1906 / 16 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 Jan 1906 18:00:01 GMT) scan diff

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Münsterberg (Berlin) in einem Bericht über die Tätigkeit des Vereins während der ersten 25 Jahre seines Bestehens *) geschildert. Es ist eine Fülle von Erfahrungen, Versuchen und praktischen Vorschlägen dort esammelt; demgegenüber den Mangel an gründlicher, systematischer

erarbeitung, der mehrfach zutage tritt, tadeln zu wollen, wäre unrecht. Was aber nicht verkannt werden darf, ist die Abneigung gegen schärfere Kritik. Das sogenannte Elberfelder System z. B. eine Organisationsform der Armenpflege der Mittelstädte erscheint zu sehr als das eine unendlich große Ideal der Armenpflege überhaupt. Obschon der Münsterbergsche Bericht in der Zusammenstellung alles dessen, was im deutschen Verein über einzelne Teile dieses Systems verhandelt wurde, deutlich zeigt, wie ein Stück des Systems nach dem andern sich als unhaltbar gegen⸗ über den Ansprüchen der neueren Zeit erwiesen hat, ist doch auch er zu sehr von pietätvoller Rücksicht erfüllt, um mit der Form zugleich den alten Namen aufzugeben. Ebenso war die Stellung des Vereins zu der Frage der Reform der Armengesetze, wo man viele Mißstände sah und beklagte, aber vor ernsten Aenderungen doch in dem Gefühl zurückschreckte, daß man damit sich auf L schwankenden Boden begebe, wo das Ende nicht abzusehen sei.

8 ö dieser Fülle von segensreicher Kleinarbeit, bei der nur hier und da wirklicher Fortschritt erkennbar wurde, zeigen von Buehl, Hnantng Fleischmann und Schwander erstattete Berichte über die

eutigen Anforderungen an die öffentliche Armenpflege und über die Neuordnung der Hausarmenpflege*) ein ganz verändertes Bild. „Die Verfasser haben das entschlossene Bestreben, aus der Erkenntnis der Fehler der heutigen Armenpflege die nötigen Schlußfolgerungen zu ziehen. In erster Linie prüfen sie, wieweit die Gesetzgebung über das Armenwesen gerade in ihrer grundlegenden Bestimmung über Unterstützung und Bedürftigkeit den Ansprüchen der Neuzeit nachkomme. Für das Geltungsgebiet des Unterstützungswohnsitzgesetzes ergibt sich die wertvolle Tatsache, daß in der Auslegung des Bundes⸗ amts für das Heimatwesen allen gerechtfertigten Anforderungen unserer Zeit Rechnung getragen wird. Für manche moderne Heilverfahren Lungenheilstättenpflege, Sommerpflege für arme Kinder, Krankenhauspflege und Kuren für Leidende wie für die Kinderfürsorge geben die Gesetze so viel Raum, wie

man nur wünschen darf. Der Wortlaut der Gesetze ist biegsam und dehnbar. Wenn mit der Entwicklung unserer sozialen Gesetzgebung, mit dem Steigen aller Lebensbedürfnisse auch der Begriff dessen steigt, was als Mindestmaß einem Armen zum Lebensunterhalt gewährt werden muß, so bietet das Gesetz sehr wohl die Möglichkeit, alles dies aufzunehmen. In ähnlicher Weise äußert sich der bayerische Referent über seine Heimatgesetzgebung, wenn er auch einzelne Vor⸗ behalte macht. Dem Elsaß⸗Lothringer dagegen fehlt diese rechtliche Grundlage einer ordentlichen Armenpflege vollständig. Die Reichs⸗ lande stehen in diesem Punkte auf der veralteten französischen Gesetz⸗ gebung von vor 1870; sie haben weder die französische noch die deutsche Rechtsentwicklung mitgemacht. So tritt dort die Forderung auf, jene gesetzlichen Grundlagen, die im übrigen Deutschland vorhanden sind, erst einmal zu schaffen. 8 Ist also im übrigen Deutschland das Gesetz gut und für jeden Fortschritt ausreichend, so läßt aber die Durchführung, die Praxis der Armenpflege doch vielfach noch alles zu wünschen übrig. Wenn Schwander für das Reichsland erklärt: „In Elsaß Lothringen gibt es keine allgemeine, öffentliche Armenpflege, sondern nur eine Armen⸗ pflege in den größeren Städten“, so muß auch der bayerische

Referent, Rechtsrat Fleischmann, zugeben: „Es waren geradezu haarsträubende Fälle, in welchen sich die völlige Unzulänglichkeit mancher ländlichen Armenpflege, verbunden mit ganz besonderer,

lücklicherweise in solchem Grade seltener Gefühlsroheit ihrer Organe, so recht greifbar erwies. Kommen solche Fälle schon

ei Personen vor, welche in der Gemeinde verarmten, so mag man sich ausdenken, welche Gefühle den Armen empfangen mögen, welcher seit Jahren fremd, aber heimatberechtigt sich unvermutet ein⸗ findet, um ecnährt zu werden“. Auch für das Geltungsgebiet des Unter⸗ stützungswohnsitzgesetzes sind die Ergebnisse betrübend. Die Verfasser kritisieren wesenklich nur die mittleren und größeren Städte und kommen dabei zu dem Ergebnis, daß selbst hier, wo alles viel günstiger liegt als auf dem Lande, noch sehr viel daran feblt, daß die Armenpflege den gesetzlichen Rahmen wirklich ausfülle. Mögen die Zahlen, die die Ver⸗ asser dabei anführen, in manchen Stücken berechtigten Bedenken be⸗ gegnen, ihre Schlußfolgerung wird unanfechtbar bleiben, daß selbst in vielen Städten, die finanziell leistungsfähig sind, die Armenpflege nicht den Anforderungen entspricht, die das Gesetz ihr stellt. kehrfach ist hervorgehoben, daß man für ganze Gebiete der Armenpflege, wie besonders der Kinderfürsorge auf dem Lande, von ner geordneten Armenpflege überhaupt nicht reden könne, daß hier trotz der besseren gesetziichen Grundlage die tatsächlichen Zustände schlimmer seien als im Reichslande. Wee eine Gemeinde, sagt Klumker in seinem eingangs erwähnten Aufsatz, sich ihren Unter⸗ stützungspflichten entziehen kann, wie man arme, besonders hilfs⸗ edürftige und uneheliche Kinder in die Stadt abschieben kann, ohne dabei entdeckt zu werden, weil diese Armen sich gewöhnlich nicht wehren können, darüber weiß selbst die kleinste Gemeinde Bescheid. Freilich spielt hier die Belastung dieser Gemeinden eine große Rolle; der deutsche Verein für und Wohltätigkeit fordert daher seit über 10 Jahren, daß sie größeren Verbänden auferlegt werde.

