1906 / 34 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Feb 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Das Königliche Staatsmi iner Sitzung zusammen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Fürst

Bismarck“ mit dem Chef des Kreuzergeschwaders gestern in Makassar (Süd⸗Celebes) eingetroffen und geht heute von

troffen und Malhorca in

und Staatsanzeigers“ wird

gegangen

ort nach Menado (Nord⸗Celebes) in See.

S. M. S. „Tiger“ ist vorgestern von Nanking ab⸗ und in Tschingkiang (am Yangtse) eingetroffen.

S. M. Flußkanonenboot „Tsingtau“ ist gestern von Canton nach dem Tungkiang (Ostfluß) abgegangen.

S. M. S. „Bussard“ ist gestern von Kilwa⸗Kiwindje nach Lindi in See gegangen.

S. M. S. „Stosch“ ist vorgestern in Cagliari einge⸗

Pht übermorgen von dort nach Palma auf

EEE“

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ eine Zusammenstellung der richte von deutschen Fruchtmärkten für den Monat nuar 1906 veröffentlicht.

8

Bayern. 8 8 EEE1I1“n

Die Kammer der Abgeordneten genehmigte gestern, „W. T. B.“ zufolge, nach mebrtägiger Beratung mit 106 gegen 32 Stimmen die Regierungsvorlage, betreffend den Bau einer

Eisenbahn von Mühldorf nach Freylassing im Anschluß an

die Tauernbahn. 8 gg rgg

ͤ116“ zufolge, an

Die Zweite Kammer wählte, „W. T. B

Stelle des verstorbenen Abg. Lauck den Abg. Zehnter (Zentr.)

zum Zweiten Vizepräsidenten.

Hamburg.

Die Bürgerschaft stimmte gestern dem Antrag des Senats zu, anläßlich der silbernen des Kaiserpaares 200 000 zur Unterstützung bedürftiger Kriegsveteranen zu bewilligen. Die Bürgerschaft nahm ferner, wie „W. T. B.“ be⸗ richtet, den Antrag Th. Menzel und Genossen, betreffend den Ersatz des bei dem Krawall im Schopenstehl am 17. Januar

zerstörten und geraubten Privateigentums aus Staats⸗

mitteln an

Oesterreich⸗Ungarn. Das österreichische Abgeordnetenhaus hat gestern

das Gesetz, betreffend die Versicherung der Privat⸗ beamten, mit einer Reihe im Laufe der Debatte gestellter Abänderungsanträge in zweiter Lesung angenommen.

Am

Schlusse der Sitzung beantwortete der Minister des Innern

Graf von Bylandt⸗Rheidt eine Interpellation, betreffend die Einsetzung eines Statthaltereirats in Triest.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ führte der Minister aus, die

Regierung müsse angesichts der Teilnahme einer nicht geringen Anzahl

städtischer Angestellten an den staatsfeindlichen Kundgebungen, ins⸗ 3

besondere wegen Verwick⸗elung 1 Bombenaffäre, sowie angesichts des in den städtischen Aemtern herr⸗ sschenden Geistes von dem ihr gesetzlich zweifellos zustehenden Rechte Ge⸗ brauch machen und die Wahrung der politischen Gesetze staatlichen

dingten Pflicht gemacht wird.

ratung

solcher Beamten in die bekannte⸗

Oeganen übertragen, denen die vollste Unparteilichkeit zur unbe⸗ Die Maßnahmen der Regierung ent⸗ sprangen ebensowenig aus Abneigung gegenüber Triest als aus Miß⸗

trauen gegenüber dem Bürg rmeister. Die Interpellationsbeantwortung wurde von Protestrufen der Italiener wiederholt unterbrochen. Der Antrag des Abg. Hortis auf Eröffnung der Debatte wurde abgelehnt.

Frankreich. In der Deputiertenkammer wurde gestern die Be⸗ über das Arbeiteraltersversicherungsgesetz

fortgesetzt und an die Regierung eine Anfrage, betreffend die Inventaraufnahme in den Kirchen, gerichtet.

steigt, 8 mit einer

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ nahm die Kammer nach

kurzer Debatte eine Anzabl Artikel bis einschließlich Artikel 30 des Entwurfs des Altereversicherungsgesetzes an, worauf der Deputierte

Rochambeau (kons) die Regierung über die ungesetzliche Art inter⸗ pellierte, in der sie bai der Inventaraufnahme in den Kirchen vorgebe. Der Kultusminister Bienvenu⸗Martin forderte Ver⸗

tagung der Debatte, die nach seinem Antrage von der Kammer be⸗ schlossen wurde.

Das Programm des höheren Marinerats ist nach

den gestrigen Ausführungen des Marineministers Thomson in der Marinekommission gegenwärtig angesichts der von allen übrigen Nationen unternommenen Anstrengungen als ein Minimum anzusehen, das sicher überschritten werden dürfte.

Wie das „W. T. B.“ berichtet, erklärte der Minister, daß die

Arbeiten des Marineministeriums über die nächsten Neuherstellungen sich hauptsächlich auf Unterseeboote und deren Aktionskreis sowie auf Panzerschiffe bezögen, und teilte betreffs der letzteren ver⸗

Da die Vermehrung der Schiffs⸗ einheiten eine Vermehrung der Mannschaften zur Folge haben werde, so sei ein Gesetzentwurf, betreffend die Sicherstellung des Marineersatzes, ausgearbeitet worden, der alsbald dem Parlament vorgelegt werden würde. Die Zahl der Seeoffiziere würde gleichfalls vermehrt werden. Schließlich jeilte der Minister mit, daß er besondere Maßnahmen getroffen habe,

schiedene Einzelheiten mit.

um die Rekrutierung der Mannschaften der Unterseeboote zu erleichtern, uud machte Angaben über die im Jahre 1905 stattgehabten Verbesse⸗ rungen der verschiedenen Verpflegungsmittel. Die Kommission beschloß

sodanzn, die Vorschläge de Lanessans abzulehnen mit der Begründung, daß der Flottenplan des Marineministers Thomson weit vollständiger sei.

