hart sein. Sie erinnern sich des Standpunkts des Fürsten Bismarck, der die Kolonien von großen Gesellschaften regiert und verwaltet sehen wollte. Aus diesem Gedankengang heraus erklären sich auch die Land⸗ konzessionen. Später ist versucht worden, aus den Landkonzessionen soviel wie möglich herauszukommen. Das ist bis jetzt nicht gelungen und wird auch in Zukunft nicht so ganz leicht sein. Ich glaube, daß das Ziel⸗ das von der Reichsregierung geteilt wird, im wesentlichen darin besteht, daß man versuchen wird, durch Arrangements diese Land⸗ konzessionen allmählich aufzuheben. Das sind die Fälle, die mich persönlich berühren.
Ich möchte noch auf einiges eingehen, wofür ich zwar nicht zu⸗ ständig bin, und diese mangelhafte Abgrenzung der Zuständigkeit ist ja auch der Grund, weshalb das neue Kolonialamt errichtet werden soll. Der Herr Reichskanzler hat ja heute keinen verantwortlichen Vertreter für die Kolonien. Das ist ein Mißstand, dem wir Sie bitten durch unsere Forderung eines Reichskolonialamts in dem gegenwärtigen Etat abzuhelfen. Es ist darüber geklagt worden, daß in den Kolonien soviel Schwierigkeiten mit dem Budget wären und soviel Indemnität nachgesucht würde. Ja, meine Herren, hier sehen sich die Sachen sehr leicht an; aber draußen bei den großen Distanzen, wo die einzelnen Orte durch Telegraph nicht verbunden sind, wo Situationen herrschen, die Gott sei Dank im deutschen Vaterlande nicht vorkommen, ist es ganz anders. Wenn Sie sagen, die Rechte des Reichstags müssen gestärkt werden, so kann man auch der gegenteiligen Ansicht sein und sagen, ein Teil des heutigen Kolonialbudgets müsse draußen in den Kolonien erledigt
werden. Das ist eine Ansicht, die von sehr kompetenten Seiten geteilt
wird. Einen Teil der inneren Verwaltung muß man der Verwaltung draußen in den Kolonien überlassen. Ich persönlich würde nicht dazu raten, die Kompetenz der Reichsgesetzgebung und der heimischen In⸗ stanzen überhaupt erheblich zu erweitern; ich glaube vielmehr, daß man versuchen muß, die Kolonien zu einer Art von Selbständigkeit und Selbstverwaltung heranzuziehen.
Dann ist noch der Herr Abgeordnete auf die Behandlung der Eingeborenen eingegangen. Ich beklage gewiß jede Art von Härten, die den Eingeborenen zuteil werden. Aber darin geht es mit unseren Kolonien ebenso wie mit den Kolonien der anderen Nationen. Denken
Sie sich eine Nation, die so lange Kolonialmächte sind, wie England oder Holland. Holland hat heute noch fortwährend mit Aufständen zu tun und sucht die Einflüsse dieser Aufstände auf die gesamte Lage nach Miöglichkeit zu paralysieren. Dann haben auch alle Länder mit einer schwarzen, ich kann wohl sagen minderwertigen, Bevölkerung Schwierig⸗ keiten. Selbst England hat Schwierigkeit mit den Eingeborenen 1. B. von Australien. Solche Dinge müssen alle Völker gemeinsam zu überwinden sich bemühen, so groß die Schwierigkeiten find; das wird man nicht mit einigen leichten Bemerkungen ändern können. Dann hat der Herr Abg. Erzberger ausgesprochen, wir sollten die besten und tüchtigsten Männer als Beamte hinaussenden. Glauben Sie, meine Herren, daß der Andrang zu der Kolonialverwaltung so furchtbar groß ist? Unter der geringen Auswahl suchen wir die Besten aus und versichern uns über jeden vorher seiner Qualifikation. Wie der Mann nachher unter den Tropen wird, kann keiner von uns voraussehen, da wirken auch die klimatischen Verhältnisse stark mit. Wir müssen auch gesunde Männer haben — alles Schwierigkeiten, die sehr groß sind. Aber dafür bin ich dem Herrn Abg. Erzberger dankbar, daß er auch hervorgehoben hat, daß im großen und ganzen unsere Kolonialbeamten ein wirklich vorzügliches Material sind; die weniger brauchbaren sind immer nur Ausnahmen, die man nach Möglichkeit versucht hat und noch versucht, zu beseitigen. Herr Erzberger hat schon einige Herren hervorgehoben; aber ich will keine Namensliste nennen, weil man damit die kränken würde, die man nicht nennt. Wir haben in den Kolonien zum Teil ein ganz ausgezeichnetes Material. Viele finden sich nicht darin und müssen nach einigen Jahren zurück; das sind Sachen, die man in den Kauf nehmen muß angesichts der Neuheit der Verhältnisse. Es wird sich ja nach und nach ein Kolonial⸗ beamtenstand noch mehr herausbilden; aber eine große Schwierigkeit liegt darin, daß diese Beamten des Klimas wegen nicht sehr lange draußen bleiben können. Solche Leute, wie z. B. Herr von Putt⸗ kamer, der 20 Jahre, glaube ich, in Kamerun ist, wo die meisten nur 1 Jahr 6 Monate aushalten, gibt es nicht viel. Der Beamtenstand kommt hier auch dadurch in Schwierigkeiten, daß für diese Männer keine Rückzugslinie gegeben ist. Sie können nicht in hohem Alter in die Kolonien gehen; was soll aus ihnen werden? Das sind alles Sorgen, die um so mehr heranwachsen, je älter der Kolonialbeamten⸗ stand wird. Das sind alles schwierige Fragen, deren Lösung dem Herren Staatssekretär des Kolonialamts — wie ich hoffe — ge⸗ lingen wird.
