Qualität
gering
mittel Verkaufte
Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner
Menge
niedrigster
höchster niedrigster höchster niedrigster
Doppelzentner
Am vorigen
Durch⸗
Außerdem am Ma — NLaas berczta 8* über glichen schnitts⸗ V Schätzung veri preis dem Doppel;entae
Verkaufs⸗
13,00 16,05 14,75 15,90 15,00 14,00
Schönau a. K.. Halberstadt. Eilenburg. Marne. Goslar.. Duderstadt. Paderborn. 14,00 1111.4“ “ 15,50 NNa 2.. ““ — T“” “ “ — Dinkelsbühl. 17,00 Biberach. 15,40 11ehccö1““ v“ 15,50 14*“ g1 8 — “ — 1“ 16,00 Aich“ 15,00 Bemerkungen.
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4 2
13,70 16, 816,00 17,00 14,66 14,40 16,50
13,50 16,48 16,50 16,00 16,00 14,33 14,40 16,00
13,40 16,48 14,75 15,90 16,00 14,33 14,00 16,00
17,30 16,20 15,76 15,00 15,90
16,00
17,20 16,00 15,76 15,00 15,50
16,00
17,10 15,80 15,50
16,00 15,00
Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.
₰ (Preis unbekannt)
15,90
14,65 15,24
15,23 14,75 17,19 15,77 15,88 16,00 15,46
15,50
16,00
14,68 14,83
15,60 15.00 17,12 16,06 15,77 15,60 15,82
15,45
Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.
Personalveränderungen. 6 Königlich Sächsische Armee. 8
Offiziere, Fähnriche usw. Ernennungen, Beförde⸗ rungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. 15. Januar. Malberg, Major und Bats. Kommandeur im 4. Inf. Regt. Nr. 103, zur Dienstleistung beim Bezirkskommando Leipzig kommandiert. „Die Hauptleute und Komp. Chefs: Haeser beim Kadettenkorps, in das 6. Inf. Regt. Nr. 105 König Wilhelm II. von Württemberg, v. Witzleben im Schützen⸗(Füs.) Regt. Prinz Georg Nr. 108, zum Kadettenkorps, — versetzt. Krohn im 7. Inf. Regt. König Georg Nr. 106, zum Adjutanten der 4. Inf. Brig. Nr. 48 ernannt. Starke, Hauptm. und Adjutant der 4. Inf. Brig. Nr. 48, als Komp. Chef in das Schützen⸗(Füs.) Regt. Prinz Georg Nr. 108, Rühlmann (Walter), Oberlt. im 8. Inf. Regt. Prinz Johann Georg Nr. 107, unter Beförderung zum Hauptm., vorläufig ohne Patent, als Komp. Chef in das 7. Inf. Regt. König Georg Nr. 106, — versetzt.
Die Lts.: Frhr. v. Hammerstein im 1. (Leib⸗) Gren. Regt. Nr. 100, von dem Kommando zur Dienstleistung beim Festungs⸗ E enthoben, v. Goetze im 6. Inf. Regt. Nr. 105 König
zilhelm II. von Württemberg, zur Dienstleistung beim Festungs⸗ Pfin nis, Sieglitz im 6. Feldart. Regt. Nr. 68, als Assist. zur rt. Peühmngetonmishen in Berlin, — kommandiert. ie Fähnriche: Frhr. v. Friesen⸗Miltitz im 1. (Leib⸗) Gren. Regt. Nr. 100, Baumgarten⸗Crusius im 2. Gren. Regt. Nr. 101 Kaiser Wilhelm, “ Preußen, Friderici im 4. Jnf. Regt. Nr. 103,U, Schubert, Becker im 6. Inf. Regt. Nr. 105 König Wilhelm II. von 2 Schütte im 7. Inf. Regt. König Georg Nr. 106, Schreyer im 8. Inf. Regt. Prinz Johann Georg Nr. 107, Laue im 9. Inf. Regt. Nr. 133, Stark im 11. Inf. Regt. Nr. 139, Görler im 12. Inf. Regt. Nr. 177, Wilke im 13. Inf. t. Nr. 178, Teichmann im 15. Inf. Regt. Nr. 181, v. Boyneburgk, v. Beschwitz im Gardereiterregt., Goehle, Stresemann im 2. Ulan. Regt. Nr. 18, Determann im 4. Feldart. Regt. Nr. 48, Schumann im 8. Feldart. Regt. Nr. 78, Zukertort im Fußart. Regt. Nr. 12, — diese mit einem atent vom 15. Juli 1904, v. Hautcharmoy im 15. Inf. Regt. tr. 181, — zu Lts. befördert.
Die Unteroffiziere: Schuster im 5. Inf. Regt. Kronprinz Nr. 104, Sebastian im 9. Inf. Regt. Nr. 133, Härtel im 11. Inf. Regt. Nr. 139, Höckner im 2. Feldart. Regt. Nr. 28, Böhringer im 1. Pion. Bat. Nr. 12, — zu Fähnrichen ernannt.
Im Beurlaubtenstande. 15. Januar. Kramer, Oberlt. der Landw. Inf. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Leipzig, zum
uptm. befördert. Oehmichen, Lt. der Res. des 13. Inf. Regts. Nr. 178, zu den Offizieren der Res. des 3. Inf. Regts. Nr. 102 Prinz⸗Regent Luitpold von Bayern versetzt.
Die Vizefeldwebel bzw. Vizewachtmeister:; Hahn des Landw. Bezirks Glauchau, zum Lt. der Res. des 2. Gren. Regts. Nr. 101 Kaiser Wilhelm, König von Preußen, Lienemann desselben Landw. Bezirks, zum Lt der Res. des 3. Inf. Regts. Nr 102 Prinz⸗Regent Luiold von Bayern, Naumann, Schaarschmidt des Land⸗ wehrbezirks Chemnitz, Mühl des Landwehrbezirks Pirna, — zu Leutnants der eserve des 5. Infanterieregiments Kronprinz Nr. 104, Jacobsthal des Landwehrbezirks Straßburg i. E., zum Lt. der Res. des 6. Inf. Regts. Nr. 105 König Wilhelm II. von Württemberg, Schöbel des Landw. Bezirks Chemnitz, Bülz des Landw. Bezirks Zittau, Reichelt des Landw. Bezirks Glauchau, — zu Lts. der Res. des 8. Inf. Regts. Prinz Johann Georg Nr. 107, Böttner des Landw. Bezirks Zwickau, zum Lt. der Res. des Schützen⸗ (Füs.) Regts. Prinz Georg Nr. 108, Voetzsch des Landw. Bezirks Zwickau, Scholze des Landw. Bezirks Wurzen, — zu Lts. der Res. des 15. Inf. Regts. Nr. 181, Thaler des Landw. Bezirks Chemnitz, zum Lt. der Res. des 4. Feldart. Regts. Nr. 48, Lasch des Landw. Bezirks Pirna, zum Lt. der Res. des 5. Feldart. Regts. Nr. 64, Steinbach des Landw. Bezirks Chemnitz, Hartmann des Landw. Bezirks Zittau, — zu Lts. der Landw. Inf. 1. Aufgebots, — be⸗ fördert.
Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 13. Ja⸗
nuar. Haensel, Oberlt. im 3. Inf. Regt. Nr. 102 Prinz⸗Regent Luitpold von Bayern; die Lts.: Kleeberg im 4. JInf. Regt. Nr. 103, v. Zehmen im 8. Inf Regt. Prinz Johann Georg Nr. 107, Sievert im 10. Inf. Regt. Nr. 134, Hähle bei der Unteroff. Schule, Zollenkopf im Fußart. Regt. Nr. 12, — scheiden behufs Uebertritts zur Kaiserlichen Schutztruppe für Südwestafrika mit dem 18. Januar d. J. aus dem Heere aus. 15. Januar Müller, Hauptm. z. D., zuletzt Komp. Chef im 2. Pion. Bat. Nr. 22, unter Fortgewährung der gesetzlichen Pension und mit der Erlauhnis zum ferneren Tragen der Uniform des 1. Pion. Bats. Nr. 12, der Abschied bewilligt.
Im Beurlaubtenstande. 15. Januar. Böttger, Oberlt. der Res. des 2 Gren. Regts. Nr. 101 Kaiser Wilhelm, König von Preußen, behufs Ueberführung zum Landsturm 2. Aufgebots, Haensel, Lt. der Res. des Karab. Regts., wegen überkommener Feld⸗ und Garn. Dienstunfähigteit, Bär (Georg), Hauptm. der Landw. Inf. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Chemnitz, Roßberg, Oberlt. der Landw. Fußart. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Freiberg, — diesen beiden behufs Ueberführung zum Landsturm 2. Aufgebots mit der Erlaubnis zum Tragen der Landw. Armeeuniform, Gedicke, Hauptm. der Landw. Jäger 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Borna, diesem mit der Erlaubnis zum Tragen der Landw. Armeeuniform, Helff, Oberlt. der Landw. Inf 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Leipzig, Allmer, Oberlt der Landw. Jäger 2. Aufgebots des Landw. Be⸗ zirks Glauchau, Bach, Lt. der Landw. Jäger 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Plauen, Leonhardt, Hauptm. der Landw. Feldart 2 Auf⸗ gebots des Landw. Bezirks Zwickau, — letzteren beiden behufs Ueber⸗ führung zum Landsturm 2. Aufgebots, — der Abschied bewilligt.
Im Sanitätskorps. 15. Januar. Hantschel, Unterarzt der Res. im Landw. Bezirk Chemnitz, Dr. Barth, Unterarzt der
Res. im Landw. Bezirk Leipzig, Dr. Hempel, Unterarzt der Landw.
1. Aufgebots im Landw. Bezirk Leipzig, — zu Assist. Aerzten befördert.
„Den Stabsärzten der Res.: Dr. Spalteholz im Landw. Bezirk II Dresden, wegen überkommener Feld⸗ und Garn. Dienst⸗ unfähigkeit, Dr. Resch im Landw. Bezirk Plauen, behufs Ueber⸗ führung zum Landsturm 2. Aufgebots mit der Erlaubnis zum Tragen der bisherigen Uniform, Dr. v. Stieglitz im Landw. Bezirk Zittau, mit der Erlaubnis zum Tragen der bisherigen Uniform, Dr. Kelling, Stabsarzt der Landwehr 1. Aufgebots im Landwehrbezirk II Dresden, behufs Ueberführung zum Landsturm 2. Aufgebots, den Oberärzten der Landw. 1. Auf⸗ gebots: Dr. Goepel im Landw. Bezirk Leipzig, behufs Ueberführung zum Landsturm 2. Aufgebots mit der Erlaubnis zum Tragen der bis⸗ herigen Uniform, Dr. Bauer im Landw. Bezirk Leipzig, behufs Ueberführung zum Landsturm 2. Aufgebots, Dr. Breitung in dem⸗ selben Landw. Bezirk, wegen überkommender Feld⸗ und Garn. Dienst⸗ unfähigkeit, — der Abschied bewilligt.
Beamte der Militärverwaltung.
Dnrsh eggc des Kriegsministeriums. 12. Januar. Schulz, Unterapotheker der Res. im Landw. Bezirk II Dresden, zum Oberapotheker des Beurlaubtenstandes befördert.
ö6ö6“ . Deutscher Reichstag. “ 22. Sitzung vom 17. Januar 1906, Nachmittags 2 Uhr.
8 (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Tagesordnung: Erste und event. zweite Beratung des
von den Abgg. Graf von Hompesch und Genossen eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend Abänderung des Artikels 32 der Reichsverfassung, in Verbindung mit der Beratung des Antrages des Abg. Bassermann auf Vorlegung eines GesetzentwurFs wegen Einführung von Anwesenheits⸗ geldern und freier Eifenbahnfahrt für die Mit⸗ glieder des Reichstags.