Die Führer der antimilitaristischen Bewegun

Hervé, Gohier und Bousquet sowie 18 andere Anti⸗ militaristen, die wegen der im Oktober vorigen⸗ , in Paris

angeschlagenen antimilitaristischen Plakate zu Gefängnisstrafen perurteilt, aber vorläufig in Freiheit belassen worden waren, sind, nachdem ihre gegen das Urteil eingelegte Berufnng ver⸗ worfen ist, gestern in Haft genommen worden. o““ LE11““ In Abänderung der Staatsgewerbeordnung wird durch einen Kaiserlichen Erlaß, wie die „St. Peters⸗ vurger Telegraphenagentur“ meldet, folgendes bestimmt:

Die zur Veröffentlichung ihrer Rechenschaftsberichte verpflichteten Unternehmungen, deren Reingewinn 3 % des Grundkapitals über⸗ sind unter Beibehaltung der Gewerbe⸗ und Kapitalsteuer Prozentsteuer vom Reingewinn, wenn dieser sich zwischen 3 und 20 % bewegt, zu belegen, die von 3 bis 14 % ansteigt. Die Reineinnahmen, die über 20 % des Grund⸗ kapitals betragen, unterliegen außerdem einer 10 prozentigen Steuer.

isterium trat heute zu

Die Direktoren und Verwaltungemit lieder aller Unternehmungen, die zur Veröffentlichung ihrer Rechenschafisberichte verpflichtet find, haben von dem Fatrengeßalk und den Gratfikationen, die sie von einem oder mehreren Instituten erhalten, eine Prozentsteuer in Höhe von 1 bis 7 % zu entrichten. Der letztere Steuersatz gilt für Gehälter in Höhe von 20 000 Rubel jährlich.

Vor dem Sebastopoler Kriegsgericht hat gestern, „W. T. B.“ zufolge, der Prozeß gegen drei Offiziere und siebzig Matrosen von dem Panzer „Po⸗ temkin“ begonnen, die beschuldigt werden, an einem offenen Aufstande teilgenommen und den Versuch gemacht zu haben, die bestehende Staatsordnung umzustürzen. 1

Nach einem Telegramm des Generals Lenewitsch aus Charbin ist der General Rennenkampf am 5. Februar in Tschita eingerückt, ohne daß es nötig war, Blut zu vergießen. Die Stadtbewohner sind entwaffnet und etwa 200 Revolutionäre festgenommen worden, mehrere Agitatoren sind geflohen. Der General Cholschtewnikow ist wegen Untätigkeit seines Postens enthoben und durch Syschewsky ersetzt worden. Nach dem Bericht des Generals Rennenkampf sichern die von den Generalen Polkownikow und Svchewsky getroffenen Maß⸗ nahmen die schnelle Beruhigung der Transbaikalgegend. In Wladiwostok und Charbin ist bei den Truppen alles ruhig. Der General Artamanoff berichtet aus Wladiwostok, daß dort völlige Ruhe herrsche. Das dänische Kabel sei in einer Entfernung von hundert Meilen von Wladiwostok be⸗ schädigt und die Verbindung mit Nagasaki unterbrochen. Italien.

Durch ein Dekret vom gestrigen Tage hat nach einer Depesche des „W. T. B.“ der König die Demission des Kabinetts Fortis angenommen und den Deputierten Sonnino mit der Bildung des neuen Ministeriums betraut.

Spanien.

Die Marokko⸗Konferenz setzte nach dem Bericht des „W. T. B.“ die Beratung der Vorschläge der marokkanischen Delegierten über die Steuerfrage fort. Der Präsident verlas den vom Redaktionsausschuß ausgearbeiteten Plan, betreffend die Erhöhung der gegenwärtigen Einfuhr⸗ zölle um 25 Prozent durch Zuschlaghundertstel. Die Kon⸗ ferenz beschloß auf Antrag des englischen Vertreters Sir A. Nicolson, die Beratung über diesen Punkt zu ver⸗ tagen, bis der Redaktionsausschuß den Entwurf über die Er⸗ richtung einer besonderen Kasse ausgearbeitet hat, in die die Zollzuschläge abgeführt werden sollen. Auf Antrag der marokkanischen Vertreter beschloß die Konferenz, den Plan der Herabsetzung der Ausfuhrzölle zum Gegenstand eines besonderen Artikels zu machen. Dieser Artikel wurde seitens der russischen Vertretung unter einem Vor⸗ behalt hinsichtlich des Weizens und der Gerste an⸗ genommen wegen des besonderen Interesses, das die Frage des internationalen Getreidehandels für Rußland dar⸗ bietet. Die marokkanischen Vertreter haben sich ebenfalls für ihre Regierung völlige Freiheit in dieser Frage vor⸗ behalten. Die Konferenz beschloß ferner, die Zahl von Rindvieh, die jeder Macht aus Marokko auszuführen ge⸗ stattet ist, zu erhöhen, mit dem Vorbehalt jedoch, daß der Sultan das Recht hat, die Ausfuhr des Rind⸗ viehs auf der gegenwärtigen Ziffer zu erhalten, für den Fall eines möglicherweise eintretenden Mangels an Tieren.

ie Ausfuhr soll nicht allein über Tanger erlaubt sein, wie es der Fall ist, sondern über alle Zoll⸗ stationen. Der freie Küsten handel mit Getreide, Gemüse, Eiern, Früchten und Geflügel ist gestattet worden, wie bereits gemeldet; für Pferde, Maultiere und Esel ist eine besondere

usfuhrerlaubnis notwendig. Die Mächte, deren Ver⸗ träge Abgaben für Anlegen und Ankern von Schiffen vorsehen, erklären sich mit einer Revision dieser Abgaben nach Fertigstellung der ie ne7 arbeiten an den Hafenanlagen einverstanden. Die Zoll⸗ niederlagsgebühren in allen Häfen und Zwischen⸗ häfen werden nach Uebereinkommen zwischen. dem Sultan und dem diplomatischen Korps in Tanger. genau festgelegt werden. Die Konferenz hat den Text des Entwurfs des Redaktionsausschusses in bezug auf Opium und Haschisch angenommen. Ferner hat die Konferenz von dem Wunsche Marokkos, das Monopol für Tabak aller Sorten einzuführen, Kenntnis genommen. Die Delegierten haben sich bereit erklärt, darüber ihren Regierungen Bericht zu erstatten, unter dem Vorbehalt, daß den unter den jetzt für den Tabakhandel geltenden Normen entstandenen industriellen Unternehmungen dieses Zweiges Entschädigungen gewährt werden. Ferner hat die Konferenz den Grundsatz der Submission ohne Ansehen der⸗Nationalität für das Opium⸗ und Haschischmonopol und für das Tabak⸗ monopol im Falle der Einführung desselben aufgestellt.

