1906 / 77 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 Mar 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Jahr 1905 vorgesehen war. Wir wissen, meine Herren, einmal noch nicht den Zeitpunkt, zu welchem wir in der Lage sein werden, die Reichs⸗ anleihe für das Jahr 1906 zu realisieren. Dann aber müssen wir auch leider schon jetzt damit rechnen, daß die neuen Steuerquellen, die wir in Aussicht genommen haben, jedenfalls in den ersten Monaten des neuen Rechnungsjahres noch nicht zu fließen beginnen werden. Dagegen sind wir auf der anderen Seite dessen sicher, daß schon in den nächsten Monaten sehr erhebliche, auf namhafte Beträge lautende, gegenwärtig noch umlaufende Schatzanweisungen fällig werden, die wir dann ohne weiteres einlösen müssen. Unter allen Umständen muß aber dafür Sorge getragen werden, daß die Reichskasse davor bewahrt bleibt, auch nur einen Tag in Zahlungsverlegenheiten zu geraten. Wir bedürfen also aus diesen Gründen für die nächsten Monate eines erhöhten Schatzanweisungskredits, des Kredits, wie er hier gefordert ist, von 350 Millionen. Meine Herren, ich bedauere ja selbst ungemein lebhaft, daß das Reich mit so namhaften Beträgen an Schatzanweisungen den Geld⸗ markt in Anspruch nehmen muß. Es ist das ein Punkt ich habe schon bei früheren Anlässen darauf hingewiesen —, wo die Misere im Reichshaushaltsetat auch die Volkswirtschaft überhaupt und weite Kreise unserer Erwerbsstände in Mitleidenschaft zieht. Ich verzichte darauf, im Zusammenhang mit der heutigen Vor⸗ lage weitere Ausführungen an diese Bemerkung zu knüpfen.

Im übrigen möchte ich meinerseits nur noch dem Vertrauen Ausdruck geben, daß es gelingen möge, innerhalb der kommenden heiden Monate April und Mai über die Verabschiedung nicht bloß des Reichshaushaltsetats und des Etats der Schutzgebiete selbst, sondern auch über die Verabschiedung der Gesetzentwürfe, die im innigsten Zusammenhang mit dem Reichshaushaltsetat stehen, zu einer Vereinbarung zwischen den gesetzgebenden Faktoren zu gelangen.

Ich darf danach meine Ausführungen mit der Bitte schließen, daß das hohe Haus den Ihnen vorgelegten Gesetzentwürfen die Zu⸗ stimmung erteilen möge.

V 8 Richthofen (b.kons.): Der vorgelegte Notetat unter⸗ cenah Ian 28 8 vorjährigen, daß er auch eine Anzahl von Ausgaben gestatten will, die vom Hause noch nicht in zweiter Lesung bewilligt und auch noch nicht einmal in der Budgetkommission beraten worden sind. Aus diesem Grunde und weil auch Anleihe⸗ mittel in Anspruch ggeam wesen. beantrage ich die Ueberweisung No die Budgetkommission. . cgs Nüret o. M ü Irer Tagan I.b Volksp.) schließt sich diesen Aus⸗ führungen und dem Antrage des Vorredners an. Unter den Aus⸗ gaben, die der Notetat bereits sanktioniert, befinden sich auch die⸗ jenigen für den Truppenübungsplatz für das XI. Armeekorps, eine sehr streitige Position; schon aus diesem Grunde würde Kommissions⸗ beratung unumgänglich sein. 8. Das Notetatgesetz geht an die Budgetkommission.

Das Haus setzt hierauf die zweite Lesung des Marine⸗ etats fort. Zu den Ausgahen für den allgemeinen Werft⸗ hetrieb empfiehlt die Kommission eine Resolution, wonach die in den betreffenden Titeln enthaltenen Ausgaben, 22 ½ Mill. Mark, im nächsten Etat nach den hauptsächlichsten Ver⸗ wendungszwecken ausgeschieden werden sollen.