Dann hat der Herr Abg. Erzberger ein vernichtendes Urteil über
ie Herren der Kolonialverwaltung im großen und ganzen gefällt. Ich muß anerkennen: es gibt keine Behörde im Deutschen Reich, die eine solche Arbeitslast bewältigt hat, wie diese Herren in der letzten Zeit. Die Verhältnisse sind ungemein schwierig; es kam hinzu die Schwierigkeit der Personalverhältnisse. Man sollte
en Herren eher Dank sagen, als sie an den Pranger stellen. Der Herr Abg. Erzberger hat auch gesagt, der Abgang des früheren Kolonialdirektors wäre fluchtartig geschehen. Meine Herren, wenn eine solche Flucht fünf oder sechs Monate gedauert hat, kann man das wohl nicht behaupten; im Gegenteil, Herr Dr. Stuebel hat unter Aufwand seiner letzten Kräfte durchgehalten, bis ihm ein Nachfolger gegeben worden ist. Ich stehe ihm persönlich sehr nahe, ich habe viele Jahre mit ihm zusammen beraten und vieles durchgesprochen, und ich kann nur sagen, daß er nahe am vollständigen Zusammenbruch seiner physischen Kräfte war. Ich kann nur wünschen, daß er bald sich erholt und zu neuen Kräften kommt und dann den Dank erntet für alles, was er an gutem Willen und unendlichem Arbeitsfleiß geleistet hat. (Bravo!) Nun, meine Perren, hätte ich eigentlich den sehr dringenden Wunsch, daß der zuständige Referent der Kolonialabteilung noch auf
ie Angelegenheit der Kamerun⸗Eisenbahn eingehen würde. (Wider⸗ spruch. Rufe: Vertagen!) Ich würde großen Wert darauf legen, daß es heute hier geschieht. Aber, meine Herren, ich stelle es in Ihren Wunsch. Wünschen Sie, daß die Angelegenheit vertagt wird, dann werden wir morgen antworten. Ich muß erklären, daß wir uns eine Erwiderung auf die verschiedenen Punkte auf das entschiedenste vor⸗ behalten. (Bravol rechts.)
Wirklicher Legationsrat Dr. Helfferich: Der Staatssekretär
hat mir freigestellt, die Angriffe des Abg. Erzberger noch heute zu beantworten. Wenn einem Beamten gesagt wird, daß er auf einem
Nivpeau der Wahrheitsliebe stände, auf dem der Redner selbst nicht stehen möchte, so sollte ein solcher Vorwurf nicht 12 Stunden ins Land hinausgehen, und es wird mir schwer, an diesem Abend aus dem Hause zu gehen, ohne geantwortet zu haben. Ich möchte es aber trotzdem dem Hause überlassen, ob es meine Erwiderung noch zu hören geneigt ist. Der Redner geht nun⸗ mehr ausführlich auf die Darstellungen des Abg. Erzberger ein und bemerkt insbesondere, daß die Kolonialverwaltung, als in den Artikeln der „Kölnischen Volkszeitung“ behauptet war, Vertreter der Regierung hätten die Absicht gehabt, den Reichstag hinter das Licht zu führen, die Redaktion sofort telegraphisch aufgefordert habe, die in ihren Händen befindlichen Belege vorzulegen, in der Absicht, denjenigen, der diese Angriffe erhoben hatte, aufzufordern, hervor⸗ zutreten. Die Verwaltung habe nicht wissen können, daß ein Reichstagsabgeordneter hinter diesem anonymen Artikel stehe. Erst später habe der Abg. Erzberger sich als den Verfasser bekannt. Seine Behauptungen seien unrichtig, das Material zum Teil falsch und vor allen Dingen außerordentlich lückenhaft. Die von dem Abg. Erz⸗ berger erwähnten 5000 ℳ habe der Geheime Kommerzienrat Lenz dem Konsul René als Druckkostenbeitrag aus seiner eigenen Tasche rein privatim gezahlt und habe sich für diese Summe in keiner Weise gedeckt. Die Verwaltung habe sich alle Mühe gegeben, die Finanzierung der Bahn ohne Garantie des Reiches zu stande zu bringen. Der Redner gibt hierauf ein Bild über die Verhandlungen mit dem Syndikat und dem Bankkonsortium im einzelnen. In diese Verhandlungen einzugreifen habe die Regierung keine Veranlassung gehabt. Jeden⸗ falls müsse der Vorwurf, als habe die Kolonialverwaltung das Syndikat ausgeräubert, entschieden zurückgewiesen werden. Es sei über⸗ haupt bedauerlich, daß über eine solche Angelegenheit hier diskutiert werden müsse. Die Zeiten seien für die Kolonien viel zu schwer, als daß man soviel Zeit und Nervenkraft auf solche Dinge verwenden sollte. Wer über Korruption klage, müsse den strikten Beweis für einen solchen Vorwurf führen; dieser Nachweis sei nicht erbracht worden.
Hierauf wird gegen 7 ½ Uhr die weitere Beratung auf Freitag 11 Uhr vertagt. Vorher zweite Beratung des Nach⸗ tragsetats für den Bau einer Bahn von Lüderitzbucht nach
Kubub.
Kunst und Wissenschaft.
Die pbtloseeril. Klasse der Königlichen Akademie der issenschaften hielt am 7. d. M. unter dem Vorsitz ihres Sekretars, Herrn Vahlen eine Sitzung, in der zunächst Herr Schmoller im Anschluß an seinen Fmeseeefher Vortrag über die Auflösung der Lehnskriegsverfassung vom 12. bis 16. Jahrhundert in Brandenburg und den angrenzenden Territorien sprach. Hauptsächlich schilderte er, warum der ältere unbezahlte Reiterdienst von 1190 bis 1350 mehr und mehr unmöglich wurde und wie die Ritterschaft verstand, sich Verpflegung und Sold sowie reichlichen Ersatz ihrer Schäden zu sichern, was zuerst wohl die kriegerische Leistungsfähigkeit des betreffenden Gebiets erhielt, aber rasch den ganzen Lehnsdienst in ein Geldgeschäft verwandelte und durch die ungeordneten Fenen der Ausführung die Finanzen ruinierte. — Herr
achau legte eine Mitteilung des Professors Dr. Friedrich Müller in Berlin über Literaturbruchstücke aus Chinesisch⸗ Turkistan vor. In einem fragmentarisch erhaltenen Schrift⸗ stück des Museums für Völkerkunde hat der Verfasser einen Abschnitt des Pastor Hermae nachgewiesen. Schrift und Sprache sind manichäisch von der Art, welche Herr Müller zuerst entziffert und interpretiert hat.
Vorgelegt wurden die mit Unterstützung der Akademie er⸗ Uüteeen Schriften: Die Mundart der Mukri⸗Kurden. Von Oskar
ann. T. I, und Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jahr⸗ hunderts. Von Arthur Kern. Bd. I.