C““ Portugal. 1eee

In der Deputiertenkammer haben gestern, wie „W. T. B.“ meldet, gegen das neue Kabinett, das durch den Ministerpräsidenten Luciano de Castro vorgestellt wurde, heftige Demonstrationen stattgefunden, sodaß die Sitzung aufgehoben werden mußte. Es wurde darauf ein Ministerrat abgehalten, nach dessen Ministerpräsident den König von dem Vorgefallenen in Kenntnis setzte.

Bulgarien. 8e Die Session der Sobranje ist gestern durch den Ministerpräsidenten geschlossen worden. Amerika.

Auf Ersuchen Venezuelas hat, „W. T. T.“ zufolge, die Regierung der Vereinigten Staaten den amerikanischen Botschafter in Paris beauftragt, die Interessen Vene⸗ zuelas wahrzuneh men.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Washington gehen dem Staatsdepartement fortgesetzt Nachrichten von den amerikanischen Vertretern in Chine zu, wonach die feindselige Stimmun gegen Amerikaner und amerikanische Waren rasch um sich greife. Es seien Anzeichen vorhanden, daß alle Ausländer in China, möglicherweise mit Ausnahme der Japaner, binnen kurzem ebensosehr betroffen würden als die Amerikaner. S.

Wie dem „Daily Telegraph“ aus Tokio gemeldet wird, ist dort eine Kommission ernannt worden, die sich damit

befassen soll, die mandschurischen Fragen sowie die dor⸗ des Abg. Krause⸗Waldenburg an und bittet den Minister, zu

tigen In dustrie⸗ und zu prüfen, um eine Basis zu schaffen für zahlreiche Unternehmungen von

9. Dezember 1905 zur

weittragendster Beheutung. In der ersten Sitzung der mission, die gestern abgehalten wurde, richtete der Mhrston⸗ präsident eine Ansprache an die Mitglieder. 8 1

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Zweiten und Dritten Beilage.

Die heutige (38.) Sitzung des Reichstags, welcher

der Staatsminister, Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner beiwohnte, wurde vom Präsi⸗ desten Grafen von Ballestrem um 1 Uhr 20 Minuten eröffnet. Von den sozialdemokratischen Abgg. Singer und Genossen ist die Interpellation wegen des Grubenunglückz auf der Zeche „Borussia“ in veränderter Form wieder eingebracht worden.

Die Beratung des Spezialetats des Reichsamts des Innern wurde bei dem ersten Ausgabetitel „Gehalt des Staatssekretärs 50 000 ℳ“ fortgesetzt.

Abg. Lehmann (nl.): Der Abg. Hue hat behauptet, in der Eisen⸗ und Stahlindustrie sei bis 36, ja bis 48 Stunden hintereina der gearbeitet worden. Das können selbftverständlich nur Ausnahmen sein der gesunde Menschenverstand muß einem doch sagen, daß solche Arbeitszeiten nicht möglich sind. Eine Verallgemeinerung ist es auch, wenn er behauptet hat, die Arbeiter hätten während dieser Fei nicht einmal eine Pause zum Essen gehabt und das weggelegte Essen wäre von Ratten gefressen worden. Den Vogel hat nartürlich wieder der temperamentwolle Abg. Fischer abgeschossen, indem er unsere soziale Gesetzgebug mit einer mageren Wassersuppe verglich. Dafür, daß die Sozialdemokratie sich für soziale Gesetze zur Verfügung stellen würde, fehlt mir der Glaube, denn biß jetzt hat die Sozialdemokratie gegen alle sozialen Gesetze gestimmt. Die Hetze der Sozialdemokratie ist das ungeeignetste Mittel, der bürgerlichen Gesellschaft die soziale Gesetzgebung schmackhaft zu machen. Die Soztaldemokratie will eben unzufriedene Arbeiter schaffen. Daß sie die Streikbewegung zu politischen Zwecken aus⸗ beutet, beweist der sächsisch⸗thüringische Textilarbeiterstreik. Dieser Streik, der 40 000 Menschen umfaßte, hat deshalb eine höhere Bedeutung, weil er nicht eine Lohnfrage, sondern eine reine Machtfrage zum Untergrunde hatte. Die Unternehmer der sächsisch⸗ thüringischen Textilindustrie hatten ihren Arbeitern freiwillig höhere Löhne angeboten, als diese jemals in einem Kampse hätten erreichen können, aber diese Industriellen hatten das Verbr begangen, das zu tun ohne Zuziehung der sozialdemokratischen Organi⸗ sation. Die Arbeiter forderten einen Garantielohn, der von Sach⸗ verständigen direkt als Unsinn bezeichnet wird; er ist weiter nichts als eine Entschädigung für die Ungeschicklichkeit und eine Prämie auf die 1egee Hätten die Industriellen diesen Garantie⸗ lohn eingeführt, so wären gerade die besten Arbeiter damit unzufrieden gewesen. Von sozialdemokratischer Seite wurden die Löhne als ganz erbärmlich bezeichnet, die Männer hätten 12 bis 13, die Frauen 7 bis 8 im Durchschnitt an Lohn erhalten. Ich muß allerdings sagen, daß diese falsche Darstellung veranlaßt ist durch den Fabrik⸗ inspektor selbst, der gerade zu jener Zeit sich gemüßigt fand, un⸗ richtige Angaben zu machen. Nach einer Enquete, die unter Zugrunde⸗ legung der Lohnbücher veranstaltet war, ergab ein Durch⸗ schnittslohn von fast 15 Ich habe persönlich Einsicht in die Bücher der Fabrikanten genommen, danach wurden 1904 Löhne gezahlt von 979,50 ℳ, 896,30 ℳ, 1074,50 und 928,50 Es kommen auch niedrigere Löhne vor, aber jedenfalls werden sie immer noch höher sein, als die Löhne in Ihrem hertlichen Zukunfts⸗ staat. Es ist weiter behauptet worden, daß große Lohnabzüge vorge⸗ kommen seien. Auch hier habe ich Einsicht in die Lohnbücher genommen; es kommen große Verschiedenheiten vor, weil das Arbeiterpersonal von verschiedener Geschicklichkeit ist. Ich habe Lohnabzüge gefunden von 1,40 bis 4,10 in der Woche, im September unmittelbar vor dem Streik von 1,70 bis 2,30 ℳ; in einem Falle von 7,80 bis 22,10 Aber die

