Spanien.
Der vom Redaktionskomitee der Marokko⸗Konferenz ausgearbeitete Entwurf des Reglements zur Unter⸗ drückung des Waffenschmuggels lautet nach dem Bericht
Artikel 1. Die Einfuhr nachstehender Artikel und der Handel mit denselben ist im ganzen Gebiete des scherifischen Reichs untersagt. Kriegswaffen, Waffenteile, Munition aller Art, ferner Pulver, Sal⸗ peter, Schwefel, Blei, Schießbaumwolle, Nitroglycerin und andere Stoffe, soweit dieselben ausschließlich zur Herstellung von Munition bestimmt sind. 8
Artikel 2. Dem Einfuhrverbot unterliegen nicht Waffen, Waffen⸗ teile und Munition, welche für die Truppen Seiner scherifischen Majestät bestimmt sind nach Erledigung nachstehender Formalitäten: Eine vom marokkanischen Kriegsminister unterzeichnete Erklärung, in welcher Zahl und Art der bei der ausländischen Industrie in Auftrag gegebenen Lieferungen angegeben ist, muß der Gesandtschaft des Her⸗ kunftslandes zur Visierung vorgelegt werden. Die Herausgabe der auf Bestellung der marokkanischen Regierung eingegangenen Kisten mit Waffen und Munition von seiten des Zollamts darf nicht erfolgen ohne Vorlegung
a. einer solchen visierten Erklärung, 21
b. eines Konnossements, in dem Zahl und Gewicht der Kisten
sowie Zahl und Art der darin enthaltenen Waffen und Munition angegeben ist. Diese Urkunde muß ebenfalls mit einem Visum der Gesandtschaft des Herkunftslandes versehen sein; von der Gesandtschaft werden auch die einzelnen Munitionsmengen, wie sie nach und nach zur zollamtlichen Abfertigung gelangen, mit einer Marke versehen werden.
Scobald die Bestellung im ganzen zur Ablieferung gelangt sein sollte, wird dieses Visum verweigert werden.
Artikel 3. Gleichfalls verboten ist die Einfuhr von Jagd⸗ und Schußwaffen, von dazugehörigen Waffenteilen und Patronen, geladen oder nicht geladen; dech kann die Einfuhr durch Erlaubnisschein ge⸗ stattet, muß aber beschränkt werden auf die persönlichen Be⸗ dürfnisse des Importeurs und die Ausrüstung der Waffengeschäfte, die in der Art, wie später angegeben werden wird, genehmigt sind auf Antrag der Gesandtschaft, welcher der betreffende Geschäfts⸗ inhaber untersteht oder für Marokkanern von den Vertretern des Maghzen in Tanger. Was die Munition anbetrifft, darf jeder Erlaubnisschein nicht mehr als 1000 Patronenhülsen umfassen und die für die Herstellung von 1000 Patronen nötigen anderen Zutaten. Ein Erlaubnisschein darf nur unbestraften Personen erteilt werden.
Artikel 4. Die Einfuhr nicht gezogener Jagd⸗ und Luxuswaffen aus⸗ wärtiger Herkunft und der dazu gehörigen Munition wird durch Beschluß des Sultans geregelt, der, wenn die Umstände es gestatten, gemäß einem Gutachten des diplomatischen Korps in Tanger zu treffen ist. Ebenso wird verfahren hinsichtlich solcher Beschlüsse, die bezwecken, diesen Handel zu verbieten oder zu beschränken. Nur Personen, die von der marokkanischen Regierung eine besondere, zeitlich beschränkte Er⸗ laubnis erhalten haben, dürfen Waffen⸗ und Munitionsgeschäfte — und auch nur in bestimmten Städten — öffnen und betreiben. Diese Erlaubnis wird nur auf schriftlichen Antrag des Interessenten erteilt; der Antrag muß durch ein zustimmendes Gutachten der Gesandtschaft, welcher der Antragsteller untersteht, unterstützt werden. b
Die Zahl der für jede Stadt zulässigen Waffengeschäfte und das Maximum von Munttion, das die mit der Erlaubnis versehenen Geschäftsinhaber einführen und in ihren Geschäften halten dürfen, werden durch Reglements bestimmt, die gemäß diesem Artikel zu er⸗ lassen sind. Im Falle von Uebertretungen der reglementarischen Vorschriften und der Vorschriften dieser Akte kann die Frlaubnis zeit⸗ weise oder für immer entzogen werden, unbeschadet anderer durch die Uebertretung verwirkter Strafen.
Artikel 5. Im Falle der Einfuhr oder der versuchten Einfuhr verbotener Waren wird von der Zollbehörde die Konfiskation dieser Waren ausgesprochen; außerdem werden von der zuständigen Gerichts⸗ “ weiter unten angeführten Geld⸗ und anderen Strafen verhängt.
Artikel 6. Die Einfuhr oder die versuchte Einfuhr über einen offenen Handelshafen oder über ein Zollamt wird bestraft a. mit Geldstrafe von 500 bis 2000 Pesetas; b. mit Gefängnis von 5 Tagen bis zu einem Jahre, oder mit einer dieser beiden Strafen. Nur im Rückfalle müssen beide Strafen zugleich zur Anwendung gelangen.
Artikel 7. Die nicht über einen offenen Hafen oder ein Zollamt bewirkte Einfuhr oder versuchte Einfuhr wird bestraft: 8. mit Geld⸗ strafe von 1000 bis 5000 Pesetas; b. mit Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren oder mit einer dieser beiden Strafen. Nur im Rückfalle müssen beide Strafen zugleich ausgesprochen werden. Der Schuldige wird außerdem mit einer dem dreifachen Wert der eingeführten Ware entsprechenden Zusatzgeldstrafe belegt.
Artikel 8. Der unerlaubte Verkauf von und das Hausieren mit Waren, die gemäß den vorstehenden Bestimmungen verboten sind, unterliegen den im Artikel 6 aufgeführten Strafen.
Artikel 9. Personen, die sich an den in den Artikeln 6, 7 und 8 aufgeführten Uebertretungen mitschuldig machen, verwirken dieselben Strafen wie die Hauptschuldigen.
