„Pflan
Arbeiten. Ders. Einleitung in die theoretische Physik. Prof. Konen. für Pharmazeuten. Ders.
„ebungen im Anschluß an die Vorlesungen über theoretische Physik. Ders. Uebungen in Demonstrationsversuchen und in der Anfertigung einfacher Apparate (für Lehramtskandidaten). Ders. †Theoretisch⸗ physikalische Uebungen für Vorgeschrittene. Ders.
10) Reine und angewandte Chemie, Pharmazie,
Hygiene. Prof. Salkowski. „Chemie der Metalle. aftlicher Arbeiten.
und Leitung wissens
„Ueber Bakterien. ers.
13) Zoologie. Allgemeine Zoologie und Grundzüge der Prof. Ballowitz. Spezielle Zoologie und
Organische Chemie. Ders. [Praklische Uebungen g. Ders. †Chemisches Praktikum für Mediziner (zusammen mit Prof. Dr. Kaßner und Dr. Thiel). Ders. Phvsikalische Chemie, I. Teil. Dr. Thiel. Praktikum des Glasblasens für Anfänger und für schrittenere. Ders. Anleitung zu chem. Experimentalversuchen ür den Unterricht an höheren Schulen. Ders. †*Uebungen im agrikulturchemischen Laboratorium der Landwirtschaftlichen Versuchs tation. Prof. König. „Chemie der menschlichen Nahrungs⸗ und enußmittel, II. Teil (Nahrungs⸗ und Genußmittel aus dem Pflanzenreich)h. Dr. Bömer. †*Repetitorium der Nahrungsmittelchemie. Ders.
Untersuchungen für Geübtere. mit besonderer Berücksichtigung der wichtigen Formen. Prof. Stempell.
14) Anatomie.
lehre, Sinnesorgane). Prof. Ballowitz.
der Organe. Ders. „Anatomische Demonstrationen. Ders.
15) Physiologie.
Experimentalphysiologie, I. Teil. logisch⸗chemischer Kurs. Ders.
16) Erdkunde.
„Ueber Gifte und ihren Nachweis in Untersuchungsobjekten. Prof. Kaßner. Anorganische Chemie mit besonderer Berücksichtigung der Medizin und Pharmazie. Ders. Kolloquium über pharmazeutische Präparate und die Gegen⸗ stände des deutschen Arzneibuches. Ders. Ausgewählte Kapitel der chem. Technologie mit besonderer Berücksichtigung der Glasindustrie und Keramik. Ders. [Toxkkologische, pharmaeutisch⸗chemische und maßanalytische Uebungen. Darstellung chemischer Präparate. 188 Fortgeschrittene Bearbeitung wissenschaftlicher oder technischer Auf⸗ gaben.
11) Mineralogie und Geologie.
Allgemeine Geologie,. Prof. Busz. Mineralogische Uebungen. Ders. †“Anleitung zu selbstaͤndigen wissenschastlichen Arbeiten. Ders. . 12) Botanik. 1
Allgemeine Botanik. Prof. Zopf. Mikrofkopischer Fotanischer Kursus. Ders. Mikroskopische Untersuchung von Drogen⸗Pulvern
Münster, im Februar 1906.
BV- von Savigny.
zenbiologische Ders. †Anleitung zu wissenschaftlichen Arbeiten. Ders. Flora (Bestimmungzübungen und Exkursionen). Dr.
Prof. Roseman „Physiologische Besprechungen.
Demonstrationen. Kenntnis der Tobler.
vergleichenden Anatomie. vergleichende Anatomie
der Wirbeltiere. Ders. †Anleitung zu selbständigen wissenschaftlichen Ders. Ueber die Urtiere (Protozoen) biologisch und Allgemeine Einführung in das Studium der Naturwissenschaften.
pathologisch Biologie als Ders.
Systematische Anatomie des Menschen, II. Teil (Gefäß⸗ und Nerven⸗
Mikroskopische Uebungen
in der Zellen⸗ und Gewebelehre und in der mikroskopischen Anatomie Entwickelungsgeschichte des Menschen.
Ders.
n. Physio⸗ Ders.
Die erdkundlichen Vorlesungen werden später angekündigt.
In dem vorstehenden Verzeichnis sind unentgeltliche Vorlesungen Ders. und Uebungen durch einen *, Privatissima durch ein † bezeichnet.
Der z. Rektor der Königl. Universität
Wir Jena
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I. Teil;
Das Tagebuch bis 1683). II. (Schluß⸗) Band. 7 Die Kirchenbücher superintendentur
ran Feenfn Duncker u. Humblot. Bergbau und Berücksichtigung der übr hoff. 2. Verkehrsanstalten. Die Beamtenbesoldu
1906/7. denselben angestellten höheren, als Besoldung derselben festgesetzten geldzuschuß ꝛc. systematisch zusammengestellt. 1 Nach den amtlichen Etats un herausgegeben von H. Lorenz, Inspektor. 0,60 ℳ
Einige Weltprobleme. Abhandlung von Th. Newest. Er ohne Stülpnagel).
