8 82 I1u.“
In der am 19. d. M. unter dem Vorsitz des Staats⸗
ministers, Staatssekretärs des von Posadowskn⸗Wehner sitzung des Bundesrats
Innern Dr. abgehaltenen wurden die
Grafe
betreffend die Revision des internationalen 1“ er⸗ leihung von Korporationsrechten an die mit dem Sitze in Berlin gegründete „Pflanzungsgesellschaft Kpeme in Togo“,
den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Der
über den Eisenbahnfrachtverkehr und betreffend die
wegen Wertbestimmung der Einfuhrscheine im Zollverke eisen
das Recht zur Bestellung des Revisors verliehen.
wurde über eine größere Anzahl von Eingaben Beschluß gefaßt.
Das Königliche Staatsministerium t iner Sitzung zusammwen.
Der Königlich bayerische Gesandte Graf von Lerche n fel d Köfering hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenhei
führt der Legationssekretär Freiherr von Frays die Geschäfte
er Gesandtschaft.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrat, Königlich bayerische
Kohl ist von Berlin abgereist.
8 8 Laut Meldung des „W. T. B.“ hat S. M. S Fürst Bismarck“ die Abreise von Hongkong verschoben.
S. M. S. „Tiger“ ist gestern in Schanghai eingetroffen
S. M. S. „Iltis“ ist gestern
Schanghai abgegangen.
88
6“
8
In der Ersten und Zweiten Beilage zur heutigen Nummer
des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ wird die vom Reichs⸗
eisenbahnamt tabellarische Uebersicht der Be⸗ e
triebsergebni deutscher Eisenbahnen für
an dieser Stelle auszüglich hingewiesen worden ist.
Bayern. Die Kammer der Reichsräte hat gestern, wie „W. T. B.“ eldet, unter Ablehnung weitergehender Forderungen den Antra angenommen, die Regierung möge im Bundesrat auf Gewährung von Diäten für die Geschworenen und die Schöffen hinwirken. In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer legte der Finanzminister Dr. Becker den Staatsvor⸗ anschlag für 1906/1907 vor und führte, nach dem Bericht des „W. T. B.“, dabei aus: „Die Beibehaltung der im Jahre 1904 erfolgten Erhöhung der Einkommen⸗ und Kapitalrentensteuer erscheint auch ferner dringend geboten. Die Entwicklung unserer Landesfinanzen wird aber auch durch die Gestaltung der Reichsfinanzen wesentlich beeinflußt. Es ist dringend erwünscht, das der erneute Versuch der Regierungen gelingt, eine Verbesserung der Reichsfinanzen herbeizuführen; welche Gestaltung sie aber auch annehmen werden, in jedem Falle werden sie von den süddeutschen Staaten namhafte finanzielle Opfer erheischen. Um so berechtigter ist das Verlangen, daß ganze Arbeit gemacht wird unter grundsätzlicher Abgrenzung der Steuergebiete zwischen Reich und Bundesstaaten, und daß dem ersteren neue Einnahmequellen von solcher Ergiebigkeit und Steigerungsfähigkeit eröffnet werden, daß sie für eine Reihe von Jahren ausreichen.
Bremen.
Der Senat hat, wie „W. T. B.“ meldet, an Stelle des mit dem Ende dieses Jahres aus dem Amt scheidenden Bürgermeisters Dr. Pauli den Senator Dr. Marcus für die Amtsperiode 1906 bis 1909 einschließlich zum Bürgermeister gewählt. 8
„Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat das Kriegs⸗ ministerium die Beurlaubung von Mannschaften des dritten Jahrgangs in Ungarn angeordnet. Die jetzt noch nicht Beurlaubten sollten in den letzten Tagen dieses Monats bei Eintreffen des Ersatzes entlassen werden.
Das österreichische Herrenhaus hat gestern ohne Debatte das Budgetprovisorium und das Gesetz, betreffend pro⸗ visorische Regelung der Handelsbeziehungen mit Italien, ferner das Lokalbahngesetz sowie das Gesetz, betreffend Unter⸗ stützung der Handelsmarine, endlich mehrere jüngst vom Ab⸗ geordnetenhaus erledigte kleine Vorlagen angenommen.
Die ungarische Regierung hat gestern den Gesetz⸗ entwurf, betreffend das allgemeine Wahlrecht, amtlich bekannt gegeben. Danach erhält jeder männliche Staatsbürger, der das 24. Lebensjahr vollendet hat und des Lesens und Schreibens kundig ist, das Wahlrecht. Jeder Wahlbezirk wählt einen Abgeordneten. Die Wahlbezirke werden in kleinere “ heah wobei jede Gemeinde nach besonderer Wählerliste a timmt. Die Wahl ist unmittelbar und geheim und erfolgt
— 2
mittels Stimmzettels. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das Die Pgenwäeig⸗ Zahl der Abgeordneten bleibt unver⸗ Die
Los. ändert bestehen, ebenso die fünfjährige Mandatsdauer. bisherigen Wahlberechtigten behalten das Mandat noch für die Dauer der beiden nächsten Wahlperioden, auch wenn sie nicht lesen und schreiben können.
lang das Staatsbürgerrecht besitzt. Nicht wählbar dagegen
ist jeder wegen eines aus Gewinnsucht beganeien Vergehens
oder wegen Aufreizung zum Nationalitätenhaß Verurteilte.
Das ungarische Abgeordnetenhaus ist gestern bis zum 1. März nächsten Jahres vertagt worden. Nachdem er Präsident das Königliche Handschreiben, das die Ver⸗ tagung befiehlt, verlesen hatte, ergriff Apponyi das Wort
und führte, „W. T. B.“ zufolge, aus:
as System unaufhörlicher Vertagungen des Abgeordnetenhauses sei, die
sei verfassungswidrig.