Artikel 10. Durchsuchungen von der Einfuhr verbotener Waren verdächtigen Schiffen dürfen von den Zollbeamten nur unter Assistenz eines von dem interessierten Konsulat ermächtigten Vertreters vor⸗ genommen werden, doch kann die Zollbehörde, wenn diese Maßregel nicht getroffen wird, einen oder mehrere Wächter an Bord stellen, sofern sie es für nötig erachtet. Diese Amtshandlungen werden gemäß den Bestimmungen der Verträge und der bestehenden Usancen vor⸗ genommen werden.
Artikel 11. Sollte ein Schiff verbotene Waren außerhalb eines offenen Hafens einführen oder einzuführen versuchen, so kann die marokkanische Zollbehörde das Schiff mit Beschlag belegen, bis das Schiff den Betrag der verhängten Strafen erlegt hat. Die Beschlag⸗ nahme muß aber in jedem Stadium des Verfahrens aufgehoben werden, wenn der Betrag der Höchststrafe zu Händen der Konsular⸗ behörde hinterlegt oder wenn von der Zollbehörde genehmigte, zahlungsfähige Bürgschaft gestellt wird.
Artikel 12. Die konfiszierten Waren werden innerhalb eines Monats von der Zollbehörde vernichtet; die Vernichtung hat in Gegen⸗ wart eines Delegierten des Maghzen und eines ermächtigten Vertreters dechte gebührender Weise benachrichtigten, zuständigen Konsulats zu geschehen.
Die an Land konfiszierten Transportmittel werden zum Besten des scherifischen Schatzes verkauft.
Artikel 13. Von der marokkanischen Regierung ausrangierte Waffen dürfen nirgend im ganzen scherifischen Reiche verkauft werden. Artikel 14. Von dem Betrage der verhängten Geldstrafen werden solchen Personen, welche die Entdeckung verbotener Waren herbei⸗ führen, und den Beamten, welche die Beschlagnahme solcher Waren ausführen, Prämien gezahlt werden, und zwar wird, nach Abzug der Prozeßkosten, wenn solche entstanden sind, von der Zollbehörde ein Deittel der Strafen unter die Denunzianten verteilt, ein Drittel erhalten die Beamten, welche die Beschlagnahme aus⸗ geführt haben, und ein Drittel fließt dem marokkanischen Staats⸗ schatze zu. Ist die Beschlagnahme ohne Mitwirkung eines Denun⸗ ianten erfolgt, so erhalten die die Beschlagnahme ausführenden Beamten und der Staatsschatz je die Hälfte des Betrages der ver⸗ hängten Strafen.
Artikel 15. Den diplomatischen Agenten ist von den marokkanischen Zollbehörden von Uebertretungen dieses Reglements, die dem betreffenden diplomatischen Agenten unterstehende Personen begangen haben, direkt Kenntnis zu geben, damit die schuldigen Personen vor der zuständigen Gerichtsbehörde zur Verantwortung gezogen werden. Von marokka⸗ nischen Untertanen begangene Uebertretungen werden von der Zoll⸗ behörde direkt den scherifischen Behörden mitgeteilt, die beauftragt siad, den Verhandlungen der vor den verschiedenen Gerichtsstellen ver⸗ hängten Angelegenheiten zu folgen.
Artikel 16. In den Gebiet an der algerischen Grenie liegt die Anwendung dieses R glementz lediglich Frankreich und Marokko ob;
tags, der
S 9 8 9 1 S b IS. .
eses Recht kann auch von Spanien in Anspruch genommen werden bezüglich der Gegend von Santa Cruz und Mar Pequeha und der südlichsten Grenze des Reichs in Anbetracht der Ausführung des Artikels 8 des spanischamerikanischen Vertrags vom 26. April 1860 und der Entwicklung der Beziehungen zwischen den Grenzen der scherifischen Besitzungen und der spanischen Besitzungen am Rande
der Sahara. Asien.
Die Kaiserin⸗Witwe von China hat angeordnet, daß ihr zu Neujahr alle Prinzen, die für die Thronfolge in Betracht kommen könnten, vorgestellt werden. Sie beabsichtigt nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“, von den hervorragendsten unter ihnen drei oder vier auszuwählen, sie ein oder zwei Jahre am Hofe zu behalten und dann einen von ihnen zum Thronfolger zu ernennen.
Wie das „Reutersche Bureau“ aus Canton meldet, hat die Aufstellung eines Tarifplans zur Erhöhung der Ein⸗ künfte der Hankau⸗Eisenbahn durch den Vizekönig zu einer Störung des guten Einvernehmens zwischen den Kaufleuten und der Regierung geführt. Die Kaufmannsgilden beschlossen als Gegenmaßregel, 3 Tätigkeit einzustellen. Der Vizekönig hat den Führern der Bewegung Todesstrafe angedroht und aus Schanghai drei chinesische Kanonenboote requiriert.
Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ agentur“ hat die persische Regierung die Ratifikation des der Kommission für die Verteilung der
ewässer des Chelmengda zwischen Afghanistan und Seistan abgelehnt und hat dies der englischen Kommission mitgeteilt.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ ericht über die gestrige Sitzung des Herren⸗ hauses und der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.
— Die heutige (27.) Sitzung des Reichstags wurde vom Präsidenten Grafen von Ballestrem um 1 Uhr
20 Minuten eröffnet. 3 — .
Auf der Tagesordnung stand zunächst die dritte Be⸗ ratung des von den Abgg. Graf von Hompesch und Genossen eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffkend Abänderung des Artikels 32 der Reichsverfassung.
