1906 / 13 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 16 Jan 1906 18:00:01 GMT) scan diff

irgends als zu einem Austrag von Ehrenhändeln geeignet zu betrachten sei, so irrt er. Es gibt nach der Ansicht der Rechten eine Reihe von Fällen, wo das Duell ein notwendiges Uebel ist, z B. wo es sich um die Verletzung der Ehre einer Familie handelt. Ich will nicht exemplifizieren, aber denken Sie daran, daß die Ehre einer Frau oder Tochter in niederträchtiger Weise angegriffen wird. Wollen Sie sich in solchen Fällen damit begnügen, daß die Ver⸗ leumdung durch ein paar hundert Mark gesühnt wird? (Zuruf: Und dann wird der Beleidigte niedergeschossen!) Gut, wird er nieder⸗ geschossen, dann hat er seine Pflicht getan. Ich will nicht etwa Straffreiheit, aber ich kann mir einen Fall denken, wo ich durch keine Strafe, auch nicht durch Zuchthaus mich vom Duell abhbalten lassen würde. Unter dem Kulturkampf hat doch Schröder⸗Lippstadt gesagt, wir denken nicht daran, diese bg. zu befolgen. Das waren aber doch auch Staatsgesetze. Die Duelle haben in der letzten Zeit ent⸗ schieden abgenommen. Ich bin 17 Jahre in einer Garnisonstadt mit 4 Regimentern gewesen, dort hat zwischen aktiven Offizieren kein Duell stattgefunden, wohl aber drei unter Zivilisten. Der Fürst Bis⸗ . hat einmal gesagt: „Meine Ehre steht in keines an⸗ deren Hand, sondern nur in der meinigen.“ Wenn Sie das Duell auch noch so verhindern wollen, so wird es doch geübt werden. Ich begrüße die Erklärung des Reichskanzlers. Das Offizierkorps kann das Duell nicht entbehren. Im allgemeinen ist nur zu hoffen, daß die Duelle im Interesse der guten Sitte mit der Zeit ganz ver⸗ schwinden.

Abg. Stöcker schristlichsozial) Im Namen meiner Freunde und aller Männer von christlichsozialer Gesinnung im Deutschen Reiche glaube ich aussprechen zu dürfen, daß der Verlauf der heutigen Verhandlung, auch die Art, wie sich die Regierung ausgesprochen hat, Unbeil befürchten läßt. Wir haben von dem Abg. Bebel bereits eine kleine Probe gehört, welchen Ge⸗ brauch die Sozialdemokratie von der heutigen Debatte machen wird. Was sie tun wird, wird noch viel schlimmer sein. Die Lage unserer Zeit und die Verhältnisse unseres Volkes sind so, daß man in dieser Frage gar nicht grundsätzlich genug vor⸗ gehen kann. Es ist alseitig, auch vom Kriegsminister, zugestanden, daß das Duell gegen Gottes Gebot ist. Daraus kann doch nur eins folgen: daß alle Beteiligten sich Mühe geben, diese Einrichtung abzuschaffen. Nun liegt es aber doch so, daß wir eine staatliche Einrichtung haben, die in gewissen Fällen 82 Uebertretung des göttlichen Gesetzes fordert. Darin liegt das Verzweifelte dieser Frage. Den ersten Anstoß zur Antiduell⸗Liga gaben unter anderem viele Männer, die gerade zu den Kreisen gehören, in denen das Duell Sitte ist; auch in Offizierkreisen sind viele, die sich selbst⸗ verständlich dem Zwange fügen, die es aber als eine wahre Erlösung ansehen würden, wenn dieser Zwang nicht mehr bestehen würde. So lange steht die Staatsobrigkeit mit gebrochenem Schwerte gegen die, die das Gesetz nicht achten, solange diese Einrichtung besteht. Die bestehenden Gesetze sollen nicht ausreichen, die beleidigte Ehre zu wahren; ich gebe das zu, aber in diesem Falle, der hier zur Verhand⸗ lung steht, hat das Gericht die Schärfe des Gesetzes walten lassen. Wohin kommen wir, wenn wir solche Konflikte weiter ertragen? Vo dem Gerichtshofe der Vernunft ist die Sache gar nicht zu halten. Der letzte Redner meinte, wenn Frauen ins Spiel kommen, sei das Duell unvermeidlich. Wenn Frauen ins Spiel kommen, erscheint mir das Duell gerade oft als ein moralischer Unfug. Es sind Fälle vorgekommen, wo der Ehebrecher den Beleidigten niedergeschossen hat; da tritt das Unsinnige des Duells furchtbar vor das Volksgefühl. Wie konnte prinzipiell eine gewisse Duldung dieser Sache regierungsseitig ausgesprochen werden? nd war es nötig in einer Situation wie jetzt vor dem 21. Januar und in einer solchen Session? Es nur eine Parole geben: man tue, was man kann, um diese Einrichtung zu beseitigen. Das Duell hat ab⸗ das zeigt doch, daß es möglich war, hier einzuwirken. Ich habe aus den Worten des Kanzlers kein rundes Nein heraus⸗ gehört, und darüber habe ich mich von Herzen gefreut. Die Be⸗ leidigungen müssen schärfer bestraft und nach der allgemeinen Einführung von Schiedsgerichten auch das Duell schärfer bestraft werden, besonders wenn es gegen den Spruch des Schiedsgerichts stattfand. Geschieht von allen Seiten das Rechte, dann wird das Duell beseitigt werden; es ist das eine Forderung der Moral und der politischen Gesetze.

Preußischer Staats⸗ und Kriegsminister, Generalleutnant von Einem gen. von Rothmaler:

Meine Herren! Den letzten Worten des Herrn Vorredners könnte r

ich mich im allgemeinen ganz anschließen. Der Herr Vorredner hat gesagt, daß, wenn man sich bewußt wäre, gegen das göttliche Gebot iu verstoßen, alle Maßregeln dahin getroffen werden müßten, um diesem Gebrauch entgegenzuwirken. Zweifellos, meine Herren, geht durch die Armee ein weites Streben, durch Beispiel und Erziehung in dieser Beziehung fördernd zu wirken. Nicht durch plötzliche Verbote, nicht durch schwere Strafen rotten Sie eine Sitte aus, die nicht bloß das Offizierkorps, die sehr weite Kreise unseres Volks zweifellos ihr eigen nennen.

