ddeen Regierungsrat Listemann daselbst zum Stellvertreter des ersten und “ 1
den Regierungsassessor Dr. Höhnen daselbst zum Stell⸗ vertreter des zweiten Mitgliedes dieser Behörde auf die Dauer ihres Hauptamts am Sitze des Bezirksausschusses zu ernennen sowie
infolge der von der Stadtverordnetenversammlung zu St. Johann a. Saar getroffenen Wahlen den Rentner August Klein und den Sanitätsrat Dr. med. Karl Schoenemann daselbst als unbesoldete Beigeordnete der Stadt St. Johann
a. Saar auf fernere sechs Jahre zu bestätigen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Landgerichtsrat Heyer in Naumburg a. S. zum Landgerichtsdirektor in Stendal, 1 1 den Landgerichtsrat Dr. Lotze in Halberstadt zum Land⸗ gerichtsdirektor in Hildesheim, 1 den Gerichtsassessor Dr. Laspeyres in Dortmund zum
Amtsrichter in Bütow und 3 den Gerichtsassessor Dr. Loewenheim in Ilfeld zum Amtsrichter in Lauchstedt zu ernennen sowie dem Landgerichtsrat Heintze in Görlitz den Charakter als Geheimer Justizrat zu verleihen.
“ 8 Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Geheimen Regierungsrat und vortragenden Rat im Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ angelegenheiten Steinmetz zum Geheimen Oberregierungsrat zu ernennen und 1 die Wahl des Gutsbesitzers, Rittmeisters a. D. Gustav von Bülow auf Wittmoldt zum Landschaftsrat der Schleswig⸗ Holsteinischen Landschaft für die Zeit bis zum Januar 1912 zu bestätigen. 8
Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Die Forstkassenrendantenstelle Battenberg im Regierungsbezirk Wiesbaden ist zum 1. Februar 1906 zu besetzen.
Zustizministerium. e malt Briken in Filehne ist zum Notar für
den Bezirk des Oberlandesgerichts Posen, mit Anweisung seines Amtssitzes in Filehne, ernannt worden. Dem Notar, Justizrat Doemens in
Stolberg (Rheinl.) ist der Amtssitz in Aachen angewiesen.
MNichtamtliches. Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 15. Dezember.
In der am 14. d. M. unter dem Vorsitz des Staats⸗- ministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Grafen von Posa⸗ dowsky⸗Wehner abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurden der bereits erfolgten Ueberweisung der Vorlagen, betreffend den Entwurf zum Besoldungs⸗ und Pensionsetat der Reichsbankbeamten für das Jahr 1906, be⸗ treffend die Gesetzentwürfe wegen Feststellung eines vierten Nachtrags zum Reichshaushaltsetat und zum Haushaltsetat für die Schutzgebiete auf das Rechnungsjahr 1905, an die zuständigen Ausschüsse zugestimmt. Die Vorlage, betreffend die Ver⸗ leihung des Rechts eines Kommunalverbandes an die deutschen Niederlassungen in Tientsin und Hankau, wurde den beteiligten Ausschüssen überwiesen. Es fanden Annahme die Ausschuß⸗ anträge über die Erweiterung des Hamburgischen Freihafen⸗ gebiets, über den Vertrag mit der Schweiz vom 16. August 1905 über die Errichtung deutscher Zollabfertigungsstellen auf den linksrheinischen Bahnhöfen zu Basel, betreffend die Ergänzung der Prüfungsvorschriften für Tierärzte, und über die Vorschläge zur Abänderung der deutschen Arzneitaxe. Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Handelsbeziehungen zum britischen Reich, wurde angenommen. Außerdem wurde über
W. T
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. Kbt. „Iltis“ gestern in Hankau am ZJangtse eingetroffen.
Der Dampfer „Roon“ mit der 3. Kompagnie der Matrosenartillerieabteilung Kiautschou und der Ab⸗ lösung für die Marinefeldbatterie an Bord ist am 12. Dezember in Suez eingetroffen und an demselben Tage weitergegangen.
klärungen.
11I1“
“ Sachsen. In der Zweiten Kammer des Landtags kam gestern die sozialdemokratische Interpellation, betreffend die Straßendemonstrationen gegen das bestehende
Wahlrecht in Dresden und Chemnitz, zur Verhandlung. Nach Begründung der Interp llation durch den Abg. Gold- Regelung
stein (Soz) erklärte der Staatsminister von Metzsch, wie „W. T. B.“ berichtet, die Regierung bedauere das polizeiliche Ein⸗ schreiten, aber die Polizeibehörde hätte auf keinen Fall ein Hinaus⸗ tragen von Wahlrechtskundgebungen auf die Straße dulden dürfen. Die Regierung habe die zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung ergriffenen Polizeimaßnahmen durchaus gutgeheißen und werde alle Mittel zur Anwendung bringen, der Wiederholung derartiger Gesetz⸗ widrigkeiten zu begegnen. In bezug auf die Frage der Wahlrechtsänderung stehe die Regierung noch auf dem schon wieder⸗ holt gekennzeichneten Standpunkt, daß hier eine Aenderung notwendig erscheine. Sie werde auch noch einmal die Initiative ergreifen, sobald sie einen geeigneten Weg gefunden zu haben glaube. schloß: „Die Regierung und die sonst an der Gesetzgebung beteiligten Faktoren können sich nie und nimmer die Aenderung eines zu recht best benden Gesetzes durch Androhung von Gewaltmaßregeln abringen 11““ Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.,
In der gestrigen Sitzung des Landtags wurde, laut Meldung „W. T. B.“, der Staatsvertrag mit Preußen über die Lotteriegemeinschaft ohne Debatte angenommen.
“
Rußland erlangt hat, ungenügend.
283 Schriftstücke, die sich auf den Zeitraum vom 24.
Marokkanern Beschwerden von wurden.
Puankte,
werden wort: Gleichfalls. A nen erer b wollen Marokko in seinem gegenwärtigen politischen und territorialen Zustand belassen.
Oesterreich⸗Ungarn.
Das österreichische Abgeordnetenhaus erledigte in seiner gestrigen Sitzung, „W. T. B.“ 11”s das Gesetz, betreffend die Ver⸗ längerung der Geltungsdauer des Gesetzes über Subventionierung der Handelsmarine, wobei der Abg. Graf Sternberg die Nachahmung des Beispiels Deutschlands empfahl, dessen Kaiser für die Hebung der Handelsmarine eintrete.