Ohne Debatte nimmt das Haus die Resolution an und genehmigt die Position, eben o werden bewilligt die außer⸗ ordentlichen Ausgaben für Waffenwesen und Befestigungen, Kassen⸗ und Rechnungswesen, Küstenvermessungswesen, ver⸗ schiedene Ausgaben und die Ausgaben fuüͤr die Zentralver⸗ waltung für das Schutzgebiet Kiautschou nach den Kommissions⸗ anträgen bezw. 4* * 2

mendement von ünefeld. 8 An einmaligen Ausgaben sind im ordentlichen Etat 88689 650 ℳ, im außerordentlichen 27 575 000 gefordert.

Bei dem ersteren hat die Kommission 340 000 und bei dem letzteren 1 150 000 abgesetzt, hiervon aber 150 000 zum Bau einer zweiten elektrischen Zentrale auf der Werft don Wilhelmshaven in den ordentlichen Etat übertragen. Gestrichen werden sollen im ordentlichen Etat 30 000 ℳ, die als zweite Rate zur Erweiterung der Anlage und Herstellung von destilliertem Kesselwasser auf der Werft zu Kiel, und 150 000 ℳ, die ebenfalls dort als erste Rate zur Erweiterung und Verlegung der Kettenprobieranstalt gefordert sind; statt 45 000 zur Erneuerung der Decks auf den Verschlußpontons, der Docks I und IX, sowie zur Grundreparatur der Hellingpontons sollen nur 31 000 bewilligt werden. Gestrichen sind ferner 100 000 erste Rate zum Neubau des Chronometerobserva⸗ toriums in Kiel; endlich ist die Position „Zu Neubauten und Einrichtungen geringen Umfangs 53 000 um 10 000 ermäßigt worden. b 8 Rate zur Erweiterung der Werft auf den Geländen füdlich des Ems⸗Jade⸗Kanals einschließlich Grunderwerb statt 1 ½ Million nur 1 Million bewilligt werden.

Petitionen um Erhöhung des Gehalts der Werftschiffs⸗ fuüͤhrer werden den verbuͤndeten Reg zerungen zur B rüͤcksichtigung überwiesen. Die Petition um Erhöhung des Anfangsgehalts der Werftbuchführer überweist das Haus den verbündeten Ne⸗

jerungen zur Erwägung. Die Setition um Aufbesserung des Zehalts der Konstruktions⸗ und Marimezeichner hei den Kaiser lichen Werften und die Petition der Firma A. Müller, Tuch⸗ fabrik in Starkenburg a. O. um Aenderung der Bedingungen üͤr Lieferung von Bekleidungsstoffen an die Marineverwaltung 5* als Material überwiesen werden.

Abg. von Brockhausen (d. kons.) Petition an und bittet, auch Firmen die außerbalb des groß fapitalistischen Betriehes stehen, die Möclichkei u lassen bei der Lieferung für die Marine zu kenkurrieren.

Kapstän z. S. Capelle sagt Erwägung zu. 8

Das Haus tritt den Vorschlägen der Kommisfion bei.

Damit ist die Beratung des Marinectats erledigt.

Es folgt die Beratung des Etats für das Reichs⸗

koloniaglamt.

Die Budgetkommission hat diesen Etat und den neu ge⸗

forderten Posten eines Staatssekretärs für das Reichskolommalamt

abaelehnt und beantagt, diesen Etat um Etat des Autwärtigen Amts zu belassen. Bewilligt worden ist der neue Unterstaats⸗ sekretär, und zwar mit 25 000 statt 20000 Gehalt; das Gehalt des Direktors soll von 15 000 auf 20 000 crhöht werden. Ein Antrag Bassermann⸗Graf Oriola geht auf Wiederherstellung der Vorlage; desgleichen ein Antrag von . aukn. 1

ist der Abg. Dr. Spahn (Zentr.). Nach der Denkschrift haben die Geschäste des Kolonialamts einen Umfang angenommen, daß eine Vermehrung der Zahl der Beannen notwendig sein wird. Die ZJahl der Berichte auk den Kolonieen an die Zentralstelle hat sich sehr bedentend crhöht, die Zahl der Jouvnalrummern dement⸗ Fprechend. Infolgedessen die verbündeten Regierungen Lind