Dieses Mißverhältnis zwischen gesetzlicher Vorschrift und tatsäch⸗ licher Leistung beruht zum Teil darauf, daß der Arme keinen Rechts⸗ anspruch auf Unterstützung besitzt. Die Berichterstatter kommen alle dazu, ein solches Recht für den Armen zu fordern, und auch Klumker vertritt die Ansicht, daß die öffentliche Armen⸗ pflege keine Wohltätigkeit, die aus gutem Herzen schenkt, wo es ihr 82 viele Armenverbände sehen sie so an —, sondern eine öffentliche Pflicht sei. Diese Pflicht enthalte schließ⸗ lich den Rechtsanspruch des Armen, den man nicht von einem guten Herzen der Armenverbände und der Armenpfleger abhän ig machen dürfe. „Bisher hat der Arme nur ein sehr platonisches Bes⸗ werderecht, das bereits bei der untersten Instanz des Bezirksausschusses z. B. in Preußen endet. Jeder Bezirksausschuß kann über Armenpflege urteilen, wie er will; eine höhere Macht, die der Arme anrufen könnte, gibt es nicht. Nur so ist es möglich, daß selbst allgemein gültige Entscheide der höchsten Instanz von den unteren bewußt und mit Absicht beiseite geschoben und dem Armen sein Recht vorenthalten wird. Wir haben dies in der Kinderfürsorge in den letzten Jahren in der schlimmsten Weise gesehen. Die Armenpflege ist von den seltenen

Fällen der Streitigkeiten zwischen Armenverbänden verschiedener

taaten abgesehen den unteren Behörden preisgegeben, und daraus vor allem erklärt sich, daß jene schweren Mitzstände, die seit langen Jahren beklagt werden, unentwegt weiter bestehen.“ So fordern die Berichterstatter ziemlich einhellig, daß der Arme ein Recht auf Unter⸗ tützung erhalte, das er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren er⸗

reiten koͤnne. Noch wichtiger als ein socher Fortschritt, der noch nicht allgemein Zustimmung fiaden dürfte, ist die zweite Forderung. daß jene Ungleichheiten in der Armenpflege durch eine öffentliche Aufsicht im Unterstützungswesen beseitigt werden. Es wird eine Behörde ge⸗ fordert, über deren Zusammensetzung man ja streiten mag, die nicht nur ein Aufsichtsrecht über die Armenverbaͤnde besäße, sondern auch das Recht hätte, das Mindestmaß an Armenpflege bei den unteren Verbänden zwangsweise durchzusezzen. Wenn solche Forderungen im

*) Münsterberg, Generalbericht über die Tätigkeit des deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit während der ersten 25 Jahre seines Bestehens 1880 1905 (247 S. Preis 4,20 ℳ). Buehl, Flemming, Fleischmann und Schwander. Die Anforderungen an die öffentliche Armenpflege im Verhältnis zur bestehenden Armengesetzgebung (181 S. Preis 3,60 ℳ). Beides in: „Schriften des deutschen Vereins für Armenpflege und Wohl⸗ tätigkeit“, Heft 72 und 73 (Leipzig, Verlag von Duncker u. Humblot). Schwander, Bericht über die Neuordnung der Hausarmenpflege, im Auftrage des Armenrat Stadt Straßburg erstattet (57 S. Nicht im Bachhandel).

deutschen Verein erfolgreich vertreten werden können mögen sie auch von den Anhängern des Alten noch manchen Widerstand finden —, so beweist dies, welche entschiedene Bewegung unter den Leitern unseres Armenwesens vorhanden ist. b 8