Abg. Kirsch (Zentr.): Dafür, daß die parlamentarische Tätigkeit eine Leidensgeschichte hat, ist die Art und Weise ein Beispiel, wie bisher dem Antrage auf Gewährung von Dläten und freier Fahrt seitens der verbündeten Regierungen dem Reichstage gegenüber ver⸗ fahren worden ist. Im Jahre 1904 wurde ein unserm Antrag ent⸗ sprechender Gesetzentwurf in drei Lesungen nach vorheriger Kom⸗ VW“ ziemlich einstimmig angenommen. Ueber dieses Gesetz ist eine Entschließung des Bundesrats noch nicht erfolgt. 1901 ist bereits eine diesem Gesetzentwurf entsprechende Resolution angenommen worden, und was ich bezüglich des Verhaltens der Regierung zu dem Gesetzentwurf gesagt hade, trifft auch auf die Re⸗ solution zu. Der Abg. Fritzen hat bereits bei der Etatsberatung unsere Gründe für diesen Antrag erörtert. Ich will deshalb nur heute meiner Verwunderung Ausdruck geben, daß 1903 der Reichskanzler hier erklärte, er sei noch nicht in der Lage, die Zustimmung des Bundes⸗ rats zu dieser Frage mitteilen zu können. Wir zählen jetzt 1906, und nach der Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundesrats auf Anregungen des Reichstags scheint er noch keine Stellung dazu genommen zu haben. Seit vollen drei Jahren steht die Entscheidung aus. Was würde man sagen, wenn ein Privatmann drei Jahre nötig bätte, um einen Entschluß zu fassen. Als der Reichskanzler 1903 die Erklärung abgab, war er noch Graf, inzwischen ist er Fürst geworden, und nach dem alten Geundsatz noblesse oblige muß doch die Vornehmheit seiner Gesinnung den Anträgen des Reichstags gegenüber zugenommen haben. Wie gut wäre es für manche Geschäfte des Reichstags bei Fragen, die wir nur aus der Ferne betrachten können, wenn wir freie Fahrt durch das ganze Reich hätten und an Ort und Stelle prüfen könnten! Der Reichsgedanke selbst, namentlich in Süddeutschland, kann nur gewinnen, wenn durch Gewährung von Diäten auch den süd⸗ deutschen Abgeordneten ermöglicht wird, die Wünsche ihrer süddeutschen Wähler in der Reichshauptstadt zur Geltung zu bringen. Gerade in Süddeutschland ist es nötig, daß der Reichsgedanke gek äftigt wird. Es wäre also eine patriotische Tat des Bundesrats, unserem Antrage zu entsprechen. Bet den jetzigen Steuervorlagen ist die Gelegenheit, den Antrag wieder zu stellen. Schon beim Zolltarif wäre es an der Zeit gewesen, den Diätenantrag wieder dem Bundesrate zugehen zu lassen. Bei der Erbschaftssteuer, die eigentlich Erbschafts⸗ und Schenkungs⸗ steuer heißen müßte, hat man auf das Beispiel anderer Länder, wie England, hingewiesen. Die englische Regierung dürfte sich einem Wunsche des Unterhauses gegenüber nicht so verhalten, wie die unsrige; die verbündeten Regierungen sollten sich also nach diesem Muster endlich überzeugen, daß Diäten nötig sind. Der von uns früher beantragte Gesetzentwurf ist damals nach einer Kommissions⸗ beratung angk ommen worden, wir brauchen ihn jetzt nicht wieder an eine Kommission zu verweisen, sondern können ihn gleich heute in zweiter Beratung und später in der dritten erledigen. Zwar mögen noch kleine formelle Bedenken wegen der freien Tage, der Sonntage und Feiertage, bestehen, an denen Abgeordnete auch in Berlin sein können, ohne hier sein zu müssen, aber das kann kein Grund für die Regierung sein, dem Antrag nicht zuzustimmen. Auch über den Antrag Bassermann können wir eine Abstimmung berbei⸗ führen; denn wenn die Regierung den Gesetzentwurf Hompesch nicht annimmt, ist immer noch der Antrag Bassermann möglich, um sie zu veranlassen, ihrerseis einen Gesetzentwurf einzubringen. Zu meinem Bedauern ist der Reichskanzler noch nicht an seinem Platze, und auch kein Stellvertreter von ihm. Der Graf Posadowsky hat uns einmal eine unzureichende Erklärung hierüber abgegeben. Vor einigen Tagen hat der Reichskanzler bei der Interpellation über den Duellzwang auch nicht geredet, aber den Kriegsminister eine Erklärung verlesen lassen.
Wenn der Reichskanzler heute vielleicht seine Stellvertreter beauftragt,
eine Erklärung abzugeben, so hoffe ich, daß seine Antwort auf diese Anträge so lauten wird, 83 sie wieder gut macht, was durch de vom Kriegsminister verlesene Erklärung gesündigt worden ist. Jcz hoffe, daß eine solche Erklärung die Zustimmung zu beiden Anträger enthalten wird.
Abg. Bassermann (nl.): Wir haben unseren Diätenantrag wieder eingebracht, weil meine Freunde meinen, daß der gegenwärtig Zustand der dauernden Beschlußunfähigkeit des Reichstags nicht arf⸗ recht zu erhalten ist. Ich teile die Ansicht des Vorredners, daß über beide Anträge eine Abstimmung herbeizuführen ist. Wenn der Bundes. rat dem Antrag Hompesch nicht zustimmt, ist es nach unserem Ar⸗ trage immer noch möglich, daß ein besonderer Gesetzentwurf von der Regierung vorgelegt wird, was ich für meine Person als wahrschei⸗ licher ansehe. Beide Anträge gehen von dem Prinzip der Anwesen⸗ heitsgelder aus. In den Reihen meiner Freunde hat auch die Ansicht Ausdruck gefunden, daß es vielleicht richtiger wäre, en Pauschquantum für die Abgeordneten einzuführen, mit Abzügen für unentschuldigtes Ausbleiben. Auch solche, die sich bisher ablehnend verhalten haben, haben sich im Laufe der Jahre aus Zweckmäßigkeits⸗ gründen bekehren müssen, daß, wenn die Leistungsfähigkeit des Parlamentz aufrecht erhalten werden soll, die Einführung der Diäten sich empfiehlt Durch den gegenwärtigen Zustand der Beschlußunfähigkeit muß auh das Parlament in den Augen der Nation mehr oder weniger a Ansehen verlieren. Ein großer Teil der Abgeordneten ist nicht in der Lage, ohne Diäten die Kosten eines längern Aufent⸗ halts in Berlin zu bestreiten. Daher ist in diesem Hause die Be⸗ schlußunfähigkeit die Regel, und sie wird eigentlich nur unter⸗ brochen an solchen Tagen, wo durch die Energie der Geschäftsführung und der Fraktionen die Mitglieder zusammenberufen werden. Da bei der Beschlußunfähigkeit Anträge auf Schluß der Debatte nicht möglich sind, „tritt oft eine unerträgliche Verlängerung der Debatten ein, die manchmal zu der Wichtigkeit des Gegenstandes in keinen Verhältnis steht. So kommt es, daß dann auch die arbeitswilligen Mitglieder dem Hause den Rücken kehren. Beim Reichsamt des Innern z. B. gebe ich zwar zu, daß in diesem Amt eine Menge von Interessen vorhanden sind, die Debatten über eine Reihe von Tagen erfordern, aber es braucht doch schließlich