In der Generaldiskussion ergriff das Wort
Abg. Hoffmann⸗Berlin (Soz.): Ich hätte nicht das Wort er⸗ griffen, wenn nicht die Abgg. Bassermann, Liebermann von Sonnenberg und Werner bei der ersten Beratung erklärt hätten, daß ich von der sozialdemokratischen Fraktion derjenige gewesen sei, der sich gegen die Diäten ausgesprochen hätte. Der Abg. Bassermann hat zwar nicht meinen Namen genannt, der Abg. von Liebermann hat ihm aber meinen Namen zugerufen, und der Abg. Werner hat mich direkt genannt. lles, was hier gesagt worden ist, sind Märchen. Selbstverständlich ist nicht einer von der sozialdemokratischen Fraktion gegen die Diäten. Ich habe nicht in Leipzig, sondern in Chemnitz auf der Landesversammlung der sächsischen Sozialdemokraten, als es sich um den Fall der Kandidatur Göhres bandelte, ausgeführt, es empfehle sich nicht, wenn einer aus der bürgerlichen Gesellschaft zu uns käme, diesem sofort mit Ehrenämtern entgegenzulaufen. Der Betreffende müßte erst in Reih' und Glied gestellt werden, damit die Part igenossen Gelegenheit hätten, die Fähigkeiten, den Ak zrakter, und die Zuverlässigkeit des neuen Genossen kennen zu lernen. Geschähe das nicht, dann könnte es sehr leicht kommen, daß, wenn einmal im Reichstage Diäten bewilligt würden, bei uns eine Mandatsjagd erfolge, daß diejenigen, die im bürgerlichen Leben Schiffbruch gelitten hätten, sich zu unserer Partei drängten, um im Trüben zu fischen. Ich habe also damals nur verhindern wollen, daß gewisse Uebergänger, die Schiffbruch ge⸗ litten haben, mittels der Diäten vielleicht ihre Ehrenscheine einlösen.
Damit schloß die Generaldiskussion. 1—
In der Spezialdiskussion wurde darauf der einzige Artikel des Gesetzentwurfks mit allen Stimmen gegen einige der Rechten angenommen und darauf in der Gesamt⸗ abstimmung der Gesetzentwurf im ganzen.
Es folgte die erste Beratung des von den Abgg. Graf von Hompesch u. Gen. eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Freiheit der Religionsuübung.
Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Meine politischen Freunde legen den sogenannten Toleranzantrag heute dem Hause zum drittenmal vor. Der erste Teil dieses Antrags ist bereits im Sommer 1902 mit großer Mehrheit angenommen worden. 1903 und 1904 wurde er zum zweitenmal vorgelegt, nunmehr legen wir ihn zum drittenmal vor, um ein definitives Resultat zu erreichen. Wie stellt sich nun der Bundesrat zu dem ersten angenommenen Teil des Antrags? Er wurde 1902 in dritter Lesung mit 163 gegen 60 Stimmen und 3 Stimmenthaltungen angenommen. In der Uebersicht über die Entschließungen des Bundesrats vom Jahre 1904 stand zu lesen, die Beschlußfassung des Bundesrats steht noch aus. Im Dezember vorigen Jahres haben wir eine weitere Uebersicht bekommen und in dieser ist der Beschluß des Reichs⸗ tags überhaupt nicht erwähnt. Das ist ein höchst befremdliches Vorkommnis. Am liebsten wäre es uns gewesen, wenn der Bundesrat unsern Antrag angenommen hätte. Hätte er ihn abgelehnt, so hätten wir uns wenigstens mit ihm darüber auseinandersetzen können. Er konnte auch seine Beschlußfassung aussetzen, weil wir den gesamten Antrag unterbreitet hatten. Statt dessen hat er einfach keine Antwort gegeben. Er hätte nun das gegenwärtige Stadium dazu benutzen können, um diesem Hause eine Mitteilung zu machen über seine Stellungnahme. Ich sehe einen Vertreter des Bundesrats am Bundesrats⸗ tische sizen; ich weiß nicht, ob er den Auftrag hat, nach dieser Richtung das Versäumte nachzuholen. Jedenfalls ist der Beschluß des Reichstags ein Beschluß des Reichstags, er mag zu stande ge⸗ bracht sein, wie er wolle, und auf diesen Beschluß des Reichstags ist der Bundesrat uns eine Antwort schuldig, ebenso wie wir ver⸗ pflichtet sind, jede Vorlage des Bundesrats zu verabschieden. Nun wurde früher entgegengehalten, die gerügten Mißstände müßten ja ab⸗ geschafft werden, aber man müsse das der Landesgesetzgebung überlassen. Nach dem Einbringen unseres Antrags wurden in Mecklenburg Fort⸗ schritte gemacht, die wir dankbar anerkennen; in Braunschweig wurden einige Verbesserungen, aber auch weitere Verschlechterungen vor⸗ genommen, im großen Ganzen blieb es bei der staatsrechtlichen Bevor⸗ mundung; von den übrigen Staaten haben wir nichts gehört. So bleibt uns nichts übrig, da die Reichegesetzgebung zweifellos kompetent ist, als unsere Bestrebungen auf dem Boden der Reichsgesetzgebung weiter zu verfolgen. Von den Personen und Parteien, die betont haben, die einzelnen Landtage müßten vorgeben, ist nichts gescheben. Ueberläßt man die Dinge der Landesgesetzgebung, so ist die aller⸗ verschiedenste R⸗gelung die Folge. Haben wir ein gemeinsames Staatsbürgerrecht, dann muß auch auf dem wichtigsten Gebiete des persönlichen Rechtes, auf dem Gebiete der religiösen Betätigung, dieses Recht einheitlich geregelt werden; oder haben sich etwa in der Praxis die Verhältnisse so erträglich gestaltet, daß man sich damit ab⸗ finden könnte? Keineswegs. In Braunschweig allerdings sind immerhin einige Maßnahmen getroffen worden, die wir nur an⸗ erkennend verzeichnen können. Für Volpke ist zugelassen worden, daß ein preußischer Geistlicher, den der Bischof von Hildesheim be⸗ stimmt hat, katholische Amtshandlungen vornehmen kann; aber ihm die Niederlassung zu erlauben auf brauaschweigischem Boden, dazu hat man sich nicht aufschwingen können. In Schöningen ist nach