Von sehr vielen Vorrednern ist die Erklärung des Herrn abgegeben habe, für verwunderlich gehalten, ufgenommen worden. Meine Herren, es hieser Erklärung zu sagen: ein derartiger ndicht wieder vorkommen. Ich bin nicht in lche Erklärung abzugeben. Ich wollte abg über die Verhältnisse, wie sie liegen. Ich will mir hier lieber von Ihnen Vorwürfe machen lassen über bestehende Verhältnisse, die ich weder herbeigeführt noch gefördert habe; aber niemals möchte ich mir Vorwürfe machen lassen, daß ich Ihnen eine Erklärung abgegeben habe, die ich nicht halte und die ich nicht halten kann. Meine Herren, die Erklärung des Herrn Reichs⸗ kanzlers besagt in keiner Weise, daß wir nicht mit allen Mitteln gegen das Duell weiter arbeiteten und es zu verhindern suchten. Die Herten mögen sich erinnern, daß ich ausdrücklich betont habe: wäre iufällig dieser Fall zwischen swei Reserve⸗ oder Landwehroffizieren oder zwischen zwei aktiven Offizieren vorgekommen, er hätte zweifellos seine gütliche Beilegung erfahren durch das Ehrengericht; darüber ist für mich kein Zweifel. Nur, daß dieses nicht der Fall war, daß ein Organ fehlte, um Remedur ju schaffen, um den Göpel so zu kenn⸗ jeichnen, wir er war, wie er gehandelt hat, darin liegt der Punkt, an dem die Sache zum Scheitern gekommen ist. Ich möchte auf das aller⸗ entschiedenste dagegen Verwahrung einlegen, daß der Herr Reichs⸗ kanzler durch diese Erklärung Gesetz und Recht mit Füßen getreten Das ist nicht wahr! (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Durchaus nicht! Meine Herren, der Herr Reichskanzler bietet Ihnen in dem ersten Teil der Erklärung diejenigen Maßregeln dar, die ich 5 1 lte, um diese tief im Volke wurzelnde Sitte aus⸗ lebhafte Zurufe von den Sozialdemokraten.

Elocke des Präsidenten.) Meine Herren! Des näheren ist auch noch der Herr Abg. Dr.

7 4, 1,—2 tarzlers,

8 me.

Bachem auf die Antiduell⸗Liga eingegangen. Ich verkenne nicht, daß in Brief angeknüpft und die Ansicht ausgesprochen, wenn Herr Feldhaus

ie Sitte des Duells auszurotten. das Duell ablehnen würde;

bt sich durch sämtliche Ver⸗

handlungen der Antiduell⸗Liga hin: wenn wir weiter kommen wollen, wenn wir diese tief im Volke wurzelnde Sitte ausrotten wollen, dann müssen wir Darbietungen geben, die die verletzte Ehre befriedigen. (Sehr richtig! rechts) Das ist der Grundton, der durch alle diese Verhandlungen hindurchging, und deshalb haben sie mich, ich kann nicht anders sagen, sympathisch berührt. Durch Er⸗ ziehung, meine Herren, wird man Wandel schaffen in der Ansicht über das Duell, nicht aber, indem man es beschimpft, und ich meine, wenn wir von unserem Standpunkt aus die Herren der Antiduellliga als ehrenwerte Leute, die einen idealen Zweck verfolgen, ansehen, dann können wir auch in Anspruch nehmen, daß wir eben⸗ falls als ehrenwerte Männer angesehen werden, die ihre Ehre über alles stellen, alle Rücksichten bei Seite schieben, um die schwerverletzte

seinen Freunden, die im studentischen Leben gestanden haben, erkundigen; Kriegsminister hat offenbar den ehrengerichtlichen Spruch gebilligt,

lediglich ein Formfehler nachgewiesen worden; aber genügt ein solcher,

Ich frage den Kriegsminister, ob dieser Fall zu den Fällen gehört,

ist. Ich halte das Duell nicht für so unentbehrlich wie der Kriegs⸗

konstatieren, nachdem mir die Akten des Ehrengerichts vorgelegen haben,

er beleidigend ist, das ist ja eine subjektive Ansicht; Herr Roeren sagt, er ist grob und im Ton unverschämt gewesen (Widerspruch und Zurufe

er auf sen Brief eingegangen

Ehre wieder zu reinigen.

Meine Herren, der Herr Abg. Stöcker hat dann noch gesagt, das Duell sei erst kürzlich eingeführt, in einer gewissen kurzen, vor uns liegenden Zeit. Nein, meine Herren, das glaube ich nicht, daß dieser Gesichtspunkt richtig ist. Ich halte das Duell für eine germanische Sitte; denn in der grauen Vorzeit unseres Volks hat der waffen⸗ frohe Mann, der beleidigt war an seiner Ehre oder an seinem Weibe, seinem Gesinde und was ihm gehörte, einfach zur Waffe gegriffen, und in späteren Zeiten, als die Gemeinden sich anfingen zu konsolidieren, ja sogar als die Staaten schon bestanden, hat man schließlich die⸗ jenigen, die miteinander in Konflikt geraten waren, geradezu auf das Duell, auf den Kampf der Waffen verwiesen. So ist das Duell auf unsere Zeit überkommen.

Meine Herren, ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß unser Streben in der Armee weiter von Erfolg begleitet sein werde, und es wird es sein, weil das, was von seiten des Herrn Abg. Bebel gesagt wurde, daß jedes Duell seitens des Allerhöchsten Kriegs⸗ herrn gebilligt werde, in dieser allgemeinen Fassung in keiner Weise richtig ist. Das Duell wird gemißbilligt, und es wird nach Möglich⸗ keit unterdrückt; aber wie die Sachen nun einmal liegen, ist es unter gewissen Verhältnissen nicht möglich, es zu vermeiden. (Hört! hört! links.)