Ausgaben für Kiautschou nach dem

Im außerordentlichen Etat sollen als erste

tnöpft an die Letzterwähnte

Kolonlalamts von dem Auswärtigen Amt die Reibungsflächen mit dem Auslande vermehren konnte. Dagegen wurde eingewendet, daß das Auswärtige Amt auch fernerhin die koloniale Vertretung nach außen hin haben werde. Die Einheitlichkeit der auswaͤrtigen Politik sei dadurch nicht gefährdet. Die Kommission hat sich von der Not⸗ wendigkeit der vorgeschlagenen Aenderung nicht überzeugen können, sie hat geglaubt, daß zur 2 ssen der Kolontalabteilung ein Unter⸗ staatssekretär genügt. Ich empfehle Ihnen die Annahme des Kom⸗ missionsantrages. Der Kostenpunkt spielt in dieser Frage eine ganz untergeordnete Rolle.

Reichskanzler Fürst von Bülow:

Meine Herren! Im Namen der verbündeten Regierungen und auch für meine Person als Chef der Reichsverwaltung möchte ich Sie bitten, der Vorlage über die Errichtung eines Reichs⸗ kolonialamts Ihre Zustimmung zu erteilen. Diese Vorlage ist nicht ein willkürlicher oder unbedachter Griff, sondern sie ist eine Maßnahme, die wir nach allen Seiten reiflich geprüft und überlegt haben. In Uebereinstimmung mit den verbündeten Regierungen betrachte ich die Organisation unserer obersten Reichsbehörden als eine Ein⸗ richtung, deren Gefüge nicht ohne Not angetastet oder verändert werden soll. Es entspricht aber den Traditionen, welche für die Fortbildung dieser Organisation bis jetzt maßgebend gewesen sind, daß wir uns nicht den Notwendigkeiten verschließen, welche die Entwicklung der Reichs⸗ geschäfte mit sich bringt. Ich glaube, meine Herren, daß Freunde und Feinde unserer Kolonialpolitik heute wenigstens darin einig sind, daß sie die Bedeutung anerkennen, welche die Kolonialfragen für unser politisches Leben allmählich gewonnen haben, daß sie an⸗ erkennen, von welcher Wichtigkeit es für die Reichsfinanzen, für unsere wirtschaftliche Zukunft, für unsere Stellung in der Welt ist, ob die kolonialen Geschäfte richtig und zweckmäßig wahr⸗ genommen werden oder nicht. Wir können uns der Tatsache nicht verschließen, daß Deutschland eine Kolonialmacht geworden ist und sich den Pflichten und Aufgaben nicht entziehen kann, die daraus für uns enistehen. Das ist der Boden, auf dem wir stehen, und auf diesem Boden haben die Gegner unserer Kolonialpolitik das gleiche Interesse daran, wie ihre Freunde, daß die Organisation der Kolonialverwaltung auf der Höhe ihrer Aufgabe steht, und daß nicht aus einer mangelhaften Organisation Mißstände und Schwierigkeiten entstehen, für welche im letzten Ende das deutsche Volk mit seinem Gut und Blut aufkommen muß.