langen Verhandlungen eine Schule enehmi worden; in anderen Gegenden ist man nicht so Leneönig kommend gewesen, obwohl sich mehrfach katholische Schul⸗ kinder in der Zahl von hundert und mehr an einzelnen Orten vorfinden. Die Regierung erklärt zum Beispiel das in Wolse⸗ dorf hervorgetretene Bedürfnis für „vorübergehend“, obwohl dir dortige Industrie seit mehreren Menschenaltern dort heimisch sst Ganz anders, viel entgegenkommender denkt der betreffende Gemeinderat; aber er hat leider keine entscheidende Stimme. In Wolfenbüttel ist nur ein katholischer Geistlicher zugelossen; die Bemühungen um Beschaffung einer Hilfe für diesen sind bisher an dem Widerstande der Herzoglich braunschweigischen Regierung ge⸗ scheitert. In dem kbraunschweigischen Badeorte Harzburg ist ihe katholische Kirche vorhanden; ein auswärtiger katholischer Geistlicher darf aber daselbst nie Messen lesen oder sonst Amtshandlungen ver⸗ richten. Auf eine Eingabe von katholischen Eeistlichen, die sich als Kurgäste dort aufhielten, an den Badekomissar zog sich dieser aus der Verlegenheit dadurch, daß er die Urheber der Ein⸗ gabe auf das braunschweigische Gesetz verwies, wonach ein vorüber⸗ gehend in Braunschweig sich aufhaltender Eeistlicher Amtshandlungen nur nach Genehmigung der Regierung und nach Ablegung eines Gelsbh⸗ nisses, die Gesetze zu halten, vornehmen darf. Als nun die Herren die Sache der Oeffentlichkeit übergaben und sich überlegten, doß es doch auch andere Kurorte als Harzburg gebe, als also an den Geldbeutel appelliert wurde, da richtete der Badekommissar aus eigenem Antriebe an den Kaplan, der die Eingabe gemacht hatte, ein Schreiben, wonach er unter Verweis auf seine Verpflichtung der Wahr⸗ nehmung der Verkehrsinteressen von Bad Karzburg ihm mitteilte, daß das Lesen stiller Gebete und das Spenden der Sakramente gestattet sei und das Gesetz darauf nicht angewendet werden sollte. Hoch mrß ich diesen Badekommissar preisen, der vernünftigerweise die Ver⸗ kehrsinteressen geltend gemocht und dadurch Bresche in das Geset gelegt hat. Das Geld ist hier mächtiger gewesen; und nachdem diesez Rezept sich als probat erwiesen bat, werden sich die katholischen Eeist⸗ lichen auch anderswo daran ein Beispiel nehmen 8
(Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (13.) Sitzung, welcher der Minister für Landwirt⸗ schaft ꝛc. von Podbielski beiwohnte, die Beratung des Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung und zwar die allgemeine Diskussion bei dem Ausgabetitel „Gehalt des Ministers“ fort.
„Abg. Dr. Schroeder⸗Cassel (nl.): Ich möchte bei diesem Titel eine sozialpolitische Frage berühren, die Frage der landwitt⸗ schaftlichen Arbeiterwvohnungen. Sie hat alle diejenigen Stellen beschäftigt, die zur Vertretung der Interessen der Landwirtschaft berufen sind. Die Landarbeiterwohnungsfrage hat deshalb ein er⸗ höhtes Interesse für mich, weil ich mit den deutschen Landes⸗ versicherungsanstalten und den Lebenzversicherungsanstalten Fühlung habe und weil ich selbst Vorstandsmitglied der Landesversicherungt⸗ anstalt von Hessen⸗Nassau bin. Vor 2 Jahren hat der Deutsche Land⸗ wirtschaftsrat sich mit dieser Frage sehr eingehend beschäftigt und einen Beschluß gefaßt, der dahin ging, die Landes⸗ versicherungsanstalten möchten die Baugenossenschaften für land⸗ wirtschaftliche Arbeiterwohnungen durch Darlehen unterstützen. Dadurch sollte ein Ausgleich zwischen den landwirtschastlichen und den städtischen Arbeiterwohnungsverhältnissen herbeigeführt werden. Auch der Landwirtschaftsminister hat Anlaß genommen, in einem Erlaß an die Oberpräsidenten auf die Wichtigkeit der Frage hinzuweisen. Der Redner geht dann im einzelnen auf die Frage ein, er bleibt aber bei der wachsenden Unruhe des Hauses auf der Tribüne im Zusammen⸗ hange unverständlich.
Abg. von Saldern (kons.): Ich möchte die Aufmerksamkeit des Ministers darauf lenken, daß die amtlich veröffentlichten Durch⸗ schnittskornpreise für die jetzigen Verhältnisse nicht mehr zu⸗ treffen. Auf Grund dieser Preise erfolgen beispielsweise die Ent⸗ schädigungen der öffentlichen Sozietäten bei Brandschäden, die Berechnungen der landwirtschaftlichen Taxen und die Ablösungen. Das Ermittelungsverfahren ist vereitelt, weil die amtlich be⸗ stimmten Marktorte nicht mehr zutreffend sind und das Ver⸗ fahren an und für sich nicht mehr den heutigen Verhältnissen entspricht. Die Veröffentlichungen der Zentralstelle der Land⸗ wirtschaftskammern und die Feststellungen der freiwillig von den Landwirtschaftskammern gebildeten Kommissionen, die aus Land⸗ wirten und Kaufleuten zusammengesetzt sind, sind zwar zutreffend, haben aber leider keine amtliche Autorität. Ich möchte deshalb den Minister um eine zeitgemäße Abänderung der einschlägigen alten Ver⸗ ordnung bitten. 1
Abg. Freiherr von Wolff⸗Metternich (Zentr.) befürwortet den Ausbau von Wegen auf dem platten Lande. 8
Abg. Brütt (freikons.) beschwert sich über ein von der bisherigen Praxis abweichendes Erkenntnis des Oberverwaltungsgerichts, durch das die Ausübung der Jagd in einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk bei Vorhandensein von Trennstücken eines selbständigen Jagdbeiirk in unliebsamer Weise erschwert werde. 1