abrikanten haben keinen Nutzen von diesen Lohnabzügen, sondern noch

trächtlichen Schaden, wenn die Arbeit nicht akkurat abgeliefert wird. Der Abg. Stolle hat behauptet, die Arbeiter würden betrogen von den Fabrikanten durch die Anwendung von Strafen. Ich kann ihn nur auffordern, diese Behauptung einmal außerhalb dieses Hauses zu wieder⸗ holen. Die Arbeitervertreter haben sich geweigert, bei der Feststellung der Tarife mit den Fabrikanten in Verbindung zu treten, wenn nicht die sozialdemokralische Organisation zugezogen würde. Ieder Abschluß von Tarisverträgen ohne Zuziehung der Vertreter des Tertil⸗ arbeiterverbandes sollte nicht bindend sein. Die Fabrikanten hahen sich trotzdem bereit erklärt, in Verhandlungen einzutreten. 27 Tarif, den die Unternehmer den Arbeitern vorlegten, enthielt eine von 10 % Lohnerhöhung; wichtiger aber noch als die Lohnfestsetzung waren die allgemeinen Bestimmungen über die Regelung der Arbeirszeit, der Akkordarbeit usw. Allerdings wollten die Unternehmer eine paritätische Zusammensetzung der Vertretung der Arbeiter, weil bis dohin die nichtorganisierten Arbeiter überhaupt nicht vertreten waren. Dieser Tarif ist nun von der sonaldemokratischen Presse und

in Versammlungen in nicht zu beschreibender Weise verhöhnt worden.

(Schluß des Blattes.) b Das Hausder Abgeordneten stimmte in der heutigen

(20.) Sitzung, welcher der Finanzminister Freiherr von Rhein⸗

baben und der Minister für Handel und Gewerbe Delbrück beiwohnten, zunächst in einmaliger Beratung dem Staats⸗ vertrag zwischen Preußen und Oldenburg vom Regelung der Lotterieverhält⸗

nisse zu und setzte dann die zweite Beratung des Staats⸗

haushalts für 1906 fort. Beendigung der

Die Etats für das Herrenhaus, das Haus der Ab⸗ eordneten, den „Deutschen Reichs⸗ und Preußischen taatsanzeiger“ und die Staatsarchive werden ohne

Debatte erledigt. 1

In den Etat des Ministeriums der auswärtigen

Angelegenheiten ist als ordentliche Ausgabe der Betrag von 350 000 zum Ankauf eines Grundstuüͤcks für den Neubau eines Gesandtschaftsgebäudes in München und zur Deckung der Kosten der Vorarbeiten für einen solchen ein⸗ estellt. Die Budgetkommission beantragt die unveränderte ewilligung. Das Haus beschließt demgemäß.

Der Eiat des Kriegsministeriums wird ebenfals

ohne Debatte erledigt.

Beim Etat der Lotterieverwaltung wünscht

Abg. Krause⸗Waldenburg (freikons.), daß eine möglichst große Zahl von verab chiedeten Offizieren Inhaber von Lotteriekollekten wird.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: Den Wuns 8 Vorredners kann ich verstehen, den verabschiedeten Offizieren ne; Lotteriekollekten zu üe Wir befinden uns aber augenblicklich einem sehr schwierigen Uebergangsstadium und haben uns zudem den Sen Staaten, mit denen wir Verträge abgeschlossen haben, verpflich müssen, ihr Personal an Lotteriekollekteuren tunlichst zu übernehmen. Nach Ueberwindung dieser Schwierigkeit wird sich leichter überf 5 lassen, ob es möglich ist, die Zahl der verabschiedeten Offtziere Kollekteurposten zu erhöhen. 88

Abg. von Böhlenvorff (kons.) schließt sich dem Wunsche 8

wägen, ob nicht schon jetzt bei eintretenden Vakanzen die ver⸗ abschiedeten Offiziere mehr 4 bisher berücksichtigt werden köͤnnten.

Beim Etat der Verwaltung der indirekten

ägt Steuern tra 4 1aee „Fürbringer (nl.) einige Wänsche betreffs der Ausführung 8 8 Zollkontrolle und Steuererhöhung bestehenden Vorschriften in Interesse der Emdener Kaufleute vor, bleibt aber auf der Tribüne in Anzelnem unverständlich. . Dr. Berndt (nl.) empfiehlt eine Aufbesserung der Ge⸗ der Steueraufseher e E der noch vor⸗ tzoll⸗ un beueram istenten. bandge r. 25 (kons.) unterstüͤtzt diesen Wunsch und empfiehlt auch eine Berücksichtigung der Grenzaufseher. 3 Abg. Trimborn (Zentr.) schließt sich den Ausführungen der sen Vorredner an. veideg Boroemel (fr. Vag.) hält die Verbesserung der Ein⸗ kommensverhältnisse der Grenzaufseher für um so gerechtfertigter, als diese Beamten, die sich tatsächlich in einer Art immerwährenden Krieges mit gewissen Organen der Grenzbevölkerung befänden, auch eine Kriegszulage verdienten. 8 Hierauf nimmt der Finanzminister haben das Wort. (Schluß des Blattes.)

Freiherr von Rhein⸗

Dem Herrenhause ist ein am 17. Oktober 1905 zwischen dem ö Reiche namens des Königreichs Preußen und den Niederlanden abgeschlossener Vertrag wegen Regelung der Wasserabflußverhältnisse an der preußisch⸗ niederländischen Grenze im 8 der Dinkel und Vechte mit einer darauf bezüglichen Denkchrift zu⸗

gegangen.

8

L““

Statistik und Volkswirtschaft. 8 1905

tschlands Vieheinfuhr und ⸗ausfuhr im Jahre sc Vergleich mit derjenigen der Vorjahre.