So sehr das Abgeordnetenhaus bereit Meinungsvers 1 8 8
iedenbeiten zwischen der Krone und der Natio
Plenar⸗ Vorlagen,
r wurde angenommen. Dem Verbande ländlicher Genossenschaften Raiff⸗ er Organisation für das rechtsrheinische Bayern wurde Außerdem
von Hankau nach
den Monat November 1905 veröffentlicht, auf die am Montag
aktive
icht le n Wählbar ist jeder ungarische Staatsbürger, der von der Ausübung des Wahl⸗ rechts nicht ausgeschlossen ist und mindestens schon zehn Jahre
8 8 5 8 111“
nKrone auszuglei die Nation mürbe machen und ihren W Erfüllung finden werde. Eine in einer solchen Weise, daß werfe, wäre schlechter als Absolutismus, denn dies würde
Ausgleichung der
Eigentlich müßte die Zurkenntnisnahme des Königlichen schreibens über die Vertagung abgelehnt werden, Abgeordnetenhaus müßte von dem schlecht den besser zu informierenden 82z., appellieren. geordnetenhaus wolle einem Ausgleiche
und Zeugnis von seiner Mäßigung ablegen. die
Vertagung als verfassungswidrig zu protestieren.
wurde er einstimmig angenommen. 8
donische Finanzkontrolle hat. Der
„lvenezolanische Zwischenfall seine Erledigun
die Note, gegen welche die französische Regierung erhoben hatte, zurückgezogen hat. 88 1“ Der Ministerpräsident Moret erklärte in der gestrigen Si
. Mehl verzicht in die Majorität des Hauses hineinzutragen. Ausgleich durch eine mäßige Steigerung anderer Abgaben, der “ suchen.
88
Rußland.
Das Exekutivkomitee des Arbeiterdeputier
eee mit dem Verband der Verbände
gonnene Kampf aufgenommen werden würde. mittel würde rung abhängen. seien alle
Vorläufig Kräfte
olcher angekündigt werde.
russischen Verbandes von
der Garde,
freiheitlichen einer konstituierenden des allgemeinen, direkten und und die Verwirklichung ausgearbeiteten
Versammlung auf
geheimen
Staatsordnung und Armeereform.
keit, Verhinderung von Hetzen und Verwirklichung eines a
spricht der Verband allen denen Hilfe, die wegen Beteiligung an ihm leiden müßten. .
Wie der „Nowoje Wremja“ aus Moskau gemeldet wird, verfaßten die Vertreter der revolutionären Parteien gestern ein Manifest, das die Arbeiter und die Truppen zur Fra. demokratischen Republik aufruft. Der Ton dieses Manifestes soll derartig herausfordernd sein, daß selbst radikale Blätter sich entschlossen, es nicht zu veröffent⸗ lichen. Laut Meldung des „W. T. B.“ beschlossen die Eisen⸗ bahnangestellten in Moskau, heute mittag in den Aus⸗ stand zu treten.
In der gestrigen Sitzung des Verbandes der Verbände wurde mitgeteilt, daß in Sewastopol wiederum Unruhen stattfinden. Nach einer amtlichen Meldung aus Tiflis finden dort seit dem 12. d. M. abermals blutige Zu⸗ sammenstöße zwischen Armeniern und Tataren statt, nachdem der Statthalter den Armeniern auf deren Gesuch 500 Gewehre zur Bildung einer Miliz bewilligt hat. Die Truppen und die Gesellschaft fordern die Entwaff⸗ nung der Miliz. Die Truppen haben aus eigener Initiative mit dieser Entwaffnung begonnen. In der Stadt herrscht Panik. In Jaroslaw bemächtigten sich 600 bewaffnete Arbeiter der Korsinkinschen 85 und erklärten sie als Eigentum des Proletariats. Wie aus Warschau gemeldet wird, ist der Vorsitzende des Warschauer Eisenbahnverbandes Moracewicz heute verhaftet worden; der Verband hat des⸗ halb beschlossen, daß am Freitag ein Ausstand der Beamten der Weichselbahnen beginnen soll. Nach Berichten aus Bialystok sollen dort Rekruten eine Judenhetze veranstalten.
4 8 8
WW11“ 1 Schweiz. 8 I“ 9 „Der Bundesrat hat, „W. T. B.“ zufolge, die deutsche
Reichsregierung ersucht, die aweihevischen Staats⸗ angehörigen in Riga unter ihren Schutz zu nehmen. Die deutsche Regierung entsprach dem Gesuch und versicherte, die chweizer würden auf Schiffe verbracht, die von Königsberg und anderen deutschen Häfen abgehen, um die flüchtigen Deutschen aus Riga aufnehmen. Der Nationalrat hat derselben Quelle zufolge die Ueber⸗ einkunft mit dem Deutschen Reiche, betreffend die Errich⸗ tung deutscher Zollabfertigungsstellen auf den links⸗ rheinischen Bahnhöfen in Basel, ferner die internationale Uebereinkunft, betreffend die Hospitalschiffe, und schließlich
den Schiedsvertrag mit Portugal ratifisiert.
„Der Ständerat hat gestern die vom Nationalrat bereits be⸗ aäßten Kredite für die Errichtung schweizerischer Gesandt⸗ schaften in Petersburg und Tokio ebenfalls bewilligt. 8
Türkei.
Nach einer Meldung des „Wiener Telegr.⸗Korrespondenz⸗ bureaus“ ist die internationale Nügat⸗ vorgestern von Miytilene abgegangen und gestern im Piräus eingetroffen.
Der rumänische Gesandte in Konstantinopel “ hat wegen eines vor wenigen Tagen erfolgten Ueberfalls des Generalinspektors der kutzo⸗walachischen Schulen, Lazar Dorma, der zugleich rumänischer Vizekonsul ist, bei der Pforte ernste Vorstellungen erhoben und die Bestrafung der Schuldigen strenge Maßregeln gegen türkische Attentate verlangt
1“
Wege von Verhandlungen unter Berücksichtigung aller Bedenken der n, so müsse er doch aussprechen, daß die Hoffnung, illen brechen zu können, nie Gegensätze die Nation sich unbedingt unter⸗ einen mit Zustimmung der Nation eingeführten Absolutismus “ and⸗
8 und das informierten an Aber das Ab⸗ keine Hindernisse bereiten Er stelle daher den An⸗ trag, die Vertagung zur Kenntnis zu nehmen, gleichzeitig aber gegen Kt Nachdem der
Graf Tisza seine Zustimmung zu diesem Antrage ausgesprochen hatte,
In dem gestern abgehaltenen Ministerrat teilte der Ministerpräsident Rouvier mit, daß die Pforte die maze⸗ an endgültig angenommen Ministerpräsident brachte, „W. T. B.“ zufolge, ferner zur Kenntnis des Ministerrats, daß der französisch⸗ 1 gemäß den t. Wünschen Frankreichs gefunden hat, da der Präsident Castro Einspruch
un der Deputiertenkammer, „W. T. B.“ zufolge, daß die ReFiesans auf die Wiederherstellung des im Frühjahre dieses Jahres er⸗ mäßigten Einfuhrzolles auf ausländisches Getreide und e, und zwar zu dem Zwecke, um nicht eine Uneinigkeit
Man werde aber einen hauptsächlich
rats erläßt, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg meldet, einen
ufruf, worin es erklärt, daß dem Lande von der gegen⸗ wärtigen Regierung Gefahr drohe und der von dieser be⸗ Das Kampf⸗ von dem ferneren Verhalten der Regie⸗ seie mobil su machen, um für den Generalstreik bereit zu sein, wenn ein
lche Ferner veröffentlicht die gestern erschienene, neue sozialdemokratische Arbeiterzeitung „Sewerni Golos“ einen Aufruf des Zentralkomitees des all⸗ 1 Militärpersonen aller Waffengattungen, in dem die Offiziere, Mannschaften und Beamten Armee und der Flotte aufgefordert werden, dem Verbande beizutreten. Dieser bezwecke die Unterstützung der ewegung und als Endziel die Einberufung
Grundlage Stimmrechts einer von dieser Versammlung — Die Taktik des Verbandes werde bestehen in der Nichtanwen⸗ dung von Waffengewalt gegen die Freiheitskämpfer, Aufrecht⸗ erhaltung der Ordnung, Schutz der Bürger gegen wene se
russischen Armeestreiks. Als Schlußakt seiner Taͤtigkeit ver⸗
Die von der allbulgarischen Konferenz beschlossene Grün⸗ dung eines neuen nationalbulgarischen Zentral⸗ komitees zur Unterstützung des Befreiungswerks is wie „W. T. B.“ aus Sofia meldet, vollzogen worden.
