eine Behörde lähmend wirken würde (sehr richtig), daß wir nur eine Organisation brauchen können, die eine Vereinigung derjenigen Vereine bildet, welche sich der Volkswohlfahrt widmen. Die Leitung der Zentralstelle für Volkswohlfahrt — das würde ihr Name sein — soll durch einen Vorstand erfolgen, der bestehen soll aus 14 von der Mit⸗ gliederversammlung zu wählenden Personen, aus je drei Kommissaren der Reichs⸗ und der preußischen Regierung und dem Geschäftsführer. Ich glaube, hierzu keine weiteren Ausführungen zu machen zu brauchen.
Dann kommt der sogenannte Beirat, der auch den Hauptinhalt des Antrags Douglas bildete. Er ist gedacht worden bestehend aus 48 Mitgliedern, von denen 30 vom Vorstand gewählt, je 9 von Preußen und vom Reiche ernannt werden sollen. Ich erkläre, daß ch im vorigen Jahre gerade gegen die Schaffung eines solchen Bei⸗ rats Zweifel hegte; aber ich habe mich überzeugt, daß die Art, wie Herr Graf Douglas sich das Wirken einer Zentralstelle, wenn ich sie in seinem Sinne so nennen darf, denkt, nicht wohl erreicht werden kann ohne einen solchen Beirat. Ich glaube deshalb, daß auch nach dieser Richtung hin den Wünschen des Herrn Abg. Douglas voll Rechnung getragen worden ist.
Nun will der heutige Antrag von Zedlitz⸗Douglas, daß die Staatsregierung, die im übrigen zu diesen Vorschlägen ihrer Kommissare noch keine endgültige Stellung genommen hat, sondern abwarten will, welches die Ansichten dieses hohen Hauses sind, diesen Ausbau der Zentralstelle nicht durchführen soll, bevor nicht in einer freien Kommission von Sachverständigen seine Durchführbarkeit noch einmal erörtert und besprochen worden ist. Mein Gedanke bei der Sache war: Probieren geht über Studieren. Wenn wir noch einmal eine große Kommission von Männern einberufen, welche in den ver⸗ schiedenen Zweigen der Wohlfahrtspflege tätig sind, so befürchte ich, daß in dieser Versammlung außerordentlich divergierende Ansichten sich geltend machen werden. (Sehr richtig!) Mein Gedanke war selbstverständlich nur, mit diesem Ausbau der Zentralstelle zunächst einen Versuch zu machen; wire die Sache marschiert, weiß keiner von uns. Aber ich glaube, daß der Versuch, wenn er in die Praris übersetzt wird, von seldst Gelegenheit geben wird, in der Zukunft die⸗ jenigen Abänderungen, diejenigen Umformungen vorzunehmen, welche die Praris als notwendig erweisen wird. Namentlich wird das ge⸗ schehen können, wenn der Beirat, von dem ich gesprochen habe, in
Dieser Beirat ist ja eigentlich die Versammlung der Ihnen aber erwünscht erscheint, daß, der Zentralstele in dem von mir stizzierten Sinne herangetreten wird, noch einmal über die Sache beraten wird, so könnte die Regierung, da dieser Antrag für sie lediglich besagt: „überlege dir noch einmal, in welchem Sinne du es machen willst“, darauf eingehen; aber eine ge⸗ wisse Verzögerung — das darf ich nicht verschweigen — wird dadurch nnbedingt eintreten. Eine solche Konferenz von Sachverständigen, wenn sie zu einem wirklichen Ergebnis führen soll, muß sorgfältig vorbereitet werden, und es müssen die Ergebnisse der Konferenz auch gründlich durchgearbeitet werden. Würde das hohe Haus sich dagegen damit einverstanden erklären, daß wir sogleich an den Ausbau der Zentralstelle herantreten, so würde sich, glaube ich, eine schnellere Verwirklichung des Antrages Douglas erreichen lassen.
Ich glaube oder, wenn ich einschränken darf, ich hoffe, daß die ausgebaute Zentralstelle sehr gut wirken wird und daß sie alles das in Zukunft verwirklichen wird, was den edlen und idealen Motiven des Antrages Douglas zu Grunde liegt. (Bravo!)
Abg. Graf Douglas (freikons.): Ich danke dem Herrn Minister für das ausgesprochene Wohlwollen gegenüber unserem An⸗ trage. Ich kamn mich aber nicht seiner Ansicht anschließen, daß Probieren über Studieren gehe, man soll erst raten und dann taten: denn wenmn wir erst einmal auf einen falschen Strang gekommen sind, wenn wir wie vorgeschlagen, mit dem Reich ref schiedenen Bundesstaaten auf einer gewissen 2 f schwer sein, wieder auf den r ich von einem Wohlfahrtsamte absehe.
