Kunst und Wissenschaft. Die Ausgrabungen bei Haltern i. Westf. 1905.
Die Ausgrabungen bei Haltern haben den ersten Reiz der Neuheit verloren, wenigstens für einen großen Teil des Publikums, in le
Sinne auch für uns. Das schadet nichts. Nach den ersten
rfolgen
drängte alles danach, rasch Klarheit über die ausgedehnten römischen
Anlagen zu gewinnen.
Jetzt gilt es, in bedächtiger Arbeit die ge⸗
wonnenen Resultate zu festigen und das schöne Untersuchungsobjekt nach allen Richtungen wissenschaftlich auszubeuten, wenn das auch
bisweilen an Zeit d mancher den Kopf dazu schüttelt und meint, wir uns doch gar zu tief in den Halterner Sand hinein
Ausgrabung wie diese, die uns das erste sichere Römer⸗
und Geduld harte Anforderungen stellt und
wühlten Eine
lager Nordwestdeutschlands gebracht hat, und dieses unter verhältnis⸗ mäßig so günstigen Untersuchungsbedingungen, muß noch viel mehr
ergeben, als sie bisher schon ergeben hat. Im übrigen sorgt das Objekt schon selbst dafür, daß man immer wieder durch kleine und ⸗ Ueberraschungen in Eifer gehalten wird. Die „Tücke des Objekts“ haben wir in Haltern oft genug kennen gelernt. Wenn man gerade meint, nun müsse die Arbeit glatt weiter, laufen, und es werde alles schön und regelmäßig herauskommen, dann steckt gewiß gerade an der Stelle eine recht nette Schikane im Boden, die uns ein paar Tage aufhält. Und wenn man immer wieder von der starren Regelmäßigkeit der römischen Anlagen redet, so sind wir in Haltern nachgerade dahin gekommen, jede Unregelmäßigkeit für möglich zu halten.
Das Programm für die letztjährige Ausgrabung, die wieder von dem um die westfälische Forschung so verdienten Vorsitzenden der Alter⸗ tumskommission für Westfalen, Professor Dr. Koepp und dem Direktor der römisch⸗germanischen Kommission geleitet wurden, war klar vor⸗ gezeichnet. In erster Linie galt es, Klarheit über die Disposition des „großen Lagers“ zu schaffen. Nachdem 1904 die ältere und jüngere Ostfront mit ihren Toren genau untersucht war, mußten jetzt die Tore der anderen drei Seiten gesucht werden, Hauptstraßen können. Das Tor der Südseite wurde erfreulich rasch gefunden. Etwas westlich von der Lagermitte führt ein alter Hohlweg, die Grenze der Halterner Mark, quer durch das Lager hindurch. Es stellte sich heraus, daß er noch heute über die Erdbrücke des alten südlichen Lagertores führt ein Zeichen dafür, wie schwer solche Wege sich verlegen; denn wir müssen danach annehmen, daß er schon zu einer Zeit über diese Stelle führte, als im übrigen noch der Kastellgraben, von dem jetzt äußerlich längst keine Spur mehr zu sehen ist, ein Verkehrshindernis bildete. Das Tor gleicht im Grundriß vollkommen den beiden im Osten schon erforschten
Toren: hinter dem westlichen Torturm fand sich als etwas Neues im
Boden ein großes, sehr sorgfältig gepflegtes Wasserbassin, dessen Wände durch eine starke Lehmschicht und Spuren der Holzverschalnng kennt⸗ lich waren. — Auch das Westtor kam, dem östlichen genau gegenüber d. h. nicht genau in der Mitte der Westseite, nach kurzem Suchen zum Vorschein. Glaubten wir nun des Nordtores vollkommen sicher zu sein, zumal der oben erwähnte alte Weg auch die Nordseite des Lagers dem Südtore gegenüber durchschnitt, so hatten wir freilich zu früh triumphiert. Nach langem vergeblichen Suchen wurde es an einer Stelle gefunden, wo wohl niemand mehr es erwartet hatte: anz nahe an die Nordwestecke herangeschoben, kam es zum Vorschein!
as einzige, was diese Stelle für sich anführen kann, ist, daß hier der höchste Punkt der Lagers liegt, und so die Tortürme zugleich den besten Aussichtspunkt boten.
Nun versuche sich bei dieser verschobenen Lage der Tore einer, ein Bild von der inneren Einrichtung des Lagers zunächst von der Voraussetzung auszugehen hat, daß die beiden Haupt⸗ straßen des Lagers sich rechtwinklich schneiden und der Hauptbau in die Längsachse des Lagers zu liegen kommt. Wo stecken in diesem Lager Praetorium, Principia usw.7 Daß bei unsere bisherigen Tastungen im Innern keinen befriedigenden Erfolg hatten, wird uns keiner verdenken. Diese der kommenden Kampagne vorbehalten. Gerade von der Er⸗ forschung des Inneren versprechen wir uns vichtige
auch für den Charakter der ganzen Anlage. weilen haben unsere Grabungen im Innern uns durch einen der besten kommen ist.
das Eingußloch, während der hochgestreckte Haarschopf zu einem
— um damit den Zug der des Lagers und die Lage der Hauptgebäude feststellen zu
des Römerplatzes bei ltern immer mehr hervortrat, da war es ganz selbstverständlich, daß die Frage, ob Haltern am Ende das so viel gesuchte Aliso sei, aufgeworfen wurde, und auch nicht unverständlich, daß die Frage von vielen energisch bejaht wurde. Vieles sprach dafür, und wirklich durchschlagende Gründe gegen die Identifizierung sind bisher nicht vorgebracht worden. Demgegenüber ist aber immer wieder zu betonen, daß die Bedeutung der Funde bei Haltern nicht von dieser Gleich⸗ setzung abhängig ist und nicht mit dem Moment schwindet, wo ein anderer Ort ihnen den Namen Aliso streitig macht. Ebenso ist auch die Bedeutung der Funde von Oberaden nicht mit dem Maßstabe Aliso zu messen. Als die Entdeckung bei Oberaden bekannt wurde, wurde natürlich sofort diese Identifizierung vorgenommen, Haltern verlor ein gut Teil seines Nimbus, und die in Haltern sich ab⸗ mühten, konnten so zu sagen Kondolenzbesuche empfangen. Jetzt hat Herr Pfarrer Prein die Ergebnisse seiner sehr sorg⸗ fältigen und gründlichen Lokalforschungen in einer Schrift „Aliso in Oberaden“ herausgegeben. Auf ihren reichen Inhalt kann hier natür⸗ lich nicht eingegangen werden. Ich kann hier nur meinen Stand⸗ punkt in der Füage kurz festlegen. Ich habe persönlich nie behauptet, Aliso müsse bei Haltern gelegen haben. Aber ich bin auch jetzt noch nicht überzeugt, daß es nicht bei Haltern gelegen haben kann, nament⸗ lich auch durch die Funde von Oberaden nicht. Ich halte anderer⸗ seits eine Ansetzung von Aliso bei Oberaden nicht für unmöglich. Aber bewiesen ist sie nicht. Nach den unzureichenden Zeugnissen der Schriftsteller können wir Aliso nun einmal nicht fixieren. Das ist das sicherste Resultat all des Streitens hin und her. Finden müssen wir es. Bei Haltern ist ein so bedeutender Römerplatz, Feine so feste, dauernde Anlage herausgekommen, die wohl Aliso sein könnte. Was bei Oberaden herauskommt, wissen wir noch nicht. Das muß erst die genaue Untersuchung lehren, die dem in vieler Hinsicht interessanten Punkt natürlich zuteil werden wird. Hat Haltern bisher voraus, daß seine hohe Bedeutung schon nachgewiesen ist, so kann Oberaden sich auf ein anderes berufen, auf eine Namens⸗ gleichung. Denn an dem Ort, der jetzt durch die römischen Reste als römischer Haltepunkt erwiesen ist, hängt, wie Prein nachgewiesen hat, seit ältesten Zeiten der Name Else, das mit Aliso sehr wohl zusammen⸗ hängen kann. Aber Namen wie Else kommen zu häufig vor, als daß man diesem Argument allzu fest vertrauen dürfte. Nach wie vor bleibt die Entscheidung der Zukunft vorbehalten. Oberaden darf uns an der Bedeutung von Haltern nicht irre machen; und andererseits dürfen wir uns durch vorgefaßte Meinung für Haltern nicht gegen Oberaden einnehmen lassen. Ruhig und objektiv heißt es an die Arbeit gehen. Zunächst muß der Boden von Oberaden befragt werden, was er denn birgt. Und birgt er in der Tat Reste, die so bedeutend
zu machen, bei der man
dieser verzwickten Anlage Aufgabe bleibt
Auf. Einst.