Wenn die öffentliche Armenpflege nicht eine andere Form der freiwilligen Liebestätigkeit ist, wenn sie vielmehr eine Erfüllung öffent⸗ licher Pflichten darstellt, so ergibt sich daraus eine Reihe von Fol⸗ gerungen für die Organisation, die zunächst darin zum Ausdruck kommen, daß sich das alte Elberfelder System als unzureichend erweist. Dieses System war eine Uebertragung der im Anfange des vorigen Jahrhunderts ausgebildeten Form freiwilliger Liebestätigkeit auf die öffentliche Armenpflege, die so lange genügen mochte, als man sich nicht bewußt war, in welchem ungeheuren Umfange die modernen Wirtschaftsprobleme auf die Armenpflege einwirken, und solange man noch nicht jene umfangreichen, verwickelten armenpflegerischen Aufgaben vor sich hatte, wie in den heutigen Großstädten und Industrie⸗ zentren. Die Mängel jenes Systems hat in vorsichtiger Form auch der deutsche Verein früher zugegeben, aber daß zwischen der heutigen Armenpflege und jenem System ein grundsätzlicher Widerspruch vor⸗ handen ist, der, mit jener erwähnten praktischen Unzulänglichkeit der Armenpflege verbunden, das System gerade als System überlebt er⸗ scheinen läßt, dies tritt innerhalb des deutschen Vereins zum ersten Male in den erwähnten Berichten zu Tage. Jenes System baute sich ausschließlich auf der Tätigkeit freiwilliger Helfer und Helferinnen auf, denen auch nach dem Grundgedanken des Systems die eigent⸗ liche Entscheidung über die Höhe und Art der Unterstützung überlassen bleiben sollte. Konnte schon eine einigermaßen größere Organisation nicht mit diesem anarchistischen Prinzip arbeiten, so trat später das Bedenken hervor, daß freiwillige Helfer, die nur ihre Mußezeit der Armenpflege widmen, schon nirgends in genügender Zahl zu beschaffen sind, noch weniger aber in genügender Qualität, um allen jenen schwierigen Problemen der Armut in unserem Wirt⸗ schaftssystem und allen den besonderen Hilfseinrichtungen in der Kranken⸗ und Kinderfürsorge gewachsen zu sein. Je mehr vor allem das Armenwesen als „soziales Hilfsinstitut“ angesehen wird, um so weniger erschien es angebracht, gerade in Fällen vorübergehender Not und Arbeitslosigkeit oder Krankheit den Armen persönlich von einem seiner Mitbürger, einem Pfleger, abhängig zu machen und ihm die öffentliche Hilfe in einer Form zu gewähren, die der privaten Wohltätigkeit eigentümlich ist. Daher betonen Schwander und Klumker die Notwendigkeit, beruflich geschulte Pfleger für eine ganze Reihe von Fällen zu benutzen und dadurch so rasch und so sachgemäß Hilfe für jeden Armenfall zu sichern, wie es bei der Erfüllung einer öffentlichen Unter⸗ stützungspflicht erforderlich erscheint. Diesen Berufepflegern fallen die schnell zu erledigenden und die schwierigeren Fälle zu, während für die freiwilligen Helfer, die nach wie vor ein wertvolles, unersetzliches Element bilden, wesentlich die Fälle in Betracht kommen, wo gerade der persönliche, tröstende und erzieherische Einfluß von Mensch zu Mensch wünschenswert und nötig ist. Der Plan, den Schwander für die Reform des Armenwesens der Stadt Straßburg in seiner genannten Schrift entworfen hat, gründet sich theoretisch auf jene moderne Auffassung der Armenpflege, praktisch auf diese Gleichstellung des beruflichen und des freiwilligen Armenpflegers, eine Gleich⸗ stellung, die von dem Elberfelder System bisher abgelehnt wurde. Für den echten Elberfelder Pfleger ist es eine grundsätzlich zu verwerfende Anschauung, daß ein beamteter Pfleger neben ihn ge⸗ stellt wird und daß jemand vermuten kann, ein geschulter Pfleger, aus⸗ gerüstet mit Erfahrung und guter Vorbildung, könne ebenso gut Armenpflege treiben wie ein Privatmann, der nie sich mit diesen Fragen befaßt hat, aber Freiwilligkeit und ein gutes Herz mit⸗ bringt. Statt das alte Systemschema der Armenpflege anzuwenden, das bald nur im Auslande noch seinen Ruhm einsam genießen wird, hat Schwander versucht, aus den gegebenen örtlichen Ver⸗ hältnissen heraus ein eigenes System für seine Stadt zu entgwickeln. Von eingehender Prüfung des Bestehenden aus gelangt er zu einer Reihe von Forderungen, die dann der besonderen Neuordnung zu Grunde gelegt werden. Von allgemeinem Interesse ist darin, daß alle Armenfälle von Haus aus geschieden werden 1 in solche, die den freiwilligen Pflegern zu üͤbergeben sind, für deren besondere Fähigkeiten gleichsam aufgespart werden sollen, und in solche Fälle, die vom Amt und von seinem beruflichen Pfleger, „dem Erkundigungs⸗ beamten“, wie ihn Straßburg nennt, erledigt werden sollen. In vielen Stücken lehnt sich diese Ordnung an ähnliche Einrichtungen, in Colmar und Hamburg vor allem, an; in einem Punkte geht sie über alle in erfreulicher Weise hinaus: sie stellt jenen Erkundigungsbeamten nicht unter die freiwilligen fleger, sondern gleichberechtigt neben sie. „Was den Erkundigungsbeamten betrifft, so ist sein Posten von ansehnlicher Art und nicht geringer sozialer Bedeutung. Man muß ihn sich keineswegs als einen untergeordneten Beamten geringeren Schlages, sondern als einen gebildeten, urteilsfähigen Mann denken, der besonders in allen das Armenwesen betreffenden Dingen genaue Kenntnisse und vielseitige Erfahrungen besitzt. Wir haben ein starkes Interesse daran, daß diesen Erfordernissen auch das Ansehen seiner äußerlichen sozialen Stellung voll entspricht“ Das ist eine Forderung, die neben der ganz sorgsamen örtlichen Anpassung dieser Armenordnung einen Platz am Anfang neuer moderner Armenpflegeordnungen sichern wird. Damit ist endgültig einem Gedanken zum Durchbruch verholfen, den bisher schon mancher Mann der Praxis gehegt und gelegentlich befolgt hat, der sich aber bisher noch nie so klar und entschieden in die Oeffentlichkeit wagte.

Straßburg hat schon einmal unter der Leitung desselben Mannes auf dem Gebiet der Vormundschaft in kurzer Zeit eine vorzügliche neue Einrichtung in der Berufsvormundschaft für uneheliche Kinder geschaffen, die ebenfalls lange, vor allem von Dr. Taube in Leipzig, gefordert worden war. Man hatte sie bisher oft gelobt, vielfach kritisiert. Sie in einer Weise nachzuahmen, die unter den gegebenen örtlichen Verhältnissen etwas Neues schuf, war der Stadt Straßburg vorbehalten. Nach diesem schönen Erfolge ist sicher zu er⸗ warten, daß auch die Armenordnung in einer Weise ins Leben tritt, die sie vorbildlich für viele andere Städte und auch für die Reformen der ländlichen Armenpflege machen wird. Man kann es nach solchen Erfolgen verstehen, wenn ein Reichsländer bei der letzten Tagung des deutschen Vereins erklärte, man solle Elsaß Lothringen nur die gesetzliche Grundlage des Armen⸗ wesens geben, die im Reiche vorhanden ist; dafür, daß sie in einer vorbildlichen und durchgreifenden Form ausgeführt werden würde, werde man im Reichslande schon sorgen. Nach dem, was wir bisher gesehen haben, ist dies kein zu großes Versprechen.

Zur Arbeiterbewegung.