ingehend dargelegt, die ich an die Mitglieder des
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isteriums und an die Mitglieder des Landtags verschickt es sich bei unseren Bestrebungen nur um schwankende
n handele, habe ich dadurch vollkommen widerlegt. ielen Bestrebungen gegenüber, die z. gege 1 insteniert find, haben wir es zu zeigen, im besten Sinne Volkevertreter und steis bereit aller Energie für die Volkswohlfahrt einzutreten. rd man uns sewie der Staatsregierung stets dankbar Freuden begrüßen, wenn es boffentlich bald tsregierung nimmt die Wohlfahrtspflege
Ausbau
worden bevor an den
uns, 2 a1s echt
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— =Snnn bitte um Annahme unseres Antrages. ender (Zeutr.): Die Ausführungen des Herrn eine Reihe von Tendenzen der Staatsregierung Wenn der Minister glaudt, daß in der nach afenden Kommission zu viel divergieren den, so halte ich es für keinen Fehler, ürde. Was die Aus ührungen des Mimisters Zentralstelle angeht, so halte i den Schwerpunkt zu legen. sökonomig⸗Kollegiums der Land⸗ aktischen Männern, welche das ganje . age, nämlich der Wohlfahrts⸗ Wohltãtigk Volkserziehungswesens aus⸗ giebig behandeln, und 3 . waxgis für die Praxis, ni Statut noch vorhanden if iht ia der Anstellung eines Geschäfts⸗ führers. Dadurch würde zua leicht eine große Ennseitigkeit eintreten können. Es ist nötig, daß die Hauptabteilu der Zentralstelle weitere koordinierte ungen schafft. Ich stehe durchaus auf dem Boden der heutigen sozialen Gesetzgebung, aber ich kann dem icht verschließen, daß die Interessen der Industriearbeiter b ältnis zu denen der ländlichen Bevölkerung eine allzu gro rung sinden. Dadurch wird die Landflucht und der Zag in die 8 Städte bedenklich gefördert. Auch dieser Erscheinung kann vielleicht die Förderung der Wohlfahrtepflege gesteuert werden. Ich ba Erörterang aller dieser Fragen in einer besonderen Fachkommissio füͤr er als eine Behandlung in der Budgetkommission. 8 Dr. Hitze (Zentr.) glandt, daß die soeben geäußerten Bedenken auch in der Budgetkommission z2 ließen. Hiterauf wird der Antrag Zedlitz der Budgetkommission Die Diskussion wendet sich nunmehr zu den Ausgaben für die Besoldungen. Reserent Abg. von Pappenbeim berichtet über die Verhand⸗ der Kommission, insbesondere über die Vorschläge betreffs ciner 2 des Diszaplinarvderfahrens schãrfer
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der nächsten Session,
Abg. Broemel (fr. Vgg.): In der Thronrede ist über die Teilung großer Wahlbezirke und Aenderung des Wahlverfahrens eine Vorlage in Aussicht gestellt worden. Diese Vorlage gehört in dieses Ressort, und darum muß sie hier erörtert werden. Auch der Ver⸗ treter des Zentrums, Abg. Herold, hat die bestehenden Wahlzustände für unhaltbar und eine Reform des Wahlrechts für notwendig erklärt. Von einer solchen Wahlreform scheint allerdings in der Thronrede nicht die Rede zu sein. Es sollen nur einige kleine Mißstände be⸗ seitigt werden, auf die früher hingewiesen wurde. Die Vorlage will das bestehende Wahlrecht unverändert beibehalten, sie steht also im schärfsten Widerspruch mit dem Wunsche des Abg. Herold. Es ist deshalb an der Zeit, daß wir diese Wahlreform in die Hand nebmen. Die sonialdemokratische Bewegung auf diesem Gebiete ist im höchsten Grade geeignet, die Aussichten einer wirk⸗ lichen Reform zu verringern. Ich spreche nicht von den sozial⸗ demokratischen Versammlungen, diese sind ein gutes Recht jedes Staats⸗ bürgers, aber von der Form, in welcher die Sache behandelt wurde. Von seiten der Sozialdemokratie ist nun eine Petition an den Land⸗ tag eingegangen, die der „Vorwärts“ veröffentlicht. Aber auch diese Petition wird keinen Weg eröffnen. Ich fürchte, daß die Petitionskommission geneigt sein könnte, sie für ungeeignet zur Er⸗ örterung im Plenum anzusehen. Eine solche Forderung ist jedenfalls ungeeignet für irgend eine ernste Behandlung der Reform. Der ver⸗ storbene Professor Georg Meyer Heidelberg, dessen sympathische Persön⸗ lichkeit noch aus dem Reichstag bekannt ist, war über den Verdacht, ein Radikaler zu sein, erhaben, er war nationalliberal, aber er be⸗ hauptet, daß die preußische Wahlrechtsverteilung nicht eine Ver⸗ teilung nach Steuerklassen sei, sondern eine vollendete Systemlesig⸗ keit. Und Bismarck sagte mit Recht, daß es kein widersinnigeres, elenderes Wahlrecht als das in Preußen bestehende gebe. Dagegen ist selbst das vor zehn Jahren gemachte sächsische Wahlrecht ein Muster an Klarheit und Gerechtigkeit. Das preußische Wahlrecht steht also unter allen Wahlrechten der deutschen Staaten auf der tiefsten Stufe. Wir haben in Preußen Wähler, die über zweihunderttausend Mark Steuern zahlen, und doch nur in der zweiten Klaässe wählen. Ander⸗ seits kann ein Wähler mit ganz geringer Steuerzahlung ein hundert⸗ mal stärkeres Wahlrecht haben. Es wird eingewendet, daß für die Einteilung die Bevölkerungszahl nicht maßgebend sein dürfe, aber in Bayein ist es gerade das Zentrum, welches bei der Wahlrechts⸗ reform eine Einteilung nach der Bevölkerungszahl verlangt hat. In Württemberg soll jetzt neben der Ständekammer eine reine Volks⸗ vertretung auf Grund des Reichstagswahlrechts gebildet werden. Der baverischen Reform liegt ebenfalls im wesentlichen das Reichs⸗ tagswahlrecht zu Grunde; wenn auch verlangt wird, daß der Wähler mindestens ein Jahr lang eine Staatssteuer bezahlt haben muß, so liegt darin keine wesentliche Beeinträchtigung des Wahl⸗ rechts. In Sachsen wird ebenfalls auf eine Reform gedrängt, und nur in Preußen will man dabei beharren, jede Reform abzulehnen. Ich richte einen Appell an die Parteien dieses Hauses, nicht länger die Hände in den Schoß zu legen. Vom Zentrum ist nach den Erklärungen des Abg. Herold ein Widerspruch nicht zu er⸗ warten. Die beiden freisinnigen Parteien sind für die Reform. In der vierten in dieser Legislaturperiode, müßte die Reform endlich gemacht werden; das wäre auch der letzte Termin. Denn in der übernächsten, der letzten Session dieser Legislaturperiode, könnten die Gegner die Sache so verzögern, daß die Reform bis zu den neuen Wahlen nicht mehr zu stande käme. In Sachsen stellt man die Regierung vor die Entscheidung; wir müßten uns an der sächsischen Kammer ein Beispiel nehmen. Wenn die Konservativen sich nicht beteiligen wollen, so sollte dies für die anderen Parteien kein Anlaß sein, die vorbereitenden Schritte für die Reform ju unterlassen. Das Zentrum darf die Gefahren nicht verkennen, welche für unser politisches und soziales Leben aus der Fortdauer des alten Wahlrechts entstehen müssen. Die politische Stellung, das politische Ansehen Preußens im Reiche muß beeinträchtigt werden, wenn es hinter den anderen deutschen Staaten zarück⸗ bleibt. Die „Germania“ nennt es eine politische Rückständigkeit, wenn die Regierung auf der Fortdauer des Wahlrechts be⸗ stehen will. Im Reichstage hat Abg. Mugdan gesagt, daß man alles tun müsse, wodurch die Stellung der nichtsozial⸗ demokratischen Arbeiter gegenüber der Sozialdemokratie gestärkt werde. Kein unbefangener Politiker könnte sagen, daß man die Entwicklung der nichtsozialdemokratischen Arbeiterorganisationen fördert, wenn man das preußische Wahlrecht aufrecht erhält. Die Aenderung des Wahl⸗ rechts ist eine sittliche und soziale Notwendigkeit.