Ausbildung und Inhrun Gedanken und Vorschläge von
Literatur.
Kurze An
tschafts⸗ andel 8 Fußhs Fischer.
Herausgeg. von 7 ℳ Leipzig,
im Berlin und
kfurt a. O. Bearb. von
Grundab Gebdn.
Band: Die
Preußischen Staatshaus Eine Zusammenstellung
Dienstaltersstufen
häupter ꝛc.
Wunderkultus. 2 ℳ
ler u. Sohn.
Dr. Grundbesitz nach pr igen Berggesetze. Von ngstitel des mittleren und niederen Beträge an Gehalt, Wohnungs⸗ Anhang: Zivillis
III. Teil.
oser.
zeigen
neu erschienener Schriften, deren Besprechung vorbehalten
Das Wirtschaftsjahr 1905. Ja und Arbeitsmarkt. und Wandel. Brosch. 9 ℳ,
Dietrich Sigismund Professor Dr. Ferdinand
Duncker u. Humblot. Bezirke der
tretung.
haltsetats für
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Wien,
des Bataillons im Gefecht Berlin SW. 12, E. S
bleibt.
hresberichte über den Von Richard Calwer. gebdn. 10 ℳ
von Buchs (1674
General⸗ den Kreisen Lebus und Stadt Georg Vorberg. 7 ℳ
eußischem Recht unter Wilhelm West⸗ Die öffentlichen Berlin W. 35, J. Guttentag. 1“ Reichs⸗ as
der Behörden, der 8. s 188 eamten, der
t Ausführungsbestimmungen, ten der Staats⸗ d im Selbstverlage Berlin⸗Plötzensee. Allgemeinverständliche gründung der Elektrizität Karl Konegen (Ernst
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Landsberg a. W. Breslau’. Striegau 16,10 Hirschberg i. Schl. 16,30 S 1“ .885 8 — öttingen 8 3 — Geldern. 17,20 Neußh . .. Döbeln. Rastatt.. Neustrelitz. Neubrandenburg . Friedland i. Mecklb. 668 Schönberg i. Mecklb... Chateau⸗Salins. ..
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17,00 17,590 16,50 16,30 18,50
15,90 16,50 16 80
17,00 17,20 16,50 16,30 18,50 16,80 16,90
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15,70 15,40 15,00
Landsberg a. W. Kottbus 8 Wongrowitz.. Breslau. Striegau .
Hirschberg i. Schl. Ratibor.. 8 Göttingen.. Geldernrn.. 118
Döbeln.. Rastatt. Neustrelitz. Neudrandenburg. Woldegk.. B1X“ Schönberg i. Mecklb.. Chateau⸗Salins. .
16,70 15,80 14,80 15,80 16,50 15,50
15,50 16.50
15,50
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16.10 17,00
19,00 f1500 Hafer. 15,40
Landsberg a. W.. . 1“ Wongrowiz.. 1— Breslau..
13,30 15,50 14,00 15,50 14,30 14,50 15,00 16,90 17,60 17,75 15,20
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Striegau. Hirschberg i. Schl. E.“ Göttingen . .. SVE Langenau i. Wrttbg. DSa Neustrelitz. Neubrandenburg Woldegk . . Chateau⸗Salins
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Hirschberg i. Schl.
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b-858 Kaufbeuren... .1111““ Laupheim. Neustreliitz.. Neubrandenburg. Friedland i. Mecklb..
1 Schönberg i. Mecklb. 1 Chateau⸗Saliins . 3 17,00 Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark ab
1480 15,30 15,40 14.60 16,40 15,50 15,50 18,62 15,10
16,00 15,60 15,40 15,50 14,80
.-.“——
Bemerkungen.
Rernen (euthülster Spelz, Dinkel, Fesen).
ℳ Doppelzentner
16,80 17,20 17,30 17,80 16,50 17,40 17,80 17,50 16,50
17,50 17,20 17,00 17,00 16,90
18,80„ 19,40
15,20 15,50 14,00 15,70 15,70 15.90 15,00 17,10 16,10 15,80 16,00
15,90 15,40 15,50 16,00
15,50 13,50 16,00 14,50 16,00 16,30
16,10 17,50
15,30 15,50 15,40 14,80 16,40 16,00 15,50 18,62 15,20
16,00 15,80 15,80 15,50 16,50
gerundet mitgeteilt. Der
Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.
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15,07 14,70
15,50 15,33 18,39
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Deutscher Reichstag. 8 54. Sitzung vom 1. März 1906, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Tagesordnung: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts⸗ etats für das Rechnungsjahr 1906, und zwar folgende Spezialetats: Reichsjustizverwaltung, Reichspost⸗ und 2 ele⸗ graphenverwaltung, Reichsdruckerei, Reichseisenbahnen und
Reichseisenbahnamt. 8 Ueber den Anfang der Verhandlungen ist in der gestrigen
Nummer d. Bl. berichtet worden.