der in Haltern bisher zum Vorschein ge⸗
Eine Art rohen Trinkhorns ist aus zwei Masken 1 8 4 3F 5 8 9 1 8 2 8 2. g
zusammengefügt. Der weitgeöffnete Mund der oberen bildet zugleich willigung von Wohnungsgeldzuschüssen vom 30. Juni
Widderkopf umgebildet ist und dessen Schnauze, ein kleines Loch, die
Ausflußöffnung darstellt.
in den bacchischen Kreis verweist — ein Unikum nicht nur in Haltern
2. Die Unterseite des Gefäßes bildet eine mit köstlichem Humor flott modellierte Maske, die ihr Epheukranz
und eine neue Zierde des Museums in Haltern, das nun in abseh⸗
barer Zeit, dank der hochherzigen Beihilfe, die dem Halterner Alter⸗ tumsverein von Seiner Majestät dem Kaiser gespendet ist, in würdigen Räumen so wird aufgestellt werden können, wie es das verdient.
Erwähnt sei hier noch, daß auf Grund der gesammelten Beobachtungen
äber die Wallkonstruktion auch ein neuer Versuch gemacht ist, den Wall durch eine Rekonstruktion anschaulich zu machen. Mit Hilfe von
„ die Seine Exzellenz der Herr Kultusminister zu gewähren die Geneigtheit hatte, ist an der Nordwestecke ein Stück Wall wieder ausgebaut, dessen wesentliche Teile jetzt wohl als unzweifelhaft richtig bezeichnet werden können.
Den Aufbau leiteten die Herren Geheimer:
Baarat Biermann und Intendantur⸗ und Baurat Schmedding. 1
Eine weitere Aufgabe des Jahres 1905 war die Verfolgung des
Grabdens eines dritten, auf dem Plateau bei Haltern gelegenen Lagers. An der Ostfront des „großen Lagers“ war schon in der Kampagne ein weiterer zum Vorschein
Befestigungsgraben . ge⸗ kommen, der eines mit etwas
einen Teil der Ostfront ver⸗
ersten
schobener Achse angelegten, nach dem Befund älteren Lagers bilden
mußte. Auch hier wurden wir überrascht. Grabens warden wir in weitem Bogen un Vestseit des „großen Lagers“ durch die Aecker geführt. Es ergab sich ein daß das bisher sogenannte große Lager an Umfang weit über⸗
und 30 ha gegenüber den 20 ha des „großen Lagers“ umfaßt.
Bei
Verfolgung des um die Nord⸗ und Westseite
Es hat also vor der Anlage des großen Lagers hier oben schon ein
Römerlager gestanden; da es bei nur einem Graben und bei dem Fedlen jedes tiefgehenden Wallgerüstes weit weniger 2 4 2 3 22 222½ . spätere Anlage, so betrachten wir es als eine nur für beschränkte Zeit lagers“. Leider müssen wir nach dieser Entdeckung fürchten, daß die Erforschung des Lagerinneren noch schwieriger sein wird, als wir gedacht, da wir jett auf dem ganzen Lagerterrain auch mit den verwirrenden
——2 und
fest war als die
lassen ihm einstweilen den Namen des „Feld-
Spuren des Feldlagers zu rechnen haben. Die Bedeutung des Römer⸗ platzes bei Haltern ist aber auch durch diese Feststellung wieder in er⸗
ce Maße denklich ins Wanken geraten, da ihm ein
sen ist. Römervlaß
Westfatens. Nachdem in Haltern die erste sichere römische
—
ist das Ansehen von Haltern im Pablikum be⸗ Bank 12 bm Ffährlicher Konkurrent Seit dem September ist Haltern nicht mehr der einzige
Anlage festgestellt war, mußte das Streben dahin gehen, nun von
hier aus weiter zu kommen und weitere Römerspuren im Lande nach⸗
zuweisen. Jept ist der erste erfreuliche Schritt über Haltern hinaus Bei dem Ort Oberaden, etwa 4 km östlich von Lünen an
an. — Seseke, nicht weit von ihrer Mündung in haben der Pfarrer Prein⸗Methler und mann in einem „Burg“ genannten Distrikt melreicher römischer Amvborenscherben ein festgestellt, von dem in dem schweren dortige darch Wald, se sch ein Rest — Tatsache des dieses zweiten Römerlagers ist nicht mehr zu zweifeln, und wir müssen den Entdeckern dankbar für diesen Fortschritt sein. So weit ist alles schön und gut. Aber nun taucht wieder das leitige, anscheinend unvermeidliche Gespenst Aliso auf, über das —₰ 7⸗2 nnendlich viel gestritten ist.
zungen von Haltern sind nicht unternommen worden, um das ne, den, das den Hauptstützpunkt der Römer in ihren Feldzügen estfalen bildete. Als aber
die
Lippe, der Oberlehrer H
Hart⸗ durch den Fund neues Römerlager n Boden und geschützt des Walles sichtbar ist. An der
1 t
die Bedeutung lassen. (Hört, hört! in der Mitte und bei den Sozialdemokraten.)
sind, daß sie wohl dem tstützpunkt der Römer angehört haben können, dann mag man die Alisofrage wieder aufwerfen und zusehen, ob nun die Mvsglichkeit, Aliso bei Oberaden oder bei Haltern zu lokalisieren, gegeben ist. Ich fürchte, es wird auch dann noch nicht möglich sein, den strikten Beweis für den einen oder anderen Ort zu führen, und es wird noch längerer Arbeit und noch weiterer glücklicher Funde bedürfen, bis unsere Kenntnis der römischen Reste in Westfalen so weit geht, daß wir die Entscheidung, wo Aliso gelegen haben muß, klar fällen können. Der aber wird am rüstigsten auf der Bahn zur richtigen Kenntnis unserer ältesten Heimatsgeschichte vorwärtsschreiten, der sich selbst am wenigsten den Weg und die freie, unbefangene Aus⸗ sicht durch Hypothesen sperrt. D.