Abg. Strosser (kons.): Ich möchte wie im vorigen Ja wieder die Aufmerksamkeit auf die Automobilfcage lenken. Ich h den Eindruck, als ob die Regierung nichts gegen die Auswüchse Automobilismus zu tun gedenkt. Ich betonte das Wort „Au wüchse“, denn es liegt uns fern, gegen die Automobile an sich vorzugeben. Daß aber die Auswüchse noch schlimmer geworden sind, läßt sich nicht leugnen. Im vorigen Jahre üdergab uns die Regierung in der Kommission eine Statistik der Automobil⸗ unglücksfälle; in diesem Jahre fehlt diese Statistik leider. In einer Berliner Zeitung war eine Statistik über Unglücksfälle durch Fahrzeuge in graphischer Darstellung enthalten, die beweisen daß die Automobile am wenigsten die Menschenleben ge⸗
1 hatten in be auf die Zahl der Unglücksfälle die
nge Striche, Droschken und andere Fahrzeuge
triche ursw. Mit einer solchen Statistik wird nichts esen; es mäßte vielmehr die Anzahl der zurückgelegten enkilometer zu Grunde gelegt werden, dann würden wir sehen, Fahrzeuge am schlechtesten wegkommen. Es muß endlich die flicht für Schaden an Personen und Sachen geregelt den. igen Jahre stellte der Regierungskommissar Verhandlungen it dem Reichsamt des Innern und gesetzgeberische Maßregeln in A t, aber bis jetzt haten wir noch nichts darüber gehört. Man muß doch endlich einmal feststellen, wer eigentlich für den angerichteten Schaden verantwortlich ist, der Automobilfahrer oder der Besitzer des Automobils. Meiner Ueberzeugung nach müßte die Schadenersatzpflicht, wie bei der Eisenbahn, dahin geregelt werden, daß richt der Fahrer, sondern der Eigentümer verantwortlich gemacht wird; wenn er nicht nachweisen kann, daß die verunzlückte erson den Unglücksfall selbst verschuldet hat, so muß er eben den Schaden tragen. Man hat schoa oft darüber geklagt, daß man die Nummern nicht erkennen kann. Ich habe selbst wiederholt ge⸗ sehben, daß die Nummern so tief angebracht warea, daß sie bald durch Schmutz und dergleichen unkenntlich wurden. Außerdem müssen auch Nummem vorn am Antomobil angebracht werden, da man häufig beim Heranfahren die Nummer ganz deutlich wid erkennen können, was beim Vorbeifahren wegen des Staubes usw. nicht mebhr der Fall ist. Wie eft liest man in den Zeitungen, dieser oder oder jener warde durch ein Automobil schwer verwundet, das Amomobil fuhr in schnellster Gangart davon; es war nicht möglich, die Nummer ju erkennen, bezw. den Fahrer oder die Insassen zur Verantwortung zu ziehen. Ich habe mir aus den Zei⸗ tungen eine kleine fewnen Ie Bee. gemacht, nach welcher innerhalb weniger Monate in 15 Fällen die Automobile bezw. die Automobil⸗ fahrer überhaupt nicht ermittelt wurden. Ich habe die Zusammen⸗ stellung hier und bin gern bereit, dieselbe zur Einsicht zur Verfügung zu ste Schon im vorigen Jahre babe ich ausgeführt, daß die be⸗ muolis ve 2v im —⸗ zu wänschen übrig lassen, ogar teilweise vorzöglich sind. Die Vorschriften sind da, aber sie werden einfach — veh und die Organe der öffentlichen Sicherheit tua auch nicht immer ganz ihre Pflicht Bereits im Jahre wurde der Herr Minister ersucht, uns einmal eine Zasa ig darüber zugehen zu lassen, wieviel Fälle von Volheiftrafen. wegen des zu schnellen Fahrens vorgekommen sind. vorigen Jahrte konnte uns der Minister eine solche Aufftellung
3 sie aber veranlassen. Ich möchte ihn jetzt in diesem Jadre vorgekommen sind. Er
vorbeugen, unen wir aber nur tun, wenn die bestehenden Vorschriften innegehalten werden. Das die Erregung auch deute noch seres Volkes dcc- ß ist über die
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zu beweisen. Ich habe Zeitungsleitartikel gelesen, in denen unter der Ueberschrift „Mordwagen“ gegen den Automobilismus zu Felde
zogen wurde. Ich habe mich im vorigen Jahre v“ über di Mahnungen und Anregungen des Vorsitzenden des Deutschen Automohil⸗ klubs gefreut, daß die Mitglieder größere gü⸗ auf das Publikan nehmen sollten. Ich habe aber in dieser Beziehung keine Besserung wahrnehmen können. Das ist aber auch gar kein Wunder Denn ich muß gestehen, daß die Strafen, die ausgesprochen sind g
die Fahrer bezw. gegen die für den Unfall für verantwortlich
klärten, so außerordentlich gering, so außerordentlich eindruckslos 8
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wesen sind, daß man einen Erfolg gar nicht erwarten durfte. will nur einen Fall anführen, den ich der Freien Deutschen Prese vom 26. August entnehme. Ein Motorwagen fuhr auf der Chauffer hinter einem Radfahrer her, und als dieser dem Automobil nicht Platz machen wollte, versetzte der Führer des Automobils dem Rad. fahrer einen wuchtigen Schlag mit einem Stock auf den Kopf; der feste Hut des Radfahrers wurde zerschlagen, und der Radler stürze vom Rade. Vor dem Schöffengericht wurde der Angeklagte fiei⸗ gesprochen, weil er angab, daß er den Radfahrer nur auffordem wollte, beiseite zu fahren; es legte dann der Amtsanwalt Beru ein und brantragte 100 ℳ Geldstrafe, der Gerichtshof erkannte schließlich auf 150 ℳ Geldstrafe. Das ist nach meiner Ueberzeugung gar keine Bestrafung für eine solche bodenlose Roheit. Wir haben doch in unserem Strafgesetzbuch einen Paragraphen, rach welchem Körperverletzung mit gefährlichem Werkzeug mit