1906 / 31 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 05 Feb 1906 18:00:01 GMT) scan diff

werden,

Vorlesungen an der Königlich preußischen Forstakademie Hann.⸗Münden im Sommerhalbjahr 1906.

Oberforstmeister Weise: Ertragsregelung einschl. Statik, forst⸗ eeueüenen ., me. Forstassessor J

eerforstmeister Weise und Forstassessor Japing: Uebungen in der forstlichen Statik. 8

Forstmeister Sellheim: Forstbenutzung, forstliche Exkursionen. rofessor Dr. Jentsch: Forstschutz, Nationalökonomie, forst⸗ liche Exkursionen.

- Michaelis: Waldwertberechnung, preußisches Taxationsverfahren, Durchführung eines Tarationsbeispiels, forstliche Grberfionen sior I G1n

orstassessor Japing: Einleitung in die Forstwissenschaft.

Jesfeisse Dr. Büsgen: Sypystematische Botanik, botanisches ö Botanik der tropischen und subtropischen Wälder, botanische

tursionen und Uebungen.

rofessor Dr. Heymons: Zoologie (wirbellose Tiere), zoologische Uebungen und Exkursionen.

Professor Dr. Councler: Anorganische Chemie, Mineralogie, geognostische Uebungen und Exkursionen.

Professor Dr. Hornberger: Bodenkunde, bodenkundliche Ex⸗ kursionen und Uebungen.

Professor Dr. Baule: Geodäsie, Planzeichnen, Vermessungs⸗ instruktion, geodätische Uebungen und Exkursionen.

Professor Dr. von Hippel: Strafrecht.

Anmeldungen sind womöglich bis zum 1. April an den Unter⸗ zeichneten zu richten und zwar unter Beifügung der Zeugnisse über Schulbildung, forstliche Vorbereitung, Führung sowie eines Nach⸗ weises über die erforderlichen Mittel und unter Angabe des Militär⸗ verhältnisses.

Weitere Auskunft wird brieflich erteilt.

Hann.⸗Münden, den 2. Februar 1906.

1 Der Direktor der Forstakademie.

eise.

liche

8 . Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 5. Februar.

Seine Majestät der Kaiser und König konferierten heute im hiesigen Königlichen Schlosse mit dem Reichskanzler Fürsten von Bülow und hörten den Vortrag des Chefs des

ivilkabinetts⸗ u“ Geheimen Rats Dr. von L 8.

In dem soeben im Verlage der hiesigen Königlichen Hof⸗ buchhandlung und Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler u. Sohn erschienenen, vom Auswärtigen Amt herausgegebenen „Ver⸗ zeichnis der Kaiserlich deutschen Konsulate für 1906“ wird auch diesmal im Interesse des Publikums darauf hin⸗ gewiesen, daß es sich empfiehlt, Schreiben, in denen die amt⸗

liche Tätigkeit einer Konsularbehörde des Reichs in Anspruch genommen wird, an das betreffende Konsularam t die Adresse in lateinischer Schrift: Deutsches (General- Vice) Konsulat und nicht an die Person des Stelleninhabers zu richten.

Die Nichtbeachtung dieses Hinweises kann zur Folge haben, daß Schreiben mit persönlicher Adresse, die einem aus dem Amt ausgeschiedenen oder beurlaubten Konsul nachgesandt wer erst eine verspätete oder überhaupt keine Erledigung

8 8

Der Bevollmächtigte zum Bundesrat, Fürstlich schaumburg⸗ lippische Staatsminister Freiherr von Feilitzsch ist in Berlin angekommen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Tiger“ am 2. Februar in Nanking eingetroffen.

S. M. Torpedoboote „Taku“ und „S 90“ sind vor⸗ gestern in Schanghai eingetroffen und gehen morgen von dort nach Tschingkiang (am Nangtse) ab. b

8

Die Regierung hat, „W. T. B.“ zufolge, den Ständen eine Novelle zum Berggesetze vorgelegt, welche die seit 1874 bestehende Bergfreiheit aufhebt und das Schürfen nach Salz und Solquellen ausschließlich dem Staate vorbehält.

Deutsche Kolonien.

Aus Deutsch⸗Südwestafrika wird, „W. T. B.“ zu⸗ folge, amtlich gemeldet:

An Typhus sind gestorben: Reiter Karl Klump, geboren am 4 1. 1881 zu Metzingen, früher im 20. Königlich bavyerischen Infanterieregiment, zuletzt beim Bezirkskommando in Stockach in Baden, am 27. Januar in der Krankensammelstelle zu Koes und Ge⸗ freiter Ernst Völkner, geboren am 28. 1. 1882 zu Jeseritz, früher im Kulmer Infanterieregiment Nr. 141, am 29. Januar in Otjosondu.

. 8

vorgestern den Gegenstand der Verhandlung In der Antwort war, dem „Budapesti Hirlap“ zufolge, u. a. zur Bedingung der Uebernahme der Kabinettsbildung gemacht, daß der Handelsvertra

geordnetenhause genehmigt werde. Ferner war die Bedingung

gestellt, daß einerseits keine militärischen Reformen eingeführt, andererseits keine Erhöhung der militärischen Bewilligung ge⸗ fordert werden, die Entscheidungdieser Fragen vielmehr dem neuen, auf Grund des neuen Wahlgesetzes gewählten Abgeordnetenhaus

vorbehalten bleiben soll. Außerdem wurde verlangt, daß eine selbständige Notenbank errichtet werde und daß die vom Kabinett Fejervary abgesetzten Beamten wieder in ihre Stellungen ein⸗ esetzt werden. Diese Bedingungen hat der Kaiser, der en ungarischen Ministerpräsidenten Baron Fejervary und den Grafen Andrassy gestern in Audienz empfing, abgelehnt. Eine gestern in Triest abgehaltene soziald emokratische Versammlung nahm „W. T. B.“ zufolge eine Resolution u Gunsten des allgemeinen direkten, gleichen und geheimen Wahlrechts an. nehmer demonstrierend die Straßen.

vorgestern unterzeichnet worden. Grafen Andrassy überbrachte Antwort der Koalition eines Rats der gemeinsamen Minister unter Vorsitz des Kaisers.

