siegreichen Kriege so geschwächt wird, daß er es sich zweimal überlegt, vr wieder angreift. Der Abg. Vebel spricht von einer Ver⸗ elendung der Massen. Das ist durchaus unrichtig. Die Arbeiter be⸗ finden infolge unseres Exports in einer sehr günstigen Lage. Gerade im Interesse der Arbeiter sollten Sie für diese Flotten⸗ vorlage stimmen. Wenn unsere Fabrikate nicht ausgeführt werden könnten, würden diele Tausende von Arbeitern aufs Pflaster gesetzt werden. 74 % der Arheiter sind davon abhängig. Der Flotten⸗ verein vergißt ja oft, daß er nicht Gesetze machen kann, sondern nur technische Ziele ins Auge fassen soll. Aber trotzdem hat er Großes gewirkt, und ich vertraue, daß, wenn er seine taktischen Fehler ablegt, er eine sehr große nützliche Tätigkeit entfalten wird. Die Pflege des nationalen Sinnes ist gegenüber den bezeichneten vaterlandslosen Ge⸗ sinnungen durchaus notwendig. Weniger befriedigt mich, daß einzelne frühere Marineoffiziere in den Zeitschriften ihr Licht leuchten lassen. Diese Herren sollten diese Frage — und objektiver behandeln. Ich stelle die Autorität der Marineverwaltung doch höber als diese Kundgebungen. Auch in anderen Ländern existieren derartige Vereine. Ich erinnere an die naval loague in England, die bestimmend auf die Entschlüsse der Regierung ist. Das Wort von den „schwimmenden Särgen“ hat nicht der Flottenverein geprägt, es stammt aus Eng⸗ land. Die Jugend brauche ich nicht zu verteidigen. Warum soll man der Jugend nicht von der Flotte erzählen? Nationale Politik ist nicht Parteipolitik. Der Flottenverein steht der Schulsammlung durchaus fern. Wenn man über die 60 000 ℳ höhnt, die gar nicht in den Etat eingestellt werden dürfen, so gibt es doch Mittel und Wege genug, sie zu verwenden. Für niemand kann und soll unsere Flotte eine I“ Wir sind Freunde des Friedens; wir haben diese Friedensliebe 35 Jahre bewährt. Aber die Weltuhr steht nicht still, wir müssen gerüstet im Völkerchor Europas sein. Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fr. Volkep.): Ich habe den Antrag Ablaß namens der beiden Volksparteien zu vertreten. Man hat uns in der gegnerischen Presse vorgehalten, daß wir in der Steuer⸗ kommission diese Vorschläge b.. r sollten. Wir glauben, daß die Steuerkommission nur die Vorlage der Regierung zu verhandeln hat. Man sollte nicht alle Woche den Verkehr durch eine neue Steuer beunruhigen. Auch 1888 wurde auf Anregung des Zentrums die Deckungs⸗ frage mit der Flottenfrage verknüpft. Gerade in dem jetzigen Dilemma der Steuerkommission ist es unsere Pflicht, auf den Gedanken zurück⸗ zukommen, der seit vielen Jahren hier den Reichstag besnet hat. Wir hoffen, daß die Annahme unseres Antrages die Annahme der Flottenvorlage wesentlich befördern wird. Nur die leistungsfähigen Schultern haben die Steigerung der Seekräfte zu tragen. aß neue indirekte Steuern nicht eingeführt werden sollen, wollen wir in die Wirklichkeit übersetzen. Wir hatten in dieser Beziehung drei Wege. Außerordentliche Matrikularbeiträge durch Heranziehung der wirklich Wohlhabenden. Diesen Weg hat der Abg. Lieber seiner⸗ zeit für ungangbar bezeichnet. Die Einzelstaaten würden sich einen solchen Eingriff nicht gefallen lassen. Der zweite Weg ist eine Reichseinkommensteuer. Wir stehen dieser theoretisch sym⸗ pathisch gegenüber; aber die Schwierigkeiten sind weit groͤßer als bei der Vermögenssteuer. Der Abg. Gröber sagte, daß eine solche Steuer den föderativen Charakter der Einzelstaaten schwächen würde. So blieb uns nur der dritte Weg übrig, die Reichsvermögenssteuer neben der Erbschaftssteuer. Der § la unseres Antrages enthält eine Staffelung, die an sich etwas Willkürliches hat. Wollen Ste höber gehen, so haben wir nichts dagegen. Wir halten an den Zahlen selbst nicht fest. § 2 sieht eine Quotisierung vor, die Normierung soll ab⸗ hängig sein von einem Etatsbeschluß des Reichstags, es soll also keine Steuer auf Vorrat bewilligt werden. Wenn man uns eine Bindung des Ausgaberechts zumutet, so kann man uns auch eine Bindung des Einnahmerechts nicht verdenken. Es ist eine Legende, wenn der Abg. von Kardorff behauptete, Eugen Richter habe selbst die Reichsvermögenssteuer fallen lassen. Richter hat bis zuletzt gezeigt, daß er stets ein Vertreter dieser großen Steuer gewesen ist. Wir haben seit vielen Jahren den Standpunkt vertreten, daß die Matrikularbeiträge klassifiziert werden müßten nach der Steuer⸗ leistung. Die Eigenschaft dieser Beiträge als einer Kopfsteuer drückt besonders schwer auf die Thüringischen Kleinstaaten, denen ihre einzige Einnahmequelle, die Eisenbahn, von Preußen genommen worden ist. Gerade eine Reichsvermögenssteuer müßte die geeignete Basis zur Veredlung der Matrikularbeiträge bilden. Die Rechte meinte früher, eine direkte Reichssteuer wäre direkt eine Mediatisterung der Klein⸗ und der Einzelstaaten überhaupt; jetzt haben wir die Erbschaftssteuer, nd keiner der Einzelstaaten rührt sich dagegen. Der Patrikularismus gewisser Staaten hört sofort auf, wenn der Geldbeutel mit ins Spiel kommt; würden die süddeutschen Staaten sehen, daß es sich hier um eine gerechte Verteilung einer Last handelt, es würde keine partikularistische Regung vernehmbar sein. Der Widerstand kommt ja doch bloß daher, daf man überhaupt die vermögende Klasse nicht heranziehen will, diese Last mitzutragen. Eine Reihe national⸗ liberaler Herren haben sich schon früher für eine Vermögens⸗ steuer ausgesprochen, ich nenne nur rrn Osann. Aber diejenigen, die immerfort das Wort „national“ als Schlagwort im Munde ihren und ausspielen, sie haben sich gegen eine Reichs⸗ vermögenssteuer aufs entschiedenste immer wieder erklärt. Nach vnn Antrage wuͤrden 180 000 Zensiten getroffen werden, und der aufkommende Ertrag läßt sich auf 40 Millionen schätzen; da kann man doch nicht davon reden, daß die großen Vermögen ins Aus⸗ land getrieben werden, oder die Bauern an den Bettelstab kommen. Wir müssen verlangen, daß die besitzenden Klassen, die für die Flottenvermehrung interessiert sind, auch Opfer dafür bringen, daß diese Herren nicht bloß agitieren und —2 Reden halten, sondern auch ihr eigenes Scherflein auf den Altar des Vaterlandes nieder⸗ legen. Patriotismus auf Kosten anderer ist sehr billig. “
Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel: Meine Herren! Ich muß Ihnen gestehen, daß, als der Antrag unter Nr. 313 der Drucksachen zur Verteilung gelangte, ich von dessen In⸗ halt nicht wenig überrascht und über dessen Inhalt nicht wenig er⸗
von meiner Ueberraschung und von meinem Erstaunen erst wieder er⸗ holt, nachdem ich die heutigen Ausführungen des Vorrednes, des Herrn Abg. Müller⸗Meiningen, vernommen habe.