as Komitee führt den Namen Wohltätigkeitsliga. Alle mazedonischen Brüderschaften, die bisher in Bulgarien be⸗ standen haben, werden aufgelöst und der neuen Liga einverleiht.
Montenegro.
Die Skupschtina ist gestern vom Fürsten Nikolaus mit einer Thronrede eröoöffnet worden, die zunächst das Richen Fürst und Volk seit Generationen bestehende gegen⸗ eitige Vertrauen betont, dessen Ergebnis die Gründung eines festen, seit 100 Jahren von der ganzen Welt als unabhängig anerkannten Staates gewesen sei, und sodann den Beschluß des Fürsten verkündet, an Stelle der Autokratie, trotz⸗ dem diese die Entwicklung und das Gedeihen des Landes nicht beeinträchtigt habe, ein anderes Regime zu setzen, das ctehedr⸗ auf dem Wege des Fortschritts weiter bringen werde.
Nach dem Bericht des „W. T B. kündigt die Thronrede sodann an, daß der Skupschtina ein Verfassungsgesetz sowie ein Gesetz über die Organisation Montenegros in militärischer, finan zieller und religiöser Beziehung zugehen werde, ver⸗ weist auf das zwischen Christen und Mohammedanern herrschende gute Einvernehmen und kommt dann auf die auswärtige Politik zu sprechen. In erster Linie nennt der Fürst Rußl and, dem Monte⸗ negro nach Gott den meisten Dank schulde, und gedenkt dann des Wohlwollens des Kaisers Franz Joseph und der niemals getrübten persönlichen Beziehungen zu diesem. Auch die Beziehungen zur Türkei seien freundschaftliche, und er zweifle nicht an den guten Willen des Sultans, den Frieden und die Ruhe her⸗ zustellen. Ein festes Freundschaftsband bestehe auch mit Italien, besonders seitdem zwischen beiden Dynastien verwandtschaftliche Bande entstanden seien. Der Fürst weist sodann auf den ihm in Berlin be⸗ reiteten festlichen Empfang und die durch Kaiser Wilhelm ver⸗ anlaßte Errichtung einer diplomatischen Vertretung Deutschlands in Cetinje hin und spricht die Hoffnung aus, daß auch der König von England, gleich der Königin Viktoria, Montenegro Wohlwollen entg'genbringen werde. Endlich gedenkt die Thronrede des guten Verhältnisses zu Serbien und Bulgarien und senbert die Montenegriner auf, die Verfassung hochzuhalten und zu schützen. 8
Nach dem Verlesen der Thronrede legte der Fürst den Eid auf die Verfassung ab. 8
In SHanghei haben sich, nach den eingegangenen Depeschen des „W. T. B.“, vorgestern und gestern die Ruhe⸗ störungen wiederholt, wobei mehrere Europäer getötet und verwundet worden sind. Da auch der deutsche und englische Konsul von Chinesen beschimpft worden sind, sind von den in Schanghai eingetroffenen Kriegsschiffen deutsche, englische und amerikanische Truppen gelandet worden, welche die offiziellen Gebäude und die Telegraphenämter bewachen.
Wie der „Daily Telegraph“ aus Tokio meldet, hat sich die Fortschrittspartei mit der liberalen Partei der Seiyoukwai um gemeinschaftlichen Vorgehen gegen die Regierung ver⸗ bunden, wodurch eine Ministerkrisis herbeigeführt worden ist. Der Ministerpräsident Graf Katsura hat den Führer der Seiyoukwai, Marquis Saionii, zur Neubildung des Ministeriums vorgeschlagen.
Parlamentarische Nachrichten. Das Mitglied des re nhnad⸗e Dr. Sommerwerck genannt Jacobi, Bischof von Hildesheim, ist am 18. d. M. gestorben. “ 8 8 t
Statistik und Volkswirtschaft.
Die Grundzüge der Knappschaftsnovelle.
Der dem Hause der Abgeordneten zugegangene Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Abänderung des 7. Titels im Allgemeinen Berggesetz für die preußischen Staaten vom 24. Juni 1865, bezweckt eine zeitgemäße Reform der berggesetzlichen Bestimmungen über das Knappschaftswesen. Eine Mitteilung der Grundzüge dieser Reform wird daher von al⸗ gemeinerem Interesse sein.