In der an demselben Tage unter dem Vorsitz ihres Sekretars, Herrn Waldeyer abgehaltenen Sitzung der physikalisch⸗ mathematischen Klasse las Herr Martens über Ent⸗ würfe einer Festigkeitsprobiermaschine für 50 000 kg Kraftleistung und eines Härteprüfers nach Brinell. Die Maschine ist für Festigkeitsversuche aller Art ein erichtet. Die Krafterzeugung geschieht mittels hydraulischer Presse, die Kraft⸗ messung mittels Meßdose und Manometer, das für Zeiger⸗ und Spiegelablesung konstruiert ist. Die Kraftanzeige kann aber auch mittels eines besonderen Spiegelmanometers, gemeinsam mit den Form⸗ änderungen des Probekörpers, photographisch aufgezeichnet werden. Das neuerdings in die Technik eingeführte Verfahren der Härte⸗ prüfung nach Brinell benutzt, ausgehend von den Anregungen von Hertz, unter Eindrückung harter Stahlkugeln in die zu ver⸗ gleichenden Körper, die auf die Oberflächeneinheit des Eindrucks entfallende Kraft als Härtemaßstab; die Bestimmung erfolgt bei dem entworfenen Apparat gleichzeitig als Kraft⸗ und Flächenfeststellung. Die vorgelegten ausführlichen Zeichnungen und Beschreibungen sollen später in technischen Blättern veröffentlicht werden. — Herr Warburg legte eine Mitteilung der Herren E. Gehrcke und O. von Baeyer in Berlin vor: Ueber die Trabanten der Quecksilberlinien. Die an planparallelen Glasplatten auf⸗ tretenden Interferenzstreifen verwandelt man durch geeignete Kombination zweier Platten in Interferenzpunkte, mit deren Hilfe man die falschen Linien („Geister“) von den echten Trabanten trennt und die Wellenlängendifferenzen der letzteren gegen die zu⸗ gehörigen Hauptlinien bestimmt. Die für die Quecksilber⸗ linien so gewonnenen Zahlen berichtigen frühere Angaben von O. Lummer und E. Gehrcke und ergänzen die Messungen der Herren Perot und Fabry und Janicki. — Herr Klein legte eine Mitteilung des Herrn Dr. von Wolff vor: Bericht über die Ergebnisse der petrographisch-geologischen U ungen des Quarz⸗ porphyrs der Umgegend von Bozen. Das Quarzporphyr⸗ system der Umgegend von Bozen wird in die einzelnen Ströme, Tuff⸗ und Conglomerathorizonte gegliedert. Die Ströme sind fast alle von NW= 80 gerichtet und sind einem NO — SW verlaufenden Spalten⸗ system entstossen das eine Orientierung zum Judicarienbruchsystem erkennen läßt. Die Eruptionen sind untermeerisch erfolgt. Tonalit⸗ einschlüsse im Porphyr machen das höhere Alter des Iffingermassivs wahrscheinlich. 1
Herr Zimmermann machte unter Vorlegung von Abbildungen eine weitere Mitteilung über Probekörper aus spröden Stoffen (Marmor und Beton), die bei festem Einschluß in Metallhüllen be⸗ deutende Formänderungen erlitten haben, ohne daß ihr innerer Zu⸗ sammenhang zerstört worden ist. Er wies darauf hin, daß die vor kurzem von Professor Ira H. Woolson an der Columbia⸗Universität hierüber angestellten Versuche nicht neu seien. Der Professor Kick in Prag habe ähnliche Wahrnehmungen bereits in seinem Buche über das Gesetz der proportionalen Widerstände (Leipzig 1885) veröffentlicht.
8 - A. F. In der Dezembersitzung der „Brandenburgia“, Gesellschaft für F machte der Vorsitzende mit einigen neuen Ergebnissen der Eolithen⸗Forschung bekannt, von der auch im letzten Bericht des Märkischen Provinzial. Museums in Form einer Mitteilung die Rede ist, daß von Menschen benutzt gewesene Feuersteine in Kiesgruben bei Rixdorf und Britz, am Teufelssee bei Pots⸗ dam, bei Fürstenwalde, bei Westend, bei Uetzdorf und an anderen Orten gesammelt worden seien. Den Klaatsch, Rutot, Schweinfurth und anderen Forschern ist auf diesem Gebiet in Marcelin Boule, einem französischen Geologen, ein Gegner erwachsen, der in einem „l'origine des éolithes“ betitelten Schriftchen den Beweis zu führen versucht, daß bei der außerordentlichen Schwierigkeit, einem Feuerstein seine Benutzung durch Menschenhand anzusehen, viele, vielleicht alle der als Eolithe ausgegebenen Funde auf Selbsttäuschung beruhten. Zum Beweise seiner Behauptung
führt Boule eine Tatsache ins Feld, die allerdings dafür zu
sprechen scheint, daß auch durch andere Einflüsse Feuersteine das Gepräge von Eolithen annehmen und den Kriterien entsprechen können, die zur Kennzeichnung der Benutzung durch Menschenhand aufgestellt worden sind, als da sind gewisse Absprengungen, feine, von der angeblichen Schlagstelle ausgehende Risse u. dgl. Boule hat nämlich eine große Anzahl solcher Feuersteine untersucht, die in einem französischen Kreidebruch durch Ausschlämmung aus der Kreide ge⸗ wonnen worden sind und somit vorher niemals mit dem Menschen in Berührung gekommen sein können. Indem Boule auf diese Stücke die vorerwähnten Kriiterien anwandte, fand er unter ihnen eine Anzahl als Eolithe anzusprechender, die gleichwohl keine sein können. Der französische Forscher verwirft nun die Meinung keineswegs vollständig, daß an Stellen, die in der Steinzeit von Menschen bewohnt waren, sich auch als Gerät oder Waffe benutzt gewesene Steine finden müssen. Nur will er mit Rücksicht auf die Folgerungen aus solchen Funden allein diejenigen unter ihnen als von Menschenhand benutzt anerkannt sehen, die dies ganz unzweifelhaft bekunden, und in diesem Sinne tritt er den Behauptungen entgegen, daß die bisherigen Eolithenfunde das Vorhandensein des Menschen zur Tertiärzeit erweisen sollen. Nun will es der Zufall, daß fast gleichzeitig von dem verdienstvollen belgi⸗ schen Gelehrten Rutot die Ergebnisse neuer Forschungen in Miocan des Departements Cantal veröffentlicht werden, wonach dort neue Auf⸗ schlüsse gemacht und in beträchtlicher Anzahl Feuersteine gefunden worden sind, die wegen ihrer deutlichen und unzweifelhaften „An⸗ passung“ und „Bearbeitung“ durch Menschenhand als Paläolithe zu klassifizieren sind, unter welchem Namen man alle Silices von klar ersichtlichem Gerät⸗ und Werkzeugcharakter zusammenfaßt. Es scheint damit also nicht bloß der von Boule aufgestellten Forderung genügt, sondern auch erwiesen, daß die Tertiärmenschen bereits auf einer höheren Stufe der Kultur standen als diejenigen, die Eolithe, die Feuer⸗ steine schlechtweg, ohne Anpassung an den Gebrauchszweck und Be⸗ arbeitung benutzten. Immerhin ist die Mahnung Boules zu äußerster Vorsicht vollkommen berechtigt.