Ich habe aus diesen Ausführungen namentlich das eine ent⸗ nommen, daß die Voraussetzungen, auf denen dieser Antrag beruht, keineswegs zutreffen. Ich will nur nebenher einstweilen bemerken, daß der § 6 des Flottengesetzes von 1900 durch die gegenwärtige Re⸗ gierungsvorlage in keiner Weise berührt worden ist. Der § 6 des Flottengesetzes von 1900 soll fortbestehen bleiben auch nach dem
Ihnen jetzt im Entwurf vorliegenden Novelle.
8 Es ist aus der Novelle jedenfalls in keiner Weise zu
entnehmen, daß an jener Bestimmung des Flottengesetzes von 1900
auch nur die geringste Aenderung vorgenommen werden soll. (Sehr richtig! rechts.)
Um nun dem § 6 des Flottengesetzes von 1900 Rechnung zu tragen, ist in der Vorlage über die Reichsfinanzreform in Vorschlag gebracht worden u. a. eine Beteiligung des Reichs an dem Ertrage der Erb⸗ schaftssteuer. Es ist welter in Vorschlag gebracht worden eine Reihe von Stempelsteuern, und es ist überdies in Vorschlag gebraht worden die Erhöhung des Zolles auf Tabak. Was den letzteren Punkt an⸗ langt, so möchte ich nur das eine betonen, daß bei den Beratungen schon des älteren Flottengesetzes vom Jahre 1898 festgestellt worden ist, daß der § 6 — damals § 8 des alten Flottengesetzes — auf die Zölle keine Anwendung finden soll. (Sehr richtig! rechts.)
Nach diesen Vorbemerkungen nun zur Sache selbst: Der Herr Vorredner hat ohne Zweifel mit seiner Rede die Absicht ver⸗
folgt, hier im Plenum des Reichstags eine eingehende ausführliche und gründliche Debatte über die Reichssfinanzreform und über die gesamte Steuerreform im Reich zu eröffnen. (Zuruf links.) Ich be⸗ merke, daß ich meinerseits es vermeiden werde, ihm auf diesem Wege zu folgen. (Sehr richtig! rechts.) Ich werde mich auf wenige Be⸗ merkungen beschränken, auf Bemerkungen, die ich allerdings gegenüber seinen Ausführungen nicht vollständig zu unterdrücken vermag.
Meine Herren, im Dezember vorigen Jahres haben Ihnen die verbündeten Regierungen den Gesetzentwurf über die Reform der Reichsfinanzen, über die Wiederherstellung der Ordnung im Haushalt des Reichs eingebracht; und wenn Sie die Begründung dieses Gesetz⸗ entwurfs nachlesen, so werden Sie auf Seite 10 finden, daß einer der Hauptposten des Deckungsbedarfs des Reichs dort aufgeführt ist mit der Bemerkung:
Zur Verstärkung der Wehrkraft des Reichs zur See im Jahre 1910 etwa 76 240 000 ℳ im Ordinarium.
Es ist das also einer der Hauptposten, aus denen der Deckungs⸗ bedarf im Reich sich zusammensetzt, für den wir die Mittel schaffen wollen durch die Finanzreformvorlage. Sie sehen, meine Herren, daß hiernach die Mehrkosten auch der gegenwärtigen Flottenvorlage schon mit ein⸗ bezogen sind in den allgemeinen Deckungsbedarf, der den Gegenstand der Reichsfinanzreformvorlage vom Dezember v. J. gebildet hat.
Nun hat nach Einbringung jener Vorlage das Plenum dieses hohen Hauses beschlossen, die Vorlage zur Vorberatung an eine Kom⸗ mission von 28 Mitgliedern zu verweisen. Diese Kommission hat sich demnächst konstituiert, und sie hat nun seit Monaten die angestrengteste Tätigkeit entfaltet. Es sind gegenwärtig schon annähernd 40 Sitzungen, in denen jene Reichsfinanz⸗ reformvorlage zur Beratung gelangt ist. Die Beratungen der Kom⸗ mission befinden sich gegenwärtig in dem Stadium der zweiten Lesung, und sie nähern sich jetzt allmählich ihrem Abschluß.
Nun hat schon in der Kommission eine Minderheit in der ersten Lesung der Reformvorlage den Versuch gemacht, einen Beschluß dahin herbeizuführen, daß beim Plenum des Reichstags eine Re⸗ solution eingebracht werde, dahingehend, eine allgemeine Reichs⸗ einkommensteuer oder eine direkte Reichsvermögenssteuer einzu⸗ führen. Dieser Versuch, meine Herren, ist aber in der Kommission gescheitert, nachdem von seiten der Regierungsvertreter gegen diesen Antrag ein lebhafter Widerspruch erhoben worden war, und es wurden die Gründe, die gegen den Antrag regierungsseitig geltend gemacht worden waren, von der Mehrheit der Kommission auch durchaus gebilligt.
Wir befinden uns, wie ich schoa vorhin erwähnte, dermalen im Stadium der zweiten Lesung jener großen Gesetzesvorlage, und in dieser zweiten Lesung ist nun neuerdings, und zwar von anderer Seite, von Mitgliedern der sozialdemokratischen Fraktion erneut ein
Antrag auf Einführung einer allgemeinen Reichseinkommensteuer resp. einer Reichsvermögenssteuer eingebracht worden.