Deutscher Reichstag.
20. Sitzung vom 15. Januar 1906, Nachmittags 1 Uhr 30 Minuten.
(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
ISDagesordnung: Interpellation der Abg. Roeren und Genossen, betreffend Entlassung eines Landwehroffiziers mit schlichtem Abschied wegen Unterlassung der ö zum Zweikampf, und 8 Beratung der G e be⸗ treffend den Servistarif und die Klasseneinteilung der Orte, sowie die Abänderung des Gesetzes über die Be⸗
1873.
8 (Fortsetzung des gestrigen Berichts.)
Abg. Roeren (Zentr.) fortfahrend: Jedenfalls steht fest, daß in dem ganzen Verfahren ein schwerer Gewissenszwang liegt, um so verwerflicher, weil er durch eine amtliche Institution ausgeübt worden ist. Die ganze Autorität im Lande muß dadurch unter⸗ graben werden, die Masse muß es ja als Hohn auffassen, wenn gleichzeitig von einer andern behördlichen Stelle aus an die höheren Stände die Aufforderung gerichtet wird, sie möchten durch Gesittung und Bildung den übrigen Ständen als gutes Beispiel vorangehen. Auch diejenigen, die in den schlimmsten Notfällen noch das Duell passieren lassen wollen, müssen diesen amtlichen Zwang verurteilen. Jedenfalls muß die Militärverwaltung Maßregeln er⸗ greifen, die geeignet sind, einen solchen Zwang für die Zukunft zu verhindern.
Preußischer Staats⸗ und Kriegsminister, Generalleutnant von Einem gen. von Rothmaler:
Meine Herren! Ehe ich auf den Fall selbst eingehe, sei es mir ge⸗ stattet, diejenigen Worte zu verlesen, welche Seine Majestät Kaiser Wilbelm I. in der Verordnung für die Ehrengerichte vom 2. Mai 1874 gesprochen hat. Es heißt dort:
„Eine ehrengerichtliche Untersuchung muß insbesondere in dem immerhin möglichen Fall geschehen, wenn ein Offizier in frevelhafter Weise einem Kameraden ohne jede Veranlassung eine schwere Be⸗ leidigung zugefügt haben sollte; denn einen Offizier, welcher im⸗ stande ist, die Ehre eines Kameraden in frevelhafter Weise zu verletzen, werde ich ebensowenig in Meinem Heere dulden, wie einen Offizier, welcher seine Ehre nicht zu wahren weiß.“
(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten) Meine Herren, dies ist die Richtschnur, welche in der Armee stets eingehalten wird, und es ist eigentümlich daß sie nicht nur in unserer, der deutschen Armee gilt, sondern daß sie genau so gilt in dem österreichischen und in dem französischen Heer, welche auf derselben Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht aufgebaut sind wie unser Heer.
Was nun den Fall selbst anbetrifft, meine Herren, so steht zweifellos fest, daß eine schwere Beleidigung gegen den Leutnant Feldhaus vorgelegen hat. Das durch den Divisionskommandeur — nicht also, wie der Herr Vorredner soeben gesagt hat, durch einige Offiziere des Ehrenrats, die noch soldatischer hätten sein wollen als der Brigadekommandeur — berufene Ehrengericht hat sein Urteil dahin gesprochen, daß Leutnant Feldhaus, weil er es abgelehnt hat, für eine ihm zugefügte Beleidigung standesgemäße Genugtuung zu fordern, und zwar unter Anführung von Gründen, welche mit den Anschauungen eines Offiziers über den Austrag von Ehren⸗ händeln nicht vereinbar sind, für schuldig der Verletzung der Standesehre zu erklären sei, und beantragte Entlassung mit schlichtem Abschied. Seine Majestät der Kaiser hat mittels Allerhöchster Kabinettsorder vom 6. September vorigen Jahres dahin Entscheidung getroffen: Der Leutnant Feldhaus wird mit schlichtem Abschied ent⸗
Meine Herren, die Gründe, welche das Ehrengericht bewogen haben, diesen Spruch zu fällen, kann ich zu meinem Bedauern im einzelnen nicht anführen, weil sie ihrer ganzen Natur nach geheim sind und auch für ein etwaiges gerichtliches Verfahren nicht zur Verfügung gestellt werden. Aber, meine Herren, aus dem Gang der Untersuchung, aus den Akten kann ich doch einiges vortragen, was ein klares Licht auf den ganzen Fall werfen wird.