einer S von nicht unter drei Monaten Gefängnis geahndet wird. Da mächte ich nun aber doch fragen: ist denn ein Automobil kein gefährlichez Werkzeug? — Hinsichtlich der Wahlreform habe ich im Namen meiner politischen Freunde zu erklären, daß wir es durchaus ablehren müssen, heute schon auf diese Frage näher einzugehen, denn die König⸗ liche Staatsregierung hat ja ausdrücklich eine dahin gehende Vorlage diesem hohen Hause in Aussicht gestellt; sobald diese kommt, werden wir in diesem hohen Hause mit aller Ausführlichkeit in die Be⸗ sprechung eintreten. Zum Schluß meiner Ausführungen möchte ich die Aufmerksamkeit des Herrn Ministers noch auf einen Gegenstand lenken, der im vorigen Jahre hier zur Sprache gekommen ist, ohne daß etwas Wesentliches gescheben ist, ich meine den Verkauf der Schundliteratur, den wir überall beobachten können. Mir sind teilz aus meinem Wählerkreise, teils aus Berlin eine Anzahl von Schriften zugeschickt worden, deren Inbalt wirklich aller Beschreibung spottet. Ich will hier nicht in Einzelheiten eingehen. Ich möchte auch noch hinweisen auf die immer mehr zunehmende Prostitution. die sich anf den öffentlichen Straßen Berlins immer mehr und mehr bemerlhar macht. Es ist in dieser Beziehung immer schlimmer geworden. Jch hoffe, daß der Minister die Bestrebungen, diese bösen Säfte aus unserem Volke zu beseitigen, kräftig unterstützen wird, und ich glanube, daß es nicht unmöglich ist, ihnen entgegenzutreten; denn „wo ein Wille ist, ist auch ein 8* Abg. Freiberr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Ehe wir an die Reform des Wahlrechts in irgend einer Weise heran⸗ treten, müssen wir erst den Zeitpunkt abwarten, bis sich heraus. gestellt hat, daß die sozialdemokratischen Massendemonstrationen völlig erfolglos gewesen sind, und bis die daraus mit Notwendigkeit her⸗ vorgehende Reaktion eingetreten ist. Vorher wäre ein Vorgehen auf diesem Gebiete lediglich Wasser auf die Mühle der Sozialdemoktatie. Bei den Massendemonstrationen am 21. Januar war das Verhalten der Polizei durchaus einwandsfrei. Ich kann mich aber der Befürchtung nicht verschließen, daß durch dieses Aufgebot an Macht das Machtbewußtsein der Sozialdemokratie gerade ge⸗ steigert worden ist. In die breiten Massen ist siccherlich dieser Eindruck gekommen. Durch Reichstagsdiäten würde der sozeal⸗ demokratischen Partei etwa ¼ Mill. Mark zufallen. Das mwürde nur dazu beitragen, Agitatoren zu schaffen, die berufsmäßig Propaganda für die Sozialdemokratie treiben. Die Sozialdemokratie würde in den Stand gesetzt, zahlreiche Lebensstellungen zu schaffen für Agitatoren und sich ein geschlossenes Heer von Agitatoren zu er⸗ halten; denn es würde dazu dienen, den Agitationsdienst begehrens⸗ werter zu machen. Schon die Krankenkassenverwaltung hat den sozialdemokratischen Agitatoren eine feste Lebensstellung gegeben. Dieser Mißbrauch wird von allen Seiten verurteilt, am schärssten von der Freisinnigen Volkspartei, denn schärfer als die Abgg. Rosenow und Mugdan kann es niemand tun. Es ist notwendetg, dies durch eine Aenderung der Krankenkassengesetzgebung zu verhindem. Auf diese Maßnahme könnten sich alle bürgerlichen Parteien den bis links vereinigen unter der Parole, die Fürst Bülow in Herrenhause ausgegeben hat: Gegen die revolutionäre Sozjial⸗ demokratie! In der letzten Rede des Grafen ver Posadowsky war zu meinem Bedauern nicht ein Wörtchen davon, daß wir in naher Zeit eine solche Vorlage erhalten sollen. Es gewinnt den Anschein, als ob diese Maßnahme erst mit den großen Werke der Vereinigung der Reichsversicherungszweige in bindung gebracht werden soll, das hieße aber, sie vielleicht ad calendas Graecas verschieben. Wir meinen aber, daß diese ganz dring⸗ liche Staatsaufgake nicht auf Jahre hinaus verschoben werden darf. Die preußische Regierung muß im Bundesrat energisch ihren Einfluß dahin geltend machen, daß ohne Verzug eine solche Re⸗ vision der Krankenkassengesetzgebung gegen den sozialdemokratischen Mißbrauch stattfindet und endlich die Worte in die Tat umgesetzt werden. Ferner müßten wir eine ganze Reihe von Unstimmigkeiten im Kommunalabgabengesetz beseitigen. Die eine derselben werden wir aus der Initiative des Hauses gemiz einem Antrage zu § 53 bezüglich der Verpflichtung der Be⸗ triebsgemeinde, für Schul⸗ und Armenlasten der Wohnsitzgemeinde Zaschüsse zu gewähren, erledigen können. Aber noch einige anden Punkte bedürfen dringender Erledigung durch eine Reviston des Kommunalabgabengesetzes; es hat z. B. die Befreiung der Standes⸗ herren von den Kommunalabgaben zu schweren Mißständen gefübit. Und bei der Beratung des Schullastengesetzes hat sich erwiesen, daß die Schalverwaltung völlig abseits von den Grundsätzen steht, aaf denen unsere allgemeine Landesverwaltung aufgebaut ist. Wir müssen ohne Verzug die Schulverwaltung nach diesen Grundsätzen n.