“ ͤ ͤ“ Der Senat beriet gestern das Gesetz, durch welches die Stadt Paris zur Aufnahme einer Anleihe von 120 Mil⸗ lionen zur Organisation der Gasverwaltung er⸗ mächtigt werden soll. Nach dem Bericht des „W. T. B.“ wurde der von der Deputierten⸗
kammer genehmigte Wortlaut des Gesetzentwurfs abgelehnt, trotzdem der Ministerpräsident Rouvier für die Freiheit und die Verant⸗
wortlichkeit der städtischen Verwaltung eintrat, und der Betrag der
Anleihe auf 100 Millionen Francs herabgesetzt.
Die Deputiertenkammer verhandelte gestern über einen Gesetzentwurf, betreffend ein vorläufiges Zoll⸗ abkommen mit der Schweiz und den französisch⸗ russischen Handelsvertrag.
Bei der Beratung des Gesetzentwurfs, demzufolge während der Verhandlungen über einen neuen französisch⸗schweizerischen Handels⸗ vertrag auf die Schweiz ein vorläufiges Zollabkommen Arn⸗ wendung finden soll, verlangte Lafferre, daß die französischen Weine in der Schweiz mindestens eine ebenso günstige Behandlung erfahren, wie die italienischen und spanischen. Der Minister für Ackerbau Ruau erwiderte, er werde alle Interessen wahrnehmen, und der Handelsminister Trouillot erklärte, daß die Verhandlungen auf gutem Wege seien. Der Gesetzentwurf wurde darauf mit 520 gegen 10 Stimmen angenommen. Bezüglich des fran⸗ zösisch⸗russischen Handelsvertrags wurde die Dringlichkeit er⸗ klärt. Chastenet fand die Zollermäßigungen, die Frankreich von Er wolle nicht den Abbruch der Handelsbeziehungen mit Rußland, er stelle aber den Antrag, die
Regierung zur Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Rußland auf⸗
nisse Rußlands ungenügend, besonders die für Weine.
Mehrere andere Redner fanden gleichfalls die Zugeständ⸗
sind gestern zwei Gelb⸗ Angelegenheiten und erstere umfaßt 24. August enthält
In der Deputiertenkammer bücher über die kretensischen über Marokko verteilt worden. Das
1904 bis zum 26. November 1905 beziehen, das zweite
368 Schriftstücke, die vom 3. März 1901 bis zum 4. Dezember
1905 reichen.
Ueber das Gelbbuch, betreffend die marokkanische Frage, liegt folgender Bericht des „W. T. B.“ vor:
Viele der veröffentlichten Schriftstücke betreffen die ver⸗ schiedenen Verletzungen des algerischen Gebiets oder Anschläge von gegen französische Untertanen, Zwischenfälle, die oder Kundgebungen beim Maghzen nötig machten, denen die fremden Botschafter in Paris unterrichtet In einer Mitteilung an den Botschafter Bihourd vom 27. März 1904 über seine Unterredung mit dem Fürsten
Radolin sagt Delcafsé, daß Fürst Radolin ihn gefragt habe, ob
eine Vereinbarung zwischen Frankreich und England unterzeichnet worden sei oder auf dem Punkte sei, unterzeichnet zu werden. Delcasss antwortete: Nichts ist unterzeichnet, noch auf dem unterzeichnet zu werden; aber wir unterhandeln seit gerkaumer Zeit mit dem Londoner Kabinett behufs Lösung der unsere beiden Länder interessierenden Das Einveknehmen ist als möglich anerkannt worden, und es ist wahrscheinlich, daß es schließlich hergestellt wird. Fürst Radolin fragte: Haben Sie über Neu⸗Fundland gesprochen? Antwort: Ja. Ueber Marokko? Ant⸗ Aber Sie kennen ja unseren Stundpunkt. Wir
ziemlich gütlicher Frage.
Um diesen Zustand zu einem dauerhaften zu ge⸗ stalten, muß derselbe gestützt und verbessert werden. Im letzten Jahre allein hat uns Marokko durch wiederholte Einfälle triftige und berechtigte Ursache zur Intervention geboten. Ich habe bisher den⸗ jenigen, welche für das vergossene Blut Rache forderten, Widerstand geleistet, aber es ist dies immer schwieriger geworden. Wir haben unsere Posten verstärkt und beträchtliche Ausgaben gemacht, welche nur durch die Verbesserung der 2 Marokko verringert
Lage in werden können. Der Sultan hat sich bereits von der Wuksamkeit
unserer Hilfe an den Punkten, wo er sie verlangte, überzeugen können.
gewährt werden, daß jedermann daraus
Die Hufe wird ihm so
Nutzen zieht, insbesondere im Hinblick auf die Handelsgeschäfte, welche
durch die Herstellung der Sicherheit nur gefördert werden können. Die Handelsfreiheit wird strenge und völlig gewahrt werden. Und Spanien“? fragte Fürst Radolin. Ueber Spanien habe ich mich in der Kammer dahin geäußert, daß dasselbe weiß, daß wir seine Freunde sind, und daß es von uns nur ein freundschaftliches Vor⸗ gehen zu erwarten hat. Fürst Radolin hat diese Erklärangen nur natürlich und vernünftig gefunden und lebhaft für dieselben gedankt. Sie können sich in Ihren Unterredungen mit dem deutschen Aus⸗ wärtigen Amte von diesem Gespräch mit dem Fürsten Radolin leiten
lassen.