Nun, meine Herren, unternimmt dieselbe Minderheit, die in der ersten Lesung in der Kommission ihren Antrag nicht durch⸗ zusetzen vermochte, ohne den Abschluß der Beratungen der Kommission über die ihr überwiesene Reichsfinanzreformvorlage abzu⸗ warten, hier über die Kommission hinweg diesen Antrag an das Plenum zu bringen, und verlangt von dem Plenum, daß es nun!vor⸗ weg und unter Durchkreuzung der Arbeiten der Kommission seinerseits Stellung nehme und Beschluß fasse über die Einführung einer allgemeinen Reichsvermögenssteuer.
Meine Herren, ich enthalte mich einer näheren Kritik dieses Ver⸗ fahrens (Zuruf und Heiterkeit links), ich überlasse die Beurteilung eines solchen Verfahrens lediglich diesem hohen Hause. (Erneute Zurufe links.) Ich beschränke mich gegenüber diesem Versuch lediglich auf die Erklärung, daß die verbündeten Regierungen ihrerseits ein⸗ mütig entschlossen sind, jeden Versuch, die direkten Steuern, sei es nun eine allgemeine Einkommensteuer, sei es eine direkte Vermögens⸗ steuer, auf das Reich zu übertragen, unbedingt abzulehnen. (Bravo! rechts.)
Ich darf noch zwei Worte beifügen bezüglich der Erbschaftssteuer. Es ist ja von dem Herrn Vorredner, wenn auch nur in verblümter Weise, den Regierungen sozusagen der Vorhalt gemacht worden, sie hätten durch die Einbringung der Erbschaftssteuer selbst mit dem Prinzip der Ablehnung direkter Reichssteuern ihrerseits schon gebrochen. Das ist nicht zutreffend. Durch die Einbringung der Gesetzeevorlage über die Reichsfinanzreform und durch die Einfügung der Erbschaftssteuer in das Steuerprogramm ist der Einführung direkter Reichssteuern in keiner Weise präjudiziert. Ich gebe Ihnen ohne weiteres zu, daß innerhalb der Doktrin gewisse Zweifel darüber bestehen mögen, ob man die Erbschaftssteuer, namentlich in Ansehung ihrer finanziellen Wirkungen auf die Steuerträger, nicht viel⸗ leicht den direkten Steuern würde beizählen können. Ich habe bei früheren Gelegenheiten sowohl hier im Plenum wie in der Kommission darauf hingewiesen, daß ich es mir versage, mich in diesen Streit der Gelehrten irgendwie einzulassen. Ich will nur im Vorbeigehen das eine bemerken, daß immerhin auch auf dem Gebiet der Doktrin die herrschende Meinung ganz überwiegend dahin geht, daß die Erbschaftssteuer nicht zu den direkten Steuern gehört, sondern zu den Umsatzsteuern, und daß sie jedenfalls viel mehr Verwandtschaft
mit den Stempelsteuern, mit den indirekten Steuern hat als mit den 1
direkten Steuern. Ich will auch noch erneut darauf hin⸗ weisen, daß namentlich in dem größten deutschen Bundes⸗ staat, in Preußen, die Erbschaftssteuer sich auf dem Etat der indirekten Steuern befindet. Es ist meines Wissens noch niemals im preußischen Landtag gegen diese Art der Etatisierung ein Widerspruch erhoben worden.
Nun kümmert uns aber, glaube ich, viel weniger, wie die Doktrin über den Charakter der Erbschaftssteuer urteilt, als uns kümmern muß, was nach Reichsrecht gilt in Ansehung der Erbschaftssteuer. Und nach Reichsrecht kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Erbschaftssteuer dem Gebiet der direkten Steuern nicht angehört. Wenn darüber noch ein Zweifel bestehen könnte, so würde er gelöst werden durch das Gesetz vom 13. Mai 1870 über die Beseitigung der Doppel⸗ besteuerung. In § 1 dieses Gesetzes heißt es: ““
„Ein Norddeutscher“ ““ — jetzt: ein Deutscher, nachdem das Gesetz späterhin auf das ganze Gebiet des Reichs ausgedehnt worden ist —
„Lin Deutscher darf vorbehaltlich der Bestimmungen in den §§ 3
und 4 zu den direkten Steuern nur in demjenigen Bundesstaate herangezogen werden, in welchem er seinen Wohnsitz hat.“
Die folgenden Paragraphen beschäftigen sich mit den einzel direkten Steuern, die hier in Frage kommen. Sie wütnd aber vergeblich in diesen Bestimmungen nach der Erbschaft steuer suchen, und ich kann Ihnen auch bestätigen, daß 5 den 35 Jahren, seitdem jenes Gesetz besteht, es noch 2 Menschen, sei es nun ein Gelehrter oder ein Nichtgelehrter, 8 gefallen ist, anzunehmen, daß die Erbschaftssteuer unter das Gesa wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung falle. Einfach deswegen n man nicht auf diesen Gedanken gekommen, weil eben die Erbschafte steuer nicht zu den direkten Steuern gehört. Wenn die Eri- schaftssteuer eine direkte Steuer wäre, dann hätten sich die Bundet⸗ staaten in den letzten 35 Jahren in Ansehung der Vermeidung w Doppelbesteuerung bei der Erbschaftssteuer recht viele Mühe und Arbeit sparen können. Eben weil jenes Gesetz sich auf die direkten Steuern beschränkt und auf die Erbschaftssteuer keine Anwendung findet, waren 1 Bundesregierungen genötigt, in jenem Zeitraum eine Reihe von Verträgen untereinander abzuschließen, um in Ansehung der Erbschaftssteuer se Doppelbesteuerungsfälle fernzuhalten oder doch möglichst einzuschränden Ich glaube, meine Herren, das, was ich Ihnen über den Charakter der Erbschaftssteuer aus dem Gesetz von 1870 wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung soeben dargelegt habe, dürfte genügen, um dh
letzten Zweifel über die rechtliche Natur jener Abgabe zu zerstreuen. †
Ich will hiermit meine Ausführungen schließen und möchte an das hohe Haus nur noch die Bitte richten, den Antrag der Frei. sinnigen Volkspartei abzulehnen. (Bravo!)