Das Allgemeine Berggesetz stellt den Knappschaftsvereinen bekanntlich die doppelte Aufgabe, den in berabaulichen Betrieben beschäftigten Arbeitern einerseits in Krankheitsfällen eine ausreichende Krankenunterstützung und anderseits im Falle ihrer Unfähigkeit zur Berufsarbeit eine laufende Invalidenunterstützung sowie im Falle ihres Todes weitere laufende Unterstützungen an die hinterbliebenen Witwen und Waisen zu gewähren. Die Vorschriften des von den Knappschafts⸗ vereinen handelnden 7. Titels im Allgemeinen Berggesetz haben bisher noch keine Abänderung durch die Landesgesetzgebung erfahren. Sie sind in das Allgemeine Berggeseß durchweg übernommen aus dem Preußischen Knappschaftsgesetz vom 10. April 1854, stehen also jetzt über ein halbes Jahrhundert in Geltung. Erlassen zu einer Zeit, in welcher das preußische Knappschaftswesen in wohl noch höherem Maße als unser damaliger preußischer Bergbau im Vergleich mit den heutigen Verhält⸗ nissen noch in den Kinderschuhen steckte, müssen diese gesetzlichen Vor⸗ schriften in vielfachen Beziehungen als veraltet bezeichnet werden. Hinzu kommt, daß der Knappschaftstitel des Allgemeinen Berggesetzes durch die Reichsgesetzgebung — insbesondere die Arbeiterversicherungsgesetzgebung des Reichs — in einem Maße geändert und beeinflußt ist, daß selbst unter den zünftigen Juristen nur kundige Spezialisten mit Sicherheit beurteilen können, ob eine einzelne Vorschrift noch heute zu Recht besteht oder in welchem Maße sie durch die Reichsgesetzgebung abge⸗ ändert worden ist. Das Bedenklichste indessen ist, daß die dauernde Leistungsfähigkeit unserer meisten Knappschaftsvereine nicht ausreichend sichergestellt erscheint, und daß unsere heutige Gesetzgebung keine Hand⸗ habe bietet, um den hieraus drohenden Gefahren begegnen zu können. Berücksichtigt man dabei die Tatsache, daß unsere preußischen Knappschafts⸗ vereine im Jahre 1904 mehr als 660 000 aktive Mitglieder in sich ver⸗ einten, denen die gesamte Krankenunterstützung — und zwar in dem gleichen Mindestmaße, wie dies für die Betriebskrankenkassen vorgeschrieben ist — zu gewähren ist, daß diese Knappschaftsvereine daneben und außerdem im Jahre 1904 an mehr als 69 000 Berufsinvaliden, 56 000 Witwen und 48 000 Waifen fortlaufende Pensionen zu ent⸗ richten hatten, und daß der Gesamtbetrag der neben der vollen reichs⸗ gesetzlichen Krankenunterstützung sowie unabhängig von den reichs⸗ gesetzlichen Unfall⸗ und Invalidenrenten im Jahre 1904 gewährten fortlaufenden Pensionen sich auf nahezu 28 ⅞ Millionen Mark be⸗ laufen hat, so erhellt ohne weiteres, daß die dauernde Leistungs⸗ fähigkeit der Knappschaftsvereine für weite Kreise unseres Volkes von ganz außerordentlicher Bedeutung ist. 8 Der Gesetzentwurf stellt sich hiernach die Aufgabe, einmal die berggesetzlichen Bestimmungen über das Knappschaftswesen mit den für letzteres maßgebenden Vorschriften der Reichsgesetzgebung in Cin⸗ klang zu bringen, und sodann die Lücken und Mängel zu beseitigen,
welche die heutigen berggesetzlichen Vorschriften über die Knappschafts⸗ e sachlich aufweisen. Eines Eingehens auf die ersterwähnte,
G “
auflösen und seine Mitglieder
r formale Aufgabe des Gesetzentwurfs bedarf es hier nicht. Da⸗ 8 die ee der im Entwurf vorgesehenen sachlichen Aenderungen näher zu erörtern sein.
Der Gesetzentwurf sieht es als seine Hauptaufgabe an, auf tunlichste Sicherstellung der den einzelnen Knappschafts⸗ vereinen obliegenden Leistungen hinzuwirken. Das preußische Knappschaftswesen krankt in dieser Beziehung an zwei Hauptübel⸗ ständen: einmal an der ungemeinen Zersplitterung in eine übergroße ahl von Knappschaftsvereinen und sodann an der Tatsache, daß ei den meisten Knappschaftsvereinen früher und zum Teil noch jetzt Beitrag. wn Leistungen nicht nach sachgemäßen Grundsätzen bemessen
rden sind. 84 8 Nach welchen Grundsätzen Beiträge und Leistungen zu bemessen sind, dafür fehlt es bisher an jeder gesetzlichen Bestimmung. Wenn es auch den Aufsichtsbehörden in den meisten Fällen bisher gelungen ist, Vereine, deren dauernde Leistungsfähigkeit in offerkundiger Weise in Frage gestellt erschien, zur Vornahme sachgemäßer Maßnahmen behufs Anbahnung einer Gesundung ihrer Finanzverhältnisse zu be⸗ wegen, so hat sich doch das Fehlen einer solchen ausdrücklichen Vor⸗ schrift bei diesen Verhandlungen als eine offenbare Lücke im bis⸗ herigen Gesetz bemerkbar gemacht, die unter allen Umständen jetzt aus⸗ gefüllt werden muß. . 11“
Ueberdies sind inzwischen im Krankenversicherungsgesetz für die diesem Gesetz unterliegenden Krankenkassen weitgehende Vorschriften etroffen, um die dauernde Leistungsfähigkeit dieser Kassen tunlichst cherzustellen. Ferner ist auch im Invalidenversicherungsgese verlangt, daß die Beiträge so bemessen sein müssen, daß die dauernde E üllbarkeit der vorgesehenen Leistungen gewährleistet ist. Insbesondere ist auch für die zur selbständigen Durchführung der Reichsinvalidenversicherung zugelassenen Knappschaftsvereine im Invalidenversicherungsgesetz vorgeschrieben, daß für die Anteile der Belastungen an den nach diesem Gesetz zu gewährenden Renten die nach dem Invalidenversicherungs⸗ gesetz zu erhebenden Beiträge maßgebend sein sollen. Ebenso ist in dem Reichsgesetz über die privaten Versicherungsanstalten vom 12. Mai 1901 für alle diesem Gesetz unterliegenden privaten Versicherungs⸗ unternehmungen, und damit selbst für die kleinsten Sterbekassen, die dauernde Erfüllbarkeit der Kassenleistungen zum gesetzlichen Erforder. nis gemacht und durch entsprechende gesetzliche Vorschriften tunlichst esichert worden. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit analoger Bestimmungen für die knappschaftlichen Pensionskassen wird hiernach einem begründeten Zweifel nicht unterliegen können.