mit dem Deutschen Reiche als ein mit Ungarn gesondert geschlossener Vertrag ratifiziert und vom Ab:

Nach der Versammlung durchzogen die Teil⸗

Frankreich. 8 Gegen die Perlonen⸗ die anläßlich der Inventar⸗ aufnahme innerhalb und außerhalb der Kirchen Kund⸗ gebungen veranstaltet haben, ist von den zuständigen Zucht⸗ polizeigerichten auf leichte Haftstrafen erkannt worden. Wie das „W. T. B.“ ferner meldet, hat der Pfarrer der Clotildenkirche in Paris an den dortigen Kardinalerzbischof ein Schreiben bhehesth in dem er sowohl als dieser Kirche wie als eneralvikar der Pariser F. eine Entlassung gibt, weil trotz seines ausdrücklichen Verbots eine Anzahl seiner Pfarr⸗ angehörigen gewaltsamen Widerstand gegen die Inventarauf⸗ nahme geleistet und so das Anschen und die Würde der Kirche und der Geistlichkeit aufs schwerste verletzt hätte. Die hervor⸗ ragendsten katholischen Persönlichkeiten der Sprengel St. Germain und St. Sulpice richteten an die berresfenden Pfarrer Schreiben, in denen sie erklären, daß sie jeden weiteren Beitrag . diese Kirchen verweigern, weil die Pfarrer sich bemüht hätten, eine gewaltsame Kundgebung zu verhindern. Vorgestern ging die Inventaraufnahme in den Pariser Kirchen St. Sévérin, St. Paul, Notre Dame de la Gare und St. Anne im Stadtteil Maison Blanche ohne Störung vor sich, dagegen fanden in der Kathedrale zu Rouen heftige Demonstrationen statt, ie sich auch gegen den Erzbischof Fucet 9

richteten. .“ Rußland.

Nach einer M g der „St. Petersburger Telegraphen⸗ agentur“ hat der dortige Stadthauptmann das Verbot der politischen und wirtschaftlichen Vereinigungen auf⸗ gehoben. Sie sollen in Zukunft unter den im Reglement vom 25. Oktober angeführten Bedingungen erlaubt sein.

Unter dem Vorsitz des Fürsten Golitzin ist gestern in Moskau ein Klub der Unabhängigen gegründet worden, der alle politischen Parteien vereinigt, die sich um volks⸗ freundliche Kandidaten sammeln.

Helsingforser Blätter enthalten einen Entwurf für die neue finnische Volksvertretung. Nach diesem soll der Landtag aus einer Kammer mit wahrscheinlich 200 Mitgliedern bestehen. Die Mitglieder des Landtags sollen auf drei Jahre gewählt werden. 18 die Wahlen sollen außer den im Wahl⸗ gesetz festgelegten Bestimmungen noch folgende Regeln gelten: Wahlberechtigt sind alle finnischen Bürger, sowohl Männer als auch Frauen, die über 21 Jahre alt sind. Von der Wahl ausge⸗ schlossen sind diejenigen Personen, die sich nicht im Besitz der bürgerlichen Rechte befinden. Wählbar sind alle Personen mit 25 Jahren, in Ausnahmefällen mit vollendetem 24. Jahre. Ein Abgeordneter kann nur in dem Wahlkreis gewählt werden, zu dem er gehört. Strenge Maßnahmen werden gegen Wahl⸗ beeinflussung getroffen. Die Landtagsmitglieder erhalten 1400 Diäten jährlich. Während der laufenden Periode ge⸗ wählte Abgeordnete erhalten, wenn sie mindestens 90, Tage Abgeordnete waren, 5 täglich.

Wie die genannte Telegraphenagentur ferner meldet, drangen vorgestern mehrere Bewaffnete in das Krankenhaus 8 Libau ein, verwundeten die Wachen, schleppten einen

Nann fort, der am Tage vorher schwerverletzt auf der Straße gefunden worden war, und warfen ihn ins Meer, aus Furcht, daß er Anzeige gegen sie erstatten

In der vorgestrigen Sitzung der Marokko⸗Konferenz wurde der Entwurf der marokkanischen Delegierten, betreffend die Erhöhung der Zölle auf die Wareneinfuhr, im allgemeinen geprüft. Die Konferenz beschloß, nach dem vom „W. T. B.“ verbreiteten amtlichen Bericht, den Redaktions⸗ ausschuß mit der Untersuchung zu betrauen, ünter welchen Bedingungen ein leichter Zuschlag unter der Form von Zuschlagshundertsteln zu den einzelnen Zöllen eingefüͤhrt werden könnte. Diese Zölle, deren Ertrag einer noch zu bestimmenden Kontrolle zu unterwerfen wäre, würden ausschließlich zur Ver⸗ besserung der Hafeneinrichtungen zu dienen haben. Der Redaktionsausschuß ist außerdem beauftragt, einen Plan aus⸗ zuarbeiten, erstens betreffend die Herabsetzung der Ausfuhrzölle auf gewisse Waren, zweitens betreffend den Handel mit Tabak aller Sorten, für den Marokko das Monopol einzuführen wünscht, drittens betreffend die Ausdehnung der Zollerhebung bei der Viehausfuhr, die gegenwärtig auf eine bestimmte Stückzahl beschränkt und nur von dem Hafen von Tanger aus ge⸗ stattet ist. Die Konferenz begann sodann die Beratung der Frage, welche Verbesserung an der Wahr⸗ nehmung des Zolldienstes selbst eingeführt werden könnte, und namentlich an der gegenwärtig von den Zoll⸗ beamten geübten Art, die Höhe der zu erhebenden Zollsätze bei den verschiedenen Warengattungen zu bestimmen. Darüber soll ein Entwurf ausgearbeitet und in einer der nächsten Sitzungen der Konferenz unterbreitet werden.

Türkei. .“ 8 Kach einer Meldung des „Wiener Telegr.⸗Korrespondenz⸗ bureaus“ hat die Pforte an die voigeresche Regierung eine Note gerichtet, die eine Verständigung über das Fallenlassen der bulgarisch⸗serbischen Zollunion und über die eigenen gegenseitigen Zollschwierig⸗ keiten herbeizuführen sucht. . Die türkisch⸗persische Handelskonvention ist nach einer Depesche des „Wiener Telegr.⸗Korrespondenzbureaus“ Wegen einer Postkonvention wird unterhandelt. 8 8

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die vorgestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Die heutige (35.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatsminister, Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner beiwohnte, wurde vom Prä⸗ sidenten Grafen von Ballestrem um 1 Uhr 20 Minuten eröffnet.