Abg. Potthoff (fr. Vgg.): Der Abg. Bebel weiß doch zu wenig von dem studentischen Leben und dem Kösener S. C., um ein zu⸗ treffendes Urteil darüber zu haben. Er soll sich doch erst einmal bei

in seinen heutigen Ausführungen war sehr viel Falsches enthalten. Der

aber uns nicht angegeben, warum er das tut. Dem Dr. Feldhaus ist um einen Offizier mit schlichtem Abschied zu entlassen? Prinzipielle Gegnerschaft gegen das Duell ist der Grund der Entlassung nicht ge⸗ wesen; also bleibt nur übrig, daß sie erfolgt ist, weil in diesem speziellen Falle Feldhaus seinen Gegner nicht gefordert hat. wo also der Offizier fordern muß, wenn er nicht entlassen werden will. Mir scheint es sich hier um eine leichtfertige Provokation schlimmster Sorte gehandelt zu haben. Sollte die Forderung in solchen Fällen Zwang sein, so würden wir einem Rowdytum gegen alle an⸗ ständigen Offiziere Tür und Tor öffnen. Auch der Kanzler sagt nichts darüber in seiner Erktärung. Ich gehöre nicht zu denen, die das Duell unbedingt verwerfen, sonst würde ich nicht selbst Offizier sein; aber ich sehe in dem Duell mehr eine Art von Notbehelf gegen ungenügende Gesetze. Ich bitte also den Kriegsminister, genauer und präziser sein Urteil über den Fall Feldhaus uns zu sagen, auch genauer anzugeben, in welchen Fällen, gemäß der Kanzler⸗Erklärung, das Duell unvermeidlich

minister. Vielleicht erfährt die Erklärung des Kanzlers doch eine Korrektur; denn wenn sie aufrecht erhalten wird, dann ist es für die Hunderte von Reserveoffizieren, die den Zweikampf grundsätzlich ab⸗ lehnen, unmöglich, in dem Offizierkorps zu verbleiben. Es muß hier Klarheit geschaffen werden; denn es ist ein beklemmendes Gefühl für jeden Offizier, wenn er sich für nur geduldet ansehen muß innerhalb dieses Kreises, so lange bis sich ein derartiger konkreter Fall einstellt, der zu seiner Entlassung führt.

Abg. von Czarlinski (Pole): Die Praxis, wie sie in diesem Falle geübt worden ist, ist unerträglich, se muß dem Anarchismus und dem Bombenwerfen die Wege ebnen. Wie konnte der Abg. von Tiedemann, dem die Erinnerung an den Fall Willich doch noch vor⸗ schweben mußte, noch eine Lanze für das Duell einlegen? Wir müssen uns grundsätzlich gegen das Duell erklären.

Abg. Roeren (Zentr.): Die Verhandlung hat einen so allgemeinen Charakter angenommen, daß der Spezialfall in den Hintergrund getreten ist. Zur Verhütung von Verdunklungen muß ich bemerken, daß es nicht richtig ist, daß Feldhaus entlassen worden ist, weil er die Sache nicht sofort zur Anzeige beim Ehrenrat brachte. Das Ehren⸗ eerricht hat die Frage, ob ein Duell notwendig war, verneint, aber die

rage, ob die von ihm für die Nichtforderung angegebenen Gründe unzulänglich seien, bejaht. Darin liegt der Widerspruch gegen die Kaiserliche Order von 1897. Damit, daß Feldhaus den ersten Brief unbeantwortet und unbeachtet ließ, hat er auch nach der Auffassung des Ehrengerichts durchaus korrekt gehandelt. Das Bestreben, den Göpel möglichst als Gentleman hinzustellen, findet seine Kritik darin, daß das Ehrengericht ihn nicht für satisfaktionsfähig gehalten bat. Mit dem Ergebnis der Verhandlung können die Interpellanten außer⸗ ordentlich zufrieden sein; denn keine Stimme hat den Vorgang ge⸗ billigt; auch der Abg. von Tiedemann hat sich darauf beschränkt, eine all⸗ gemeine fulminante Lobrede auf das Duell zu halten. Den Kulturkampf⸗ gesetzen haben wir aus Gewissensbedenken passiven Widerstand geleistet, und diese Gesetze sind später wieder aufgehoben worden; hier aber handelt es sich um Strafgesetze, gegen die keine Gewissens⸗ bedenken bestehen. So offen und feierlich wie heute ist von der Re⸗ gierungsbank durch diese schriftliche Erklärung die Mißachtung der Staats⸗ und göttlichen Gesetze noch niemals proklamiert worden. Die Folgen werden der Kriegsminister und der Reichskanzler er⸗ leben, die können nicht ausbleiben. Niemand im Hause hat be⸗ stritten, daß dem Feldhaus das schwerste Unrecht geschehen ist.

Preußischer Staats⸗ und Kriegsminister, Generalleutnant von Einem gen. von Rothmaler:

Meine Herren! Nar wenige Worte auf die Schlußerklärungen des Herrn Abg. Roeren! Ich habe dem hohen Hause den Tenor des Erkenntnisses des Ehrengerichts bereits vorgelesen, ich habe ferner zu

daß das Ehrengericht in keiner Weise ausgesprochen hat, daß es nicht notwendig sei, in diesem Fall zum Zweikampf zu schreiten. as ist ein Irrtum des Herrn Abg. Roeren; ich weiß nicht, woher er diesen Irrtum hat. Ich erkläre ferner, daß das Ehrengericht den Göpel für satisfaktionsfähig gehalten hat. Meine Herren, daß der erste Brief, durch den Göpel den Feldhaus beleidigt hat, nicht Gegenstand der ehrengerichtlichen Untersuchung gewesen ist, das versteht sich von selbst, er lag gar nicht vor. Ich meinerseits habe nur an diesen

auf diesen Brief eingegangen wäre, der Beleidigungen enthielt ob

gelegenheit nicht vorgekommen, alles, was uns hier beschäftigt hat wäre niemals in Erscheinung getreten.

Abg. Roeren (Zentr.): Selbstverständlich ging der Tenor des ehren⸗ gerichtlichen Spruchs nur auf Entlassung. Aber der Kriegsminister mag sich die Akten kommen lassen oder die Mitglieder des Ehrengerichts fragen, bei der Verhandlung des Ehrengerichts wurden die Fragen getrennt: erstens hat Feldhaus sich dadurch unwürdig gezeigt, daß er den Göpel nicht gefordert hat, oder zweitens durch seine Begründung der Unter⸗ lafsumg dieser Forderung. Die erste Frage wurde verneint, die zweite ejaht.