Am Mittwochabend fand, wie die „Voss. Ztg.“ berichtet, eine

ungewöhnlich zahlreich besuchte öffentliche Versammlung der Photo⸗ graphengehilfen und gehilfinnen Berline und der Um⸗ gegend, die vom „Deutschen Pbotographengehilfenverband“ einberufen worden war, statt. Zweck der Versammlung war, eine Lohnbewegung vorzubereiten, um geregelte Lohn⸗ und Arbeitsverhältnisse herbei⸗ zuführen. Von den etwa 1000 in diesem Beruf in Frage kommenden Personen seien, wie der Hauptredner ausführte, fast immer 15 v. H. arbeitslos und infolgedessen die Löhne sehr gedrückt. Diese bewegten sich zwischen 40 und 60 monatlich und die Arbeitszeit sei meist unbegrenzt. In Dresden sei erst kürzlich ein Tarifvertrag zu⸗ stande gekommen; ein derartiger Vertrag werde auch hier angestrebt, und es fänden zu diesem Zwecke statistische Erhebungen über Lohn⸗ und Arbeitsverhältnisse statt. In einer weiteren Versammlung soll ein Lohntarif aufgestellt werden. „Auch Bochum meldet die „Rh.Westf. Ztg.“, daß wegen angeb⸗ licher Herabsetzung des Akkordlohns alle Walzwerkarbeiter des Walzwerks 3 auf den Westfälischen Stahlwerken ihre Kün⸗ digung eingereicht haben.

Wegen des Ausstandes der Seidendrucker in Crefeld (vgl. Nr. 7 d. Bl.) den, wie die Rh.⸗Westf. Ztg.“ mitteilt, die Fabrikanten für unberechtigt halten, ist der Verband der Rheinischen Samt⸗ und

Seidenfabrikanten zusammengetreten, um über eine eventuelle Auz. sperrung aller Textilarbeiter des Bezirks zu beraten. Es würden über 20 000 Arbeiter fin Frage kommen. Zunächst sollen jedoch Schritte getan 8v um dem Ausstand ohne diese Maßregel ein Ende zu machen.

——————————— ——— Wetterbericht vom 19. Januar 1906, Vormittags 8 Uhr.

11¹“

Name der

Beobachtungs⸗ station

Witterungs. verlauf der letzten 24 Stunden

elsius Niederschlag in

arometerstand auf 24 Stunden

in

B

0°Meeresniveau und Schwere in 450 Breite

8 E

Nachm. Niederschl. Regenschauer Regenschauer- Regenschauer

bedeckt bedeckt Regen Regen

748,9 742,8 % 739,7 738,7

D 2 —₰½

Borkum Keitum . Hamburg.. Swinemünde Rügenwalder⸗ münde. 740,2 S Neufahrwasser 741,6 Memel . 7743,6 Aachen 757,1 Hannover. 746,9 Berlin 7743,5 Dresden 749,6 % Breslau 759,5 % Bromberg 745,1 1111 Frankfurt, M. 756,7 Karlsruhe, B. 759,5 S München. 760,8

bedeckt bedeckt Regen bedeckt 7 Regen bedeckt halb bed. wolkig Regen bedeckt wolkig Regen bedeckt

bedeckt bedeckt bedeckt

meist bewölkt Nachts Miederschl. anhalt. Niederschl. Regenschauer Nachm. Niederschl. Nachm. Niederschl. Nachm. Niederschl.

meist bewölkt Nachm. Niederscl. meist bewölkt Vorm. Niederschl. Vorm. Niederschl.

meist bewöllt (Wünelmshav. anhalt. Niederschl. (Kiel) anhalt. Niedeischl.

(Wustrow i. M) Nachts Niederschl. (Königsbg., Pr.) Nachts Niederschl. (Cassel)

Stornowav 768,0

Malin Head 768,5

Valentia 773,9

I wolkig

Aberdeen ..

769,1

761,8 wolkig

(Magdeburg) Regenschauer (GrünbergsSchl. 6,7 Nachm. Niederschl. (Mülhaus., Els.) Nachts Niederschl. (Friedrichshaf.) Nachts Niederschl.

(Bamberg) Vorm. Nieder chl.

Shields wolkig 3,3 Holyhead .. Isle dAix

St. Mathieu

760,1

766,2 wolkig

766,5 NW 769,1 N. 7 halb bed. 8,3

760,5 NW 6 wolkig 4,6 762,3 W 3 bedeckt 3,2 757,6 WNW 5 wolkig 5,0 753,0 WNW 5 balb bed. 5,2 —. [751,1 N 5 Schnee 1,2 Christiansund 753,9 SCNO 1 (Schnee 0,6 Skudesnes 749,9 NNW 4 wolkenl. 1,2 Skagen

Vestervig. I

Kopenhagen 735,9 SW 3 Dunst 2,6 Karlstad 746,5 N 4 bedeckt 1,2 Stockholm 746,5 ONO 4 bedeckt 0,6 Wisbvy. 742,5 OSO 4 Schnee 1,0 Hernösand 750,0 WN7W 2 halb bed. 7 8 Havaranda 745,9 NW Z heiter 7,0 Riga 750,7 SSO 1 Schnee 0,8 Wilna 760,9 S 1 Schnee 1,4 Pinsk 755,4 SSW 2 bedeckt 0,9 Petersburg 751,0 1W I bedeckt 0,5 Wien 759 6 Windst. bedeckt 1,1 Perag 754,7 SW A bedeckt 5 6 Rom 765,5 N 2 bedeckt 1,8 Florenz 762,4 S 3 bedeckt 6,8 Cagliari.. 765,6 NW 3 wolkenl. 6,0 Cherbourg 764,0 NW 7 wolkig 7,01 Clermont 766,1 WSW 4 halb bed. 5,2 Biarritz 771,6 NW 5 bedeckt 10,0 Nizza 7597 SW balb bed. 5,1 Krakau 7754,0 OSO I heiter 3,4 Lemberg 757,8 SSW 2 heiter 1,9 Hermanstadt 764,8 S Isheiter 7,8 Triest 760,5 Windst. Dunst 4.88 Brindisi 766,2 W Zwolkenl!. 6,3 Livorno 762,2 S 5 bedeckt 11,8 Belgrad 762,8 SO 2 beiter 0,4 Helsingfors 749,8 SW 1 halb bed. 2,8 Kuopoo . Zürich 765,0 W A bedeckt 2,6 Genf b 766,2 SSW 4 bedeckt 2,6 Lugano .. V 761,7 NW 1 Regen 2,0 1

wolkig 8,5

Grisnes Paris Vlissingen Helder.. Bodoe.

