurückschrecken dürfen, auf der anderen Seite entbehrliche Genußmittel, deren reich⸗ licher Genuß auch den breiten Massen erfahrungsgemäß mehr zum Schaden als zum Nutzen gereicht (hört, hört! bei den Sozial⸗ demokraten), zur Deckung des allgemeinen Reichsbedarfs um so kräftiger heranzuziehen.
Als solche mehr oder minder entbehrlichen Genußmittel kommen aber vor allem Tabak und Bier in Betracht. Von ihnen gilt es ganz besonders auch, daß der Konsument selbst es in der Hand hat, durch Mäßigkeit im Genusse, die seiner Gesundheit gewiß nur zuträglich ist, die Steuerlast seinerseits zu verringern. Auf den Kettenraucher, meine Herren, brauchen wir ebensowenig Rücksicht zu nehmen als auf die schwachen Schultern des starken Biertrinkers. (Heiterkeit.) Daß diese beiden Verbrauchsartikel, das Bier wenigstens innerhalb der norddeutschen Brausteuergemeinschaft, noch eine stärkere Belastung wird ertragen können, beweist schon der Vergleich mit der weit höheren Belastung und den weit erheblicheren Erträgen in anderen Kulturstaaten. Speziell bei dem Bier bedarf es gar nicht erst eines Vergleichs mit dem Ausland. Hler genügt schon der Hin⸗ weis auf die Verhältnisse in den außerhalb der Brausteuergemeinschaft stehenden süddeutschen Staaten, deren wirtschaftliche Lage doch im großen und ganzen von der in den übrigen Teilen des gemeinsamen deutschen Wirtschaftsgebiets sich nicht wesentlich unterscheidet. Mit einer Annäherung an die dortigen höheren Steuersätze verwirk⸗ lichen wir zugleich die Absicht, der Reichsverfassung, die von Anfang an eine Gleichmäßigkeit in der Besteuerung des Bieres inner⸗ halb des Bundesgebiets erstrebt hat, und wir beseitigen damit auch das Hindernis, das der endlichen Einbeziehung Elsaß⸗Lothringens in die Brausteuergemeinschaft bislang entgegengestanden hat. Den Schwierigkeiten, welche sich aus der Erhöhung der Reichsbrausteuer für die Haushalte der süddeutschen Staaten in Ansehung ihrer Aus⸗ gleichsbeträge ergeben könnten, ist nach dem Vorbild früherer analogen Vorgänge durch eine Uebergangsbestimmung in schonendster Weise Rücksicht zu tragen.
Meine Herren, der Widerstand gegen die geplante höhere Belastung von Tabak und Bier geht weniger von den Konsu⸗ menten aus, die doch im allgemeinen bei der Verbrauchsabgabe 8 eigentlichen Steuerträger sind, als von den nur indirekt eteiligten Kreisen der Industrie und des Handels, welche von den beabsichtigten Maßnahmen nachteilige Rückwirkungen auf ihre
Interessen besorgen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Die Opposition von dieser Seite ist stellenweise eine so heftige, daß man ver⸗ sucht sein könnte, zu glauben, die Hauptbestimmung des Menschen auf Erden sei, möglichst viel zu rauchen und Bier zu trinken. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Dabei ergeht man sich gelegentlich in maßlosen Uebertreibungen hinsichtlich des zu besorgenden Konsumrück⸗ gangs, obschon statistisch erwiesen ist, daß bei dem Tabak die weit er⸗ heblichere Zoll, und Steuererhöhung von 1879 nicht nur keine Ab⸗ nahme des Konsums zur Folge hatte, sondern im Gegenteil (Zuruf bei den Sozialdemokraten), wenn man die abnormen Verhältnisse während der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts außer Betracht läßt, der Tabakkonsum in den letzten fünfzig Jahren, auf den Kopf der Bevölkerung berechnet, zwar langsam, aber konstant zugenommen hat, und zwar ungeachtet des in diese Zeit fallenden Uebergangs von der Pfeife zum luxuriöseren Genuß der Zigarre und der Zigarette (Zuruf bei den Sozialdemokraten), welcher Uebergang auf den gesamten Konsum keineswegs günstig ein⸗ gewirkt hat. Und man scheut vor solchen Uebertreibungen auch in Ansehung des Bieres nicht zurück, obschon allgemein bekannt ist, daß innerhalb des deutschen Bundesgebiets selbst gerade dort, wo die Be⸗ steuerung dieses Getränks mit am höchsten ist, der Umfang seines Konsums doch wahrlich nichts zu wünschen übrig läßt. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Eher wird man berechtigt sein, anzunehmen, daß das vorgeschlagene, von der Brauindustrie selbst gewünschte Surrogatverbot nach den auch anderweitig gemachten Erfahrungen eine allmähliche Steigerung des Konsums und damit auch der Pro⸗ duktion zur Folge haben werde, und diese Wirkung des Surrogatverbots dürfte auch durch Zulassung des Zuckers für ober⸗ gärige Biere, wofür neben der schonenden Rücksichtnahme auf die minderwohlhabenden Bevölkerungsklassen auch beachtenswerte land⸗ wirtschaftliche Interessen sprechen, kaum beeinträchtigt werden.