Abg. Glatzel (nl.): In bezug auf den Wegebau auf dem platten Lande sollte die Staatsregierung etwas energischer vor⸗ gehen. Wir verkennen ja nicht die Schwierigkeiten, die diesem Wunsch entgegenstehen; aber auf der anderen Seite ist doch die Frage von der größten Wichtigkeit. Ich würde gern einer Vor⸗ lage über den Wegebau alljährlich in derselben Weise entgegensehen, wie wir einer solchen über die Sekundärbahnen entgegensehen. Es ist dankbar zu begrüßen, daß durch Nebenbahnen auch daz platte Land dem Verkehr angeschlossen wird; aber eine solche Bahn kann nicht Erfolg haben, wenn nicht für Zufuhr⸗ wege gesorgt wird. Dies gilt namentlich von vielen Strecken in Ostpreußen. Wir müssen deshalb nach dieser Richtung für einen größeren eeflchle des platten Landes sorgen, und es kann nur mit Freuden begrüßt werden, wenn von allen Parteien⸗ auf diese Wunde immer wieder der Finger gelegt wird. Dann möchte ich auf die ländliche Verschuldung und die Statistik darüber hinweisen. Danach gibt es bei uns 620 000 sebständige land⸗ wirtschaftliche Besitzungen mit einem Grundvermögen von 28 Mil⸗ liarden. Die Verschuldung beträgt im ganzen 7 ½ Milliarden, also 26,4 %. Diese Zahl erscheint an sich nicht unerfreulich, das Verhältnis ändert sich aber, wenn man die einzelnen Provinzen ins Auge faßt. Während Rheinland und Hessen⸗Nassau nur eine Verschuldungsziffer von 9,9 bezw. 11,9 % bat, steigt diese in Ostpreußen und Westpreußen auf 46,8 bezw. 52 9%. In der Entschuldungsfrage ist nun nach der Meinung gewisser Theoretiker eine Trennung der Materien nötig in solche, für welche der Realkredit, und solche, für welche der Personalkredit in Anspruch gt⸗ nommen werden kann. In der Theorie ist die Idee solcher Schei⸗ dung sicherlich ganz richtig; aber wie soll diese Trennung in der Prarxis erfolgen? Es wird vor allem danach iu streben sein, Amortisationshypothekarkredit auszudehnen. Alle diese Versuche haben indes auf Erfolg nur zu rechnen, wenn die Landwirtschaft nicht nötis hat, neue Schulden aufzunehmen, wenn sie wieder rentabel geworden ist, und es wird unsere Aufgabe sein und bleiben, dafür mit allen Mitteln zu wirken. 3
Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.) wiederholt seine schon früher vorgebrachten Wünsche betreffs der Schonzeit für Rehkälber und beschwert sich dann über die Verpachtung inländischer Jagden. an Ausländer. Einige derartige Vorkommnisse und die damit in Verbindung stehenden Begleiterscheinungen seien direkt geeignet gewesen, nationale Empfinden zu verletzen. 4 8
Abg. von Hennigs⸗Techlin (kons.) führt darüber Beschwerde, daß gewisse Polizeiverordnungen über die Milchkontrolle lediglich in Belästigungen des Publikums führten, ohne dem Zwecke der Verhütung von Gesundheitsschädigungen zu dienen.
Hierauf von Podbielski das Wort.
(Schluß des Blattes.)
nimmt der Minister für Landwirtschaft
Statistik und Volkswirtschaft. äfts⸗ und Rechnungsergebnisse der Invaliden⸗
erungsanstalten und zugelassenen Kassen⸗ einrichtungen für das Jahr 19 04.
je dem Reichstage zugegangene, im Reichsversicherungsamt aufge⸗ telli Rochwei ung der Ergebnisse der Invalidenversicherung im Deutschen Reich für das Jahr 1904 umfaßt die auf Grund des Invalidenversiche⸗ rungsgesetzes bestehenden 31 Invalidenversicherungsanstalten und 9 zu⸗ elassenen Kasseneinrichtungen. Diese 40 Versicherungsträger besitzen sasgesamt 270 Vorstandsmitglieder, 50 Hilfsarbeiter der Vorstände, 618 Ausschußmitglieder, 314 Kontrollbeamte, 2 Rentenstellen, 123 Schiedsgerichte, 4198 besondere Markenverkaufgstellen und über 7450 mit der Einziehung der Beiträge beauftragte Stellen.
An Mochenbeiträgen wurden bei den 31 Invalidenversicherungs⸗ anstalten rund 596,5 Millionen Stück verwendet, die einen Erlös von 141 912 258,34 ℳ ergaben. Hiervon fielen auf polnische Arbeiter russischer oder österreichischer Staatsangehsrigkeit rund 4 Millionen Wochenbeiträge im Werte von 335 932,03 ℳ Bei den Kassen⸗ einrichtungen betrug die Einnahme aus Beiträgen 12 175 541,02 ℳ
Bei der Abrechnung für das Jahr 1904 wurden 164 882 Renten als im Jahre 1904 zugegangen behandelt, nämlich 142 296 Invaliden⸗ renten, 10 517 Krankenrenten und 12 069 Altersrenten im durchschnitt⸗ lichen Jahresbetrage von 155,13 ℳ, 158,87 ℳ und 157,18 ℳ
Beitragserstattungen (§§ 42, 43 und 44 des Invalidenversicherungs⸗ gesetzes) wurden im Jahre 1904 festgesetzt bei 154 310 Heiratsfällen, 857 Unfällen und 32 523 Todesfällen, wobei sich der durchschnittliche Betrag auf 36,23 ℳ, 69,88 ℳ und 70,01 ℳ stellte.
Auf diese reichsgesetzlichen Entschädigungen wurden allein zu Lasten der 40 Versicherungsträger, also ohne den Anteil des Reichs, im Rechnungsjahre 1904 91 431 715,99 ℳ gezahlt, und zwar an Renten 83 573 871,30 ℳ, an Beitragserstattungen 7 857.844,69 ℳ Die hierzu noch tretende Leistung des Reichs belief sich auf
5 275 550,37 ℳ
8 Für das Heilverfahren (§§ 18 ff. des Invalidenversicherungs⸗ gesetzes) wurden insgesamt 10 908 430,20 ℳ aufgewendet, worin die von Krankenkassen, von Trägern der Unfallversicherung und von anderer Seite gezahlten Kostenzuschüsse in Höhe von 2 469 227,02 ℳ bereits berücksichtigt sind. Insbesondere betrugen die Unterstützungen an An⸗ gehörige der in Heilbehandlung genommenen Versicherten (§ 18 Abs. 4 a. a. O.) 896 358,19 ℳ, woneben auf Grund des § 45 des Gesetzes noch weitere 486 038,60 ℳ gewährt wurden. 8 1
Die gesamten Ausgaben für Invalidenhauspflege beliefen sich auf 352 572,07 ℳ Hiervon wurden jedoch durch Einbehaltung der Renten der Pfleglinge 78 834,32 ℳ erstattet und durch Zuschüsse von anderer Seite 19 669,16 ℳ ersetzt, sodaß den Versicherungsträgern aus der Anwendung des § 25 des Invalidenversicherungsgesetzes eine Rein⸗ ausgabe von 254 068,59 ℳ erwuchs. 8
An Verwaltungskosten überhaupt wurden 13 744 827,33 ℳ aus⸗ gegeben, was auf 1000 ℳ der Einnahme aus Beiträgen eine Aus⸗ gabe von 89 ℳ, auf 1000 ℳ der gesamten Ausgaben eine solche von 117 ℳ bedeutet. Auf die einzelnen Arten verteilten sich die über⸗ haupt als Verwaltungskosten aufzufassenden Aufwendungen so, daß von 1000 ℳ auf die Allgemeine Verwaltung 588 ℳ, auf die Kosten der Einziehung der Beiträge 151 ℳ, auf die Kosten der Kontrolle 96 ℳ und auf sonstige Kosten 165 ℳ fielen. 3
Insgesamt haben sich im Jahre 1904 die Einnahmen auf 193 224 977,588 ℳ, die Ausgaben auf 117 100 514,00 ℳ beziffert, sodaß sich ein Vermögenszuwachs von 76 124 463,58 ℳ ergibt.
