die dem Betriebe der Land⸗ oder Forstwirtschaft,
von der eeüe. Wein⸗, Obst⸗ oder Gartenbau dienen, und die dieser Benutzung nach Lage der Verhältnisse voraussichtlich noch für
längere Zeit erhalten bleiben, lediglich der durchschnittliche Ertra von Grundstücken gleicher Art maßgebend.“ (Der letzte Satz ist erst bei der n Lesung hinzugefügt worden.)
Die Abgg. Gyßling (freis Volksp.) und Wolff⸗Lissa (freis. Vgg.) beantragen, den letzten Satz wieder zu streichen. Die Abgg. von Arnim⸗Züsedom (kons.), Dr. von Woyna (freikons.) und Genossen beantragen an Stelle des letzten Satzes die folgende Fassung:
„Die Bestimmung des Wertes bleibt der Steuerordnung vor⸗ behalten. Bei land⸗ und forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten GFrundstücken, deren Verkauf zu Spekulationszwecken derzeitig rechtlich ausgeschlossen ist oder tatsächlich ausgeschlossen erscheint, soll der jeweilige Verkaufswert in der Regel nicht zu Grunde gelegt werden.“
Abg. Schulze⸗Pelkum (kons.) bittet um Annahme des An⸗ trages der Abgg. von Arnim und von Woyna, da dieser den bereits bei § 6 zum Ausdruck gebrachten Wünschen seiner Freunde entspreche.
Abg. Gyßling befürwortet, sowohl den bei der zweiten Lesung hinzugefügten zweiten Satz des § 8, betreffend die land⸗ und forst⸗ wirtschaftlichen Grundstücke, als auch den ähnlich lautenden Antrag vS abzulehnen, da sonst Ausnahmebestimmungen geschaffen würden.
Abg. Kirsch (Zentr.) erklärt sich für die Fassung, die der § 8 bei der zweiten Lesung erhalten hat.
Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollweg:
Im Gegensatz zum Herrn Vorredner halte ich den Antrag Nr. 117 immer noch für eine Verbesserung gegenüber den Beschlüssen der zweiten Lesung, die ich für nicht annehmbar erklären muß. In⸗ wieweit sie technisch eine unmögliche Konstruktion enthalten, hat der Herr Vertreter der Finanzverwaltung bereits in der zweiten Lesung ausgeführt, und auch durch die Worte des Herrn Vorredners habe ich mich nicht vom Gegenteil überzeugen können. Der Antrag 117 nähert sich dem von mir von vornherein vertretenen Standpunkt insofern, als er nicht mehr in deklarierender und vinkulierender Form Vor⸗
9 .
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schriften erteilt, sondern instruktionell eine Regel aufstellu von der Ausnahmen möglich sind. Aehnliche Instruktionen wollte ich in die Ausführungsanweisung und die Muster⸗
steuerordnungen aufnehmen lassen. An sich würde ich es für zweckmäßig halten, wenn der ganze zweite Satz des § 8 Abs. 1 gestrichen und der Kommissionsbeschluß wiederhergestellt würde. Können sich die Herren dazu nicht entschließen, so akzeptiere ich den Antrag 117, der, wie durch den Abg. Schulze⸗Pelkum zutreffend aus⸗ geführt ist, instruktionell eine Regel aufstellt, von der Ausnahmen zu⸗ lässig sein sollen.
Da ich gerade das Wort habe, möchte ich noch auf eine Anfrage, die Herr Graf Spee in der zweiten Lesung an mich zgerichtet hat, zurückkommen. Er hat geklagt über die übermäßige Zunahme des Steuerdrucks im allgemeinen und hat ausgeführt, daß einzelne Steuer⸗ pflichtige — vornehmlich hat der Herr Abgeordnete, wie mir schien, Grundeigentümer im Auge gehabt — bis zu 60 und mehr Prozent ihres deklarierten Einkommens an Steuern und Abgaben zu zahlen hätten. Daran hat er die Anfrage geknüpft, ob die von ihm ge⸗ schilderten Zustände der Staatsregierung bekannt seien, und welche Maßregeln diese zur Abhilfe zu ergreifen beabsichtige. Herr Graf Spee hat hiermit eine Angelegenheit angeschnitten, die meiner Ansicht nach weit über den Rahmen des uns gegenwärtig beschäftigenden Ge⸗ setzes hinausgeht.
Sein Zahlenmaterial beruhte auf Privaterhebungen, wie er selbst betont hat. Ich bin natürlich außerstande es nachzuprüfen. Nicht für richtig aber halte ich es, zu behaupten, daß der Steuerdruck bei uns eine Höhe erreicht habe, die unerträglich sei und die einer Kon⸗ fiskation des Vermögens gleichkäme. Ob etwa in einzelnen Fällen ein Zensit so stark belastet ist, daß er tatsächlich das ihm Auferlegte nicht leisten kann, darüber kann ich mich nicht äußern. Ich kann nur für die Allgemeinheit sprechen. Aber da behaupten zu wollen, daß wir in Preußen durch Steuern so weit belastet seien, daß wir nicht mehr wüßten wo aus und ein — verzeihen Sie mir —, das ist eine Uebertreibung, die durch die tatsächliche Entwicklung unserer Ver⸗ hältnisse widerlegt wird. Daß die Steuern stellenweise hoch sind, wissen wir alle. Aber ich behaupte: wenn einzelne Berufskreise mit Schwierigkeiten, zeitweise sogar mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, so sind daran nicht die Steuern schuld — an den Steuern ist noch kein Mensch arm geworden —, sondern daran sind schuld all⸗ gemeine Entwicklungsverhältnisse unserer wirtschaftlichen Zustände. Im großen und ganzen aber — darüber besteht doch kein Zweifel — hat ein großer Aufschwung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse statt⸗ gefunden trotz gleichzeitiger Steigerung aller Steuern.