Die gegenwärtige Organisation unserer Kolontalverwaltung ist unzulänglich. Diese Versicherung kann ich mit gutem Gewissen und aus voller Ueberzeugung als einer von denjenigen abgeben, die in erster Inie berufen sind, mit dieser Organisation zu arbeiten. Ich habe schon im Dezember 1904 darauf hin⸗ gewiesen, daß der Reichskanzler bei dem Umfang und der Bedcutung, welche die kolonialen Geschäfte gewonnen haben, in der Lage sein muß, für diesen Zweig der Reichsverwaltung ebenso einen verantwortlichen Stellvertreter zur Seite zu haben, wie für die übrigen Ressorts. Es ist Ihnen bekannt, meine Herren, daß nach den bestehenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen, denen niemand ihre gute Berechtigung abstreiten wird, nur die Vorstände der obersten Reichsämter mit der Stellvertretung des Reichskanzlers betraut werden können. Wenn wir also dem vorliegenden zwingenden Be⸗ dürfnisse genügen wollen, so müssen wir entweder die Kolonial abteilung des Auswärtigen Amts zu einer obersten Reichsbehörde ausgestalten; oder wir müssen durch eine Abänderung des Stell⸗ vertretungsgesetzes die Möglichkeit schaffen, daß der im Ver · bande des Auswärtigen Amts verbleibende Direktor oder Unterstaatssekretäar der Kolonien mit der Stellvertretungs befugnis ausgestattet wird. Es versteht sich von selbst, daß wir beide Wege mit derjenigen Sorgfalt geprüft haben, zu der wir in organisatorischen und verfassungsrechklichen Fragen doppelt verpflichtet sind. Diese Prüfung hat ergeben, daß die Errichtung eines vom Auswärtigen Amt getrennten Kolonialamts nicht nur vor dem andern Wege den Vorzug verdient, sondern daß dies die einzig ausreichende und dem vorhandenen Bedürfnis wirklich entsprechende Lösung ist. Dieser Weg erspart uns die Durchbrechung eines be⸗ währten und verfassungsrechtlich wichtigen Grundsatzes. Auf diese Weise vermelden wir die prinzipiell und praktisch gleich bedenkliche Neuerung, daß der Reichskanzler neben den Vorständen der übrigen Reichsämter in dem Chef Kolonialverwaltung einen Stellvertreter bekommen würde, der ihm nilzt unmittelbar untersteht, sondern dessen unmittelbarer Vorgesetzter ein anderer Stellvertreter des Reichs⸗ kanzlers, nämlich der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, sein würde.

Je länger ich mich mit dieser Frage beschäftigt habe, um so mehr bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, daß eine solche Regelung Friktionen und Konflikte geradezu provozteren würde (sehr richtig! rechts), und daß auf diese Weise für den Reichskanzler die erforderliche Entlastung nicht nur ausbleiben, sondern geradezu eine Erschwerung in der Be⸗ bandlung der kolonialen Geschäfte entstehen würde. (Sehr richtig! rechts.) Nur eine reinliche Scheidung des Auswärtigen und des Kolonialressorts kann mir die Möglichkeit geben, mit dem Chef der Kolonialverwaltung in gleicher Weise zu arbeiten wie mit den Vorständen der übrigen Reichsämter. Solange der Chef der Kolonialverwaltung für seine Person der Untergebene des Staats⸗ sekretärt des Auswärtigen Amts bleibt, und solange die Kolonial⸗ abteilung dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts in der bisherigen Weise unterstellt bleibt, ist es für den Reichskanzler nicht nur ein Gebot der persönlichen Rücksichtnahme, sondern eine geschäftliche Notmendigkett, daß er in allen wichtigen kolonialpolitischen Fragen, auch in solchen, die keine direkte unmittelbare Beziehungen zur aus⸗ wärtigen Politik haben, nicht nur mit dem Chef der Kolonial⸗ verwaltung, sondern auch mit dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts Füylung hält. Daran wird auch durch die Stellvertretungs⸗ befugnis des Chefs der Kolonialverwaltung nichts geändert, das Räder⸗ werk bliebe kompliziert. (Sehr richtig! rechts.)

Was aber, meine Herren, nach meiner Ueberzeugung in organisatorischen und verfassungsrechtlichen Fragen vor allem nottut, was die Voraussetzung ist für einen geordneten Gang der Reichs⸗ maschinr, das ist Einfachheit und Klarheit. Darum muß ich mich gegen einen Weg aussprechen, der auf den ersten Blick manches für sich haben mag, der sich bei näherem Zusehen aber als staatsrechtlich gekünstelt herausstellt, und der für den Reichskanzler wie für den Staats⸗ sekretär des Auswärtigen Amts und den Chef der Kolonialverwaltung die Geschäfte in bobem Grade erschweren würde. Dem Staatssekretär des Autzwärtigen Amts wird, solange die Kolonialverwaltung in irgend einer