Preußischer Staats⸗ und Kriegsminister, Generalleutnant von Einem gen. von Rothmaler:

Ich kann nur konstatieren, daß dies aus den Akten nicht hervor⸗ geht. Ich habe dem hohen Hanse nur das vorgetragen, was in den Akten steht.

Damit ist die Interpellation erledigt. Das Haus beschließt die Vertagung.

Schluß 5 ½ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr. (Vorlagen, betreffend den Servistarif und die Wohnungsgeld⸗ zuschüsse; Entlastung des Invalidenfonds; Nachträge zum Etat für 1905; kleinere Vorlagen.) 9 .

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 9. Sitzung vom 15. Januar 1906, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den ersten Teil der Verhandlungen gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Die daselbst im Auszuge wiedergegebene Rede, die bei der einmaligen Beratung der Staatsverträge zwischen Preußen und den zur hessisch⸗thüringischen Lotterie⸗ gemeinschaft vereinigten Staaten sowie Reuß jüngerer Linie zur Regelung der Lotterieverhält⸗ nisse der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben ge⸗ halten, hat folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Ich möchte dem Herrn Vorredner danken für die wohlwollende Beurteilung, die er den Verträgen hat angedeihen lassen, die ich die Ehre hatte, dem hohen Hause zu unterbreiten.

Im Gegensatz zu dem Herrn Vorredner hat der Herr Abg.

Broemel wiederum gewisse Bedenken erhoben und ausgeführt, daß die moralischen Bedenken, die überhaupt gegen eine Lotterie sprächen, durch die Verträge noch verschärft werden können. Meine Herren, ich kann das nicht anerkennen. Ich möchte mich hier über die Frage, ob die Lotterie etwas Verwerfliches oder Nichtverwerfliches ist, nicht aus⸗ lassen; ich meine, das Entscheidende ist doch lediglich das: Ist durch die Verträge, wie wir sie Ihnen vorgelegt haben, und wie Sie die Güte gehabt haben, sie gutzuheißen, eine Besserung eingetreten oder nicht? Ich glaube, daß eine wesentliche Besserung eingetreten ist, kann gar nicht in Abrede gestellt werden und ist von dem Herrn Abg. Dr. Arendt ausdrücklich bestätigt worden. Meine Herren, wenn Sie sich ver⸗ gegenwärtigen, wie die Verhältnisse noch vor wenigen Jahren waren, wie jeder von uns fast jeden Tag mit Angeboten in den verschiedensten Lotterien überschwemmt wurde, wie das Publikum geradezu künstlich veranlaßt wurde, sein Geld in allen möglichen Lotterien anzulegen, so, meine ich, ist die Beseitigung dieser schrankenlosen und zum Teil in sehr wenig schöner Form sich abspielenden Konkurrenz als ein Fort⸗ schritt zu begrüßen. Ich erinnere die Herren aber weiter an all die privaten Losebureaus. Wenn die Herren durch die Straßen Berlins gegangen sind, werden ihnen alle möglichen Bureaus mit stolzen Namen aufgefallen sein, und wenn Sie das Publikum gesehen haben, das sich vor diesen Bureaus drängte, die unteren Klassen, so mußten Sie erkennen, daß durch diese Bureaus gerade die minder bemittelten Klassen zum Spielen veranlaßt wurden. Auch dem ist ein Riegel vorgeschoben worden durch das verabschiedete Lotteriegesetz. In einem hat der Herr Abg. Dr. Arendt vollkommen recht: durch das Spiel in Gesellschaften und durch die Prämienlose wird mannigfacher Unfug getrieben. Ich bin mit den zuständigen Stellen in Verbindung getreten, um auch hierin eine Verbesserung herbei⸗ zuführen.

Der Herr Abg. Kirsch fragte, wie es wäre, wenn etwa eines der Strafgesetze in den kontrahierenden Staaten von den Gerichten für ungültig erklärt wird. Meine Herren, diese Frage würde selbstver⸗ ständlich bis in die oberste Instanz, bis in das Reichsgericht getrieben werden. Da die einzelnen Strafgesetze mit dem preußischen überein⸗ stimmen, würde die Frage nicht bloß für den Einzelstaat gelöst werden, sondern auch für Preußen selbst. Wir würden dann ge⸗ zwungen sein, zu erwägen, ob eine Abänderung des Lotteriestrafgesetzes notwendig ist, wie es in Preußen und in den anderen Staaten über⸗ einstimmend besteht. Ich hoffe aber, daß diese Konsequenz sich nicht ergeben wird; jedenfalls können daraus, glaube ich, Bedenken über die Ausführung der Verträge nicht hergeleitet werden, weil die Rechtslage in Preußen und in den anderen Staaten dieselbe ist.

Nachdem das Haus zu den genannten Staatsverträgen seine Zustimmung erteilt hat, ist es zur Fortsetzung der ersten Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feststellung des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1906, übergegangen.

„Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.), dessen Ausführungen in ihrem ersten Teil ebenfalls schon in der gestrigen Nummer d. Bl. auszugsweise wiedergegeben worden sind, fährt etwa fort: Daß es der deutschen Diplomatie, die sich in der Marokkofrage durchaus be⸗ währt hat, gelingen wird, unsere internationalen Interessen weiterhin zu wahren, hoffen auch wir. Die Etatsaufstellung für 1906 ergibt, daß die Verhältnisse in Handel, Industrie und Landwirtschaft sich durchweg gebessert, erheblich gebessert haben; es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Hebung der wirt⸗ schaftlichen Verhältnisse auch günstig auf unsere Finanzen einwirken wird. Ein unsicherer Faktor freilich tritt in diese Berechnungen mit dem Inkrafttreten der neuen Handelsverträge ein; Industrie und Handel sehen dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens mit großer Be⸗ sorgnis entgegen. Der Finanzminister hat als erfreuliches Zeichen der Zollpolitik das kleine Plus gebucht, das die Neuverpachtung der Domänen zum ersten Male gebracht hat; er sprach davon, daß jetzt ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Regierung und Landwirtschaft sich angebahnt habe, worauf im wesentlichen die Wohlfahrt des Volkes beruhen soll. Wir verstehen nicht, daß dieses Vertrauensverhältnis sich erst jetzt angebahnt haben soll, und noch weniger, daß dieses Vertrauensverhältnis die Grun für die Wohlfahrt des ganzen Volkes bi soll.