nickt jede Frage der Sozialpolitik jedes Jahr ausführlich besprochen zu werden. Es ist nicht zu bestreiten, daß diese Frag auch mit dem preußischen Landtag zusammenzubringen it, Wund daß der Landtag vielleicht einmal früher einberufen oder länger zusammenbehalten ist, als seine eigenen ECe⸗ schäfte erfordert hätten, um den Reichstag zu alimentieren. Dieselbe Tendenz finden wir auch in andern Bundesstaaten. Wer das Opfer auf sich genommen hat, Reichstagsmitglied zu sein, erstrebt ein Landtagsmandat, um Diäten zu bekommen, sei es, daß er mit den Diäten hier in Berlin seine Bedürfnisse bestreitet, oder daß er aus den Diäten Ersparnisse macht, um hier erscheinen zu können. Es ist bereits auf den Einfluß der Diäten auf die Kasse der Sozial⸗ demokratie hingewiesen worden. Daß diese Zahlung auch für die Kasse der Sozialdemokraten eine Rolle spielt, ist ohne weiteres klar. Es wurde in der Generaldebatte zum Etat bereits hervor⸗ gehoben, daß in einer sozialdemokratischen Versammlung ein Redner sich dahin ausgesprochen hat, daß die Zahlung von Diäten für die Partei unerfreulich und unbequem sein würde. Wenn die sozial⸗ demokratische Fraktion, was ich nicht hoffe und wünsche, an Zahl noch weiter zunehmen sollte, so würde im Reichstage der Zustand ein⸗ treten, der in manchen Situationen der hinter uns liegenden Jahte vorhanden war, daß die Anzahl der präsenten Sozialdemokraten größer ist als die der anderen Parteien. Was das für Konsequenzen füt unsere Beratungen, insbesondere für die zweiten Lesungen, haben muß⸗ ist klar. Daß die Gewährung von Diäten eine Verlängerung der Verhandlungen des Reichstags herbeiführen würde, wie früher der Abg. Gamp hervorgehoben hat, halte ich für ganz un⸗ richtig. Die Abgeordneten haben gewöhnlich noch einen Beruf,. eine andere Beschäftigung außer dem Parlament, und daß jemand einen Genuß darin finden sollte, möglichst lange in Berlin zu sitzen, womöglich über die lange Zeit hinaus, die jetzt die Sessionen dauern, bhalte ich für höchst unwahrscheinlich. Die Knauserei bei ver Gewährung der freien Eisenbahnfahrt, die jett gegenüber den Reichstagsabgeordneten stattfindet, ist durchaus un⸗ gerechtfertigt, hier muß auch Wandel geschaffen werden. Eine solche Knauserei findet doch bei der Erhöhung gewisser Gehälter nicht statt. Die Verfassung hebt ausdrücklich hervor, daß wir nicht Abgeordnete eines einzelnen Wahlkreises, sondern des ganzen deutschen Volkes sind, und infolgedessen muß uns die Möglichkeit gegeben werden, in wichtigen Fragen durch freie Fahrt das Land kennen zu lernen. Ein Mißbrauch der freien Eisenbahnfahrt ist nicht zu befürchten. Die Gerechtigkeit fordert, anzuerkennen, daß die Verlängerung der Sessionen ja nicht ausschließlich herbeigeführt wird durch unsere Beschlußunfähig⸗ keit, sondern daß, dem ganzen Charakter unserer Zeit bnt prelhess das Material, welches der gesetzgeberischen Beratung unterliegt, in ständiger Zunahme begriffen ist. Ich erinnere z. B. an die Mittel⸗ standspolitik und an die große Zahl der Resolutionen. In unserer gärenden Zeit werden immer neue Anträge hervortreten, welche die politischen Geister beschäftigen. Es wird sich deshalb in Zukunft das gesetzgebende Material nicht vermindern, sondern vermehren. Das vorgelegte Material kann in dieser Session nicht bewältigt werden, wenn nicht der Reichstag in der Lage ist, durch die Einführung von Diäten seine Tätigkeit besser durchzuführen. Dies gilt insbesondere vom Flottengesetz, von der Finanzvorlage und dem Militär⸗ und Invalidengesetz. Darum wäre es endlich an der Zeit, daß die ver⸗ bündeten Regierungen den hier so oft geäußerten Wünschen nachgeben und entweder den Gesetzentwurf des Zentrums annehmen oder möz⸗ lichst bald ihrerseits einen Gesetzentwurf noch in diesem Jahre vorlegen.
Abg. Lenzmann F. Volksp.): Auf die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Gewährung von Diäten will ich nicht eingehen. Die Sache ist in den letzten Dezennien so eingebend erörtert wor
den, daß heute nichts Neues darüber zu sagen ist. Auch die Abgg Kirsch ann Bassermann haben eigentli ts Neues vorgetragen 2aas die
Eisenbahnfahrt anbetrifft, so wurde seinerzeit im Parlament ärt, es würde niemand einfallen, sie wieder zu nehmen, und des⸗ halb wurde auch kein Gesetz gemacht. Der Fürst Bismarck führte aber 1884 ohne weiteres eine Beschränkung ein, ohne die gesetzgebenden Faktoren zu fragen, wie man damals sagte, um die Berliner etwas zu ärgern. Neu ist die Art und Weise, wie bei dieser Sache der Bundesrat die Frage behandelt. Auch darin zeigt sich, daß man immer rückschrittlicher wird. Ich hatte seinerzeit die Ehre, über dieselbe Frage mit dem Reichskanzler zu diskutieren. Damals kam also der Reichskanzler persönlich hierher, heute sehen wir nur zwei Mitglieder des Bundesrats auf jener Bank — (Zuruf: Einer!) Pardon, von denen der eine auf die Provokation des Abg. Kirsch sich bisher noch richt geäußert hat. Ich habe auch gar nicht die Hoff⸗ nung oder die Furcht, daß er heute noch reden wird. Es ist dies doch eine Frage, zu der die Gesamtheit des Volkes oder die große Masse des Volkes Stellung genommen, und zu der auch der Reichstag mit imponierender Majorität eine ganz bestimmte Stellung vertreten hat. Ich glaube sogar, daß seitens der Freikonservativen heute ein großer Teil für den Gesetzentwurf stimmen wird, so daß die Zahl der Abstinenzler immer geringer werden wird. Wie kommt es denn eigentlich, daß das Parlament in dieser Weise behandelt wird, obgleich wir früher aus dem Munde des Reichskanzlers erfahren haben, daß er der Diätenbewilligung durchaus nicht antipathisch gegenüberstehe? Ein einziger im Deutschen Reich glaubt es wagen zu müssen, gegen den Gesamtwillen des Parlaments Stellung zu nehmen. Und gerade jetzt, wo man von uns gewaltige Summen und neue Steuern für Heeres⸗, Flotten⸗ und Kolonialzwecke fordert, gerade jetzt, wo das usland nur dann Respekt vor uns haben könnte, wenn auch alles harmonisch zusammenstehen würde, wo nur ein einiges Zusammen⸗ gehen von Bundesrat und Reichstag imponieren kann, wagt man, den Reichstag in der Weise, wie es geschehen ist, zu behandeln. Wohin foll es führen, wenn diese Nichtachtung des Parlaments so weiter⸗ getrieben wird, wenn wir für die Regierungen eine quantité négligeable bleiben? Vorgestern haben wir gehört, daß man