Abg. Dr. Porzig (kons.) fortfahrend: Das Ausland be⸗ neidet uns um unsere Rechtsprechung, und ausländische Firmen nehmen sehr gern von deutschen Gerichten Recht; denn sie wissen, wie verhältnismäßig billig und gut sie Recht bekommen. Wie unbegründet jene Angriffe sind, ist auch in der „Deutschen Juristen⸗ zeitung“ von dem verstorbenen Rechtsanwalt Staub, einem hervor⸗ ragenden Kenner unserer Gerichte, dargelegt worden. Es fragt sich nun, wie erklärt es sich, daß eine solche Meinung von dem Schwinden des Vertrauens zur Justiz eine so weite Verbreitung finden konnte. Will man etwa behaupten, daß die Unbestechlichkeit der Richter geschwunden ist, oder daß die Richter bewußt parteiisch verfahren? Das hat auch der Abg. Stadthagen nicht behauptet. Im Grunde genommen laufen die Klagen darauf hinaus, daß die Gerichte ihrer Aufgabe nicht mehr ge⸗ wachsen seien, sie könnten nicht mehr ein Recht sprechen und finden, das mit dem deutschen Rechtsbewußtsein übereinstimmt. Derselbe Vorwurf wird aber auch gegen die Regierung und gegen den Reichs⸗ tag erhoben. Man verallgemeinert hier und unterstreicht Schlechtes, während man für das Gute blind ist. Gewiß laufen unter den vielen Tausenden von Urteilen, die täglich im Deutschen Reiche gefällt werden, einmal Urteile unter, die nicht der Kritik standhalten. Dieses Schlagwort von dem Schwinden des Vertrauens zur Rechtspflege ist weiter nichts als eine Uebertreibung. Worüber man klagt, sind meistens oder fast immer Aeußerlichkeiten, die liche Behandlung durch den Staatsanwalt oder den or⸗ sitzenden, und diese persönliche Behandlung ist eine Frage des Temperaments. ier kann man durch die Besetzung dieser Stellen Abhilfe schaffen, indem man Männer beruft, die zwar fortiter in re, aber suaviter in modo verfahren. Ich be⸗ greife nicht, daß so scharfe Urteile über die Justiz auch aus bürgerlichen Kreisen kommen, von der Linken wundert es mich nicht. Dort hat man noch ein anderes Schlagwort geprägt: das von der Klassenjustiz. Der Abg. Stadthagen hat sich am Sonnabend ausführlich mit diesem Wort beschäftigt. Ich muß anerkennen, daß er ein Mann des Wortes ist; denn offensichtlich schwebte ihm das Versprechen vor, das er auf dem Jenenser Parteitage gegeben hatte, in Zukunft noch ruppiger zu werden.
Präsident Graf von Ballestrem: Herr Abgeordneter, selbst wenn ein Abgeordneter außerhalb des Hauses erklärt, er würde noch ruppiger werden, so darf das doch im Hause nicht von ihm be⸗
hauptet werden.
Abg. Porzig (fortfahrend): Der Abg. Stadthagen hat, als er von der Verwerflichkeit der Klassenjustiz sprach, zwei Mittel gebraucht: er hat, wenn er Sozialdemokraten meinte, stets von Arbeitern gesprochen, und hat ausgeführt, daß für die Arbeiter überhaupt nicht mehr Recht in Deutschland zu bekommen sei. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Das ist sehr unrichtig; denn wenn man die Entscheidung der Gerichte durchsieht, dann findet man, daß die Arbeiter ebenso gut in Deutschland ihr Recht bekommen, wie die Arbeitgeber. Alle werden mit dem gleichen Maße gemessen. Ich brauche Sie bloß hinzuweisen auf ÜUrteile der letzten Zeit in bezug auf die Sperren, die von Fabrikanten über Arbeiter verhängt worden sind. Da ist vollkommen mit Recht ent⸗ schieden worden, daß solche Sperrungen gegen die guten Sitten verstoßen. In Düsseldorf oder Dortmund ist die Klage von Arbeitgebern abgewiesen worden, die die Arbeiterorganisationen ver⸗ antwortlich machen wollten für den durch Streik entstandenen Schaden. Das zweite Mittel des Abg. Stadthagen bestand in dem Schlagwort, daß er diese Projesse „politische Tendenzprozesse“ nannte. Jede staatliche Gesellschaftsordnung hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, sich zu verteidigen gegen Angriffe auf ihren Bestand. In dem ugenblicke, wo sie nicht mehr die Kraft fände, sich dagegen zu verteidigen, wäre sie allerdings wert, daß sie zu Grunde ginge. Glauben Sie denn, daß unsere jetzige Gesellschaftsordnung mit Lammesgeduld zusehen soll, wie die Sozialdemokraten ihr das Fell über die Ohren ziehen? (Lebhafte fortgesetzte Unruhe bei den Sozialdemokraten. — Der Präsident bittet um Ruhe, die Redner der äußersten Linken würden vheg n zum Worte kommen, ’ möchten aber nicht mit Aeußerungen unter rechen, die eine gewisse