Was zunächst die Krankenkassenleistungen anlangt, so schreibt der Entwurf, dem Krankenversicherungsgesetz folgend, vor: die An⸗ sammlung eines Reservefonds im Mindestbetrage der durchschnittlichen Jahresausgabe der drei letzten Jahre. Die hauptsächlichsten Gefahren Frohen den Knappschaftsvereinen indessen vor allem aus einer unsach⸗ emäßen Bemessung der Beiträge für die Pensionskassenleistungen. Fn dieser Beziehung verlangt der Entwurf fortan eine derartige Be⸗ messung der Beiträge, daß letztere unter Hinzurechnung der etwaigen weiteren Einnahmen der Pensionskasse und unter Berücksichtigung aller sonstigen für die Leistungsfähigkeit des Knappschaftsvereins in Betracht kommenden merg⸗ die dauernde Erfüllbarkeit der Pensionskassen⸗ leistungen ermöglichen. 1
Bei der überwiegenden Mehrzahl der preußischen Knappschafts⸗ vereine ist die Bemessung der Beiträge bisher nicht nach den im Entwurf aufgestellten Grundsätzen erfolgt. Das Ziel der hier in Rede stehenden Vorschrift wird hiernach in vielen Fällen nicht sofort, sondern erst in einer unter Umständen weitgesteckten Frist tatsächlich erreichbar sein. Der Entwurf sieht es daher in solchen Fällen als ausreichend an, daß durch die Satzung ein Plan festgelegt wird, welcher in einer den Umständen angemessenen Frist zu der tatsächlichen Er⸗ möglichung der dauernden Erfüllbarkeit führt. “
Das zweite Hauptübel unseres heutigen Knappschaftswesens ist — wie bereits erwähnt — die Zersplitterung in eine über⸗ große Zahl von Knappschaftsvereinen und die dadurch verursachte u geringe Mitgliederzahl vieler einzelnen Knappschaftsvereine. Es estehen zur Zeit im ganzen 72 Knappschaftsvereine. Von diesen
haben: 1 Verein eine Mitgliederzahl von 282 000 „ 113 000
49 000 8 2 „ 32 000 8 5 Vereine „ „ zwischen 10 000 und 20 000. Mithin haben von den 72 Knappschaftsvereinen nur 9 Vereine eine Mitgliederzahl von 10 000 und mehr Mitgliedern. Von den übrigen 63 Knappschaftsvereinen haben 27 Vereine eine Mitglieder⸗ zahl zwischen 1000 und 10 000 Mitgliedern, und gar 36 Vereine eine Mitgliederzahl von weniger als 1000 Mitgliedern, und zwar hinab bis unter 10 Mitglieder . 3 Wenn auch die Bergbehörden ihren ganzen Einfluß aufgeboten haben, um die Knappschaftsvereine zu veranlassen, sich zu leistungs⸗ fähigen Vereinen zusammenzuschließen, so hat doch die Erfahrung ge⸗ lehrt, daß auf dem Wege des freiwilligen Zusammenschlusses zu einem durchgreifenden Erfolge nicht zu gelangen ist. Zur Beseitigung dieses Uebelstandes sind daher im Entwurf der Aufsichtsbehörde die nach⸗ stehenden Befugnisse beigelegt worden: Ist die Leistungsfähigkeit eines Vereins derart gefährdet, daß eine dauernde Abhilfe nicht mehr zu erwarten ist, so soll die Aufsichtsbehörde den Verein einem anderen Verein überweisen können, letzteres naturgemäß mit der Maßgabe, daß gegen den neuen Verein aus der bei dem aufgelösten Verein verbrachten Beitragszeit Ansprüche nicht geltend gemacht werden können. Ferner soll die Auf⸗ sichtsbehörde befugt sein, im Interesse der dauernden Sicherstellung r Ansprüche der Mitglieder die Vereinigung von zwei oder mehreren ensionskassen anzuordnen, und zwar in der Weise, daß entweder die vpollständige Vereinigung der Pensionskassen erfolgt, oder daß sie ihre elbständigkeit behalten, aber sich zu einem Rückversicherungsverband vereinigen. Diese Maßnahmen dürften eine ausreichende Handhabe bieten, die übermäßige Zersplitterung des preußischen Knappschafts⸗ esens allmählich zu beseitigen. 8 Ein weiterer sehr erheblicher Mißstand des heutizen Knapp⸗ schaftswesens besteht in der Tatsache, daß die Freizügigkeit der dem Knappschaftszwang unterworfenen Personen eben durch diesen wang beeinträchtigt erscheint. Regelmäßig ist mit der Beendigung der zur Mitgliedschaft verpflichtenden oder berechtigenden Beschäftigung, sofern diese Beendigung nicht durch Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt ist, uch der Verlust der Mitgliedschaft verbunden; der Verlust der Mit⸗ gliedschaft hat aber durchweg auch den Verlust aller erworhenen An⸗ sprüche zur Folge. Die vorbehaltlose Anwendung dieser im allgemeinen aus dem Wesen der Knavppschaftsvereine sich ergebenden Sätze würde indessen namentlich in den Fällen zu einer großen deun führen, wenn ein Mitglied nach längerer Mitgliedszeit von inem Vereinswerk abkehrt und bei einem Werke, welches zum Bezirk eines anderen Knappschaftsvereins gehört, die Arbeit wieder aufnimmt, oder wenn es — sei es zeitweise, sei es dauernd — aus knappschafts⸗ llcchtiger Beschäftigung überhaupt ausscheidet. Es wird daher dafür Sorge getragen werden müssen, daß denjenigen Personen, welche ge⸗ wungen sind, sich knappschaftlich zu versichern, die mit der knapp⸗ schaftlichen Versicherung verfolgten Zwecke auch dann erhalten bleiben, 8g diese Personen von ihrem Recht der Freizügigkeit Gebrauch machen. Neach dieser Richtung hin fehlte es bisher an ausdrücklichen gesetz⸗ lichen Vorschriften. Dagegen hat ein Teil der Knappschaftsvereine aus eigener Entschließung oder auf Drängen der Aufsichts behörde Maßnahmen getroffen, um ihren Mitgliedern beim Ausscheiden aus der Beschäftigung auf den Vereinswerken die bisherigen Beitrags⸗ leistungen nicht verloren gehen zu lassen. Dieser Zweck wurde dadurch iu erreichen gesucht, daß mit anderen Knappschaftsvereinen im Wege des Vertrages ein sogenanntes Gegenseitigkeitsverhältnis vereinbart, und daß ferner durch die Satzung denjenigen ausscheidenden Mit⸗ gliedern, welche nicht einem anderen Knappschaftsverein beitraten, die Möglichkeit gegeben wurde, sich ihre bisher erworbene Anwartschaft auf spätere Pensionskassenleistungen zu erbalten. Das vertragliche Gegenseitigkeitsverhältnis beruhte auf der undlage, daß das ausscheidende Mitglied aller Ansprüche an den
1.