unter Umständen zu einer Gesetzesübertretung genötigt werden muß. Die Duell⸗ und die Diätenfrage lassen sich nicht mit einander verquicken; das vorgestern gesprochene Wort über die Sanktionierung einer ungesetzlichen Handlung bleibt aber gesprochen, das kann keine Zustimmung zu den Diäten ungesprochen machen. Im Süden spricht ein Königs⸗ sohn, daß das Reichstagswahlrecht das einzige sei, das den Volks⸗ willen zur Geltung bringt, in Sachsen werden schwere Strafen ver⸗ hängt über diejenigen, die zu Gunsten dieses selben Wahlrechts demonstrieren; und in Preußen? — Davon wollen wir lieber schweigen. Wir sind wahrlich nicht revolutionär. Auch wird der Reichstag nicht streiken, aber wir sollten uns doch hüten, neuen Stoff der Unzufriedenheit dem Volke zuzuführen. Denn das sollten wir doch aus der schändlichen Revolution im Osten gelernt haben, daß, wenn die Unzufriedenheit zu groß geworden ist, kein Fürst ein Volk von der Durchsetzung seines Willens zurück⸗ halten kann. Den Sozialdemokraten wird die Bewilligung der Diäten keinen Nutzen bringen, aber die Diätenlosigkeit nützt ihnen, indem sie dem Volke vorführen, wie wir hier behandelt werden. Am meisten steigern die verbündeten Regierungen die Unzufriedenheit, wenn sie das Parlament mißachten, es verächtlich behandeln, wenn sie cs so behandeln, wie es bisher in dieser Frage geschehen ist. Ich bitte die Herren von diesem Hause, einstimmig für das Gesetz ein⸗ zutreten, der Bundesrat wird dann auch wohl mit seiner Zu⸗ stimmung nicht zurückhalten. Ich hoffe, daß wir die zweite Lesung heute noch werden vornehmen können, und daß die Frage endlich ein⸗ mal so gelöst wird, wie es dem Willen des Volkes entspricht, den auch die Herren am Bundesratstische zu achten die Verpflichtung aben. b Abg. von Staudy (d.⸗kons.): Der Gegenstand ist hier schon so gründlich erörtert worden, daß es unmöglich ist, für oder wider noch etwas Neues zu sagen. Daran wird auch nichts geändert durch die elegischen Betrachtungen des Vorredners. Der Abg. Lenzmann hat das ganze Paus um Zustimmung gebeten und nur uns Deutsch⸗Konservative ausgenommen; wir sind nicht rachsüchtig, sondern nehmen das mit Demut hin. Unser Standpunkt ist im wesentlichen derselbe wie früher; ein Teil meiner Freunde ist für die Aenderung des Artikels; einstimmig aber sind wir darin, daß wir diese Aenderung nur in solcher Form wünschen, daß bei gleichzeitiger Abänderung der Ge⸗ schäftsordnung die Verhandlungen des Reichstags wesentlich abgekürzt werden. Die freie Eisenbahnfahrt anlangend, stehen wir auch auf dem früheren Standpunkt; wir wünschen die Wiederherstellung der freien Fahrt und bedauern, daß der bis 1884 bestehende Zustand eingeschränkt wurde. 88 Abg. Singer (Soz.): Wir balten die Zahlung von Diäten nach wie vor für der Gerechtigkeit entsprechend und halten ihre Verweigerung für eine Beschränkung des freien Wahlrechts der Wähler. Wenn der Abg. Bassermann die Forderung begründete mit einer Klage über die ausgiebige Behandlung einzelner Gegen⸗ stände im Reichstage, so können wir diese Auffassung nicht teilen. Diese Begründung müßte uns eigentlich veranlassen, gegen den Antrag zu stimmen; denn gerade die Verhandlung der Dinge, welche die Besitzlosen angehen, auf deren Schultern die Besitzenden stehen, durch die sie erst ihre Reichtümer erwerben, ist für die Volksvertretung eine absolute Notwendigkeit. Wenn unsererseits gesagt sein soll, für die Sozialdemokratie würden die Diäten nicht nützlich, sondern schädlich sein, weil unsere Abgeordneten dann von der Parteikasse unabhängig würden, so hätte derjenige, der das gesagt hat, etwas gesagt, was er nicht vertreten kann. Die Erfüllung unserer parlamentarischen Pflichten machen wir nicht von der Gewährung von Diäten abhängig. Es kann ja den Herren eine solche Stimme aus dem sonialdemokratischen Lager passen; aber das glaubt doch auch der Abg. Bassermann nicht, daß die Wähler zu den Gewählten anders stehen werden, je nachdem sie Diäten bekommen oder nicht. Daß der Bundes⸗ rat eine so kühle Haltung unseren Anträgen gegenüber bewahrt, das sind wir ja gewöhnt; welcher glückliche Zufall uns die beiden Herren am Bundesratstische heute zugeführt hat, weiß ich nicht; der eine der Herren deutet ja schon durch seinen Namen an, welchen Tropfen der Bundesrat in unseren Freudenbecher fallen läßt. (Präsi⸗ dent Graf von Ballestrem: Ich möchte doch bitten, um einen Präzedenzfall zu schaffen, solche Scherze mit Namen von Abgeordneten oder Bundesratsmitgliedern zu unterlassen.) Wenn man davon spricht, wie der Reichskanzler die vorgestrige Erklärung des Kriegsministers wieder gutmachen könnte, so kann das nur durch eine offene Zurück⸗ nahme der Erklärung geschehen. Durch irgendwelche Kompensationen ist sie nicht aus der Welt zu schaffen. Der Reichstag würde von der Re⸗ gierung gar nicht so behandelt werden können, wenn er es sicch nicht schon so lange hätte gefallen lassen. Würde der Reichstag die Kraft und das Verständnis für das haben, was er sich selbst schuldig ist, wäre solche Behandlung unmöglich. ung lagen. lehnen Sie das Budget ab, dann werden Ihre Wünsche in Er⸗ füllung gehen. Der Abg. Staudy hat die Stellung der Regierung richtig gekennzeichnet, wenn er an die Bewilligung von Diäten die Forderungen seiner Freunde kaüpfte; er hätte auch neben der Aenderung der EGeschäftsordnung noch die Aen⸗ derung der Verfassung fordern können. Aber die beiden Parteien, von denen die Anträge ausgehen, werden sich wohl die Wünsche des von Staudy nicht zu eigen machen. Von den verfassungsmäßigen ten des Volkes darf nichts geopfert werden, denn das fehlte noch füm Ruhme der Volksvertretung. Wir werden für beide Anträge stimmen, ob sie der Bundesrat nun annehmen will oder nicht. Aber E der Sozialdemokratie wird dadurch in keiner Weise Abg. Kirsch (Zentr.): Wer objektiv meiner Rede gefolgt ist, kann
nicht daraus den Schluß ziehen, als hätte ich für die Erklärung des
5 geministers eine Kompensation gefordert. Ich habe nichts anderes — wollen, als daß der Reichskanzler nicht durch eine neue Erklärung herüber die durch die Erklärung des Kriegsministers geschaffene tion noch verschlechtern möge.
8 bg. Liebermann von 1 . finde den Antrag Bassermann zweckentsprechender, weil er zwei Wege offen läßt, während der Antrag des Zentrums sich auf Tagegelder
gutzumachen.