erdächtigung enthielten.) Diese Staats⸗ und Gesellschaftsordnung muß natürlich auch die Mittel anwenden zu ihrer Verteidigung, die ihr nach ihren Einrichtungen gegeben sind. Ein Rechts⸗ staat wird selbstverständli nur auf dem Wege Rechtens gegen derartige Angriffe vorgeben. Zur Gewaltanwendung wird es erst kommen, wenn es sich um eine Notwehr handelt. Daß Tat und Täter nach ihrer Gefährlichkeit beurteilt werden, ist natürlich. Es ist ein roßer, Unterschied, in welchen Zeit⸗ läuften etwas an sich zußerlich Gleiches geschieht. Der Abg. Stadthagen hat die Artikel der „Leipziger Volkszeitung“ als vollständig unschuldig dargestellt. Ich kenne die Artikel nicht, um die es sich handelt, auch nicht die Anklagen und die Urteile. Aber wenn man Franz Mehring und unschuldig üsammenstell. o wird man an das bekannte Wort vom „pfychologischen Rätsel“ erinnert. Als die Wogen der russischen Revolution außerordentlich hoch gingen, und man auf einen Sieg rechnete, wurde eine ganz andere und aufreizendere Sprache geführt als später, wo die Revolution zusammenbrach, und diese Sprache flaute noch weiter ab, als am roten Sonntag die Staatsordnung ihre Machtmittel zur Verfügun stellte. ie „Leipziger Volks⸗ senngs. hat augenscheinlich mit dem Feuer gespielt. Sie prach von einem Ueherlaufen des Fasses, von dem Funken im Pulverfaß usw. Die Herren, die derartiges sprechen, werden auch in Zukunft damit zu rechnen haben, daß die Rechtsprechung gegen sie mit aller Strenge zur Anwendung kommt. Man kann an ri terlichen Urteilen selbst eine schatfe Kritik üben, die Richter werden darin nichts finden, was sie nicht anerkennen müssen; aber man darf die Kritik nicht in einer Weise verallgemeinern und mit Schlagwörtern üben, daß man die Rechtepflege diskreditiert. Die Richter werden immer daran denken, daß sie bei ihrem Urteil auch nichts weiter sind als Menschen, die nur Unvollkommenes leisten ..s. die, wenn auch nicht besser, so doch nicht schlechter sind als andere.
Abg. Dr. Lucas (nl.): Es ist sicherlich nichts dagegen ein⸗ zuw nden, wenn die Rechtsanwendung der Kritik unterworfen wird, aber solche Erörterungen haben nur Zweck, wenn die Fälle grundsätzliche oder typische Bedeutung haben. Bei einem großen Teil der hier vorgebrachten Fälle ist das nicht der Fall, sondern es handelt sich um Vorkommnisse und Entgleisungen, vielleicht auch Ungehörigkeiten einzelner richterlicher oder auch nichtrichterlicher Beamten, die keine Justizverwaltung der Welt unmöglich machen kann, und auf die der Staatssekretär, solange die Justizverwaltung Sache der Einzelstaaten ist, keinen Ein⸗ fluß hat. Das Ansehen unserer Justiz wird nicht 7 ,88 durch solche Angriffe. Man sollte die Kritik nicht gegen die Richter richten, welche die bestehenden Gesetze anwenden, sondern gegen die mangel⸗ haften gesetzlichen Bestimmungen. Man kann keinem Menschen einen Vorwurf machen, wenn er die geltenden Gesetze anwendet und die Machtmittel gebraucht, die die Gesetze ihm an die Hand geben. Diese Art der Kritik ist unzweckmäßig, weil sie den Punkt, wo die Kritik einzusetzen hätte, nämlich die Gesetzgebung, verdunkelt und ver⸗ schleiert. Man darf nicht vergessen, daß unser ganzes Gerichts⸗ verfahren auf der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit des Verfahrens beruht und von dem Grundsatz beherrscht ist, daß nur die Ver⸗
handlung, die sich unmittelbar vor den Augen des Richters abspielt, ein zutreffendes Bild und ein entsprechendes Urteil ermöglicht. Eine derartige Kritik an richterlichen Urteilen wird immer nicht auf Grund einer erneuten und sorgfältigeren Hauptverhandlung, sondern auf Grund unvollständiger und einseitiger Prozeßberichte geübt. Von all den Fällen will ich meinerseits nur den nicht unerwähnt lassen, in dem der Redakteur Zilowski in Zwangshaft genommen ist. Ich stelle fest, daß wir heute noch durchaus auf dem Boden der Interpellation Jänecke stehen, und ich persönlich halte den Zeugnis⸗
zwang gegen den verantwortlichen Redakteur geradezu für widersinnig.⸗