Eingegangen war eine Interpellation der Sozial⸗ demokraten, betreffend den am 10. Juli 1905 auf der Zeche „Borussia“ bei Dortmund stattgehabten

chachtbrand, durch den 39 Bergleute ums Leben ge⸗ kommen sind. Ein schleuniger Antrag Schrader und Gen. wegen Ein⸗ stellung des beim Landgericht zu Cassel gegen den Abg. Potthof wegen Beleidigung schwebenden Strafverfahrens für die Dauer der gegenwärtigen Session wurde ohne Debatte genehmigt.

Das Haus setzte darauf die Beratung des Spezial⸗ etats für das Reichsamt des Innern fort und nahm die an den ersten Ausgabetitel „Gehalt des Staatssekretärs 50 000 ℳ“ geknüpfte allgemeine Besprechung wieder auf.

Abg. von Kardorff (Rp.): Ich hatte nicht die Absicht, über⸗ haupt das Wort zu ergreifen, nur die Ausführungen des Abg. Mugdan veranlassen mich dazu, um nicht in den Verdacht zu kommen: Qui tacet consentire videtur. Einverstanden bin ich mit ihm in seiner Philippika gegen die Sozialdemokralie und das geradezu blödsinnige Schreien der sozialdemokratischen Preffe nach Revolution auch mit seinen Ausführungen über den Terrorismus der Sozial⸗ demokratie in den Krankenkassen. Mit seinen positirven Vor⸗ schlägen dagegen kann ich mich zu meinem Bedauern nicht einverstanden erklären. Bezüglich der Ausdehnung der sozialen Fürsorge bin ich doch der Meinung des Grafen von Posadowsly, der es bedenklich fand, wenn unser ganzes Volk hierdurch eine Einbuße seiner Energie erleiden würde. Wir sollten weniger daran denken, die soziale Gesetzgebung weiter auszudehnen, als uns mit ihrer Revision zu beschäftigen. So hat z. B. die Zuerkennung der Invalidenrente bei einer Be⸗ schränkung der Erwerbsfähigkeit um nur 20 % ihre sehr großen Bedenken. Es müßten genaue Ermittelungen darüber stattfinden, wie diese Be⸗ stimmung gewirkt hat. Der Abg. Wagner hat im Abgeordnetenhause auf

die finanziellen Ergebnisse dieser Bestimmung bereits aufmerksam ge⸗

macht. Ein weiterer Vorschlag, der von verschiedenen Seiten gemacht worden ist, bezieht sich auf die Erteilung der Rechtsfähigkeit an die Berufsvereine. Ich bedaure, diesem Vorschlage mich nicht anschließen zu können. Ein großer Teil der Berufsvereine ist in sozialdemokratische Hände übergegangen, und der Gegensatz zwischen christlichen und sozialdemokratischen Berufsvereinen wird immer schwächer. Neulich wurde von einer Vereintgung von Gewerkschaftsbeamten ein Verein gegründet zum Zwecke der gegenseitigen Unterstützung, und der erste Beschluß war, daß nur Sozialdemokraten beitreten können. Wenn wir nun diesem Verein Rechtsfähigkeit erteilen, so würde die Bewegung, wie sie sich jetzt vollzieht, noch bedeutend verstärkt werden. Was wir bis jetzt von den christlichen Gewerkschaften erlebt haben, be den Wahlen und den Streiks, hat den Beweis geliefert, daß sie immer mit der Sozialdemokratie gegangen sind. Im Ruhrrevier waren die christlichen Gewerkschaften viel schlimmer wie die sozial⸗ demokratischen, und Geheimrat Kirdorff hat offen ausgesprochen, er wolle lieber mit den sozialdemokratischen zu tun haben als mit den christlichen Gewerkschaften. Es hat also seine großen Be⸗ denken, hier etwas zu ändern. Ich fürchte, die Sozial⸗ demokratie würde die Erteilung der Rechtsfähigkeit genau ebenso ausschlachten für ihre Zwecke, wie sie es mit anderen Insti⸗ tutionen, z. B. mit der Erleichterung des Wahlverfahrens getan hat. In England ist man auch so unvorsichtig vorgegangen, daß eine große Anzahl englischer Industrien den Wettbewerb mit den gleichen In⸗ dustrien der übrigen Mächte nicht mehr aushalten konnten und ge⸗ zwungen waren, ihre Betriebe zu schließen. England hat aber in allen solchen Fragen den Vorteil, daß es Kolonien besitzt, die ein für die weiße Rasse erträgliches Klima haben. Die notwendige Abwanderung englischer Industriearbeiter und die Reduktion der englischen Land⸗ wirtschaft findet vollständig Ersatz in der immer weiteren Ausdehnung des englischen Seehandels. Einen solchen Prozeß, wie er bei uns in Deutschland auch bis zu einem gewissen Umfange besteht, noch zu beschleunigen, halte ich für außerordentlich bedenklich. Vor allem ist es falsch, mit dem Begriff des Klassenstaats zu operieren. Ich kenne einen Klassenstaat nicht. (Zuruf des Abg. Singer.) Gewiß, aber sie sind zum großen Teile aus dem Arbeiterstande hervorgegangen. Auch mit dem Eintritt in höhere soziale Klassen ist es so. Wie viele sind zu den höchsten Staatsstellungen gekommen, die ganz niederen sozialen Schichten entstammen! Ich wünsche auch nicht, daß ein Klassenstaat konstruiert wird zum Nutzen und Frommen der Sozialdemokratie. Ich glaube also, daß die ver⸗ bündeten Regierungen es sich drei⸗ und viermal überlegen müssen, ehe sie die Vorschläge dem Reichstage in Gesetzesform bringen, die der Abg. Mugdan gemacht hat.