Eine andere Frage, die ich hier dahingestellt sein lassen möchte, ist die, ob eine solche Steigerung des Bierkonsums auch in jeder Hinsicht erwünscht ist. Unser Gesamtverbrauch ist doch gegenwärtig wahrhaftig kein geringer; er betrug 1903 im ganzen Zollgebiet rund 69 Millionen Hektoliter, wovon 45 Millionen auf das Gebiet der Brausteuergemeinschaft entfallen, das macht weit über ein Hektoliter auf den Kopf der Bevölkerung, Greise und Wickelkinder miteingerechnet. (Heiterkeit.) Der Konsum wäre wahrscheinlich noch größer, wenn ihm die Mäßigkeitsbestrebungen und der Hang unserer Jugend zu modernem Sport keinen Eintrag täten.
Rechnet man nun den Gehalt reinen Alkohols im Bier nur ganz gering, auf 3 ½ %, so ergibt sich für das deutsche Volk auf das Jahr ein Konsum von annähernd 2 ½ Millionen Hekkoliter reinen Alkohols in Bierform; das ist mehr Alkohol, als in Form von Schnaps genossen wird. Dabei will ich natürlich die Frage ganz offen lassen, ob das in letzterer Form genossene geringere Quantum Alkohol auf den menschlichen Organismus nicht vielleicht doch schäd⸗ licher einwirkt als der Konsum eines größeren Quantums Alkohol in Bierform.
Anmerkungsweise möchte ich hier noch eine Notiz beifügen, die für die Beurteilung der Vorlage auch nicht ohne Interesse sein möchte. Re⸗ duziert man nämlich die Steuerbelastung des Bieres auf den darin enthaltenen Alkohol, so ergibt sich, daß, während bekanntlich der Alkohol im Trinkbranntwein mit 90 ℳ pro Hektoliter belastet ist, innerhalb der Brausteuergemeinschaft die Besteuerung des Alkohols im Bier bisher nur annähernd 21 ℳ beträgt. Auch nach der Vorlage würde sie sich erst auf 56 ℳ erhöhen, so daß auch in der Folge der Bier⸗ trinker gegenüber dem Schnapstrinker sich steuerlich noch immer um 34 ℳ pro Hektoliter reinen Alkohols im Vorteil befinden würde. Nach alledem stehe ich persönlich bei der hier vorgeschlagenen Zoll⸗ und Steuererhöhung der vielfach ausgesprochenen Besorgnis eines nennenswerten Konsumrückgangs ziemlich skeptisch gegenüber. Ich gebe dabei ohne weiteres zu, daß unter den verschiedenen Faktoren, welche auf den Preis einer Ware bestimmend einwirken, auch deren Steuerbelastung mit eine Rolle spielen kann, und daß namentlich bei entbehrlichen Genußmitteln, wie Tabak und Bier, ein merklicher Preisaufschlag auf den Umfang des Konsums wenigstens vorübergehend einigermaßen von Einfluß sein kann. Erfahrungsgemäß pflegen aber Industrie und Handel gerade gegenüber der Auferlegung solcher indirekten Abgaben ungemein anpassungsfähig zu sein, und es wäre nicht das erste Mal, wenn auch hier die erhöhte Belastung schon auf dem Wege zum Konsumenten durch ökonomische und technische Fortschritte, wenn vielleicht auch nicht ganz, so doch teil⸗ weise ihren Ausgleich fände und die Notwendigkeit einer nennenswerten Preiserhöhung überhaupt entfiele. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht jedenfalls, daß selbst innerhalb Deutschlands speziell das Bier unbeschadet seiner Güte gerade dort am billigsten geblieben ist, wo seine Belastung mit öffentlichen Abgaben mit den höchsten Stand erreicht hat. Speziell bei diesen Genußmitteln darf auch die Entlastung nicht unterschätzt werden, welche der Brauindustrie durch die ihr in der Vorlage zugedachte weitgehende Begünstigung in Ansehung der Art der Entrichtung der Brausteuer zugedacht ist. Soweit sich aber daneben für die mittleren und kleineren Bier⸗ brauer im Wettbewerb mit den großen, kapitalkräftigen Unter⸗ nehmungen doch noch Schwierigkeiten ergeben könnten, wird die nach dem Vorbilde der süddeutschen Gesetzgebung vorgeschlagene Staffelung der Steuersätze ohne Zweifel viel dazu beitragen, diese Schwierigkeiten überwinden zu helfen. Am wenigsten Grund zu der Besorgnis einer nennenswerten Preissteigerung dürfte hinsichtlich der leichten ober⸗ gärigen Biere bestehen, die der arbeitenden Bevölkerung vorwiegend auf dem platten Lande vielfach als Erfrischung dienen. Da