Den Vortrag des Abends hielt in Vertretung des angemeldeten, aber verhinderten Vortragenden, Ingenieurs Feldhaus, der Professor Dr. Pniower über die Beziehungen Gottfried Kellers zu Berlin. Der Dichter kam, nachdem er 1 ½ Jahre in Heidelberg studiert, Ende April 1850 in der Absicht nach Berlin, hier für höchstens ein Jahr Aufenthalt zu nehmen; aber er blieb 5 ½ Jahre. Man würde indessen fehlgehen, hieraus zu schließen, daß er sich in Berlin besonders wohl gefühlt habe. Das Gegenteil ist der Fall, wie aus seinen Briefen, namentlich denen an seine Mutter, hervor⸗ geht. Zu dem Mißfallen, das Berlin bei Keller erregte, trugen aller⸗ dings die finanziell überaus gedrückten Verhältnisse, in denen er damals lebte, wesentlich bei. Er stand erst am Vorabend seiner literarischen Berühmtheit. Der „Grüne Heinrich“ war erst auf 8 Bogen ange⸗ wachsen, als Keller in Berlin eintraf, und er war 50 Bogen lang soeben erst fertig geworden, als er Ende 1855 Berlin verließ. Alle diese Zeit ist erfüllt von unliebsamer Korrespondenz mit dem drängenden Verleger, die beiden Teilen zur Qual gereichte und deren Ton man daran ermessen kann, daß der Verleger den Autor einmal sogar mit gerichtlichen Schritten bedrohte. Keller war wiederholt in Nahrungssorgen. Er erzählt, daß die schlimmste Demütigung seines Lebens ihm einst in einem Berliner Bäckerladen wibersübr als ihm das letzte Geldstück in seinem Beutel, mit dem er ein Brot bezahlen wollte, weil zu stark ab⸗ gegriffen, zurückgegeben wurde, und er sich genötigt sah, auch das Brot zurückzulassen. Diese Notlage drückte schwer auf Keller und verdüsterte seine Stimmung. Er war von außerordentlicher Schweig⸗ samkeit; oft kam tagelang kein Wort über seine Lippen. Daß ihm anregender Umgang versagt blieb, ist hieraus erklärlich. Es waren nur wenige Häuser, in denen er Verkehr hatte, u. a. in den letzten Jahren dasjenige von Varnhagen, mit dessen Niechte Ludmilla Assing ihn dauernde Freundschaft vereint hat. Dagegen blieb ihm der Umgang mit Alters⸗ und Kunstgenossen beinahe völlig versagt, anscheinend nicht ganz ohne eigene Schuld; denn eine in solchem Kreise gehabte Schlägerei brachte ihm fünf Tage Gefängnis und war entscheidend für seinen Beschluß, Berlin zu verlassen. „Daß sein Urteil über Berlin und den Berliner unter solchen Umständen nicht freundlich lautete, ist leicht erklärlich. Ueber die märkische Land⸗ schaft fällt er das befremdliche Urteil, sie sei schwächend für den Geist. Merkwürdigerweise fand er nur an einer Berliner Spezialität Gefallen, der Berliner Posse, damals durch Kalisch repräsentiert. Trotz alledem hat Keller hier seine bedeutendste literarische Tätigkeit entfaltet; denn außer dem schon genannten Hauptwerk entstanden in Berlin auch der erste Teil der „Leute von Seldwyla“ und alles, was Keller jemals an dramatischen Versuchen geleistet hat. Berlin war auch der Schauplatz der an⸗ scheinend einzig in ihrer Art gebliebenen ersten Jugendliebe Kellers für eine ebenso schöne als hochgebildete Dame aus guter Familie. Diese Episode fand indessen noch lange vor dem Weggang von Berlin ihren Abschluß durch Mißverständnisse, an denen wahrscheinlich Keller die Hauptschuld trug.
6 “ Land⸗ und Forstwirtschaft.
Die Königliche Landwirtschaftliche Hochschule zu Berlin wird im laufenden Wintersemester von 893 Studierenden, darunter 19 Damen (gegenüber 865 bezw. 28 des Wintersemesters 1904/5) besucht, und zwar von 337 Landwirten (313), 359 Geodäten
(329), 162 Hörern der landwirtschaftlichetechnischen Gewerbe (148),
35 Hörern der naturwissenschaftlichen Fächer (75).
Saatenstand und Getreidehandel in Bulgarien.
Das Kaiserliche Konsulat in Varna berichtet unterm 7. d. M.: Der Stand der Wintersaaten in Nordostbulgarien, deren Ent⸗ wicklung von der Witterung andauernd begünstigt worden ist, kann zur Zeit im allgemeinen als gut bezeichnet werden. Das schöne Wetter hat andererseits den Anbau einer größeren Fläche und deren Bestellung mit Winterweizen erleichtert; die Anbaufläche soll gegen das Vorjahr um 20 % zugenommen haben.
Für die Frühjahrsbestellung der Ackerfelder, die anscheinend noch vor den Weihnachtsfeiertagen in Angriff genommen werden wird, sind günstige Aussichten vorhanden.
Die Zufuhren haben infolge der durch die feuchte Witterung hervorgerufenen schlechten Fahrbarkeit der Landwege sowie infolge der vorgeschrittenen Feldarbeiten merklich abgenommen.
Es wurden im November d. J. Varna zugeführt:
mit Eisenbahnwagen mit Fuhrwerken Weichweizen “ G
7618 t Hartweizen. — t Mais 4200 t Hafer.. 794 t Roggen. 650 t Gerste. 481 t Bohnen. 227 t Raps. 6 t Hirse.. “ hes 1 Das Getreideausfuhrgeschäft i afenstädten ist bei kleinem örtlichen Umsatz nicht besonders lebhaft gewesen; vor allem in Weizen war teilweiser Stillstand eingetreten, da die nach den west⸗ europäischen Marktplätzen geworfenen Mengen anscheinend noch nicht abgesetzt werden konnten. Hiesige Ausfuhrhäuser sind jedoch der An⸗ sicht, daß nach Eintritt kälterer Witterung und nach Schluß der Schiffahrt auf der Donau und dem Asow bulgarische Landesprodukte mehr Anziehungskraft für das Ausland erhalten dürften. 8 In Mais neuer Ernte war das Geschäft reger. Die zugeführten Mengen sind größtenteils nach Italien, Griechenland und Frankreich verschifft worden. Die Aufhebung des Maisausfuhrverbots in Ru⸗ mänien hat jedoch auf die Preise dieser Kornfrucht auch eine Rück⸗ e. ausgeübt, sodaß gegen Monatswende wieder eine Stockung üraar. g.
