11““ “ 11“ 8 “ b ornelius von Bethanien hat sich mit seinem ganzen Anhang bei Chamasis, nordwestlich von Berseba, gestellt unter der einzigen Bedingung der Zusicherung des Lebens, mit Ausnahme der Mörder. Damit ist einer der bedeutenderen Gegner ans Cornelius befand sich von Juni bis September 1904 als Landeskundiger im Stabe des Obersten Deimling und nahm an dem Gefecht bei Waterberg und der anschließenden Verfolgung teil. Krankheitshalber wurde er in Epukiro entlassen. Anfang März 1905 tauchte er zum ersten Male als Führer der Nordbethanier auf und hat seitdem in unablässigen Streifzügen kreuz und quer durch die zerklüfteten Gebirge Südwestafrikas unseren Truppen viel zu schaffen gemacht. Nach der ihm beigebrachten Niederlage an der Aribamsas⸗Pforte am 19. Ja⸗ nuar d. J. wurde die Verfolgung bis in die letzten Tage durch ver⸗ schiedene Abteilungen unermüdlich fortgesetzt, 1egn Cornelius die Weiterführung des Kampfes wohl für aussichtslos h selt.
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Oesterreich⸗Ungarn.
Im österreichischen Abgeordnetenhause begann gestern die Debatte über die Interpellationsbeantwortung, be⸗ treffend die ungarische Frage. Sämtliche Redner betonten, „ zufolge daß die gegenwärtige Lage zur Neu⸗ regelung des Ver 81.. mit Ungarn dränge und die Trennung der Armee, die zu verhindern das Parlament ein Mittel habe, die unbedingte Konsequenz hätte, daß die ungarische Armee von Ungarn vollständig erhalten werden müßte.
Im Laufe der Debatte warf der Abg. Grabmayer der Re⸗ gierung Zögerung vor hinsichtlich der Einbringung des Ermächtigungs⸗ 1r und betonte, die Regierung müßte sich ein genaues Programm sü ie Revision des 67er Gesetzes unter nachdrücklicher Wahrung der österreichischen Interessen vorbehalten. Der Abg. Groß betonte, die deutsche Fortschrittspartei halte unentwegt fest am Drei⸗ bund, wozu eine starke Armee erforderlich sei. Er hob die Wichtigkeit der Stärkung der Industrie und der übrigen volkswirtschaftlichen Bedingungen hervor. Der Abg. Dzie⸗ duszycki schrieb die heutige Lage teilweise dem Um⸗ stande zu, daß die österreichische, seit Jahren der Stütze des Parla⸗ ments entbehrende Beamtenregierung ein ungünstiges Gegengewicht gegen die der Ungarn bilde, weshalb die Einsetzung einer auf die öffentliche Meinung und das Parlament sich stützenden Regierung eine unabweisbare Notwendigkeit geworden sei. Der Abg. Scheicher erklärte, die Grundbedingung für den Bestand der Monarchie sei die Umgestaltung der beiderseitigen Staaten im Sinne der Gleich⸗ berechtigung aller Nationalitäten. Der Abg. Ellenbogen trat für die vollständige politische Unabhängigkeit beider Staaten ein behufs Neuregelung der wirtschaftlichen Angelegenheiten. Die Beratung wurde hierauf abgebrochen.
In Beantwortung einer Interpellation Kramarcz be⸗ züglich der Marokko⸗Konferenz und des handels⸗ politischen Verhältnisses zu Serbien erklärte der Ministerpräsident:
Zur Zeit liege kein Anlaß zu einer Interpretation des der Oeffentlich⸗ keit genau bekannten Allianzvertrages zwischen der Monarchie und der deutschen Reichsregierung vor. Eine nähere Erörterung der aus diesem Bundesverhältnis sich ergebenden gegenseitigen Verpflichtungen sei umsoweniger angebracht, als kein triftiger Grund zu Befürch“ tungen vorliege, daß aus der gegenwärtigen Lage zwischen den Ländern Europas Komplikationen entstehen könnten, die den Frieden, dessen Erhaltung allen Mächten gleich⸗ mißig am Herzen liege, ernstlich gefährden würde. Bezüglich Ma⸗ rokkos, wo die Monarchie ausschließlich wirtschaftliche Interessen ver⸗ folge, halte man an dem Prinzip der Gleichberechtigung und der offenen Tür fest und sei bestrebt, im Verein mit anderen Staaten dieses Prinzip mit all' jenen Garantien für die Zukunft zu umgeben, die eine Schädigung unserer, mit jedem Jahr zunehmenden Export⸗ interessen hintanzuhalten gerignet wären. In diesem Sinne seien Instruktionen an die österrkichischen Delegierten nach Algeciras gesandt.
Bezüglich des letzteren Punktes der Anfrage erklärte der Ministerpräsident:
„Wir wünschen gewiß aufrichtig die Regelung unseres handels⸗ politischen Verhältnisses zu Serbien, können aber nicht umhin, auf der Modifizierung jener Bestimmungen im serbisch⸗bulgarischen Ver⸗ trag zu bestehen, die dem allgemeinen Prinzip des Vertragsrechtes zu⸗ widerlaufen und eine Schädigung unserer Handelsinteressen involvieren würden, und müssen von der Annahme dieser Modifikation seitens der serbischen Regierung die Wiederaufnahme der Vertragsverhandlungen abhängig machen.“
— Der ungarische e. der zur Entgegen⸗ nahme des Königlichen Auflösungsdekrets zu einer Sitzung einberufen worden war, ist gestern usammengetreten. Das amtlich veröffentlichte Dekret begründet die Auflösung des Reichstags damit, daß die zur Mehrheit gehörenden koalierten Parteien die Uebernahme der Regierung ohne Beeinträchtigung der im Gesetze gewährleisteten Königlichen Rechte auf an⸗ nehmbarer gouvernementaler Grundlage hartnäckig verweigerten, und daß demnach eine nützliche Tätigkeit im Interesse des Landes von dem jetzigen Reichstage nicht zu erwarten sei. „MNiach dem Bericht des „W. T. B.“ wurde das Auflösungsdekret im Magnatenhause mit dem Bemerken zur Kenntnis genommen, daß das Haus auf die Einberufung eines neuen Reichstags innerbalb der gesetzlichen Frist hoffe. Die Nation werde dann Gelegenheit haben, über das gegenwärtige Spstem ihr Urteil zu fällen.
In der unter großer Exregung eröffneten Sitzung des Ab⸗ geordnetenhauses teilte der Vizepräsident Rakobsky mit, daß die Umgebung des Parlamentsgebäudes von Militär besetzt und He in die Couloirs eingedrungen sei, ferner daß der Generalmajor
viri eine Zuschrift an den Präsidenten gerichtet habe, in der er darum ersucht, seine Ernennung zum Königlichen Kommissar mit un⸗ beschränkter Vollmacht im Abgeordnetenhause bekanntzugeben sowie das Königliche Handschreiben, das die Auflösung des Abgeordneten⸗ hauses ausspreche, verlesen zu lassen; falls das Haus nicht aus⸗ einandergehe, werde er die Auflösung durchführen. Rakovsky be⸗ antragte, das von dem Generalmajor Nviri übermittelte König⸗ liche Handschreiben uneröffnet dem Absender zurückzugeben, da dieser keinerlei Kompetenz besitze, mit dem Abgeordnetenhaufe in amtl Verkehr zu treten, da ferner die Ernennung eines Königlichen Kom⸗ missars mit unbeschränkter Vollmacht der Verfassung widerspreche, die anordne, daß die Exekutivgewalt nur durch verantwortliche Minister, aber nicht darch unverantwortliche Kommissare ausgeübt werden könne. Ueberdies sei der Generalmajor Nyviri, der der Militärdisziplin unter⸗ — nicht imstande, eine verfassungsmäßige Funktion auszuüben. Dieser Antrag wurde mit Seeeetalen angenommen und für über⸗ morgen eine Sitzung anberaumt.
Nachdem die Sitzung des Abgeordnetenhauses geschlossen worden war, erschien als Vertreter des Königlichen Kommissars der Oberst Fabricius in Begleitung mehrerer Soldaten in dem Sitzungssaal und verlas von der Präsidententribüne in Gegenwart von 30 bis 40 Abgeordneten das die Auflösung betreffende Handschreiben des Königs. Gleichzeitig erklärte der Kommissar, daß, falls versucht werden sollte, trotz der rechts⸗ kräftigen Auflösung die für übermorgen anberaumte Sitzung abzuhalten, dies mit Waffengewalt verhindert werden würde. Hierauf wurde das Abgeordnetenhaus polizeilich ge⸗ räumt, die Türen gesperrt und versiegelt und eine Polizei⸗ wache vor dem Tore aufgestellt. 8
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es in der Thronrede entworfen
Ein Communiqué der Regierung hebt hervor, daß das Auflösungsdekret auf eine baldige Einberufung des Reichs⸗ tags hinweise. Man könne die Auflösung des Reichstags daher nicht als den Beginn des Absolutismus bezeichnen, da die Auflösung ein unzweifelhaftes Recht des Königs sei. Die Entsendung des Könglichen Kommissars, dessen Ernennung unter der See des verantwortlichen Minister⸗ präsidenten erfolgt sei, könne ebenfalls nicht beanstandet werden, da der König seine Rechte auch durch einen Kommissar ausüben könnte. Mit Rücksicht darauf, daß das Abgeordneten⸗ haus das Verlesen des Auflösungsdekrets verhindert habe, habe der Oberst Fabricius unter einer durch die Umstände erforder⸗ lichen militärischen Bedeckung die Verlesung des Dekretes im Ab⸗
eordnetenhause durchgeführt, jedoch sei gegen das Abgeordneten⸗ haus keine Gewalt angewendet worden.
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Großbritannien und Irland.
Gestern ist das Parlament nach dem üblichen Zeremoniell vom König Eduard mit einer Thronrede eröffnet worden.
Nach dem Bericht deg „W. T. B.“ sprach der 9 in der Thronrede zunächst sein Bedauern aus über den Tod des Königs von Dänemark, mit dem er durch die engsten Familienbande ver⸗ bunden gewesen sei, und erwähnte sodann die Abwesenheit der Königin, die infolge der Trauer der Eröffnungsfeierlichkeit ferngeblieben sei. Der König gedachte sodann des erfreulichen Empfanges, der dem Prinzen und der Prinzessin von Wales in Indien bereitet und der ein Beweis sei für die Anhänglichkeit der indischen Untertanen an die Krone, und ferner des Besuches des ihm so nabe verwandten Königs der Hellenen in England, der die freundschaftlichen Beziehungen, die solange zwischen den beiden Ländern geherrscht hätten, bekräftigen werde. Die Beziehungen zu den fremden Mächten seien fort⸗ gesetzt freundschaftliche
Weiter sprach der König seine Freude darüber aus, daß der russisch⸗japanische Krieg durch einen befriedigenden Abschluß der Verhandlungen beendet sei, die der Initiative des Präsidenten der Ver⸗ einigten Staaten zu danken seien. Er erwähnte dann, daß mit dem Kaiser von Japan ein Uebereinkommen abgeschlossen worden sei, durch welches das Uebereinkommen vom Januar 1902 ver⸗ längert und weiter ausgedehnt werde. und fuhr dann fort: „Die vom Sultan von Marokko einberufene Konferenz, die über die Einführung von Reformen in Marokko beraten soll, ist in Algeciras zusammengetreten, und die Delegierten der Signatarmächte der Madrider Konvention von 1880 haben ihre Beratungen —— die noch andauern. Es ist ernstlich zu hoffen, bc das mnis dieser Verhandlungen zur Aufrecht⸗ erhaltung des unter allen Völkern führen wird.“ Dann er⸗ wähnte die Thronrede die auf friedlichem Wege erfolgte Auf⸗, lösung der schwebisch⸗norwegischen Union und die Be⸗ steigung des norwegischen Thrones durch den Schwiegersohn und die Tochter des Königs. Die aufständische Bewegung auf Kreta, hieß es in der Rede weiter, habe nachgelassen. Die Lage in den mazedonischen Wilajets —₰ obgleich sie sich in mancher Be⸗ ziehung gebessert habe, fortgesetzt Grund zur Besorgnis. Der Sultan habe seine Zustimmung zur Einsetzung einer internationalen Finanzkommission erteilt, die die Fin altung in den Provinzen überwachen solle. „Es sei zu hoffen, daß die Wirksamkeit der Finanz⸗ kommission zu heilsamen Reformen und zu einer Besserung der Lage der Bevölkerung führen werde. Um eine verantwortliche Regierung in Transvaal zu schaffen, habe der König angeordnet, daß die neue Verfassung so schnell eingeführt werde,
es sich mit einer sor Beratung der Angelegen⸗ heit vereinbaren lasse. Die hlen zu der ersten gesetzgebenden Versammlung, die im Monat Juli erwartet worden seien, seien infolgedessen um einige Momat⸗ hinausgeschoben worden. Die er⸗ lassenen Anordnungen, nach eine Zulagssung von chinesischen Kulis nicht weiter gestattet n solle, blieben während dieser Zeit in Kraft. Ebenso werde eine verantwortliche Regierung in der Oranje⸗Kolonie gebildet. Die Kolonialkonferenz sei bis Anfang nächsten Jahres verschoben worden. Der König sprach so⸗ dann seine Befriedigung aus über die ständige “ der Ein⸗ und Ausfuhr; die Industrie des englischen Volkes bewege sich all⸗ gemein auf fortschreitenden Bahnen. Sodann lenkte der König die ufmerksamkeit des Parlaments auf die Vermehrung der Ausgaben des Staates während der letzten Jahre und die haupt⸗ sächlichsten Verbindlichkeiten desselben. Von den Ministern würden Pläne erwogen zur Einführung von Verbesserungen und jur Erzielung von Ersparnissen in dem Regierungssystem Irlands durch die Be⸗ teiligung des Volkes an der Führung der irischen Angelegenheiten. Der König gab dann dem Wunsche Ausdruck, daß die Regierung des Landes im Vertrauen auf das ordentliche Gesetz weiter geführt werde in einem, soweit es die Umstände gestatten, auf die Wünsche und Gefühle der irischen Bepölkerung Rücksicht nehmenden Geiste; er habe das Ver⸗ trauen, daß dies zur Aufrechthaltung der Ruhe und der guten Ge⸗ sinnung unter den verschiedenen Klassen der Gesellschaft führen werde. Die Thronrede führte dann verschiedene Maßregeln für Großbritannien auf, darunter eine Untersuchung über die Mintl, durch die eine größere Anzahl der Bevölkerung auf das Land gezogen und ihm er⸗ halten werden könnte, ferner eine Abänderung des Schulgesetzes, Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen und Nas. regeln betreffend die Gesetze über die Kauffahrteischiffahrt.
In der auf die Eröffnung des Parlaments folgenden b 1 Sitzung wurde die Adresse zur Beantwortung der Thronrede beraten. 1
Im Oberhause führte der Marquis of Lansdowne im Laufe der Debatte aus: „Wir alle hoffen, daß die Konferenz in Algeciras die Aufrechterhaltung des Friedens zwischen den Nationen sichern wird, und daß man nicht zulasse, daß irgend eine internationale Rivoelität sich einer dauerhaften Regelung der gegenwärtigen Schwierig⸗ keiten in den Weg stellt. Ich glaube, die beste Hoffnung auf eine glückliche Lösung würde darin liegen, daß man eine Macht dazu bewegen könnte, die Verantwortung für eine bessere Re⸗ gierung in Marokto auf sich zu nehmen, mit der Zusti ung und dem Wohlwollen aller derjenigen, die in Marokko besondere Interessen haben, und mit geeigneten Maßregeln für die Wahrnehmung so Interessen.“ Der Marquis of Ripon gab in seiner Erwiderung auf die Bemerkungen des Marqais of Lansdowne und anderer Redner seiner Befriedigung über die Beendigung des russisch⸗japanischen Krieges Ausdruck, wobei von beiden Seiten dankenswertes Entgegenkommen gezeigt worden sei. „Die jetzige Regierung nimmt“, erklärte der Redner, den englisch⸗japanischen Vertrag in demselben Sinne hin, in dem er abgeschlossen ist, und wir sind fest entschlossen, die hierdurch zwischen 2 Ländern eingegangenen Ver⸗ pflichtungen genau und pünktlich zu erfüllen. Wir sind stolz auf alle Beziehungen, in die wir mit einem so tapferen Volk, wie die Japaner es sind, getreten sind, und wir werden unweigerlich auch auf diesen Vertrag die Ständigkeit der Politik zur Anwendung bringen, die bei der Besprechung hervorgehoben ist.“ In bezug auf die
8. “ 1 sagte in bezug auf die Kon lgeciras: „Wir wissen, daß wir als Freund b Nachbarstaats Frankreich zur Konferenz gegangen sind, und daß wir als Freund Frankreichs bereits ein bkommen ge⸗ troffen hatten, das für uns zufriedenstellend war, und von dem wir hofften, daß es für andere Länder annehmbar sein würde. Wenn wir durch diplomatische Mittel das fördern können was wir für das gerechtfertigte Interesse Frankreichs halten, so bin ich ganz sicher, daß dies mit den Wünschen des ganzen Haufes über⸗ einstimmen wird.“ Chamberlain ging dann ausführlich auf die Lage in Transvaal ein. Ueber die in der Thronrede enthaltenen Anden⸗ tungen über Maßnahmen bezüglich der irischen Angelegenheiten sagte Chamberlain, sie seien rätselhaft, und er bemerke schon jetzt, daß die Opposition allen Maßnahmen, die auf Homerule abzielten, fort esetzten Widerstand entgegensetzen werde. Er wiederholte dann, da seiner Ueberzeugung nach eine Zollreform notwendig sei. In Beantwortung der Anfrage Chamberlains, ob die Regierung über die Konferenz in Algeciras Mitteilung machen könnte, führte Campbell⸗Bannerman aus: soweit der Regierung bekannt sei, schritten die Angelegenheiten in langsamer, aber fücriedenstellender Weise fort. Die Beziehungen Englands zur französischen eegierung blieben gewiß dieselben, die sie wären. Die britische Regierung lasse der französischen jede diplomatische Unterstü ung angedeihen, die in ihrer Macht stehe, sie gebe diese ohne das geringste nicht nur für vollkommenes gutes Einvernehmen, ondern für direkte Freundlichkeit Englands zu allen in Betracht kommenden Mächten. Es sei recht und angebracht, daß dem britischen Volke immer und immer wieder gesagt werde, daß die Verständigung mit Frankreich, die in voller Stärke unverändert fortbestehe, keine schlimmen Absichten gegen irgend eine andere Nation oder Regierung in sich schließe, und daß die britische Regierung in dieser Verständigung nur ein Mittel zu finden wünsche, jene freund⸗ lichen, jene sozusagen herzlichen Gefühle zwischen England und Frank⸗ reich zu bekräftigen, die sie zu fördern bedacht sei. Weiter sprach dann Bannerman ausführlich über die Angelegenheiten Transvaals und führte aus, die britische Regierung strebe auf einen schließlichen Staatenbund in Südafrika hin, aber der Einrichtung einer ver⸗ antwortlichen Regierung in Transvaal müßten Untersuchungen darüber vorausgehen, auf was für ein Wahlsystem eine solche Regierung ge⸗ gründet sein solle. Die Frage der Anwendung chinesischer Arbeitskräfte in den Minen müsse von den in Transvpaal Ansässigen entschieden werden, sobald sie eine verantwortliche Regierung erhalten hätten, mittlerweile aber würden die Bestimmungen, betreffend die Arbeits⸗ leistungen durch Chinesen, geändert werden. Ueber die irischen Angelegenheiten äußerte sich Bannerman dahin, i Unionisten auf Grund des Vertrauens, das sie durch kürzlich getroffenen Maßnahmen dem irischen Volke gezeigt hätten, ein umfassenderes System für die Beteiligung des irischen Volkes an der Führung der irischen Angelegenheiten eher freudig begrüß als sich ihm widersetzen sollten. Die Aufhebung der Ausnahmegesetze gegen Irland sei ein Teil der Regierungspolitik. Dank der Energie Chamberlains sei die Zollfrage in eine neue Phase getreten, und Chamberlain sei nicht Führer der Opposition, sondern Führer des Führers der Opposition.
Im Laufe der weiteren Diskussion sagte Redmond, daß Irland der Schandfleck des Reiches und sein kostspieligster, am schlechtesten regierter Bestandteil wäre. Die trische Partei wäre nicht im
arlament, um geringfügige Verbesserungen der Lage des trischen Volkes, sondern um gänzliche Freiheit für ihr Land zu erreichen, und die gegenwärtige Regierung hätte die Verpflichtung übernehmen müssen, das Homerulegesetz für den Zeitraum von 20 Jahren zu ge⸗
währen. Die Deputiertenkammer begann “ SelenFelhasget.
Na ericht EIS te Racanet (S eine Interpellation ein, betreffend den g warf der Reg 2 vor, daß sie der Mission de Brazzas Hindernisse bereitet und den Bericht der Mission nicht veröffentlicht habe. Sodann kritisierte der vavg. die Haltung Gentils während seines Aufenthalts im Congo⸗ gebie
FHFierauf wurde die Weiterberatung auf heute vertagt.
Der Handelsminister Timiriasew hat seinen Abschied wegen Meinungsverschiedenheit mit dem Kabinett in Fragen der allgemeinen Politik eingereicht.
— Laut Meldung der St. Petersburger Telegraphen⸗ agentur aus Tschita sind der Gouverneur und der Vize⸗ gouverneur vom General Rennenkampf wegen Unfähigkeit von ihren Aemtern abgesetzt worden.
“ 1
Die „Agence Havas“ der Polizeifrage folgende deutsche Note und die darauf ergangene französische Antwort: Die am Dienstag v. W. übergebene deutsche Note schlägt zunächst vor, die Polizei in den Händen des Sultans zu belassen, der Hern. Offiziere wählt, um sie mit der Organisation des olizeikorps zu beauftragen. Die Note schlagt dann weiter vor, daß die Organisation der Polizei von dem diplomatischen Korps in Tang er überwacht werden und daß ein einer neutralen Macht angehöriger Offizier als Mittelsperson für die Ueberwachung dienen soll. Die vorgestern übergebene französische Antwort erklärt sich damit einverstanden, daß die Organisation der Polizei dem Sultan überlassen wird unter der Be⸗ dingung, daß die von ihm mit dieser Organisation in den Seestädten Marokkos beauftragten Offtziere Franzosen und Spanier sind. In der Antwort heißt es weiter, Frank⸗ reich werde sich nicht ₰ später die Frage der Ueber⸗ wachung zu prüͤfen, wenn Deut einverstanden erklärt, daß die mit der Organisation der Polizei beauftragten Offiziere Franzosen und Spanier sein sollen. Hierzu bemerkt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“:
. In den Vorbesprechungen in Algeciras wurde zuerst von französi⸗ scher Seite ein Doppelmandat an Frankreich und Spanien zur Organisierung der Polizei angeregt. Deutschland konnte darauf ni eingehen, weil damit Frankreich das absolute politische Uebaufe nicht auch im Westen Marokkos verliehen würde, was mit den Grundsätzen der Internationalität und der offenen Tür nicht ver⸗ träglich erscheint. Die deutschen Delegierten erhielten dann den Auftrag, vorzuschlagen, daß dem Sulkan die Verpflichtung aufzuerlegen sei, die Polizei mit Hilfe fremder Instrukteure und unter Uekerwachung durch das diplomatische Korps in Tanger selbst zu organisieren, und zwar sollte der Sultan entweder auf Instrukteure
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grlegenbeiten zum Ausdruck und
Spanien.
Konferenz in Algeciras sagte Rivon: „Ich wüßte im Augen⸗ blick nichts, was mich veranlassen könnte, an einem be⸗ friedigen Abschluß der Konferenz zu zweifeln. So wie die Sache jetzt liegt, werden wir bekanntlich Frankreich unsere volle diplomatische Unterstützung zuteil werden lassen, und der dortige britische Ver⸗ treter hat dementsprechende Instrukzionen erhalten. Wir haben ohre Frage auch einige gleichberechtigte Interessen in Marokko, aber diese Interessen beziehen sich haupt ächlich auf Aufrechterhaltung der Drdnung und des Prinzips der offenen Tür sowie den Forschritt der Zivilisation. Nach weiterer Diskussion wurde die Adresse angenommen. Im Unterhause sprachen sich Acland und Dickinson an⸗ erkennend über das ramm für die soziale Gesetzgebung aus, wie erfen sei. Chamberlain brachte seine Be⸗ Erklärungen in bezug auf die auswärtigen An⸗
friedigung über die
gierte
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von Mächten zweiten Rarnges beschränkt sein oder freie Wahl unter den verschiedenen Nationalitäten haben. Da der französische Dele⸗ 1 Révoil sogleich Bedenken gegen die erste Alternalive erhob, beschränkte sich der deutsche Delegierte von Radowitz auf die
zweite: freie Wahl des Sultans.
Die französische Antwort lehnt den deutschen Vorschlag ab und unterscheidet sich in der Sache nicht wesentlich von der früheren For⸗ derung eines französisch⸗spanischen Doppelmandats. In der praktischen
Wirkung würde der französische Gegenvorschlag doch darauf hinaus⸗
laufen, Frankreich einen fast auss
ließlichen polilischen Einfluß am
atlantischen Küstengebiet zu verschaffen und damit die freie Entwick⸗
lung der wirtschaftlichen Interessen zu beeinträchtigen. Eben weil Deutschland die durch die algerische Grenzlage gegebene, durch Verträge befestigte besondere Stellung ; zu Marokko anerkannt und ihm daher in dem Grenzgebiete freie Hand gelassen
u““] “ veröffentlicht aus Algeciras bezüglich
schland sich mit dem Grundsatze
hat, kann es sich nach seiner ganzen bisherigen Politik nicht wohl dazu verstehen, Frankreich auch noch den entscheidenden politischen Einfluß an der marokkanischen Küste unter Ausschluß aller nicht durch Separatverträge gebundenen Mächte zu übertragen. Erscheint uns daher auch die französische Antwort nicht befriedigend, so wollen wir och noch nicht die Hoffnung aufgeben, daß eine Verständigung auch in der Polizeifrage schließlich erzielt werden wird.
— In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer
tfertigte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Ministerpräsident Moret den Gesetzentwurf, betreffend die Ueberweisung der Aburteilung von Vergehen gegen die Armee und das Vaterland an die Militärgerichtsbarkeit, mit der Notwendigkeit, den Zwiespalt zwischen dem militärischen und dem bürgerlichen Element auf parlamentarischem Wege zu lösen.
Der Deputierte Maura, der Führer der konserbativen Partei, erklärte im Laufe der Debatte, daß die Konservativen für das Gesetz timmen würden, da dieses den unglücklichen Verhältnissen in Spanien ein Ziel setzen würde. Moret verlangte darauf eine dringliche Ab⸗ stimmung. Infolge heftiger Opposition der Katalanisten wurde die Sitzung unterbrochen; nach ihrer Wiedereröffnung erneuerten die Katalanisten ihre Angri
“
Der König Frederik hat, einer Depesche des „W. T. B.“ zufolge, gestern nachstehenden Dankerlaß bekannt geben lassen:
achdem unser heißgeliebter, im Herrn dahingeschiedener Vater jetzt zur letzten Ruhe bestattet ist, ist es für meine Geschwister, meine Gemahlin und mich, die wir alle an der Bahre des Königs ver⸗ sammelt gewesen waren, ein tiefgefühltes Bedürfnis, dem dänischen Volke unsern innigsten und wärmsten Dank für alle die liebevolle Teilnahme auszusprechen, für die wir in diesen Tagen der Sorge so mannigfaltige, rührende und teure Beweise erhalten haben. Nach dem Trost, den wir bei dem suchen, der in seiner Gnade unseren lieben Vater so sanft, so ruhig und so schön zu sich rief, finden wir, seine Kinder, unseren besten Trost in dem Bewußtsein, daß das Volk mit uns über das Hinscheiden seines alten unvergeßlichen Königs trauert. Gott segne das Volk und das Vaterland!
Amerika.
Wie „New York World“ berichtet, hat das mit dem Ent⸗ wurf einer Gesetzgebung für die Lebensversicherung beauftragte Prüfungskomitee die Annahme einer Gesetzgebung nach dem Muster des preußischen Gesetzes empfohlen, in der Absicht, daß es den Versicherungsgesellschaften nicht gestattet sein soll, ihre Kapitalien in Aktien anzulegen. Es soll den Gesellschaften ein Zeitraum von 5 Jahren gewährt werden, innerhalb dessen 22. über ihr gegenwärtiges Vermögen Ver⸗ fügung treffen sollen.
8 8 vf 88— in Washington eingegangenen Meldung des „Reuterschen Bureaus“ ist ein Mordversuch gegen den Präsidenten der Republik Kolumbien, Reyes, am am 10. d. M. verübt worden. Als der Präsident im Wagen
fuhr, wurden acht Schüsse abgegeben, von denen fünf den Wagen trafen. Der Präsident blieb unverletzt. 8
— Die Streitfrage zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Venezuela wegen der An⸗ gelegenheit der Asphaltgesellschaften wird auf Antrag
sidenten Castro dem Haager Schiedsgerichtsh Entscheidung zugewiesen werden. 1u“
Nach einer Depesche des „W. T. B.“ besetzten die nieder⸗ —— Truppen vorgestern nach heftigem Widerstand das Dorf Balboenta in der Landschaft Loewoe in Süd⸗Celebes. Der Feind hatte 90 Tote. Von den Regierungstruppen wurden 11 Mann verletzt. Das Dorf Masambo unterwarf sich.
Wie dem „Matin“ unter dem vorgestrigen Datum aus Melilla gemeldet wird, hat der Dampfer „Turki“ die Faktorei Mar Chika beschossen und einen Teil der Gebäude in Trümmer gelegt. Die Rebellen erwiderten das Feuer, jedoch ohne Schaden anzurichten. “
Parlamentarische Nachrichten. 8
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des ne ne e an, der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— In der heutigen (48.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatsminister, Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner beiwohnte, stand der am 7. März 1905 in Adis⸗Abeba abgeschlossene deutsch⸗ äthiopische Freundschafts⸗ und Handelsvertrag zur ersten und event. zweiten Beratung. br “
Abg. Patzig (nl.): Ich möchte die erste Beratung nicht vorüber⸗ ehen e. 52 ash; Anerkennung dafür auszusprechen, daß es ge⸗ ungen ist, in dieser weitgehenden Weise wirtschaftliche Vorteile für den deutschen Wettbewerb in Abessinien zu sichern, die offene Tür für uns zu gewinnen und für das Deutsche Reich und seine Arbeit Vorteile zu sichern. Der Vertrag ist auf 10 Jahre geschlossen. In diesen 10 Jahren werden sich zweifellos die Dinge so weit entwickeln, daß wir zu einem konziseren Vertrag kommen als dieser, der über die bisher geschlossenen Verträge hinausgeht. Ich darf hinzufügen, daß wir in Abessinien irgendwelche politischen Hintergedanken bei dem Abschluß folcher Verträge und bei dem Eintritt unseres deutschen Handels in dieses Land überhaupt nicht verfolgen. Wir haben lediglich die Absicht, gleichberechtigt mit den übrigen Nationen dort Handel und Wandel zu pflegen. Nun sind ja im Augenblick einzelne wichtige deutsche Interessen bereits in Abessinien entwickelt, wir werden darüber wohl später noch nähere Auskunft erhalten. Wir müssen aber auch bei dieser Gelegenheit das Verdienst der Persönlichkeiten an⸗ erkennen, die sich um das Zustandekommen des Vertrags bemüht und ihn vorbereitet haben. Ich gedenke hier vor allen Dingen des ersten Unterhändlers, dem es gelungen ist, die vorhandenen Schwierig⸗ keiten zu überwinden, namentlich die Hindernisse, die früher gegen den Zutritt jedes Deutschen, Oesterre chers und Italieners in
bessinien bestanden. Anerkennung verdient auch unser Vertreter Dr. Rosen und die außerordentliche Gesandtschaft, die sich um das Bustandekommen dieses Vertrages ein erhebliches Verdienst erworben aben. Dr. Rosens Verdienst ist um so höher anzurechnen, als ihm Ver⸗ hältnisse gegenübertraten, die ihm vollständig fremd waren. Man konnte vielleicht geneigt sein, die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands in Abessinien zu überschätzen, umsomehr ist der Bericht Dr. Rosens snrertenen, der uns uber die 28. vgle, Fenben, en.
t. Ich möchte die Hoffnung hinzufügen, daß es der Tatigkei⸗ e Schnec . möge, noch möglichst viel für Deutschland auf wirtschaftlichem Gebiete herauszuschlagen. Ich bedaure, daß das Kautschukmonopol an England gegeben worden ist, und ich hoffe, daß es bei dem Bau von Eisenbahnen, die dort geplant sind, gelingen wird,
wurde der Vertrag in seinen Einzelheiten angenommen.
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erner wünsche ich, daß es der Tätigkeit unseres Gesandten gelingen 8 das . mit 8. postalischen Cners heßen die noch recht unzulänglich sind, dem Weltpostverein anzuschließen. Der Vertrag sichert uns Freiheit für den Handel und und die offene Tür, ich kann Ihnen deshalb nur empfehlen, den Vertrag anzunehmen. Damit schloß die erste Beratung. In zweiter Beratung
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— Das Haus der Abgeordneten setzte in der heuti en (27.) welcher der Justizminister Dr. Beseler bei⸗ wohnte, die zweite Beratung des Staatshaushaltsetats für das Etatsjahr 1906 und zwar zunächst die bei dem ersten Ausgabetitel des Etats der Justizverwaltung, „Gehalt des Ministers“, übliche allgemeine Besprechung fort.
Abg. Pallaske (kons.): Ich habe mich eines Auftrags meiner politischen zu entledigen. Zu nicht gerade erfreulichen Be⸗ trachtungen gibt der vielgenannte Plöpenseeprchef Anlaß. Zwei Berliner Blätter, darunter der „Vorwärts“, hatten schwere Beschuldi⸗ gungen gegen die Verwaltung der Strafanstalt Plötzensee, besonders gegen die Gefängnisärzte gebracht, denen sie empörende Behandlung von Gefangenen, sogar von geisteskranken Gefangenen vorwarfen. Nach zweiwöchiger, an Aufregungen reicher Gerichtsverhandlung wurde zu meinem Bedauern ein Pakt zwischen den beleidigten Aerzten, ihrer vorgesetzten Behörde und dem Staatsanwalt einer⸗ seits und den angeklagten Redakteuren andererseits geschlossen und das Verfahren eingestellt. Dem „Urteil des Abg. Lüdicke, daß dies eine Kapitulation der Staatsgewalt vor den Re⸗ dakteuren, speziell den sozialdemokratischen, und ein Schlag gegen das Ansehen unserer Justiz war, muß ich mich an⸗ Les. Der Minister hat darauf keine Antwort geben können, weil der Vorgang sich noch unter seinem Amtsvorgänger abgespielt hat. Nun ist der Prozeß vorzeitig beendet worden, indem die An⸗ geklagten eine Erklärung abgaben, wonach sie lediglich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Reformbedürftigkeit des Strafvollzugs bätten lenken wollen, daß sie weder den Nebenklägern, noch der Justizwer⸗ waltung einen Vorwurf hätten machen wollen usw. Wenn diese Er⸗ klärung der angeklagten Redakteure, nachdem der Wahrheitsbeweis zusammengebrochen war, nachdem die völlige Haltlosigkeit ihrer Behauptungen ergeben hatte, aus freien Stücken abgegeben worden wäre, so wäre dadurch ein freundliches Licht auf die An⸗ geklagten gefallen, und auch politische Gegner hätten ihnen ihre Sympathie nicht versagen können. Aber sie hatten aus Partei⸗ fanatismus einen erbitterten Kampf gegen die Justizverwaltung auf⸗ genommen, und diese Erklärung ist nicht aus freien Stücken e. sondern erst nach der Zurücknahme des Strafantrags haben sie sich dazu herbeigelassen. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß ich hierin eine eigenartige Kapitulation der Staatsgewalt vor den Angeklagten erblicke. Nun muß ich ja anerkennen, daß, wenn der Prozeß nicht auf diese Weise am 9. Juli vorigen Jahres zu Ende gebracht worden wäre, wir vielleicht noch heute mitten in diesem Prozeß stehen würden, der bereits einmal⸗vorher vertagt gewesen war. Solche und ähnliche Erwägungen dürften schließlich die Justizverwaltung und die Staatsanwaltschaft dahin gebracht haben, dem grausamen Spiel ein Ende zu machen. Jedenfalls ist sehr zu bedauern, daß es in diesem Falle durch eine mit allen Künsten der Demagogie betriebene Aktion möglich geworden ist, die Staatsgewalt gewissermaßen lahm zu legen, und wir können nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß derartiges künftig nicht wieder vorkommen wird. Im Anschluß an die Sonnabendverhandlung empfehle auch ich bei der künftigen Straf⸗ rechtsreform die schärfere Bestrafung der Beleidigung und Verleumdung. ute wird die Ehrabschneidung, die Ehrverletzung durchaus nicht inreichend vom Strafgesetz getroffen, in vielen Fällen erfolgt Frei⸗ sprechung oder eine ganz gelinde Bestrafung; ja, es ist unter den utigen Vorschriften, namentlich auch hinsichtlich des Wahrheits⸗ weises, oft sehr schwer, wenn nicht ganz unmöglich, vor Gericht die Wiederberstellung der verletzten Ehre zu betreiben und durch⸗ zusetzen. Ferner stimmen wir den ü Forderungen bei, welche sich auf die Vermehrung des Personals an Richtern und Justizverwaltungsbeamten behufs schleunigerer Erledigung der Prozesse beziehen. Mit Befriedigung begrüßen die darauf bezüglichen, in diesem Etat enthaltenen Vorschläge; aber diese reichen bei weitem nicht aus. Auch den Klagen, zu deren Dolmetscher sich speziell der Abg. Broemel gemacht hat, den Klagen, daß das Publikum ebenso überbürdet ist wie die Richter, daß nicht nur die Sitzungen sich ganz ungebührlich ausdehnen, sondern daß auch das Publikum zu überlangem Warten gezwungen wird, können wir uns nur an⸗ schlißen. Wir wünschen ferner lebhaft eine Erweiterung der uständigkeit der Amtsrichter. Mit der Mehrzahl meiner politischen reunde trete ich diesmal auch für die Gleichstellung der Gerichts⸗ ekretäre mit den gleichgestellten Beamten der Verwaltun sbehörden ein. Wir waren bisher gegen diese Forderung, aber die Mehr⸗ zahl von uns hat sich davon überzeugt und anerkennen müssen, daß bezüglich der Leistungen sowohl als auch der Vorbildung der Anspruch auf Gleichberechtigung mit den Regierungssekretären gerechtfertigt ist. Ueber die künftige Gestaltung unserer Strafprozeßordnung zu sprechen, ist nach unserer Meinung ebenfalls hier im preußischen Abgeordnetenhause der Ort und auch die vet. nachdem in den Landstuben zu München, Dresden ꝛc. unter Mitwirkung der Minister davon gesprochen worden ist. Wenn es sich auch um eine Aufgabe der Reichsgesetzgebung handelt, so ist doch der prenßische Staat in der Lage, auf die Neccegesego.dae kelerseeh einzuwirken. Es ist aber auch Zeit und zwar hohe Zeit, darüber zu sprechen. Die verbündeten Regierungen haben im Reichsjustizamt eine Kom⸗ mission von Sachverständigen zur Vorberatung dieser Reform zu⸗ sammenberufen, der Professoren, Verwaltungsbeamte ꝛc. ü ur Erörterung steht in dieser Kommission auch die Frage der Bei⸗ haltung der Schwurgerichte oder ihrer Ersetzung durch große Schöffengerichte. Neuerdings hat der sächsische Justizminister erklärt, es werde an den Schwurgerichten festgehalten werden, man werde an ihnen nicht rütteln. Wir stehen auf einem anderen Standpunkt, wir halten die Ersetzung der Schwurgerichte durch große Schöffen. gerichte für angezeigt und geboten. Man schilt uns dafür reaktionär; aber wir erwidern: Aus reiner Gefühlspolitik ohne sachliche Gründe an etwas Bestehendem festzuhalten, ist falsch. Und nun gar die Phrase von dem Palladium der politischen und bürgerlichen Freiheit. Es bandelt sich um keine politische Frage: ich wüßte auch wirklich nicht, wie wir Konservativen von Partei wegen dazu kommen sollten, uns gegen die Schwurgerichte zu wenden. Wir wünschen auch keine Aufhebung, sondern nur eine zweck⸗ mäßige Umgestaltung der Mitwirkung des Volkes bei der Recht⸗ sprechung. Diese Zweiteilung in unserer Rechtspflege, nach der die Geschworenen über die Schuldfrage entscheiden und ein anderer Ge⸗ richtshof über die Art der Strafe befindet, halten wir für geradem unnatürlich. Wir meinen auch, daß ein Angeklagter bei dem Berufs⸗ richter besser aufgehoben ist als bei den Geschworenen; denn wieder⸗ holt haben „ die Geschworenen irrtümlicherweise schuldig ge⸗ sprochen. Sie sollen aus alledem entnehmen, daß, wenn wir für eine zweckmäßige Umgestaltung der Schwurgerichte eintreten, wir uns lediglich von sachlichen Gründen leiten lassen. In einer anderen Frage hoffe ich nicht nur auf die Zustimmung meiner Freunde, sondern auch der anderen Parteien, nämlich in der Frage einer Entlastung der Geschworenen. Es ist nicht richtig, daß während einer Schwurgerichts⸗ periode Tag für Tag 30 Männer nach dem Gericht gehen und stunden⸗ lang warten müssen, damit bei einer Beanstandung von Geschworenen durch den Staatsanwalt oder den Angeklagten Ersatzmänner da sind. Wir halten fest an der Mitwirkung des L elements, aber sie muß in zweckmäßiger Weise umgestaltet werden. (Schluß des Blattes.)
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Dem Reichstage ist der Vertrag zwischen dem Fiskus des Sns degich Sidwesafrie und der Deutschen Kolonial⸗ Eisenbahnbau⸗ und Betriebsgesellschaft zu Berlin über den Bau einer Eisenbahn von Lüderitzbucht nach Kubub zur Kenntnisnahme zugegangen.
Statistik und Volkswirtschaft.
8 Zur Arbeiterbewegung. Die im „Verband der baugewerblichen Hilfsarbeiter“ organisierten Brunnenbauer und Hilfsarbeiter Berlins und der Umgegend waren, der „Voss. Ztg.“ zufolge, am Sonntag versammelt, um über die in Aussicht genommene Lohnbewegung zu beraten. Es wurde be⸗ schlossen, die im Jahre 1905 vertagte Bewegung in diesem Jahre durchzuführen und eine Kommission beauftragt, gemeinsam mit dem Vorstand des Verbandes auf der Grundlage der im vorigen Jahre aufgestellten Forderungen einen Lohntarif auszuarbeiten, der am 5. März einer Versammlung zur Beschlußfassung unterbreitet werden soll. — An demselben Tage fand auch eine ahlreich besuchte Versammlung der im technischen Hartgummi⸗ fas beschäftigten Arbeiter statt, die über die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage berieten. Vertreten waren zehn Betriebe, dar⸗ unter die Siemens⸗Schuckert⸗Werke sowie das Kabelwerk zu Ober⸗ schöneweide. Der Durchschnittswochenverdienst soll sich auf 25 ℳ stellen, steigt in einzelnen Fällen über 40 ℳ, soll aber auch häufig unter 20 ℳ heruntergehen. Die zehnstündige Arbeitszeit ist vor⸗ herrschend. Verlangt wird die allgemeine Einführung der Lohnarbeit und gänzliche Abschaffung r B“ Weitere Versammlungen werden zur Tariffrage Stellung nehmen. Aus Leipzig wird dem „W. T. B“ telegraphiert: In der gestrigen Kommissionssitzung des Verbandes von Arbeitgebern der sächsischen Textilindustrie wurden E“ Prüfung der Verhältnisse die Arbeitseinstellungen eines Teiles der Arbeiter der Leipziger Baumwollspinnereien als vertragswidrig und unge⸗ rechtfertigt erklärt und den genannten Etablissements der Schutz des Arbeitgeberverbandes zugesichert. (Vgl. Nr. 42 d. Bl.) 8
In Hamburg sind, wie der „Frkf. Ztg.“ gemeldet wird, 5000 Schauerleute und 800 Kohlenarbeiter in eine Lohn⸗ bewegung eingetreten, nachdem kleinere Arbeiterkategorien im Hafen in voriger Woche teilweise auf friedlichem Wege Zugeständnisse erzielt atten. . 1 8 1 Der Kongreß der Bergleute aus dem Bezirk Charleroi hat, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, einen Beschluß angenommen, nach 8 welchem die Bemühungen fortgesetzt werden sollen, um von den Grubenleitungen, die noch keine Lohnerhöhung zugestanden haben, eine solche zu erwirken. Die Belegschaften wurden aufgefordert, sich nicht in Teilausstände zu begeben.
8 KRKunst und Wissenschaft..
Für die im Jahre 1906 vom Verbande der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein geplante große Kunstausstellung in Cöln werden die Vorbereitungen eifrig betrieben. Aus Bürgerkreisen gingen dem Unternehmen reiche Geldspenden zu, sodaß sich der Etat der Aus⸗ stellung bereits auf 511 820 ℳ beläuft. Die Ausstellung soll charakteristische Werke deutscher Malerei aus allen und Schulen, vornehmlich der rheinischen Malerei, umfassen. Eine besondere Ab⸗ teilung soll eine Sammlung wertvoller Porträts Cölner Bürger aus allen Zeiten bilden; ferner ist eine Empire⸗Ausstellung in Aussicht genommen. 88
LELand⸗ und Forstwirtschafs.
Die Zentrale für Viehverwertung, e. G. m. b. H., hat ihre 8. ordentliche Generalversammlung am Freitag, den 16. Februar, unter sehr reger Beteiligung ihrer Mitglieder in Berlin 18. Felhen Der Vorsitzende des Vorstands, Landesökonomierat Ring, konnte von einer günstigen Entwickelung des Geschäfts, die fast eine Verdoppelung der vorjährigen Umsätze in Vieh bedeutet, berichten, und die Generalversammlung war in der Lage, nicht nur wiederum sehr hohe Abschreibungen und Rückstellungen vorzunehmen, sondern auch, wie in den vorhergehenden 3 Jahren, die Verteilung einer Dividende von 6 v. H. 82 die v. Seeefsegeüetle vs
ließen. Lebhafte Anerkennung fand das erfolgreiche Eingreifen der Flieffn. dft zur Linderung der Fleischteuerung in Oberschlesien durch 8 Lieferung von Schweinen ꝛꝛc. Von allen Seiten wurde aber dem Landesökonomierat Ring darin beigestimmt, daß die Genossenschaft auf die Dauer ihre große volkswirtschaftliche Aufgabe, in die Fleisch⸗ versorgung der deutschen Bevölkerung regulierend und der deutschen Viehzucht den Fleischmarkt zu erhalten, nur dann erfüllen könne, wenn die gesamte dieh⸗ haltende Landwirtschaft sich genossenschaftlich orga⸗ nisiere und sich einheitlich zusammenschließe. Es müsse unbedingt erreicht werden, daß die Vieh produzierenden Landwirte den Fleischern wieder nahe gebracht würden; nur dann könne es gelingen, die vielen verteuernden Zwischenstationen vom Landwirt bis zur Hausfrau in der Stadt auszuschalten und den Konsumenten den Viehpreisen ent⸗ sprechende Fleischpreise zu sichern. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Major von Schütz⸗Weßlienen, richtete einen warmen Appell an die Anwesenden, sämtlich an ihrem Teile mitzuwirken, damit der Genossen⸗ schaft immer mehr Mitglieder zugeführt werden; gleichzeitig aber betonte er, daß es Aufgabe der Landwirtschaftskammern sowie der anderen genossenschaftlichen Organisationen sei, einen leistungsfähigen Unterbau in ihren Bezirken für eine einheitliche Zusammenfassung der Viehverwertung in der Hand der Landwirte zu schaffen. Dann aber werde es auch sicher elingen, die Fleischteuerung dauernd zu beseitigen, denn der Landwirt wolle keine Wucherpreise für sein Vieh, sondern ihm sei nur an möglichst gleichmäßigen, mittleren Preisen gelegen, die auch für den Konsumenten von Vorteil seien. “
Die Qualität der 1905 er Rheinweine wird als mittelmäßig bezeichnet; die festgestellten Mostgewichte schwankten zwischen 60—755 nach Oechsle; höhere Mostgewichte bis zu 800 wurden nur vereinzelt wahrgenommen. Quantitativ wurde im Reintal t, in besseren Lagen ½ Herbst rvis trat jedoch infolge der Peronospora ein
Aständiger Ausfall ein. “ 84 der Moselweine war infolge des verheerenden Auf⸗ tretens der Peronospora in den meisten Lagen sehr gering; in vielen Fällen konnten nicht einmal die Kosten des Lesens gedeckt werden, so⸗
weise wurde eine ganze Reihe besserer und bester Lagen von der Peronospora wenig oder gar nicht geschädigt, weil die Besitzer sich bemüht hatten, rechtzeitig und sorgfältig mit Kupferkalkbrühe zu spritzen. Da . Spritzen hiermit hat sich überall, wo es zur rechten Zei und in der richtigen Weise angewendet wurde, als Mittel zur Bekämpfung der Peronospora bewährt. Auch 8 dort, wo bei der ersten Anwendung der richtige Zeitpunkt verfehlt wurde, ist wenigstens das Laub der Weinstöcke dadurch erhalten und das Ausreifen der Rebstöcke gefördert worden. Die Qualität der Moselweine war in den einzelnen Lagen je nach dem Umfang des Auftretens der Peronospora verschieden, im allgemeinen jedoch besser, als man anfangs vermutete. Es wurten 17 bis 21 ℳ für den Zentner , zahlt. “ 8
S Nahe ist die Weinernte im Durchschnitt nicht üͤber Er⸗ trag hinausgekommen; die Qualität der 1905er Naheweine it nicht so gut, wie man gehofft hatte, entspricht aber einem guten Mittel⸗ E11I1X1“ 86 v 8
eine internationale Aufsicht statuiert wird und daß nicht die Eisenbahnen unter der Kontrolle eines einzelnen Landes gebaut werden.
8 8 1“
daß von vornherein vom Lesen Abstand genommen wurde. Erfreulicher-⸗