⸗ rganisieren, d. h. nach den Grundsätzen der Dezentralisation, der Uebertragung von der Regierung auf die Gemeinden in Verbindunz mit der Stärkung der Selbstverwaltung und der Schaffung ben Rechtskontrollen. Ich bitte den Minister, uns nach dieser Richtung möglichst bald eine Vorlage zu bringen. Das wird zum Nutzen der Verwaltung und der Gemeinde und zum Nutzen der Schule s dienen, die unter der bureaukratischen Verwaltung am meisten lei Abg. Cassel (fr. Volksp.): Ich kann den letzten Ausführunge namens meiner Freunde zustimmen. Es ist in der Schulverwa eine starke Abneigung vorhanden, den Bedingangen der Selbst⸗ verwaltung gerecht zu werden. Ich bin überzeugt, daß es eines der wesentlichsten Dinge in unserer Staatsverwaltung ist, der Selbstverwaltung ein großer Spielraum bei der S ltung gelassen werden muß, und daß vor allem ein Rechtsschutz geschaffen wird gegen die Verwaltungswillkür. Die politischen Kämpfe md Reibungen spielen nicht mehr nur bei den Wahlen zu der blamenten ab. werden Maßnahmen seitens der Staatsbehörden. iell der Schulverwaltung, getroffen, die get sind, die struktiven Tendenzen der Sozialdemokratie gedeihen zu lassen Die Beeinträchtigung der Selbstverwaltung erzeugt eine große ibee Sacst
Verstimmung in Bäürgerkreisen, in der die Sozialdemokratie bedeutendste Nährwurzel findet. Es ist nicht bloß
der Uaterrichtsbehörde, diese Dinge zu regeln, es spielt auch ein a8⸗ gemeines Staats nteresse hier hinein. Der Minister des Innern hat tafür zu sorgen, daß der Geist der Sel waltung, vor allem mf einem so wichtigen Gebiete wie dem des Unterrichts, nicht an Einslas verliert. dem Gesetz genießen die Beamten ein bestimm Gemeindesteuewrivilegium, sie waren aber nicht befreit von den Lasten der Schulsozietäten. Sollten die jetzt wirkenden Bestrebungen in der⸗ Schulverwaltung Gestalt anrehmen, so würden die Beamten aus von diesen Lasten befreit werden und damit eine große Ausdehnums
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
gemeindung
v111““ b
en Neichsanzeiger und
Berlin, Dienstag, den 6. Februar
(Schluß aus der Ersten Beilage’)
8 ihres Privilegiums erfahren. Es wird erforderlich sein, auf dem ge der Gesetzgebung dieses Privileg zu beseitigen, sei es auch unter
aährung von billigen Kompensationen. Eine Härte kann auch in der Bestimmung des 8 53 des Gemeindeeinkommensteuergesetzes wonach ein Unterschied zwischen Betriebsgemeinden und Wohnsitz⸗ gemeinden für die Regelung der Schul⸗ und Armenlasten gemacht wird. Kur im Falle der Ueberbürdung der Wohnsitzgemeinde soll von dem 8 53 Gebrauch gemacht werden. Die Entscheidungen des Ober⸗ zerwaltungsgerichts haben ja im allgemeinen zu einer durchaus richtigen Praxis darin geführt. Was die Heranziehung der Groß⸗ ddie zu den Polizeikosten angeht, so ist nicht zu leugnen, daß in den
n Gemeinden keine große Neigung dafür vorhanden ist. Das öfultiert daraus, daß die Großstädte wohl alle Kosten zu bezahlen zaben, aber nicht im entferntesten die Rechte besitzen, die selbst den kleinsten Gemeinden in bezug auf das Polizeiwesen eingeräumt sind. Die Einverleibung der Vororte Berlins ist seinerzeit von dem Minister Herfurth geplant worden. Es ist nicht zu bestreiten, daß der Magistrat von Berlin damals nicht sehr erfreut darüber war. Schließlich machte er jedoch eine Vorlage an die Stadtverordneten; inzwischen war aber von den Nachfolgern Herfurths ein anderer Standpunkt eingenommen worden. Hervorgehoben werden muß, daß bei dieser Frage sich die Interessen teilweise gegenüber stehen. Die westlichen Vorortgemeinden lehnen die Eingemeindung mit aller Entschiedenbeit ab. Ist die Regierung nicht gewillt, die Ein⸗ herbeizuführen, so muß ein Ausgleich der verschiedenen Lasten der Vororte und Berlins angestrebt werden. Es sind deshalb sogenannte Zweckverbände vorgeschlagen worden, und eine Vorlage des Magistrats schwebt jetzt darüber in einem Ausschuß der Stadivertretung. Welche Fragen hierbei zu lösen sind, zeigt der Umstand, daß Berlin bisher bei Aufnahme von Kranken aus anderen Gemeinden in seine Krankenhäuser nicht einmal ie Höhe seiner Selbstkosten deckte. Zu den Verband⸗ lungen zwischen dem Ministerium und der Stadt über die Frage der Zweckverbände kann ich nach meiner persönlichen Beurteilung mitteilen, daß auch der Oberbürgermeister Kirschner der Meinung sein wird, daß nur durch Eingemeindung der Vororte zu helfen ist. In bezug auf das Wahlrecht schließe ich mich den Aus⸗ führungen des Abg. Broemel im allgemeinen an. Wir sind fast alle darüber einig, daß das bestehende Landtagswahlrecht ungeeignet ist. Nun hat die Thronrede eine gerechtere Einteilung der Wahlkeise und Aenderung des Wahlverfahrens angekündigt. Wenn in vielen anderen deutschen Staaten jetzt die Reform im Gange ist, kann sich Preußen einer Reform nicht entziehen, die viel weiter geht, als die Thronrede ankündigt. Es muß im Lande dasselbe Wahlrecht gelten wie im Reiche. Wir wöünschen auch nicht, daß die Krankenkassen für politische Bestrebungen gemißbraucht werden, ich kann es aber nicht verftehen, wenn Herr von Zedlitz eine Stärkung der sozialdemokratischen Parteikasse durch die Reichstagsdiäten be⸗ fürchtet. Die sozialdemokratische Partei verfügt über solche Mittel, daß die Diäten in dieser Richtung nichts zu bedeuten haben. Die Reform der Krankenkassengesetzgebung wünschen wir auch, weil sie ein Gebot der Gerechtigkeit ist. ie preußische Verwaltung des Innern soll die Kulturbedürfnisse fördern und namentlich die Selbst⸗ verwaltung aufrecht erhalten, die Preußen groß gemacht hat.