bisherigen Knappschaftsverein verlustig ging, dagegen in dem neuen
Knappschaftsvereine so behandelt wurde, als sei es bereits während seiner ganzen Dienstzeit in dem alten Verein Mitglied des neuen Vereins gewesen, und daß derjenige Verein, bei welchem der Für⸗ sorgefall für das betreffende Mitglied eintrat, die Gesamtheit dieser Fürsorge allein zu tragen hatte. Diese 898. erscheint indessen nur dann als sachgemäß, wenn die Beiträge und Leistungen bei den in Betracht kommenden Vereinen wenigstens annähernd die gleichen sind, und wenn die Zu⸗ und Abgänge der Vereinsmitglieder in ihrer Wirkung auf die einzelnen Vereine sich wenigstens annähernd gegen⸗ seitig aufheben. 1 .
Beide Voraussetzungen treffen jedoch für die Gesamtheit der preußischen Knappschaftsvereine nicht zu. Es ist daher sehr erklärlich, daß ein allgemeines Gegenseitigkeitsverhältnis unter den preußischen Knappschaftsvereinen bisher nicht zustande gekommen ist, sondern daß dieses Vertragsverhältnis, wo es besteht, sich meist nur auf ver⸗ hältnismäßig wenige Knappschaftsvereine beschränkt. Der Ent⸗ wurf sieht daher auch ferner als feststehend an, daß auf dieser Grundlage des vertraglichen Gegenseitigkeitsverhält⸗ nisses die gesetzliche Regelun der Mitgliederansprüche bei Vereinswechsel für die preußischen Knappschaftsvereine nicht er⸗ folgen kann. Für diese Vereine wird vielmehr eine sachgemäße gesetz⸗ liche Regelung nur auf der Grundlage erfolgen können, daß hei Ver⸗ einswechsel die Bemessung der Invalidenunterstützungen und Witwen⸗ unterstützungen unter Berücksichtigung der Ansprüche erfolgt, welche nach den Satzungen der im Einzelfall in Betracht kommenden Knapp⸗ schaftsvereine von dem betreffenden Mitglied in diesem Verein er⸗ worben sind, und daß an der Aufbringung dieser Unterstützungen sämt⸗ liche Vereine, denen das Mitglied angehört hat, beteiligt werden.
Die Ausführung dieses Grundgedankens hat allerdings zur un⸗ umgänglichen Voraussetzung, daß die bisherige Autonomie der Knapp⸗ schaftsvereine in der Art der Berechnung ihrer Pensionskassenleistungen bis zu einem gewissen Grade eine gesetzliche Einschränkung erfährt. Den geringsten Eingriff in die bestehenden Verhältnisse bietet folgender Weg: die Invalidenunterstützungen und Witwen⸗ unterstützungen werden lediglich nach in Zeitabschnitten ein⸗ tretenden Steigerungssätzen, also unter Fortfall der hisher meist üblichen Grundbeträge, abgestuft; die genannten Unter⸗ stützungen bemessen sich alsdann aaf die Summe der von dem einzelnen Mitglied erdienten Steigerungssätze; sind letztere in verschiedenen Knappschaftevereinen erdient, so fällt jedem einzelnen Verein die Summe derjenigen Steigerungssätze zur Last, welche von dem Mit⸗ glied in dem betreffenden Verein erdient sind. Für diesen Weg hat sich der Allgemeine Deutsche Knappschaftsverband, welchem fast sämt⸗ liche preußischen Knappschaftsvereine angehören, auf Grund ein⸗ ehendster Erörterungen nahezu einstimmig ausgesprochen. Dieser Wes ist auch dem Entwurf zu Grunde gelegt.
Zur Herbeiführung der knappschaftlichen Freizügigkeit bedarf in⸗ dessen noch der weitere Fall der Regelung, daß mit dem Ausscheiden aus einem Knaxppschaftsverein der Eintritt in eine andere Knapp⸗ schaftspensionskasse nicht verbunden ist. In dieser Beziehung räumt eine Anzahl von Knappschaftsvereinen heute bereits dem ausscheidenden Mitglied das Recht ein, den bis zum Ausscheiden erworbenen An⸗ spruch durch Zahlung einer Anerkennun sgebühr aufrechtzuerhalten. Der Entwurf schreibt diese Einrichtung für alle Knappschaftsvereine gesetzlich vor. 85 8
Weiter sieht der Entwurf eine Aenderung vor hinsichtlich der Aufbringung der Mittel für die den Knappschaftsvereinen obliegenden Leistungen. Die bisherige Vorschrift, daß die Werks⸗ besitzer mindestens die Hälfte der Beiträge der von ihnen be⸗ schäftigten beitrittspflichtigen Mitglieder zu entrichten hatten, ist namentlich mit Rücksicht auf den Umstand, daß nach den bis⸗ herigen und künftigen gesetzlichen Bestimmungen Vorstand und Generalversammlung sich je zur Hälfte aus Vertretern der Werks⸗ besitzer und der Mitglieder zusammensetzen, dahin geändert worden, daß die Werksbesitzer die gleichen Beiträge zu entrichten haben, wie die von ihnen beschäftigten beitrittspflichtigen Mitglieder, zu⸗ mal bei dem bisherigen gesetzlichen Beitragsverhältnis die zur Sanierung erforderlichen Mittel vielfach überhaupt nicht aufgebracht werden könnten und die Werksbesitzer bei den Vorberatungen über den Gesetzentwurf in ihrer überwiegenden Mehrzahl sich mit dieser Mehrbelastung einverstanden erklärt haben. Ferner beseitigt der Ent⸗ wurf den bisher in einzelnen Knappschaftsvereinen noch bestehenden Mißstand, daß auch diejenigen Mitglieder, welche satzungsgemäß keine Antwartschaft auf Pensionskassenleistungen erwerben können, gleichwohl zu den gleichen oder annähernd gleichen Beiträgen herangezogen wurden wie die vollberechtigten Mitglieder. 8