Nun fragt der Herr Graf Spee, welche Maßregeln die Staats⸗ regierung zu ergreifen gedenke, um dieser steigenden Tendenz der Steuern entgegenzuwiiken. Soweit die Steuern Staats⸗ oder ähnliche Steuern sind, werden sie unter Mitwirkung von den Parla⸗ menten festgesetzt, und da wird dieses hohe Haus der Staats⸗ regierung doch wohl nicht den Vorwurf der Verschwendung machen wollen. Die alljährlichen Beratungen des Etats, gegenwärtig die Be⸗ ratungen des Schulgesetzes zeigen, daß dieses hohe Haus eine Menge von Ausgaben in den Etat eingestellt zu sehen wünscht, denen gegen⸗ über die Finanzverwaltung bisher eine zurückhaltende Stellung ein⸗ nimmt. (Sehr richtig!) Diesen staatlichen Steuern stehen in ge⸗ wisser Beziehung auch diejenigen Abgaben gleich, deren Maximalhöhe gesetzlich festgelegt ist. Ich erinnere an die Beiträge für die Land⸗ wirtschaftskammern, für die Aerztekammern usw. Auf der andern Seite haben wir zu rechnen mit denjenigen Steuern und Abgaben, welche nach dem Bedürfnis von denjenigen Verbänden umgelegt werden, denen die Gesetzgebung das Steuererhebungsrecht zu⸗ gesprochen hat.
Wie soll da Abhilfe geschaffen werden? Sie wäre doch nur denkbar in der Form, daß das Steuerrecht der steuerberechtigten Verbände zahlenmäßig limitiert wird. Das aber würde mit dem Geiste unserer gesamten Verwaltung in vollkommenem Wider⸗ spruch stehen. Dafür, daß die Kommunen und die ihnen gleich⸗ stehenden Verbände keine unnötigen Ausgaben machen, haben die Selbstverwaltungsorgane ihrerseits zu sorgen. Die Aufsichtsbehörde soll nur aushelfend in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eingreifen. Und ich glaube nicht, daß der Herr Abg. Graf Spee und seine politischen Freunde etwa einer Gesetzgebung das Wort werden reden wollen, welche in dieser Beziehung ein schärferes Bevormundungs⸗ system einführt, als es gegenwärtig — und wenigstens nach der Ansicht der liaken Seite dieses Hauses schon in zu scharfer Form besteht. Also ich wüßte nicht, welche Maßregeln ich Ihnen vorschlagen
sollte, die es verhüten, daß der Steuerdruck namentlich in den Kom⸗ munen weiter steigt. Dazu kann die Staatsregierung unmittelbar nichts tun, dafür müssen die Selbstverwaltungsorgane selbst sorgen. Ein Mehreres glaube ich auf diese Anfrage des Herrn Grafen Spee aus der zweiten Lesung nicht antworten zu können. Im übrigen war das Zahlenmaterial, das er mitgeteilt hat, für mich von großem Interesse, auch ich werde der Sache nachgehen, soweit ich es vermag.
Abg. Lusensky (nl.) erklärt sich für den Antrag Arnim⸗Woyna, äußert aber besondere Bedenken gegen die Fassung: „deren Verkauf zu Spekulationszwecken tatsächlich ausgeschlossen erscheint“, da der Kreisausschuß die Dinge doch gar nicht 1. genau übersehen könne.
Geheimer Oberfinanzrat Dr. Strutz bemerkt, daß die Finanz⸗ verwaltung es am liebsten sehen würde, wenn die Regierungsvorlage wieder hergestellt würde. Wenn sich das Haus dazu nicht entschließen könne, so möge es wenigstens den Antrag Arnim⸗Woyna annehmen. Bei Aufrechterhaltung des Beschlusses der zweiten Lesung würden die Städte von vornherein zu Gegnern dieser Wertsteuer werden; und auch die Landgemeinden würden zu Gegnern werden können, da in den meisten Fällen der Großgrundbesitz geringer getroffen werden würde als der kleine Besitz. Der Antrag Arnim⸗Woyna schlage wenigstens beigen. eine Brücke zwischen diesen Ungleichheiten. Vor allem sei der Vorzug des Antrages vor der Fassung der zweiten Lesung der, daß er nicht einen bestimmten Begriff des Ertragswertes festlege, aus dem das Oberverwaltungsgericht folgern könnte, daß eine Steuerordnung mit diesem Begriff unvereinbar sei.
Abg. Dr. von Woyna (freikons.): Wir machen keine Gesetze für das Oberverwaltungsgericht, sondern für das praktische Leben. Der Vorzug des Amendements besteht darin, daß die Steuerordnung durch die Genehmigung und nicht im Verwaltungsstreitverfahren fest⸗ gestellt würde. Die Fassung des Amendements könnte ja vielleicht noch besser sein, aber darüber würde die Praxis leicht hinwegkommen.
§ 8 wird in der Fassung des Antrages der Abgg. von Arnim und von Woyna angenommen.
Den §§ 9—18 wird ohne Debatte zugestimmt.
Nach § 19 sollen Beschlüsse des Kreistages über 1) die Erhebung von Beiträgen, 2) den Erlaß oder die Abänderung von Steuerordnungen zu der indirekten Kreissteuer, 3) die Heranziehung der einzelnen Steuerarten zu den direkten Kreis⸗ steuern, 4) die Mehr⸗ oder Minderbelastung einzelner Kreis⸗ teile, 5) die Erhebung direkter Kreissteuern über 50 Proz. des nach § 7 zu Grunde zu legenden Steuersolls, 6) den Erlaß oder die Abänderung einer Steuerordnung für eine Steuer vom Grundbesitze nach dem Veranlagungsmaßstabe des Wertes der Genehmigung des Bezirksausschusses bedürfen. Der Be⸗ schluß über die Genehmigung darf nur unter Zuziehung des Kollegiums erfolgen. (Der letzte Satz ist Zusatz der zweiten
L sung) 1
Abg. von Heyking beantragt statt dessen folgende Fassung: „Die Genehmigung darf nur mit Zustimmung des Kollegiums erteilt werden“.