Verweigern Sie doch der Regierung ihre Vor⸗“
. halten werden kann. Sonnenberg (wirtsch. Vgg.): Ich
estlegt. Der Abg. Bassermann hat bereits auf das Pauschquantum alz fölzt, i hingewiesen. Das Prinzip des Art. 32 lautet: „Die Mit⸗ glieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung oder Ent⸗ schädigung beziehen“, aber es ist schon einmal durchbrochen worden, als die Kommission zur Vorberatung des Zolltarifs Diäten erbielt. Darum hat der Graf Posadomwsky am 12. Dezember v. J. nicht mehr die verfassungsmäßigen Bedenken gegen den Diäten⸗ antrag ins Feld geführt, weil der vorige Reichstag auch nach diesem Artikel gewählt war, aber seine Mitglieder doch damals Ent⸗ schäͤdigung für ihre Tätigkeit erhielten. Das Reich ist über dieser Um⸗ gehung der Verfassung nicht zu Grunde gegangen und wird auch eine Aenderung des Art. 32 ohne jede Erschütterung überstehen. Einzelne Zeitungen sagen allerdings noch immer, der gegenwärtige Reichstag sei unter der Voraussetzung der Diätenlosigkeit gewählt und könne nur für seinen Nachfolger Diäten vorschlagen. Das ist graue Theorie. Man soll mir den Wähler vorführen, der bei seinem Kandidaten den Vorbehalt gemacht hätte, daß er keine Diäten erhält. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Die Wähler fragen immer, wann endlich der Reichstag Diäten erhalten werde, und sie klagen vielfach, daß vorzugsweise Beamte als Kandidaten vorgeschlagen werden müssen, weil sie ihr Eehalt weiter beziehen, und aus den Steuern des Volkes die Stellvertreter besoldet werden. Da liegt also eine Verschleierung der Diätenzahlung vor. Ich bin der letzte, der eine große Zahl von Verwaltungsbeamten hier missen möchte, da wir sie zur zweckmäßigen Erledigung unserer Geschäfte brauchen, aber ein Zuviel könnte schädlich sein. Ich kann kein Beispiel anführen, wo die Beamteneigenschaft Abgeordnete der Regierung besonders gefügig gemacht hätte, aber theoretisch liegt diese Gefahr vor. Hätte der Reichstag Diäten, könnten die Wähler ihre Abgeordneten ganz anders kontrollieren, auch die politischen Gegner würden bei den Wahlen darauf hinweisen, wie oft der betreffende Abgeordnete gefehlt hat. Heute kann er sich mit den großen Unkosten des Aufenthaltes in der Hauptstadt entschuldigen und wird dafür Verständnis bei den Wählern finden. Wenn aber bei Diäten ein Abgeordneter zu oft fehlt, wird er nicht wieder kommen. Das würde beitragen, das Haus beschlußfähig zu halten. An Kompensationen für die Be⸗ willigung von Diäten, an Wahlrechtsbeschränkungen ist unter keinen Umständen zu denken. Ich für meine Person — ich will keinen Parteigenossen darauf festnageln — möchte nur die Einfügung von drei Worten in das Eehleeles als Verbesserung empfehlen: Wähler für den Reichstag ist jeder Deutsche, welcher das 25. Lebens⸗ jahr zurückgelegt hat, in dem Wahlkreise, wo er seit drei Monaten seinen Wohnsitz hat.. Man vergleiche nur einmal die Wahllisten in den großen Industrieorten mit den angeschlossenen ländlichen Wahlkreisen. Man würde vielfach feststellen, daß Personen doppelt in die Wählerlisten eingetragen sind. Und bei Nachwahlen ist die Sache noch schlimmer: da kann man eine ganze Anzahl von fluktuierenden Schlafburschen in die Städte hineinwerfen, die in die Wahllisten eingetragen werden, und diese können dann ein Schwer⸗ gewicht in die Wahlurne werfen. Ich sage das aber lediglich als meine eigene Anschauung. Kompensationen auf dem Gebiete des Wahlrechts oder Verfassungsänderungen, die die Freiheit beschränken, sind unmöglich. Der Abg. Singer brauchte sich nicht über die Aus⸗ führungen des Abg. Staudy zu erregen. An der Förderung der Geschäfte hat die Regierung und das Haus ein gleichmäßiges Interesse. Unsere Geschäftsordnung hat tatsächlich in den 40 Jahren ihres Bestehens einige Fehler gezeigt, und sie könnte einer gründlichen Umarbeitung unterzogen werden, wie z. B. in den Bestimmungen, daß wir noch immer mit Abteilungen arbeiten und die Wahlprotokolle aus den Abteilungen herauskommen müssen. Das preußische Abgeordnetenhaus kann man hier nicht anführen, es hat nicht Anwesenheits⸗, sondern Tegegelder für die Dauer der Session. Es hat seine Geschäftsordnung in einer Weise ausgebildet, daß eine Ueberrumpelung der Mehrheit durch die Minderheit fast unmöglich ist. Geradezu ein Zwang zur Unpünktlichkeit und zur Versäumnis liegt in den Doppelmandaten. Der Reichstag wird gar nicht mehr einberufen, ohne daß das Abgeordnetenhaus gleichzeitig tagt, weil sonst die Schwierigkeiten für dieses Haus viel größer sein würden. In dem Augenblick, wo der Reichstag entsprechende Ent⸗ schädigungsgelder bezöge, würden bei den nächsten Wahlen eine große Zahl von Doppelmandaten verschwinden. Das wäre an sich schon ein Vorteil, den die Regierung hoch genug einschätzen sollte, um endlich nachzugeben. Der Graf Posadowsky hat neulich be⸗ hauptet, es werde durch die Diäaͤten noch nicht die Beschluß⸗ fähigkeit gewährleistet. Das ist richtig, aber es könnte ja die Geschäftsordnung so gestaltet werden, daß tatsächlich die Be⸗ schlußfähigkeit des Hauses dadurch verstärkt würde. Zudem ist die Kontrolle der Abgeordneten durch die Wähler stark genug, und dann ist es doch für keinen anständigen Menschen ein angenehmes Gefühl, Anwesenheitsgelder zu nehmen und sich zu drücken. Es würde doch auch nichts dagegen einzuwenden sein, wenn die Abgeordneten, die Anwesenheitsgelder beziehen, sich einer Kontrolle unterwerfen. Was die Form der Gewährung von Dääten betrifft, so könnte man sich vielleicht anlehnen an dirjenige Form, unter der die Abgeordneten im elsaß⸗lothringischen Landesausschuß sie beziehen. Dort findet am Sonnabend, Sonntag und Montag keine Sitzung statt; fehlt einer einen Tag länger, so verlieit er die Diäten für die ganze Woche. Die Regelung der Frage drängt. Was der Abg. Bassermann