Nach dem Dezemberheft 1905 der „Monatlichen Nachweise über den auswärtigen Handel des Deutschen Zollgebiets- betrug die Gesamte infuhr von lebendem Rindvieh (Kühe, Stiere, Ochsen, Jungvieh und Kälber) im Jahre 1905 336 619 Stück und die von Schweinen (ohne die Spanferkel unter 10 kg) 69 863 Stück. Trotz der im Laufe des vergangenen Jahres in Deutschland eingetretenen erheblichen Steigerung der Viehpreise ist die Einfuhr von Rindvieh egenüber der des Vorjahres nur um 14 740 Stück gestiegen und Hüäter derjenigen des Jahres 1903 noch um 16 164 Stück zurück⸗ obwohl diese Einfuhr 1905 keinen anderen Beschränkungen Jahre 1903. An Schweinen sind während des vergangenen Jahres, obgleich seit Mitte November eine größere Einfuhr zugelassen ist, doch 9648 Stück weniger als im Jahre 1903 und nur 880 mehr als 1904 eingeführt worden. Nachdem das Kaiserliche Statistische Amt in einer kürzlich veröffentlichten Statistik der Viehpreise im In⸗ und Ausland gezeigt hat, in welchem Maße diese auch in den anderen Ländern 1905 im Vergleich mit den Vor⸗ jahren gestiegen sind, kann es nicht mehr auffallen, daß die Einfuhr von lebendem Vieh nach Deutschland im zweiten Vierteljahr 1905 ihren Höhepunkt erreicht hat und im dritten und vierten Vierteljahr, als in Deutschland die Viehpreise so erheblich gestiegen waren, stetig zurückgegangen ist. Es wurden nämlich eingeführt: im 1. Vierteljahr 1905 80 506 Stück Rindvieh, 17 812 Schweine, ͤD 11““ 17 943 I. 8b 17 384 5 I. 8 74 819 16 724 5

Die für die Einfuhr von lebendem Rindvieh nach Deutschland hauptfächlich in Betracht kommenden Viehproduktionsländer sind Oesterreich Ungarn, Dänemark und die Schweit, aus denen 99,7 % der gesamten deutschen Rindvieheinfuhr des Jahres 1905 stammten. Die Einfuhr aus Oesterreich⸗Ungarn, die im Jahre 1903 noch 257 702 Stück betragen hatte, schon 1904 aber auf 215 068 Stück zurückgegangen war, ist im Jahre 1905 weiter bis auf 193 546 Stüůck das sind also 21 522 bezw. 74 156 Stück weniger als in den

geblieben, unterworfen war als im

ahren 1904 und 1903, und diese Abnahme der Einfuhr aus Oester⸗ reich⸗Ungarn betrifft vornehmlich die ausschließlich zum Schlachten be⸗ stimmten schweren Ochsen bester Qualität. Dagegen ist die Einfuhr von lebendem Rindvieh aus Dänemark, das aber hauptsächlich Kühe und Jungvieh und nur in geringer Zahl auch schwere Ochsen liefert, be⸗ deutend gestiegen; sie belief sich 1903 nur auf 61 871, 1904 auf 90 213 und 1905 auf 119 521 Stück, das sind 29 308 bezw. 57 650 Stück mehr als in den beiden Vorjahren. Auch die Schweiz sandte im Jahre 1905 6826 Stück Rindvieh mehr als im Jahre 1904; die Einfuhr von 22 650 Stück aus diesem Lande übertraf damit noch die des Jahres 1903 ein wenig. An der Gesamtstückzahl der Rindvieheinfuhr Deutschlands war Oesterreich⸗Ungarn im Jahre 1903 noch mit 75,88 %. 1904 mit 66,82 % und 1905 nur noch mit 57,5 % beteiligt. Dänemark hingegen 1903 nur mit 17,54 %, 1904 bereits mit 28,03 % und 1905 mit 35,5 %, die weiz 1903 mit 6,34 %, 1904 nur mit 4,92 % und 1905 wieder mit 6,73 % Die nach Deutschland eingeführten Schweine sind zum weitaus seößten Teile von Rußland geliefert worden. Die Höchstzahl russi⸗ cher Schweine, deren Einfuhr im Jahre 1905 gestattet war, wurde aber nicht erreicht, selbst diejenige nicht, die sich ergeben würde, wenn seit Mitte November keine Vergrößerung der zulässigen Wochen⸗ einfuhrkontingente erfolgt wäre. Rußland sandte 10 208 Schweine weniger als im Jahre 1903 und nur 341 mehr als i. J. 1904. Insgesamt wurden von den einzelnen Viehgattungen 1905 nach Deutsch⸗

land eingeführt:

2 gegen 1904 gegen 1903 Kühe 128 320 Stück + 19 914 Stück + 7 260 Stiere.. P1I“ 155 33 ie76866896 17 658 16 132 Jungvieh bis zu 2 ½ Jahren 107 970 + 12 133 + 2 176 Kälber unter 6 Wochen. 16 061 + 196 9 435 Rindvieh . 3336 619 + 14 740 16 164 Schweine. 869 863 + 880 9 648.

Außerdem wurden noch 1552 Spanferkel unter 10 kg L dem Vorjahre + 138), 2776 (+ 1212) Hammel und Schafe, 196 (+ 95) Lämmer und 1137 (+ 25) Ziegen eingeführt. Obwohl trotz der bedeutenden Steigerung der Viehpreise in Deutschland während der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres die Einfuhr stetig abgenommen, hat doch auch in dieser Zeit eine Aus⸗ fuhr von lebendem Vieh nach dem Auslande stattgefunden, die zwar i den meisten Viehgattungen geringer als in den Vorjahren, aber immer noch nennenswert, bei Hammeln, Schafen und Lämmern sogar andauernd sehr erheblich war. An Schweinen allerdings, von denen noch im Jahre 1904 fast halb so viel, als zur Einfuhr gelangt sind, nach dem Auslande ausgeführt worden, sind im ganzen Jahre 1905 nur 2474 (ohne Spanferkel) gegen 28 517 i. J. 1904 und 30 308 i. J. 1903, also 26 043 bezw. 27 834 weniger als in den beiden Vorjahren, an Spanferkeln unter 10 kg nur 573, d. s. 2749 bezw. 5511 weniger als in den Jahren 1904 und 1903, ausgeführt worden. Dagegen betrug die Ausfuhr von lebendem Rindvieh im Jahre 1905 noch 8940 Stück, d. s. 1599 bezw. 1389 weniger als in den Jahren 1904 und 1903, und zwar wurden 2220 Kühe Cefhn 1904: 32), 184 Stiere 82 45), 2784 Ochsen († 12), 3068 Stück Jungvieh bis zu 2 ½ Jahren (— 1359) und 684 Kälber unter 5 (s— 175) aus Deutschland nach dem Auslande geliefert Die ebenfalls zurückgegangene, aber immer noch bedeutende deutsche Aus⸗ fuhr von Hemmeln und Schafen, vornehmlich nach Groß⸗ ritannien, Belgien und der Schweiz, belief sich im Jahre 1905 auf 478, d. s. 16 941 bezw. 31 49 weniger als in den Jahren 1904 und 1903, und die von Lämmern auf 22 322; die Ausfuhr von ämmern ist sogar gestiegen und zwar um 9483 bezw. 3890 im Ver⸗