Abg. Lusensky beantragt: „Die Genehmigung oder Versagung darf nur mit Zustimmung des Kollegiums aus⸗ gesprochen werden.“
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch beantragt, daß sich das Erfordernis der Zuziehung des Kollegiums nur auf die Fälle der Nr. 2 und 6 erstrecken soll.
Abg. Gyßling beantragt einen Zusatz, wonach zu den Beschlüssen des Kreistages bezüglich der Nr. 2 (Steuer⸗ ordnungen über indirekte Kreissteuer) eine Stimmenmehrheit von mindestens ⁄ der Abstimmenden erforderlich ist.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch führt aus, daß, wenn statt des Vorsitzenden des Bezirksausschuffes, gegen dessen Entscheidung an das Kollegium appelliert werden könne, nur das Kollegium entscheiden
solle, eine Instanz fortfalle; deshalb solle diese Ausnahme en auf die schärfsten Fälle, d. h. die Nr. 2 und 6, beschränkt eiben.
Abg. Gyßling empfiehlt seinen Antrag, der bezwecke, die Minderheit zu schützen.
Abg. von Heyking (kons.) begründet seinen Antrag damit, daß es in solchen Fällen, wo eine Steuerordnung vorgelegt werde, die auf keinen Fall genehmigt werden könnte, zu umständlich sein würde, das Kollegium zusammenzurufen, vielmehr sei die Versagung durch den Vorsitzenden allein genügend. Die Genehmigung müsse danach von dem ganzen Kollegium erfolgen. Den Antrag Gyßling würden seine Freunde ablehnen.
Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Lusensky und Kirsch (Zentr.) wird § 19 unter Ablehnung aller übrigen Anträge mit dem Antrage Lusensky angenommen.
Nach § 20 bedarf die Genehmigung der unter 2 und 6 des § 19 bezeichneten Kreistagsbeschlüsse der Zustimmung des Ministers des Innern und des Finanzministers.
Abg. Dr. Hager (Zentr.) begründet einen Antrag des Abg. Hoeveler, auch die Nr. 5 des § 19 dieser Zustimmung zu unterwerfen. “ 1“
Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollweg:
Meine Herren! Ich muß Sie bitten, den Antrag unter Nr. 4 auf Drucksache Nr. 118 abzulehnen.
Gegenwärtig bedürfen Kreistagsbeschlüsse, welche eine Belastung über 50 % vorschreiben, der Zustimmung der Minister des Innern und der Finanzen, aber nicht der Genehmigung des Bezirksausschusses; es besteht also nur eine Genehmigungsinstanz. Der Antrag 118 will zwei Zustimmungsinstanzen schaffen, einmal die Genehmigung des Bezirksausschusses, und danach soll diese Genehmigung noch an die Zustimmung der Minister gebunden werden. Ich frage mich, zu welchem Zweck? Weshalb sollen die Minister noch ihre Zustimmung erteilen, wenn schon der Bezirksausschuß, der den Verhältnissen näher steht, festgestellt hat, daß ein Kreis über 50 % hinausgehen muß?
Dadurch wird nur Zeitverlust und Vermehrung des Schreibwerkes herbeigeführt. Und gegen beides kämpft doch sonst dieses hohe Haus.
Höchstens könnte man fragen, ob es zweckmäßig ist, wie der Ent⸗ wurf es vorsieht, die Genehmigung, die jetzt von der Ministerialinstanz erteilt wird, dem Bezirksausschuß zu übertragen. Nun bin ich aber schon so oft während der kurzen Zeit, daß ich in meinem Amte stehe, hier von dem hohen Hause aufgefordert worden, zu dezentralisieren, daß ich glaube, lediglich einem Wunsche des hohen Hauses entsprochen iu haben, wenn ich vorschlage: nicht die Zustimmung der Minister ist erforderlich, sondern die Genehmigung des Bezirksausschusses. (Sehr richtig! rechts.) Ich bitte Sie deshalb, den Antrag abzulehnen.
§ 20 wird nach Ablehnung des Antrags unverändert an⸗ genommen, ebenso der Rest des Gesetzes.
Die Abgg. Dr. von Woyna und Genossen beantragen folgende Resolution:
„die Regierung zu ersuchen, in solchen Fällen, in denen infolge des Inkrafttretens des neuen Kreis⸗ und Provinzialabgabengesetzes die Pächter von Staatsdomänen wegen der veränderten issteuer⸗
flicht des Fiskus nach ihren tverträgen erheblich höhere Kreis⸗
teuern zu zahlen haben, zur Verhütung von Ueberbürdungen, diese Leistungen für die laufende Pachtperiode tunlichst auf Staatsfonds
zu übernehmen.“ 1 8 ““ 8
Die Resolution wird angenommen, nachdem ein Re⸗ gierungskommissar versichert hat, daß dieser Wunsch in wohlwollende Erwägung gezogen werden würde.
Darauf wird das Gesetz im ganzen gegen die Stimmen der “ und eines Teiles des Zentrums angenommen
Ess folgt die Fortsetzung der Beratung des Etats des Finanzministeriums.
Beim Kapitel der Oberpräsidenten und Regierungs⸗ präsidenten bittet .
Abg. Dr. Dahlem (Zentr) den Minister, seine Aufmerksamkeit auf die Verhandlungen im Reichstag über die Kellerkontrolle zu richten und Kellerkontrolleure im Hauptamt anzustellen, um der Wein⸗ pantscherei gründlich ein Ende zu machen. Die Kosten würden gegen⸗ über dem großen Nutzen nicht so erheblich sein.