Abg. Liebermann von Sonnenberyg (wirtsch. Vg ): Za meiner Freude hat sich mein Wunsch erfüllt. Die Kommisston hat mit überwiegender Mehrheit schnell die Flottenvorlage angenommen Alle Parteien, mit Ausnahme der Sosialdemokraten, stellten sic auf einen flottenfreundlichen Standpunkt. Nur die Freisinnigen wollten die Ausgaben von Jahr zu Jahr bewilligen und nicht binden. Eine Bewilligung von Jahr zu Jahr hat d bür unsere Wehrkraft zu Lande und zu Wasser Bedenken Neuerdings scheint die freisinnige Partei bedenklich geworden zu sein. Theoretisch ist uns ihr Antrag allerdings sympatbisch; aber ich kann dem Antrage nicht zustimmen, weil er 9 Einzel⸗ heiten belastet ist, die erst erwogen werden müssen. ir sehen in dem Antrag nur ein Ablehnungsmittel, eine Rückzugsdeckung für die. jenigen, die die Vorlage eigentlich nicht wollen. Der Flottenverein hat gewiß manchen Mäßorißh getan. Ein Artikel in den „Alldeutschen Blättern“ ist mindestens ungezogen gegen die deutschen Abgeordneten. Die letzthin noch gegebenen Anregungen des Alldeutschen Verbandez verkennen durchaus die Geschäftslage des Hauses. Zu einer Unter. suchung solcher Anträge würde man kaum ein Dutzend Stimmen hier finden. Im Auslande würde man daraus ganz falsche Schlüsse auf die Stimmung im Volke ziehen und sagen, die Regierung hat die Begeisterung des Volkes für die Flotte ganz gewiß nicht hinter sich Der Flottenverein und der Alldeutsche Verdand haben für die Flotte Gutes geleistet; sie wollen aber nicht durch verkehrte Mittel einen Einfluß auf die Regierung und den Reichstag zu gewinnen suchen. Waz die Schulsammlungen betrifft, so teile ich durchaus den Standpunkt des Grafen Arnim. Sind Mißbräuche vorgekommen, so kann in den Landtegen Abhilfe verlangt werden. Der Abg. Bebel will ja die Politil in die Sckulen tragen. Wir gehen nicht so weit, aber wir glauben, daß es der Jugend schönstes Recht ist, sich für alles Schöne, die Größe des Vaterlandes zu begeistern. Sie soll an Sage und Geschichte und an Vaterlande Freude finden und zur Nacheiferung der großen Taten erzogen werden. Das ist notwendig gegenüber den Bestrebungen der Sozil⸗ demokratie, die diese Ideale nicht im Herzen trägt. Das beste Sac⸗ verständigenkollegium über unsere Rüstungen zur See ist das Marire⸗ ministerium. Es kommt nicht allein auf die Zahl der Panzer m. sondern auf den Willen, der die Schiffe lenkt, auf die sicheren Auga⸗ die das Geschütz richten, daß es trifft. Unsere Schiffsbemannung ist mustergültig. Wir wollen den Krieg nicht, wir fürchten ihn aber auch nicht. Wir werden kein zweites Tsuschima erleben, sondern der Welt ein zweites Düppel zeigen.
Abg. Mommsen (fr. Vgg.): Die Ansichten über eine stake Seemacht haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr geändert Wir sind überzeugt, daß wir im Rahmen unserer Mittte eine ausreichende Seemacht haben müssen. Der Flottenverein hat diese Umänderung allein nicht herbeigeführt. Das Vorn dringen des Seehandels in der ganzen Welt hat das Inten esse und das Verständnis für die Florte geweckt. Die Verdienste de Flottenvereins sind nicht so groß, daß man sich damit eingehend k schäftigen sollte. Mit seiner Uebertreibung der Agitation hat er mehr geschadet als genützt. Das zeigt auch die Rede des Abg Bebel, der sich in allererster Linie mit den Flugblättern 1 Aufrufen des Flottenvereins beschäftigt hat. Wir sollten alles tun um den Verein zu veranlassen, seine Tätigkeit auf das richtige, nicht schädliche Maß zurückzuführen. Die Anfänge der Flott gingen auf nationale Gedanken zurück. Heute ist nicht mehr möglich, die deutsche Flotte unter den Hammer bringen. Es freut mich, daß jetzt auch die Konserdativen der Flotte mit der Sachlichkeit gegenüberstehen, die wir immer wünscht haben. Der Abg. Bebel hat auf die auswärtige Politt verwiesen. Ich werde ihm darauf nicht folgen. Ganz gleich, ob di auswärtige Lage gut oder schlecht ist, müssen unsere Waffen zu Wasser so sein, daß unsere Gegner vom Kriege abgehalten werden. Wi müssen darum das als notwendig Anerkannte bewilligen. M Freunde haben schon früher, als wir deswegen verhöhnt wurden, 1 diesem Standpunkt gestanden. Wir werden deeshalb auch für d Vorlage stimmen. Die Begründung des Deplacements der Pa und Kreuzer ist technisch und sachlich unabweiebar. Es wan wünschenswert gewesen, schon vor Jahren mit dieser Vergrößerun zu beginnen. Aber nach den Erklärungen der Marineverwaltung ist kein Zweifel, daß die letzten vom Stapel gelaufener Kreuzer mit vollem Vertraunen auf ihre Tüchtigkeit Sicherheit gebraucht werden können. Die einzigen B. denken gegen die Marinevorlage sind finanzrechtlicher Natu Diese etatsrechtlichen Bedenken sind ja eingehend und damals mit Zustimmung meiner Freunde dahin gelöst worder daß gegen die Festlegung des Flottenplanes nichts eingewendet wurd
Die Entwicklung hat seit 1900 denen recht gegeben, die sich übn
diese Bedenken hinweggesetzt haben. Erst durch diese „Bindung“ der Marineverwaltung die Ruhe geworden, die sie brauchte, um der Bau der Schiffe und die Beschaffung des Personals und Materials
erfolgreich durchzuführen. Die Leidenschaft in der Behandlung der Flottenvorlage ist bloß noch beim Flottenverein zurückgeblieben, und
wird es gelingen, Maß sammlung in den Schulen hat Geldsammlungen für Dinge, die sich durch Sammlunge absolut nicht beschaffen lassen, wie Panzerschiffe und Kreuzer halte ich für stark deplaciert und geradezu geschmacklos; wir sol gegen solche, gelinde als „grober Unfug“ zu bezeichnende Samn lungen Front machen. Man sagt, die Gaben seien freiwillig. I— Vater, der um 50 ₰ oder 1 ℳ von seinem Sohne herangekrieg wurde, weiß, daß diese Gabe nicht freiwillig ist, nicht bei ihm: nicht bei seinem Sohn. Freiwillige Gaben von dem Schüler, über eigene Einnahmen überhaupt nicht verfügt, sind eigentlich Widerspruch in sich selbst. Für die Flotte nützen solche Sam lungen nichts, sie schaden aber der Sache selbst. Der Antrag Ablaf will die Deckungsfrage regeln, die für uns längst erledigt ist. 2 haben stets darauf hingewiesen, daß direkte Steuern für das Reith eingeführt werden müssen, namentlich mein Freund und Vorgän Rickert. Der Frhr. von Stengel hat viele Worte an die theoretische! örterung verwendet, daß die Erbschaftssteuer eine direkte Steuer if
(Schluß in der Zweiten Beilage.