Aeic 4 5 - Herehee An Ziegen wurden 278 (105 mehr als i. J. 1904) ausgeführt. 8 Der Wert der deutschen Ein⸗ und Ausfuhr von lebendem Vieh im Jahre 1905 stellt sich nach vorläufiger Berechnung des Kaiserlichen Fiesnsce Amts, der 8 im wesentlichen die Vorjahrswerte zu runde gelegt sind, wie folgt: ¹ A 88 Aluefuhr: Einfuhrüberschuß: Kühe . 40 934 000 1 168 000 39 766 000 Stiere. 3 624 000 124 000 3 500 000 s 40 511 000 1 526 000 38 985 000 27 640 000 1 169 000 26 471 000 . 1 105 000 49 000 1 056 000 —. 113 814 000 4 036 000 109 778 000 7 336 000 265 000 7 071 000 11 000 14 000 30 000

39 000 9000 Ausfuhrüberschuß:

234 000 3 239 000 3 005 000

755 000

4 000 759 000 Einfuhr: Ausfuhr: Einfuhrüberschuß: . 121 452 000 8 319 000 113 133 000 1904 121 310 000 11 966 000 ‧. 109 344 000 1903. . 127 790 000 13 267 000 114 523 000 1902. . 109 058 000 9 315 000 99 743 000 8 2 ist der für das Jahr 1905 (im wesentlichen nach den orjahrswerten) berechnete Wert des Ueberschusses der Einfuhr über die Ausfuhr zwar ein wenig größer als der des Einfuhrüberschusses des Jahres 1904, bat aber den Wert des Einfuhrüberschusses des Jahres 1903 nicht wieder erreicht. v111“ 3*

J lwvich 1 ungvieh. Kälber ...

Rindvieh Schweine Spanferkel Ziegen.

Schafvieh. Sener

im ganzen: 1905.

Zur Arbeiterbewegung.

Sämtliche Hafenarbeiter der Firma Milchsack in Ruhrort legten, wie die „Rh.⸗Westf. Ztg.“ meldet, am Dienstag die Arbeit nieder. Sie verlangen höhere Löhne.

In Leipzig hat, nach der „Köln. Ztg.“, eine Versammlung von Arbeitern der dortigen Baumwollspinnerei den sofortigen Eintritt in den Ausstand abgelehnt,r aber beschlossen, an der Forde⸗ rung des Zehnstundentages festzuhalten Wenn dieser mit dem 1. April nicht eingeführt wird, dann soll mit Zustimmung des Zentralvorstands des Textilarbeiterverbandes der Ausstand begonnen werden. 4

Einer Nachricht der „Weserzig.“ aus Bremen zufolge sind mit den Schiffern sämtlicher Oberwesergesellschaften Differenzen ausgebrochen. be 2

Kunst und Wissenschaft.

Die Direktion des Königlichen Münzkabinetts läßt am 12. März und an den folgenden Tagen eine große Anzahl von wert⸗ vollen Dubletten altgriechischer Münzen durch die Münzen⸗ handlung Adolf Heß Nachfolger in Frankfurt a. M. versteigern. Im Jahre 1900 erwarb das Berliner Münzkabinett die große Sammlung riechischer Münzen, die der hervorragende Forscher Dr. Imhoof⸗ Blumer in Winterthur im Laufe von Jahrzehnten zusammengebracht hatte. Bei der Einreihun dieses Zuwachses von etwa 22 000 Münzen in die Vestände des Königlichen Münz⸗ kabinetts haben sich naturgemäß eine große Anzahl von Dubletten ergeben, die für das Kabinett entbehrlich sind. Die erste Serie dieser großgriechischen Prägungen aus Unteritalien und Sizilien wurde im Jahre 1902 von der obengenannten Frankfurter Münzenhandlung versteigert. Für die jetzige zweite Versteigerung hat die Firma den Auktionskatalog erscheinen lassen, der in 1169 Nummern die Münzen von Nord⸗ und Mittelgriechenland, Peloponnes und den europäisch⸗griechischen Inseln enthält. Die Asiaten werden erst späterzhin zum Verkauf kommen. Wie die erste Abteilung ist auch die vorliegende reich an herrlichen Geprägen von künstlerischer Schönheit, Seltenheit und bedeutendem wissenschaft⸗ lichen Interesse. Besonders reich sind die Reihen von Geprägen des Großen, von Athen und von Korinth mit seinen olonien.

In der Februarsitzung der Archäologischen Gesellschaft wurde „Die griechische Skulptur“ von R. Kekule von Stradonitz ( der Königlichen Museen zu Berlin, Verlag von G. Reimer) vorgelegt.