Zu den Ausgaben für die Tagegelder, Reise⸗ und Umzugskosten hat die Budgetkommission beantragt, „die Re⸗ gierung zu ersuchen, in Erwägung zu ziehen, ob nicht die Einführung einer Pauschalsumme für die Dienstreisen der Kreisärzte und Kreistierärzte sich als zweckmäßig erweisen würde“.
Der Antrag wird ohne Debatte angenommen.
Bei den Ausgaben für Vergütungen an höhere Ver⸗ waltungs⸗ und Justizbeamte für die Teilnahme an wissenschaft⸗ lichen, landwirtschaftlichen und ähnlichen Kursen, 35000 ℳ, bittet Abg. Peltasohn (fr. Vgg.), den Kreis dieser Beamten durch Hinzuziehung von jüngeren Beamten zu erweitern.
Unterstaatssekretär Dombois erwidert, daß das nicht gut möglich sei, da es sich nicht um eine Ausbildung, ber um Fort⸗ bildung handle; der Kreis der Beamten würde auch ein viel; großer werden.
Zu dem Titel der widerruflichen, nicht pensionsfähigen Gehaltszulagen für die in Posen und Westpreußen angestellten mittleren Kanzlei⸗ und Unterbeamten, 1 800 000 ℳ, liegt eine Petition des Eisenbahnsekretärs Neumann und Gen aus Bromberg um Herabsetzung der Wartezeit für die Be⸗ willigung der Ostmarkenzulage bei den im dienstlichen Interesse nach der Ostmark versetzten Beamten vor.
Berichterstatter Abg. Wallenborn beantragt, Petition zur Tagesordnung überzugehen.
Abg. Funck (fr. Volksp.): Die Hauptgründe, die uns zur Ab lehnung der Ostmarkenzulage veranlassen, haben wir schon wiede holt früher dargelegt. Die Stellung meiner Freunde, zur Polenfrag ist bekannt. Der Charakter dieser Zulage ist bedenklich, nicht da meine Freunde gegen Stell en an sich sind, aber die Art und Weise, wie diese Zulage gegeben wird, widerspricht unserer Auffassun Wir sind besonders gegen den Charakter der Widerruflichkeit dies Zulage. Daß sie einen gewissen Anschein der Belohnung erweckt, ist äußerst bedenklich.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Ich möchte dem Herrn Vorredner gegenüber erwidern, daß ich glaube, die Befürchtung, es könnte irgendwie mit Willkür verfahren werden, unbegründet ist. Ich habe mir schon darzulegen erlaubt, daß sehr wenige Fälle vorgekommen sind, wo den Beamten die Zulag nicht gewährt worden ist oder wo sie ihnen hat entzogen werden müssen, wenn sie einmal gewährt war. Es liegen mir jetzt Zusammen⸗ stellungen über den augenblicklichen Stand in den anderen Ressort nicht vor, aber aus dem Bereich der Finanzverwaltung darf ich mit teilen, daß überhaupt nur drei Beamten von vielen Hunderten di Zulage entzogen worden ist, und zwar aus Gründen eines schlechte Verhaltens, und zwar aus diziplinaren und nicht aus nationale Gründen.
Abg. Ernst (fr. Vgg.) stimmt dem Wunsche der Petition
zu, daß die Wartezeit bis zur Gewährung der Zulage nur ein Jahr betragen möge. “ Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: Meine Herren! Ich würde bitten, nicht der Anregung des Hern Vorredners zu folgen, vielmehr dem Antrage der Budgetkommission entsprechend über den Antrag des Beschwerdeführers zur Tagesordnun überzugehen. Ich glaube, es ist nicht ganz richtig, was der Her Abg. Ernst sagte, daß die Ostmarkenzulage den bewährten Beamten gegeben werden solle; dies ist nicht allein das ausschlaggebende Moment sondern es soll ein gewisses Entgelt dafür sein, daß der Beamte unter schwierigen Verhältnissen eine Zeitlang im Osten ausgeharrt hat Die Ostmarkenzulage ist also gewissermaßen eine Prämlie für das Ver⸗ bleiben und Ausharren unter schwierigen Verhältnissen. Deswegen ist die Petition, die dahin geht, daß den Beamten, die nach Posen ver⸗ setzt werden, auch alsbald die Ostmarkenzulage gegeben werde, nicht gerechtfertigt. Wir haben den erwähnten Grundsatz erst vor einiger Zeit mit dem hohen Hause vereinbart; ich würde bitten, an diesem mühsam zu Stande gekommenen Grundsatz jetzt nicht wiederum zu rütteln.
Abg. B hebt nochmals hervor, daß die Bedenken seiner Freunde sich nicht gegen die Zulage an sich, sondern nur gegen deren Charakter richteten.
Abg. Stvchel (Pole) bittet um förmliche Abstimmung über diesen Titel, damit seine Freunde dagegen stimmen könnten.
Der Titel wird bewilligt. Ueber die Petition geht das Haus zur Tagesordnung über.
Der Rest der dauernden Ausgaben wird ohne Debatte bewilligt.