Abg. Erzberger (Zentr.): Der Staatssekretär hat eine Reihe von Zusagen gemacht, die meine politischen Freunde befriedigen könnten. Dazu gehört in erster Linie die Zusage, daß wir noch in dieser Session die Vorlage wegen der Rechtsfähigkeit der Berufsvereine bekommen sollen. Wir stehen da auf einem dem Abg. von Kardorff ganz entgegengesetzten Standpunkt; wir verstehen nicht, warum man den Arbeitern vorenthält, was allen anderen Ständen längst gewährleistet ist. Die Befürchtung des Abg. von Kardorff können wir wirklich nicht teilen, auch das englische Beispiel, das er anführt, besitzt für uns keine Zugkraft; wir meinen im Gegenteil, daß beim hbeutigen Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt nur die Nation den Sieg davon⸗ tragen kann, die eine erstklassige Arbeiterschaft besitzt. Sehr bedauern müssen wir auch den Ausspruch des Vorredners, daß die christlichen Gewerkschaften noch schlimmer seien als die sozialdemokratischen. Die Gründung der christlichen Gewerkschaften hat gerade eine große Reihe von Industriellen der Ausrede beraubt, daß die Forderungen der Gewerkschaften durchweg und unterschiedslos sozialdemokratisch seien. Die christlichen Gewerkschaften beweisen durch ihre bloße Existenz, daß die von ihnen erhobenen Forderungen nicht sozial⸗ demokratisch, sondern Forderungen der Arbeiterschaft als solcher, Forderungen des Arbeiterstandes sind; und daß es auf diesem Gebiete eine große Reihe von Forderungen gibt, die ihrer Erfüllung noch harren, wird vielleicht auch der Abg. von Kardorff zugeben.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (17.) Sitzung, welcher der Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollweg beiwohnte, die zweite Beratung des Staatshaushaltsetats für das Etatsjahr 1906 bei dem Etat des Ministeriums des Innern fort.

Die Einnahmen, über die Abg. von Pappen heim (kons.) berichtet, werden ohne Debatte genehmigt.

Auf Antrag des Abg. Freiherrn von Zedlitz und Neukirch (freikons.) wird darauf vor der bei dem Titel der Ausgaben „Gehalt des Ministers“ üblichen allgemeinen Dis⸗ kussion der im April v. J. gestellte sogenannte Wohlfahrts⸗ antrag des Abg. Grafen Douglas (freikons.) besprochen.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch: Die Verhand⸗ lungen des vorigen Jahres haben uns zu mehrfachen ernsten Bedenken Veranlassung gegeben, und deshalb bringen wir die Sache auch in diesem Jahre bei diesem Etat zur Sprache. Um den Bedenken Rechnung zu tragen, habe ich den Antrag eingebracht, die Staatsregierung zu ersuchen, die Beschlußfassung über den Beschluß des Hauses der Abgeordneten vom 6 April 1905, betreffend Schaffung eines Volkswohlfahrtsamts, durch Beratung in einer Kommission von Sachverständigen, in die insbesondere auch in der Wohlfahrtspflege „F bewährte Männer zu berufen sein würden, vorbereiten zu assen.

Abg. Schiffer (nl): Meine ese stimmen dem Antrag von Zedlitz zu. Auch wir sind der Meinung, daß etwas Praktisches und Durchgreifendes geschehen muß, um der bestehenden Zersplitterung der Wohlfahrtspflege wirksam entaegenzutreten. Wir wollten aber nicht gebunden sein an die Form, in welcher der Antrag Douglas der Staatsregierung vorgeschlagen war. In der Kommission selbst waren verschiedene Richturgen vorhanden, und einer meiner Freunde hat dort seine Wünsche nur zurückgestellt, damit ein einmütig zustande kommender Beschluß einen um so stärkeren Eindruck auf die Oeffentlichkeit mache. Wir sind nun der Meinung, daß die Sache jetzt noch sehr viel gründlicher und kontra⸗ diktorischer behandelt werden muß als früher. Dazu ist das Plenum nicht der geeignete Ort, und deshalb unterstützen wir den Antrag von Zedlitz, die Sache in einer Kommission gründlich zu 2289 Jedenfalls darf keine bureaukratische Zentralinstanz geschaffen werden.

Se 8 d . e 5 81

Die sozialpolitischen Bestrebungen müssen frei von Ein⸗

seitigkeit und unter Zusammenfassung der freien Kräfte im Volksleben in den Dienst der Wohlfahrtspflege gestellt werden.

Abg. Henning l(kons.): Ich bin dafür, den Antrag der Budget⸗ kommission zu überweisen, die die von dem Abg. von Zedlitz geäußerten Bedenken zerstreuen und die Sache aufklären kann. Die Schwierig⸗ keiten sind um so größer, als wir uns in einer politisch und sozial aufgeregten Zeit befinden. So sympathisch uns auch der Antrag Douglas ist, so können wir doch nicht glauben, daß bei der Ungewißheit und Unsicherheit der Verhältnisse und gegenüber den ver schiendentlichen Bestrebungen auf diesem Gebiete für die Wohlfahrtspflege etwas Ersprießliches daraus entstehen könnte. Bei den verschiedenartigen Bestrebungen z. B. auf dem Gebiete der Frauenbewegung, der bürgerlichen und der sozialdemokratischen, sehen wir uns einem Chaos geistiger Bestrebungen gefencher. das hin und her wogt. Jedenfalls ist die Sache noch nicht so reif, daß wir schon jetzt B Beschluß fassen können. Ich bin deshalb für

ommissionsberatung. 1 8 8 Fomhs Schulze⸗Pelkum (kons.) erklärt sich für Ueberweisung des Antrags Zedlitz an eine besondere Kommission. 1

Abg. Dr. Hitze (Zentr.) zieht einer solchen die Budgetkommission vor, die prüfen könne, ob und in welchem Umfange der Antrag Douglas, dessen Grundgedanken er zustimme, durchführbar sei.

Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.): Wir hatten seinerzeit dem

„Grundgedanken des Antrages Douglas zugestimmt, ohne uns darüber zu täuschen, daß die entgegenstehenden Schwierigkeiten sehr groß sind und überschwengliche Hoffnungen daran nicht geknüpft werden sollten. Es wird also jetzt für uns notwendig sein, nochmalige gründliche Durchberatung eintreten zu lassen. Wir stimmen also ebenfalls für die Prüfung des Antrags von Zedlitz in der Budgetkommission.