Der Herr Vorredner hat ja bereits die ganze Angelegenheit auch aktenmäßig hier erörtert, im allgemeinen zutreffend; ich kann mich nur den Schlußfolgerungen nicht vollkommen anschließen. Zweifellos ist der Brief, den der Arzt Göpel zunächst an die Mutter des Leutnants Feldhaus geschrieben hat, in Ton und Form nicht angemessen. Wenn ihm gedroht werde, wenn er nicht gerade in dem Haus der Familie verkehrt hätte, so wäre es wohl an⸗ gezeigt gewesen, die Polizei in Anspruch zu nehmen, — so ist es bedauerlich, daß dies nicht geschehen ist; die Affäre würde dann wahrscheinlich einen ganz anderen Gang genommen haben. Meine Herren, Göpel hat stets ausgesagt, wo er auch vernommen ist, daß er sich zweifellos erheblich gekränkt gesehen hätte, daß seine Honorarforderungen nicht beglichen und überhaupt diejenigen Rück⸗ sichten, die er nach seiner Ansicht zu fordern hatte, nicht genommen worden wären. Das ist der Grund gewesen, warum er den Brief des Leutnants Feldhaus, den uns der Herr Abg. Roeren vorgelesen hat, zurückgesandt hat und dabei ganz zweifellos durchaus beleidigende Worte gegen den Feldhaus gebraucht hat. Das steht vollkommen fest. Nun sagt der Herr Vorredner, es ist durchaus das einzig Richtige, daß Leutnant Feldhaus auf diesen beleidigenden Brief nichts getan hat. Ich bin völlig anderer Ansicht. Wenn damals in diesem ersten Falle der Leutnant Feldhaus das Organ benutzt hätte gegenüber der ihm widerfahrenen Beleidigung, was ihm zu Ge⸗ bote stand, nämlich den Ehrenrat, dann wäre zweifellos die ganze Affäre aus der Welt geschafft worden. (Unruhe in der Mitte und links.) Gewiß, meine Herren! Ich glaube, keiner von Ihnen wird stillschweigend eine derartige ihm zugefügte Beleidigung dulden, er wird dagegen vorgehen und wird nicht stillhalten und abwarten, bis eine schärfere und schwerere folgt. (Sehr richtig! rechts.) Das ist nicht geschehen. Der Leutnant Feldhaus hat ruhig still gehalten, hat keinen Ton gesagt, nichts erwidert. Ich bin der festen Ueber⸗ zeugung: damals lag keine schwere Beleidigung vor, damals ist auf der anderen Seite noch nicht die Aegriertheit gewesen, die nachher zu Tage trat, und ein Ausgleich würde sich ohne weiteres durch den Ehren⸗ rat haben finden lassen. Nachdem das nicht erfolgte, setzt sich nun Göpel hin und schreibt diesen schwerverletzenden Brief. Das Gericht hat ja anerkannt — und ich glaube, der Herr Vorredner auch —, daß diese Beleidigung eine sehr schwere gewesen ist. Herr Feldhaus hat das auch empfunden und sofort dem Ehrenrat darüber Mitteilung gemacht, und man kann wohl sagen, daß der Ehrenrat alles getan hat, was in seinen Kräften stand, um den Aus⸗ gleich, wie er das tun mußte, nach der Allerhöchsten Order vom 1. Januar 1897 herbeizuführen. Dieser Versuch ist nicht nur einmal gemacht, er ist mehrfach gemacht worden, und er ist zuletzt gescheitert an dem Widerstand des Göpel, der erklärt hat: ich bin nicht in der Lage, darauf einzugehen, weil mich Leutnant Feldhaus durchaus nicht in dem Maße als einen Ehrenmann an⸗ gesehen hat, wie ich es beanspruchen konnte. (Lachen in der Mitte und links.) Nun, meine Herren, Sie lachen darüber, daß der Göpel die Empfindung von sich hatte, ein Ehrenmann zu sein? — Das Gericht hat allerdings auch anerkannt, daß er ein etwas leichtfertiger Mensch wäre, noch nicht ernst und velt⸗ erfahren. Es ist angenommen worden, daß er eine durchaus provokatorische, schwere Beleidigung dem Herrn Feldhaus ins Gesicht geschleudert hätte, und er ist dafür bestraft worden mit der höchsten zulässigen Strafe. Zweifellos ist die Sühne dadurch nach dem Bürgerlichen Strafgesetzbuch erfolgt, aber nicht erfolgt vom Standpunkt der verletzten Ehre aus. (Unruhe links.) Und, meine Herren, ich glaube, soweit ich die Verhandlungen der Antiduell⸗Liga verfolgt habe, ist aus diesen Verhandlungen immer die Forderung hervorgegangen: Wir haben kein Strafgesetz, das die Sühne für die verletzte Ehre in der Weise gibt, wie es ein Ehren⸗ mann fordern kann. (Sehr richtig! rechts.) Das ist der Durchklang bei allen Verhandlungen der Antiduell⸗Liga gewesen, soweit ich sie durch die Zeitungen habe verfolgen können. (Sehr richtig! rechts.)
Nun, meine Herren, handelt es sich um die Frage: war denn der Göpel ein minderwertiger Mann, wie ihn nachher der Beleidigte dar⸗ gestellt hat? Ich möchte zunächst bemerken: fünf Vierteljahre lang hat der Arzt Göpel den Augenarzt Peretti in seiner Praxis ver⸗ treten. Ich möchte glauben, daß ein Augenarzt, ein Arzt, der etwas auf seine Patienten, auf seine Praxis hält, zu seinem Vertreter gewiß nicht einen Mann wählt, der jung und unerfahren ist, der nicht ein Ehren⸗ mann in seinen Augen ist. Es wäre unverantwortlich, diese Praxis einem solchen Manne anzuvertrauen; es wäre auch nicht einzusehen, warum die Familie Feldhaus so lange Zeit mit diesem Göpel in Verkehr gestanden hat. Es liegt ferner, meine Herren, das aktenmäßige Zeugnis eines anderen Arztes vor, der bestimmt aussagt: Göpel ist ein guterzogener, hochgebildeter Mann und hat sich
überall da, wo er verkehrt hat, durchaus der Beliebtheit erfreut. Es scheint also beinahe so, meine Herren, daß erst nach dieser Angelegen⸗ heit die Minderwertigkeit des Betreffenden aufgestellt worden ist. Nun scheint es mir aber immer sehr mißlich, sehr bedenklich zu sein, wenn der Beleidigte dem Beleidiger diese Quali⸗ fikation erst gibt, wenn die Beleidigung erfolgt ist. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch in der Mitte und links.) Das sollte nicht geschehen.
Nun, meine Herren, möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen. Ich stehe auf dem Standpunkte, daß diese Beleidigung durchaus in einer unangemessenen Form erfolgt ist. Wäre Göpel Offizier gewesen, ja, wäre er Sanitätsoffizjier gewesen, dann wäre ein Organ dagewesen, das Ehrengericht nämlich, das hätte sagen können: dieser Mann hat sich an der Ehre verletzt, indem er frevelhaft einen andern beleidigte, er wird ausgestoßen — und von einem Duell wäre keine Rede gewesen. Hier aber hat dieses Organ vollkommen gefehlt. (Lachen links.) Wenn wir solche Organe einsetzen könnten, so wäre uns allen damit gedient. (Widerspruch und Zurufe links.) Meine Herren, geäußert hat, der Herr
aus dem, was der Herr Vorredner noch scheint mir hervorzugehen, als ob er annehme, Feldhaus habe sich als einen prinzipiellen Gegner
des Duells bekannt, sei es aus der Anschauung heraus, daß
1
er die staatlichen Gesetze zu achten hätte, sei es aus religiösen Bedenken. Das ist nicht der Fall. Herr Feldhaus hat nie gesagt: ich bin ein prinzipieller Gegner des Duells, sondern nur: ich bin ein Feind dieses Duells, dieses Duell gefällt mir nicht. Das ist doch ein bedeutender Unterschied. Auf welche
Weise das Gericht festgestellt hat, daß Herr Göpel darauf
ausgegangen wäre, dem Herrn Feldhaus in seiner Eigen⸗
schaft als Landwehroffizier Schwierigkeiten zu machen, weil er gewußt hätte, daß dieser sich nicht schlagen würde, ist aus den ehrengerichtlichen Akten nicht zu ersehen. Sollte dies der
Fall gewesen sein, so geht daraus zur Evidenz hervor, daß die Gewiß⸗
heit. für eine schwere Beleidigung mit Leib und Leben einstehen zu
müssen, dringend mahnt zu einer üußersten Vorsicht (Sehr richtig! rechts) und zu der Achtung vor der Ehre des anderen. (Sehr richtig!