Am Schlusse des Jahres 1904 belief sich das Vermögen der Versicherungsanstalten und der sür die reichsgesetzliche Versicherung bestimmte Teil des Vermögens der Kasseneinrichtungen auf 1 160 405 468,44 ℳ, wozu noch der Buchwert der Inventarien mit 4 260 363,21 ℳ tritt. Von 1000 ℳ Vermögen waren 18 ℳ im Kassenbestande, während 940 ℳ in Wertpapieren und Darlehen und 42 ℳ in Grundstücken angelegt waren. Die durchschnittliche Ver⸗ zinsung des in Wertpapieren und Darlehen belegten T ug 3,54 vom Hundert des Ankaufspreises. ““
Die Ges versi
Die Vorliebe der jüngeren und der älteren Semester für einzelne Universitäten.
Dder Besuch der einzelnen preußischen Universitäten von seiten der jüngsten und ältesten Semester der reichsangehörigen Studierenden ist ein durchaus verschiedener, selbst in den einzelnen Studien⸗ halbjahren. Von den jüngeren Studenten gilt wohl, daß sie gern solche Hochschulen wählen, welche ihnen unter anderen Annehmlichkeiten den Vorzug bieten, dort gesellschaftlich her⸗ vortreten zu können. Der wissenschaftlich ehrgeizige Teil von ihnen sucht wohl auch solche Universitäten auf, an denen ihr Fach besonders gut vertreten ist, um wenigstens zu Beginn ihrer Studien⸗ jeit die hier wirkenden Berühmtheiten selbst zu hören. Uebrigens kommt für das erste und zweite Semester häufig zunächst die Uni⸗ versität der Heimatprovinz oder die nächstgelegene in Frage. Bei den äͤlteren Semestern aber, deren Blicke schon auf die Prüfungen und den dahinter liegenden Beruf gerichtet sind, geben andere Rücksichten bei der Wahl der Universität den Ausschlag. Hier werden vielleicht Examenfragen, Zusammensetzung der Prüfungskommissionen u. a. m. ein Wort mitreden. I 8
— Die preußische Universitätsstatistik (Heft 195 der „Preußischen Statistik“) macht den Versuch, diese Strömungen der Halbjahrsklassen in dem Zu⸗ und Abfluß von Studenten zu den einzelnen Fakultäten für jede preußische Universität darzustellen, und zwar für einen Ge⸗
samtdurchschnitt sowie für die Winterhalbjahre und die Sommer⸗
halbjahre getrennt. Dabei wird nicht der Besuch der einzelnen Fakultäten jeder Universität für sich, sondern die Gesamtzahl aller in einem Fach studierenden Reichsinländer auf sämtlichen Universitäten als Grundlage des Anteilverhältnisses der beiden aͤußersten Halb⸗ jahrsklassen gewählt, aus dem einfachen Grunde, weil das Bild des Fakultätsbesuchs einer Universität für die eigenen Größenverhältnisse jwar deutlichere Züge bietet, in dem Gesamtrahmen der übrigen Universitäten aber erst das richtige Verhältnis annimmt. Ein Bei⸗ spiel wird die Methode der Ermittelung veranschaulichen. In der ebangelischetheologischen Fakultät zu Halle studierten im Studienjahre 1902/03 26,19 v. Hundert aller evangelischen Theologen der preußischen Universitäten, aber 30,16 v. H. aller evangelischen Theologen des 1. und 2. Semesters und umgekehrt nur 21,83 v. H aller im 5. oder höͤheren Semester stehenden. Der Unterschied beträgt bei den jüngsten Semestern also + 3,97, bei den ältesten dagegen — 4,36. Die evan⸗ gelisch⸗theologische Fakultät zu Halle hatte also eine Anziehungskraft lür die jüngeren Skudenten, während die älteren ihr mehr, als dem Verhältnisse nach zu erwarten wäre, fernblieben. “ „Von einem Gesamtcharakter einzelner Hochschulen ist in dieser Hinsicht eigentlich nicht zu reden, da jede Fakultät für sich ein festes und eigenartiges Gepräge besitzt. Deshalb wird nur das Bild der einzelnen Studienzweige, wie es sich für die verschiedenen Universitäten darstellt, esner näheren ziffermäßigen Darstellung unterworfen, aus der hier nur einige Hauptergebnisse textlich und ohne Zahlenbeigabe heraus⸗ gehoben werden mögen. sin a es, wie schon angedeutet, durchaus verschiedene Beweggründe sind, welche die jüngsten oder die ältesten Halbjabrfgruxmen der Studierenden zu einzelnen Universitäten besonders zahlreich hinführen, so kommt es nicht allzu häufig vor, daß jüngere und ältere Semester in einem Studienzweige derselben Universität gleichzeitig stark oder wach vertreten sind: Im Durchschnitt von W. 1891/92 bis r1895/96 fanden gleich großen. Anklang bei beiden Halbjahrs⸗ gruppen in der evangelisch⸗theologischen Fakultät Breslau und Königs⸗ erg, in der juristischen Bonn und Marburg, in der medizinischen nen Königsberg, in der philologisch⸗historischen Abteilung keine niversität und in der mathematisch⸗naturwissenschaftlichen Abteilung van Göttingen. Einer gleich großen Abneigung von seiten beider dalbjahrsgruppen unterstanden in der juristischen Fakultät Berlin nd in der philologisch⸗historischen Abteilung Berlin und Königsberg.