Abg. Peltasohn (fr. Vgg.): Auch wir stimmen dem Antrag zu und hoffen, daß durch diese Vorberatung der Weg leichter gefunden werden wird, um etwas wirklich Praktisches und Ersprießliches zu schaffen. Der Antrag Douglas bezweckte ja gerade, dem Staats⸗ ministerium eine Unterlage für seine Beschlüsse zu geben; dieser An⸗ trag brauchte also nicht nochmals einer Kommission überwiesen zu werden. 3 8

Hierauf nimmt der Minister des Innern Dr. von Beth⸗ mann⸗Hollweg das Wort.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Hypothekenbewegung in Preußen 1903.

Seit dem Jahre 1886 ist die buchmäßige Bewegung der Real⸗ schulden in Preußen Gegenstand alljährlicher Ermittlung. Vom 1. April 1886 bis zum 31. März 1904, also in einem Zeit⸗ raume von 18 Jahren, sind in den Städten sowie in den Land⸗ emeinden und Gutsbezirken mit städtischem Wesen, insbesondere Fabrikorten und Vorortsgemeinden der Großstädte, nach der „Stat. Korr.“, insgesamt 30 665,95 Millionen Mark an vpotheken und Grundschulden eingetragen, dagegen 15 042,68 Millionen ark oder 49,1 v. H. der Eintragungen gelöscht worden, sodaß sich eine Zunahme der Buchverschuldung um 15 623,27 Millionen Mark ergibt. In den Gemeinden mit ländlichem Charakter beliefen sich die Eintragungen auf zusammen 13 741,46 Millionen Mark und die Löschungen auf 8951,74 Millionen Mark, d. i. 65,1 v. H. der Ein⸗ tragungen, mithin die Mehrverschuldung auf 4789,72 Millionen Mark.

Im einzelnen betrugen 3 8 der Ueberschuß

Rechnungs⸗ tragungen überhaupt v. H. der Eintragungen jahre Millionen Millionen Eintragungen Millionen a. in den städtischen Bezirken: 1902 2 457,97 1 222,09 49,72 1 235,88 1903 2861,11 1 8385,18 48,41 1 475,93 im Jahres⸗

durchschnitt 8 8 1886 1903 1 703,66 835,70 0 49,05 b. in den ländlichen Bezirken:

1902 1 020,27 626,52 61,41 190393 4989,72 644,88 59,18 im Jahres⸗ 8 durchschnitt 1886 1903c 763,41 497,32 65,14

Sowohl in den städtischen wie in den ländlichen Bezirken ist hiernach von 1902 auf 1903 der jährliche Ueberschuß der Ein⸗ tragungen über die Löschungen beträchtlich gestiegen, und zwar in ersteren um 19,4, in letzteren um 13,0 v. H. Insbesondere war im Berichtsjahre die Mehrbelastung in den Städten um sieben Zehntel, auf dem platten Lande um etwas über zwei Drittel höher als im Jahresdurchschnitt 1886 1903. In jedem Jahre seit dem Bestehen der Statistik tritt ein viel größerer Umfang der Hypo⸗ thekenbewegung, namentlich ein weit erheblicherer Ueberschuß der Ein⸗ tragungen bei den städtischen als bei den ländlichen Bezirken hervor. Die Ziffern der letzteren gestalten sich at egema schon deshalb viel niedriger, weil auf dem platten Lande nicht in dem Maße wie in den Städten durch Bebauung, Anlage von industriellen Unter⸗ nehmungen usw. neue beleihungsfähige Werte entstehen und in vielen Landesteilen infolge sinkender Rentabilität des Landwirtschaftsbetriebes häufiger ein Rückgang als eine Steigerung der ländlichen Boden⸗ werte in Betracht kommt, während besonders in größeren und Industriestädten die Baugründe und Gebäude fast allenthalben an Verkehrswert stark zunehmen. Deshalb erscheint die wachsende Ver⸗ schuldung des Landes auch viel bedenklicher als die der Städte.

Was die einzelnen Landesteile betrifft, so betrug der Ueberschuß der Eintragungen über die Löschungen ihn den städtischen in den ländlichen 8 G Bezirken

Bezirken ö urch⸗ B durch⸗ 1903 schnittlich 1902 1903 schnittlich jährlich jährlich 20,42 31,41 17,20 15,87 10,02 28,38

15,42 156,19 88 16196 22,13 25,88 17,19 10,20 17,03 9,73 6,90 60,40 54 64 35,42 49,82 35,41 25,75 30,50 36,72 18,29 48,49 42,54 27,96 63 07 63,11 33,67

18,07 8,63 77,83 91,70 50,01

. 1902 Ostpreußen.. Westpreußen.. Verk Brandenburg .. Pommern..

25,09 26,05

27,27 17,15

9,78 39,99 28,24 30,81 43,42 54,26 14,07

28,38 21,42 178,87 288,65 44 95 33,54 68,88 60,36 40,00 56 99 97,65

30,56 26,40 215,99 332,90 45,80 37,80 100,01 49,28 49,26 48,69 147,23 100,33

Schles w.⸗Holst.. annover

Westfalen . .. en⸗Nassau 80,38 60,37

Rheinland. 235,68 291,45 158,37

Hohenzollern. 0,13 0 23 0,21 0,07 0,08 im Staate 1235,88 1475,93 393,75 444,84 266,10.