ist in der

in der Mitte), ich weiß den Ausdruck nicht mehr genau wenn

väre, dann wäre die ganze An⸗

zum Deutschen Reichsanzeiger und K

Berlin, Dienstag, den 16. Januar

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

1 ing sie L22 d⸗

ind weit entfernt von der Voreingenommenheit gegen die Land⸗ Wir sont die uns Herr von Erffa vorwirft; aber jenes Vertrauen darf nicht erkauft werden mit einer Benachteiligung der übrigen Bevölke⸗

rungskreise, die doch nun einmal die Mehrheit des Volkes bilden; eine solche trägt nur Erbitlerung in das Volk hinein

finden am eigenen Leibe die Wirkung dieser einseitigen Wirt⸗ ufiepolttit n dhes Uazufriedenheit wächst zusehends; vhat doch im Reichstag schon ein Mitglied der wirtschaftlichen Vereinigung. dHerr Raab, von der aufrührerischen Wirkung der indirekten Steuern gesprochen, ein Mitglied des Bundes der Landwirte, der für den neuen Zolltarif eingetreten ist. Ich erkenne an, daß der neue Etat eine Reihe von Ausgaben für Kultur⸗ zwecke enthält; wir können nur wünschen, daß der Finanzminister auf diesem Wege fortfahren wird. Wenn aber jetzt eine Erhöhung der Einkommensteuer angekündigt wird, weil man sonst der wachsenden Auszaben nicht Herr würde, so kann ich nur wiederholen, daß das beste Mittel gegen dieses Anwachsen die Quotisieruug der Einkommen⸗ steuer ist. Dann würde die von allen Seiten befürwortete Sparsam⸗ keit endlich auch geübt werden. Darum tut es mir leid, daß Herr Herold vom Zentrum den Quotisierungsgedanken abgelehnt hat. Im einzelnen habe ich nur einige wenige Bemerkungen hier im Plenum zu machen. Der Bureauvporsteher der Generalordenskommission soll freie Dienstwohnung bekommen, damit er auch außerhalb seiner Dienstzeit stets erreichbar sei. Das bat ein humoristisches Inter⸗ esse: es sollte auch eine Nachtklingel für Fälle angebracht werden, in denen es sich um eilige Ordensverleihungen handelt. Der Chef des Zvvilkabinetts soll 10 000 mehr bekommen, weil der Chef zes Militärkabinetts sich um so viel besser steht. Sonst wehrt sich doch die Regierung aufs nachdrücklichste gegen solche Parallele. Die Tätigkeit des Chefs des Geheimen Zivilkabinetts ist gewiß eine sehr wichtige, namentlich wenn die Uhr einer Minister⸗ eristenz abgelaufen ist; aber eine innere Notwendigkeit liegt zu dieser Erhöhung nicht vor, sondern wohl mehr eine Konsequenz der Erhöhung der Ministergehälter. Die Erhöhung der Wohnungsgeldzuschüsse ist sehr erfreulich und wird hoffentlich noch fortgesetzt werden; für die angeregte Unterscheidung zwischen verheirateten und unberheirateten Beamten kann ich mich hier nicht erwärmen. Auch die vorgeschlagenen Gehaltsaufbesserungen sind sehr dankens⸗ wert, aber sie beseitigen noch nicht alle vorhandenen Härten und Ungleichheiten; insbesondere wird der neue Justizminister sich den Dank der Gerichtssekretäre erwerben, wenn er ihre berechtigten Forderungen endlich berücksichtigt. Die Einstellung von 2 ¾ Millionen für die Erhöhung der Gehälter der Volks⸗ schullehrer können wir begrüßen, wir müssen aber wünschen, daß die bestehenden Ungleichheiten auf diesem Gebiete, namentlich in der Provinz Sochsen, nun endlich beseitigt werden. Erhebliche Be⸗ denken haben wir gegen die Zuwendung von 400 000 an die Bis⸗ tümer, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht. Wenn auf dem Wege der Vereinbarung alles gemacht werden kann, wie Herr Herold betont, so ist auch keine Grenze gegeben. Man soll doch den Weg der Kirchensteuer für diese Bedürfnisse beschreiten; bei der altkatholischen Bewegung hat man grundsätzlich das Eintreten des „Staates, der Steuerzahler, für diese Aufwendungen abgelehnt. Von den einzelnen Verwaltungszweigen tritt uns zunächst das Justizministerium entgegen, aus dem wir den bisberigen Chef ohne besonderes Bedauern haben scheiden sehen. Seine Verwaltung war reich an Mißgriffen und Fehlschlägen. Hoffentlich wird sein Nachfolger die neue Gerichtsorganisation für Berlin, auch das Gerichtevollzieherwesen zweckmäßig und befriedigend durchführen. Graf Pückler ist wegen Aufreizung zu einem halben Jahre Gefängnis verurteilt, aber zu Festung begnadigt worden. Das erscheint uns nicht berechtigt; diese Begnadigung steht nicht im Einklang mit dem Rechtsbewußtsein. Der neue Justizminister hat die Unabhängigkeit der Rechtsprechung betont; möge er dafür sorgen, daß die Unabhängigkeit der Recht⸗ sprechung nicht durch eine falsche Begnadigungspraxis in Gefahr gerät. Auch das Handelsministerium hat einen neuen Chef erhalten. Der Minister Möller ist ein Opfer des Friedensschlusses zwischen der rheinisch⸗westfälischen Bergindustrie und der Staatsregierung geworden. Er hat manches Gute geleistet, aber er hat anderseits nicht Schäden von der Industrie abgewehrt. Der Mittelstand bedarf weiterer Für⸗ sorge, aber es kommt da auch auf praktische Mittel an, namentlich auf die bessere technische Ausbildung der Handwerker, für die wir ja verschiedene Anregungen gegeben haben. Ueber die Entwicklung des Landesgewerbeamts, auf das allgemein große Hoffnungen gesetzt wurden, haben wir noch nichts erfahren können. eenken hat es erregt, daß man es abgelehnt haben soll, weitere praktische Kreise als Mitglieder des Amtes heranzuziehen. Wir wünschen nicht, daß dieses Amt einen bureaukratischen Charakter erhält. In der Eisenbahn⸗ verwaltung ist die Einführung der neunstündigen Arbeitszeit in den Werkstätten mit Freude zu begrüßen. Aber eine Verkürzung der Dienststunden ist auch bei manchen andern Kategorien der Eisenbahnbeamten erforderlich. Bei der Besprechung des Spremberger Unglücks hat der Minister von einer groß⸗ artigen Betriebsbummelei gesprochen, nach dem Verlauf des Prozesses handelte es sich aber nicht allein darum, sondern auch um viele Mängel in der Organisation selbst, wie die geringe Aus⸗ bildung der Beamten, das mangelnde Blocksystem, die Ueberlastung des betreffenden Beamten mit dem Verkauf der Fahrkarten usw. Es wird Aufgabe der Verwaltung sein, durch geeignete Maßnahmen das Vertrauen auf die Sicherheit des Eisenbahnbetriebs wieder⸗ berzustellen. Ueber die Betriebsmittelgemeinschaft sollte der Mi⸗ nister die Erklärungen hier wiederholen, die er vor wenigen Tagen in der Budgetkommission des Reichstags abgegeben hat. Es scheint nichts daraus werden zu sollen. Vor allem müssen wir eine Verbilliguna des Personenverkehrs erstreben. Der Eizenbahn⸗ minister hat selbst die Mängel der Personentarife hier in diesem Hause anerkannt, und deshalb wundert es mich, 8 er der Be⸗ steuerung der Fahrkarten im Reiche zugestimmt hat. Das ist eine verkehrsseindliche Maßregel. Herr von Erffa hat dem Land⸗ wirtschaftsminister seinen Dank für die Haltung in der Fleischnot⸗ frage ausgesprochen; ich kann in diesen Dank nicht ein⸗ stimmen. Höchstens wäre mir der Gedanke annehmbar, daß der Neu⸗ bau des Landwirtschaftsministeriums aufs Land hinaus verlegt werde, oder noch besser wäre es vielleicht, wenn der Minister ganz seinem wirtschaftlichen Berufe zurückgegeben würde. Ein kleines Nachlassen der Schweinefleischpreise ist allerdings im Dezember eingetreten, aber es ist nicht in den Detallpreisen fühlbar geworden, und neuerdings scheinen die Preise schon wieder anzuziehen. Der Oberbürgermeister Bender hat nicht Fesacf wie Herr von Erffa