Der Direktor bei den Königlichen Museen Wiegand berichtete zunächst über die neuesten Entdeckungen in den Aus⸗ grabungen von Milet. Bei der Niederlegung einer byzantinischen Festungsmauer kam die wohlerhaltene Vorderwand des Theater⸗ proskenions mit einer prächtigen Dekoration von Säulen zum Vor⸗ schein, die unten aus rotem, oben aus schwarzem Marmor bestehen. Freigelegt wurde die ganze nördliche Agora am Löwenhafen, wo sich u. a. eine wichtige Inschrift des V. Jahrhunderts vor Christo fand, ferner ein großer Teil der gewaltigen Thermen der Kaiserin Faustina der Jüngeren. Hier fanden sich lebens⸗ große Statuen des lyraspielenden Apollo und der Musen, Kopien nach den Werken des rhodischen Künstlers Philiskos. Besonders wichtig war die Entdeckung des zur südlichen Agora führenden Markt⸗ tores. Es war etwa 30 m breit und hatte drei Tore. Die zwei⸗ stöckige Architektur mit allen ihren Marmortabernakeln, Giebeln und Halbgiebeln konnte durch den Regierungsbaumeister H. Knackfus völlig rekonstruiert werden. In byzantinischer Zeit diente das Tor als Ein⸗ gang in die große letzte Befestigung der Stadt, welche in die Zeit des Kaisers Justinian gehört, wie eine große Inschrift bewies. In nächster Nähe fand sich eine 80 m lange, sehr interessante alt⸗ byzantinische Kirche. Diese steht vermutlich an der Stelle eines alten Asklepiostempels, zu dem ein 10 m bhreites, reich dekoriertes Rundbogenportal aus Marmor führte. Eine Opferinschrift für Asklepios war in der Kirche verbaut. Auch Orakelinschriften sind gefunden worden. Der Redner ging dann zu seinem speziellen Thema über und entwickelte, wie aus geringen Fragmenten die große Weih⸗ inschrift des Milesischen Rathauses wiedergewonnen werden konnte. Sie lautete: „Timarchos und Herakleides (weihten das Rathaus) für den König Antiochos Epiphanes, dem Apollo von Didyma, der Hestta Bulaia und dem Demos“. Daraus ergibt sich als Erbauungstermin des Rathauses von Milet die Zeit zwischen 175 und 164 vor Christo. Herakleides war der Reichsschatzmeister des Epiphanes, sein Bruder Timarch war Statthalter von Babylonien. Sie waren Milesier von Geburt und von unbegrenztem Einfluß am Hofe der Seleukiden, bis sie von dem jungen König Demetrios gewalisam beseitigt wurden.

Der Heofegef Conze berichtete über die vom Kaiserlichen Archäologischen Institut im Herbst vorigen Jahres in Pergamon unter Leitung des Herrn Dörpfeld, unter Mitwirkung der Herien Hepding, Schazmmann, Zippelius und Susursos ausgeführten Arbeiten. Herr Dörpfeld führte seine Nachuntersuchung im Theater fort. Mit den Mitteln des eae,. wurden die Grabhügel Mal⸗Tepe und Jigma⸗Tepe in Angriff genommen. Die Aufdeckung der obersten Gymnasiumsterrasse wurde bis zur Hälfte vollendet. Das schon im Jahre 1904 gefundene Haus aus der Königszeit, später von einem römischen Konsul Attalos bewohnt, wurde in seinen Resten ganz aufgedeckt. Die Erforschung auch der mohammedanischen Denk⸗ mäler der Stadt wurde durch Herrn Konsul Madtmann neu in An⸗ griff genommen. Der Gesamtbericht über die Arbeiten der Jahre 1904 und 1905 wird in den „Athenischen Mitteilungen“ des Archäolo⸗ gischen Instituts exsgreiger 1

Zum Schluß sprach der Direktorialassistent bei den Königlichen Museen Köster über das Alter des athenischen Niketempels. ÜUnregelmäßigkeiten in der Ausführung des Turmes, über dem sich der Tempel erhebt, und der Befund zwischen Tempel und Propyläen, der sich dem Vortragenden durch eine von ihm veranlaßte Nachgrabung ergeben hat, sprechen dafür, daß der Tempel, entgegen bisherigen An⸗ nahmen, erst nach den Propyläen gebaut worden ist.

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Der Professor Peabody wird seine letzte Vorlesung an der Universität in Berlin am 9. d. M., Vormittags 12 Uhr, im Hör⸗ saal 44, und zwar in deutscher Sprache halten. 1

Land⸗ und Forstwirtschaft.

XXXIV. Plenarversammlung sddes Deutschen Landwirtschaftsrats. In der gestrigen, zweiten Sitzung referierten zunächst Oekonomier Dr. Rabe⸗Halle a. S. und Vibrans⸗Calvörde über die Erhaltun der deutschen Kalilager für die inländische Produktion. Nach kurzer Diskussion wurde ein gemeinsamer Antrag der Referenten einstimmig angenommen, der folgendes besagt: 8

„Das Kali ist einer der wichtigsten Pflanzennährstoffe und ist als Düngemittel der Kulturpflanzen im Landwirtschaftsbetriebe Deutsch⸗ lands nicht mehr zu entbehren. Auch bilden die Kalisalze ein wichtiges Rohprodukt für zahlreiche heimische Industrien. Landwirtschaft un Industrie haben daher ein bervorragendes Interesse daran, daß die Kali⸗ salze dauernd zu mäßigen Preisen der nationalen Produktion zur Ver fügung Sre Aus diesen Gründen muß Vorsorge getroffen werden, daß die im deutschen Boden ruhenden Kalilager in erster Linie dauernd für die Benutzung der heimischen Produktion erhalten bleiben und daß ein Verschleudern an das Ausland vermieden wird. Diese Befürchtungen könnten am einfachsten durch die Verstaatlichung des gesamten Kalibergbaues behoben werden. Da diese aber zunächst nicht zu erreichen dürfte, beschließt der Deutsche Landwirtschaftsrat, 1) dafür einzutreten, daß der Staat seinen Anteil an der Förderung der Kalisalze in eigener Verwaltung so weit aus⸗ dehnt, daß er jederzeit die Preisbildung dieses wichtigen National⸗ produktes in ausschlaggebender Weise beeinflussen kann; 2) zur Ver⸗ hütung der Verschleuderung der Kalisalze an das Ausland und zur Aufrechterbaltung einer in national⸗wirtschaftlichem Interesse liegenden PeFisggetgeh die Einführung eines Kaliausfuhrzolls zu befürworten. Er hält einen solchen in Anbetracht der Monopolstellung Deutsch⸗ lands auf dem Kalimarkte nicht nur für durchführbar, sondern er er⸗ blickt in ihm auch ein geeignetes Mittel, die heimischen Produkte in Feseseetfeen und Industrie im Konkurrenzkampf mit dem Ausland zu schützen.“