Minister des Innern von Bethmann⸗Hollweg:
Meine Herren! Ich hoffe auf Ihre Zustimmung, wenn ich aus meiner Erwiderung alle diejenigen Gegenstände ausscheide, welche mein Ressort gar nicht berühren, oder welche für mein Ressort doch nur ein Interesse in zweiter Linie haben. Ich rechne dahin die soeben be⸗ sprochene Diätenfrage, die Frage einer Reform des Krankenkassen⸗ gesetzes; weiter den § 53 des Kommunalabgabengesetzes, der ja im wesentlichen nur im Sinne der Schulverwaltung hier besprochen worden ist; endlich auch die Klage des Herrn Abg. Cassel über eine Beeinträchtigung der Selbstverwaltung in der Schulverwaltung. Auch das, glaube ich, ist ein Gegenstand, der zweckmäßiger beim Kultus⸗ etat, wenn überhaupt, zu verhandeln ist. Aber da nun mal von Be⸗ einträchtigung der Selbstverwaltung die Rede ist, so gestatten Sie mir zwei ganz kurze Worte. .
Ich habe außerhalb dieses Hauses hier und da wohl Gelegen⸗ heit genommen, meine prinzipielle Stellung zu der Selbstverwaltung kurz darzustellen, und das hat hier und da auch in der Presse Anklang gefunden. Aber man hat gesagt: wir wollen doch erst einmal Taten sehen. Ich möchte da eine ganz eigentümliche Erfahrung aus der Kreisabgabenkommission mitteilen.
Meine Herren, ich habe mir Mühe gegeben, in das Kreisabgaben⸗ gesetz Bestimmungen aufzunehmen, welche die Selbstverwaltung der Kreisorgane nach allen Seiten hin sichern, und welche gleichzeitig — das hängt ja mit der Selbstverwaltung zusammen — im Sinne der Dezentralisation gefaßt waren. Ich rufe alle Mitglieder der Kreis⸗ abgabenkommission zu Zeugen auf, daß gerade diese Punkte die größten Schwierigkeiten gemacht haben (sehr richtig!), und daß mir da auch Widerspruch von der linken Seite und vom Zentrum dieses Hauses entgegengebracht worden ist. Ich glaube beinahe, ich gehe in bezug auf die Selbstverwaltung noch über die linke Seite des Hauses hin⸗ aus. (Hört, hört! und Heiterkeit.)
Herr von Zedlitz hat von der Dezentralisation der Schul⸗ verwaltung gesprochen und mein Interesse für diesen Gegenstand wach⸗ gerufen. Ich kann Sie versichern, daß nach meiner persönlichen Ansicht — und nur die kann ich in diesem Falle aussprechen — allerdings die Dezentralisation der Schulverwaltung eine absolute Notwendigkeit ist. Soweit es an mir liegt, werde ich in diesem Sinne innerhalb der Staatsregierung zu wirken suchen.
Es ist weiter von der Notwendigkeit der Revision des Kommunal⸗ abgabengesetzes gesprochen worden. Ich gebe sd, daß die Beratung sowohl in der Kreisabgabenkommission wie in der Schulkommission den Gedanken an die Notwendigkeit einer Reform des Kommunal⸗ abgabengesetzes mir persönlich näher gelegt haben, als dies vor dem Zusammentreten dieser Kommissionen der Fall gewesen ist.
Der Herr Abg. Cassel hat in längeren Ausführungen auch die Frage Groß⸗Berlin berührt. Ich kann nur wiederholen, was ich bereits in der Budgetkommission gesagt habe: Ich halte eine Ein⸗ gemeindung der Vororte nach Berlin für unrichtig und werde sie meinerseits nicht betreiben. Die Gründe, weshalb eine solche Ein⸗ gemeindung der Staatsregierung nicht möglich erscheint, sind bereits so oft in diesem hohen Hause erörtert worden, daß ich im einzelnen hierauf nicht zurückkommen will. Einen und gewiß einen besonders schwerwiegenden Grund hat der Herr Abg. Cassel selber angeführt:
Die Vororte selbst wollen in ihrer großen Mehrzahl keine Ein⸗ gemeindung. Meine Herren, die Sie nun für die Eingemeindung sind und gleichzeitig einen liberalen Standpunkt vertreten —, welche Vor⸗ würfe müßten Sie mir machen, wenn ich gegen den Willen aller dieser von der Selbstverwaltung getragenen Vororte sie nach Berlin eingemeinden wollte. (Sehr richtig! und Heiterkeit.)
Wenn von einer Eingemeindung nicht mehr gesprochen werden kann, so bleiben — das hat der Herr Abg. Cassel ganz richtig aus⸗ geführt — nur zwei Eventualitäten in Frage. Einmal eine Aus⸗ gleichung der Steuern nach der Richtung hin,⸗ daß diejenigen Orte, in welche sich die wohlhabenden Elemente zurückziehen, auch beitragen für solche Vororte, in denen die minderbemittelte, die Arbeiterbevölke⸗ rung⸗konzentriert ist. Und zweitens die Eventualität der Schaffung von Zweckverbänden.
Die erstere Frage ist auch in der Presse in diesem Sommer an⸗ geregt worden. Praktisch versucht bereits der § 53 des Kommunal⸗ abgabengesetzes, nach dieser Seite eine gewisse Abhilfe zu schaffen. Ein weiterer Weg würde der sein, eine sogenannte Ausgleichssteuer einzuführen, wie sie beispielsweise in der Grafschaft London besteht. Diese Ausgleichssteuer würde, wenn ich den englischen Verhält⸗ nissen unsere Begriffe zu subsummieren versuche, innerhalb ganz Groß⸗Berlin durch Zuschläge, wahrscheinlich zur Einkommen⸗ steuer, erhoben und nach dem Londoner Muster auf die ein⸗ zelnen Gemeinden nach der Bevölkerungszahl verteilt werden. In London, wo ich ja vor anderthalb Jahren mit meinem Herrn Amts⸗ vorgänger zusammen war, wirkt diese Ausgleichssteuer sehr gut; sie wird gern gesehen, und die ärmeren Stadtteile haben einen großen Vorteil von ihr. Ob sie für die Berliner Verhältnisse anwendbar sein würde, darüber, meine Herren, maße ich mir gegenwärtig noch kein Urteil an. Ich habe, noch als ich in meiner früheren Dienst⸗ stellung war, eine Probeberechnung aufgestellt, die dahin führte, daß die ärmeren Vororte von einer solchen Ausgleichssteuer allerdings einen großen Profit haben würden; ich weiß es aber nicht, ob Sie auch im Sinne der Stadt Berlin liegen würde, wenigstens ergab meine Probe⸗ rechnung, daß Berlin noch ein bedeutendes Teil an die ärmeren Orte ab⸗ geben müßte.