V

Q¶S=gSbSSSSg=gegS*

1

S=IOSSdoOOSOS=qSe b0

Säntis 555,1 WSW 9 Schnee 13,0 Wick. 763,6 2 bedeckt 2,8 Warschau 1 750,2 SSW 3 bedeckt 2,8 Portland Bill 763,9 NW 7 halb bed. 8,0

Ein Hochdruckgebiet über 768 mm befindet sich westlich von Irland, ein Minimum unter 736 mm bei Fehmarn. In Deutsch⸗ land ist das Wetter, bei stellenweise stürmischen südwestlichen und westlichen Winden, trübe und warm; allenthalben ist Regen ge⸗ fallen. Windiges, etwas kälteres Wetter, vielfach mit Nieder⸗

schlägen, ist wahrscheinlich. Deutsche Seewarte.

II

zum Deutschen Reichsanzei

W“

Zweite Beilage

Berlin, Freitag, den 19. Januar

ger und Königlich Preußischen Staatsanzeig

Nr. 2 des „Ministerialblatts für Medizinal⸗ und medizinische Unterrichtsangelegenheiten“, herausgegeben im Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten, vom 15. Januar 1906, hat folgenden Inhalt: I. Personalien. II. Allgemeine Verwaltungssachen: 1. Erlaß vom 22. Dezember 1905, betreffend Ausstellung ärztlicher Atteste zur Begründung von Anträgen auf Invalidenrente; 2) Erlaß vom 30. Dezember 1905, betreffend die Bescheinigung der Reisekostenforderungsnachweise der Kreisärzte. III. Fürsorge für Kranke und Gebrechliche: 1) Fabrpreis⸗ ermäßigungen auf Eisenbahnen im Interesse der öffentlichen Kranken⸗ pflege; 2) Erteilung der Erlaubnis zum Gebrauch des Roten Kreuzes. IV. Seuchenbekämpfung: 1) Erlaß vom 5. Januar 1906, betreffend die wöchentlichen Meldungen der Kreisärzte über die im Kreise vor⸗ gekommenen Erkrankungs⸗ und Todesfälle an übertragbaren Krank⸗ heiten; 2) Nachrichten über den Stand gemeingefährlicher Krankheiten; 3) die Genickstarre in Preußen. V. Gewerbehygiene: Bekannt⸗ machung vom 28. Dezember 1905, betreffend Ausnahmen von dem Verbote der Beschäftigung eigener Kinder unter zehn Jahren.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Ernte Galiziens im Jahre 1905.

Der Kaiserliche Konsul in Lemberg berichtet unterm 5. d. M.: Im Jahre 1905 herrschten in Ostgalizien im allgemeinen günstige Witterungsverhältnisse, sodaß sich die Gesamternte als eine durch⸗ schnittlich mittelgute darstellt. 8

Die Winterfrucht hat im allgemeinen gut überwintert. Nur Raps wurde in einigen Gegenden durch Frost stark beschädigt.

Was die Anbauflächen anlangt, so zeigt der Anbau der Zucker⸗ rüben und der Futterrüben eine stetige Zunahme. Dieser Zuwachs beläuft sich im Jahre 1905 im Vergleiche zum Vorjahre bei den uckerküben auf über 33 %, bei den Futterrüben auf über 15 %. Die Oberfläche der Brache ist in stetiger Abnahme begriffen.

Der Ernteertrag beim Winter, und Sommerweizen und auch beim Winterroggen ist als gut zu bezeichnen. Eine gute Mittelernte haben auch Gerste, Hafer, Mais, Buchweizen, Hirse, Lupinen, Kartoffeln, Zucker und Futterrüben gebracht. Sommerroggen, Wicken, Mohn und Anis lieferten nur einen mittelmäßigen Ertrag. Schlecht fiel die Ernte in Raps, Leindotter und Erbsen aus. Lein und Hanf gaben eine ziemlich gute Ernte, sowohl was den Samen als auch die Faser anlangt; in beiden war die Ernte bedeutend reicher als im Vorjahre. Tabak lieferte eine gute Ernte, ebenso der Hopfen, soweit die Menge in Frage kommt. Das Kopfkraut ergab ebenso wie im Vorjahre einen schlechten Durchschnittsertrag. Für die Futter⸗ pflanzen war das Jahr 1905 bedeutend günstiger als das Vorjahr. Klee lieferte einen mittelmäßigen, Mischling einen guten Ertrag. Die Wiesen standen schön. Die Gesamtmenge an Heu übersteigt die vorjährige um mehr als 40 %.

Für die Landwirte in Westgalizien war das Jahr 1905 ver⸗ hältnismäßig günstiger als die beiden vorhergehenden Jahre.

Das Ergebnis der Winterkornernte kommt zwar nach Menge und Beschaffenheit der vorjährigen Ernte nicht gleich; es ist jedoch insofern

ünstiger, als eine größere Gleichförmigkeit in der Ernte des

inte⸗ und Sommergetreides erzielt wurde. Die Heu⸗ ernte ist nicht schlecht ausgefallen, jedoch hat der erste Schnitt nicht die erhoffte Menge ergeben; er zeichnet sich aber durch gute Beschaffenheit aus. Der zweite Schnitt ist der Menge nach gut ausgefallen, er hat jedoch infolge häufigerer Regengüsse und wegen der verspäteten Ernte an Qualität stark ge⸗ litten. Die Futterernte war sowohl hinsichtlich der Beschaffen⸗ heit, als auch hinsichtlich der Menge sehr günstig. Obgleich infolge der vorjährigen Dürre die Anbaufläche für Rotklee bedeutend geringer war, ist doch eine genügende Menge Futter eingebracht worden, die vielleicht sogar den Bedarf übersteigt. 1

Die Schotenfrüchte lieferten ein mittleres, Buchweizen, Hirse und Raps ein mittelmäßiges Ernteergebnis. Die Hopfenernte fiel be⸗ friedigend aus. Kartoffeln, Zuckerruͤben und Futtermohrrüben brachten einen sehr guten Ernteertrag.