zu halten. ie Flot⸗ Graf Arnim verteiditg
auch da
tin Antrag
55 1900 erörten
zum Deuts
75.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Er will nachweisen, daß die Reichsregierung sehr konsequent geblieben ist. Aber im Volke gilt sie als direkte Steuer, und die bloße Tat⸗ sache, daß die verbündeten Regierungen sich jahrzehntelang aufs heftigste gegen sie gewehrt haben, beweist ja durchaus für diese Auffassung. So wie heute nach Steuern und Steuerchen gesucht wird, kann es absolut nicht weiter gehen, wenn wir die Würde des Reiches für die Zukunft aufrecht erhalten wollen; so reformiert man die Finanzen des Reiches nicht, wo es auf die Deckung von Bedürfnissen im Betrage von Hunderten von Millionen an⸗ kommt. Flotte und Armee lassen sich im Deutschen Reich sehr leicht auf ergiebigen und vom ganzen Volke gebilligten Steuergrund⸗ lagen aufbauen, wenn man endlich einmal zur Reichseinkommen⸗ oder Reichsvermögensteuer überginge. Solange wir grundverschiedene Einkommensteuergesetze in den Einzelstaaten haben, können wir keine Reichseinkommensteuer einführen; aber eine Reichsvermögensteuer läßt sich sehr gut und ohne Schwierigkeit machen. Der Reichsschatzsekretär sieht auch in dem Antrage eine Art Mißtrauensvotum gegen die Steuerkommission. Ich finde dieses Mißtrauensvotum an sich sehr berechtigt; was der Reichstag mit dem Antrage macht, ist zu⸗
nächst seine Sache. Wir werden für den Antrag stimmen, obgleich
wir uns nicht auf Einzelheiten festlegen wollen. Der Versuch, unsere Flotte als minderwertig darzustellen und die Marineverwaltung gewisser⸗ maßen in Anklagezustand zu versetzen, wird keinen Erfolg haben. Wenn man darauf hinweist, daß England oder Nordamerika eine Anzahl von Schiffen aus der Flottenliste gestrichen hat, so beweist das nichts, denn damit verschwinden die Schiffe nicht aus der Welt. Unsere Flotte wird ein gutes und brauchbares Werkzeug für die Ver⸗ teidigung Deutschlands sein; besser aber, wenn sie uns den Frieden dauernd erhält.
Preußischer Staats⸗ und Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Obgleich der Herr Vorredner und seine näheren Parteifreunde den Antrag Dr. Ablaß nicht unterzeichnet haben, so habe ich aus den eben gehörten Worten zu meinem Bedauern vernommen, daß der Herr Vorredner und seine Freunde dem Antrag zustimmen wollen, und ich halte es deshalb für meine Pflicht, den ernsten Bedenken, denen schon Exzellenz von Stengel Ausdruck gegeben hat, auch meiner⸗ seits noch einmal Worte zu leihen. Der Antrag Dr. Ablaß und Genossen verdient, wenn ich mich meiner juristischen Zeiten erinnere, „angebrachtermaßen“ und „nach dem Fundament“ abgewiesen zu werden, zunächst „angebrachtermaßen“. Die ganzen Vorschläge hinsichtlich des Deckungsbedarfs des Reichs einschließlich des Bedarfs für die Flotte sind durch einen Beschluß dieses hohen Hauses einer Kommission überwiesen worden und unterliegen gegenwärtig der Beratung dieser Kommission, und ich glaube, es würde doch den Gepflogenheiten des Hauses widersprechen, wenn mitten in dem Laufe dieser Beratung in der Kommission ein einziges Steuerobjekt der Beratung entzogen und wiederum hier ins Plenum gebracht würde. Ich glaube, es würde auf diese Weise sehr leicht sein, die ganzen Verhandlungen in der Kommission zu zertrümmern und auf diese Weise die Verhandlungen nicht zu einem gedeihlichen Ende kommen zu lassen, und ich meine, das kann nicht in der Absicht des hohen Hauses liegen. Der Herr Abg. Mommsen hat eine herbe Kritik an den Verhandlungen der Kommission geübt und davon gesprochen, daß ein Mißtrauensvotum berechtigt sei. Nun, meine Herren, ich habe gegen einzelne Ersatzprojekte, die in der Kommission aufgetaucht sind, auch meinerseits sehr ernste Bedenken geäußert; aber ich muß doch anderseits die Kommission gegen ein solches Mißtrauensvotum, wie es der Herr Abg. Mommsen ausgesprochen hat, in Schutz nehmen. Die Kommission hat sich mit einem außerordentlichen Eifer und Auf⸗ bietung ihrer ganzen Kräfte der mühevollen Aufgabe unterzogen, nicht — was ja viel leichter ist — Kritik zu üben, sondern wirklich positive Arbeit zu leisten, um das zu gewähren, was unerläßlich ist für des Reiches Wohlfahrt, und ich glaube, dafür verdiente die Kommission ein besseres Urteil als das, welches der Herr Abg. Mommsen abgegeben hat. (Sehr richtig! rechts.)
Wenn er sagte, die ganze Sache wäre sehr leicht zu machen, indem die Kommission einfach eine Reichseinkommensteuer beschlösse, so will ich dem Herrn Abg. Mommsen einen Vorschlag machen, der noch viel einfacher ist: er braucht nur den Regierungsvorschlägen auf eine angemessene Besteuerung von Bier und Tabak zuzustimmen, und wir sind aus allen Nöten heraus! (Lebhafte Zustimmung rechts.)