0,04 867,96

Der städtische wie ländliche Ueberschuß der Eintragungen verteilt sich hiernach sehr ungleichmäßig auf die verschiedenen Landesteile. Die höhste Mehrverschuldung findet sich 1903 wie 1902 und im Jahresdurchschnitt 1886 1903 im Stadtgebiete der Provinz Branden⸗ burg, wo es sich vorzugsweise um die hypothekarische Belastung von Reubauten, Fabriken und zu Spekulationszwecken angekauften Bau⸗ grundstücken in den Berliner Vororten handelt; es folgt das Rhein⸗ land und hierauf erst Berlin. Auf dem Lande ist die buchmäßige Mehrbelastung im allgemeinen da am größten, wo auch die Gemeinden von noch überwiegend ländlichem Charakter schon stark mit industriellen Anlagen bescßt sind, so vor allem in der Rheinprovinz und Westfalen, neuerdings aber auch in Schlesien. 3

In Stadt wie Land tritt die Mehrverschuldung im Jahresdurch⸗ schnitte 1886 1903 fast durchweg hinter diejenige des Berichtsjahres

4 8

und zwar zumeist recht erheblich zurück. Eine geringfügige Aus⸗ nahme macht nur Sachsen, wo, wie übrigens auch in der Provinz Hannover, der städtische Ueberschuß der Eintragungen über die Löschungen 1903 gegen 1902 wesentlich abgenommen hat. Letzteres ist außerdem noch auf dem Lande in Westpreußen, in ge⸗ ringerem Maße auch in Posen und Hannover der Fall. In den Provinzen Westpreußen und Posen sind infolge staatlichen Ankaufs von Grundbesitz bedeutende Hypothekenbeträge zur Löschung gelangt. Verhältnismäßig stark ist neuerdings die ländliche Mehrbelastung in Hessen⸗Nassau in die Höhe gegangen, nachdem dort die mit umfang⸗ reichen Löschungen alter, tatsächlich schon früher abgetragener Hypo⸗ theken verbundene Grundbuchregulierung abgeschlossen worden ist. Aehnlich liegt das Verhältnis in den Landbezirken Hohenzollerns, wo wir für 1903 nicht wieder, wie für das Vorjahr und den Durchschnitt der Jahre 1886 bis 1903, einen Ueberschuß der Löschungen finden.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Lohnkampf im Berliner Droschkenfuhrgewerbe (vgl. Nr. 19 d. Bl.) ist, wie das „B. T.“ meldet, nunmehr zur Tat⸗ sache geworden. Nachdem der Vorsitzende des Vereins Berliner Droschken⸗ führer dem Vorsitzenden des Berliner Gewerbegerichts von Schulz erklärt hat, daß die Vertreter der Kutscher nicht zu der für den morgigen Dienstag einberufenen Sitzung des Einigungsamts erscheinen werden, haben auch die Droschkenbesitzer auf die Teilnahme an der Sitzung verzichtet. Die Kutscher wollen ihre Forderungen nun durch Ver⸗ handlungen auf den einzelnen Fuhrhöfen durchsetzen, die Droschken⸗ besitzer haben sich aber verpflichtet, nur die Löhne des vorjährigen Tarifs zu zahlen. Jeder Teilausstand soll durch die Aussperrung sämtlicher Kutscher beantwortet werden. 1

Aus Triest wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß sämtliche Heizer der dort ankernden Dampfer des Oesterreichischen Lloyd (vgl. Nr. 30 d. Bl.) sowie der von ihm gecharterten Dampfer am Sonnabend von Bord gegangen sind, sodaß die einzelnen Dampfer nicht abgehen konnten. Auch die Matrosen traten an die Direktion mit der Forderung einer Lohnerhöhung um 25 % und verschiedener dienstlicher Erleichterungen heran. Der Generaldirektor antwortete den Abgesandten, daß die Ge⸗ sellschaft über die den Heizern versprochene Aufbesserung, die auch für die Matrosen beabsichtigt sei, nicht hinausgehen und sie nur dann die Zusicherung aufrechterhalten könne, wenn alle Angestellten sofort die Arbeit wieder aufnähmen; andernfalls müßte sich die Fesenchett als nicht mehr gebunden erachten. Aus Wien wird ferner gemeldet, daß die Heizer, Matrosen und Steuer⸗ leute der vereinigten österreichischen Dampfschiffahrts⸗ gesellschaft sowie der Triester Reederfirmen beschlossen haben, dieselben Lohnforderungen wie die Angestellten des Lloyd aufzustellen und den Fall, daß diese abgelehnt werden sollten, in den Ausstand einzutreten. 1

Ein Ausstand der Seidenweber in Voiron nimmt, einem Telegramm des „W. T. B.“ aus Grenoble zufolge, einen bedrohlichen Umfang an