dog† d0e

Umfang und der gegenwärtigen Bedeutung der auswärtügen, wie der kolonialen Geschäfte eine Geschäftslast zugemutet, der auch ein arbeits kräftiger Mann mit guten Nerven nach meiner Ueberzeugung nicht mehr gewachsen ist. (Sehr richtig! rechts) Mein lang⸗ jähriger, treuer und ausgezeichneter Mitarbeiter, der ung leider zu früh entrissene Staatssekretär von Richthofen, dessen Arbeitsfreudigkeit und Geschäftskenntnis ja auch in diesem hohen Hause steis Anerkennung gefunden haben, ist unter der Bürde zusammengebrochen, welche die heutige Organisation auf seine Schultern gelegt hatte. Er hat wiederholt erklärt, daß er der doppelten Belastung nicht mehr gewachsen sei; er hat die kolonialen Geschäfte den Nagel zu seinem Sarge genannt. Herr von Richthofen war Kolonialdirektor gewesen, bevor er Unterstaatssekretär und Staatssekretär des Auswärtigen Amts wurde. Bei dem leb⸗ haften Interesse, welches er für unsere Kolonien bewahrt hatte, ist ihm die Erklärung dart angekommen, daß er die bei der heutigen Ordnung ihm voch bleibende Arbeit und Verantwortlichkeit in kolonialen Dingen nicht länger tragen könne. Da mußte ich mir doch sagen, daß eine Geschäftslast in kolonialen Angelegenheiten, welcher der Herr von Richthofen nicht mehr gewachsen war, von einem neuen Manne neben den auswärtigen Geschäften nicht wohl getragen werden köͤnne. (Sehr richtig! rechts.) Herr von Richthofen war wirklich der letzte, unter dem die heutige Organisation noch allenfalls funktionieren konnte. Sein ploͤtzlicher Tod hat die Zwangslage für uns noch zugespitzt.

Es liegt mir fern, meine Herren, Fragen der Organisation nach persönlichen Gesichtspunkten entscheiden zu wollen. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß seinerzeit die älteren Herren in diesem Hause werden sich ja daran noch erinnern die Ausscheidung des Reichsjustizamts und der Verwaltung der Reichseisenbahnen aus dem früheren Reichskanzleramt hier damit begründet wurde, daß nach dem Rücktritt des Staatsministers Delbrück vom Reichskanzleramt und dem damit verbundenen Verlust von Arbeitskraft und Geschäftskenntnisser die geplante organisatorische Veränderung sich nicht länger hinaus schieben lasse. Wir befinden uns heute hinsichtlich der Kolonial verwaltung genau in der gleichen Lage.

Wie sehr für die Kolonialverwaltung selbst die Ausgestaltung der Kolonialabteilung zu einer unabweisdaren Notwendigkeit geworden ist, das brauche ich nach den eingehenden Darlegungen, die hierüber in der Kommission gegeben worden sind, wohl vnicht in einzelnen auszuführen. Es ist dargelegt worden, daß die Kolonial abteilung des Auswärtigen Amts an Beamtenzahl wie an Geschäftsumfang nur hinter wenigen anderen Ressorts zurücksteht und daß sie verschiedene dieser Ressorts, in denen doch auch eine gan respektable Arbeit geleistet wird, z. B. das Reichsschatzamt und de Reichsjustizamt, in dieser Beziehung noch übertrifft.

Es ist also zweifellos, daß der Chef der Kolonialverwaltung in inneren Betriebe seiner Behörde dieselbe Entlastung braucht und a dieselbe Entlastung Anspruch hat wie die Vorstände der anderen Reichsämter. Dem Chef der Kolonialverwaltung muß die Möglichkeit gegeben werden, daß er sich den Ko. frei hält für die großen Aufgaben der Kolonialpoliti Diese Entlastung ist die Voraussetzung für die Führung eint rationellen Kolontalpolitik, sie ist auch die unerläßliche Voraussetzun füͤr die allgemein als notwendig anerkannten Reformen auf der ganzen Gebiete der Kolonialverwaltung.