Tatsächlich aber lag der Sachverhalt in diesem Falle etwas anders, als behauptet war. Ein Mitglied der Hanauer Stadtverordneten⸗ versammlung hatte gegen 11 Kollegen den schweren Vorwurf erhoben, wider besseres Wissen gehandelt zu haben. Die „Frankfurter Volks⸗ stimme“ wiederholte diesen Vorwurf in zwei Artikeln; die Beleidigten stellten Strafantrag gegen den Urheber, und in diesem Strafprozeß ist Zilowski als Zeuge vernommen worden und unzulässigerweise vor der Vernehmung vereidigt worven. Die Vernehmung aber beschränkte sich darauf, daß der Zeuge Zilowski die Antwort auf die Frage, ob er bestätigen könne, daß der verantwortliche Redakteur der Ver⸗ fasser nicht sei, verweigerte, und er ist dann unberechtigterweise in Zwangshaft genommen worden, was nicht hätte geschehen dürfen, weil er vereidigt worden war. Zilowski hat etwas später in seinem Blatte einen humoristischen offenen Brief in Frankfurter Mundart über die An⸗ veröffentlicht. (Der Redner verliest diesen Brief im Original.) zeine Behandlung in der Haft sei comme il faut gewesen, aber Zigarren, um die er den Staatsanwalt anging, habe er nicht erhalten; er sei aber sonst so zuvorkommend behandelt worden, wie man es außer dem Gefängnisse gar nicht gewohnt sei. Der Abg. von Gerlach wird hiernach zugeben, daß die Behandlung eine gute gewesen ist, und daß er auf Grund unzuverlässiger Quellen hier berichtet hat. An den Erlaß der lex Hagemann knüpfte sich die Hoffnung einer weitgehenden Entlastung des Reichsgerichts; in Wirklichkeit ist diese nur zu einem kleinen Teil eingetreten. Die Anträge des Grafen Hompesch und der Abgg. Hausmann und Müller⸗Meiningen können wir annehmen, nicht aber den Antrag Ablaß. Letzterer ist ein recht alter Bekannter, der auf der Tagesordnung steht, solange über die Ge⸗ richtsverfassung verhandelt ist. Auch wir halten die Zuziehung von Laien auch bei Preßdelikten durchaus für notwendig und geboten; richtig und zutreffend können diese Sachen nur aus dem Millieu heraus beurteilt werden, aus dem sie hervorgegangen sind, und viele unserer Richter stehen den politischen Kämpfen fremd gegenüber. Gleichwohl können wir den Antrag nicht acceptieren. Ganz abgesehen davon, daß der Begriff „Preßsachen“ nicht definiert ist, erscheint es doch sehr bedenklich, diese Preßdelikte einem Gericht zu über⸗ weisen, das über die allerschwersten Straffälle abzuurteilen hat und zu diesem Zweck mit einem großen Apvarat ausgestaltet ist. Sehr leicht könnte bei den geringen Preßdelikten die Wohltat lage werden; überdies besteht doch bei der Art der Zusammen⸗ etzung unserer Geschworenenbank die Gefahr, daß diese mehr oder minder eine Vertretung einseitiger Parteianschauungen oder Partei⸗ leidenschaften darstellt, also als unabhängiges Richterkollegium nicht angesehen werden kann. Der heutige Zeitpunkt ist wohl zur Dis⸗ kussion, aber nicht zur endgültigen Entscheidung dieser Frage geeignet. Denn wir wissen ja noch gar nicht, wie das Gericht beschaffen sein wird, dem diese Preßsachen schließlich überwiesen werden sollen. 1876 haben zahlreiche liberale Männer, darunter Gneist, gegen diese Er⸗ weiterung der Zuständigkeit der Schwurgerichte gestimmt. Uebrigens denkt niemand daran, diese Einrichtung dort zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, wo sie in Jahrhbunderte langer Entwicklung tiefe Wurzeln geschlagen hat. Wir lehnen den Antrag ab, weil wir meinen, daß das Zusammenwirken von Laien und Berufsrichtern die Achtung vor dem Rechte und dem Gesetze stärkt, und weil wir 1 es müsse das Volk in allen Stadien der Rechtsprechung mitwirken.
Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding:
Meine Herren! Ich habe nur eine Bemerkung zu machen auf die Ausführungen des letzten Herrn Redners. Der Herr Redner hat der Besorgnis Ausdruck gegeben, daß die sog. lex Hagemann zur Ent⸗ lastung der Strafsenate des Reichsgerichts ihre Wirkungen nicht in dem Umfange äußern werde, wie das bei der Vorberatung des Ent⸗ wurfs und bei der Verabschiedung des Gesetzes gehofft worden sei. Meine Herren, in dieser Beziehung möchte ich mir mein Urteil noch vorbehalten. Es ist natürlich, daß in der ersten Zeit die Wirkungen des neuen Gesetzes noch nicht in dem Umfange eintreten, wie sie nach einiger weiteren Zeit sich geltend machen werden. Wir sind aber überzeugt, daß die Wirkungen noch sehr erheblich zunehmen werden, und ich möchte das hohe Haus bitten, das Urteil in dieser Beziehung vorläufig noch zu suspendieren.
Wenn der Herr Vorredner dann im Anschluß an diese seine Besorgnisse den Wunsch an mich gerichtet hat, es möge von seiten der Reichsjustizverwaltung auf die Justizverwaltungen der einzelnen Bundesstaaten eingewirkt werden, damit die Staatsanwalt⸗ schaften in höherem Maße als es bisher geschehen sei, auf die Ueber⸗ weisung von Strafsachen an die Schöffengerichte Bedacht nehmen möchten, so kann ich dem Herrn Abgeordneten zunächst erwidern, daß die Reichsjustizverwaltung alsbald nach Erlaß des Gesetzes ein Rund⸗ schreiben an die Regierungen der einzelnen Bundesstaaten gerichtet, auf die Bedeutung dieses Gesetzes hingewiesen und daran das Ersuchen geknüpft hat, die Justizverwaltungen der einzelnen Staaten möchten auf die Staatsanwaltschaften einwirken, damit nun dieses neue Gesetz auch in vollem Umfange seine Wirksamkeit äußern könne. Wir haben also dasjenige bereits vor einiger Zeit getan, was der Herr Vorredner von uns gewünscht hat, und wir mäöchten doch, bevor wir die einzelnen Justizverwaltungen von neuem über diesen Punkt interpellieren, ab⸗ warten, wie das fernere Ergebnis sich stellen wird. Sollte das nicht befriedigend sein, so werden wir — das kann ich dem Herrn Vor⸗ redner versichern — uns von neuem mit den Justizverwaltungen in Verbindung setzen.
Abg. Stücklen (Soz.): Die Tendenzurteile und Klassenurteile werden wir nach wie vor hier vorbringen und zum Gegenstand unserer Kritik machen, denn nur dadurch können wir irgend eine Einwirkung auf die Besserung der Zustände in der Rechtspflege ausüben. Wenn Zilowski anständig im Gefängnis behandelt worden ist, so ändert das nichts an der Tatsache, daß man ihn durch die Zeugniszwangshaft zu einer unehrenhaften Handlung bestimmen wollte. Der Abg. Porzig hat versucht, die Klassenjustiz zu rechtfertigen; aber es ist ihm nicht gelungen, den Mohren weiß zu waschen; im Gegenteil, was er hier ausgeführt hat, war die reinste Verteidigung der Klassenjustiz, der Justiz, die von dem Dogma ausgeht: „Wenn zwei dasselbe tun, so ist es nicht dasselbe.“ Er hat gesagt, es müsse die Person des Angeklagten, und es müßten die Zeitverhältnisse in Betracht gezogen werden. Was ist denn da noch für ein Unterschied von einem Tendenzprozeß? Der Abg. Porzig sagt, die bestehende Staatsordnung müsse die Waffen der Gesetze gegen diejenigen rücksichtslos anwenden, die gegen diese be⸗ stehende Staatsordnung ankämpfen. Was ist denn das anders als eine Rechtfertigung der Klassenjustis? Man hat hier von der Gefängnis⸗ arbeit gesprochen. Auch auf diesem Gebiet bin ich ein alter Prak⸗ tiker; ich habe gesehen, wie gefangene Männer mit Strümpfestricken und mit Ausflicken alter Leinentücher beschäftigt werden, die man nachher fortwarf. Das sind keine Beschäftigungen für Männer. Die Gefangenen müßten bei der Entlassung über einige Existenzmittel verfügen, damit sie nicht die sogenannten wohltätigen, muckerischen Anstalten in Anspruch zu nehmen brauchen. Bei ihrer jetzigen Be⸗
zahlung im Gefängnis können sie aber nichts zurücklegen. Die Firma Kühn in Neuruppin bezahlt im dortigen Gefängnis weit geringere Löhne, als die freien Arbeiter bekommen. Die freien Arbeiter wandten sich in einer Ein abe gegen diese Konkurrenz an den Regierungs⸗ praͤsidenten, der aber keinen Anlaß fand, einzuschreiten, weil die freien Arbeiter durch diese Art Gefängnisarbeit nicht geschädigt würden und auch keine Maschine im Gefängnis gebraucht würde, und weil es der Firma Kühn nicht möglich gewesen sei, freie Arbeiter in genügender Anzahl zu bekommen. Auch der Justizminister wies die Petenten ab und bestritt eine wesentliche Differenz in den Löhnen. Tatsächlich aber werden für das Modellieren von Bilderbogen in der Freibeit 2 ℳ, im Gefängnis 1 ℳ bezahlt. Tausend Bilderbogen werden in der Freiheit mit 4,50 ℳ, im Gefängnis mit 1 ℳ bezahlt usw. Wie kommt es ferner, daß dem Fabrikanten Kühn die Namen der petitionierenden Arbeiter mitgeteilt sind, sodaß er sie