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ich durchschnittlich eine gewisse Vorliebe für eine der preußischen sih hsch in der cvangelisch theologischen Fakultät und in der mathematisch⸗naturwissenschaftlichen Abteilung der philosophischen .e; überhaupt nicht, in der juristischen dagegen für Bonn, önigsberg und Marburg, in der medizinischen für Halle und in der vhitologisch⸗historischen Abteilung für Bonn. Eine gleichzeitige
mindere Anziehung übten im vorgenannten Zeitraume aus in Greifs⸗
wald die mathematisch⸗naturwissenschaftliche Abteilung und in Berlin sämtliche vathematis — Im Durchschnitt der beiden Halbjahre S. 1902 und W. 1902/03 zeigten beide Halbjahrsgruppen in der evangelischen Theologie eine gewisse Vorliebe für Breslau, dagegen eine Abneigung gegen Berlin, in der juristischen Fakultät eine Vorliebe für Königsberg, in der medizinischen eine Abneigung gegen Königsberg und eine Vorliebe für Göttingen und Greifswald, in der philologisch⸗ historischen Abteilung eine Abneigung gegen Berlin und Halle und eine Vorliebe für Vonn und Göttingen und in der mathematisch⸗ naturwissenschaftlichen Abteilung eine Abneigung gegen Berlin und Königsberg und eine Vorliebe für Bonn.
ür die jungen evangelischen Theologen waren Breslau, Greifswald, Halle und Marhurg sowie Königsberg, für die älteren Bonn, Göttingen und Kiel, auch Königsberg in gewisser Beziehung Anziehungspunkte. Starke Abneigung herrschte bei den jungen Theologen gegen Berlin, Bonn, Göttingen und Kiel, bei den älteren gegen Greifswald, Halle und Marburg; auch Berlin wurde von letzteren nicht eben gern aufgesucht. 1
In der Jurisprudenz wurden von den jüngeren Semestern besonders bevorzugt Bonn, Königsberg und Marburg, von den älteren dagegen mehr Göttingen, Greifswald, Halle, Kiel und zum Teil auch Marburg. Die frühere Abneignung der jüngeren Rechts⸗ beflissenen gegen Berlin ist allmählich ganz geschwunden, während sie bei den älteren noch sehr stark hervortritt.
In der medizinischen Fakultät raßt. Kiel dadurch hervor, daß es von den jüngsten Semestern auffällig übersehen, von den reiferen Studenten aber besonders gesucht wird. Bonn, Göttingen, Marburg und zum Teil Königsberg und Breslau sind in diesem Fache bei den jüngeren, und Greifswald bei den älteren Semestern beliebt; Berlin, Bonn, Breslau, Marburg und Göttingen werden von den letzteren nicht gern gewählt.
Bei der philosophischen Fakultät im ganzen leidet Berlin unter starker Abneigung der jüngeren Studenten, Göttingen und Kiel unter einer nicht unmerklichen, während Halle und Bonn eine große, Breslau eine nicht unbedeutende, Marburg und Königsberg immerhin noch eine gewisse Anziehungskraft besitzen; von den älteren wurden Göttingen und Kiel, auch wohl Berlin und Greifswald mit See aufgesucht, dagegen Bonn, Breslau und Halle nur ungern ewählt.
8 Die jüngsten Semester der phklologischehistorischen Ab⸗ teilung waren verhältnismäßig stark vertreten in Bonn, Breslau und Münster, weniger stark in Greifswald, Halle, Königsberg und Kiel, die älteren in Breslau, Halle, Königsberg und Marburg, ganz be⸗ sonders aber in Berlin.
Die Mathematiker und Naturwissenschaftler bevor⸗ zugen in dem ersten Studienjahre Bonn, Halle, Marburg, Münster und Breslau, in den höhern Studienhalbjahren Göttingen, Kiel, auch Königsberg und Greifswald. Eine starke Abneigung herrscht auch hier bei den jungen Studenten gegen Berlin, eine geringere bei den älteren. Greifswald, Kiel, Königsberg und demnächst Göttingen werden von den jüngsten Halbjahrsklassen gemieden, während bei Halle und Marburg, auch bei Bonn und Breslau Gründe für eine geringere Anziehung der älteren Semester vorzuliegen scheinen. (Stat. Korr.)
Bekämpfung der Arbeitsscheu und Fürsorge für Erwerbsbeschränkte in Straßburg i. E.
Dem Organ des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise „Der Arbeitsmarkt“ (IX. Jahrgang, 5. Heft) entnehmen wir die nach⸗ stehende beachtenswerte Mitteilung über die Anstellung eines be⸗ sonderen Beamten zur Bekämpfung der Arbeitsscheu und zur H für Fewerhebeschränkte durch den Arbeitsnachweis in Straßburg i. E.
Wie die meisten größeren Arbeitsnachweise, hat auch der Straß⸗ burger mit Belästigungen durch arbeitsscheue Elemente zu kämpfen, und zwar in so hohem Maße, daß im Jahre 1903 87 Personen und im Jahre 1904 sogar 153 (davon 3 dauernd) disziplinarisch ausge⸗ schlossen werden mußten. Die Verwaltung entschloß sich, einen eigenen Beamten zu dem Zwecke der Bekämpfung der Arbeitsscheu anzustellen. Da der Beamte hiermit nicht vollständig beschäftigt war, so wurde ihm gleichzeitig die Auf⸗ abe zugewiesen, Arbeitsgelegenheit für Erwerbsbeschränkte zu suchen.