Die zweite Frage ist die Frage der Zweckverbände. Ich bin mit meinen Aeußerungen in der Budgetkommission miß⸗ verstanden worden, oder der Herr Abg. Cassel ist nicht ganz richtig informiert worden, wenn er sagt, ich hätte zugegeben, die Zweckverbände innerhalb Groß⸗Berlins seien an sich zweck⸗ mäßig und notwendig. So weit bin ich nicht gegangen. Ich habe nur gesagt, daß ich die Frage der Zweckverbände speziell gegenwärtig prüfen lasse, indem ich sowohl den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Berlin gebeten habe, auch zu dieser Seite der Sache Stellung zu nehmen, als auch den Herrn Oberpräsidenten der Provinz Branden⸗ burg aufgefordert habe, diese Frage vom Standpunkte der Vororte zu erörtern. Ich hoffe, daß durch diese Art eines kontradiktorischen Ver⸗ fahrens ein irgendwie brauchbarer Kern herausgeschält werden wird. Ich habe dann weiter gesagt — und auch darin liegt vielleicht ein kleines Mißverständnis beim Herrn Abg. Cassel vor —: Einstweilen schiene es mir nicht so, als ob die Bildung derartiger Zweckverbände zwischen Vororten und der Stadt Berlin in sehr naher Zukunft stände. Wären die Vorbedingungen für die Bildung von Zweckver⸗ bänden günstig, dann würden sich Ansätze zu solchen Zweckverbänden schon in der Praxis tatsächlich gebildet haben. Aber das ist nicht der Fall; wenigstens habe ich noch nicht von dem Versuch, derartige Zweckvereinigungen zu gründen, gehört, obwohl ein solcher Versuch doch auch bei der gegenwärtigen Lage unserer Gesetzgebung nicht ganz ausgeschlossen wäre. Wäre er schon gemacht, dann wäre die Lösung der Frage wesentlich vereinfacht, denn die Gesetzgebung hätte nur noch praktisch bereits eingeführte Einrichtungen zu le⸗ galisieren. Aber wie gesagt, derartige Versuche liegen meines Wissens noch nicht vor. Ich habe dann weiter bemerkt, daß mir allerdings die Stimmung für derartige Versuche momentan keine besonders günstige zu sein scheine. Dabei habe ich eremplifiziert auf den die städtischen Behörden von Berlin be⸗ schäftigenden Antrag wegen der Taxen in den Krankenhäusern. Ich habe mir nicht herausgenommen, über den Antrag und die Motive, die ihm zu Grunde liegen, eine Kritik nach der einen oder anderen Richtung vorzunehmen. Ich habe nur gesagt, wenn das Verhältnis der Vororte zu Berlin gegenwärtig derartig ist, daß eine ungleichmäßige Behandlung der Vororte und der Berliner Einwohner vom Stand⸗ punkt von Berlin aus angezeigt erscheint, so scheint mir dies kein sehr günstiger Boden zu sein, damit aus ihm Zweckoerbände hervorwachsen, die eine sehr nahe Interessengemeinschaft von vornherein voraus⸗ setzen. (Sehr richtig!) Wie sich die Frage weiter entwickeln wird, kann ich gegenwärtig nicht sagen; das hängt im wesentlichen ab von der Stellung, die einerseits die Stadt Berlin, andererseits die Vororte einnehmen werden. Ich wünsche in der Frage gar nicht, durch eine Art von Diktatur irgendetwas vorschreiben zu wollen, was nachher für die praktischen Verhältnisse nicht paßt; sondern gerade in einer schwierigen Frage wie dieser, wo die kommunalen Interessen ver⸗ schiedener Gemeinden sich berühren, zum Teil auch gegensätzlich be⸗ rühren, da muß die Praxis vorangehen, und dann folgt die Gesetz⸗ gebung und sucht, der Praxis gerecht zu werden. (Sehr richtig!) Der umgekehrte Weg führt uns, wie ich fürchte, zu bureaukratischen Ein⸗ richtungen, denen von vornherein kein Leben inne wohnt. (Sehr gut!) Ich bitte Sie, dabei zu bedenken, wie schwierig auch bei der Einrichtung von Zweckverbänden die tatsächlichen Verhält⸗ nisse liegen. Berlin hat 2 Millionen Einwohner gegenwärtig, und die gesamten Vororte, selbst wenn man den Zirkel sehr weit faßt, welche in Frage kommen würden, haben 700 000 Einwohner. Die Steuerverhältnisse waren vor anderthalb Jahren, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, ungefähr die, daß in Berlin 43 Millionen aufkamen und in den Vororten zusammen 17 Millionen. Aber ich bitte Sie, diese Zahlen nicht als absolut zutreffend anzusehen. Ich
habe es leider übersehen, die betreffenden Aufzeichnungen mitzubringen.
1906.
Aber Sie sehen aus diesen approximativen Zahlen, wie verschiedene Organe da zu Zweckverbänden zusammengeschweißt werden sollen, und wie schwierig es namentlich sein wird, eine Vertretung dieser Organe zu schaffen, bei denen die Rechte der einzelnen Vororte nicht zu kurz kommen, und bei denen das Uebergewicht von Berlin nicht schließlich dahin führt, daß die den Zweckverbänden zugeteilten Vororte überhaupt nichts zu sagen haben.