Am 8. April 1904 wurde die englisch⸗französische E klärung in Betreff Aegyptens und Spaniens veröffentlicht. Bihourd berichtet am 12. April, daß die hervorragendsten deutschen Blätter sich über das französisch-englische Abkommen günstig äußern. Am 17. April berichtet Bihourd über die vom Reichskanzler am 12. und 14. April in Betreff des französisch⸗englischen Abkommens abgegebenen Er⸗
Am 21. Avpril schreibt Bihourd an Delcassé, daß der Minister die volle Korrektheit der vom Reichskanzler abgegebenen Erklärung würdigen dürfe. Rückkehr der deutschen Politik einen tatkräftigen und kühnen Charakter geben dürfte. Er werde dazu durch seine Sinnesart sowie durch den Wunsch veranlaßt sein, zu zeigen, daß Deutschland weder isoliert noch entwaffnet dastehe. Der Kaiser werde deshalb wohl bei der der marokkanischen Frage intervenieren, entweder
indirekt durch Beinflussung Spaniens oder direkt durch die For⸗
derung, daß dem deutschen Handel dieselbe Behandlung bewilligt
werde wie dem Englands. Bihourd fährt fort: Was die Bürgschaften
anlangt, welche Deutschland für seinen Handel in Marokko verlangen könnte, so lassen sich dieselben insgesamt in dem die Handelsfreiheit
fassen.
zusichernden Artikel 4 der französisch⸗englischen Erklärung zusammen⸗ Um diese unbestreitbare Auffassung zu begründen, werde ich
darauf hinweisen, daß die von Frankreich und England übernommeven gegenseitigen Verpflichtungen ihre Wirkung auf alle mit Marokko in
Der Minister
V V
Handelsbeziehungen stehenden Mächte erstrecken. Der 30 jährige Zeit⸗ raum der Handelsfreiheit ist ein Minimum, welches eventaell verlängert werden könnte.
Ein Bericht Bihourds vom 7. Oktober 1904, in dem der Bot⸗ schafter mitteilt, daß er entsprechend den ihm erteilten Weisungen
dem Staatssekretär Freiherrn von Richthofen das Uebereinkommen
mit Spanien betreffend Marrokko bekannt gegeben habe, besagt, Herr von Richthofen habe gefragt, ob Bihourd in der Lage sei, die Trag⸗ weite dieses Uebereinkommens im Hinblick auf die Handelsinteressen Deutschlands vorauszusehen. Bihourd antwortete, daß die englisch⸗
französische Erklärung vom 8. April alle Bürgschaften in dieser Hinsicht
biete, und daß der Beitritt Spaniens zu dieser Erklärung dieselben nicht ändern könne. Delcassé bestätigt diese Auffassung in zwei Depeschen vom 8. und 12. Oktober. 3 — — “
Er glaube, daß der Kaiser nach seiner
Am 15. Dezember 1904 richtete Delcassé an Taillandier der im Begriff stand, nach Fez abzureisen, einen neuen Erlaß, be⸗ treffend die mit dem Maghzen einzuleitenden Verhandlungen über das Programm der militärischen, wirtschaftlichen und finanziellen Reformen in Marokko. Unter anderem heißt es darin, die Ruhe müsse überall gesichert werden, wo die einheimischen Elemente mit den europäischen in unmittelbarer Berührung ständen, um Zwischenfälle hintan⸗ zuhalten, welche internationale Verwicklungen herbeiführen können. Frankreich müsse insbesondere in der Peripherie unter Leitung und Aufsicht seiner Offiziere die marokka⸗ nischen Polizeikräfte organisieren. Sodann werden die Vor⸗ schläge, betreffend Errichtung von Polizeiposten, die
einer marokkanischen Reichsbank, die HKerstellung Tele⸗
von
graphenlinien, die Verbesserung der Häfen eingehend dargelegt und
erklärt, daß dieses Reformwerk, welches Frankreich unter Mitwirkung des Maghzen vollbringen wolle, Marokko sowie dem allgemeinen Interesse zugute kommen würde. Der nach der Abreise Taillandiers nach Fez in Tanger zurückgebliebene französische Geschäftsträger, Graf Chérisey, berichtet am 11. Februar 1905 über ein Gespräch mit dem deutschen Geschäftsträger von Kühlmann. Derselbe habe erklärt, Deutschland habe wahrgenommen, daß man es von allen Verhand⸗ lungen in betreff Marokkos systematisch ferngehalten habe. Fürst Radolin habe seine Haltung dementsprechend eingerichtet. Er habe hierauf bezügliche Weisungen erbeten, und der Reichskanzler habe ihn wissen lassen, daß die Kaiserliche Regierung alle in betreff Marokkos abge⸗ schlossenen Uebereinkommen ignonierte und sich in keiner Weise in dieser Frage als gebunden erachte. Am 4. Februar teilte Delcassée dem Botschafter Bihourd diese Aeußerung von Kühlmanns mit und ersuchte ihn, im deutschen Auswärtigen Amte an sein Gespräch mit dem Fürsten Radolin und an die Mitteilung in betreff des Ueberein⸗ kommens mit Spanien zu erinnern. Bihourd teilte am 15. Februar mit, er habe sich bei dem Unterstaatssekretär von Mühlberg dieses Auftrags entledigt. Der Unterstaatssekretär habe geantwortet, er müsse sich fragen, ob die Aeußerung von Kühlemanns nicht dahin auszulegen sei, daß die Kaiserliche Regierung, da sie den beiden Uebereinkommen mit England und Spanien fernstehe, sich in keiner Weise durch die⸗ selben als gebunden erachte.