behauptet, daß die Fleischnot zu Ende sei, sondern nur, daß ein kleines Nachlassen der Preise eingetreten sei. Schutz der Land⸗ wirtschaft und die nötigen Vorsichtsmaßregeln wünschen wir auch, aber der Schutz vor der Seuchengefahr darf kein Anlaß zu Preis⸗ steigerungen sein. Das Verhalten des Landwirtschaftsministers hat in weiten Kreisen der Bevölkerung Unzufriedenheit erregt; auf seine verschiedenen Scherze will ich hier nicht ein⸗ gehen, aber ins Gewicht faͤllt seine einseitige Auffassung der Sache. Er ist doch nicht bloß R ortminister, sondern auch Staatsminister und mitverantwortlich für das Wohl des Ganzen.

Den Kampf um das Schulgesetz will ich nicht wieder aufnehmen,

aber ich muß einer Aeußerung des Kultusministers widersprechen.

Herr Broemel hat mit naa ,6 dieses Gesetzes hingewiesen. Der Minister sagte, diese führungen beruhten auf Irrtum, wie er in der Kommission nach⸗ weisen werde. Es wird ihm nicht FAlhng, 2 beweisen, v Bedenken Irrtümer sind. 4 r, daß auch der preußische Lehrertag sich lediglich in Irrtümern bewegt hat? Es ist allerdings dem Lehrertag in der Presse der Vorwurf des Mangels an Sachkenntnis gemacht, und es ist von Schwätzern und Hetzern gesprochen orden, denen die Kandare etwas fester angezogen werden müßte. Gerade die Lehrer sind doch an Stelle berufen, über Schul⸗ verhältnisse zu urteilen, und ich solche Aeußerungen auf das schärfste Verwahrung einlegen. zweifle auch nicht, daß der Preußische Städtetag gegen die Tendenz des Schulunterhaltungs⸗ gesetzes, die Selbstverwaltung zu beschränken, Protest erheben wird. Vor hundert Jahren n es einsichtige Staats⸗ männer, den Staat aus der Erniedrigung wieder zu erheben, damals betonte Freiherr vom Stein die Notwendigkeit der Selbstverwaltung. Es ist traurig, daß wir heute nach solchen Erfahrungen uns zur Abwehr gegen Angriffe auf die Selbstverwaltung rüsten müssen. In ihrem eigenen Interesse müßten die Staatsregierungen solche An⸗ griffe von der Selbstverwaltung fern halten. Der Minister des Innern von Bethmann hat in Posen gesagt, daß er die Selbst⸗ verwaltung fördern wolle. Gerade in der inneren Verwaltung sind verschiedene Reformen notwendig. Die gesamten Unterlagen unserer Kreisordnung, die Unterschiede zwise Stadt und Land sind nachgerade unhaltbar m. Wir fürchten, daß die Reform des Wahlrechts nur Stückwerk und Flickwerk wird. Es ist eine andere Einteilung der Wahlkreise erforder⸗ lich, die den veränderten Bevölkerungszahlen gerecht wird. Auch das Wahlrecht selbst bedarf einschneidender Aenderungen. Ich freue mich, daß der Vertreter des Zentrums es gleichfalls für un⸗ haltbar erklärt hat, aber wir gehen noch weiter und fordern das Reichstagswahlrecht auch für die Landtagswahlen. Aber wir lehnen die Sympathie für Straßenkundgebungen ab, durch die etwa das Wabhlrecht erzwungen werden soll. Wir sind entschiedene Gegner der Sozialdemokratie, wir bekämpfen ihre Theorie, die Verhetzung der Massen und die terroristische Agitation. Aber anderseits kann man mit Schneidigkeit und Scharfmacherei die Sozialdemokratie nicht bekämpfen, man kann ihr nur einen Damm entgegensetzen, wenn man die Quellen zum Versiegen bringt, aus denen sie f Gleichberechtigung und Freiheit in allen Beziehungen! Damit kann Preußen allen Stürmen entgegengehen. b