Bei den einmaligen Ausgaben begründet Berichterstatter Abg. Wallenborn die Forderung von 763 000 ℳ für Mehrkosten des Umbaues des Königlichen Schauspielhauses in Berlin; die Mehrkosten seien durch umfassendere Fundamentierungs⸗ arbeiten, die vorher nicht hätten veranschlagt werden können, und durch größere Erfordernisse an die Sicherheitsvorrichtungen und hygienischen Einrichtungen entstanden. Die Kommission habe die Genebmigung nicht versagen können. b
Abg. von Arnim (kons.): Wir werden diese Forderung, die den Kostenanschlag um etwa 50 % übersteigt, bewilligen, können aber die Angelegenheit nicht sang⸗ und klanglos über die Bühne gehen lassen. Im Februar 1904 wurde die Sache in der Budgetkommission ausführlich beraten, der Minister schilderte die Dringlichkeit des Umbaues und wies nach, daß sich die Kosten noch nicht ganz übersehen ließen Nachdem der Umbau ein Jahr im Gange war, wurde das Schauspiel⸗ haus am 31. März v. J. wieder eröffnet. Da kann man billig fragen, ob die Bauleiter nicht schon vor einem Jahre hätten . angeben können, wie hoch sich die Kosten stellen würden. Der , missar hat in diesem Jahre in der Budgetkommission erklärt, das mit Rücksicht auf die außerordentlichen Verhältnisse wohl eine gewifse Ueberschreitung der Kosten vorauszusehen gewesen wäre, daß aber die Baukommission gehofft habe, durch Ersparnisse an den reich bemessenen Titeln für unvorhergesehene Fälle und für den inneren Ausbau eine Deckung zu erreichen. Diese Hoffnung ist doch sonderbar, um nicht „naiv“ zu sagen. Bei der vorjährigen Kommissionsberatung, secht Wochen vor der Vollendung des Baues hätte die Baukommission die Sache übersehen müssen und hätte uns dann im vorigen Jahre darũber berichten können. Man sagt, die Baumeister seien schlimme Leute, aber die Wasserbaumeister seien die schlimmsten. Hier kann man el umgekehrt sagen. Dem Finanzminister machen wir gar keinen Vorwurf, aber die Bauleitung ist nicht von einem Vorwurf freizusprechen.
(Schluß in der Dritten Beilage.)
über diese
“ zum Nℳo. 48.
Dritte Beilage
Deutschen Neichsanzeiger und Königlich Preußischen
Berlin, Sonnabend, den 24. Februar
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
Geheimer Oberbaurat Launer: Bei der Eröffaung des Schau⸗ uses war der Bau noch nicht im entferntesten fertig, und wir
in der Kommission, ob wir unter den damaligen Umständen überbaupt Seiner Majestät die Eröffnung anraten könnten. Die Arbeiten haben sich noch den ganzen vorigen Sommer hingezogen. Die ganzen Räume des Foyers und ersten Ranges waren bei der Eröffnung nicht im entserntesten fertig, und nur mit Mühe und Kot konnte das Pablikum über die Treppen nach dem ersten und weiten Rang gelassen werden. Wir befanden uns bei der Eröffnung in einer Notlage. Wer die unendlich schwierigen und komplizierten Arbeiten mitzumachen hatte, kann sich einen Begriff machen, daß es leichtsinnig gewesen wäre, damals schon die Summe zu präzisieren. Wir konnten sie nur ahnen, und ich habe damals in der Kommission ausdrücklich die Hoffnung ausgesprochen, daß wir Ersparnisse bei den reich bemessenen Titeln für unvorhergesehene Fälle und die innere Einrichtung machen könnten. Es war also damals keine Veranlassung, dem Ministerium über die ungünstige finanzielle Lage zu berichten. Lider stellte sie sich ungünstiger, als wer erwarten konnten. Es war eine Kommission von Vertretern aller Ressorts gebildet, ein Vorwurf, daß nicht alle Vorsicht gebraucht sei, kann also nicht erhoben werden. Wir trafen bei dem Bau auf solche Widrigkeiten, daß man tatsächlich von einer force majeure sprechen kann. Wir stießen auf den außer⸗ ordentlich ungünstigen Fundamentbau aus der Zeit des alten National⸗ tbeaters. Die neue Fundierung war unendlich schwierig, und wir hatten mit Wasserzudrang von stellenweise 2 m Höhe zu kämpfen und mußten Spundwände schlagen. Wir mußten bei Tag und bei Nacht arbeiten und künstlich heizen und Tag und Nacht elektrisch be⸗ jeuchten, was alles nicht vorhergesehen werden konnte. Ich bitte uns zu glauben, daß wir versucht haben, diesen Bau, von dessen außer⸗ ordentlicher Wichtigkeit und Schwierigkeit wir uns überzeugt haben, i einem guten Ende zu führen. Wenn es uns nicht gelungen ist nach der finanziellen Seite hin, so sind wir nicht schuld daran, sondern die Macht der Verhältnisse. 8 8 “
Abg. Broemel (fr. Vgg.): Die Ausführungen des Kom⸗ missars waren nicht geeignet, die Ausstellungen des Abg. von Arnim zu entkräften. Es ist offensichtlich, daß die erheblichen Mehrkosten durch den beschleunigten Ausbau des Schauspielhauses herbeigeführt worden sind. Des geht schon daraus hervor, daß die Arbeiten in der Eile nicht auf dem Wege der Submission vergeben worden sind. Im übrigen bemerke ich noch, daß das Schiller.Theater in Berlin durch seine außerordentlich billigen Aufführungen klassischer Werke in einem Jahre mehr für die Kunst im Volke getan hat als das Schauspiel⸗ daus in einem Jahrhundert. Man häatte hier wie beim Residenz⸗ schloß in Posen eine bestimmte, nicht überschreitbare Summe aus⸗ werfen sollen. 18 — Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: —
Meine Herren! Ich habe nicht vermutet, daß bei dem so nüchternen Etat des Finanzministeriums Vergleiche zwischen der känstlerischen Tätigkeit des Schillertheaters und des Königlichen Schauspielhauses gezogen werden würden. Und wenn Herr Abg. Broemel sagt, daß das Schillertheater in einigen Jahren so viel getan hat wie das Königliche Theater in einem Jahrhundert, so erlaube ich mir, das doch in Zweifel zu ziehen. (Rufe bei den Freisianigen: Volkstämlich!) Ich erkenne mit Herrn Abg. Broemel durchaus an, daß das Schillertheater nach dieser Richtung hin sehr verdienstlich wirkt, indem es den minder bemittelten Kreisen unserer Bevölkerung klassische Stücke zugänglich gemacht hat. Aker ich kann andererseits in keiner Weise ihm darin recht geben, daß das Schauspielhaus in erster Linie ein Institut der Königlichen Repräsentation sei. Meine Herren, wenn auch vielleicht für etwas andere Kreise des Publikums, so erfüllt das Königliche Schauspielhaus doch im wesentlichen dieselben Ziele wie das Schillertheater, indem es allen Bestrebungen gegenüber, die vielfach jetzt dem Publikum die Freude am klassischen Schauspiel zu verleiden suchen, dieses klassische Schauspiel nach wie vor hoch hält, und ich glaube, daß auf diesem Gebiete die Verdienste des Königlichen Schauspielhauses doch nicht in Abrede zu stellen sind, und daß die Krone sür diese Dar⸗ bietungen guter Kunst enorme Opfer gebracht hat. 1 1
Meine Herren, ich komme zu dem Umbau des Schauspielhauses selber und muß bemerken, doß ich eigentlich die ganz unschuldige Stelle bin, gegen die sich diese Vorwürfe richten. Von Alters her stehen die Baukosten für die Königlichen Theater auf dem Etat des Finanzministeriums, während sie eigentlich auf den Etat der Bau⸗ verwaltung gehören. Es bandelt sich einfach um einen Umbau von Staatsgebäuden und rein aus zufälligen Umständen stehen diese auf dem Etat des Finanzministeriums und nicht dem der Bauverwaltung.