8
Ausgeführt wurden aus Varna im Novemb
8 Weizen nach Belgien .
„ Frankreich der Türkei. Griechenland Kreta 4 Rumänien Frankreich. Griechenland Italien . 1“ Griechenland. der Türkei. Frankreich Belgien
Griechenland der Türkei. Kreta Triest. Belgien. der Türkei Kreta. Rußland... 8 1 Griechenland. „ Aegypten. Die Getreidepreise sunken, wurden aber in der letzten
RI1181A4“4“
3614 799 516 401
1
5 299 282 190
43 19 11 110 76 608 254 74 33 25
wurden hier für den Doppelzentner fob notiert: v“ ““ 15,00 — 16,00 Fr.
für Weizen
für Ferihehen
für Roggen 124* für Gerste und Hafer.
Die verfügbaren Vorraͤte beziffern sich zur
in Weizen auf etwa 20 000 t, in Mais auf etwa 6 — 7000 t,
19,00 14 ½ 12,30 12 ½
Zeit in
er 1905:
t
u a 8 8 — . 8 2. 2 NR
sind gegen Mitte November stark ge⸗ Woche wieder etwas fester. Es
Varna:
in Gerste, Hafer und Roggen auf je 2 — 3000 t.)
und in den Vorjahren.
Ein britischer Parlamentsbericht enthält die nachstehende Ueber⸗ cht über die der Landwirtschaft dienenden Landflächen Britisch⸗Indiens m Jahre 1903/04 sowie in den beiden Vorjahren: 83
1 1901/02
Netto Areal auf Grund der
Landesaufnahme... Mit Wald bestandenes Areal 66 363 530 Für Kulturzwecke nicht ver⸗
wendbar w“ Unbebautes anbaufähiges
Land (außer Brachland). Brachland.. Bestelltes Land. Bewässertes Land.
107 525 236 . 42 146 623 . 199 708 422 32 581 800
1902/03 Acres
67 562 698
108 062 430 37 255 259 205 239 350 32 912 410
Die Ackerbauflächen Britisch⸗Indiens im Jahre 1903/04
1903/04
. 552 920 151 554 052 949 554 234 736
67 136 162
. 137 963 527 421136 767 5711(138 373 8255 103 395 256
36 908 596
208 901 314
34 244 590
Mit Getreide bestelltes 111A1“ . 176 999 595 davon mit Reis. . 70 087 328 18 606 958 6 217 738 28—8ö880 irsfe) 13 197 027 3 754 281 6 198 063 9 784 840 anderem Getreide
u. Hülsenfrüchten 27 354 480
Land, das mit anderer zur Nahrung dienenden Saat bestellt ist, einschl. der Gartenfrüchte, Spezereien
11 Landflächen, bestellt mit: 1ö111“* 2 596 592 affee. 120 343 Tee. 495 539
“
183 679 086 71 596 561 19 615 382
6 549 877 23 125 019 13 666 034
3 639 599
6 331 816 10 491 802
28 662 996
6 303 505 2 491 172
109 877 505 932
2
187 506 886
70 224 738 23 612 730 7 479 987 21 048 067 14 137 817 3 372 223 6 135 511 11 621 492
29 874 321
8
6 581 814
2 416 909 104 239 506 287
Landflächen, mit Oelsaat 11““ davon mit Leinsaat A1I11.“ Raps und Senf anderer Oelsaat
11 967 839 2 266 208 3 753 457 2 878 092 3 070 082
13 095 565 2 335 603 4 463 483 3 112 566 3 183 913
14 545 766 3 234 213 4 652 565 3 429 311 3 229 677
Landflächen, bestellt mit: Baumwolle . bbIö1““ anderen Faserstoffen Indigo .
Opium
Tabak..
Futtersämereien.
10 301 059 2 278 205 563 688 792 179 607 418 952 245
2 944 148
11 104 298 2 145 691 624 720 653 801 608 331 935 042
3 400 293
11 895 597 2 503 968 669 082 712 049 667 711 975 652
3 830 556
Erträge von: Reis (gereinigt). bE“ o 11q““ “ Baumwolle 400 lb. Ballen 6“ 8 EEE118“ Raps und Senf E116ö16X“ Indigo.
ewts 384 294 100 6 090 524 15 585 003 191 302 773 2 645 455
6 500 000 251 808 525 035
„* 256 710 ecwts 112 819
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Ab maßregeln.
461 460 200 7 894 412 30 140 255 188 589 261 2 687 813
5 328 000
439 280 700
9 641 145 28 746 210
222 203 661
3 507 068 7 241 000
571 832 1 165 206 609 478
1902 802.
sperrungs⸗
Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.
(Aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen G 1 9 Nr. 50 vom 13. Dezember 1905.
Pest.
1 undheitsamts“,
Rußland. Im Gouv. Astrachan sind vom 25. bis 30. No⸗
bember an der Pest noch 48 Personen erkrankt
davon 33
3 (5)
und 68 gestorben), (41) im Narynschen Teile der Snee seftorben)
im ersten
und 6 (16) im zweiten Seebezirk, 6 (6) im Kreise Krasnojarfk.
m ganze in von ganzen sind in
2
der Kirgisensteppe ersonen an der Pest erkrankt und 279
gestorben;
rasnojarsk erkrankten und starben je 23 Personen.
Britisch. Ostindien.
seit Mitte Oktober
im Kreise
Während der am 18. November ab⸗
gelaufenen Woche sind in der Präsidentschaft Bombay 1898 neue
rkrankungen (und 1426 Todesfälle) an der Pest zur in der Stadt Bombay,
avon 16 (12)
Anzeige gelangt, 7 (6) im Stadt⸗ und
fengebiet von Karachi und 1 (1) im Hafen von Broach.
China.