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Der Herr Vorredner wie die Herren Redner vom Sonnabend haben in ihren Etatsreden eine Fülle von Materien gestreift, die nicht zu meinem Ressort gehören, und bei denen die Beantwortung, glaube ich, viel zweckmäßiger bei der zweiten Lesung des Etats erst erfolgen wird. (Sehr richtig! rechts.) Ich glaube, die Einzelberatung der Verwaltungen gibt einen viel geeigneteren Zeitpunkt und einen viel geeigneteren Ort ab, diese wichtigen Fragen eingehend zu erörtern als hier die allgemeine Lesung des Etats. (Sehr richtig! rechts.) 8

Auf einige Punkte muß ich ader eingehen. Ich versage es mir, auf die Frage der Fleischnot einzugehen, und kann eine Förderung dieser ganzen Frage durch Reden, wie sie eben gehört worden sind, nicht erkennen. (Sehr richtig! rechts.) Ich versage es mir sogar, die Manen des seligen Freiherrn v. Stein heraufzubeschwören; denn wenn man den Worten des Herrn Abg. Dr. Wiemer glauben wollte, so müßte man annehmen, daß wir in der Tat uns an den Manen des Freiherrn v. Stein versündigen und die Selbstverwaltung einschränken wollten. (Unruhe bei den Freisinnigen.) Er hat mit Recht gesagt, die Staatsregierung hat selber ein Interesse daran, die Selbstverwaltung intakt zu er⸗ halten, und darin stimme ich ihm bei. Wir denken nicht daran, die Selbstverwaltung anzutasten. (Rufe bei den Freisinnigen: Na, na!) Aber, meine Herren, einen anderen Punkt von allgemeiner Bedeutung muß ich kurz streifen.

Es war der Herr Abg. Broemel, der sagte, als er die Notwendig⸗ keit einer Reform des Wahlrechts in seinem Sinne betonte: es müsse auch der Monarch die Initiative in dieser Frage ergreifen. Meine Herren, ich muß in aller Form entschieden dagegen Einspruch erheben, den Monarchen in diese von der Parteien Gunst und Ungunst umstrittene und höchst zweifelhafte Frage hineinzuziehen. (Sehr richtig! rechts.) Ich glaube, es liegt im allseitigen Interesse, und zwar aller Parteien, die Person des Monarchen aus diesen Verfassungskämpfen, aus diesen Parteikämpfen vollkommen auszuschalten. (Sehr richtig! rechts.) Dann hat Herr Abg. Herold gesagt: wie stets, so werde sich auch bei der Polenpolitik bewahrheiten, daß die Prophezeiungen des Zentrums richtig gewesen sind. Meine Herren, ich will darauf nicht eingehen, ob an sich diese Behauptung des Herrn Abg. Herold über die Richtigkeit der Prophezeiungen des Zentrums richtig ist. Aber das wage ich allerdings positiv zu behaupten, daß diese Prophezeiung des Herrn Abg. Herold hinsichtlich der Polenpolitik unzutreffend ist. (Sehr richtig! rechts.) Ich muß gestehen: ich begreife nicht recht den Optimismus, der den Herrn Abg. Herold und die Seinen in puncto Polen⸗ politik beseelt, nach den Erfahrungen, die das Zentrum bei den letzten Wahlergebnissen in Oberschlesien gemacht hat. (Sehr richtig! rechts.) Wenn die Wahlergebnisse, das Verhalten der Polen in Oberschlesien nicht geeignet sind, das Zentrum stutzig zu machen über die Richtigkeit des bisher eingeschlagenen Weges, dann, ehrlich gestanden, meine Herren, fehlt mir das Verständnis dafür. Und nun nehmen Sie das Verhalten der Polen gegenüber den deutschen Katholiken in Posen und Westpreußen hinzu! Wer hier die Verhältnisse einigermaßen kennt, wer weiß, mit welchen enormen Schwierigkeiten die deutschen Katholiken zu kämpfen haben, wo sie in der Minorität sind, um nur einigermaßen eine kirchliche Versorgung zu erzielen, wer weiß, wie schwer es der Ansiedlungskommission geworden ist, auf ihre eigenen Kosten katholische Priester aus dem Westen nach dem Osten zu ziehen (hört, hört! rechts und bei den Nationalliberalen), der kann nur von einer Leidensgeschichte der deutschen Katholiken in Posen und West⸗ preußen sprechen. (Lachen bei den Polen. Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Dann, meine Herren, hat Herr Abg. Wiemer mehrere Aeuße⸗ rungen getan über verschiedene teils im Amt befindliche, teils aus⸗ geschiedene Minister, denen ich ebenso bestimmt entgegentreten muß.

Recht am Sonnabend auf die Gefahren scheiden seben e fafun die, wie ich glaube, in weiten Kreisen dieses Hauses nicht geteilt wird

öniglich Preußischen Staatsanzeiger. 1906.

Er hat davon gesprochen, daß seine Freunde den Herrn Minister Schönstedt ohne Bedenken hätten scheiden sehen eine Auffassung,

(sehr richtig! rechts), und eine Auffaffung, der hier Ausdruck ia geben in Ahbwesenheit des Herrn Ministers Schönstedt mir bedauerlich er⸗ scheint. (Sehr richtig! rechts.)