Herr Abg. Broemel sagte, man hätte so vorgehen sollen wie beim Bau des Königlichen Schlosses in Posen, und auch hier den Betrag im Maximum limitieren müssen. Meine Herren, dabei verkennt er doch den Unter⸗ schied zwischen dem Residenzschloß in Posen und dem Königlichen Schauspielhaus. Der Bau des Residenzschlosses in Posen wird seitens der Krone ausgeführt; es handelt sich nicht um einen Staatsbau, und dabei konnte man den Höchstbetrag wohl limitieren, während es sich bei dem Schauspielhause um den Umbau eines Gebäudes handelt, das im staatlichen Besitz ist, und hier war eine Limitierung nicht möglich. G
Nun kann ich nochmals betonen, meine Herren, daß mir diese Ueberschreitungen genau so schmerzlich sind, vielleicht noch schmerzlicher als dem hohen Hause, und ich bin Herrn Abg. von Arnim dankbar dafür, daß er spezielle Voꝛwürfe gegen die Finanzverwaltung nicht ge⸗ richtet hat. Ich habe mir schon darzulegen erlaubt, daß meine Für⸗ sorge nach zwei Richlungen gehen mußte. Einmal nach der Richtung hin, daß dem Etatsrecht des Abgrordnetenhauses in keiner Weise vorgegriffen würde; und das ist geschehen, indem ich grundsätzlich abgelehnt habe, irgend welche Mittel bereit zu stellen, ehe der Landtag seine Zustimmung dazu gegeben hat. Und nach der anderen Richtung hatte ich insofern Fürsorge zu treffen, als eben eine Kontrolle für den ganzen Bau eingesetzt wurde. Auch das ist geschehen durch eine Kommission, die überwiegend aus Staats⸗ beamten bestand. ““
Ich kann nochmals betonen, daß ich überhaupt erst durch ein Schreiben des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten vom Juni vorigen Jahres Kenntnis bekam von den Ueberschreitungen. Nun ist der Vorwurf, den Herr von Arnim und Herr Broemel ausgesprochen haben hauptsächlich der, daß die Herren von der Bauverwaltung mir
nicht rechtzeitig Mitteilung gemacht hätten von den Ueberschreitungen, die bevorständen. Meine Herren, wir haben doch gar keine Veran⸗ lassung, einen Zweifel in die Auffassung der bewährten Beamten zu setzen, wenn sie sagen, wir haben allerdings voraus⸗ gesehen, daß auf einzelnen Gebieten Ueberschreitungen ein⸗ reten würden, wir haben aber angenommen, daß auf der anderen Seite Ersparnisse erzielt werden würden, sodaß sich die beiden Dinge ausgleichen würden. Ich meine, wenn von dem Herrn Vertreter des Ministers der öffentlichen Arbeiten, wie es ge⸗ schehen ist, diese Versicherung abgegeben wird, so sollten wir Zweifel in die Auffassung dieser Hercen nicht setzen.
Dann hat Herr Abg. Broemel ausgeführt, es sei ein Teil der Mehrkosten auf die Beschleunigung des Baues zurückzuführen. Aller⸗ dings mußte der Bau beschleunigt werden. Wenn überhaupt ein
Theater da ist, wenn es der öffentlichen Benutzung für Kunstzwecke
freigegeben ist, und dann durch einen Umbau diesen Zwecken entzogen wird, dann muß man dem Publikum die Pforten des Theaters so schnell wie möglich wieder öffnen, und es war in Aussicht genommen, das Theater am 1. Januar fertigzustellen. Es ist tatsächlich aber erst am 21. Mäͤrz eröffnet worden, also beinahe drei Monate nach dem ursprünglich in Aussicht genommenen Termin; der ganze Umbau des Theaters hat nahezu ein Jahr erfordert.
Meine Herren, ich glaube also, daß, so unerwünscht die ganze Sache ist, sie doch überwiegend auf die Umstände zurückzuführen ist, deren der Vertreter der Bauverwaltung gedacht hat, daß sich eben Mängel herausgestellt haben, die von vornherein nicht übersehen werden konnten, daß man mit einem alten, unzählige Male geflickten Gebä uüde zu tun hatte, daß tatsächlich viel größere hauliche Mängel aufwies, als es ursprünglich schien. Hier hat sich wieder einmal die Erfahrung gezeigt, daß nichts teurer ist, als an einem alten Hause herumzuarbeiten (sehr richtig), daß bei einem alten Hause die Bau⸗ schäden viel größer sind, als sie in die Erscheinung treten, und das ist ein Umstand, der den Herren der Bauverwalturg nicht zum Vorwurf gereicht. Ich möchte daher bitten, gegen die Herren der Bauverwal⸗ tung weitere Vorwürfe nicht zu richter.