entlassen konnte? Die Firma Kühn hat für die gebotenen geringen Löhne allerdings keine freien Arbeiter bekommen können, und daraus hat der Justizminister den Beweis entnommen, daß die Gefängnisarbeit für die Firma nötig sei. Es ist auch nicht richtig, daß keine Maschinen im Gefängnis benutzt worden sind. Die Gefangenen hatten einen Tagesverdienst von 45 bis 50 ₰, das ist weniger, als der Staat für eigene Arbeiten im Gefängnis bezahlen muß. Wie kann die preußische Justizverwaltung einem Privat⸗ unternehmer diese Ausnutzung der Gefängnikarbeit gestatten? Die Firma Kühn hat behauptet, daß sie im Jabre 1903 für die streikenden Buchbinder Ersatz in der Gefängnisarbeit schaffen mußte, weil die Forderungen der Streikenden unerfüllbar waren. Die Ge⸗ fangenen sind also zur Streikarbeit gepreßt worden. Die „unerfüllbare“ der Streikenden war 16 ℳ Wochenlohn. Der Bundesrat zat in einer Verordnung von 1898 über die Gefängnisarbeit bestimmt, daß sie möglichst die Privatgewerbe schonen solle, daß die Vergebung der Gefangenen an Arbeitgeber tunlichst eingeschränkt werden solle, und daß vor allem keine Unterbietung des kleinen Gewerbes statt⸗ finden dürfe. Die Gefängnisverwaltung von Neuruppin und ihre vorgesetzten Behörden bis zum Justizminister hinauf haben also gegen diese Verordnung verstoßen. Die Gefangenen sollen möglichst zu Meliorationsarbeiten gebraucht werden, aber bei der jetzigen Gefängnis⸗ ernährung sind sie dazu unfähig. Die Gefangenen mit längeren Strafen sollten im Gefängnis etwas lernen, damit sie nachher fort⸗ kommen können, auf alle Fälle dürften die Gefängnisse nicht billiger liefern, als die Privatindustrie. Wir treten für den Antrag Ablaß auf Erweiterung der Kompetenz der Schwurgerichte auf Preßdelikte ein. Wir behaupten natürlich nicht, daß die Richter bewußt eine Rechts⸗ beugung vornehmen. Das wäre ja auch ein Verbrechen, das mit Zucht⸗ haus zu ahnden ist, aber der Berufsrichter klebt zu sehr am Formalis⸗ mus. Im vorigen Jahre wurde der Antrag in zweiter Lesung ange⸗ nommen, weil die Herren der Rechten es vorzogen, sich den Reichstag von draußen anzusehen, der Staatssekretär Nieberding erklärte aber, wenn der Antrag in dritter Lesung beibehalten würde, so würde der Bundesrat die ganze Aenderung des Gerichtsverfassungsverfahrens scheitern lassen. Darauf wurde der Antrag in dritter Lesung abgelehnt. Nach den Erfahrungen der letzten Zeit fängt die Preßfreiheit an, ein Märchen zu werden. Das Zentrum hat im vorigen Fahrf gegen den Schwur⸗ “ gestimmt, aber Windthorst war 1887 anderer Ansicht, als er erzählte, wie ihm einmal im Beratungszimmer ein älterer Richter bei einer Meinungsverschiedenheit über das Strafmaß sagte, der Mann sei schon so viel vorbestraft, daß es nicht darauf ankomme, ob er ein Jahr mehr oder weniger kriege. So mag es oft vor⸗ kommen, daß in dem geheimen Beratungszimmer man in handwerks⸗ mäßiger Weise über das Strafmaß sich unterhält. Die Schwur⸗ erichte sind für Preßvergehen zuverlässiger als die Strafkammern. ill man an den Schwurgerichten etwas ändern, so wäre es nach der Richtung, daß die Geschworenen bei der Festsetzung des Straf⸗ maßes mitzureden haben. In Bayern kennt man den Assessorismus nicht, bei uns aber liegt die Entscheidung bei den Strafkammern bezw. bei den Hilfsrichtern. Nach unserer Meinung sollte der Richter nicht nur von Zeit zu Zeit Staatsanwalt, sondern auch Rechtsanwalt sein. Ich hätte sogar nichts dagegen, wenn der junge Richter einmal 14 Tage im Cefängnis säße, um die Strafrechts⸗ pflege kennen zu lernen. Die Schwurgerichte entsprechen keineswegs unserem Ideal, weil die Klasse der Geschworenen auf eine bestimmte Klasse beschränkt ist, und die Arbeiter ausgeschlossen sind. Der Vor⸗ sitzende kann bei der Rechtsbelehrung die Sache so drehen, daß der Angeklagte verurteilt wird. Die Rechtsbelehrung könnte vielleicht in eine andere Hand gelegt werden als in die des Vorsitzenden. Die Stellung des