Herren, der Herr Abgeordnete hat dann noch gesagt,
es liege hier eine außerordentliche Ueberhebung des Offizierstandes
gegenüber anderen vor.“ Das kann ich nicht zugeben, denn nicht etwa der Offizier ist Träger des Duells; sehr weite Kreise in unserem Volke, ganz gleich⸗ gültig, welcher Konfession sie angehören, buldigen noch heute dieser
Sitte. (Sehr richtig! rechts; Widerspruch in der Mitte.) — Gewiß,
meine Herren, das weiß ich. Das weiß jeder, daß er, wenn er zum
Duell greift, gegen göttliche und menschliche Gesetze durchaus verstößt.
(Hört, hört! in der Mitte und links; Zurufe.) — Gewiß! b
Nun, meine Herren, was den Verstoß gegen die göttlichen Gesetze anlangt, so soll man demjenigen, der aus Gewissenszwang oder um seine Ehre unter keinen Umständen antaften zu lassen, dagegen verstößt, es überlassen, wenn er gläubiger Christ ist, sich mit seinem Gotte selbst abzufinden. (Lachen bei den
Sozialdemokraten; Zurufe von den Sozialdemokraten und aus der
Mitte.) Da haben Dritte nicht mit hinein zu sprechen. Und was
das anlangt, daß er gegen die Gesetze des Staats verstößt, so wird
er deshalb bestraft; das bleibt bei keinem aus. (Zurufe links.)
Meine Herren, was den zweiten Punkt der Interpellation betrifft, so habe ich im Auftrage des Herrn Reichskanzlers folgende Erklärung
abzugeben, welche ich verlesen werde: 1“
„Zur Austragung von Ehrenhändeln besteht bei uns die Sitte des Zweikampfes in weiten Kreisen der gebildeten Stände.
(Widerspruch links; Sehr richtig! rechts.) 8 . Im Offizierkorps ist der Zweikampf in wirksamer Weise durch die Allerhöchste Verordnung vom 1. Januar 1897 bekämpft worden. Weitere Abhilfe könnte aber nur von einer gleichzeitigen Aenderung der gesetzlichen Bestimmungen über die strafrechtliche Verfolgung der Beleidigung und des Zweikampfes erhofft werden.
(Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Eine solche Aenderung des Gesetzes ist schon aus Anlaß der früheren Interpellationen ernstlich erwogen worden und wird auch jetzt noch im Auge behalten. Sie läßt sich aber nicht durchführen ohne eine Umgestaltung der Abschnitte des Strafgesetzbuches über Beleidigung und Zweikampf und ohne einen tiefen Eingriff in unser Strafsystem, insbesondere soweit es die Festungsstrafe und die Geldstrafe be⸗ trifft. Dieses ist nur möglich im Zusammenhang mit der in Vor⸗ bereitung befindlichen Revision des Strafgesetzbuches. Es darf als sicher angenommen werden, daß bei der Straf⸗ rechtsrevision die anderweitige strafrechtliche Behandlung der Beleidigung und des Zweikampfes cine wichtige Frage bilden wird. Inwieweit eine solche Aenderung der Gesetzgebung eine Wandlung der zur Zeit herrschenden Ansichten über die Wahrung der ver⸗ letzten Ehre ausüben wird, muß abgewartet werden. Solange aber der Zweikampf in weiten Kreisen noch als ein anerkanntes Mittel zur Wiederherstellung der verletzten Ehre gilt, kann auch das Offizierkorps in seinen Reihen kein Mitglied dulden, welches nicht bereit ist, gegebenenfalls mit der Waffe für seine Ehre einzutreten.“
(Hört, hört! und lebhafte Zurufe in der Mitte und links.) — Gewiß,
meine Herren, ungesetzlich, ja wohl! auf die Ungesetzlichkeit folgt
Strafe. (Lebhafte Zurufe links und Unruhe.)
immer mehr vermindern, namentlich . . zu Hilfe kommt, und ein Ausgleichverfahren zwischen
öffentli Aemter statuieren wollte. ee Gerichte oft fast unbegreifliche Milde walten lassen, daß ferner das Begnadigungsrecht oft mehr als milde geübt wird. Nun sagt man uns, es sei 8* möglich, die Offiziere denselben Anschauungen zu unterwerfen, wie sie in anderen Bevölkerungskreisen gelten. Es liegt in dem hier zur Sprache ge⸗ brachten Falle eine schwere Provokation vor. Wir hören, 1
Göpel mit Selbstmordgedanken umgegangen war, daß er also sebr nervös war, und es läßt sich wohl erklären, daß der Beleidigte sich sagte, der Mann ist mir wert, die Waffen mit ihm zu kreuzen; das Benehmen Göpels war ein solches, daß Feldhaus ihn zunächst mit Recht mit Nichtachtung bestrafte; das Zivilgericht hat la auch sein Verhalten auf seine 35 geschrieben, das Verhalten eines 32 jährigen! Der Kriegsminister sagte, es gab leider kein Verfahren, die Sache aus der Welt zu schaffen, weil Göpel nicht Militär war. Nun, es gibt ja auch andere Ehrengerichte, so ärztliche; warum ift dieser Weg ausgeschlagen worden? Wir können aus diesem Falle wieder sehen, daß ein abfoluter Widerspruch besteht zwischen der Gesetzgebung und den Anschauungen eines einzelnen Standes. Dieser Zustand muß unter allen Umständen beseitigt werden. Das Reichsgericht hat sich ganz anders zu diesem Duellzwang gestellt als der Reichskanzler. Einmal könnten die gesetzlichen Vorschriften gegen das Duell verschärft werden. Der Kanzler eröffnet uns da eine Perspektive mit der Revision des Strafgesetzbuches. Diese Revision läßt bei der Kompli⸗ kation der Vorarbeiten sicher noch Jahrzehnte auf sich warten; diese Dinge hier aber vertragen eine solche Hinausschiebung auf die lange Bank nicht. Die Tüchtigkeit des Offizierkorps ruht nach meiner Auf⸗ fassung auf ganz anderen Grundlagen, als der Abg Himburg meint; die aggressive Auffassung des Offizierkorps auch in dieser Hinsicht hat vor 100 Jahren den preußischen Staat nach Jena geführt. Soll der Glaube an die Gleichbeit des Rechts und der Respekt vor den Gesetzen aufrechterhalten bleiben, so helfen Sie uns diese Reste jener
üsivität beseitigen. 1 “