Die Ernte der Faserpflanzen, Lein und Flachs, ist im Vergleich zum Jahre 1904 besser ausgefallen, obgleich der Lein in manchen Gegenden infolge übermäßiger Hitze zu schnell reifte, sodaß der Samen nicht gehörig ausgebildet ist.

Das Ernteergebnis der einzelnen Fruchtarten in Ost⸗ und West⸗ galizien im Jahre 1905 zeigt nachstehende Zusammenstellung:

Anbaufläͤche in Hektaren Ost. West⸗

galizien galizien

353 576 116 624 oggen.. 424 284 235 579 Geehe . .. 225 623 123 116 Hafer. 428 044 2233 700 Majs... 82 630 25 Hirse.. 25 035 6 567 N“ 49 132 6 408 Buchweizen .. 62 216 7 387 Kartoffeln. 344 818, 193 643 15 634 11 576 Mengefutter. 61 337 13 572 ferdebohnen 30 215 8 2 017

kengefrucht.. 3 26 027 5 566

Wicken.. Raps... 9 479 1 208

Ernteertrag in Körnern Fruchtgattung

Ostgalizzen ꝗWestgalizien

Weizen 286 928 dz 481 746 107 819 328 302 179 83 054 60 412 66 226

25 212 512 d 1 742 706 236 393

20 567

56 006

16 961

Samen

17 139 Faser

19 656

Samen

6 456 Faser

9 584

295 350

3 587 207

4 596 002

2 957

20 102 683

3 546 918

277

58 039 hl 176 814 dz

1 2 1 2

402 882 519 073 45 572 399 1 653 035 1 607 094 315 104

240 813 100 392 Samen 64 063 Faser 84 846 v 140 2 2 005 Faser 118 385 927 985 3 716 636 3 624 970 12 692 34 865 000 11 330 886 38 780 332 562 86 931 8 588

3 028 39 775 40 984

Flachs 12 041 4 621

Hoh 17 973

Zuckerrüben utterrüben eeheu. Hopfen. Stroh.. Grasheu . leesamen .. . uttermohrrüben upinen.. ren. Gemüse. vnfeäl 84 E““ Zichorien 8 ohnen ..

4 047 1 382 15 358 11 743 187 137 126 273

2 342 834

618 531 174 074 39 300 192

6710 1 551

1 368 dz 66 592 hl

Anbauflächen Graßbritanniens im Jahre 1905 unter besonderer Berücksichtigung des Getreideareals.

Nach der vorläufigen amtlichen Statistik über die Landwirtschaft Großbritanniens waren im Jahre 1905 (unter gleichzeitiger Angabe der Ziffern für 1904 in Klammern) von dem gesamten, 56 787 669 Acres betragenden Areal des Reichs 32 286 832 (32 317 610) Acres kultiviert, einschließlich der zeitweilig oder andauernd mit Gras be⸗ standenen Flächen, ohne Berücksichtigung der Gebirge und Heiden. Hiervon entfallen mehr als 20 Millionen Acres auf Grasflächen, denn mit Klee und Gras im Futterwechsel waren 4 477 520 (4 671 495) Acres und mit permanentem Gras 17 200 494 (17 098 056) Acres bedeckt; von letzterer Fläche werden allerdings nur 4 688 520 (4 765 403) Acres zum Heumachen verwendet. 8

Das brachliegende Land umfaßte eine Fläche von 249 313 (432 690) Acres. 1 3

Die mit Getreide oder sonstigen Bodenfrüchten bestandenen Flächen

hatten folgenden Umfang: Anbauflächen in Acres

8 gegen 1904 8 + mehr weniger + 421 701 127 020 6 483 1 983 373 38 262 14 831 5 296 3 151 1 980 3 891 8 200 2 314 5 173 122 48 968 1 169 78 822 875.

(Agricultural Returns of Great Britain 1905.)

1 375 284 1 840 684 3 252 962

55 714

1 796 985 1 713 664 3 051 376 62 197 254 765 8 175 235 175 608 608 471 570 209 1 589 273 1 604 104 404 1213 67 758 17 587 93 881 136 429 53 410 106 120 441

Gerste. Hafer Roggen Bohnen Erbsen .. Kartoffeln Steckrüben

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166“ Andere Bodenfrüchte Flachzss.. Hopfen.. Beerenobst

½IIIII

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.

(Aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“, Nr. 3 vom 17. Januar 1906.)

Pest.

Portuggl. Von portugiesischen Zeitungen wurde zu Beginn der zweiten Januarwoche mitgeteilt, daß in Funchal neuerdings mehrere Erkrankungen und Todesfälle an der Pest vorgekommen seien, und daß am 3. Januar dort 15 pestkranke Personen sich im Hospital befunden hätten. Die von der Regierung ergriffenen Absperrungs⸗ und Desinfektionsmaßregeln sollen seit dem 5. Januar zu Wider⸗ setzlichkeiten und Unruhen unter der Bevölkerung geführt haben.