das Bier nach den verwendeten Rohmaterialien versteuert wird, entfällt auf diese leichten Biere, bei denen übrigens für die Folge die Ver⸗ wendung eines billigen, dem erhöhten Zoll auf Malzgerste nicht unterliegenden Surrogats zugelassen bleiben soll, auch eine entsprechend geringere Steuerlast. An der bisherigen vollen Steuer⸗ freiheit des sogenannten Haustrunks, woran nicht weniger als 30 000 ländliche Haushaltungen beteiligt sind, soll ohnehin auch in der Folge eine Aenderung nicht eintreten. Sollte indessen, was ich vorläufig nicht glaube, trotz alledem eine erhebliche Preiserhöhung und im Zusammenhange damit eine nennenswerte Einschränkung des Gesamt⸗ konsums die Folge sein, so darf nicht außer acht gelassen werden, daß in einem Lande mit so starker Bevölkerungszunahme, wie das Deutsche Reich, der momentane Rückgang des Konsums durch die in großer Zahl alljährlich neu hinzutretenden Konsumenten in kürzester Zeit wieder ausgeglichen sein würde.
Was aber speziell den Tabak anlangt, so kommt noch hinzu,
daß schon der Mangel eines Sperrgesetzes und der Verzicht auf eine Nachversteuerung in Verbindung mit einer veit⸗ gehenden Stundung während der Uebergangszeit und der nur staffel⸗ weisen Erhöhung der Steuer zur Folge haben wird, daß noch auf Jahre hinaus die Preisbildnng durch die Zoll⸗ und Steuererhöhung überhaupt nur unerheblich beeinflußt werden kann. Die Preisbildun ist übrigens gerade beim Tabak erfahrungsgemäß durch eine Reihe von anderen Einflüssen bedingt, wie sie anderen Waren kaum in solchem Maße in Betrach kommen. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, daß die vor geschlagene, nicht unerhebliche Sonderbelastung der Zigarette, welche der Zigarre und dem Rauchtabak eine immer gefährlicher 3 Konkurrenz bereitet, kaum verfehlen dürfte, den durch die Zigarette zurückgedrängten Konsum von Zigarren und Rauch⸗ tabaken wieder mehr zu fördern. Welchen Umfang der Genuß vo Zigaretten, die sich vorwiegend als ein Produkt der Maschinenarbeit darstellen, im Laufe der Jahre allmählich angenommen hat, mag daraus erhellen, daß nach den jüngsten Ermittelungen neben einem Import von rund einer halben Milliarde die Inlandsproduktion zur Zeit auf etwa 4 Milliarden Stück, der Inlandskonsum im ganzen also auf rund 4 ½ Milliarden Stück für das Jahr ver anschlagt wird. Die von den Rauchern selbst gewickelten e. sind dabei noch nicht mitgezählt. Daß eine Einschränkung des Zigarettenkonsums mittelbar auch dem heimischen Tabakbau zu gut 8 kommen müßte, mag hier nur nebenbei erwähnt werden. Wenn nach alledem die Besorgnis eines enormen Rückgangs des Konsums von Zigarren und Rauchtabak der Begründung entbehrt, so beruhen auch die in der Presse und in Versammlungen bereits an⸗ gekündigten massenhaften Arbeiterentlassungen, die bekanntlich seinerzeit auch schon gegen die Fabrikatsteuer ins Feld geführt wurden, mindestens auf, arger Uebertreibung. Ich muß mir vorbehalten, 8 in der Kommission auch hier näher in das Detail einzu⸗ gehen. Für heute möchte ich zur Charakterisierung dieser neber treibungen nur auf ein einziges Beispiel hinweisen. 8 Kürzlich wurde von verschiedenen Zeitungen die Nachricht ver⸗ breitet, infolge der geplanten Erhöhung des Tabakzolls würden im Eichsfelde allein 150 000 Personen brotlos werden. Angestellte Er⸗ mittelungen haben nun ergeben, daß die angegebene Zahl von 150 000 die gesamte Bevölkerungszahl des gesamten Eichsfeldes noch weit übersteigt, daß die Gesamtziffer der in der dortigen Zigarrenindustrie unmittelbar und mittelbar in Nebenbetrieben beschäftigten Arbeiter sich auf höchstens 7000 beläuft, und daß man es namentlich in de Arbeitsverhältnissen des meist fruchtbringenden Ackerlandes nur mit Freuden begrüßen würde, wenn eine Erhöhung des Tabakzolles wirklich die Folge haben würde, daß der dortigen Landwirtschaft di fehlenden Arbeitskräfte wieder zugeführt werden. (Hört, hört! und Zurufe von den Sozialdemokraten.) — Wir