In Niutschwang sind vom 11. bis 17. Oktober
2 Personen an der Pest gestorben; Ratten sollen die Träger und Ver⸗
mittler der am apaner haben sofort den ganzen
Orte plötzlich aufgetretenen Seuche gewesen sein. Die estverdächtigen, nur von
Japanern
und Chinesen bewohnten Bezirk abgesperrt, dessen sämtliche Bewohner untersucht, die Verdächtigen in abgesonderten Baracken untergebracht, ses Häuser desinfiziert und die Vernichtung aller Ratten, unter Aus⸗
ung einer B Fitere Maßregeln zur Verhütung einer
dem Wasser⸗ oder Landwege sind von den
11““
elohnung von 10 Sen für das Stück, angeordnet.
Verschleppung der Seuche
chinesischen Behörden
8 C“
zusammen mit den Konsuln und den Befehlsha rn d Truppenteile getroffen. 1
Zanzibar. Bis zum 13. November waren in Zanzibar an der Pest 154 Personen erkrankt (und 123 gestorben), davon seit dem 26. Oktober 19; der letzte Pestfall wurde am 13. November festgestellt. Der Erfolg der Impfungen, denen sich im ganzen 19 797 Personen ollen, wird als ein sehr guter geschildert.
unterzogen haben s Pest und Cholera.
Britisch⸗Ostindien. In Kalkutta starben in der Woche v 29. Oktober bis 4. November 14 Personen an der Pest 42 s der Cholera. Cholera.
Rußland. Amtlichen Mitteilungen zufolge sind vom 23. bis zum 27. November im Gouv. Lomza 9 Erkrankungen und 3 Todes⸗ fälle an der Cholera beobachtet, außerdem wurden in Wengrow (Gouv. Siedletz) vom 20. bis 28. November 7 Erkrankungen und 2 1- festgestellt.
ilippinen. In Manila sind während des Oktob 29 Erkrankungen (und 27 Todesfälle) an der Cholera gemeldet, 7 8 Pröpig⸗ 8 deah 8ee nlg) hag e. 8t dem Ausbruch der Seuche bis Ende Oktober . Am 28. Okt amtlich als cholerafrei. 8 “ Gelbfieber.
Die Staaten Nord⸗ und Süd⸗Carolina, Alabama, Georgia, Tennessee und Florida waren zufolge einer Mit⸗ teilung vom 24. November frei von Gelbfieber, nachdem in Pen⸗ sacola insgesamt 562 Erkrankungen und 80 Todesfälle amtlich fest⸗ gestellt worden waren.
Pocken.
„Deutsches Reich. In der Woche vom 3. bis 9. Dezemb ist in Eztkuhn 2. 82 e Neg. Res. Gumbinnen) bei einem russischen Auswandererkinde und in Heiddorf (Amt Dömitz, Mecklenburg⸗Schwerin) je 1 Pocenfall sestceftelt wordelnn Dömis
Fleckfieber.
„Oesterreich. In Galizien wurden nach den während der beiden Wochen vom 19. November bis 2. Dezember eingegangenen Anzeigen 42 und 67, zusammen 109 neue Erkrank Fleckfieber
festgestellt. Milzbrand.
Haiti. Zufolge einer Mitteilung vom 14. November sind in der Nähe von Port au Prince mehrere Fälle einer anfänglich als „Pestartiges Leiden“ bezeichneten Krankheit, die später als Milzbrand festgestellt wurde, vorgekommen.
Verschiedene Krankheiten.
.,, Pocken: Paris 2 Todesfälle, 21 Erkrankungen; Varizellen: Nürnberg 25, Budapest 59, New York 137, Prag 33, Wien 144 Er⸗ krankungen; Genickstarre: New York 9 Todesfälle, Breslau 2, New York 10 Erkrankungen; Tollwut: Rom 2 Todesfälle; Rotlauf: Wien 28 Erkrankungen; Influenza: Berlin 5, London 6, Moskau 3, New York, Paris je 5 Todesfälle; Nürnberg 10, Kopenhagen 43, Stock⸗ holm 17 Erkrankungen; kontagiöse Augenentzündung: Reg.⸗ Bezirke Arnsberg 43, Posen 57. Erkrankungen; Krebs: Altona 4, Berlin 38 Todesfälle; Ankylostomiasis: Reg.⸗Bez. Arnsberg 30 Erkrankungen. — Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Diphtherie und Krupp (SDurchschnitt aller deutschen Berichtsorte 1886/95: 4,27 %): in Halberstadt, Königshütte, Remscheid —. Erkrankungen wurden gemeldet in Berlin 56, Breslau 22, im Reg.⸗Bez. Düsseldorf 134, in Hamburg 20, Christiania 48, London (Krankenhäuser) 93, New York 286, Paris 71, Stockholm 28, Wien 124; desgl. an Keuchhusten in Fürth, Lübeck — Erkrankungen kamen zur Anzeige in Nürnberg 34, Ham⸗ burg 48, Budapest 35, Kopenhagen 41, New York 26, Wien 100; ferner wurden Erkrankungen angezeigt an Scharlach in Berlin 35, im Reg⸗Bez. Düsseldorf 104, in Nürnberg 24, Budapest 34, Edin⸗ burg 25, Kopenhagen 27, London (Krankenhäuser) 375, New York 132, Paris 55, Stockholm 35, Wien 79; desgl. an Masern und Röteln in Berlin 22, Breslau 37, in den Reg.⸗Bezirken Königs⸗ berg 117, Posen 129, Trier 112, in Nürnberg 140, Hamburg 85, Budapest 182, Kopenhagen 32, New York 253, Paris 267, Wien 168; desgl. an Typhus in New York 54, Paris 34.
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Handel und Gewerbe.