Alsdann beschäftigte sich der Landwirtschaftsrat mit der Rege⸗ lung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen auf dem platten Lande. Es berichteten hierüber Graf zu Rantzau⸗Rastorf und Ober⸗ landesgerichtsrat Schneider⸗Stettin, die einen gemeinsamen Antrag zur Annahme empfahlen. Während der sich hieran kaüpfenden lebhaften Diskussion wurde noch eine Reihe weiterer Anträge gestellt, die jedoch die Zustimmung der Mehrheit der Versammlung nicht fanden; Su. a. wurde auch folgender Antrag Engelbrecht abgelehnt: „Der Verkehr mit Kraftwagen sollte auf dem Lande zunächst nur auf den Hagbt setich Verbindungsstraßen zwischen den großen Städten gestattet sein, andere Wege des platten Landes sollten dem Kraftwagenverkehr nur successive geöffnet werden. Kraftwagenbesitzern, welche abseits der allgemein für Kraft⸗ wagen geöffneten Straßenzüge ihren Wohnsitz haben, ist eine besondere polizeiliche Erlaubnis zu erteilen, in der Nähe ihres Wohn⸗ sitzes auch bestimmte andere Straßen zu befahren.“ Dagegen wurde folgender, im wesentlichen dem gemeinsamen Antrage der Referenten entsprechender Beschluß gefaßt:

„I. Es ist dahin zu streben, die Kraftfahrindustrie dem landwirtschaftlichen Betriebe möglichst nutzbar zu machen. Zu diesem Zwecke möge der Landwirtschaftsrat: 1) die Automobilfabriken zur Herstellung dem landwirtschaftlichen Betriebe dienlicher Kraftfahrzeuge anregen, 2) an die Deutsche Landwirtschafts⸗ gesellschaft und an die landwirtschaftlichen Zentralvertretungen die Bitte richten, der Nutzbarmachung des Kraftfahrwesens ihr ernstes Interesse zuzuwenden, 3) dafür eintreten, daß die landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Kraflfahrzeuge von der geplanten Reichssteuer befreit bleiben.

II. Die zur Abwehr der mit dem Kraftverlehr auf dem platten Lande verbundenen Gefahren bestehenden polizeilichen Vorschriften sind unentbehrlich. Der Landwirtschaftsrat wolle für ihre ungeschwächte Aufrechterhaltung eintreten, soweit es sich nicht um Einzelvorschriften handelt, deren strafgerichtliche Durchführung schwierig sein würde, und dabet insbesondere folgende Punkte betonen:

1) Die örtlich zuständigen Polizeibehörden müssen uneingeschränkt im Besitz der Befugnis verbleiben, besonders gefährliche Wege⸗ strecken ganz für den Kraftfahrverkehr zu sperren sowie für minder gefährliche Strecken besondere Vorsichtsmaßregeln (langsame Fahrt, Pehfeneechen bei Begegnungen mit anderweitigem Fuhrwerk oder

iehtransporten) anzuordnen.

2) Es empfiehlt sich, Maximalfahrgeschwindigkeiten fest⸗ zusetzen, einen Geschwindigkeitsmesser für alle Kraftwagen und ihre Revidierung mindestens dreimal im Monat anzuordnen.

3) Die Berechtigung zum Lenken eines Kraftfahrzeugs ist an den Besitz eines Prüfungszeugnisses zu knüpfen. Die Prüfung hat sich nach genau zu normierenden Vorschriften sowohl auf die genaue Keantnis der Konstruktion des Kraftfahrzeugs, wie auf alles zum ordnungsmäßigen Lenken und Regieren des Fahrzeugs Erforder liche zu erstrecken und in einen theoretischen und einen praktischen Teil zu zerfallen. Ferner ist eine periodisch zu wiederholende Nachpri fung vorzusehen. Das Prüfungszeugnis ist wieder zu entziehen, wenn sich nachträglich Unzuverlässigkeit oder mangelnde Befähigung des Inhabers herausstellt.

III. Die Kosten solcher Wege⸗, Neu⸗oder Umbauten, die durch den Kraftfahrverkehr erforderlich werden, dürfen keinesfalls den kleineren, örtlichen wegepflichtigen Verbänden aufgebürdet, sondern müßten landesgesetzlich auf breitere Schultern

kehs werden, und zwar unter kräftiger Voraus⸗ elastung der Interessenten des Kraftfahrverkehrs.

IV. Die Haftpflicht für durch Kraftfahrzeuge an⸗ gerichteten Schaden ist reichsgesetzlich analog der Haft⸗ pflicht beim Eisenbahnbetriebe zu regeln. Zu diesem Zwecke ist eine Zwangsgenossenschaft der Kraftfahrer zu bilden. Diese Zwangsgenossenschaft hat ohne weiteres für alle diejenigen Schäden einzutreten, die durch nicht ermittelte Kraftfahrzeuge angerichtet sind.“

Im weiteren Verlaufe der Sitzung berichtete der Geheime Re⸗ gierungsrat, Professor Dr. Delbrück uͤber den Verkehr mit Essig⸗ essenz als Genußmittel. Er stellte folgenden Antrag, der auch einstimmig angenommen wurde:

„Der Deutsche Landwirtschaftsrat beschließt: Die in Aussicht ge⸗ nommene Regelung des Verkehrs mit Holzessigfäure (Gssig⸗ essenz), dahingehend, „daß im Kleinverkehr, d. h. in Mengen von einem Liter oder darunter, diese Säure höchstens in einer Konzentration von 15 % abgegeben werden darf“, entspricht nicht den Anforderungen, welche im Interesse von Gesundheit und Leben der Bevölkerung gestellt werden müssen. Es ist vielmehr Sorge zu tragen, daß der Handel mit giftiger konzentrierter Essig⸗ säure ebenso wie derjenige mit der Schwefel⸗ oder Salzsäure unter die Vorschriften über den Handel mit Giften gestellt werde. Jedenfalls sollte für im Kleinverkehr abgegebene Essigessenz die Verdünnung bei Mengen bis zu 15 Liter vorg. schrieben werden. Endlich sollte, um der Verfäͤlschung des Gärungsge⸗ essigs mit Holzessigsäure vorzubeugen, die für den menschlichen Geuuß in den Verkehr gebrachte Holzessigsäure mit einem unschäd-. lichen Erkennungsmittel, z. B. mit Phenolphtalein versetzt werden.“ 8&

Den letzten Gegenstand der Beratungen in der gestrigen Sitzung bildete der Schutz der deutschen Milchproduktion, über den Graf zu Rantzau und Geheimer Oekonomierat Andrae referierten. Sie befürwortesen die Annahme eines von ihnen gemeinsam gestellten Antrags, der nach längerer Diskussion in nachstehender Fassung zum Beschluß erhoben wurde

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