Britisch⸗Ostindien. Während der am 23. Dezember ab⸗ gelaufenen Woche sind in der Präsidentschaft Bombay 1078 neue Erkrankungen (und 725 Todesfälle) an der Pest zur Anzeige gelangt, davon je 13 (9) in der Stadt Bombay und im Stadt⸗ und Püfencebie von Karachi und 1 (1) im Hafen von Broach.

hina. In Niutschwang sind zufolge einer Mitteilung vom 21. November seit dem 29. Oktober v. J. keine pestverdächtigen Erkrankungen mehr vorgekommen, nachdem insgesamt 2 Japaner und 8 Chinesen der Pest erlegen waren. Von den seitens der japanischen Militärverwaltung ergriffenen Maßnahmen gegen die Seuche sei noch erwähnt, daß nicht nur für Einlieferung jeder toten Ratte eine Belohnung von 10 Sen (= 20 ₰) gewährt, sondern dabei auch Losnummern verteilt wurden, deren Ziehung von Zeit zu Zeit unter Aussetzung von Geldgewinnen bis zu 100 Yen stattfand. Auf diese Weise ist es gelungen, die allen ansteckenden Krank⸗ heiten gegenüber sehr sorglose chinesische Bevölkerung zur Mitwirkung bei Ausrottung der Pestträger heranzuziehen. Um ferner das Volk bei guter Stimmung zu erhalten, wurden an die in den Absperrungs⸗ bezirken eingeschlossenen 55 unter Heranziehung der reichen chinesischen Gilden, Unterstützung in Geld sowie tägliche Rationen von Reis verteilt; Besitzer von Häusern, deren sich nötig machte, wurden besonders entschädigt; wer sich bei der Reinigung und Desinfektion der Häuser beteiligte, wurde mit 50 Sen täglich bezahlt; die Hinterbliebenen einzelner Opfer erhielten ein Trostgeld. Durch solche Maßnahmen wurden Unruhen unter der chinesischen Bevölkerung verhütet, die Seuche blieb auf ihren Herd beschränkt, und der hafen konnte bereits nach kaum einem Monat noch vor Schluß der Schiffahrt am 9. November von den japanischen Behörden unter Zustimmung des Konsularkorps für pest⸗ frei erklärt werden.

Ja pan. Gegen Ende November v. J. wurden in Kobe und Osaka fast täglich neue Pestfälle gemeldet; im ganzen waren seit Ausbruch der Seuche bis zum 30. November in Kobe 53 Erkrankungen (und 36 Todesfälle) festgestellt, in Osaka 41. (etwa 30); Ausländer waren bis dahin verschont geblieben. Zur Bekämpfung der Seuche sind durch Kaiserliche Verordnung besondere Beamte bestellt worden, und zwar für die Präfekturen Riogg (Kobe) und Osaka je 3 höhere Sanitätsbeamte, 90 Aerzte, 5 Schreiber, 90 Aufsichtsbeamte. Unter anderem sind gründliche und allgemeine Desinfektionen der beiden infizierten Städte beschlossen worden, zu deren Durchführung bedeutende Geldmittel in Kobe vorläufig 60 000 Yen von den Stadtverwaltungen bereit gestellt worden sind.

Neu⸗Caledonien. Mitte November v. J. war im vhedhicten Teile von Neu⸗Caledonien die Pest aufgetreten, was zu gesundheitlichen Vorsichtsmaßregeln gegenüber den von Numea eintreffenden Schiffen im Hafen von Sydney Veranlassung gab. Zufolge einer Mitteilung vom 2. Dezember war die Seuche bei 4 Personen in der Zeit vom 7. bis 20. November festgestellt worden.

Pest und Cholera. Britisch⸗Ostindien. In Kalkutta starben in der Woche vom 10. bis 16. Dezember 21 Personen an der Pest und 61 an der Cholera. Cholera.

Rußland. Im Gouyv. Lomza sind vom 31. Dezember bis 3. Januar 5 Erkrankungen (und 2 Todesfälle) an der Cholera fest⸗ gestellt worden, davon 3 (1) im Kreise Ostrow, 1 (1) im Kreise Makow und 1 (—) im Kreise Lomza. In der Stadt Warschau sind bis zum 18. Dezember 9 Personen erkrankt und 5 gestorben.

Gelbfieber.

Es gelangten zur Anzeige in Rio de Janeiro vom 6. bis 19. November 10 Erkrankungen (und 5 Todesfaͤlle), in Havana am 14. und 15. Dezember 17 (1), in der Provinz Matanzas (Cuba) vom 14. bis 17. Dezember 3 (0), in der Provinz Santa Clara (Cuba) am 5. Dezember 1 (0), ferner in Honduras 5 (0), und zwar

Zerstörung

in Choloma vom 22. November bis 2. Dezember 2 (0), in der Umgebung von Puerto Cortez vom 29. November bis 5. Dezember 1 (0) und in San Pedro vom 22. November bis 5. Dezember 2 (0); in der Stadt Mexiko vom 25. November bis 2. De⸗ zember 1 (1), in Tehuantepeec vom 10. Sevptember bis 2. Dezember 1 (0); endlich in Buenos Aires bis zum 30. Sep⸗ 1 tember 57 Todesfälle und in Guyaquil vom 15. bis 26. November 3 Todesfälle.

Pocken.

Deutsches Reich. Für die Woche vom 7. bis 13. Januar sind in Steffenswalde (Kr. Osterode, Reg.⸗Bez. Allenstein) 1 und für die Vorwoche in Ostaszewo (Kr. Löbau, Reg.⸗Bez. Marienwerder) 2 Pockenfälle gemeldet worden.

Fleckfieber.

Oesterreich. In Galizien sind in der Zeit vom 24. bis 30. Dezember 18 Erkrankungen (darunter 1 in der Stadt Lemberg) gemeldet, vom 31. Dezember bis 6. Januar 54.

Verschiedene Krankheiten.