Im übrigen wird diese Frage — und sie geht ja alle Zeit durch die Presse — in ihrer Bedeutung stark überschätzt. Sind denn unsere Verhältnisse in den Vororten und in Berlin so schlechte, daß man sagen müßte: das kann nicht so weiter gehen? Ich verneine das. Die Entwicklung der Vororte, die Ent⸗ wicklung von Berlin — man braucht kein übergroßer Optimist zu sein, um das zu sagen — ist doch eine sehr glänzende gewesen, und wenn Schwierigkeiten daraus entstehen, daß die Bezirke der Stadt Berlin und der Vororte so aneinandergrenzen, daß ein Teil der Straße nach Berlin, der andere nach Charlottenburg oder Wilmersdorf gehört, so werden Sie solche Fälle immer haben. Wenn eine Stadt sich so ausdehnt, wie es Berlin tut, so wird sie immer an einen be⸗ nachbarten Bezirk anstoßen, und da im einzelnen Falle die Grenzen auch etwas kurios ausfallen. Das ist in London, was uns jetzt in den Zeitungen vielfach zum Muster vorgehalten wird, in viel stärkerem Maße der Fall. London besteht im ganzen aus 28 oder 29 Städten mit zum Teil kleinen Bezirken, sodaß man häufig nicht weiß in welchem man sich gerade befindet. Und doch geht die Sache aus⸗ gezeichnet. Man sollte sich also durch Aeußerungen in der Presse, die den Dingen vielleicht nicht überall auf den Grund schauen, wegen der Frage Groß⸗Berlin nicht nervös machen lassen. Meine Absicht ist — um das nochmals zu wiederholen —, überall da, wo mir die Praris die Notwendigkeit des gesetzlichen Eingreifens dartut, an Sie mit der Bitte heranzutreten, einem entsprechenden Gesetze zuzustimmen.
Meine Herren, ich komme nun kurz auf die Automobilfrage. Es ist eine Anfrage an mich gerichtet worden, ob ich nicht eine Statistik derjenigen polizeilichen Bestrafungen aufstellen lassen möchte, welche wegen zu schnellen Fahrens, ohne daß durch das zu schnelle Fahren ein Unglück angerichtet worden ist, erlassen worden sind. Der Wunsch nach Aufstellung einer solchen Statistik ist wohl schon im vorigen Jahre ausgesprochen worden und, wie ich zugeben muß, bei dem Wechsel, der im Ministerium des Innern stattgefunden hat, bisher nicht erfüllt worden. Aber, meine Herren, soll ich denn nun wirklich für das nächste Jahr diese Statistik vornehmen? und kommen wir damit in der Angelegenheit weiter? An sich liegt ja die Sache be⸗ kanntlich so, daß das Reich sich der Regelung der Automobilfrage nach verschiedenen Richtungen hin annehmen will. Es soll eine Regelung der Haftpflicht stattfinden; es soll das Muster zu gleichlautenden Polizeiverordnungen für den Bereich des ganzen Reichs festgestellt werden; es ist eine Verschärfung der Strafbestimmungen ins Auge gefaßt worden. Schließlich ist die Bildung einer Zwangshaftpflicht⸗ genossenschaft auf Gegenseitigkeit in den Kreis der Erörterungen ge⸗ zogen worden, wie dies ja den Herren allen bekannt ist. Von meinem preußischen Standpunkt aus muß ich einstweilen abwarten, was aus diesen von der Reichsregierung geplanten Maßregeln werden wird. Ich bin darauf beschränkt, die Polizeibehörden anzu⸗ weisen, dem Unfug einzelner Automobilisten zu steuern, so⸗ weit das möglich ist. Daß das nicht in allen Fällen ge⸗ schieht, wegen der Schwierigkeit der Situation nicht geschehen kann, das weiß ich, und das bedauere ich. Aber, meine Herren, ich bitte doch auch, in dieser Beziehung nicht zu weit zu gehen. Gewiß! Durch übermäßig schnelles Fahren können große Gefahren heraufbeschworen werden und werden tatsächlich schwere Unglücksfälle angerichtet. Aber deshalb nun die Polizeibeamten anzuweisen, mit der Uhr daumstehen und zu kontrollieren, daß der Mann tatsächlich nicht mehr als 15 km in der Stunde fährt, das hat wirklich wenig praktischen Sinn. Uebermäßig schnelles Fahren in den Straßen einer Stadt kann gewiß den Verkehr sehr stören; aber wenn man sich jetzt die Verhältnisse in Berlin ansieht, wo die Droschkenautomobile außerordentlich zu⸗ genommen haben, da habe ich persönlich wenigstens den Eindruck be⸗ kommen, daß der Verkehr in den Straßen durch diese Droschken⸗ automobile in keiner Weise erschwert wird. Im Gegenteil: er ist verbessert worden. Die Automobildroschkenführer fahren sehr viel besser als unsere Pferdedroschkenkutscher. Je vorsichtiger und zugleich je schneller sich ein Verkehr nach vorn entwickelt, um so besser wird für die Sicherheit des ganzen Verkehrs gesorgt. Am un⸗ bequemsten ist doch der Droschkenkutscher, der mit langen Zügeln auf dem Bock sitzt und jeden Bordstein anfährt; vor dem kann sich kein Mensch retten, während kin gut geführtes Automobil, das nicht mit übermäßiger Geschwindigkeit fährt, das entschieden bessere ist. Man soll auch hier nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Das freilich beklage auch ich mit dem Herrn Abg. Strosser, daß die Strafen für die Automobilisten, welche aus Leichtfertigkeit, zum Teil leider auch aus bösem Willen Menschen gefährden, häufig viel zu ge⸗ ring ausfallen (sehr richtig!), wie ich überhaupt auf dem Standpunkt stehe, daß man nicht in kleinen Dingen unausgesetzt strafen und tribu⸗ lieren, aber bei Dingen, auf die es ankommt, gründlich strafen soll. (Sehr wahr!)
Aber, meine Herren, das ist eine Angelegenheit, auf die ich, wie Sie wissen, keinen unmittelbaren Einfluß habe; es ist zunächst Sache der Gerichte und dann eventuell Sache der Abänderung unseres Strafrechts.
Meine Herren, zum Schluß gestatten Sie mir ein paar Worte zur Wahlrechtsfrage! (Aha! links.) Ach nein, meine Herren, es bleibt ganz einfach, was ich sagen werde. (Heiterkeit rechts.) Auf die Frage an sich gehe ich nicht ein; denn ich stimme dem Herrn Abg. von Zedlitz und vielen anderen zu, daß heute nicht der rechte Moment dazu ist. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Aber ich will ebenso offen und ehrlich sagen, wie die Angelegenheit gegenwärtig liegt.
Als ich;
111““
urde, fand ich,