(Aus den im Reichsamt des Innern Jne gengestettten
„Nachrichten für Handel und ndustrie“
Rußlands Einfuhr aus Deutschland in der erst ä des Jahres 1905. 1“
Die Einfuhr Rußlands aus Deutschland scheint unter dem ost⸗ asiatischen Kriege weniger gelitten zu haben, als bisher angenommen wurde. Was zunächst den Hauptartikel dieser Ausfuhr, Maschinen, betrifft, so ist allerdings für die erste Hälfte 1905 ein namhafter Rückgang zu konstatieren. Im ganzen führte Rußland in den ersten sechs Monaten d. J. für 28 216 000 Rbl. Maschinen ein, während die Einfuhr im gleichen Abschnitt des Vorjahres 32 492 000 Rbl. betrug. Der Anteil Deutschlands stellte sich auf 12 166 000 Rbl. gegen 15 293 000 Rbl. im Vorjahre. Diese Abnahme wird aber aus⸗ geglichen durch vermehrte Zufuhren von Eisen⸗ und Stahlwaren, Zinn, Blei, Zink und Kohlen. Der Wert der deutschen Einfuhr betrug bei Kohlen 4 862 000 gegen 2 622 000 Rbl., bei Eisen⸗ und Stahlwaren 2 327 000 gegen 1 688 000 Rbl., bei Zinn, Blei und Zink 2 523 000 gegen 2078 000 Rbl. im Vorjahre. In Draht und Drahtfabrikaten ist die Einfuhr aus Deutschland gestiegen von 1 481 000 Rbl auf 1 537 000 Rbl., in Uhrenwaren von 545 000 Rbl. auf 566 000 Rbl. Ein merklicher Rückgang ist dagegen bei folgenden Waren zu verzeichnen: Baumwollenfabrikate von 1 697 000 auf 1 092 000, Schreibpapler von 1 724 000 auf 1 170 000, Musik⸗ instrumente von 1 023 000 auf 846 000, Blechwaren von 1 000 000 auf 889 000, Fabrikate aus Kupfer, Messing usw. von 1 337 000 auf 1 011 000, Farben und Farbstoffe von 3 386 000 auf 2 670 000, gekämmte, gesponnene oder gezwirnte Wolle von 3 386 000 auf 2 670 000, Baumwollengarn von 1 016 000 auf 885,000, chemische und pharmazeutische Produkte von 3 814 000 auf 3 140 000, Rauch⸗ waren von 2 194 000 auf 1 972 000 Rbl. Ziemlich gleich blieb sich die Ledereinfuhr aus Deutschland mit 2 156 000 gegen 2 152 000 Rbl., die von Gerbstoffen mit 452 000 gegen 457 000 und die von Püber Holzwaren mit 533 000 gegen 571 000 Rbl. In Tischler⸗, Schnitz⸗ und Drechflerarbeiten ist ein Rückgang von 507 000 auf 352 000, in Töpfer⸗ und Tonfabrikaten, Fayence, Porzellan und Glas von 995 000 auf 663 000 Rbl. eingetreten. In den Haupt⸗ Fatengruppen hat die Einfuhr aus Deutschland betragen (Millionen ubel): 8 iimm ersten Halbjahrl
1 “ 3,2 88ꝙ 8 3
Lebensmittel. . 32,4 32,7
Rohstoffe und Halbfabrikate 8 “ 2 11u”“ 1 Ein Rückgang im ganzen ist somit nur bei der Gruppe d Fabrikate eingetreten, waͤhrend sich bei den übrigen beiden ungefähr dieselbe Einfuhrziffer wie im Vorjabre ergibt. ““ (St. Petersburger Zeitung.)
8
Regelung der Vorschriften auf Schiffskonnossementen in Spanien.
In der Gaceta de Madrid Nr. 269 ist ein Königliches Dekret
vom 21. September d. J. veröffentlicht worden, ae ge auf den
Konnossementen für das Verhältnis von Verlader, Reeder und
Empfänger als maßgebend aufgedruckten Bedingungen für ungültig
erklärt, wenn sie den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs zuwider⸗
laufen. Das Dekret ist auf einen entsprechenden Antrag der Hand
kammer in Huelva ergangen und ist dadur veranlaßt worden, da es die Gepflogenheit der den Hafen von besen T.Hheasen 8 laufenden spanischen Dampferlinien (Xbarra y C., La Sevil ana etæc.) war, in ihren Konnossementen eine ganze Reihe von Bestimmungen des codigo de ceomerçio außer Geltung zu bringen, insbesondere hinsichtlich der Haftpflicht des Schiffs für Diebstahl, Bruch oder Beschädigung, auch wenn den Kapitän oder eine andere verantwort⸗ liche Person an Bord ein Verschulden trifft. Infolgedessen sind wiederholt durchaus berechtigte Ansprüche der Verlader oder Empfänger RArrcghs Fblehen, Eüe sje Ehnfach 8¹ die Bestimmungen der Rück⸗ e es Konnossements verwiesen wurden. (Bericht Kaiserliche Generalkonsulats in Barcelona.) 8 “
Außenhandel Bulgariens in den ersten 9 Monaten 1905. Die Einfuhr Bulgariens bewertete sich für die ersten 9 Monate des Jahres 1905 auf 87 399 552 Franken gegen 92 068 612 im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Ausfuhr Bulgariens betrug 97 994 630 Franken gegen 110 259 418 Franken im Jahre 1904. Die Beteiligung der wichtigsten Länder gestaltete sich an dieser
Handelsbewegung, wie folgt: .““ I11“ Ausfuhr
1905 1904 1905 1904 Wert in tausend Franken 21 188 29 123 14 549 10 249 15 963 12 990 5 820 21 375 2 253 35 039
1 774 26 735 16 578 9 112
14 718 8 050 11 083 10 751 13 677 17 741 5 340 4 171.