werden darauf zurück⸗ kommen, meine Herren! Es ist höchstens um deswillen nicht möglich, weil eben die Arbeiter nicht entlassen werden. Meine Herren, eine Presse, die ihre Aufgabe richtig erfaßt, hätt bei der schwierigen Lage, in der wir uns dermalen befinden, do wahrlich einen anderen Beruf, als mit solchen Uebertreibungen die öffentliche Meinung auch noch irrezuführen. Ich möchte aber überhaupt empfehlen, gegenüber unseren Vorschlägen namentlich von dem Argument der Arbeiterentlassungen nur mit äußerster Vorsicht Gebrauch zu machen. Wir hätten dieses Argument nämlich noch mit viel mehr Recht auch für die Regierungsvorlage verwerten können, wir haben es aber nicht getan. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Analysieren Sie doch einmal gefälligst den Aufwand von Reich und Staat für Macht⸗ und Kulturaufgaben im einzelnen; zergliedern Sie einmal die Aufgaben, welche für die Unterbringung und di Ausrüstung unserer bewaffneten Macht, für den Bau und die Armierung unserer Kriegsschiffe, die Ausgaben, welche für die Her stellung und den Unterhalt, die Einrichtung von Gebäuden für Zwecke der Rechtspflege, der Verwaltung, des Kultus, des Unterrichts, für Wege und Wasserbauten und für sonstige unzählige Beschaffunge von Mobilien aller Art erforderlich sind, so werden Sie finden, da der größte Teil aller dieser Ausgaben sich am letzten Ende in Arbeitslöhne auflöst. Und nun vergegenwärtigen Sie sich, meine Herren, welche Masse von Arbeitern brotlos werden, wenn wir durch den Mangel an Mitteln genötigt wären, den Aufwand von Reich un Staat für Macht und Kulturaufgaben (Zuruf von den Sozial⸗ demokraten) um Hunderte von Millionen zurückzuschrauben Dann aber vergleichen Sie mit diesen Arbeitermassen die ver hältnismäßig geringe Zahl von Zigarrenarbeitern, die infolge einer Erhöhung des Tabakzolls vielleicht — ich sag „vielleich“ — genötigt sein könnte, vorübergehend in Landwirt⸗ schaft oder anderen gewerblichen Betrieben Arbeit zu suchen Daß von den in der Zigarrenindustrie und ihren Nebenbetrieben be⸗ schäftigten Personen etwa die Hälfte Arbeiterinnen sind, denen es bei dem notorischen Mangel an weiblichen Arbeitskräften noch weniger schwer fallen wird, schlimmstenfalls auch noch andere Arbeitsgelegenheit zu erhalten, mag hier nur nebenbei erwähnt werden. Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, daß die Arbeiter⸗ entlassungen — ich möchte nicht sagen allenthalben, aber doch viel⸗ leicht da und dort — nur als Vorwand dienen, hinter dem Eigennutz und Mangel an Opferwilligkeit sich verbirgt. (Oho! bei den Sozialdemokraten.) Ich kann Sie demgegenüber nur wieder-⸗ holt versichern, daß wir auf das gewissenhafteste bemüht waren, auch die höhere Belastung des Tabaks so zu gestalten, daß auf der einen Seite der Tabakkonsum des minder bemittelten Rauchers tunlichst geschont, auf der anderen Seite aber auch Tabakbau, Tabak⸗ industrie und Tabakhandel vor Erschwerungen und Belästigungen möglichst bewahrt bleiben. Und gerade diese letztere Rücksicht hat uns bestimmt, nach den sorgfältigsten Erwägungen und Untersuchungen noch in letzter Stunde ein Projekt fallen zu lassen, das uns aus der Mitte des Reichstags selbst entgegengebracht worden ist und das theoretisch auch auf den ersten Blick in der Tat ungemein bestechend ist, die Einführung eines nach dem Wert des Rohtabaks bemessenen Zollzuschlags. Bei näherer Prüfung mußten wir uns aber überzeugen, daß die mannigfachen Belästigungen, durch die sich die Industrie von der seinerzeit projektiert gewesenen Einführung 8 einer Fabrikatsteuer bedroht fühlte, bei Einführung eines Wertzolles für den Handel sich wohl noch weit drückender gestalten würden, ohne die Industrie ganz zu verschonen. Wir waren deshalb darauf bedacht, im Einverständnisse mit hervorragenden praktischen Kennern der Tabak⸗ industrie und des Tabakhandels einen anderen Weg zu suchen, der unter tunlichster Vermeidung störender Eingriffe in diese