bis Bassermann (nl.): Bei den Duelldebatten, die im Laufe der letzten Jahre hier stattgefunden haben, waren alle Parteien einig in der Betonung der Notwendigkeit, das Duell zu beschränken. An dieser Stellungnahme ist auch heute nichts geändert worden. Der Kriegsminister erklärte, er sei nicht in der Lage, in das Verfahren vor den Ehrengerichten einzugreifen. Dieses Gericht sei selbständig und unabhängig, seine Sprüche unterlägen nur der Bestätigung des obersten Kriegsherrn. Wir sind der Ansicht, daß die Tüchtigkeit unseres Offizierkorps dieses zum ersten der Welt gemacht hat, und auf dieser früher vom Abg. v. Bennigsen behaupteten Höbe steht das Offizierkorps noch heute. Das Duell nimmt immer mehr ab. Die Duell⸗ debatte im Jahre 1895 hat abgeschlossen mit der Annahme eines nationalliberalen Antrages, durch den die verbündeten Regierungen aufgefordert wurden, mit allen Mitteln dem Duell entgegenzutreten. Es folgte der Allerhöchste Erlaß vom Neujahrstag 1897, der die Anzeige an den Ehrenrat vorschrieb. Die Reform muß einsetzen bei der Bestrafung der Beleidigungen, beim Verfahren und beim Strafmaß. Heute werden die Beleidigungen leicht nach einer gewissen Schablone abgemacht. Vielfach wird gewünscht, daß die Oeffentlichkeit bei der Verhandlung ausgeschlossen werde, weil sie oft eine härtere Wirkung ausübe als die Beleidigung selbst. Das Strafmaß selbst muß erhöht werden. Die neuerliche mächtige Bewegung der Anti⸗ Duell⸗Liga, der Männer von großer Bedeutung angehören, verlangt ebenfalls schwerere Bestrafung der Beleidigungen und des Duells sowie die Einrichtung einer Instanz, ähnlich den Militärehrenräten. Die Ankündigung von beabsichtigten gesetzlichen Abänderungen ist gewiß freudig zu begrüßen, aber so bald werden diese Abänderungen wohl nicht kommen, wie schon früher der Staatssekretär des Reichs⸗ justizamts gesagt hat. Wir sind der Meinung, daß das D ꝛell mehr einzuschränken ist, es ist das auch stets das Verlangen des Reichstags gewesen. Die öffentliche Meinung verträgt schon heute nicht mehr ein frivoles Duell. Durch rigorose Strafen wird man das Duell nicht beseitigen, wohl aber werden sich die Duelle künftig von selbst wenn hierbei die Gesetzgebung den beteiligten
keit zur Bekleidung Wir sehen jetzt, daß die
eführt wird. B 1 (Zentr.): Das Verhalten des Leutnants Feldhaus ist n22 ganz gleichgültig. Es kommt auf das Urteil des Ehren⸗ gerichts an, und da dieser Spruch die Bestätigung des obersten Kriegs⸗ herrn gefunden hat, so hat die öffentliche Meinung ein Recht, sich mit diesem Spruch zu beschäftigen. Mein Fraktionsgenosse Roeren scheint sich allerdings darin geirrt zu haben, daß er glaubte, Feldhaus wäre entlassen worden, weil er das Duell für unvereinbar mit seinen An⸗ schauungen gehalten habe. Was aber das Urteil selbst betrifft, so stellt sich dasselbe in direkten Gegensatz zu den bestehenden Gesetzen und in lebhaften Gegensatz zu der gewaltigen Mehrheit des deutschen Volkes. Es sind nur noch ganz kleine Kreise, die das Duell unter Umständen billigen, und diese kleinen Kreise nehmen außerdem eine ganz erklusive Stellung ein. Die große Masse des Volkes hat eine entgegengesetzte Meinung. Das Urteil ist in weiten und nicht den schlechtesten Kreisen als ein Schlag ins Gesicht empfunden worden. Die Erklärung des Kanzlers hat mich in ihrem Schlußsatz in das
Meine Herren, die Allerhöchste Kabinettsorder vom 1. Januar 1897 sagt in ihrem Eingang: „Ich will, daß Zweikämpfen Meiner Offiziere in höherem Maße als bisher vorgebeugt wird.“ Diese Allerhöchste Kabinettsorder hat derartig günstig auf den Zweikampf im Heere gewirkt, daß im vergangenen Jahre 1905 ein einziges Duell zwischen zwei aktiven Offizieren stattgefunden hat. (Hört, hört! rechts.) Ich glaube, das ist eine so durchaus günstige Wirkung, daß wir uns nur alle darüber freuen können. (Bravo! rechts.)
Auf Antrag des Abg. Grafen Hompesch (Zentr.) tritt das Haus in die Besprechung der Interpellation ein.
Abg. Himburg (bkons.): Wenn ein Offtzier mit schlichtem Ab⸗ schied entlassen wird, weil er unterläßt, eine Duellforderung zu stellen, also eine strafbare Handlung zu begehen, so ist das theoretisch unter allen Umständen zu mißbilligen; aber wir wollen doch nicht übersehen, daß die Anschauungen im 3, denen Duelle hervorgeben, von größerer Bedeutung sind für dieses, denn mit diesen Anschauungen hat das Offizierkorps unsere Schlachten geschlagen. Der Fürst Bismarck sagte einmal: „Eins können uns die fremden Staaten nicht nachmachen, unseren preußischen Leutnant.“ Der Fürst Bismarck hatte damit wie immer recht. Eine lange Zeit ernster Selbsterziehung unter der Leitung der preußischen Könige hat unsere Offiziere dahin gebracht. Das Offizierkorps ver⸗ langt, daß jedes Mitglied für seine Ehre mit seiner Person einsteht. Der besondere Ehrbegriff des Offiziers ist der Mut, der nicht ver⸗ sagt; wer den nicht hat oder sich nicht aneignen kann, der würde gut tun, nicht Offizier zu werden; es wird ja niemand dazu gezwungen. Jeder, dem eine Ehrverletzung widerfährt, hat Anspruch auf Genug⸗ tuung; diese muß der Staat verschaffen, weil er die Selbsthilfe ver⸗ bietet. Aber hier versagt der Staat; es gibt für Ehrverletzung manch⸗ mal recht minimale Strafen. Es ist also ganz erklärlich, wenn ein jeder Stand sich auf seinen Standpunkt stellt. Abgenommen haben die Duelle, aber verschwinden werden sie nicht, solange nicht einem frivolen Ehrabschneider solche Strafen widerfahren, die ihn auch gesellschaftlich unmöglich machen. Es liegt heute gar nicht in der Macht der Kriegs⸗ verwaltung, das Offizierduell zu beseitigen, auch nicht, wenn Todes. strafen auf das Duell gesetzt werden. „Uebers Leben noch geht die Ehre!