in bezug auf eine sozialdemokratische Aeußerung gesagt hat, ist doch kein Märchen. Der Abg. Singer hat in Abrede gestellt, daß die Gewährung von Düäten auf die Sozialdemokratie eine ungünstige Wirkung haben würde. Ich bin anderer Mein ng. Die Regierung hätte eine solche Wirkung schon längst herbeiführen sollen. Sie sollte nun nicht mehr zögern, mit Vornehmheit und Liberalität an die Sache heranzutreten. Es ist für sie nicht gleichgültig, ob das Ansehen des Parlaments durch den Absentismus immer mehr schwindet. Kein noch so begabter Monarch wird wünschen, die konstitutionelle Staatsform zu Gunsten des Absolutismus abzuschaffen. Er kann, wenn er auch noch so er⸗ leuchtet ist, nicht alle Verhältnisse durchdringen, welche die Neuzeit beherrschen. Der Konstitutionalismus hat gleichzeitig den Thronen und dem Volke genützt. Ueber die Frage der Freikarten herrscht im Hause Einstimmigkeit. Sie müssen auf ausgedehnt werden. — — 9 . Abg. Schrader (frs. Vgg.): Dem Abg. Kirsch möchte ich sagen, ich glaube nicht, daß der Kanzler herkommen und eine Er⸗ klärung zur Duellfrage abgeben wird, um seine frühere Erklärung wieder gutzumachen, denn diese Erklärung ist eben nicht wieder Die Diätenfrage ist für meine Freunde eine rein prinzipielle, in welcher Form sie erledigt wird, ist für uns gleichgültig. Von keiner Seite, das möge sich der Bundesrat gesagt sein lassen, ist irgend ein prinzipielles Bedenken gegen die Gewährung von Diäten erhoben worden. Unter keinen Umständen wird sich der Reichstag dazu herbeilassen können, für die Diäten ein verfassungsmäßiges Recht aufzugeben. Es ist sein gutes Recht, Diäten zu verlangen. Der Reichstag hat auch das Seine getan zur Abkürzung der Verhand⸗ lungen. Der Redner geht dann noch auf einzelnes ein, bleibt aber im Zusammenhange auf der Tribüne unverständlich. “ Abg. von Tiedemann (Rp.): Die Ansichten über die Diäten⸗ gewährung sind in meiner Partei geteilt. Wir sind nach wie vor grund⸗ sätzliche Gegner einer Verfassungsänderung zu Gunsten der Diäten, die Mehrzahl meiner politischen Freunde ist aber bereit, für die Be⸗ willigung von Diäten zu stimmen, und zu dieser Mehrzahl gehören jetzt auch solche, die früher einen ablehnenden Standpunkt ein⸗ enommen haben. Wir sind zu einer Aenderung unserer Auf⸗ Fcac gekommen, weil wir die Ueberzeugung erlangt haben, daß der Misere der chronischen Beschlußunfähigkeit des Reichstags nur durch die Bewilligung von Diäten ein Ende gemacht werden kann, und daß der unwürdige Justand, daß der Reichstag Tag für Tag hier völlig beschlußunsähꝛs ist und mit einer ganz geringen Anzahl von Stimmen seine Beschlüsse faßt, auf die Dauer nicht aufrecht er⸗ Wir tun dies aber unter der gonz bestimmten Voraussetzung, daß mit Hilfe und unter Verständigung mit anderen Parteien es gelingen wird, gewisse Bestimmungen der Geschäfts⸗ ordnu die für die rasche Erledigung der Geschäfte ein Hemmnis
die ganze Legislaturperiode
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bilden, zu beseitigen. Ich bin überzeugt, daß diese Verständigung über die Revision der Geschäftsordnung sehr leicht zu erzielen ist. Der Antrag Hompesch, der einen bestimmten Satz für die Anwesen⸗ heitsgelder vorsieht, hat insofern Bedenken, als er die Frage der Entschädigung füc die Reichstagsmitglieder festlegt und Tagegelder fordert, während wir der Meinung sind, daß zum Zwecke der dauernden Beschlußfähigkeit des Reichstags die Bewilligung eines Pauschquantums mit Abstrichen für jeden Tag, an dem der betreffende Abgeordnete fehlt, besser wäre. Wir werden deshalb gegen den Antrag Hompesch und für den Antrag Bassermann stimmen. 8
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (frs. Volksp.): Die Erklärung des Vorredners war sehr erfreulich in ihrem ersten Teil, aber ich wäre ihm dankbar gewesen, wenn er bezüglich des zweiten etwas deutlicher gesagt hätte, was er unter Revision der 8 versteht. Ich kann bereits jetzt sagen, daß wir auf dieser Seite die Autonomie des Reichstags bezüglich der Feststellung der Geschäftsordnung unter keinen Umständen preisgeben werden. Ich habe mich zum Wort ge⸗ meldet, damit auch ein Mitglied eines süddeutschen Parlaments sich zur Sache äußert. Die Frage darf unter keinen Umständen von dem Gesichtspunkte behandelt werden, welche Wirkungen sie auf die Sozialdemokratie äußert, es muß tatsächlich festgestellt werden, Wum kein Märchen außerhalb dieses Hauses aufkommen zu lassen, daß die Bänke der äußersten Linken nicht besser be⸗ setzt sind als die bei andern Parteien. Die Frage der Diäten ist allmählich zu einer politischen und zu einer Existenz⸗ frage des Parlaments selbst geworden. Es wird nicht mehr bloß gefragt, ob die Diäten gut sind, sondern auch, ob es ge⸗ lingen wird, die antiparlamentarischen und antikonstitutionellen Bestrebungen, die sich daran knüpfen, zu überwinden. Es ist unmög⸗ lich, zu schildern, welchen Eindruck die geradezu unwürdige Behandlung des Reichstags im letzten Sommer bei uns in Süddeutschland ge⸗ macht hat. „So kann man vielleicht Hofschranzen, aber nicht die Vertreter des Deutschen Reichs behandeln, die man an einem Tage nach Berlin beruft, um sie am anderen wieder heimzuschicken.