Am 22. März berichtet Bihourd, daß die Reise des Kaisers nach Tanger und die daran geknüpften Kommenlare die deutsche Politik bezüglich der marokkanischen Frage zu kennzeichnen gestatten. Der Besuch des Kaisers in Tanger zeige die Absicht, Frankreich in Marokko keine überwiegende Stellung zuzuerkennen. Die Kaiserliche Regierung wolle die Umstände benutzen, um den Interessen und der Eigenliebe Deutschlands Genüge zu leisten. Diese Umstande seien ja dafür ganz besonders günstig. Die öffentliche Meinung Deutsch⸗ lands verfolge seit Jahresfrist aufmerksam die marokkanische Angelegenheit. Die deutschen Kaufleute haben Zeit gehabt, ihre Forderungen darzulegen und zu übertreiben. Die politischen Parteien hätten dem Reichskanzler vorgeworfen, daß er Deutschland eine allzu bescheidene Haltung aufnötige. Die russischen Niederlagen und Ruhestörungen hätten die Ungeduld der deutschen Bestrebungen noch vermehrt. Bihourd meint weiter, er glaube, daß Frankreich ein Interesse daran habe, durch eine direkte Erklärung aus einer Situatton herauszukommen, welche durch die Zeitungsfehden nicht gelöst werden könne. „Ich möchte wünschen, daß Fürst Radolin von Eurer Exzellenz beruhigende Versicherungen verlange. Es wäre vorteilhaft, wenn dieselben schriftlich gegeben würden, um jeder Zweideutigkeit vorzubeugen.“ Am 31. März und 2. April berichtet der französische Geschäftsträger Chérisey über die Ankunft des Kaisers in Tanger und dessen Antwort auf die Will⸗ kommenworte des Onkels des Sultans. Am 7. Avpril richtete Delcassé ein Handschreiben an die Botschafter Frankreichs in St. Petersburg, Madrid, Wien, London und Rom, worin er die Behauptung der deutschen Blätter, daß Deutschland über die Absichten und Vereinbarungen Frankreichs, betreffend Marokko, nicht auf dem Laufenden erhalten worden sei, als irrtümlich bezeichnet. Am 9. April richtete Taillandier aus Fez an Delcassé folgende Devpesche: Als Antwort aaf die von der deutschen Presse gegen uns aufgestellten Behauptungen bekräftige ich in kategorischer Weise, daß ich mich weder beim Sultan, noch beim Magbhzen jemals auf ein angebliches europäisches Mandat berufen habe. Wenn ich den Maghzen auf die Gefahr aufmerksam gemacht habe, die darin liegt, den gesamten Handel durch schlechte Verwaltung der Häfen unzufrieden zu stimmen, so habe ich unser Recht, dem Maghzen Ratschläge zu erteilen, nur mit unserer eigenen Situation begründet, welche kürzlich durch die Uebereinkommen mit denjenigen Mächten gesichert wurde, welche die nächsten Nachbarn Marokkos und am meisten an den Angelegenheiten dieses Landes inter⸗ essiert sind
Am 9. April telegraphiert Delcasss an Taillandier: Ich habe Ursache anzunehmen, daß man dem Sultan nahegelegt hat, oder nahelegen wird, eine internationale Konferenz zur Regelung der Marokkoangelegenheit einzuberufen, das heißt vom Sultan verlangen, daß er sich selbst unter Vormundschaft stellen möge. Der Sultan wird bei näherer Ueberlegung erkennen, daß Frankreich mehr als jede andere Macht ein Interesse daran hat, Marokko ruhig und in gedeih⸗ licher Entwicklung unter der anerkannten Autorität des Sultans zu sehen. Wir würden es nicht begreifen, wenn sich der Sultan entschließen sollte, eine Haltung anzunehmen, welche uns zwingen würde, nur das stritte Recht als Grundlage für unsere Beziehungen zu ihm anzu⸗ sehen. Am 14. April 1905 teilte Delcassé dem Botschafter Bihourd mit, daß er gelegentlich des ihm von Radolin gebenen Diners den deutschen Botschafter an sein Ge⸗ spräch vom 23. März 1904 erinnert habe. Fürst Radolin habe geantwortet, daß er nach Berlin berichtet habe, die Zeitungen aber hätten von einer offiziellen Mitteilung gesprochen. „Ich konnte keine offizielle Mitteilung über etwas machen, was noch nicht vorhanden war. Es war eine vertrauliche Mitteilang, ein Beweis des Ver⸗ trauens, das ich Ihnen gab. Unsere Politik hat sich nicht geändert, unsere Haltung ist so klar wie unsere Erklärung. Sollte trotz alledem ein Mißverständnis bestehen? In diesem Falle bin ich durchaus bereit, dasselbe zu zerstreuen.“
Am 18. April übermittelt Bihourd das Gespräch Delcasseés
nit dem Fürsten Radolin Herrn von Mühlberg, der sodann dar⸗ legte, daß die deutsche Regierung von Beunruhigung erfüllt worden sei, als sie erfahren habe, daß Taillandier in Fez zu dem Sultan im Namen der Ausländer gesprochen habe.
Am 25. April berichtet Bihourd, daß Herr von Mühlberg den Text des Gespräches Delcassés mit dem Fürsten Radolin vom 23. März 1904 als überflüssig abgelehnt habe, da Fürst Radolin darüber bereits vollständig seinerzeit berichtet habe.
Es folgt ein Bericht Bihourds vom 28. Avril, in dem es heißt, die deutsche Regierung beeile sich nicht, die Frage Delcassés zu be⸗ antworten. Dieses Schweigen entspreche der vom Reichskanzler im Reichstage und der vom Kaiser in Tanger angekündigten Politik. Durch diese Haltung solle der nationalen Eigenliebe Deutschlands eine glänzende Genugtuunng und der Industrie und dem Handel Deutsch⸗ lands eine Entschädigung geboten werden. Diese Lage bedeute eine heikle und gefahrvolle Krise in den Beziehungen Frank⸗ reichs zu seinem mächtigen Nachbar im Osten. In der Umgebung des Kaisers fehle es nicht an kriegerischen Ratgebern. Dieselben er⸗ mangeln gewiß nicht zu behaupten, daß der Zweibund in der Man⸗ dschurei einen schweren Stoß erlitten habe, und sie haben ein leichtes Spiel, den Augenblick als günstig für einen Kampf mit den Waffen mit Fronkreich hinzustellen. Bähourd empfiehlt sodann, die Konferenz⸗ idee für Rechnung Frankreichs aufzunehmen. Da es Frankreich ver⸗ wehrt werde, eine direkte Verhandlung mit Deutschland zu führen, so müsse es eine allgemeine Verhandlung herbeiführen.
„ Es folgt das Schreiben Delcassés an die französischen Bot⸗ schafter des Auslands vom 30. April, worin die Wichtigkeit der ab⸗ gegebenen Erklärung betont wird.
EFin Telegramm Delcassés an Taillandier vom 3. Mai be⸗ sagt: Es kann zwischen der französischen und marokkanischen Regie⸗ rung ebensowenig irgendwelche vermittelnde Mächte geben, wie es eine Macht zwischen dem Algerien Frankreichs und Marokko gibt..
Gründung
8 ““ 8 8 Am 30. Mai teilt Taillandier Delcassé mit, daß der Sultan den Maghzen beauftragt habe, alle Mächte zu ersuchen, in Tanger eine Konferenz über die vom Sultan geplanten Reformen
erufen. 8 einzuberufen
Am 8. Juni teilt Rouvier, der inzwischen die Leitung des Ministeriums des Aeußern übernommen hat, den Vertretern Frank⸗ reichs im Auslande mit, daß der deutsche Geschäftsträger am 6. Juni dem Ministerium des Aeußern eine Note überreicht habe, in der die deutsche Regierung entsprechend ihren früheren Erklärungen die An⸗ sicht äußert, daß eine internationale Konferenz das beste Mittel zur Einführung der vom Sultan von Marokko geplanten Reformen wäre. Die in der deutschen Note ausgesprochene Annahme, daß Frankreich die Absicht habe, auf die inneren und äußeren Angelegenheiten vee die Hand zu legen zu dem Endzwecke wie in Tunis, sei unrichtig.