Sodann ist auch die Organisation der Knappschafts⸗ vereine von der Reform nicht unberührt geblieben. Zunächst wird im Interesse der anzustrebenden Sanierung der Knappschafts⸗ vereine verlangt, daß die beiden den Knappschaftsvereinen gefetzlich obliegenden Versicherungszweige — die Krankenversicherung er⸗ seits und die Invaliden⸗, Witwen⸗ und Waisenversicherung anderer⸗ seits — innerhalb der einzelnen Knappschaftsvereine rechnungsmäßig voneinander getrennt gehalten werden. Weiter wird vorgeschrieben, daß die zur Teilnahme an der Verwaltung berufenen Vertreter der Mitglieder, die sog. Knappschaftsältesten, nach dem Vorgang der Reichsgesetzgebung auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung und der Novellen zum Allgemeinen Beragesetz vom 24. Juni 1892 und vom 14. Juli 1905 in geheimer Wahl gewählt werden müssen. End⸗ lich fehlt es im bisherigen Gesetz an jeder Bestimmung darüber, was zu geschehen hat, wenn die zur Verwaltung des Knappschafts⸗ vereins gesetzlich berufenen Organe nicht vorhanden sind, oder wenn diese Organe gesetzlich oder satzungsmäßig ihnen obliegende Verpflichtungen nicht erfüllen. Nach dem Entwurf kann das Oberbergamt in beiden Fällen entweder selbst oder durch Beauftragte die Befugnisse dieser Organe wahrnehmen, ähnlich wie dies im Krankenversicherungsgesetz für solche Fälle vorgesehen ist. Schließlich erstreckt sich die Reform des Knappschafts⸗ wesens auch auf die Rechtsmittel, welche gegen die Entscheidungen über Mitgliederansprüche gegeben sind. Nach dem bisherigen Recht ist gegen alle Entscheidungen des Knappschaftsvorstandes die Beschwerde an das Oberbergamt und in weiterer Instanz die Beschwerde an den Minister für Handel und Gewerbe zugelassen. Daneben steht aber hinsichtlich aller Entscheidungen über solche Ansprüche, für welche an und für sich der Rechtsweg zulässig sein würde, auch der Rechtsweg offen. Es liegt auf der Hand, daß die dadurch den Knappschaftsmitgliedern und ihren Angehörigen gegebene Möglichkeit, einen und denselben Anspruch sowohl im Beschwerdewege bei den Aufsichtsbehörden als auch im Klagewege bei den ordentlichen Gerichten geltend zu mochen, zu Unzuträglichkeiten führen kann, die namentlich in der Rechtsunsicher⸗ heit bestehen, welche durch das Nebeneinanderbestehen einander wider⸗ sprechender endgültiger Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und der Gerichte notwendig bervorgerufen wird. Tatsächlich sind diese Unzuträglichkeiten in der Praris auch recht empfindlich zutage getreten.
Der Entwurf sieht daher vor, daß über die Ansprüche der Mit⸗ glieder und ihrer Angehörigen fortan nicht mehr Beschwerdeweg und Rechtsweg nebeneinander zulässig, sondern daß für eine bestimmte Entscheidung stets nur eine Behörde zuständig ist. 1
Insbesondere sind die Rechtsmittel gegen Entscheidungen über Krankenansprüche im Anschluß an das Krankenversicherungsgesetz dabin geregelt, daß zunächst die Beschwerde an das Oberbergamt und nach dessen Entscheidung binnen einer Ausschlußfrist der ordentliche Rechts⸗ weg gegeben ist. Gegen die Entscheidungen über Pensionskassen⸗ ansprüche wird dagegen ein schiedsgerichtliches Verfahren unter Aus⸗ schluß des Rechtswegs zugelassen. 1
Diese in ihren Grundzügen skizzierte Reform des Knoppschafts⸗ wesens ist allerdings in mehrfacher Beziehung recht einschneidender Art. Indessen wird es ohne ein derartiges Eingreifen nicht möglich sein, unser Knappschaftswesen auf die Dauer leistungsfähig zu er⸗ halten und zugleich den Segen aus dieser Einrichtung zu ziehen, den sie unserer Bergbau treibenden Bevölkerung überhaupt zu verschaffen vermag.
Erhebungen über den utz in Sup fabriken.
Bei der Fabrikation von Superphosphat sind die Arbeite mannigfachen gesundheitsschädlichen Einflüssen ausgesetzt. Haupt sächlich bietet die Verbreitung des Mineralstaubs in den Arbeits⸗ räumen und das Auftreten giftiger Gase und Dämpfe Anlaß zu gesundheitlichen Bedenken. Die Gewerbeaufsichtsbeamten haben daher, wie ihre Jahresberichte ergeben, den Superphosphatfabriken bereits seit längerer Zeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet Zum Schutze gegen Vergiftungen durch schädliche Gase sind ferner von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie besondere Unfallverhütungsvorschriften für Düngerfabriken erlassen. Behufs um⸗ fassenderer Bekämpfung der in jenen Betrieben obwaltenden Gesund. heitsgefahren hat neuerdings der Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner die Bundesregierungen um die Anstellung eingehender Ermittlungen über die Einrichtung und den Betrieb der Superphosphatfabriken ersucht. Auf Grund des Ergebnisses der Er⸗ hebungen soll geprüft werden, ob zum Schutze der Arbeiter in Super⸗ phosphatfabriken einheitliche Vorschriften gemäß § 120 e der Gewerbe⸗ ordnung zu erlassen sind. 8
Fleischteuerung in Argentinien.
Wie die Erscheinung der Fleischteuerung international ist, zeigt folgende, in der „Zeitschrift für Sozialwissenschaft“ wiedergegebene Mitteilung der „La Plata⸗Post“: 1
„In Rosario kostet jetzt das Fleisch letzter Qualität 45 — 50 Ctvs. das Kilo. Angesichts dieses exorbitanten Preises wäre es angebracht, daß die Rosariner Munizipalität das Beispiel derjenigen von San Luis nachahmte, die den Fleischverkauf in eigene Regie nahm und das Fleisch für 20 Ctvs. das Kilo verkauft.“ 8
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Leipzig wird der „Köln. Ztg.“ telegraphiert: Im Noten⸗ stechergewerbe (vgl. Nr. 290 d. Bl.) ist eine Einigung erzielt worden. Die Gehilfen verzichteten auf eine Verkürzung der Arbeits⸗ zeit und nahmen die ihnen angebotene 8⸗ bis 9 ½ %ige Lohnerhöhung an. Ein neuer Tarif ist bis zum 30. September 1908 vereinbart.