Pocken: St. Petersburg, Warschau je 3 Todesfälle; Paris 13, St. Petersburg 10 Erkrankungen; Varizellen: Budapest 39, New York 206, Prag 32, Wien 135 Erkrankungen; Fireries. Warschau (Krankenhäuser) 2 Erkrankungen; Rückfall⸗ ieber: Moskau 2, St. Petersburg 3 Todelfälle; St. Petersburg 78 Erkrankungen; Genickstarre: Hamborn 2, New York 15 Todesfälle; Reg.⸗Bezirke Düsseldorf 10, Posen 2, New York 15 Erkrankungen; Milzbrand: Hamburg (Krankenhäuser) 2 Er⸗ krankungen; Rotlauf: Wien 26 Erkrankungen; Influenza: Berlin 7, Amsterdam, Antwerpen je 2, London 15, Moskau 2, New York 5, Paris 2, St. Petersburg 10 Todesfälle; Nürnberg 20, Ham⸗ burg 11, Kopenhagen 72, Stockholm 10 Erkrankungen; Lungen⸗ entzündung: Reg⸗Bez. Arnsberg 55, Nürnberg 28 Erkrankungen; Krebs: Berlin 44 Todesfälle; Ankylostomiasis: Reg.⸗Bez. Arnsberg 9 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach (Durchschnitt aller deutschen Berichtsorte 1886,95: 0,91 %): in Altenburg, Danzig, Warschau Erkrankungen kamen zur Meldung in Berlin 26, Budapest 33, Christiania 21, London (Krankenhäuser) 291, New York 170, Paris 49, St. Petersburg 91, Stockholm 49, Warschau (Krankenhäuser) 37, Wien 70; desgl. an Masern und Röteln (1886/95: 1,15 %): in Beuthen, Heilbronn, Pforzheim Erkrankungen wurden angezeigt in Breslau 44, Nürnberg 184, Hamburg 100, Budapest 150, Kopenhagen 35, New York 764, Paris 314, St. Petersburg 62, Wien 142; desgl. an Diphtherie und Krupp (1886/95: 4,27 %): in Halberstadt Erkrankungen kamen zur An⸗ zeige in Berlin 37, Hamburg 27, Budapest 21, Christiania 58, London (Krankenhäuser) 92, New York 200, Paris 70, St. Peters⸗ burg 82, Stockholm 23, Warschau (Krankenhäuser) 26, Wien 118; desgl. an Keuchhusten in Karlsruhe Erkrankungen wurden ge⸗ meldet in Nürnberg 52, Hamburg 42, Kopenhagen 57, Wien 94; ferner wurden Erkrankungen angezeigt an Typhus in New York 72, Paris 34, St. Petersburg 76.

Das Kaiserliche Generalkonsulat in Schanghai hat die gesund⸗ heitspolizeiliche Kontrolle der aus Kanton kommenden und die Häfen von Woosung und Schanghai anlaufenden deutschen Seeschiffe wieder aufgehoben. 1

Die Einfuhr von Lumpen, altem Papier, Särgen mit Leichen sowie von trockener und feuchter Erde aus Kanton ist auch fernerhin verboten. (Vergl. „R.⸗Anz.“ vom 16. August v. J., Nr. 192.)

Das Kaiserliche Generalkonsulat in Schanghai hat unterm 11. Dezember v. J. angeordnet, daß die aus Kobe kommenden und die Häfen von Schanghai und Woosung anlaufenden deutschen Seeschiffe der gesundheitspolizeilichen Kon⸗ trolle unterliegen.

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie“.)

Bau neuer Eisenbahnen in den neu erworbenen afrikanischen Kolonien Englands.

Der Bau neuer Eisenbahnen wird neuerdings in den beiden neuen Kolonien Englands, der Orange River Colony und dem Transvaal sehr emsig betrieben.

In der Orange River Colony ist die Linie von Bethlehem nach Moddrepoort mit einer Länge von 106 Meilen im Bau begriffen. Eine Zweiglinie läuft von Moddrepoort nach Ladybrand. Diese kurze Linie, 6 ½ Meilen, ist ebenso wie die Maserulinie, die 16 ½ Meilen lang ist und Basutoland in Verbindung mit Bloemfontein bringt, der Eröffnung nahe, desgleichen die kurzen Anschlußbahnen Spring⸗ fontein Jagersfontein —Fauresmith (8 ½ Meilen) und Dover Parys 22 Meilen). 5 G

Im Transvaal ist die wichtigste Linie, Klerksdorp Fourteen Streams, die unter einem Abkommen mit der de Beers Gesellschaft gebaut wird, nahe der Vollendung. Die Schienen sollten bereits am 15. November v. J. gelegt sein. Diese Linie will Johannesburg mit Kimberley in Verbindung bringen. Die Entfernung zwischen dem Witwatersrand und Kimberley wird durch diese neue Linie bis auf 308 Meilen verkürzt werden, und es besteht die Absicht, einen Zug in 13 Stunden auf der Strecke laufen zu lassen, übren jetzt der Zug über De Aar 34 Stunden braucht. Auch Kapstadt wird auf diese Weise 4 bis 5 Stunden dem Witwatersrand näher gebracht. Eine Zweiglinie verbindet diese Linie bei Eastleigh Junction über die neue Milner Bridge mit den Kohlenbergwerk in Vierfontein und Groenfontein in der Orange River Colony. Es besteht die Hoffnung, daß diese Zweiglinie später an Kronstadt an geschlossen wird, und daß der westliche Transvaal mit Durban vi Bethlehem und Harrismith in Verbindung gebracht wird.

Im westlichen Teil des Transvaal wird weiter die Sektion Krügersdorp—Kleinfontein der Linie nach Zeerust voraussichtlich demnächst in Angriff genommmen werden. Das Material ist bestellt und wird in einigen Monaten erwartet. Die Linie schließt die frucht⸗ baren Gegenden des Hekpoorttales und die südlichen Abhänge der Magalies⸗ und Witwatersrandberge auf. Bei Eröffnung der ganzen Linie bis Mafeking oder einem anderen Anschluß der Rhodesiabahn Entfernung nach den Viktoriafällen auf zwei Tagereisen abgekürzt.

„Auf der Sektion Pretoria Krokodil River der Rustenburg⸗ Eisenbahn sollen demnächst die Schienen gelegt werden, und der Er⸗ öffnung einer 21 Meilen langen Teilstrecke wurde für Januar d. J. entgegengesehen. 1 8 8

m Osten des Transvaal ist gleichfalls ein erhehlicher Fort⸗ schritt zu verzeichnen. Die projektierte neue Linie nach Delagoa Bay ist etwa 123 Meilen von Springs nach Kupstapel gebaut worden. 8 Dort wird sie einstweilen enden. Weiter ist mit dem Bau der East Rand— Witbank Linie begonnen worden, die 68 Meilen lang ist. Das Material wird in Delagoa Bay abgeliefert. Durch diese Linie werden die Kohlenfelder im Middelburg Distrikte etwa 30 Meilen

Nürnberg 45,