Der Antrag Ablaß verdient aber, nicht nur „angebrachtermaßen“ abgewiesen zu werden, sondern auch „nach dem Fundament“. Ich muß gestehen, der Herr Antragsteller hat sich die Sache mit der Reichsvermögenssteuer etwas leicht gemacht. (Sehr richtig! rechts.) Wie die ganze Sache bei der außerordentlichen Verschiedenheit der Verhältnisse in unserem deutschen Vaterlande durchgeführt werden soll, das hat er freundlichst uns überlassen! (Unruhe links.) Er hat allerdings gesagt, daß das preußische Ergänzungssteuergesetz einstwe len überall in deutschen Landen eingeführt werden solle, ich glaube aber, er hat sich das im Detail wirklich nicht durchdacht. Wenn Sie sich einmal überlegen wollen, wie ein auf preußischen Ver⸗ hältnissen aufgebautes Gesetz, ein auf der preußischen Behörden⸗ organisation, auf den Grundsätzen unseres ganzen öffentlichen Lebens aufgebautes Gesetz in Bayern, in Elsaß⸗Lothringen, in Hamburg usw., wo total abweichende Verhältnisse sind, eingeführt werden sollte, so würden Sie alsbald mit uns zu dem Schlusse kommen: Der Weg geht nicht! Ich glaube auch, die Bayern und vielleicht auch die Elsaß⸗ Lothringer und die Hamburger würden sich schwer bedanken, steuerliche Grundsätze in ihren Ländern einzuführen, die für ihre Verhältnisse vielfach gar nicht passen, sondern nur für Preußen.
Der Herr Abgeordnete Dr. Müller (Meiningen) sagte vorher — meiner Meinung nach sehr mit Recht —, die Vielgestaltigkeit der Einkommensteuer in den verschiedenen deutschen Staaten mache es un⸗ möglich, eine Reichseinkommensteuer einzuführen — wenn ich ihn richtig verstanden habe. Die Vielgestaltigkeit der Einkommensteuer ist vollkommen richtig, und der Schluß, den der Herr Abgeordnete Dr. Müller (Meiningen) daraus gezogen hat, ist auch richtig; aber er hätte dann auch weiter den Schluß ziehen müssen, daß genau so groß die Vielgestaltigkeit bei der Ergänzungssteuer, bei der Vermögenssteuer
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alles andere ist graue Theorie.
Zweite Beilage Reichsanzei
Berlin, Mittwoch, den 28. März
ist, und wenn eine Reichseinkommensteuer nicht geht, dann auch eine Reichsvermögenssteuer nicht, weil beide in untrennbarem Zusammen⸗ hange steben.
Meine Herren, in Preußen heißt die Vermögenssteuer mit Recht „Ergänzungesteuer’, weil sie zwar im allgemeinen dieselben Kreise trifft wie die Einkommensteuer, es aber Fälle gibt, wo zwar kein Einkommen vorhanden ist, wo also in den letzten Jahren erhebliche Verluste eingetreten sind und trotzdem große Ver⸗ mögensodjekte zu Grunde liegen. Man hielt es nicht für billig, in solchen Fällen von einer Stcuerpflicht abzusehen, und führte deshalb die Ergänzungssteuer ein, also eine Steuer, die unter Umständen er⸗ hoben wird, wenn der betreffende in dem Jahre gar kein Einkommen hat. Ist das aber der Fall, so kann naturgemäß diese Vermögens⸗ steuer sich immer nur in gewissen Grenzen bewegen und darf nicht übermäßig hoch angespannt werden. Wir haben beispielsweise in Preußen bei den größeren Einkommen eine Einkommensteuer von 4 %, und unsere Ergänzungssteuer macht etwa 1 ¼ % des Einkommens aus, so daß wir jetzt re vera ein Einkommensteuer von 5 ½¼ % haben. In Sachsen besteht bei den größeren Einkommen eine Einkommen⸗ steuer von 5 %; rechnen Sie hierzu wieder die Vermögenssteuer, so kommen Sie in Sachsen auf eine Einkommensteuer von etwa 6 ¼ %. Ich bemerke, daß auch andere Bundesstaaten, wie Braunschweig, Hessen, schon eine Ergänzungssteuer haben, und wieder andere, in Baden, im Begriff sind, dazu überzugehen. Sie haben also immerhin jetzt schon eine Einkommensteuer mit Einschluß der Ergänzungssteuer von 5 ¼, 6 ¼ %, und, meine Herren, was ich bei einer anderen Ge⸗ legenheit schon einmal ausgesprochen habe, ich bitte, nicht zu unter⸗ schätzen die außerordentliche Mehrbelastung, die hinzutritt infolge der Kommunalverwaltung. (Sehr richtig! rechts.) Ahddieren Sie beide Dinge, so kommen Sie jetzt schon zu einer außerordentlich hohen An⸗ spannung der direkten Steuern, und ich warne davor, bei dieser all⸗ gemeinen Anspannung der direkten Steuern über das zulässige Maß hinauszugehen.
Dann, meine Herren, darf ich noch eines bemerken. Die ganze Entwickelung der letzten Jahrzehnte ist dahin gegangen, die unteren Klassen von der Einkommensteuer freizuhalten. Während wir früher schon bei 420 ℳ die Einkommensteuerpflicht beginnen ließen, haben wir nachher in steigendem Maße die niedrigeren Einkommensteuer⸗ klassen freigelassen. In den Kommunen ist man zum Teil noch nicht so weit gegangen, weil eben die Bedürfnisse in den Kommunen teil⸗ weise ganz außerordentlich wachsen. Wollen Sie die ganzen Be⸗ dürfnisse des Reiches auf die direkten Steuern werfen, so werden Sie sehen, daß die ganze wohltätige Entwickelung, die wir in den letzten Jahrzehnten gehabt haben, rückgängig gemacht werden wird, und daß man gezwungen würde, die minder bemittelten Klassen, die man wohl⸗ weislich in deren Interesse freigelassen hat, wieder mehr zu belasten. (Sehr richtig! rechts.) Man würde also genau das Gegenteil von dem erreichen, was man erreichen will: man würde die Minder⸗ bemittelten viel höher heranziehen müssen.
Endlich, meine Herren, muß ich mit dem Herrn Staatssekretär Freiherrn von Stengel auch sagen, die Einzelstaaten sind mit ihrer ganzen Finanzgebarung auf die direkten Steuern angewiesen und können die direkten Steuern schlechterdings nicht entbehren. Ich will auf die Frage, die von dem Herrn Vorredner auch gestreift worden ist, nicht eingehen, ob die Erbschaftssteuer eine direkte oder eine indirekte Steuer ist. Aber auf welchen Standpunkt man sich auch stellt, das wird mir der Herr Abg. Mommsen zugeben, daß es ein außerordentliches Entgegenkommen der Einzelstaaten ist, die Erb⸗ schaftssteuer, die tatsächlich nur von den Einzelstaaten ausgebaut worden ist, dem Reiche zu opfern. (Sehr richtig! rechts.) Der Dank dafür, daß wir die eine Wange hingereicht haben, soll nun darin be⸗ stehen, daß wir auch auf die andere Wange einen Streich bekommen. (Sehr gut! rechts.) Das würde die Folge des Entgegenkommens sein. (Sehr richtig! rechts.) Weil die Einzelstaaten sich der Erb⸗ schaftssteuer, der letzten Reserve, die sie haben, entäußert haben zu Gunsten des Zustandekommens dieser ganzen Reform, können sie um so weniger auf die direkten Steuern verzichten, und wer die Flotten⸗ vorlage will, und wer nicht unübersteigliche Hindernisse ihr bereiten will, der, meine ich, darf das Verlangen nicht stellen, daß wir jetzt noch einer Reichsvermögenssteuer zustimmen sollen. (Lebhafter Beifall
rechts.)
Abg. Büsing (nl.): Als Vorsitzender der Steuerkommission halte ich mich doch verpflichtet, einige Worte über die Angriffe gegen diese Kommission zu sprechen. Der Minister hat ihr ganz seine Anerkennung gezollt; ich möchte aber, daß auch dieses Haus diese Anerkennung teilt. Die Kommission hat nach besten Kräften sich bemüht, das große Ziel zu erreichen, das ihr ge⸗ sellt war, um das Reich vor Verlegenheiten in Zukunft zu schützen. Ob sie dabei das Richtige getroffen hat, wird das Haus entscheiden. Wir in der Kommission glauben es. Eine Kritik zu üben ist ja leicht. Jede Steuer ist unpopulär, gegen jede wird mobil gemacht. Hier handelt es sich nur um das eine: um Bessermachen. Wer das kann, soll mir und der Kommission will⸗ kommen sein, aber mit der bloßen Negation verschonen Sie uns. Es ist sehr leicht gesagt, daß die Kommission sich nur für direkte Steuern hätte erklären sollen. Wir haben uns auf den Standpunkt gestellt, nur das Erreichbare zu wollen, Es handelt sich nur darum: was ist in diesem Hause zu erreichen, und welchen Steuern wird die Regie⸗ rung ihre Zustimmung geben. Ich selbst neige auch dazu, direkte Steuern dem Reiche 22⸗8 Reichseinkommensteuer und ⸗vermögens⸗ steuer. Hierüber ist ja in der Kommission verhandelt worden, aber die betreffenden Anträge sind abgelehnt worden. Damit scheiden diese Vor⸗ schläge aus. Die verbündeten Regierungen werden diesen Weg nicht betreten, die Mehrheit des Hauses auch nicht. Was soll also der Antrag Ablaß, der schon in der Kommission abgelehnt worden ist? Wer die Reichsfinanzreform ernsthaft will, nicht bloß mit dem Munde, kann der nur Steuern wollen, die die Zustimmung des Hauses und der Regierung nicht finden? Sagen Sie meinetwegen, es würden in der Kommission lauter Dummheiten gemacht, mich läßt das kalt; ich bin für das wirtlich Erreichbare.
Abg. Bruhn (Reformp.): Wenn der Reichstag in Heeres⸗ und Marinesachen das Erforderliche bewilligt, so erfüllt er nur seine nationale Pflicht. Das Verständnis für die Flotte ist zweifellos durch den Flottenverein, mag man über
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ger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
ihn denken, wie man will, verstärkt worden. Die Erklärung der . ist nur eine Kulisse für einen Gesinnungswechsel. s gibt freisinnige Geschäftsleute genug, die eine starke Flotte wünschen. Auch in katholischen Kreisen ist eine so große Flotten⸗ stimmung vorhanden, daß es das Zentrum gar nicht wagen kann, gegen die Vorlage zu stimmen. Vielleicht lernen wir im Ernstfalle kennen, was eine starke Flotte bedeutet. Der Abg. Bebel sagte gestern, unsere auswärtige Politik sei miserabel. Auch wir billigen manches durchaus nicht darin, namentlich nicht, daß man sich so oft an das Ausland herandrängt mit Auszeichnungen usw. Ich frage aber, wer ist der leidende Teil in einem unglücklichen Kriege? Etwa die leitenden Staats⸗ männer, die schlechte Politik treiben? Nein, das Volk. Wenn unsere Flotte so stark ist, daß das Ausland eine Schlappe befürchtet, so wird es uns schon respektieren. Wie will der Abg. Bebel die auswärtige Politik denn gestalten, wenn seine Partei die Macht in Händen hat? Das sind alles nur theoretische Wünsche. Wir wünschen, daß unser Handel blüht und gedeiht. Wir wünschen eine Weltpolitik, keine Allerweltspolitik, wir wünschen aber auch eine Heimatspolitik. Ueber allem steht das Vaterland, das Interesse des Vaterlandes erfordert es, daß wir die Vorlage bewilligen. Abg. Bebel (Soz.): Wir stimmen dem Antrag Ablaß zu, wenn