8 Kunst und Wissenschaft.

A. F. In der Gesellschaft für Erdkunde sprach am

Sonnabend Dr. Hermann Burchardt über eine von August 1904 bis März 1905 ausgeführte Reise von Basra am unteren Euphrat bis Maskat. In großen Zügen nahm die Reise folgenden Verlauf: Den Schatt el Arab im Segelschiff abwärts fahrend, gelangte Dr. Burchardt zunächst nach dem volkreichen Hafenplatz Kueit, von wo er nach längerem Aufenthalt wochenlang längs der Westküste des Persischen Meerbusens füdwärts segelte und mehrere kleinere Häfen aufsuchte. Von El Ketif aus ging der Reisende mit einer Karawane südwestwärts in das Innere, dann aber scharf nach Osten, um zunächst in Andsheir wieder ans Meer zu gelangen, dann aber, die gleiche Richtung weiter verfolgend, die große Halbinsel Katar zu durchqueren, die sich in einer Breite von etwa 70 km nordnordöstlich bis auf 100 km in den Persischen Meerbusen hinein erstreckt. An einem kleinen Hafen der Ostküste dieser Halbinsel angelangt, bestieg Dr. Burchardt nach kurzer Rast am Lande wiederum ein Segelschiff, in der Absicht, diesmal die frühere Küstenschiffahrt mit einer Fahrt guer über den Meerbusen hinweg zu vertauschen und erst an der gegenüberliegenden, südlich der Katar⸗ Halbinsel nach Nordost umbiegenden Küste in Abu Thubi wieder an Land zu gehen. An diesem Ort wurde ein langer Aufenthalt gemacht und dann die Reise, wiederum zu Schiff, entlang der Piratenküste, nach Shardsheh fortgesetzt. Einem kurzen Verweilen in diesem Hafen folgte die letzte, sehr langwierige Seereise, entlang der hier besonders felsigen und hohen Steilküste, zuerst in nordöstlicher, dann nach Passieren des Engpasses der Straße nach Ormus, somit bereits in den Gewässern des Golfes von Oman, in südlicher und südöstlicher Richtung bis nach dem zwischen schwarzen Felsen eingebetteten Hafen von Maskat, dem heißesten Ort auf der Erde. Auf dieser ausgedehnten Reise hat Herr Dr. Burchardt seinen photo⸗ graphischen Apparat in Tätigkeit erhalten und sich damit in den Stand gesetzt, seinen Zuhörern Anschauungen von Land und Leuten zu verschaffen, die im Verein mit einer lebhaften Schilderung mannig⸗ faltiger und interessanter Reiseerlebnisse die Aufmerksamkeit des Audi⸗ toriums 1 ½ Stunde lang gefesselt hielten. Mit den bisherigen An⸗ schauungen über diesen Teil Ostarabiens muß nach diesen Zeugnissen in Bild und Rede gebrochen werden. Aus allen besuchten Häfen und Ortschaften gewann man den Eindruck lebhafter Tätigkeit einer zahlreichen Volks⸗ menge, sei es in der schwunghaft betriebenen Perlmutterfischerei, der Sortierung und Verpackung des kostbaren Materials, sei es im Fisch⸗ fang und Fischhandel oder in der Gewinnung, Sicherung und der Ausfuhr der für diese Gegend unschätzbaren, außerhalb als beste henet unter allen anderen Provenienzen anerkannten Datteln. Auch andschaftlich zeigte das Innere Ostarabiens unerwartete Reize und stellenweise eine Fruchtbarkeit des Bodens, die über⸗ rascht. Die subtropische Vegetation erreicht, namentlich auf einer herrlichen Oase, die nach langem, beschwerlichem und durstigem Ritt durch eine Steinwüste gekreuzt wurde, sowie auf der oben näher bezeichneten Halbinsel, die man zu Kameel durchquerte, eine kaum zu übertreffende Ueppigkeit, und eine Sandstein⸗ region zeigte Felsformationen von unvergleichlich groteskem Aussehen. Von besonderem Reiz war jene oben erwähnte Küstenfahrt um die gebirgige Halbinsel, die den Persischen gve. von dem Golf von Oman trennt. Hier zeigen sich die Kalkfelsen beispiellos verwittert und benagt, zwischen ihnen aber öffnete von Zeit zu Zeit eine stille, malerische Bucht. Dieser Teil der Küste ist sehr reich mit Ortschaften besetzt, die fast aus⸗ nahmslos eine schöne Lage am Fuß des nahen Gebirges haben. Auch von den Bewohnern dieser Teile Ostarabiens konnte Dr. Burchardt viele Gruppen⸗ und Einzelphotographien nehmen. Merkwürdig verschieden war die Beurteilung, die das Photographieren bei den Eingeborenen fand. Von dem Verdacht, damit Spionage zu Gunsten der „Inglis“ zu treiben, wurde der Reisende namentlich da verfolgt, wo er Städte⸗ bilder, Stadtmauern und Hafenbefestigungen aufnahm. Aeußerst ver⸗ schieden war auch die Behandlung durch die Schechs der einzelnen Ortschaften. Eine hervorragend liebenswürdige Aufnahme fand Dr. B. bei dem Schech von Abu Thubi, die ganz entgegengesetzte durch den Machthaber im nahen Shardsheh. Die türkischen Offiziere in den vn ieheeen Garnisonen erschienen als Gentlemen, obgleich die Kenntnis europälscher Sprachen nur poͤchst selten bei ihnen, zumeist nur bei Militärärzten, angetroffen wird. Wunderlich berührt selbst bei den höchsten Beamten des Landes ihre geographische Unkenntnis. Ob Germany oder Germanistan eine Provinz des türkischen Reichs sei, diese Frage wiederholte sich ebenso wie die Verwunderung darüber, daß der Reisende nsicht vorziehe, zu Hause zu bleiben, statt sich den Strapazen und Gefahren der Reise auszusetzen. Im südlichen Küstenteile des Persischen Meerbusens und am Golf von Oman ist die arabische Bevölkerung stark mit Indern und Persern gemischt, beide Nationalitäten meistens handeltreibend. Die Sklaverei wird von der türkischen Regierung mit äußerster Strenge

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bekämpft und sofort geahndet, sobald Weiße Gegenstand von Kauf und Verkauf sind. Dessenungeachtet werden noch immer Schwarze von Abessinien her heimlich als Sklaven eingeführt und im Innern des Landes verkauft. Diese Menschen finden sich an⸗ scheinend ziemlich gelassen in ihr Schicksal und haben nur den Ehrgeiz, zu einem möglichst hohen Preise verkauft zu werden. In Maskat, wo die Reise ihr Ziel fand, sind die Regierungen Groß⸗ britanniens, Frankreichs und Amerikas durch Residenten vertreten, eine amerikanische Handelsniederlassung besteht außerdem in Kueit, wo auch ein bedeutendes deutsches Haus sein Domizil hat. Eine Station des europäisch⸗indischen Telegraphen ist bisher nur in Maskat. Der Handel längs der Küste des Persischen Meerbusens ist sicher noch der Ausdehnung fähig, sowohl die Ausfuhr der mancherlei Produkte des

interlandes, als die Einfuhr, womit die Ausfuhr zu bezahlen wäre.

ie Münzverhältnisse sind die sonderbarsten von der Welt. Non großen Münzen hat der Maria⸗Theresientaler die meiste Geltung, an kleineren Wertzeichen kursieren zum Teil uralte, kaum als Müͤnzen anzu⸗ sprechende, z. B. gebogene Kupferdrähte, denen ein Alter von 900 Jahren nachgesagt wird. Die Sicherheit im Lande ist leidlich; doch wird sie im Innern zum Teil durch Tribut erkauft, den man sich einzelnen Araberstämmen zu leisten entschlossen hat.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Am 14. d. M. blickt die Königliche Landwirtschaftliche Hochschule in Berlin auf ein 25jähriges Bestehen zurück. Aus diesem Anlaß hat das Lehrerkollegium der Anstalt unter der Redaktion des Geheimen Regierungsrats, Professors Dr. L. Wittmack eine reich illustrierte Festschrift herausgegeben (Berlin, Verlag von Paul Parey. 5 ℳ), der die folgenden Angaben entnommen sind. Durch König⸗ liche Kabinettsorder vom 14. Februar 1881 wurde dem vereinigten Landwirtschaftlichen Lehrinstitutt und Museum in Berlin der Name „Königliche Landwirtschaftliche Hochschule“ beigelegt. Der land⸗ wirtschaftliche Hochschulunterricht in der Mark Brandenburg ist indessen weit älteren Datums. Er ist abgesehen von der Errichtung eines Lehrstuhls für Kameralwissenschaft an der früheren Universität zu Frankfurt a. O. i. J. 1727 an die Errichtung des Landwirtschaft⸗ lichen Unterrichtsinstituts in Möglin i. J. 1806 durch den Staatsrat Albrecht Thaer zu knüpfen. Als i. J. 1810 die Universität in Berlin begründet wurde, stand der Plan für die Schaffung einer um⸗ fassenden alma mater auch mit Lehrstühlen für Landwirtschaft, Forst⸗ wirtschaft, Kameralwissenschaften und Tierarzneikunde im Vorder⸗ grunde. Thaer wurde im selben Jahre zum Professor an der neuen Universität ernannt. Der beabsichtigte Zusammen⸗ hang von Berlin und Möglin hatte aber, vornehmlich wegen der örtlichen Entfernung der Orte, nicht den erwarteten Erfolg, und Thaer leghs nach 9 Jahren seine Berliner Professur nieder. Das Institut in öglin erhielt das Prädikat „Königliche Akademische Lehranstalt des Landbaues“. Daneben wurde aber die Vertretung der Landwirtschaft durch eine besondere Prosessur an der Berliner Universität nicht aufgegeben; auch wurde die Verbindung mit Möglin aufrecht erhalten und bestimmt, daß die Studierenden der Staats⸗ wissenschaften an der Universität Gelegenheit haben sollten, in den Herbst⸗ ferien in Möglin einen landwirtschaftlichen Lehrkursus durchzumachen. Das blieb, bis auf Anregung des landwirtschaftlichen Zentralvereins für den Regierungsbezirk Potsdam und des Landesökonomiekollegiums zu Anfang der 60 er Jahre das Institut in Möglin aufgehoben und der Schwerpunkt des landwirtschaftlichen Unterrichts nach Berlin verlegt wurde. Der Enkel Thaers, Dr. Albrecht Thaer, eröffnete im Winterhalbjahr 1862/63 an der Universität die landwirtschaftlichen Fach⸗ vorlesungen, neben ihm wirkten die Professoren Eichhorn und Koch.

Unter besonderer Mitwirkung von L. Wittnack wurde i. J. 1867 das Landwirtschaftliche Museum begründet; es nahm nach Auflösung der Akademien in Eldena und Proskau auch Teile der dortigen Sammlungen auf. Im Jahre 1881 wurde es mit dem landwirtschaftlichen Lehrinstitut unter dem Namen Königliche Land⸗ wirtschaftliche Hochschule vereinigt. 1 1

Die Festschrift bezieht sich wesentlich auf die 25 jährige Ent⸗ wicklung dieser Hochschule, auf ihre Geschichte und Erfolge. Sie bringt anschließend das Wesentlichste aus dem Programm und der all⸗ gemeinen Organisation; sie erhält aber besonderen Wert durch die Aus⸗ führungen der einzelnen Institutionsvorsteher und Dozenten über die verschiedenen Spezialgebiete, die an der Hochschule mit ihren drei Ab⸗ teilungen Landwirtschaft, Geodäsie und Kulturtechnik sowie land⸗ wirtschaftlich⸗technische Gewerbe vertreten sind.

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8 8 1.“ Sagatenstand und Getreidehandel in Rußland.

Der Kaiserliche Generalkonsul in Odessa berichtet unterm 25. v. M.: Der erste Monat des neuen Jahres zeichnete sich im Süden Rußlands im großen und ganzen durch milde Witterung aus. Auf einen starken Schneefall folgten bald zahlreiche Niederschläge, welche die Schneedecke größtenteils forttauten. Erst in den letzten Tagen ist dann wieder größere, wenn auch nicht erhebliche Kälte ein⸗ getreten. Die Wintersaaten haben sich bei diesem Wetter ausgezeichnet entwickelt. Namentlich in der Krim gibt man sich bezüglich der kommenden Ernte großen Hoffnungen hin. Auch in Bessarabien ist man im allgemeinen zufrieden, wenngleich die Saaten dort strichweise infolge vicht rechtzeitiger Bestelung gelitten haben. Im Gouberne⸗ ment Cherson ist der Saatenstand im Durchschnitt gut.

Der Getreidemarkt zeigte im Monat Dezember wenig Leben. Das Geschäft ist still. Einige Ablader im Südwestgebiet haben liquidiert und Rußland verlassen. Die zurückgebliebenen gehen nur kleine Unternehmungen ein und beschränken sich auf den Verkauf prompter oder schwimmender Ware. In Weizen zeigte sich sehr leb⸗ hafte Kauflust zu steigenden Preisen. Deutschland war der Haupt⸗ abnehmer, während sich das Geschäft mit England in engen Grenzen bewegte. Auch Roggen war von deutscher Seite sehr begehrt. Der Aufkauf von Gerste hat wieder stark zugenommen, da die alten Be⸗ stände erschöpft sind. Mais fand nur zu wesentlich billigeren Preisen Abnehmer, Leinsaat konnte aber erheblich anziehen.

An Preisen notiert man: 8 97 109 Kop.

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Ulka 88 167 1 Roggen 88 1“ Gecse 76 82 G ö 1. S Mal . 4—90 nPb

Hafer 8 155 173

Hiisaat A66“ Raps und Rübsen . . . .

Für Oelkuchen wurde gezahlt bei geringem Angebot und

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chwacher Nachfrage:

8 Leinkuchen . . . Rapskuchen . . . . . Kokoskuchen (in Säcken) .0,88 Ravisonkuchen 1 nicht gehandelt Ravisonbauernkuchen. . . 0,63 Rbl.

Die Vorräte beliefen sich hier am 14. Januar d. J. in Weizen Tb 1AA16“ - 678 088 da d zwar Osima. —. 229 37 2 88 1 Ulka. . 376 740

8 190 3 276 16 380 44 182

. 1,08 Rbl.

.0,725 das Pud

bordfrei.

Arnautka . . . . verschiedene Arten .

Fases Eu6“ aps und Rübsen auf . Leinsamen auf.