Am 10. Juni ersucht Rouvier Taillandier um Antwort auf diese eben erwähnte Behauptung Deutschlands sowie auf die Meldung, daß Frankreich dem Sultan mit militärischer Besetzung des Landes gedroht habe. Gleichzeitig beauftragt Rouvier den Gesandten, jede besondere Aktion bis auf weiteres einzustellen.
Am 11. Juni teilt Rouvier Bihourd über eine Unterredung mit Radolin mit, er wäre der Konferenzidee nicht geneigt, aber gesetzt den Fall, daß Frankreich das Prinzip derselben annehme, so könne man dies nur unter der Bedingung tun, daß vorher ein diesbezügliches Uebereinkommen ins Auge gefaßt werde. Frankreich könne doch nicht zu einer Konferenz gehen, wo seine sämtlichen Vorschläge von Deutsch⸗ land bekämpft würden. Man müsse wissen, wie sich Deutschland die Reformen vorstelle. Am Schluß der Unterredung wiederholt Radolin: Wir halten an der Konferenz fest. Wenn sie nicht stattfindet, dann ist 88 der status quo, und Sie sollen wissen, daß wir hinter Marokko stehen.
Taillandier telegraphiert am 15. Juli aus Fez, daß er niemals irgend etwas formuliert habe, was einem Ultimatum ähnlich sehe, ebensowenig, daß Frankreich die Absicht habe, die Leitung der inneren oder äußeren Angelegenheiten Marokkos in die Hand zu nehmen.
16. Juni. Eine Note des Fürsten Radolin an Rouvier besagt, die deutsche Regierung könne erst nach formeller Annahme der Konferenz in einleitende Verhandlungen über das Programm und die Ziele der Konferenz eintreten. Sodann werden verschiedene Reform⸗ punkte angedeutet, wobei jedoch betont wird, daß es sich keineswegs um Vorschläge Deutschlands handle. Hieran schließt sich eine Note und ein Erlaß, betreffend die Ver⸗ handlungen, an, welche am 8. Juli die an gewisse Bedingungen ge⸗ knüpfte Zustimmung Frankreichs zur Konferenz herbeiführten. Hervor⸗ zuheben wäre eine Note Radolins vom 24. Juni, worin es am Schlusse heißt: Die Kaiserliche Regierung gibt sich der Hoffnung hin, daß die Regierung der Republik ihre gegenwärtigen Zweifel gegenüber der Konferenz den Vorteilen unterordnen werde, welche die Verwirklichung des Reformwerks für Marokko und für die Ruhe der Welt zur Folge haben werden.
Es folgt ein Bericht, Bihourds vom 25. Juni über eine Unterredung mit dem Reichskanzler Fürsten Bülow, der mit Nach⸗ druck erklärt habe, die Konferenz bezwecke nicht, der deutschen Diplomatie
eine kleinliche Genugtuung ihrer Eigenliebe zu geben, noch auch der
Würde einer großen Nation Eintrag zu tun, sondern lediglich aus einer schlimmen Situation herauszukommen. Der Kaiser könne den Sultan, nachdem er sich ihm gegenüber verpflichtet habe, nicht im Stich lassen, aber die Zukunft gehöre dem, der zu warten verstehe. Die Unabhängigkeit des Sultans müsse proklamiert und eine Organisierung durch das Eingreifen der Mächte versucht werden. Wenn der Ver⸗ such mißlinge, dann könne Frankreich die Rolle übernehmen, welche es wünsche.
Nun folgen Berichte Taillandiers über die von deutschen Unternehmern und Finanziers mit dem Sultan angeblich unter Bei⸗ hilfe des Grafen Tattenbach abgeschlossenen Verträge, betreffend Aus⸗ führung von Hafenbauten in Tanger und den Abschluß einer An⸗ leihe von 10 000 000 ℳ%ℳ Die Angelegenheit führte zu längeren Verhandlungen mit der deutschen Regierung, die wieder⸗ holt erklärte, daß diese Geschäfte unbedeutend und privater Natur seien, daß die Anleihe ein Vorschußgeschäft sei, und daß Deutschland mit Rücksicht auf die Frankreich g⸗machten Versprechungen verhindert habe, daß das Vorschußgeschäft von 10 000 000 ℳ von irgendwelchen Konzessionen abhängig gemacht werde. Der Molenbau sei den deutschen Unternehmern vom Sultan vor dem 8. Juli übertragen worden.
Am 4. September berichtet Bihourd, Bülow babe in betreff des Zwischenfalls Bu Mzian die Hoffnung ausgesprochen, daß Frankreich allzu heftige Mittel vermeiden werde; er habe den Grafen Tattenbach angewiesen, dem Maghzen den Rat zu geben, Frankreichs Verlangen nach Genugtuung zu bewilligen. Es wäre böse, habe Fürst Bülow gesagt, wenn, während wir eine Partie Bridge spielen, man rings um uns die Fenster einschlüge.
Den Schluß bilden das am 28. September von Rouvier und Radolin unterzeichnete Abkommen über das Konferenzprogramm und die von Revoil und Rosen vereinbarte Note über die Grenzpolizei, die Unterdrückung des Waffenschmuggels, die Anleihe⸗ und Hafenfrage sowie mehrere die Konferenz von Algeciras und deren Datum be⸗ treffende Schriftstücke.
Rußland.
Der Ministerratbeendigte, laut Meldung der „St. Peters⸗ burger Telegraphenagentur“, vorgestern die Beratungen über das Gesetz, betreffend die Arbeitervereine. Vereine können nach dem von dem Ministerrat beschlossenen Gesetz fortan nur noch im gerichtlichen Verfahren, also nicht mehr wie bisher auf administrativem Wege, durch den Minister des Innern, die Gouverneure, die Polizei usw. aufgelöst oder geschlossen werden. Das Gesetz hat zunächst provisor ischen Charakter und wird in der nächsten Woche zugleich mit dem allgemeinen Gesetz über das Vereinsrecht zur Veröffentlichung gelangen.