Abg. Fritsch (nl.): Durch die Erklärungen der Regierung wird ja diese Etatsüberschreitung erklärbar und entschuldbar; aber da es sich um die enorme Summe von über 1 Million handelt, so hätte doch in jedem Falle hereits beim vorjährigen Etat eine Ankündigung dieser Ueberschreitung erfolgen müssen. Jetzt ist eine Zwangslage vorhanden. Wenn so erhebliche Aufwendungen wie hier für die Königlichen Theater gemacht werden, so geschieht das doch auch in einem gewissen öffentlichen Interesse. Wir haben nun beim Justizetat Vorstellungen gehört über die Verbreitung der Schmutzliteratur in Wort und Bild. (Präsident: Das gehört doch ader nicht hierher.) Aber der Abg. Broemel hat doch vom Schiller⸗Theater gesprochen. (Präsident: Na ja, es ist ja über manches gesprochen worden.) Ich muß aber mein Votum von dieser Begründung abhängig machen. (Präsident: Bilte!) Ich muß darauf hin⸗ weisen, daß auf dem Repertoire der Königlichen Theater nicht immer Werke stehen, die ganz auf der Höhe der Zeit sind, z. B. „Der Schwur der Treue“. Das Schauspielhaus müßte auch das Seine dazu beitragen, daß die Meisterwerke unserer klassischen Literatur dem Volke mehr zugänglich werden. Wir haben einen Wechsel in der Oberleitung des Schauspiels erfahren, und ich knüpfe daran die Hoffnung, daß in Zukunft das Repertoire Stücke bringen möge.. (Präsident: Ich glaube aber nicht, daß der Herr Finanzminister den geringsten Einfluß auf das Repertoire des Schauspielhauses hat.)
Abg. Funck: Weniger die Etatsüberschreitung als die Art und Weise, wie die ganze Frage von der Baukommission behandelt worden ist, hat unser Bedenken erregt. Der Finanzminister meinte, dieser Bau gehöre mehr zum Etat der Bauverwaltung. ist richtig, und daß der Minister in diese Frage hineingezogen ist, tut mir zwar persönlich sehr leid, aber wir müssen uns doch den allgemein erhobenen Vorwürfen anschließen. Der Abg. Broemel hat schon auf die Bedeutung klassischer Theaterstücke für die Volksbildung hingewiesen. Wir haben in Frankfurt mit Eintrittspreisen von 30 und 40 ₰ de besten Erfahrungen gemacht; der Andrang der Acbeiterschaft zu diesen Vor⸗ stellungen, besonders zu den klassischen Stücken, war ganz enorm. Ich möchte es als ein nobile officium des Königlichen Schauspiel⸗ hauses bezeichnen, in diesem Sinne ein gutes Stück Sozialpolitik durch Veranstaltung billiger Vorstellungen ju treiben, und ich möchte im Namen meiner Freunde den Minister bitten, sein Interesse dieser Frage zuzuwenden. 1 “ 1 b1
Abg. Graf von Praschma (Zentr.): Ich schließe mich im wesentlichen dem an, was die Vorrerner gesagt haben. Forderung nur ungern und gewissermaßen gezwungen zu. 2 minister können wir keinen Vorwurf machen. Bei der Ver⸗ anschlagung solcher Bauten muß aber ganz besonders vorsichtig vor⸗ gegangen werden, und es muß auch während des Baues kontrolliert werden. Es darf doch un vi der Vollendung die Ueberschreitung noch nicht übersehen und dem Finanzminister noch keine Mitteilung davon machen kann. Die Arbeiten im vorigen Sommer bezogen sich im wesentlichen nur noch
8₰‿25 Das
auf die Ausschmückung, die eigentlichen Bauarbeiten waren früher
fertig. Solche Ueberraschungen dürfen uns und dem Finanz⸗
minister nicht mehr passieren; wenn uns nicht die Garantien dafür
geboten werden, müssen wir daraus die Konsequenzen zieben, und vielleicht in der Art, wie der Abg. Broemel vorschlug, Vorkehrungen treffen. . 85 Wae Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.): Wir werden die Forderung zwar bewilligen, aber auch nur sehr ungern, und wir schließen uns den Aeußerungen der Vorredner an.
Die Forderung wird bewilligt, eichen die übrigen einmaligen Ausgaben. Damit ist der Etat des Finanzministeriums erledigt.
Schluß nach 4 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr. (Kultusetat).
8
Statistik und Volkswirtschaft.
8 Arbeitslöhne und Arbeitszeit in den Betrieben der Reichsmarineverwaltung im Jahre 19904.
Dem Reichstage ist eine vom Werftdepartement des Reichs⸗ marineamts gegebene statistische Zusammenstellung der im Bereiche der Marireverwaltung im Jahre 1904 gezahlten Arbeitslöhne unter⸗ breitet worden. Diese Darstellurg, unterscheidet drei Gruppen von Arbesttern: A. die Arbeiter der Kaiserlichen Werften und der Kaiser⸗ lichen Torpedowerkstatt Friedrichsort, B. die Arbeiter der Kaiserlichen Artillerie- und Minendepots, Garnisonverwaltung, Lazarette, Ver⸗
Staatsanzeiger. 1906.
pflegungs⸗ und Bekleidungsämter, C. die Hilfsbediensteten. Alle drei Gruppen zusammen zählten 18266 Vollarbeiter.