“ Künstler und Vertreter des deutschen Volks werden behandelt gleich Hof⸗ bediensteten; überall begegnet uns der feudalpatriarchalische Grundzug, der nur Untertanen kennt, die in Demut zu ersterben wissen. Ein derartiger Grundzug unserer Politik kann gar nicht anders, als das Parlament bloß als notwendiges Uebel ansehen, das gerade noch dazu gut ist, Soldaten und Schiffe zu bewilligen und vielleicht hier und da eine alte Burg wieder aufzuführen. Wir sind zu gute Kerle, das ist der Grund, weshalb wir so behandelt werden. Die Diäten⸗ losigkeit ist nicht der einzige Grund für die Interesselosigkeit und den Absentismus in diesem Hause, sondern es kommt hinzu: die Ohnmacht, die Einflußlosigkeit des deutschen Parlaments, eines Parlaments, das noch dazu auf Grund des radikalsten Wahlrechts gewählt ist. Wir hätten ja kleine Machtmittel. In solchen Fragen sollten wir unsere Verhandlungen so lange aussetzen bis hier der Reichskanzler erscheint. Heute sind wir schon vom Kanzler zum Unterstaatssekretär heruntergestiegen; das nächste Mal langen wir vielleicht bereits beim Regierungsassessor an. Wenn wir nur annähernd die Rechte eines konstitutionellen Parlaments besäßen, wäre auch die Anteilnahme der Volksvertreter ganz anders wie jetzt. Wie würde man zetern über Parteiterrorismus, Parlamentswillkür usw., wenn wir solche rein persönliche Politik treiben würden! Man hat in gewissen Kreisen eben kein Ver⸗ ständnis für die Opfer, die der Reichstagsabgeordnete für seine Teilnahme an der gesetzgeberischen Arbeit bringen muß. Eine Folge der Diätenlosigkeit ist die Zunahme der Doppelmandate. Die süddeutschen Doppelmandatare köͤnnen ihre Pflicht gar nicht so ausüben, wie sie es eigentlich tun müßten; sie müßten denn die Arbeitskraft eines Grafen Posadowsky haben. Das halten auch die allerbesten Nerven auf die Dauer nicht aus. Gerade die Doppelmandate werden deswegen aufgestellt, weil für den Reichstag sonst keine Mandatsübernehmer zu haben sind. Was ist es für eine Behandlung des Reichstags durch die Regierung, wenn der Graf
osadowsky einfach fragt, welcher sachliche Schaden denn durch den Schluß des Reichstags entstanden sei! Die Frage ist ganz falsch gestellt: welche Menge Arbeit war damals umsoast getan und muß jetzt noch einmal bewältigt werden! Hat man uns doch damals von gewissen Seiten in der Presse Landesverrat vorgeworfen, weil die Kamerunbahn nicht sofort bewilligt wurde! Ohne Diäten kann das Reichstagsschiff nicht flott gemacht werden. In höchst merkwürdiger Weise ist von der Rechten und anscheinend auch von dem Abg. Bassermann auf ge⸗ wisse Kompensationen ernstlich hingedeutet worden. In einer Zeit, in der Oktavio von Zedlitz Hochverrat nennt, wenn man für Preußen das allgemeine Wahlrecht erstrebt, das ein künftiger bayerischer König als sehr modern und zeitgemäß bezeichnet hat, sollte man doch mit solchen Aenderungsplänen der Geschäftsordnung oder gar der Gesetzgebung doppelt vorsichtig sein. Der Abg. Lieber⸗ mann von Sonnenberg findet gar nichts daran! Wenn Sie damit beginnen, ist bis zum Zensus und zu weiteren Beschränkungen kein weiter Weg mehr. Unsere Geschäftsordnung bedarf drin⸗ gend einer Revision; ja, sie ist zum Teil antiquiert, sie widerspricht zum Teil sogar der deutschen Reichsverfassung. Allein man darf unter keinen Umständen in einer geradezu tendenziösen Weise die Abänderung der Geschäftsordnung mit dieser gesetzgeberischen Maßregel hier verquicken. Es dürfen nicht irgendwelche Konzessionen zum Nachteil des Parlaments gemacht werden. (Ruf rechts: Zum Vorteil!) Nein, Sie müssen sich erinnern, daß Sie auch einmal in die Minorität kommen können. Die Geschäftsordnung soll vor allem die Rechte der Minderheit wahren. Auch das Zentrum möchte ich zu be⸗ denken bitten, daß es einmal in die Minorität kommen kann. Mit der svstematischen Herabdrückung des Parla⸗ ments von oben wird die Kluft zwischen den einzelnen Teilen des Reiches erweitert, und es leidet unzweifelhaft der Reichs⸗ gedanke darunter. Ich kann als Süddeutscher sagen, man ist südlich der Mainlinie ebenso gut deutsch, und man kommt dem Reichs⸗ gedanken mit derselben Sympathie und Begeisterung entgegen, als wie hier oben bei Ihnen. Aber das darf unter keinen Umständen un⸗ ausgesprochen bleiben: über sehr viele Erscheinungen der Neuzeit ist man in den besten Kreisen Süddeutschlands tief verstimmt. Zu diesen Erscheinungen gehört neben gewissen unvorsichtigen Bemerkungen sowohl in der inneren als besonders der auswärtigen Politik vor allem die persönliche Art der Behandlung der Volksvertretung, die wir in Süd⸗ deutschland nicht gewöhnt sind. Der Reichskanzler sollte einmal die nationale Presse durchlesen, er würde finden, daß ich nicht übertreibe; er soll nur die Verhandlungen der süddeutschen Parlamente aus den letzten Monaten durchlesen, so wird er sehen, daß ich kein Schwarz⸗ maler bin, wenn ich sage, die Herren sollten eine etwas populärere Politik treiben, wenn sie südlich des Mains auf Eroberungen ausgehen wollen. Der Reichskanzler muß einmal offen und ehrlich an maßgebender Stelle den Standpunkt vertreten. Es geht einfach so nicht weiter, er muß es nach meiner Ueberzeugung tun, so wahr er nicht selbst ein Philister ist! .
Abg. Werner (Reformp.): Das Sefabe, daß der Reichs⸗ tag schlecht behandelt wird, ist gerade so in Norddeutschland wie in Süddeutschland vorhanden. 15 mal ist diese Forderung schon mit immer größerer Mehrheit vom Reichstag angenommen worden. Wenn wir uns alles vom Bundesrat gefallen lassen, können wir uns über diese Behandlung nicht mehr wundern. er Reichstag sollte einmal konsequent sein und den Staatssekretären die Gehälter verweigern so lange, bis die Diäten bewilligt sind. Ich bedaure auch aufrichtig, daß der Bundesrat heute nicht vertreten ist. Ohne Anwesenheitsgelder können wir absolut nicht mehr fertig werden. Auch die Finanzreform muß scheitern, wenn der Reichstag nicht in die Lage gesetzt wird, sie zu erledigen. Die einzelnen Abgeordneten müssen die Möoglichkeit er⸗ halten, ihren Aufenthalt in Berlin zu nehmen.
Abg. Blumenthal (Deutsche Volksp.): Im Namen der Süddeutschen Volkspartei erkläre ich, daß auch wir bereit sind, für die Diäten zu stimmen. Für die Nützlichkeit der Diäten kann ich nur aus den Erfahrungen des elsaß⸗lothringischen Landesausschusses sagen, daß wir dort fast immer vollzählig sind. Wir haben 20 ℳ Diäten pro Tag. Diese beiden Umstände stehen zweifel⸗