Nach den heute vorliegenden Nachrichten ist RNiga vom Reiche gänzlich abgeschnitten; alle Fabriken streiken dort, nur die Wasserleitung und die elektrische Station sind im Betriebe. Bewaffnete Arbeiter verhindern selbst den Wagenverkehr auf den Straßen sowie das Betreten der Stadt. Die Zufuhr von Waren erfolgt nur noch auf dem Wasserwege. Wegen Truppenmangels steht der Kriegszustand nur auf dem Papier. „Syn Otetschestwa“ veröffentlicht folgendes Telegramm des livländischen Gouverneurs Swegingew an den Minister des Innern:
Riga, 10. Dezember. Die Kommandos aller Flußdampfer sind ausständig. Mit den ankommenden Dampfern besteht deshalb keine Verbindung. Es ist notwendig, einen Kreuzer und zwei Torpedoboote hierherzusenden. In den vom Aufstand ergriffenen Kreisen ist der Betrieb der baltischen Bahn eingestellt. Truppen sind auf dem Wasserwege zu entsenden. Schleunige Sendung bedeutender Truppen⸗ massen ist notwendig.“
Deasselbe Blatt berichtet, daß die Letten nach Riga strömten und sich mit den Arbeitern vereinigten. Die Regierungsgebäude ständen in Flammen. Besagoj und Telegraph befänden sich in den Händen der Aufständischen. Die russische Regierung erklärte auf eine an sie gerichtete Anfrage, daß in Riga Truppenverstärkungen in großem vmfäßg⸗ erfolgt wären und daß alles geschehe, um den S 8 er deutschen Kolonie zu gewährleisten.
3 ie die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ berichtet, fand bei der Station Petrowo der Moskau⸗Kasaner Bahn zwischen einer 50 Mann starken bewaffneten Bande und Stationswächtern ein zweistündiger Kampf statt. Die
11“ 6
40 Waggons ausgeplündert hatte, suchte beim Eintreffen von Militär das Weite. Aus Lodz wird gemeldet, daß vorgestern und gestern das schwarze Hundert mehrfach Ausschreitungen, besonders gegen die Juden, verübte und deren Häuser und Läden zerstörte. Kosaken feuerten auf die Ruhestörer und ver⸗ wundeten eine Anzahl von ihnen. Der Kommandant der Festung Kuschka meldet, daß die Oase Merw sich seit dem 13. Dezember im Kriegszustand befinde. Der Eisenbahn⸗ und Telegraphenverkehr zwischen Merw und Aschabad sei unter⸗ brochen, in Kuschka herrsche Ruhe.
Italien.
In der Deputiertenkammer legte der Minister des Aus⸗ wärtigen Tittoni, „W. T. B.“ zufolge, gestern einen Gesetzentwurf vor, betreffend die neue Verlängerung der gemischten Gerichte in Aegypten. Im weiteren Verlaufe der Sitzung setzte die Kammer die Beratung über den handelspolitischen Modus vivendi mit Spanien fort. Der Handelsminister Rava trat in längerer Rede für den Abschluß eines Uebereinkommens mit Spanien ein.
Niederlande.
Almtlich wird aus dem Haag gemeldet, daß sich zwei Söhne und drei Enkel des Radscha von Boni unter⸗ worfen haben. 8 . 8 Türkei. 1“ „Wie der „Daily Telegraph“ aus Konstantinopel meldet, sind die Pforte und die Botschafter zu einem voll⸗ ständigen Einvernehmen gelangt.
Rumänien.
Der Senat beschäftigte sich in seiner gestrigen Sitzung mit dem Konflikt zwischen Rumänien und Griechen⸗ land, über den der Minister des Auswärtigen Lahovary in Beantwortung einer Anfrage nach dem Bericht des „W. T. B.“ folgendes bemerkte:
„Ich habe es nicht unterlassen, unseren Gesandten im Ausland alle von Griechen an unseren Landsleuten in Mazedonien begangenen Verbrechen telegraphisch mitzuteilen. Täglich wurde ein Ver⸗ jeichnis dieser Verbrechen als Bilanz an die Minister des Aeußern der Großmächte übermittelt. Von den Großmächten wurden im Wege ihrer Botschaften in Konstantinopel und ihrer Vertreter in Athen gemeinsame Schritte zu Gunsten der Rumänen unternommen. Ich bin glücklich, erklären zu können, daß, was die Pforte betrifft, die dringenden Vorstellungen der Botschafter im Verein mit jenen der Vertreter Rumäniens eine heilsame Wirkung hervorgerufen haben. Türkische Truppen wurden aufgeboten und mehrere griechische Mörder⸗ banden aufgehoben. Griechenland scheint sich jedoch nicht entschließen zu können, die Lage zu verbessern. Ich bitte nicht zu vergessen, daß unsere Beziehungen zu Griechenland offiziell nicht unterbrochen sind, und daß kein Vertreter einer fremden Macht beauftragt wurde, den Schutz der griechischen Untertanen in Rumänien und der rumänischen Untertanen in Griechenland zu übernehmen. Unter diesen Umständen war der Höflichkeitsbesuch, den unser Gesandter in Wien dem König von Griechenland machte, indem er seinen Namen in ein ausliegendes Buch eintrug, unerläßlich. Der König der Hellenen erwiderte den Besuch durch Ent⸗ sendung eines Flügeladjutanten in die rumänische Gesandt⸗ schaft. Dieser Höflichkeitsaustausch hat an dem Wesen der Sache nichts geändert. Solange griechische Mörderbanden be⸗ steben, die Rumänen in der Türkei massakrieren und plündern, solange der griechische Patriarch und die griechischen Metropoliten die rumänischen Priester verfolgen, solange wird es keinen Frieden geben zwischen uns und dem Königreich Griechenland. Wir werden alle Mittel um die Griechen unseren Groll fühlen zu lassen.“
Serbien. Nach einer Meldung des „Wiener Telegraphen⸗Kor⸗ respondenzbureaus“ hat der Minisser des Aeußern Zujowitsch
Reichskanzler Fürst
Diese
Stationswächter mußten sich zurückziehen. Die Bande, die
sein Entlassungsgesuch wegen Schwierigkeiten in seinem Wirkungskreise eingereicht. Das Entlassungsgesuch ist vom Könige angenommen worden.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tags befindet sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— Der heutigen (13) Sitzung des Reichstags wohnten der Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel und der stellvertretende Direktor der Kolonial⸗ abteilung des Auswärtigen Amts Erbprinz zu Hohenlohe⸗ Langenburg bei. 1 1 Der Präsident Graf von Ballestrem eröffnete die Sitzung um 11 Uhr Vormittags.