Der Herr Abg. Wiemer hat ferner über die Frage der Entlassung des Herrn Ministers Möller gesprochen und dem Wunsche Austruch gegeben, daß auch der Herr Minister von Podbielski seinen Wohnsitz nach dem Lande verlegen möchte. Meine Herren, ich habe zu erklären, daß die Annahme und Entlassung der Minister Sache der Krone ist und der Kritik des Parlaments sich entzieht. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Meine Herren, ich komme auf die Ausführungen der verschiedenen Herren Vorredner vom Sonnabend zurück. Zunächst hat Herr Abg.

Friedberg die Ueberschreitung des Kostenvoranschlags bei dem es den Herren nicht verargen; denn Sie werden es begreifen, daß mir diese sehr erhebliche Ueberschreitung genau so unangenehm gewesen ist wie Ihnen: einmal unangenehm gewesen ist wegen der erheblichen Mehrforderungen, die an sich erforderlich geworden sind, dann aber auch, weil überhaupt einmal ein Kostenanschlag wiederum wesentlich über⸗ schritten worden ist. Aber, meine Herren, ich kann hervorheben, wir erstens in formaler Beziehung alles getan haben, was möglt war, um eine Kontrolle dieses Baues stattfinden zu lassen. f eine Kommission eingesetzt worden, bestehend aus Vertretern Ministeriums des Königlichen Hauses, des Ministeriums lichen Arbeiten, des Finanzministeriums und des Polizeipräsidiums unter Vorsitz eines Staatsbeamten. Diese Kommission hat die ganzen Projekte und Kostenanschläge kontrolliert. Es ist also in dieser Be⸗ ziehung alles geschehen, was möglich ist.

Worauf beruht die Ueberschreitung, meine Herren? Im wesent⸗ lichen auf den außerordentlich großen baulichen, namentlich statischen Mängeln, die erst in die Erscheinung getreten sind, nachdem das Innere des Gebäudes bloßgelegt, zum großen Teile abgetragen war Man macht ja leider die Erfahrung bei fast allen alten Bauten, d die baulichen Schäden viel größer sind, als es zunächst den Ansch⸗ hat. Hier kam hinzu, daß Schink is im Jahre 1821 auch nicht von Grund aus gebaut hat, genötigt gewesen ist, das alte Nationaltheater noch zu vornherein ein nicht in sich gefestigt geführt hat.

Herr Abg. Dr. Friedberg hat darüber gesprochen, daß das Innere des Schauspielhauses ihm nicht gefalle. Nun, meine Herren, das ist Geschmackssache. Ich muß für meine Person gestehen, daß ich das jetzige Innere viel wohnlicher sinde als das sehr kahle frühere Innere; indes ist das Geschmackssache. Worauf es aber ankommt, ist doch, daß evidente Rücksichten der baun⸗ polizeilichen und feuerpolizeilichen Sicherheit den Neubau notwendig machten, und daß es gerade die stetigen Anforderungen des Polizei⸗ präsidiums gewesen sind, die mit dem Umbau nicht länger ju warten gestatteten. Meine Herren, wer je drin gewesen ist, wer die viel zm) engen Gänge gesehen hat und das Fehlen aller geeigneten Ausgänge, der bekam einen Schreck über die bau⸗ und feuerpolizeilichen Zustände, die dort herrschten. In dieser Beziehung ist im wesentlichen Wandel geschaffen, und das scheint mir doch das Hauptverdienst zu sein, nicht aber der größere oder geringere Geschmack in der Ausgestaltung des Inneren.

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Zulage der Superintendenten gehalten werden solle, ob sie ve

verteilt werden solle nach den Bedürfnissen. Ich kann das durcha bejahen: die Verteilung soll naturgemäß verschieden erfolgen, je nach⸗ dem das Maß der Arbeit der Superintendenten größer oder ge⸗ ringer ist.

Dann hat Herr Abg. Dr. Friedberg den Vorgang bei dem Ankauf des sogenannten Gestüts Römerhof vom etatsrechtlichen Standpunkt aus beanstandet und sich dafür ausgesprochen, daß es notwendig gewesen wäre, diese Ankäufe außeretatsmäßig zu machen. Meine Herren, zunächst darf ich bemerken, daß wir genau so vorgegangen sind unter der Zustimmung des Hauses bei dem Ankauf der Besitzung Dickhopshof bei Bonn, die für die Ausgestaltung des praktischen Unterrichts an der Akademie in Poppelsdorf angekauft wurde. Es ist jedesmal für die Staatsregierung eine außerordentlich mißliche Lage, wenn sie genötigt wird, sofort ein Grundstück zu kaufen, und sich sagen muß, daß das Grundstück nicht mehr zu haben ist, wenn sie nicht sofort zugreift. Wir müssen uns immer sagen: sollen wir die parlamentarischen Rechte in der einen oder der anderen Weise in diesem Falle außer acht lassen, oder sollen wir eine noch viel größere Schädigung allgemeiner Interessen eintreten lassen, wenn wir wegen dieses formalen Grundes das Grundstück nicht kaufen? Wenn die Mittel für Römerhof aus dem Etat der Domänenverwaltung genommen sind, so, glaube ich, war dieses Verfahren gerecht; denn Römerhof ist in der Tat nicht bloß ein Gestüt, sondern die Domänenverwaltung hat dort eine erhebliche Ackerwirtschaft und eine erhebliche Viehwirtschaft, und in der Korrespondenz zwischen den Ministerien ist von vornherein darauf hingewiesen worden, daß es dazu, ob ein Gestüt darauf er⸗ richtet werden soll, der Zustimmung des Landtags bedarf. Ich darf in kurzem auf das Schreiben hinweisen, das meinerseits an den Herrn Minister für Landwirtschaft gerichtet ist. Da heißt es:

Die Ueberweisung der Liegenschaften an die Gestütsverwaltung wird meines Erachtens, da sie eine einschneidende, zweifellos künftig auch mit Mehraufwendungen verknüpfte Organisationsveränderung des Hauptgestüts Graditz darstellt, nur vorbehaltlich der Genehmigung des Landtags, dem bei Vorlegung des nächsten Etats von den Ab⸗ sichten der Gestütsverwaltung Mitteilung zu machen sein dürfte, erfolgen können.

Und in der Denkschrift, die über den Ankauf von Römerhof dem

hohen Hause vorgelegt ist, heißt es ausdrücklich: