1906 / 48 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Feb 1906 18:00:01 GMT) scan diff

r gewesen, als die Justizverwaltungen für

nach unserer Ansicht unbefangene und ergiebige Arbeit, die

ratungen Ohrenzeuge gewesen bin, Auseinandersetzungen zu beteiligen, Die Kommission verdient umsomehr Anerkennung, sich von vornherein darüber im klaren war, daß ihre jektiven Erwägungen und die darauf beruhenden Beschlüsse

starken parteipolitischen Anfechtung später unterliegen würden. Das hebe ich ausdrücklich hervor, um nicht das Mißverständnis auf⸗ kommen zu lassen, als ob die Justizverwaltungen durch ihre Stellung⸗ nahme in Ansehung der Schwurgerichtsfrage ein ungünstiges Urteil über die Leistungen der Kommission überhaupt hätten fällen wollen.

Meine Herren, nachdem der Standpunkt der preußi⸗ schen und bayerischen Justizverwaltung dem Reichsjustiz⸗ amt bekannt geworden war, konnte es für uns nicht in Frage gekommen, die Umgestaltung der Schwargerichte in den Reformplan aufzunehmen, denn es hätte zum mindesten zeitraubender Auseinandersetzung bedurft, um, wenn es überhaupt möglich gewesen wäre, die Justizverwaltungen von Preußen und von Bayern zu einer von ihnen kundgegebenen Anschauungen abweichenden Ansicht zu be⸗ kehren. Vielleicht wäre dann die Reform ins Unabsehbare verzögert worden.

Für uns lag unter den Umständen die Sache so: sollen wir unter Verzicht auf der von Preußen und Bayern verworfenen Reform des Schwurgerichts an die Revision des Strafgrozesses herantreten unter der Voraussetzung, daß im übrigen die Regierungen die Be⸗ schlüsse der Kommission im weessentlichen billigen würden⸗ oder nicht? Und da konnte für uns kein Zweifel darüber bestehen, daß wir die Reform in dieser Beschränkung einleiten müßten. So geht unsere Absicht jetzt dahin, den Reformplan unter Ausschluß der Frage der Schwurgerichte in ihrer prinzipiellen Be⸗ deutung nach Maßgabe der zu erwartenden Entschließungen der Regierungen, vor allem Preußens, in den übrigen wichtigen Einzel⸗ fragen, mit aller Beschleunigung auszuarbeiten. Ob man in Einzel⸗ heiten der Schwurgerichtsverfassung etwas ändern will, ist eine Unter⸗ frage von nur technischer Bedeutung.

Danach, meine Herren, kann ich die Frage des Herrn Vorredners dahin beantworten, daß weder von seiten des Reichsjustizamts noch von seiten der maßgebenden deutschen Regierungen der Gedanke einer Reform der Schwurgerichtsverfassung in die weiteren Maßnahmen für die Reform des Strafprozesses wird hineingezogen werden, und die Herren, die bisher so ängstlich gewesen sind wegen des Schicksals der Schwurgerichte, können sich bis auf weiteres, glaube ich, beruhigen.

Nun, meine Herren, hat der Herr Abg. Ablaß hier nicht bloß den Wunsch ausgesprochen, die Schwurgerichte erhalten zu sehen, sondern auch ihre Kompetenz noch erweitert zu wissen durch die Aus⸗

dehnung ihrer Zuständigkeit auf Preßsachen, wie sie in einzelnen süd⸗ deutschen Staaten ja besteht. Ich bedauere, aber in dieser Beziehung ihm keine Aussichten eröffnen zu können. Ich habe ja formell nicht das Recht, zu der Sache mich zu äußern, weil ein Beschluß der ver⸗ bündeten Regierungen in dieser Frage nicht vorliegt. Aber, meine Herren, die schnelle Förderung der Strafprozeßreform liegt mir ebenso am Herzen wie diesem hohen Hause und ich möchte dafür doch alles tun, was geeignet ist, um Steine, die uns in den Weg geworfen werden könnten, baldmöglichst wegzuräumen⸗ damit die Reformarbeit auch glatt weiter geht. Einer solcher Steine wäre es aber, wenn das hohe Haus nach dem Antrage des Herrn Abg. Ablaß beschließen wollte, die Zuständigkeit der Schwurgerichte in Norddeutschland auf die Presse zu erstrecken. Meine Herren, darüber kann ich, wenn ich auch die Ansicht, wie gesagt, der hohen Regie⸗ rungen in Norddeutschland nicht in Form eines Beschlusses kenne, doch gar keinem Zweifel belassen, daß diese Regierungen jeden Reformplan unbedingt von der Hand weisen würden, der die Zuständigkeit der Schwurgerichte nach der Richtung hin erweiterte. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich werde mich über die Gesichtspunkte, die nach meiner Meinung dafür voraussichtlich maß⸗ gebend sein würden, nicht aussprechen. Jeder, der die Geschichte dieser Frage in der Entwicklung unseres Strafprozesses kennt, wird wissen, mit welchen Gründen der Standpunkt der Regierungen gerechtfertigt wird. Ich lasse auch die Frage dahingestellt, ob es für die Presse besser ist, daß die Schwurgerichte oder daß andere Gerichts⸗ höfe in Zukunft doch nicht einfach die bisherigen Strafkammern, wie der Herr Abg. Ablaß anzudeuten schien, sondern vom Stand⸗ punkte der Strafprozeßkommission gemischte Gerichte, in denen Laien mitwirken, das Urteil fällen. Das, meine Herren, ist eine Sache für sich. Wir werden sicherlich den Süddeutschen die Zuständigkeit der Schwurgerichte für Preßsachen wie bisher belassen, aber die nord⸗ deutschen Regierungen werden nicht damit einverstanden sein, daß iese, nach Ihrer Meinung nur angebliche, Wohltat auch der Presse Norddeutschlands zu teil wird; nach ihrer Meinung hätte auch die Presse davon für ihre Entwickelung keinen Gewinn zu erhoffen.

Meine Herren, wenn Sie nun in diesem Augenblick, wo wir mit einer, wie jeder Kundige zugeben wird, doch außerordentlich schwierigen Reformarbeit beschäftigt sind und auf Grand dieser Arbeit unsere Vorschläge demnächst an die Regierungen und an das hohe Haus bringen wollen, solche Gedanken uns entgegenbringen und durch ein Votum des Hauses sanktionieren wollen wie können hoffen, daß dadurch das Gedeihen des ganzen Reformwerkes befördert wird? Glauben Sie denn, daß in den verbündeten Regierungen überall eine lebhafte Neigung besteht, den bestehenden Rechtszustand in den Straf⸗ kammerinstanzen zu ändern zu Gunsten einer Umgestaltung auch nur in dem Rahmen der Vorschläge der Kommission? Und wollen Sie denn die Bedenken, die im Schoße der verbündeten Regierungen

weifellos noch vorhanden sind, dadurch vermehren, daß Sie neue Gedanken bringen und hier zum Beschluß erheben, von denen Sie wissen müssen, die verbündeten Regierungen werden sie nicht akzeplieren? Nur aus diesem Gesichtspunkte heraus, um die Arbeit für die Strafprozeßreform nicht unnötig mit Streitfragen schwieriger Art zu belasten, bin ich aus der Zurückhaltung, die solchen. Anträgen gegenüber mir sonst auferlegt ist, herausgetreten und kann

ie geehrten Herren nur bitten: lehnen Sie den Antrag Ablaß, und zwar im Interesse der Strafprozeßreform, ab. (Bravo! rechts.) Abg. Gröber (Zentr.): Die Begründung des Antrages Ablaß

konstruiert einen Gegensatz zwischen Schwurgerichten und Be⸗ amtengerichten und beruhte auf einer Kritik der Vorschläge der

ob⸗

Sie

die gründliche, die Kommission im Laufe ihrer langen Beratungen zu Wege gebracht hat. Ich muß mich meinerseits, der ich persönlich bei den Be⸗ ohne mich sachlich an den diesem Urteil anschließen. als sie

einer

Diese nahmen den Ersatz der Schwurgerichte nicht durch Straf⸗ kammern, durch große Schöffengerichte in Aussicht, und für diese stimmten nicht nur richterliche Beamte, sondern auch angesehene Rechtsanwälte, ja auch ein Mitglied der eigenen Partei des Herrn Ablaß (Ruf links: Leider!); ja, dann müssen Sie uns mit solchen Ausführungen verschonen. Wer für die Be⸗ rufung in allen Instanzen ist, wie sie gleichzeitig vorgeschlagen worden ist, der muß ein solches großes Schöffengericht wollen. Unser Antrag wegen des Wechselprotestverfahrens empfiehlt sich selbst. Die heutige Zeit fordert ein rasches und billiges Rechts⸗ verfahren. Die heutige Wechselprotestordnung schreibt aber so viele Formalitäten vor, daß damit der Wechselprotest zu einem förmlichen Kunstwerk geworden ist. Außerdem kann es bei der heutigen Gebührenordnung bei kleinen Wechseln leicht vorkommen, daß die Kosten die Hälfte der Wechselsumme betragen. Seit Bestehen des Wechselprotestes sind die Interessenten schon in den 70 er Jahren mit lebhaften Klagen über die Umständlichkeit und Feedeshe des Verfahrens hervorgetreten; heute hat die Bewegung weite Kreise er⸗ griffen, und erfreulicherweise hat auch der Staatssekretär jetzt eine entgegenkommende Erklärung abgegeben. Es wird sich empfehlen, die Aufnahme den Postbehörden zu übertragen, aber mit Haftung des Staates, denn ohne solche würde es ein Danaergeschenk sein. 8

Hierauf wird Vertagung beschlossen.

Persönlich erwidert

Abg. Bruhn dem Staatssekretär, daß er nicht von einem Richter, sondern von einem Staatsanwalt gesprochen habe, der von Herrn Krösell behauptet habe, er halte sich verborgen.

Schluß gegen 6 ½ Uhr. 1 Uhr.

Nächste Sitzung: Sonnabend (Fortsetzung der Etatsberatung.)

Preußzischer Landtag.

Haus der Abgeordneten.

29. Sitzung vom 22. Februar 1906, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den ersten Teil der Verhandlungen in dieser Sitzung, in der die zweite Lesung des Staatshaushalts⸗ etats für das Etatsjahr 1906 fortgesetzt wird, ist in der Zweiten Beilage zur Sbgen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Es folgt die Beratung des Etats des Finanz⸗ ministeriums.

Die Einnahmen werden ohne Debatte bewilligt.

Bei den dauernden Ausgaben, und zwar beim Titel „Gehalt des Ministers“, bittet

Abg. Busch (Zentr.) darum, daß ein⸗ für allemal die Steuer⸗ sekretäre die Befugnis erhalten, die Vorsitzenden der Veranlagungs⸗ kommissionen zu vertreten, damit immer jemand im Bureau an⸗ wesend sei. 1 8

Abg. Lusensky (nl.): Der Bovkott der deutschen Geschäfte durch die Polen wird von der polnischen Presse in der Weise unterstützt, daß die Polen, welche bei Deutschen kaufen, öffentlich namhaft ge⸗ macht oder gekennzeichnet werden. (Der Redner verliest eine Reihe solcher Zeitungsnotizen.) Die Deutschen halten sich zwar teilweise dadurch schadlos, daß sie möglichst nicht bei Polen kaufen, aber leider fehlt es noch an der Einigkeit unter den Deutschen in dieser Be⸗ ziehung. So haben in einer Stadt die Beamten, welche früher das Kaisergeburtstagsfest gemeinsam mit den anderen Bürgern feierten, sich diesmal abgesondert und eine besondere Feier unter sich beranstaltet. Das ist höchst bedauerlich. Man kann das Deutschtum nicht besser stärken als dadurch, daß man die wirtschaftlichen Verhältnisse bessert. Der Vorschlag, Industrien nach der Ostmark zu ziehen, erscheint viel⸗ leicht doch von zweifelhaftem Wert, es wird nichts anderes übrig bleiben, als daß der Staat mit seinen großen Machtmitteln die wirtschaftlichen Verhältnisse zu fördern sucht. Eine Zuckerfabrik in Hohensalza geriet in Konkurs und in weiterer Folge auch eine Maschinenfabrik, es wurden 600 Arbeiter brotlos, sie mußten fortziehen, und die Be⸗ völkerung von Hohensalza verringerte sich mit einem Mal um 3000 Seelen. Bedenken Sie, welchen Einfluß das in einer kleinen Stadt hat! Es machte sich auch in den Einnahmen des Kommunalhaushalts bemerkbar. Anderseits sind die Lasten der Stadt für die Schule ge⸗ wachsen, da ein neues Mittelschul⸗ und Volksschulgebäude notwendig ist. Der Stadt köante wesentlich geholfen werden, wenn der Staat die städtische Badeanstalt übernähme und sie so ausbaute, daß die Zah der Badegäste gesteigert werden könnte. Leider ist der Stadt auch ein Ledrer⸗ seminar abgelehnt worden. Die Stadt Labischin ferner bedarf dringend einer Eisenbahnverbindung, wenn sie nicht zu Grunde gehen soll. Die Stadt Bruschwitz wünscht ein Amtsgericht. Die Entmutigung der Deutschen in der Ostmark nimmt ständig zu, wenn der Staat nicht ann wirtschaftliche Gedeihen der mittleren und kleinen Städte ördert.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Mieene Herren! Ich nehme nicht an, daß es Ihren Wünschen entsprechen wird, hier beim Etat des Finanzministeriums eine Polen⸗ debatte zu entfesseln, und ich möchte meinerseits dazu nicht beitragen. Ich vermag auch nicht recht zu ersehen, inwiefern die lokalen Wünsche, die der Herr Vorredner aus seinem Wahlkreise vorgetragen hat, eigentlich zum Etat des Finanzministeriums gehören. (Sehr richtig!) Allerdings ist mir der eine Fall, den er aus Hohensalza vorgetragen hat, bekannt. Die Stadt hatte, wie der Herr Vorredner es angeführt hat, den Wunsch, ein sich wenig günstig entwickelndes Solbad auf den Staat zu übertragen. Es ist aber nicht richtig, wenn der Herr Vor⸗ redner meinte, der Ausbau des Bades sei seitens der Finanzverwaltung abgelehnt worden. Es hat eine Prüfung der Frage durch die Kommissarien der verschiedenen Ressorts nicht bloß des Finanzministeriums stattgefunden, und alle Ressorts waren darin einig, daß der Ausbau des Bades eine enorme Summe erfordern würde der Herr Vor⸗ redner nannte den Betrag von 1 ½ Millionen und trotzdem der Stadt nur wenig nützen würde. Es ist ein ganz kleiner Park vor⸗ handen, es ist eine ziemlich reizlose Gegend ohne Nachbarschaft von Wald, und die Hoffnung, daß durch den Ausbau des Bades Badegäste nach Hohensalza gezogen würden, mußte als trügerisch angesehen werden. Da die Stadt Hohensalza in dieser Beziehung ihre Wünsche nicht erfüllt gesehen hat, und da sie in der Tat durch den Zusammenbruch des Werkes, von dem der Herr Vorredner sprach, schwer betroffen worden ist, so werde ich gern meine Hand dazu bieten, wenn sich irgend eine Ge⸗ legenheit findet, der Stadt Hohensalza wiederum staatliche Förderung zuteil werden zu lassen, weil ich mit dem Herrn Vorredner aner⸗ kenne, daß sie in der Tat mehrfach durch schwere Schicksalsschläge betroffen worden ist.

Was die Stadt Labischin anbetrifft, so, glaube ich, gehört dieser Fall noch weniger zu meinem Ressort, wie der von Hohensalza. Von diesen Bahnwünschen, denen der Abg. Lusensky Ausdruck gab, ist mir nichts bekannt, und eine Vorlage ist an das Finanzministerium nicht gelangt. Die Sache schwebt, soweit ich sehen kann, ausschließlich bei dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Aber in einem Punkte möchte ich dem Abg. Lusensky voll⸗ kommen Recht geben, in der Notwendigkeit, die kleineren und mittleren Städte in Posen, die noch ein Hort des Deutschtums sind,

bekannten Kommission für die Ref im der Str fprozeßordnung.

in diesen mittleren und kleineren Städten in der Provinz Posen hat, sind mir wohl bekannt und von dem Herrn Vorredner zutreffend geschildert worden. Ich darf erwähnen weil nach seinen Worten es so klang, als ob seitens der Staatsregierung in dieser Beziehung nichts geschehe, daß wir in der Tat für diese mittleren und kleinen Städte in den letzten Jahren sehr Erhebliches geleistet haben. Zu⸗ nächst darf ich darauf hinweisen, daß in der Provinz Posen alle Grm⸗ nasien staatlich sind, daß Posen und Westpreußen in dieser Beziehung eine Ausnahmestellung genießen, deren sich keine andere Provinz zu er⸗ freuen hat, daß wir für das Fortbildungsschulwesen gerade in Posen

kanntlich sind ja besondere Fonds in erheblicher Höhe im Etat ent⸗ halten —, und daß wir in den letzten Jahren im Interesse der Hebung der mittleren und kleinen Städte in außeiordentlichem Maße zum Ausbau der Eisenbahnen in Posen und Westpreußen übergegangen sind. Ich konnte nicht auf diese Anregung vorbereitet sein, sonst würde ich Gelegenheit genommen haben, dem hohen Hause Mitteilung zu machen, in welchem Maße wir gerade in Posen in den letzten Jahren das Staatseisenbahnnetz erweitert haben mit außerordentlich hohen Aufwendungen.

Gewiß wird es auch den Herrn Vorredner interessiren, zu hören, in welchem Maße sich die Ostmarkenzulagen nach der Richtung hin bewährt haben, das frühere Abströmen der Beamten aus den Pro⸗ vinzen zu verhindern. Wir haben bekanntlich, um diesen kleineren und mittleren Städten das Bildungselement der deutschen Beamten zu erhalten, die Zulage nur gewährt für den Fall, daß die pensionierten Beamten in der Provinz verbleiben. Da ist es von Interesse, daß beispielsweise in der Provinz Posen seit dem 1. April 1903 318 Beamte pensioniert und von diesen 318 288 in der Provinz verblieben sind eine, wie ich glaube, erfreuliche Wirkung der Zulage, die wir diesen Pensionären gewähren. Ganz ähnlich stellt sich die Sache in West⸗ preußen. Da sind seit dem 1. April 1903 187 Beamte pensioniert worden, und davon 176 in der Provinz verblieben.

Ich erinnere an die Verhandlungen über die erheblichen Auf⸗ wendungen, die gemacht sind, um den kleinen Städten Wreschen und Schrimm ihre Garnisonen wieder zu verschaffen, die sie früher gehabt haben.

Endlich halte ich für das allerwichtigste Moment zur Hebung der kleinen und mittleren Städte die Massierung der deutschen An siedlungen um die kleinen Städte herum. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Am meisten gefährdet ist in den Städten der deutsche Handwerker, weil vielfach die Deutschen des Nationalsinns entbehren, wie ihn die Polen besitzen, die ihre polnischen Handwerker unterstützen. Infolgedessen finden die deutschen Handwerker nicht die Unterstützung von seiten der Deutschen, die die polnischen Handwerker seitens ihrer polnischen Mitbürger finden. Deswegen ist es notwendig⸗ diesen deutschen Handwerkern das nötige Rekrutierungselement und den nötigen Zuspruch dadurch zu verschaffen, daß man die deutschen An⸗ siedlungen möglichst um die kleinen Städte massiert, um auf diese Weise den deutschen Handwerkern Nahrung und Brot zu verschaffen. Ich möchte nur um eins bitten, nicht, wie es der Herr Vorredner tat, immer mit diesem Argument zu operieren, daß eine all⸗ gemeine Mutlosigkeit eingerissen sei. Die allgemeine Mut⸗ losigkeit reißt leider bei den Deutschen viel zu früh ein. Wir werden die ganze schwierige Frage nur lösen können, wenn die Deutschen sich dieser Befürchtung, dieser Auf⸗ fassung, daß alsbald, wenn irgend eine Hoffnung nicht in Erfüllung geht, Mutlosigkeit einreiße, entschlagen. Ich er⸗ kenne durchaus die Pflicht der Staatsregierung an, der schwierigen Situation der mittleren und kleinen Städte dort nach Möglichkeit gerecht zu werden und ihnen nach Möglichkeit staatlicherseits die helfende Hand zu reichen; aber wir allein können das nicht machen, sondern die Deutschen müssen in erster Linie sich der Schwierigkeit der Situation bewußt sein und ihrerseits dazu beitragen, daß das Niveau des deutschen Bürgertums auf der alten Höhe erhalten bleibt und nicht weiter herabgeht. Aber soweit der Staat helfend eintreten kann, hat er es getan, und ich erkenne es auch durchaus als eine Pflicht der Staatsregierung an, soweit es überhaupt im Rahmen der staatlichen Tätigkeit möglich ist, auch in Zukunft nach der gleichen Richtung vorzugehen. (Bravo!)

Abg. Dr. Rewoldt ffreikons.) empfiehlt die Stärkung des deut⸗ schen Handwerks in den Ostmarken. Weiter bedauert er die Etats⸗ überschreitungen bei dem Neubau des Schauspielhauses.

Abg. Korfanty (Pole): Wie stehen die Auslassungen des Ministers und des Abg. Lusensky mit den Versicherungen im Ein⸗ klang, die das Staatsoberhaupt selbst in Posen für die Erhaltung der polnischen Sprache und nationalen Eigentümlichkeiten abgegeben hat? Es wird ja jetzt verlangt, 8 die polnischen Staatsbürger durch polnische Hebammen zur Welt gebracht werden, ich wollte sagen, durch deutsche Hebammen. Die Staatsregierung hat uns den Kampf durch ihre Ausnahmegesetze aufgezwungen. Der Redner bespricht im ein⸗ zelnen die Positionen des Etats, die die Ostmarkenpolitik betreffen, und fordert schließlich die anderen Parteien auf, für eine kurze Zeit auch dagegen zu polemisieren. Auf einen Versuch käme es ja nicht an. Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Ich bin nicht geneigt, auf diesen Versuch einzu⸗ gehen (Bravo! rechts); es würde ein Versuch mit untauglichen Mitteln sein, und vor allem ein Versuch an einem untauglichen Objekt. (Sehr gut! rechts.) Denn ich habe längst die Hoffnung aufgegeben, den Herrn Abg. Korfanty zu unserer Ansicht zu bekehren.

Aber, meine Herren, es ist mir eine Freude gewesen, Herrn Kor⸗ fanty hier einmal als unfreiwilligen Regierungskommissar zu sehen Er hat behauptet, daß die Polen nur von polnischen Hebammen be⸗ sorgt ins Leben treten wollen. Er hat sich dann korrigiert und gesagt, er hätte die Deutschen gemeint. Ich kann ihm aber ganz genau be⸗ stätigen, daß seine Auffassung in der Tat richtig ist, daß nämlich die Abneigung der Polen so weit geht, daß sie sich auf alle diese Funktionen im Menschenleben erstreckt. Ich habe hier eine inter⸗ essante Aeußerung aus dem „Wiarus polski“, einem polnischen Blatte, das in Bochum erscheint, in einem deutschen Gebiete:

. „Achtung!

Den geehrten Landsleuten teile ich hierdurch mit, daß ich mich in Oberhausen, Steinstraße 18, als polnische Hebamme nieder gelassen habe. (Große Heiterkeit.) Ich empfehle mich zu allen in mein Fach schlagenden Diensten.

Und diese polnische Dame heißt Balbine Kaube. Diese Absonderung geht ja durch alle Gebiete. Wo Sie eine polnische Zeitung in die Hand nehmen, ist das erste: Jeder zu den Seinen! Kauft nur bei

zu halten. Die Schwierigkeiten, die gerade das Deutschtum

8

den Euren! Hier liegt ein „Aufruf an die polnischen Kaufleute und

und Westpreußen außerordentliche Mittel aufgewendet haben be⸗

Handwerker in der Fremde“ vor mir, wiederum aus Bochum, also einem ganz deutschen Gebiete:

Landsleute! Um dieses Ziel schneller und sicherer erreichen zu können, haben wir einen neuen Verband der polnischen Kaufleute und Handwerker für Westfalen, Rheinland und die benachbarte Gegend unter dem Namen Selbsthilfe mit dem Sitz in Bochum ins Leben gerufen.

Also wir wollen über diese Frage wahrlich nicht rechten, wer den Boykott angefangen hat. Wer die Verhältnisse kennt, weiß, daß der Anfang auf polnischer Seite gemacht ist. Wie weit das Treiben geht, sollte man nicht für möglich halten. Wenn man die polnischen Blätter durchsieht, so werden diejenigen Leute an den Pranger gestellt unter Namennennung, die sich an der Illuminierung an Keaisers Geburtstag beteiligt haben. (Hört, hört!) Es ist so interessant, daß ich eine kurze, allerdings schon 2 Jahre zurückliegende Notiz aus dem „Dziennik Kujawski“ vom 28. Januar 1904 in Hohensalza vortragen muß. Es ist eine Geburtstagsfeier einer Mädchenschule aus Anlaß des Geburtstags Seiner Majestät. Da

ißt es: 88 Die polnischen Zeitungen hätten davor gewarnt, an der Kaiser⸗ geburtstagsfeier teilzunehmen, und dem sei allgemein entsprochen.

„Doch wie in jedem Schafstalle, mußte sich ein „räudiges Schaf“ auch unter uns befinden, und trotz des genug zu Herzen gehenden Artikels fanden sich drei polnische Familien, die, um ihre Solidarität mit unseren Busenfreunden zu dokumentieren, zu jener Feier geeilt waren, um sich mit eigenen Augen von ihrem moralischen Verfall zu überzeugen!

Schande euch! Wir werden euch als den Auswurf unserer Ge⸗ samtheit betrachten; ihr, die wir auch mit unserem Verdienste nähren, ihr entsaget dem durch das traurige Los bedrückten, aber am Geiste nicht verfallenen Vaterlande. Schon manchmal habt ihr ein böses Beispiel gegeben, daß ihr aber ein Zeugnis völligen Schwindens moralischen und nationalen Empfindens geben würdet, das hätten wir von euch nicht erwartet.“ 1

Gegenüber drei polnischen Familien, die ihre Kinder in diese Geburts⸗ tagsfeier unsers Souveräns geschickt haben! Mehr brauche ich nicht z sagen. 8

Dann hat Herr Korfanty die verschiedenen Fonds bemängelt, obgleich eine wesentliche Erhöhung im Etat nicht vorgesehen ist. Er hat behauptet, der Dispositionsfonds habe dahin geführt, die Deutschen uneinig unter einander zu machen. Ich meine, das könnte ihm nur recht sein; wenn das wirklich der Effekt ist, hat er gar keinen Grund, sich über den Fonds zu beklagen.

Er hat dann weiter ausgeführt, daß der Fonds dazu diene, die Beamten zu veranlassen, Schikane gegenüber der polnischen Be⸗ völkerung zu üben. Wer so schwere Vorwürfe in dieser Allgemeinheit gegenüber unserem Beamtenstande erhebt, ist moralisch verpflichtet, auch einen Schatten des Beweises dafür zu erbringen, es aber nicht bei dieser allgemeinen Bemerkung bewenden zu lassen, daß unsere Beamten schikanös verfahren. Dazu steht unser Beamtenstand zu hoch, und ich muß energischen Einspruch erheben gegen eine solche unseren Beamtenstand herabwürdigende und ganz beweislose Be⸗ hauptung. (Bravo!) 8 88

kons.) will von einer allgemeinen Polen⸗ dne h oPskeen 8 Ceen j worden sei, diese erst beim Etat der Ansiedlungskommission stattfinden zu lassen. Die Anstellungs⸗ verhältnisse der Regierungsassessoren seien noch immer außerordentlich ungünstige. Zuletzt macht der Redner den Minister darauf aufmerk⸗ sam, daß der Diskont der Reichsbank in einem beklagenswerten Miß⸗ verhältnis zum Privatdiskont, mindestens ½ % höher als dieser stehe. Das sei durch die Lage des Geldmarktes nicht gerechtfertigt, deshalb möge der Minister auf Abhilfe hinwirken. 8

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: 86

Herr von Arnim hat zunächst angefragt wegen des Verh ltnisses der außeretatsmäßigen Mitglieder der Regierungen zu den etatsmäßigen. Ich habe mir bereits in der Budgetkommission erlaubt, in dieser Be⸗ ziehung einige Ausführungen zu machen. Ich darf kurz daraus rekapitulieren, daß wir seit 1897/98 bis einschließlich 1906 also unter Berücksichtigung des vorliegenden Etatsentwurfs dn nicht weniger als 204 neue Stellen für Regierungsratsmitglieder geschaffen haben, daß also in 10 Jahren sich die Zahl der etatsmäßigen Regierungsrats⸗ mitglieder um 50 % vermehrt hat. Das Verhältnis ist jetzt folgendes, daß wir außeretats mäßige Regierungsratsmitglieder 102 haben und an Assessoren 232 ich spreche nur von den Assessoren bei den Regierungen —, insgesamt bei den Regierungen 335 außer⸗ etatsmäßige Mitglieder. Denen stehen gegenüber 586 etatsmäßige Mitglieder, sodaß sich also das Verhältnis der außeretatsmäßigen zu den etatsmäßigen stellt wie 335:586 oder wie 1:1,7. Es ist in den letzten Jahren etwas besser geworden. Aber ich muß anerkennen, daß es immer noch eine erhebliche Reihe von Jahren dauert, bis die Beamten zur etatsmäßigen Anstellung gelangen. Sie werden nach 8 Jahren außeretatsmäßige Regierungsräte, aber erst nach 10 bis 11 Jahren etatsmäßige Beamte. Wir werden in den nächsten Jahren fortschreiten müssen, dem steigenden Bedürfnis ent⸗ sprechend, neue Stellen in dem Etat auszubringen. Nur muß ich bitten, die Parität gegenüber der Justiz zu wahren. Allerdings dauert es ja länger, bis die Beamten der allgemeinen Verwaltung in etats⸗ mäßige Regierungsratsstellen einrücken; aber sie kommen dann gleich in Stellen der IV. Rangklasse, den Oberlandesgerichtspräsidenten ent⸗ sprechend, und das ist ja eben eine Beschwerde der Justiz gegenüber der Verwaltung. Also wir müssen sorglich bestrebt sein, ein gleiches Recht der Justiz und der allgemeinen Verwaltung zuteil werden 8 r hat Herr Abg. von Arnim die Diskontpolitik der Reichs⸗ bank berührt. Ich glaube, ich kann mich über diese Frage in ihrer ganzen Tiefe und Breite nicht auslassen. Aber das kann ich wohl sagen, daß der hohe Diskontsatz der Reichsbank der Ausfluß gewesen ist der enormen industriellen Entwicklung in der letzten Zeit. Es sind in außerordentlicher Weise Ansprüche von dieser Seite erhoben worden, und um einen allzu starken Abfluß von Gold aus der Reichs⸗ bank zu verhüten, ist die Reichsbank dazu übergegangen, den Diskont zu erhöhen. Es kommt hinzu, daß an sich der metallische Vorrat der Reichsbank verhältnismäßig gering ist gegenüber dem in anderen Ländern. Wir haben in der Reichsbank einen Metallvorrat von etwa einer Milliarde, während die Bank von Frankreich einen Metallvorrat von etwa 4 Milliarden hat. (Hört! hört! rechts.) Und um ihren Metallvorrat nicht allzu sehr zu schwächen, hat die Reichs⸗ bank zu dieser Diskontpolitik übergehen müssen. Meine Herren,

her bestehender Bedenken im Reichstage das Banknoten⸗ gesetz verabschiedet worden, das es der Reichsbank hoffentlich ermöglichen wird, in höherem Maße Goldvorrat zu halten. Denn keine Nation ist gewöhnt wie die unserige, totes Metall bei sich zu tragen; jeder schleppt es in der Tasche mit sich herum, während man in anderen Ländern sich mehr als bei uns des Giro⸗ verkehrs bedient. Werden diese kleinen Banknoten angeschafft und in Verkehr gebracht, so wird es der Reichsbank auf diese Weise möglich sein, in höherem Maße Gold an sich heranzuziehen und festzuhalten, und damit wird sie hoffentlich auch nicht mehr genötigt sein, von dem Mittel der Heraufschraubung des Diskontsatzes in dem Maße Gebrauch zu machen wie bisher.

Ich glaube aber, ich tue gut, mich über diese Frage nicht weiter auszusprechen, als ich es in dieser Kürze getan habe. Ich hoffe, daß dem Wunsche des Herrn von Arnim wie gesagt, das Banknoten⸗ gesetz hat jetzt die dritte Lesung im Reichstag bereits passiert hier⸗ durch wenigstens nach einigen Richtungen entsprochen wird.

Darauf wird die Debatte geschlossen und der Titel be⸗ illigt.

9 Um 4 ¾ Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung auf

Freitag 11 Uhr (außerdem dritte Beratung des Kreis⸗ und rovinzialabgabengesetzee). 1

30. Sitzung vom 23. Febru „Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte Beratung des Entwurfs zu einem Kreis⸗ und Provinzial⸗ abgabengesetz. ““ 1 vengbleb. , Teil der Generaldiskussion ist bereits im Hauptblatt der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Abg. Gyßling (fr. Volksp.): Herr von Zedlitz hat sich wieder als vdvcdeeeah⸗ und * Advokaten streite ich nicht gern. Auch ich ziehe das Kontingentierungssystem der Individualisierung vor, aber dieses System ist die Anträge der Kommission und durch die Anträge aus dem ause durchlöchert worden. In der Würdigung der Selbstverwaltung hanse wir hinter dem Herrn von Zedlitz in keiner Weise zurück. Wenn man den Schulgesetzentwurf ansieht, so muß man sagen: die Worte und die Taten des Freiherrn von Zedlitz stimmen nicht überein. Herr von Zedlitz hat uns als Bundesgenossen in der Be⸗ urteilung des bestehenden ENa angesprochen. Es ist mir nicht eingefallen, die Zusammensetzung der Kreistage nach dem Einkommen eine ideale zu nennen. Man kann doch auch nicht Landtage und Kreistage über einen Kamm scheren. Die Umsatzsteuer eignet sich für die Gemeinden und nicht für die Kreise. Jedenfalls müssen wir uns für die Bundesgenossenschaft des Herrn von Zedlitz edanken. bn Damit schließt die Generaldiskussion. Persönlich bemerkt Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.), er müsse vollständig aufrecht erhalten, daß die Ausführungen der Abgg. Gyßling und Wolff zum § 6 im völligen Widerstreit mit ihrer sonstigen prinzipiellen Auffassung ständen. Im übrigen müsse er feststellen, daß er nicht der Verfasser des Schulgesetzentwurss sei. 1b In der Spezialdiskussion werden die §§ 1—5 ohne De⸗ batte angenommen. . 8 58 in der ihm bei der zweiten Lesung gegebenen Fassung: 8 Faff gder Kreistag ist befugt, mittels Erlasses von Steuerordnungen indi Steuern zu legen 8 8. den von Grundstücken und von Rechten, für welche die auf Grundstücke bezüglichen Vorschriften gelten. Durch die Steuerordnung können einzelne Erwerbsarten von der Steuer befreit werden. Der Erwerb durch Erbgang, durch Enteignung und durch Fresee hen Gekestailerertng) zwischen Verwandten auf⸗ steigender Linie ist freizulassen; 86 8 9 die Erlangung der Erlaubnis zum ständigen Betriebe der Rafrufrschaft Schankwirtschaft oder des Kleinhandels mit Branntwein oder Spiritus 33 der Reichsgewerbeordnung); 3) auf das Halten von Hunden. 8 8 Dabei ist eine Abstufung der Steuersätze insbesondere auch Kreisteilen zulässig. 88 Ii Einführung eeeenhe Steuer durch den Kreis be⸗ rührt nicht das Recht der Gemeinden zur Erhebung einer ent⸗

sprechenden Steuer.“

Abg. Hoeveler (Zentr.) beantragt, 1) das Wort „(Altenteilsvertrag)“ zu streichen; 2) in Nr. 1. hinter den Worten „Vorschriften gelten“ einzuschalten: „Diese Steuer darf für den Kreis in der Regel nicht mehr als 1 Proz. be⸗ betragen“; 3) als letzten Absatz dem § 6 hinzuzufügen: 8

„Zu einem Beschlusse des Kreistages, durch den eine indirekte

Steuer eingeführt wird, ist eine Stimmenmehrheit von mindestens

z der Abstimmenden erforderlich“.

Abg. von Arnim⸗Züsedom Casn Heantragt, in Nr. 1 hinter dem Worte Ma. einzufügen: „insoweit diese im öffentlichen Interesse erfolgt“. 1.“ 8 gegr ücher Interese (r. SVoltsp.) und Wolff⸗Lissa (fr. Vgg.) beantragen: 1) die Nr. 2 (Schankstättenkonzessions⸗ steuer) zu streichen, 2) in Nr. 3 die Worte hinzuzufügen: „bis zum Betrage von 5 ℳ“, 3) den Absatz 2 (Abstufung der Steuersätze) zu streichen, 4) als letzten Absatz hinzuzufügen: „Die unter Nr. 1 bezeichnete Steuer darf für den Kreis nicht

mehr als 1 %, für Kreis und Gemeinde zusammen nicht mehr als

befürwortet seinen Antrag. Es mufse bg. Hoeveler (SZentr.) befürwortet seinen Antrag. 8. im . des Mittelstandes eine Limitierung der Umsatzsteuer herbeigeführt werden. Die jetzige Zusammense ung des Kreistages biete nicht einen genügenden chutz. Darum beantrage seine Partei, daß 8 der Abstimmenden des Kreistages diese Steuer beschließen müßten. Die Annahme dieses Antrages liege auch im Interesse der Seßhaftmachung des kleinen verschuldeten Grundbesitzes. Abg. Schulze⸗Pelkum (kons.): Der Abg. Wolff hat uns vorgeworfen, daß wir den kleinen Gewerbetreibenden belasten und den Rittergutsbesitzer verschonen wollen. Ich kann nicht sagen, wie sehr wir in Anbetracht der Stelle, von welcher dieser Vorwurf ge⸗ kommen ist, erschüttert sind. Ich empfehle die Annahme unseres An⸗ trages und erkläre, daß wir gegen alle übrigen Anträge stimmen werden. 88 8 8 ling befürwortet den Antrag seiner Freunde auf veselbna gen . der Schanlkonzession. Der Hinweis auf England beweise nichts. 8 komme auf den Zusammenhang der Steuern an, die in den einzelnen Ländern herrschen. Besitze etwa England außer der Schankkonzessionssteuer noch eine Betriebssteuer? Die Limitierung der Wertumsatzsteuer halte auch er, der Redner, für notwendig. Darum habe er beantragt, daß die Steuer für den Kreis nicht mehr als 1 %, für Kreis und Gemeinde zusammen nicht mehr als 2 % betragen dürfe. Er bitte, seinen Antrag anzunehmen. Abg. Dr. Röchling (nl.) stimmt dem - Hoeveler unter 1 zu. Die übrigen Anträge seien bei der zweiten Lesung * abgelehnt worden. Auch den Antrag des Abg. von Arnim lehne seine Partei ab. Es könne dem Interesse der Landwirtschaft gar nicht entsprechen, diese Enteignungsfälle zur Umsatzsteuer heranzuziehen.

Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollweg: Meine Herren!

Wie der letzte Herr Vorredner ausgeführt hat,

von vornherein zu übersehen. An sich habe ich, wie die Herren sich erinnern werden, es bekämpft, daß in § 6 überhaupt der zweite und dritte Satz in die Ziffer 1 eingeführt werden sollte. Das hohe Haus hat es getan. Wenn es nunmehr in dem Antrage Nr. 120 die von ihm beschlossene Ausnahme noch etwas restringieren will, so habe ich nichts dagegen. Aber ich bitte Sie, sich davon zu überzeugen, daß doch wohl die ursprüngliche Regierungsvorlage nicht so unrecht ge⸗ habt hat, wenn sie alle diese Vinkulierungen nicht in das Gesetz hat hineinschreiben wollen. Sie sehen bei dieser einzelnen Frage schon, in welche Schwierigkeiten wir kommen. Wenn Sie den Antrag 120 annehmen wollen, so habe ich meinerseits nichts dagegen; ich halte ihn nicht für notwendig, es können Schwierigkeiten entstehen; aber ich halte ihn im großen und ganzen für unschädlich. Das⸗ selbe gilt bezüglich des Antrages Nr. 1 auf Nr. 118, wonach das Wort „ltenteilsvertrag“ und die dieses Wort einschließenden Klammern gestrichen werden sollen. Ich halte auch diesen Antrag nicht für notwendig, aber für tolerierbar.

Dagegen bitte ich aber das hohe Haus dringend, diejenigen An⸗ träge, welche die Umsatzsteuer durch die Einführung der Zweidrittel⸗ majorität und durch die Limitierung des Höchstbetrages gefährden wollen, abzulehnen. Ich wiederhole, was ich in der weiten Lesung gesagt habe. Wir wollen doch diese Bestimmung bezüglich der Umsatzsteuer mit dem Ziele einführen, daß sie praktisch wird. Wenn Sie nun die praktische Ausführung dieser Bestimmung dadurch von vornherein erschweren, daß Sie die Zweidrittelmajorität verlangen, so bedeutet das einen Widerspruch in sich selbst. Das hohe Haus legt ja, wie aus anderen Anträgen hervorgeht, auch ein großes Gewicht auf die Genehmigungserklärung des Bezirksausschusses, wo Sie das Laien⸗ kollegium unter allen Umständen mitsprechen lassen wollen, wenn es sich um eine Genehmigung handelt. Nun, meine Herren, doch auch das Laien⸗ kollegium des Bezirkeausschusses wird mit erwägen können, ob ein Kreis⸗ tagsbeschluß über die Einführung einer Umsatzsteuer an sich zweckmäßig ist. Also die Zweidrittelmajorität bitte ich unter allen Umständen abzulehnen. Wir fügen sonst von vornherein ein hinkendes Glied in den ganzen Entwurf ein. 1

Was die Limitierung anlangt, so habe ich in der zweiten Lesung auch schon ausgeführt, sobald Sie eine solche einführten, würden Sie jede Wertzuwachssteuer unmöglich machen, und es ist merkwürdig, daß in dem Antrag, den die Herren Abgg. Gyßling und Wolff gestellt haben, auch diese Limitierung enthalten ist, während in der zweiten Lesung der Abg. Wolff ausdrücklich diese Wertzuwachssteuer als zweck⸗ mäßig bezeichnet hat. Wollen Sie die Wertzuwachssteuer, dann köͤnnen Sie keine Limitierung vorschreiben; das ist unmöglich. Also ich bitte dringend, auch von der Limitierung abzusehen.

Bezüglich der Umsatzsteuer noch einige allgemeine Bemerkungen! Einer der Herren Vorredner hat gesagt, die Landräte, die über den Gesetzentwurf gehört worden wären, hätten sich übereinstimmend für die Umsatzsteuer ausgesprochen. Meine Herren, das ist nicht richtig; eine ganze Reihe von Landräten haben mir berichtet, die Umsatzsteuer sei für ihre Kreise nicht brauchbar. Dann mögen Sie doch nicht eine solche Besorgnis hegen, daß etwa die Umsatzsteuer in Kreisen ein⸗ geführt werden könnte, wo sie nicht am Platze ist. Ich habe nach wie vor das Zutrauen zu den Kreisvertretungen, daß sie das richtige in dieser Beziehung finden werden. G

In der heutigen generellen Besprechung ist des weiteren gegen die Umsatzsteuer noch angeführt worden, man hätte sich bereits vor Jahrzehnten darüber beklagt, daß der Verkauf von Grundstücken über⸗ haupt mit einem Stempel belastet und dadurch der Verkauf von Grundstücken erschwert wäre. Ja, meine Herren, die Verhältnisse haben sich doch wesentlich verändert. Wir leiden gegenwärtig unter einer viel zu starken Mobilisierung der Grundstücke, (sehr richtig! rechts), und ich kann nicht einsehen, wie eine Umsatzsteuer nicht gerade geeignet sein sollte, dieser übergroßen Mobilisierung des Grundbesitzes entgegenzuwirken. (Sehr richtig! rechts.) Daher halte ich diese Steuer für etwas sehr Zweckmäßiges, auch wenn sie von den Kreisen erhoben wird.

In dem Antrage Nr. 119 ist weiter unter Nr. I Ziffer 1 gesagt: Absatz 1 Ziffer 2 ist zu streichen. Diese Stelle betrifft die Schank⸗ steuer. Ich verzichte darauf, hierzu noch weiteres auszuführen, nachdem in der zweiten Lesung unsere Ansicht vom Regierungstische aus aus⸗

ührlich ausgesprochen ist.

8 1 desselben Antrages, betreffend die Beschränkung der Hundesteuer, glaube ich, auch nichts mehr sagen zu brauchen. Zu Ziffer 3 daselbst: den Absatz 2, d. h. die Bestimmung über die Ab⸗ stufung der Steuersätze, zu streichen, hat der Herr Abg. Gvßling aus⸗ geführt, er müsse diese Bestimmung um deswillen so sehr bekämpfen, weil sonst einzelne Teile des Kreises benachteiligt werden könnten. Da verkennt der Abg. Gyßling wohl den Zweck des Absatzes. Der Absatz ist im wesentlichen eingefügt worden, um zu verhindern, daß einzelne Kreisteile, welche bereits zu scharf mit Gemeindesteuer herangezogen worden sind, nun durch eine entsprechende Kreissteuer prägraviert werden. Der Absatz will Prägravationen verhindern, also genau das Umgekehrte, was der Herr Abg. Gyßling von ihm be⸗ ürchtet.

III des Antrages 119 habe ich bereits gesprochen.

Meine Herren, wenn ich also resümiere: ich erkläre mich ein⸗ verstanden mit dem Antrage 120; ich erkläre mich einverstanden mit dem Antrage 118, Ziffer 1, welcher die Streichung des Wortes „Altenteilsvertrag“ vorschreibt. Alles andere aber bitte ich Sie dringend im Interesse einer zweckmäßigen Gestaltung des Gesetzes ab⸗

zulehnen. 8 Wolff⸗Lissa (fr. Vgg.) spricht sich nochmals gegen die Abstalbg der Steuersätze aus. Die Erklärung des Ministers darüber sei zwar sehr wohlwollend, aber für das Oberverwaltungsgericht in der Praxis nicht maßgebend. Der Antrag Hoeveler über die Limitierung der Umsatzsteuer in der Regel“ habe keinen rechten Zweck, da die Regel wohl die Ausnahme bilden werde. Darauf wird die Debatte geschlossen. Bei der Abstimmung wird 86 nach dem Antrage Hoeveler unter Streichung des Worts „Altenteilsvertrag“, im übrigen in der Fassung der zweiten Lesung angenommen, nachdem alle übrigen Anträge sbegegmt worden sind. 7 wird ohne Debatte angenommen. ö 8 8 bestimmt nach der ihm bei der zweiten Lesung ge⸗ gebenen Fassung: 1 2 „Der Kreistag kann mittels Erlasses einer Steuerordnung be⸗ schließen, daß die der Verteilung der direkten Kreissteuern auf Gemeinden und Gutsbezirke zu Grunde zu legende Grund⸗ und Gebäudesteuer 8 eine nach dem Maßstabe des Wertes“ (in der Regierungsvorlage hieß es: „des gemeinen Wertes“) „zu veranlagende

es ist z meiner großen Freude auch trotz mancher bis·

1

ist es nicht ganz leicht, die tatsächliche Tragweite des Antrags Nr. 120

Steuer vom Grundbesitz ersetzt wird. Hierbei ist für die Bewertu g