1 7 704 5 841 ie einzelnen Hauptwarengruppen zeigten in den Monaten Januar bis September 1905 (und 1904) folgende Werte in Franken: „Einfuhr: Lebende Tiere 283 612 (1 574 760), Tierische Nahrungs⸗ mittel 962 856 (738 504), Zerealien und verschiedene Erzeugnisse aus Kornfrüchten 1 238 798 (945 293), Früchte, Gemüse und andere vege⸗ tabilische Erzeugnisse sowie Sämereien 795 802 (797 871), Kolonial⸗ waren 3 449 902 (4 207 212), Spirituose Getränke 318 835 (245 136), Konserven und Konfitüren 1 154 398 (1151 268), Dünger und Ab⸗ fälle 348 065 (228 812), Brennmaterial 938 065 (619 303), Chemische Erzeugnisse 9176 75 (975 171), Gerb⸗ und Farbstoffe, Farben und Firnisse 1 231 726 (1 283 472), Harze, Mineralöle und Klebstoffe 2 221 362 (2 770 377), Oele, Fette, Wachs und Erzeugnisse daraus 3 009 904 (3 508 243), Drogerlewaren und Medikamente 395 694 (590 223), Parfümerien 166 946 (181 089), Stein, Ton, Glas und Erzeugnisse daraus 2 334 366 (1 888 293), Metalle und Produkte der Metallindustrie 7 888 008 (7 230 633), Rohstoffe und Erzeugnisse der Holzindustrie, der Bildhauerei sowie Korbwaren 3 783 006 (2 553 979), Stoffe und Erzeugnisse der Papierindustrie 2 161 404 (1 908 000), Leder und Lederwaren 5 582 280 (6 327 778), Stoffe und Produkte der Textilindustrie 34 650 895 (32 913 147), autschuk, Guttapercha und Erzeugnisse daraus 560 339 (406 438), Eisenbahnwaggons, Wagen und Schiffe 1113 319 (169 214), Maschinen, Instrumente und Apparate 6 883 746 (10 050 493), Kleine Luxusartikel (Bijouterie, und Galanteriewaren) 578 673 888 048), Erzeugnisse der Literatur und Waren der plastischen Kunst 285 296 (327 358). Der Rest entfällt auf anderweite Artikel. Ausfuhr: Büffel, Büffelkühe, Ochsen, Kühe und Kälber 1 296 298 (1 437 041), Pferde, Hengste, Stuten und Füllen 342 282 (470 160), Hammel, Schafe und Lämmer verschiendenen Alters 1 969 376 02 039 114), Ziegenböcke, Ziegen und Zicklein 129 363 (93 844), Schweine und Saue 84 536 (56 860), Federvieh (Hühner, Gänse u. dgl.) 312 004 (259 776), Butter, frisch, gesalzen oder ge⸗ schmolzen, Sahne 337,781 (99 110), Gewöhnlicher Käse 248 707 (229 128), Kaschkawalkäse 1 654 377 (1 462 978), Eier 7 127 277 (6 634 367), Weizen und Rotweizen 41 672 067 (46 191 533), Roggen 3 796 733 (3 813 756), Hafer 2 018 680 (4 622 120), Gerste 3 578 066 2s 336), Mais 8 365 453 (20 393 161), Reis 15 183 (40 750), Bohnen 1 125 011 (462 416), Weizenmehl 2 314 825 (3 109 869), Kleie und Mengfutter 387 911 (462 817), Raps 5 834 871 89839) Tabak in Blättern, unbearbeitet, und Abfälle davon 1 742 116 (454 357), Rosenöl 2 694 864 (1 915 222), Bauholz, roh oder teil⸗ weise bearbeitet 48 411 (187 874), Gesägtes oder anders bearbeitetes Bauholz 361 525 (530 355), Rohe Schafs⸗ und Lammfelle 1 731 698 (1 125 495), Ziegen⸗ und Zickleinfelle 1 053 947 (360 846), Leder und Saffian 441 046 (484 561), Grobe Wollstoffe, Aba und Schajak 1 228 279 (1 260 301), Wollene Borten (Gaitans) 669 252 (615 038), Kokons und Kokonabfälle 2 379 056 (1 661 024). (Bulgarische Staatszeitung)
Oesterreich⸗Ungarn. Großbritannien Belgien ... Deutschland Türkei 8
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Absatz von Eisen und Eisenwaren nach dem Innern Kleinasiens.
Nach Gsen und Eisenwaren besteht im Innern Kleinasiens eine größere Nach rage, die seitens der deutschen Industrie Berücksichtigung verdient. Der jährliche Verbrauch an Eisenartikeln wird im Sand⸗ schak Konia auf 10 000 dz und in dem von Nigde auf 3000 dz in Höhe eines Gesamtwertes von etwa 300 000 ℳ geschätzt. Die Ein⸗ fuhr dorthin erfolgt hauptsächlich über Haidar Pascha, Smyrna und Mersina. Die Fracht von den genannten Orten nach Konia beläuft sich mit Nebenauslagen auf rund 18 Para die Oka bezw. 50 Ltg. die Wagenladung von 15 t. Die erwähnten Hafenstädte sind gleichzeitig die Hauptbezugsorte für die beiden Sandschaks, die mit den ausländischen Erzeugungsländern in fast keinen unmittel⸗ baren Handelsverbindungen steben. Hierzu fehlt es im allgemeinen den Einheimischen an den erforderlichen Sprach⸗ und Geschäfts⸗ kenntnissen sowie an dem für einen lohnenden Auslandshandel nötigen Kapital. Ferner erschwert das Zoll⸗ und Speditionswesen der kleinasiatischen Hafenplätze den Durchgangsverkehr für die aus dem Ausland in das Innere Kleinasiens Waren; denn di selben müssen zin den gedachten Hafenstädten verzollt und könne nur bis dorthin direkt expediert werden. Die Weiterbeförderun bedars neuer Formalitäten. Den Kaufhäusern in Deutschland kan auch wegen der Eigenart der Verhältnisse im Innern Kleinasiens nur bei genauer Vertrautheit mit denselben empfohlen werden, zu den Einheimischen in unmittelbare Geschäftsbeziehungen zu treten. Ratsam aber ist es, durch Verbreitung von Katalogen im Innern des Lande Reklame zu machen, damit die dortigen Händler, wenn auch nur indirekt, wenigstens nach denselben Bestellungen machen können. In dieser Beziehung steht Deutschland anderen Ländern sehr nach, die durch Agenten ihre Preislisten verteilen lassen.
Was den Eisenmarkt der beiden Sandschaks anbetrifft, so wird er von Belgien beherrscht. Bei dem gedachten Zwischenhandels⸗ verkehr ist die genauere Feststellung der Herkunft der eingeführten Waren kaum möglich. Diese Statistik findet sich aber in den Handels⸗ berichten der Hafenplätze von Konstantinopel, Smyrna und Mersina, in denen gleichzeitig die in das Innere Kleinasiens weiterbeförderten Waren enthalten sind. Unter den einzelnen Eisenartikeln sind die ge⸗ suchtesten:
1) runde und viereckige halbweiche Stabeisen von 8 3 bis 15 mm Dicke und 3 bis 5 m Länge, in Bündeln zu 5 bis 12 Stück, die zusammen 19 bis 20 Oka wiegen, versandt und für Fenster⸗, Tür⸗ und Hofgitter sowie für Feueraufsätze verwendet; 2) weiche Bandeisen von 10 bis 15 mm Breite, 1 ½ bis 5 mm Dicke und 1 ½ m Länge, in ähnlichen Bündeln wie bei 1 verschickt und zur Herstellung von Hufnägeln und kleinen Hufeisen hauptsächlich benutzt; 3 . 3) harte Bandeisen von 4 bis 10 cm Breite, 1 cem Dicke und bis 4 m Länge kommen stückweise zur Versendung und dienen für Türeinfasungen, Wagen⸗ und Hausbauten.
4) Eisenbleche, feine und dicke, von 0,765 % 1,530 m und 0,915 X¼ 1,830 m, in Paketen von 45 kg eingeführt, zur Anfertigung von Oefen und Röhren.
5) Zinkbleche von 2 m Länge und 1 m Breite Nr. 6 bis 12,
Einzelplatten verschickt, für Dachbekleidungen und Abflußröhren.