Hinsichtlich der Gruppe A sind die gegen Stunden⸗ und Tagelohn beschaͤftigten und die im Monatslohn stehenden Arbeiter zu unterscheiden. Eine Uebersicht über die Löhne dieser ersten Gruppe, der Arbeiter der Kaiserlichen Werften und der Torpedowerkstatt Friedrichsort, gibt die nachfolgende Tabelle:
’
2 ☛— Für ein Tagewerk S— 2 durchschnittlicher ,85 1. — 8285 5 8 3 9 G 5 Sr [288 8 ZS5E =8s8S — — eev ;— Z228‚ EETA8In111“ 8 =x* 8882* [E8 I. Stundenlöhner. Lehrlinge und Jungen. 1 0581 1,12 0,15 1,27 0,01 öööe-850 (J9.96 3,36 0,13 Hilfshandwerker . . . . . . 1 898 3,24 0,80 408 02 Handwerker bis zum durch⸗ schnittlichen Tagesgrundlohn von 3,60 ℳ: Schiffbauer, Schlosser,
Schmiede, Tischler, Zimmer⸗
5,01] 0,1
leute, Segelmacher, Takler Handwerker mit durchschnitt⸗ lichem Tagesgrundlohn über 3,60 bis 3,80 ℳ: Dreher, Klempner, Maler, Maschinenbauer.. Handwerker mit durchschnitt⸗ lichem Tagesgrundlohn über 3,80 bis 4 ℳ: Torpedodreher, Former, Kesselschmiede, Kupfer⸗ schmiede., Modelltischler, Mechanikergehilfen, Schiffs⸗ zimmerleute usw.. . Handwerker mit durchschnitt⸗ lichem Tagesgrundlohn über
0 — 0‿ —
Hammerschmiede, Torpedo⸗ 1 schlosser, Werkzeugmacher . vbe4**“ 315] 4,08 1,39 5,47 II. Tagelöhner. 2 Personal des Baggerbetriebes. 106] 3,41 0,70 4,11
III. Monatslöhner. Durchschnittsmonatslohn 80 bis
90 ℳ:
Feuerwehrmänner*), Wächter,
Schiffskammerarbeiter . 319 Durchschnittsmonatslohn über 90 bis 100 ℳ:
Bauboten, Bureaudiener, Heizer, See⸗ und Zimmer⸗ leute und Schleusenarbeiter
Durchschnittsmonatslohn über
94,30
Wir stimmen der Dem Finanz⸗-
nicht vorkommen, daß man vier Monate vor
desgleichen ohne Debatte
100 bis 110 ℳ: 8 Drucker, Lohnschreiber, Kessel⸗ und Maschinenwärter, Telegraphisten Schleusen⸗ n “““ Darchschnittsmonatslohn über 110 tis 120 ℳ: Vorardeiter, Magazingehilfen, Tceecchnische Arbeiter, Ma⸗ scchinisten, Oberfeuerwehr⸗ mäünner“*), Schleusenhand⸗ Durchschnittslohn über 120 ℳ: Steuerleute, Schaltbrett⸗ wärler, Technische Arbeiter des Seekarttenbetriebs,
104,97
1.
114,50
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Wohlfahrtgehilfen usw.. 5³ 132,13 Diensttuende Werkführer .. 370 149,80 Zusammen. 16 830
Hinsicht der Er⸗
Diese Zusammenstellung bedarf in mehrfacher läuterung. Zunächst ist zu bemerken, daß nach der amtlichen Dar⸗ stellung die regelmäßige tägliche Arbeitszeit eine Dauer von zehn Stunden umfaßt. Emne Arbeitsleistung in diesem Umfange bildet ein „Tagewerk“. Die Zahl der geleisteten Tagewerke ergibt sich hiernach in der Weise, daß die Gesamtzabl der geleisteten normalen Arbeitsstunden durch 10 geteilt wird. Um den durchschnitt⸗ lichen Gesamtverdienst für ein Tagewerk zu ermitteln, ist die Summe des Gesamtverdienstes aller Arbeiter einer Gattung einschließlich der Zulagen und des Alkordüberverdienstes durch die Summe der geleisteten Tagewerke zu teilen. Im übrigen setzt sich dieser Durchschnittsverdienst (Gesamtverdienst) für die einzelnen Gruppen jusammea aus dem Grundlohn und dem durch
Akkord. Ueberstunden⸗ und Feiertagserbeit erzielten Mehrverdien st. Der Grundlohn mwiederum bestimmt sich aus einer Lohnklassen⸗
tabelle, die für den 1. Mai jeden Jahres nachweist, wieviele Arbeiter inrerhalb einer Gattung sich in jeder Lohnklasse be⸗
im Durchschnitt auf ein Tage⸗ werk entfällt. Als Vollarbeiter wird ein Arbeiter gerechnet, der innerhalb eines Jahres 300 Tagewerke verrichtet. Die Anzahl der Vollarbeiter für jede Gattung erhält man, indem man die zugehörige Anzahl der gesamten geleisteten Tagewerke durch 300 teilt. (— Trifft das bisher Gesagte in erster Linie für die gegen Stunden⸗ und Tagelohn beschäftigten Arbeiter zu, so ist hinsichtlich der Monatslöhne zu bemerken, daß für sie der Monat zu 30. Tage⸗ werken rechnet. Die Lohnsumme, geteilt durch die Anzahl der Tage⸗ werke, ergibt den durchschnittlichen Tagesverdienst, die 30 fache Summe den durchschnittlichen Monatsverdienst, die Zahl der Tagewerke, geteilt durch 360, die Zahl der Vollarbeiter.. 1“ Der nach den vorstehenden Grundsätzen für ein Tagewerk be⸗ rechnete Durchschnittsgesamtverdienst schwankt bei den gegen Stundenlohn beschäftigten Arbeitein zwischen 3,36 ℳ und 5,47 ℳ Für den ersteren Satz kommen nur Handlanger in Betracht. Die nächst⸗ folgenden Lohnstufen gelten für Handwerker, deren Tagelohn sich zwischen 3,60 ℳ und 4,00 ℳ bewegt. Die höchstgelöhnten Handwerker sind hier die Hammerschmiede, Torpedoschlosser, Werkzeugmacher usw. Für
9 Feuerwehrmänner und Oberfeuerwehrmänner außerdem freie Dienstbekleidung.
finden und welcher Lohbnanteil