Staatsanwalts ist so, daß er in jeder Freisprechung im Schwurgericht eine persönliche Niederlage erblickt. Der Staatsanwalt soll eigentlich auch Verteidiger sein und den Angeklagten entlasten. Wie die Staatsanwälte das machen, haben ich und meine Freunde am eigenen Leibe erfahren. Ein Staatsanwalt beantragte stereotyp in einem Prozeß gegen einen sonaldemnsteg Redakteur mindestens fechs Monate Gefängnisstrafe. Ich glaube, der Staatsanwalt hieß Hagemann. Die Geschworenenbank könnte dadurch verbessert werden, daß dem Staatsanwalt das Ablehnungsrecht genommen würde. Daß einem Staatsanwalt alte ausgediente Offiziere die allerbesten Geschworenen sind, glaube ich gern, die Offiziere sind eben gewöhnt, Order zu parieren. Der Staatsanwalt sucht je nach der Art der Delikte, und je nachdem es sich um Sozialdemokraten handelt, die Geschworenenbank zusammenzusetzen. Ein junger Assessor als Offizialverteidiger hat meist gar nicht den Mut, gegen den Staats⸗ anwalt aufzutreten. So ist der arme Angeklagte schlimm dran. Die reichen Angeklagten nehmen sich ein paar Rechtsanwälte, die den Geschworenen ein Loch in den Bauch reden. Wie verschieden die Schwurgerichte urteilen, habe ich an einem Genossen erfahren. Mein Genosse wurde wegen eines Artikels in Nürnberg freigesprochen, er wurde 5 Wochen später wegen desselben Artikels in Bayreuth zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt! Gewiß sind Schwur⸗ gerichte Klassengerichte, aber sie sind die Grundlagen, auf denen die Volksjustiz aufgebaut werden muß. Wir treten für si ein aus prinzipiellen Gründen. Gerade in Preßsachen bieten e eine gewisse Grenze gegen Uebergriffe der Staatsanwälte. In Westfalen wurde das bekannte Flugblatt über das Reichstags⸗ wahlrecht beschlagnahmt. Der Amtsrichter in Trier erblickte darin eine Aufreizung zu Mord und Totschlag. Das Landgericht sah diese Voraussetzung nicht als vorhanden an. Der Staatsanwalt in Dort⸗ mung dagegen erhob Anklage wegen Aufreizung zum Klassenhaß. Wenn der Abg. Porzig meinte, das Volk sei reif, so gilt das nur von den Arbeitern, aber nicht von allen Bevölkerungsklassen. Den Schöffen und Geschworenen müßten Diäten gewährt werden, damit auch die Arbeiter an der Rechtspflege mehr teilnehmen können. Die Unparteilichkeit würde darunter nicht leiden, denn die Richter, die auswärtige Termine wahrnehmen, erhalten ja auch Diäten. Die herrschenden Klassen wollen die Richter an der Kandare halten. Der Abg. Bassermann hat gegen die Gewerbegerichte einen Vorwurf erhoben, den ich zurückweisen muß. Der Vorsitzende des Berliner Gewerbegerichts hat gesagt, daß sozialdemokratische Beisitzer nie das Recht gebeugt haben. Daß das Vertrauen zur Justiz außerordentlich erschüttert ist, hat auch der Abg. Bassermann anerkennen müssen Die Richter entstammen zum weitaus größten Teil aus der besitzenden Klasse, sie sind wie diese losgelöst vom Volk, sie können sich manche Tat nicht aus sozialen Gründen erklären, sie sind Formenmenschen. Der Justizminister Beseler sprach im preußischen Landtag davon, daß strengere Strafen angewandt werden sollen. Im zweiten Teil hat er seine Erklärung wesentlich eingeschränkt. Werden denn nicht schon heute sehr strenge Strafen verhängt, auch bei Beleidigungen 2 Dem Abg. Dirksen genügen sie allerdings nicht, wenn im politischen Kampfe Be⸗ leidigungen vorkommen. Wie die Rede des preußischen Justiz⸗ ministers wirken wird, kann man sich denken. Ein Wunsch von oben ist unten ein Befehl. Ich erinnere an das Urteil gegen den russischen ürsten Kotschubey, der durch einen Fußtritt einen Portier in Dresden chwer verletzt hat. Er kam gar nicht vor die Strafkammer. Das Schöffengericht verurteilte ihn zu der höchsten zu⸗ lässigen Geldstrafe von 1000 ℳ; bei 400 000 ℳ jährlicher Revenuen ist das kaum so viel wie 3 ℳ für einen Arbeiter. Ein Arbeiter, der in einem Wirtshausstreit dieselbe Straftat wie der
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