In Hamburg ist, wie der „Frkf. Ztg.“ gemeldet wird, ein gegen die Zollverwaltung gerichteter Streik der zwischen Ham⸗ burg und Harburg verkehrenden Ewerführerfirmen zum Ausbruch gekommen. Die vier dabei beteiligten Firmen haben ihren Arbeitern, insgesamt 500 Mann, gekündigt, weil die Zollbehörde ihre Zollüberwachungsgebühren erhöht hat. Es ist ein Telegramm des Finanzministers eingetroffen, das diese Erhöhung bis zur endgültigen Prüfung der Angelegenheit aufschiebt.
In wollten sich gestern, wie „W. T. B.“ meldet, aus⸗ ständige Erdarbeiter (vgl. Nr. 288 d. Bl.) nach dem Ministerium des Innern begeben, um dort ihre Forderungen vorzubringen. Sie wurden von der Polizei zurückgetrieben. Dabei kam es zu einem Handgemenge, bei dem mehrere Ausständige und mehrere Polizisten verletzt wurden.
1“ Kunst und Wissenschaft. 8
A. F. „Die wirtschaftliche Entwickelung von Kamerun“ lautete das Thema eines Vortrags, den Dr. Schulte im Hofe am letzten Montag in der Deutschen Kolonialgesellschaft, Ab⸗ teilung Berlin, hielt. Wie kommt es, so fragte der Vortragende einleitend, daß vielfach Männer, die aus eigener Anschauung unsere Kolonien kennen, ohne Einfluß auf die die Kolonien betreffenden Entschließungen und Maßnahmen bleiben? Wahrscheinlich wohl daher, meinte der Redner, daß die entscheidenden Persönlich⸗ keiten die Kolonien aus eigener Wahrnehmung oftmals nicht kennen und aus dem Für und Wider der Ansichten, denen sie bei Männern, die an Ort und Stelle waren, begegnen, nicht leicht zu eigenen, bestimmten Ansichten gelangen. Ganz unberechtigt ist ja eine gewisse vorsichtige Zurückhaltung gegen die Mitteilungen dieser Leute nicht, denn nicht selten besteht bei ihnen der Wunsch, die eigenen Leistungen für bestimmte Zwecke in helleres Licht zu setzen, als vielleicht berechtigt ist. Ein Beispiel redet, so führte der Redner weiter aus, für viele: Die sogenannte westafrikanische Kautschukexpedition datiert von ihrer Initiative den Aufschwung der Kautschukkulturen in Kamerun, während schon 1898 Dr. Preuß im botanischen Garten von Viktoria jene Kixia, für deren Anbau als für Kamerun am geeignetsten man sich entschieden, in größeren Beständen angepflanzt und den Interessenten empfohlen hat. Eben dieser botanische Garten ist im Schwanken der Meinungen über seinen Wert und seine Leistungen ein redendes Beispiel dafür, wie notwendig eigene feste Meinungen in den maß⸗ gebenden Kreisen sind und wie sehr es deshalb zu begrüßen und will⸗ kommen zu heißen ist, daß sich neuerdings Männer aus diesen Kreisen zur Gewinnung eigener Anschauungen in die Kolonie begeben haben. Die Exrkursion der sechs Reichstagsmitglieder nach Togo und Kamerun, deren eines seine Erfahrungen und Beobachtungen jüngst in einem lesenswerten Buch veröffentlicht hat, ist in diesem Sinne ein äußerst dankenswertes Unternehmen zu nennen, und wenn der Geheime Kommerzienrat Lenz, der Eisenbahnerbauer in der Kolonie, sich jener Reisegesellschaft angeschlossen hat, so ist auch das im gleichen Sinne als erfreulich anzuerkennen; denn es wird dieser Herr von dem Wind der hin⸗ und hergehenden Meinungen frei ge⸗ macht und ihm die ganze Bedeutung einer, womöglich zweier, richtig geführter Bahnen in Kamerun zur Erschließung des Inneren von der Küste aus, an Stelle des früheren, etwas phantastischen Projekts nahe⸗ gelegt sein. Diese und ähnliche sich voraussichtlich weiter an⸗ chließenden Kenntnisnahmen durch maßgebende Persönlichkeiten werden hoffentlich die Folge haben, von dem bisher befolgten System, ohne Rücksicht auf die vorhandenen Macht⸗ und Geldmittel möglichst schnell die ganze Kolonie in Verwaltung zu nehmen, abzulenken zu Gunsten eines besonnenen, planmäßigen Vorgehens von der Küste aus zum Zweck der allmählichen Erschließung, Angliederung und sicheren Ge⸗ winnung der Kolonie. Vielleicht liegen in der Anwendung des gegen⸗ wärtigen Systems wirksamere Ursachen für die Unzufriedenheit der Eingeborenen, die in Ostafrika zum Aufstande führte, als in der zu Unrecht viel geschmähten Hüttensteuer. Täuschen wir uns doch nicht darüber: Auch bei uns in Deutschland würde die Steuereinziehung nicht so friedlich ablaufen, stände hinter dem Steuerzettel nicht der Gerichtsvollzieher und die Macht des Gesetzes. Es wäre sicher ein Fehler, die Hüttensteuer wieder abzuschaffen, weil ihr zu Recht oder iu Unrecht die Schuld an der Unzufriedenheit der Eingeborenen zugeschrieben wird. Man reglementiere nicht zuviel und stets mit der größten Ueberlegung; aber man hüte sich mehr noch vor Unstetigkeit und Unbeständigkeit in der Verwaltung und einem öfteren Wechsel der Maßnahmen. Man schlage am Sitz der Zentralbehörde der Kolonie auch nicht in überhebendem Besser⸗ wissen die eingehenden Berichte, einschließlich der von den Dorfschulzen anlangenden, in den Wind, sondern sichte sie und würdige se.
.“ Land⸗ und Forstwirtschaft
Anbau und Ernte der wichtigsten Körnerfrüchte in Oesterreich 1904.
Das von dem K. K. Ackerbauministerium zu Wien herausgegebene „Statistische Jahrbuch“ für 1904 bringt über die Anbauflächen und Ernteerträge der wichtigsten Körnerfrüchte in den im Reichsrat ver⸗ tretenen Ländern der österreichischen Monarchie folgende Zahlen.
Von der bei der Katastralrevision im Jahre 1896 auf 10 624 852 ha festgestellten Gesamtackerfläche entfielen auf den Anbau von Weizen, Roggen, Gerste (Winter⸗ und Sommerfrucht), Hafer und Mais
6 385 650 ha oder 60,1 Hundertteile. Im einzelnen ergaben sich für 1904 und die vier Vorjahre Hektar: 8 8