Auf der Tagesordnung stand die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Reichshaushaltsetat für das Rechnunasjahr 1905 und zum Haushaltsetat für die Schutzgebiete auf das Rechnungsjahr 1905, sodann Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1906 ec.
Die Budgetkommission beantragte, die Vorlage unverändert anzunehmen, sowie folgende Resolutionen zu beschließen:
a. die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dahin zu wirken, daß sämtliches für den Bahnbau nebst Anlagen sowie die für den Betrieb der Bahn notwendigen Quellen, auch soweit diese von der Trace entfernt liegen, erforderliche Gelände von den Besitzern dem Fiskus des Schutzgebiets unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, soweit nicht nach dem für die Kolonien geltenden Enteignungs⸗ 8,5 die Unentgeltlichkeit der Abtretung gesetzliche Folge des Bahn⸗ aues ist;
b. den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daß dem Reichstag schleunigst ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, durch den bestimmt wird, daß in den deutschen Schutzgebieten der von der Reichsverwaltung zu gewährende Polizeischutz auf je einen möglichst engen Bezirk da beschränkt wird, wohin die wirtschaftlichen Interessen gravitieren.
Der Abg. Prinz von Arenberg (Z.) verweist als Be⸗ richterstatter der Budgetkommission auf den schriftlichen Bericht und macht einige ergänzende Mitteilungen. 1
Abg. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.): Mit Rücksicht auf die Geschäftslage dieses Hauses sowie auf die Beratungen der Budget⸗ kommission beschränke ich mich auf eine kurze Erklärung. Meine politischen Freunde halten an der Ueberzeugung fest, daß vom wirtschaftlichen Standpunkt aus das Reich für einen solchen Bahn⸗ bau nicht in Anspruch zu nehmen ist. Nach den Mitteilungen jedoch, die uns insbesondere vom Obersten von Deimling in der Kommission gemacht worden sind, können wir uns nicht der Ueberzeugung ver⸗ schließen, daß der Bahnbau aus militärischen Gründen unerläßlich erscheint. Wir werden deshalb für diesen Bahnbau stimmen unter ausdrücklichem Vorbehalt, daß daraus keine Konsequenzen zu ziehen sind für die Weiterführung dieser Bahn über Kubub hinaus.
Abg. von Richthofen (d. kons.) verzi it Rücksicht auf die
1“ 9 8 Abg. Schweickhardt (Volksp.): Auch meine Freunde haben sich der Einsicht nicht verschließen können, daß die Bahn im Interesse der Versorgung mit Lebensmitteln und zur Vermeidung weiterer Kosten notwendig ist. Wir werden deshalb für den Bahnbau stimmen.
Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.): Mit Rücksicht darauf, daß die
Regierung die bestimmte Erklärung abgegeben hat, daß im Januar eine Untersuchungskommission zusammentreten wird, stelle ich den in der ersten Lesung angekündigten Antrag bezüglich der Beteiligung des Reichs an der Wertsteigerung durch die Landgesellschaften nicht, und sage kurz und bündig: wir bewilligen die Bahn. Abg. von Arnim (Rp.): Wir sind überzeugt, die Bahn wird eine Waffe sein, welche die Eingeborenen lehren wird, daß ein weiterer Widerstand überflüssig ist und daß sie zum Gehorsam zurückkehren müssen. Aus diesem Gesichtspunkte freue ich mich, daß diese Bahn so schnell bewilligt wird. Wenn irgend wo, so ist hier das Wort am Platze: „time is money“.
Abg. Bassermann (nl.): Auch wir freuen uns, daß die Vorlage noch vor Weihnachten verabschiedet wird, und werden ihr zustimmen.
Die Nachtragsetats werden in ihren einzelnen Be⸗ stimmungen angenommen, ebenso die von der Kommission vorgeschlagenen Resolutionen.
Hierauf wird die Generaldiskus Etat, die Finanzvorlage und die Flottengesetz fortgesetzt.
Die Abgg. Werner (dtsch. Reformp.) und Stöcker (wirtsch. Ver.),
denen das Wort erteilt wird, sind nicht da. Abg. Ablaß (fr. Volksp.): Dem Abg. Erzberger stimme ich in seiner Kritik über die Schäden in unserer Kolonialverwaltung voll zu. Gerade in der letzten Zeit haben sich in unserer Kolonialpolitik Miß⸗ stände von geradezu erschreckendem Umfange herausgestellt. Mit Recht hat schon der Abg. Erzberger darauf hingewiesen, daß die Kolonialverwaltung in der Auswahl ihrer Beamten eine sehr ungeschickte Hand bewiesen hat. Ich will auf einige Fälle, die sich in neuerer Zeit in den Kolonien zugetragen haben, näher eingehen und bemerke ausdrücklich, daß ich mich auf amt⸗ liches Material, das mir amtlich zugängig gemacht ist, stütze. Ich komme zunächst zu dem gegenwärtig noch schwebenden Verfahren gegen Pegelau. Der Staatssekretär hat gestern ausgeführt, daß Pegelau nach dem Urteil der Aerzte als Querulant zu betrachten war. Man hat dann später ein Disziplinarverfahren gegen ihn anhängig gemacht, da man ihn beschuldigte, amtliche Schriftstücke rechtswidrig in Besitz genommen und davon Gebrauch gemacht zu haben, indem er ihren Inhalt dem Abg. Roeren mitteilte. Ferner soll er sich unehr⸗ erbietiger Aeußerungen gegen den Reichskanzler schuldig gemacht haben. Das Disziplinarverfahren, in das weder der Abg. Erzberger noch ich sich pro oder contra einmischen wollen, ist nur möglich gewesen, weil Pegelau sich in einem schweren Konflikt der Pflichten befand, indem er sich nämlich einerseits gedrängt fühlte, Mißstände zu rügen, die so kolossal sind, daß sich jeder dagegen aufbäumen muß, und indem er auf der andern Seite als Beamter Amtsverschwiegenheit wahren mußte. Er hat den richtigen Ausweg aus diesem Konflikt gewählt, indem er sich durch eine Beschwerde an die vorgesetzte Behörde wandte, aber auf alle seine Beschwerden hat er, weil man annahm, er sei wahnsinnig, keine Antwort bekommen. Infolgedessen blieb ihm nichts übrig, als nunmehr an die Vertreter des deutschen Volkes heranzugehen, um zu versuchen, auf diesem Wege eine Aufklärung herbeizuführen. In diesem Vorgehen erblickt man nun sein Vergehen. Von seinen Be⸗ schwerden erwähne ich zunächst die über den Hauptmann von Besser, der Angestellter der Schutztruppe von Kamerun war. Es wurde eine kriegsgerichtliche Untersuchung wegen Vergehens im Amt eingeleitet, die durch eine Eingabe der Baseler Mission veranlaßt war. Während dieses Verfahren noch schwebte, ging ein Bericht ein von einem vollkommen unparteiischen Manne, dem Oberleutnant der Schutztruppe, Grafen Ritt⸗ berg, der dem Hauptmann von Besser zugeteilt war. In diesem amt⸗ lichen Bericht sagt der Oberleutnant, er war Zeuge folgender Vorgänge: Es sind von den zur Expedition des Hauptmanns gehörigen Trägern 60 bis 70 vor Hunger gestorben, Lebensmittel waren in geringem Maße vorhanden, dagegen aus der Nachbarschaft leicht zu erlangen, wie sie auch später durch ausgeschickte Patrouillen leicht herbei⸗ geschafft sind. Auf die Vorstellungen des Oberleutnants und des Assistenzarztes erwiderte der Hauptmann, er hätte seine besonderen Gründe, über die er sich aber nicht geäußert hat; er wolle gerade, daß die Schweine verreckten; er täte der Regierung damit nur einen Gefallen. Er habe auch dazu aufgefordert, die Träger im Busch niederzuschlagen und ihm die Köpfe zu bringen. Der Leutnant hatte aus einem Gefecht ein verwundetes Weib mit in das Lager gebracht. Der Hauptmann rügte dies aufs schärfste, i
sion über den Novelle zu
1 uptm t indem er sagte, man hätte das Weib liegen lassen oder in den Busch werfen sollen. Dieser Bericht, der von einem Offizier der Schutztruppe erstattet ist, spricht Bände. Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß der Hauptman von Besser wegen aller dieser Taten mit sechs oder sieben Monaten Festungshaft bestraft worden ist, die durch die Untersuchung als ver⸗ büßt erachtet wurden, so ist die Mißstimmung im Deutschen Reich gegen die Kolonialverwaltung nur allzu leicht zu begreifen. Was ist aus dem Hauptmann von Besser geworden? Ist er vielleich wieder in die Kolonialverwaltung übernommen worden? Ein solche Mann wäre eines Kolonialamts nicht mehr würdig. Der Graf Ritt⸗ berg ist aus dem Kolonialdienst geschieden und Bezirksoffizier geworden Grade dieser Mann hätte sich am besten für den Kolonialdienst ge⸗ eignet. Der Hauptmann von Besser ist mit Festungshaft bestraft worden, also mit der custodia honesta, die besagt, daß nichts getan ist, was mit der Ehre in Widerspruch steht. Gerade hier wäre doch eine entehrende Strafe am Platze gewesen. Auch was mit dem von dem Abg. Erzberger erwähnten Hauptmann Kannenberg geschehen ist, müssen wir erfahren. Er ist wegen Tötung mit Dienstentlassung und 3 Jahren Gefängnis bestraft, aber im Gnadenwege ist ihm seine gesetzliche Pension bewilligt und nach 1 ½ Jahren die Gefängnisstrafe in Festungshaft umgewandelt worden. Der Landeshauptmann Brandeis im Schutzgebiet Neuguinea hat wiederholt Ein⸗ geborene mit Hieben bestrafen lassen, was durch die Strafverordnung von 1890 als unzuläßlich erklärt ist. An amtlicher Stelle war man früher gegen die Prügelstrafe auf Grund der reichen Erfahrungen des Generalkonsuls Knappe, nach dessen Ansicht die Prügelstrafe auf die Südseeinsulaner den ungünstigsten Eindruck mache. Deshalb hätte man gegen Brandeis mit voller Entschiedenheit vorgehen sollen. Um
Aufklärung zu verhindern, soll Brandeis die Strafen niemals in
das Strafregister haben eintragen lassen. Zur Achtung der Gesetze sollten nicht nur die Farbigen gezwungen sein, sondern vor allem die Beamten. Ich erbitte ferner Auskunft über den Fall Dominik in Kamerun, der sich nach amtlicher Anzeige unerhörter Grausamkeiten schuldig gemacht und Eingeborene an den Geschlechtsteilen hat verstümmeln lassen. Was ist auf die Anzeige amtlich festgestellt? Ein Hauptmann in Lome (dessen Name auf der Tribüne nicht ver⸗ ftändlich wird), der inzwischen bei den Unruhen durch den Pfeilschuß eines Schwarzen getötet ist, hat, nach einem Missionsbericht, etnen Ein⸗ geborenen vom Baume heruntergeschossen, weil er nicht herunterkommen
wollte. Auch Vielweiberei soll er getrieben haben. Gegen die Vielweiberei der Eingeborenen wird scharf eingeschritten und deshalb muß Erbitterung in die Kreise der Eingeborenen einziehen, wenn sich ein Hauptmann des⸗ selben Vergehens schuldig machen darf. Ein Fall ferner hat merk⸗ würdiger Weise mit der Freisprechung des Angeklagten geendet. Er betrifft den Gouverneur Horn. Ein Schwarzer hatte Kassengeld ge⸗ stohlen und weigerte sich, den Versteck anzugeben. Er bekam zunächst 25 Hiebe auf Anordnung des Gouverneurs, und als er noch kein Ge⸗ ständnis ablegte, wurde er an einen Pfahl gebunden und bei einer Hitze, die so stark war, daß ein Dabeistehender ohnmächtig wurde, so lange den glühenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, daß er, als er endlich losgebunden wurde, tot war, weil er verschmachtet war, denn es wurde ihm selbst auf seine wiederholten Bitten kein Wasser gereicht. Der Gouverneur Horn war selbst darüber vollständig konsterniert, wünschte aber daß nichts davon nach Berlin komme. Er wurde dann von
Kommissionsverhandlungen aufs Wort.
anderen Beamten gezwungen, abzureisen, hatte aber noch mit einem