it dem Erfolge war die Verwaltung zufrieden; insbesondere ist das Ergebnis bemerkenswert, daß schon die Summe, die der Stadt nach⸗ weislich an Armenunterstützung erspart wurde, das Gehalt deckte. Im einzelnen spricht sich der Verwaltungsbericht, wie folgt, aus:
Um nach Möglichkeit vorbeugend zu wirken, wurde die Anstellung jenes neuen Beamten beschlossen und als solcher ein bisheriges Mit⸗ glied der Aufsichtskommission eingestellt. Diese Wahl hat sich als lücklich erwiesen; insbesondere war es diesem Beamten durch s Eigenschaft als früherer Arbeiter verhältnismäßig leicht möglich, sich das Vertrauen der zu seiner speziellen Obhut übergebenen Leute zu gewinnen. Allerdings bedurfte es
den beiden Halbjahren S. 1899 und W. 1899,/1900 zeigte
einiger Zeit der Einarbeitung, insbesondere zur Gewinnung der für diese Tätigkeit besonders nötigen persönlichen Beziehungen 8 den Arbeitgebern, und dann mußte der Beamte infolge der Zunahme der sonstigen Geschäfte auch sehr häufig bei diesen mithelfen, sodaß vielleicht nur ein Drittel seiner Zeit für seine ursprüngliche Aufgabe verwendet werden konnte. Andererseits hat sich diese Aufgabe auch alsbald in der Praxis über den anfänglich beabsichtigte
Rahmen ausgedehnt. Neben der Fürsorge für jene Arbeits
scheuen stellte sich nämlich sofort die Sorge für die Er⸗ werbsbeschränkten als eine nötige Spezialtätigkeit, für die dem Schalterbeamten nicht die nötige Zeit zur Verfügung steht, heraus. Insgesamt hat der Beamte 27 Personen seine Fürsorge ge⸗ widmet; davon entfallen 17 auf die erste und 10 auf die zweite Kategorie. Was die Erwerbsbeschränkten anbelangt, so liegt hier die Schwierigkeit natürlich am meisten in der Gewinnung geeigneter Stellen. Nur durch persönliche Beziehung kann es gelingen, einen Arbeitgeber zur Einstellung solcher Teilinvaliden zu bestimmen. Es gelang dies dem Beamten in allen zehn Fällen. Bei der Unterbringung der Arbeitsscheuen wurdeg nalürlich oft recht unangenehme Erfahrungen gemacht. Insgesamt gelang es nur 14 von den 17 dieser Kategorie zu einer ständigen Beschäfti⸗ gung anzuhalten. Im allgemeinen kann man wohl sagen, daß das erreichbare Resultat um so besser ist, je jünger der betreffende Arbeits 8 lose ist. Alsdann gelingt es leichter, unter Mithilfe der Familie und bei Auswahl eines passenden Arbeitgebers, den Betreffenden zum regelmäßigen Arbeiten zu veranlassen. Anders dagegen steht es häufig mit den älteren. Hier nützen auch die bestgemeinten Ermahnungen und Warnungen oft nichts, und nach kurzer Zeit werden die vermittelten Stellen oft grundlos verlassen
Bedenkt man den Schaden, den solche Elemente nicht nur selbst davon
tragen, sondern auch der Gesamtheit durch Vernachlässigung ihrer Alimentationspflicht. Verleitung anderer, besonders minderjähriger Personen zum Müßiggang usw. verursachen, so kann man sich Ueberzeugung nicht verschließen, daß die öffentlichen Gewalten hier
nicht länger müßig zusehen sollten; und zwar erscheint in erster Linie die Einführung eines Arbeitszwangs u. a. durch Ueberweisung an die Landespolizeibehörde als Ergänzun
des § 361 Z. 10 des Strafgesetzbuchs erforderlich. Inter
essant dürfte schließlich an diesem Versuch noch sein, daß sieben von den untergebrachten Personen vorher Armenunterstützung genossen hatten, die nun teils völlig, teils größtenteils in Wegfall kommen konnte. Bedenkt man, daß diese sieben Personen für sich und ihre Angehörigen im letzten Jahre vor ihrer Unterbringung durch die Arbeitsnachweisstelle von der Armenverwaltung Geldunterstützungen im Betrage von 896 ℳ (ohne Anrechnung der daneben gewährte
Fetufelien) erhalten hatten, so ist allein durch diese Ersparnis das Gehalt dieses neuen Beamten großenteils gedeckt.
aaaṍa]I 166—“*“ Die Cölner Hafenarbeiter, die, um höhere Löhne durchzu⸗ setzen, in den Ausstand getreten waren, haben, wie das „Berl. Tagebl.“ leßehe: zu den früheren Bedingungen die Arbeit wieder aufgenommen. Die etwa 1000 Mann zählende Belegschaft des Theresien⸗ schachtes der Wittkowitzer Werke in Polnisch⸗Ostra ist, dem „W. T. B.“ zufolge, in den Ausstand getreten, weil ein Arbeiter wegen eines Streites mit einem Oberhäuer entlassen wurde Der Ausstand bei den Trifailer Kohlenwerken in Steier⸗ mark hat sich, wie der „Frkf. Ztg.“ telegraphiert wird, jetzt auch auf die Gruben Hrastnigg und Olstro ausgedehnt, sodaß rund 3500 Mann im Ausstand sind (vgl. Nr. 19 d. Bl.). . In Triest sind, wie „W. T. B.“ meldet, wegen der Entlassung von 13 Waggonrangierern, die die Entfernung eines mißliebigen Rangiermeisters gefordert hatten, gestern sämtliche Rangierer und Verlader, zusammen 600 Mann, wieder zur „passiven Resistenz“ übergegangen. 8—
8
Kunst und Wissenschaft.
Die in der Königlichen Nationalgalerie Jahrhundertausstellung wurde heute Kaiserliche und Königliche Hoheit den Kronprinzen feierlich eröffnet. Der Geheimerat, Professor Dr. Reber aus München, der als Mitglied des Ausschusses für die Ausstellung tätig war, hielt eine Ansprache, in der er auf die Bedeutung der Ausstellung für die deutsche Kunstgeschichte hinwies. Er dankte im Namen des Ausschusses Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen für die Uebernahme des Protektorats, den Fürstlichkeiten, Regierungen, Behörden und Privaten für die Bereitwilligkeit, die sie bei der Darleihung der ausgestellten Werke bewiesen haben. Ueber die bedeutsame Ausstellung selbst wird s. Z. eingehender berichtet werden.
veranstaltete durch Seine
Verkehrsanstalten.
Laut Telegramm aus Cöln hat die dritte en lische Post über Ostende vom 23. d. M. in Cöln den nschluß an Zug 13 nach Berlin über Hannover nicht erreicht. Grund: e in Belgien. 8 “ 2
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Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungsmaßregeln. Stand der Tierseuchen in Oesterreich am 14. Januar 1906. (ANach den vom K. K. österreichischen Ministerium des Innern veröffentlichten Ausweisen.)
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1 Stand der Tierseuchen in Ungarn am 10. Januar 1906. (Nach den wöchentlichen Ausweisen des Königlich ungarischen Ackerbauministeriums.)
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Zahl der verseuchten Orte
25
20