wir auch nicht mit allen Einzelheiten uns einverstanden erklären wollen. Man würde es draußen nicht verstehen, wenn die Deckungs⸗ frage in einer Weise gelöst würde, die der Meinung der großen Mehrheit des Volkes widerspricht. Die Mehrheit des Volkes ist mit der Arbeit der Kommission höchst unzufrieden. Man hat allerwärts den Eindruck gewonnen, daß die Kommission sich in ständiger Verlegenheit befindet, daß sie selbst nicht weiß, was sie will, daß sie schließlich immer die allerungeeignetsten Steuerobjekte aufgegriffen hat. Für Zwecke, welche in erster Linie den herrschenden Klassen dienen, verlangt die Nation, daß diese Kreise auch in erster Linie die Opfer bringen. Aber tatsächlich drücken sich al. Kreise, dite aus „Staatsnotwendigkeit“ der Nation solche Opfer auferlegen, um die Bezahlung herum! Der Reichs⸗ schatzsekretär und der Finanzminister wissen ganz genau, daß dieser Antrag Ablaß nicht angenommen werden wird; gleichwohl bekämpfen sie den Antrag mit großem Eifer und mit einer Reihe von formellen Argumenten. Warum? Weil sie wissen, daß das Volk diesen Vor⸗ schlag durchaus billigt, und daß es nur an dem guten Willen der Regierung liegen würde, diesen Antrag sofort zur Durchführung zu bringen. Aber an diesem guten Willen fehlt es eben. Und wer da glaubt, daß der § 6 des Flottengesetzes in alle Ewigkeit respektiert werden wird, der rechnet nicht damit, daß das Zentrum noch weiter umfallen wird, wie es jetzt schon umgefallen ist. Es hat den § 6 schon heute preisgegeben, denn es hat der Biersteuer und Zigarettensteuer zugestimmt, obgleich es keinem Zweifel unterliegt, daß diese beiden Steuern unter den § 6 fallen. Der Abg. Büsing spricht von der Taktik des Erreichbaren. Das ist immer Ihre Taktik (zu den Nationalliberalen); Sie reden von dem Erreichbaren, weil Sie nicht mehr erreichen wollen, weil Sie allen Schwierigkeiten aus dem Wege gehen möchten. Ich bin alt und grau geworden, um diese Ihre Taktik, die Sie seit Jahrzehnten geübt haben, nicht zu durchschauen. Der Staat hat die Aufgabe, Eigentum und Besitz seiner Staatsangehörigen zu schützen; je größer das Vermögen und der Besitz des einzelnen, desto höher die Staatsaufgabe dem einzelnen gegenüber. Nichts gerechter und selbstverständlicher, als daß der einzelne in dem Maße, wie er den Schutz des Staates genießt, zu den Opfern beizutragen hat. Stimmt dieser Grundsatz, dann ist es doch ganz klar, daß diejenigen, die das meiste haben, auch das meiste be⸗ zahlen müssen, und daß die bisherige Steuerpolitik und die Tätigkeit der Steuerkommission völlig verkehrt ist. Der Marineverwaltung habe ich gestern nicht den Vorwurf des Schwankens gemacht, sondern das Zentrum hatte 1897, ,98 prinzipielle Bedenken gegen eine Vergrößerung der Flotte, das geht deutlich aus den Reden der Abgg. Schaedler und Fritzen hervor. Wenn jemals eine Partei einen gründlicheren Umfall durchgemacht hat, so ist es das Zentrum in bezug auf die Flottenfrage. Würde ein Schrift⸗ steller diesen Umfall einmal in einer Broschüre unter Gegenüberstellung der einzelnen damaligen und jetzigen Aeußerungen illustrieren, es wäre ein Hochgenuß. Wenn im Falle eines Angriffes wir die äußersten Mittel aufzuwenden haben nach zwei Seiten hin, dann dürfen wir die Situation doch nicht so verderben, daß wir nach drei Seiten zu kämpfen haben. Das war bis 1895 auch die Auffassung der Marineverwaltung selbst. Jetzt ist nicht mehr von Küstenschutz die Rede; man ist zur Hochsee⸗ flotte, zur Weltpolitik übergegangen. Soll diese Richtung die maß⸗ ebende sein, so sollten diejenigen Klassen, die sie wollen, auch die Ppfer dafür bringen. Die Aufgabe der Politik ist es, die größten Staatsvorteile mit den geringsten Opfern zu erreichen. Wir haben in den letzten zehn Jahren unsere Leistungen zu Wasser und zu Lande bedeutend verstärkt; aber was haben wir an An⸗ sehen, Macht und Einfluß in Europa gewonnen? Sind wir heute etwa stärker als vor zehn Jahren? Das wird niemand behaupten. Wie der Ertrinkende nach dem Strohhalm greift, hat Admiral von Tirpitz sich auf unseren früheren Kollegen Calwer berufen. Es wäre ja ein Wunder, wenn in einer so großen Partei wie der unsrigen nicht auch einmal abweichende Ansichten vorhanden wären. Leider hat der Staatssekretär von Tirpitz gerade da aufgehört zu zitieren, wo er hätte weiter lesen sollen. (Der Redner verliest die Fort⸗ setzung.) Danach führt Calwer aus, daß damit noch keineswegs jede Vergrößerung der Flotte von den Arbeitern gutzuheißen sei, und das die Kosten der Vergrößerung, die als Risikoversicherung erscheinen, von den Interessenten zu tragen seien. Der Fürst Bismarck hat seinerzeit ausgeführt, daß es nichts, aber auch gar nichts gibt, was uns mit England in Gegensatz bringen könnte. Die Chamberlainsche Agitation für ein Greater Britain hat bei den letzten englischen Wahlen eine vernichtende Niederlage erlitten. Einen ernfthaßten Grund zu einem Zerwürfnis mit England, das der Deutsche Flottenverein herbeizuführen versucht, ist nicht im geringsten vorhanden. Wenn es sogar Frankreich gelungen ist, zu einem Bündnis mit England zu kommen, dann wäre es füͤr die deutsche Politik kinderleicht gewesen, ein solches Bündnis mit England zu schliehen. Der Graf Oriola bekämpft unsere Stellung zur Flotten⸗ vorlage als arbeiterfeindlich. Käme die Flotte und Armee wirklich den Arbeitern zu gute, so müßten wir jede derartige Vorlage mit Hurra begrüßen. Es kommt doch nicht darauf an, 05 Arbeit geschafft wird, sondern wer zu zahlen hat. Glauben Sie, die Lage würde schlechter werden als heute, wenn die Kriege aufhörten, wenn die letzten Kriegsgeräte in die Mufeen wanderten? Dann müßten ja die belgischen und amerikantschen Arbeiter sehr zufrieden sein. Arbeit werden die Arbeiter immer haben, und im Zukunftostaat erst recht. Es werden mehr Schulen gebaut und andere Kulturwerke geschaffen werden, die setzt noch nicht vorhanden sind. Der Verkehr wird sich heben usw. Die Agitation des Flottenvereins innerhalb destimmter Grenzen ein⸗ zuschränken, fällt uns nicht ein. Wogegen wir uns wehren, ist, daß er in seiner Agitation behördlich unterstützt wird, und daß er sdine Tätigkeit in die Schule verlegt und seinen sozialen Einfluß⸗ um Staats⸗ und Kommunalbeamte für seine Zwecke zu Wir lieben unser Vaterland so x wie Sie, aber wir daden chne andere Auffassung über die Art, wie man dem Vaterlande Reuen en Wir scheuen kein Hreer um dem Vaterlande wirklich ö— wir das nicht, dann hätten wir es ja bequemer, hinter dem Ofß
au Ahen. Die Flottenaghtation gehört nicht in die Schule, denn 8d dandelt 8*