Abg. Dove (fr. Vgg.): Die heutige Verhandlung zeigt doch einen Umnterschied 8 den früheren. Es hat wohl selten ein Fall vor⸗ gelegen, wo so kraß zu Tage trat, daß der bestehende Zustand nicht aufrecht erhalten bleiben kann. Dazu die Erklärung des Kanzlers. Es ist wohl noch nicht dagewesen, daß der erste Beamte des Reichs erklärte, er halte sich nicht für befugt, für die Beachtung der Gesetze dieser Sitte gegenüber einzutreten. Meine Freunde haben früher einen Gesetzentwurf vorgeschlagen, der die strafe beseitigen und für Beamte, die
Offizierkorps, aus denen die
aus
Festungs⸗ sich duellieren, die Unfähig⸗
zchste Erstaunen gesetzt, es ist mir dabei eiskalt über den Rücken 82 diese Grkliebrg aus dem Munde eines Vertreters der Staatsverwaltung, das Offizierkorps könne kein, Mitglied in seinen Reihen dulden, das nicht gegebenenfalls eine bestehende Strafvorschrift des Gesetzes bewußt verletzt. Wenn derartige Erklärungen in diesem Hause im Namen des Kanzlers verlesen werden, so ist das eine Be⸗ festigung der unter keinen Umständen zu duldenden Anschauung, die zur Zeit noch in gewissen Kreisen besteht. Es hätte umgekehrt heißen müssen, das Offizierkorps dürfe niemand in seinen Reihen dulden, der nicht die göttlichen und Menschengesetze voll und ganz achte. Diese Erklärung steht in direktem Widerspruch zu der Kabinetts⸗ order, die der Vorgänger des Kriegsministers, der General von Goßler, seinerzeit verlesen hat, wonach es unzulässig sei, einen Offiziers⸗ aspiranten, so wie vielfach geschehen, zu inguirieren. Der Sinn dieser Order ist doch das Wohl derjenigen Offiziersaspiranten, denen ihre religiöse Ueberzeugung das Duell verbietet. Wie kann der Kanzler hier mit einer ganz entgegengesetzten Erklärung vor uns kommen? Auch in diesem Offizierkorps darf ntemand auf dem Standpunkt stehen, der mit dem göttlichen und menschlichen Recht nicht vereinbar ist, dahin müssen wir kommen. Ich betrachte daher diese Erklärung als einen bösen dies nefastus für einen christlichen Reichskanzler! Auf andern Gebieten weiß doch der Kanzler, 3. B. gegen die Sozial⸗ demokratie, die Majestät des Gesetzes ganz anders zu wahren, da weiß er die richtigen Töne zu finden. Noch vorgestern hat der neue preußische Justizminister Dr. Beseler erklärt, die volle Strenge des Gesetzes werde gegen die Sozialdemokratie angewendet werden. Soll diese Strenge bloß gegen die Sozialdemokratie gelten? Ist es kein Angriff auf die öffentliche Ordnung, wenn bier einem sehlerhaften Standesbewußtsein zur Waffe gegriffen und geschossen wird? Das sind Wldersprüche, die der einfache Mann, der Mann des sittlichen Rechtsbewußtseins nicht versteht, die das Rechtsbewußtsein des Volkes verwirren müssen. Wer diese Konsequenzen nicht will, muß auch die Prämisse ablehnen. Ich hätte gewünscht, daß nur Stimmen aus dem Hause laut geworden wären, die diesen Standpunft, den allein angemessenen, vertreten. Da muß ich dem Abg Dove danken, aber meine große Verwunderung aussprechen über die Bemerkung des Abg. Himburg namens der konservativen Fraktion. Seit wann ist es denn ein Rechtssatz, daß man zur Wah⸗ rung der verletzten Ehre ein Unrecht begehen muß, weil nach den Gesetzen die mögliche Sühne nicht vollkommen genügt? das Leben noch gebt die Ehre“, aber auch das Gesetz geht über die Ehre. Mit dem Mut u tun; höher als der phyvsische Mut Ich bedaure, daß auch der Abg. Bassermann t sch Töng die Verurteilung des Duells gefunden hat. Mit solchen Gründen verteidigt man eher das Duell. Söch begrüße es, daß die Anti⸗Duell⸗Liga auch unter den gebildeten Ständen Mitglieder findet. aber keineswegs herstellen können; 1 Schwachen der Bevölkerung entgegenzukommen, will sie ihre
teht der moralische.
sie verwirft prinzipiell das Duell, und nur um den Hand
würde.
daß die strafrechtlichen Vorschriften gegen Beleidigung 8 christlichen Kreise lassen sich nicht mehr Warum nimmt der Kriegsminister auf diese
auf “ -e
zler täte gut daran, sich dieser Ansicht anzuschließen.
F * inaktiven Offizieren befinden sich Hunderte und Tausende, die das Duell verwerfen, wenn sie auch nicht offen damtt hewortreten. Die Militärverwaltung verlichtet doch nicht auf deren Mitarbeit. Ist es aber erträglich, daß die Militärverwaltung ge⸗ wissermaßen zwei Kategorien von Offizieren als vorhanden ansieht, die sie verschieden beurteilt? Jede Beseitigung eines ehrengerichtlichen Verfahrens erfolgt mit Zustimmung des Kaisers, und dafür sind uns die Vertreter der Regi verantwortlich. Wenn der Reichskanzler noch einen Anspruch den Namen eines christlichen Kanilers machen will, so muß er den Schaden wieder gut machen, den er an⸗
ichtet hat. “ Gerichr b28,8 2I (Scoz.): Der moralische Schade, den der Kanzler durch seine Erklärung dem von ihm vertretenen Regiment zugefügt hat, kann durch keine Erklärung wieder gutgemacht werden. Es ste t fest, daß es bei uns eine Klasse gibt, die Recht und Gesetz mit Füßen treten kann. Ich habe schon früher im Gegensatz zum Abg. Bachem die Ansicht vertteten, daß die Allerhöchste Kabinettsorder vom 1. Januar 1897 nur den Zweck habe, die Duelle einzuschränken. Ueber das Duell selbst und seine Bedeutung brauche ich kein Wort zu verlieren. Das Duell führt in den meisten Fällen gar nicht zur Bestrafung des Be⸗ leidigers. Der neue preußische Justizminister sprach im Abgeordneten⸗ hause am Sonnabend von der „Majestät des Gesetzes. Wie reimt sich damit, daß, ohne daß von soztialdemokratischer Seite etwas unter⸗ nommen ist, die ganze irdische Dreieinigkeit, die Infanterie, Kavallerie und Artillerie, gegen die geplante Versammlung aufgeboten werden muß? Das zeigt ein Maß von Rücksicht, das bei uns nur Heiterkeit erweckt. Es ist immer zweifelhaft, ob nicht trotz seiner Immunität gegen den Reichskanzler § 116 des Strafgesetzbuchs angewendet werden kann, der den Ungehorsam gegen die Staatsgeseße unter Strafe bis zu 2 Jahren Gefängnis stellt. Eine bessere Reklame als seine Erklärungen können wir uns für den 21. d. M. nicht denken. Es ist unerhört, was er erklärt hat, insbesondere, daß weite Schichten des Volkes für das Duell sind. Was der Kriegsminister darüber sagt, daß es den Duellanten überlassen werden müsse, sich mit ihrem Gott auseinanderzusetzen, kommt beinahe auf den sozialdemokrattschen Grundsatz heraus: Religion ist Privatsache. Für uns ist die Frage eine einfache Rechtsfrage. Das verboten, es verstößt gegen §§ 201 ff. des Strafgese fammenhange mit der Praxis des Begnad aber, daß die Duellanten an der entsche gesehen werden, die ein höchst wohlgefälliges Werk getan Kösener S. C. darf sich auch bekanntlich auf diesem Gebiete ungestraf Dinge erlauben, die an den Arbeitern sofort mit der vollen Schärie⸗ des Gesetzes gerochen werden würden. Wir haben heute gelernt, d der Ehrenrat nicht die Aufgabe hat, Duelle zu verhüten; er soll f mindern, aber die Aufgabe hat er nicht, darf sie nicht haben, wo ein besonders schwerer Fall vorliegt, auf die Verhinderung des Drele hinzuwirken. Rechter Hand, linker Hand, alles vertauscht, das das Bild, welches die heutige Verhandlung bietet; nach dem Abg. Roer ist Feldhaus, nach dem Kriegsminister Göpel der eigentliche Ehren mann. Es ist ja außerordentlich schwer, solche Auffassungen exklusider Kreise plötzlich durch die Gesetzgebung ju beseitigen; aber durch die Gesetzgebung und Verwaltung zu begünstigen, i erst recht unstatthaft. Daß in Oesterreich und Frankreich die militärischen Ehrbegriffe ebenso haarscharf zugespitzt sind wie in deutschen Armee, müssen wir ganz 5en bezweifeln. Ueber di Haltung des Kriegsministers und des Kanzlers können wir uns göne* Der Kanzler hat offen und rückhaltlos gesprochen, aber sich die moralische Wirkung seiner Erklärung nicht überlegt. Heute ist auch kein Reichskanzler, auch kein Justizminister ist heute in Deutschland möglich, der nicht diesen Duellkomment vertrit Zu dem Kreise der Anhänger dieser Anschauungen ren die Kreise, zu denen er sich rechnet, gehören die Herren vom desrat und die von der Verwaltung. Die Borussen gehören zum Kösener S. C., der seinen Mitgliedern das Duell vorschreibt; wer es verweigert, wird von der höchsten Strafe, dem Verschiß betroffen. Die Ver⸗ fassung des Kösener S. C., ein sehr seltenes und sekretes Buch, charakterisiert diese Verbindung als eine nach § 128 des Str. G.⸗B. strafbare. Namentlich bekommt keine Behörde Kenntnis von diesem Statut, obgleich in diesem Statut zur Bedingung gemacht wird, unter Umständen ungesetzlich zu handeln. Der Staatsanwalt, der Mitglied des Kösener S. C., verstößt systematisch gegen das Strafgeset ch, aber er wird deswegen nicht einschreiten, er betrachtet es als das Privilegium des S. C., ungesetzlich zu handeln.é Nach den 88 12 und 20 muß feierlich beschworen werden, daß den Befehlen der Oberen gehorsamt wird auch dann, wenn das Mitglied mit diesen Beschlüssen nicht einverstanden ist. Der Pistolenkaften spielt in dem Kösener S. C. ungefähr dieselbe Rolle, wie die Bundeslade bei den alten Juden, er ist heilig. In 66 wird mit deutlichen Worten der Duellzwang ausgesprochen. Als vermanente Verletzung bestehender Gesetze! § 124 sagt, nach jeder offenbaren 2 eeeh muß eine Forderung erfolgen. Die §§ 174 und 175 geben sehr ausführliche Bestimmungen über das Pistolenduell. Nach jeder Richtung ist durch diese Bestimmung Für⸗ sorge getroffen, daß das Duell wirklich stattfindet: man kann also ohne Uebertreibung sagen, daß der Kösener S. C. eine Verbindung ist zu dem Zwecke, bestehende Gesetze außer Kraft zu setzen. Diesem un⸗ laublichen Unfug ein Ende zu machen, zeigt man nicht die geringste Rreigung. Auch hieraus ersieht man, wie der heutige Staat lediglich ein Klassenstaat ist, der die Verletzung der Gesetze durch die be⸗ sitzenden Kreise zur Regel erhebt. Man muß den Dingen, wie fie wirklich sind, in die Augen sehen. Der Duellzwang än der Armee wäre nicht möglich, wenn die leitenden Kreise im Staate ihn nicht begünstigten. Wir werden immer wieder verlangen, daß die Duellanten endlich unter das gemeine Strafgesetz gegen die Totschläger und Körperverletzer gestellt werden, daß sie ihrer Privilegien entkleidet werden. Was von der anderen Seite verlangt wird, die schärfere Be⸗ strafung der Beleidigung, das wird nicht den Duellanten, sondern vor allem den unbequemen oppositionellen Parteien zum Schaden gereichen. Abg. Traeger (fr. Volksp.): An den Ausgang dieser Inter⸗ pellation habe ich von vornherein keine ausschweifenden Hoffnungen geknüpft; solche Verhandlungen gehen meist aus wie das Hornberger Schießen. Eine Ueberraschung hat die Verhandlung aber doch gebracht. Ich hatte nicht erwartet, daß in diesem Falle dem Beleidiger ein Ver⸗ teidiger entstehen werde in der Person des Kriegsministers. Er stand unter dem Einfluß der Erklärung des Reichskanzlers, der auf die Frage der Interpellation nur ein Nein hat. Mit der Verschärfung der Bestimmungen über Beleidigungen ist etwas gebessert, und es wirkt bei⸗ nahe humoristisch, wenn der Reichskanzler dieses Medikament auch weiter im Auge bebalten will. Dagegen soll kein Offizier im Heere ge⸗ duldet werden, der sich dem Duell entzieht. Wenn der Kanzler, nicht ein Privatmann, sich so als ein duellwütiger Kavallerist verkleidet, so ist das doch im höchsten Grade bedenklich. Feldhaus ist als ein Ehrenmann allgemein anerkannt, und man sollte meinen, daß das wohlbegründete Urteil des Zivilgerichts auch einem Ehrenrat genügen Das ist aber nicht geschehen, sondern er hat Feldhaus doch nicht als einen vollkommenen Ehrenmann anerkennen wollen, ihn
dazu bieten, t verbessert werden. Die an die Wand drücken.
Kreise weniger Räücksicht als
„Ueber
diese g Sache 1s ite 2. hat diese ganze Sache ni Büssec min dicht har sigh in diesem Falle im nicht schärfere Töne für
Sie verficht die Ansicht, daß die Gerichte die Ehre nicht wieder
entlassen, weil er der Standesehre nicht genügte. Wir können nicht anerkennen, daß die Standesehre der Offtziere höher steht als die anderer Stände. Warum soll für den Offizier die ihm durch Gesetz gebotene Genugtuung nicht genügen? Wir müssen mit dem Begriff der militärischen gx;e tikten e zu dem Wortlaut des bestehenden Strafgesetzbuchs gestellt. Mit einer solchen Behandlung wird das Uebel nur noch schlimmer. Abg. von Tiedemann (Rp.): Es war ursprünglich nicht meine Absicht, das Wort zu nehmen, aber eine Reihe von Aeußerungen der Redner zwingen mich doch zu einer Entgegnung und zu einem Widerspruch. Wenn der Abg. Roeren gesagt hat, daß der Reichstag zum Ausdruck gebracht habe, daß das Duell
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