Bei der ersten Lesung des Etats, im vergangenen Dezember, he der Herr Abg. Fritzen geäußert, er wünsche eine Reorganisativ unserer Kolonialverwaltung von unten, ausgehend von der Lokal verwaltung der einzelnen Schutzgebiete. Ich habe damals, wie ich glaube, ungefähr erwidert: wir wollen das eine tun und dat ander nicht lassen wir wollen eine Reform in memdris et in oapi Heute möchte ich hinzufügen: die Aussicht einer Reform an der Gliedern, die ich ebenso für notwendig halte wie der He Abg. Fritzen, ist nach meiner festen Ueberzeugung aussichtslos wenn nicht durch eine Reform am Haupte dafür gesorgt wird, de die Zentralinstanz ihren Aufgaben genügen kann. (Sehr richt rechts und bei den Nationalliberalen.) Meine Herren, von eint Erörterung der finanziellen Seite der Angelegenheit glaube ich dem Herrn Referenten abfrhen zu können. Die Mehrkosten Reichskolonialamts sind in der Tat so geringfügig, daß sie bei d Entscheidung einer Frage von dieser Bedeutung überhaupt nicht n sprechen können.

Auch das Bedenken, als ob durch die Trennung Kolonialverwaltung vom Auswärtigen Amt in einzelnen gelegenbeiten eine Erschwerung des Geschäftsgangs eintreten kön vermag ich als stichhaltig nicht anzuerkennen. Ich werde nach der Vorbild von Etnrichtungen, wie sir sich im Verkehr zwischen ander in ihrem Geschäf skreis sich nahe berührenden Ressorts bewährt halk alle Vorkehrungen treffen, die geeignet sind, einer solchen Erschwen des Geschäftsganges vorzubeugen. Ich möchte auch der Ansicht! gegentreten, als ob durch die Lostrennung der Koloönialverwaltung k Auswärtigen Amt die Einheitlichkeit unserer auswärtigen Polit irgendwie tangiert werden könnte. Die Einheitlichkeit unsen auswärtigen Politik ist wie die Pflicht, so auch die Sorge Reichskanzlers. Seien Sie versichert, daß weder ich noch irgend e meiner zukünftigen Nachfolger die Einheitlichkeit in der Leit unserer auswärtigen Politik durch die Errichtung eines Kolontala auch nur im mindesten beeinträchtigen lassen werden. (Bravo!)

Meine Herren, ich habe mich schon vor Jahr und Tag dagegen verwahrt, als ob ich den mehr formellen Fragen der DOrganisa⸗ eine üÜbertriebene Bedeutung beimessen könnte. Ich habe sagt, daß auch die beste Organisation nur wirksam ist nach dem G von dem sie getragen und geleitet wird. Ich habe hinzugefügt, daß eine veraltete und unzulängliche DOrganisa großen Schaden anzurichten vermag Eine solche veral und unzulängliche Organisation kann die besten Absichten lähr Sie kann alle Einsicht und Initiative in Fesseln schlagen; sie dahin führen, daß nützliche Kräfte sruchtlos verbraucht werden. diejenigen, die mit unserer heutigen Kolonialorganisation zu arbe haben, sind übereinstimmend der Ansicht, daß dieselbe veraltet, uns länglich und reformbedürftig ist. Wir alle hoffen, daß dieses 2 Haus der nach gewissenhaftester Prüfung für die Förderung der Nan⸗

geschäfte wie im Intereffe einer sachgemäßen Führung der auswärtme und der Kolonialgeschäfte als unabweisbar und unaufschiebbar erkan Reform seine Zustimmung nicht verweigern wird. 8

Und schlieflich, meine Herren, möchte ich noch einen Punkt bas

Umgestaltung des Koloniclamk beuntragt. In der Kommssion hat

ausgesprochen, daß die Loklösung des

man jedoch die Befürchtung

Form im Verbande des Ausmwärtigen Amts bleibt, bei dem heutigen

Es liegt mir fern, Entscheidungen dieses hohen Hauses oder ein

Stellung in der Kommission genommen,

praltionen irgendwelche pusönliche Motive unterzuschieben.

ttand geleistet würde. Demgegenüber erkläre in allen Stellen dieses hohen Hauses nur voraassetze. Um so mehr hoffe ich, daß die

Erdbaftes Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen. 4 Abg.

verstelung der Regierungsvorlage.

doe. Militär⸗ oder ““ (Bei der zunehmenden Unruhe des stark besetzten Hauses sind die weiteren Ausführungen des Redners nur teilweise verständlich.) Ja dieser Session haben rir 6 Wochen in der Budgetkommission über den Kolonialetat veraten und auch weit langsamer als gewöhnlich im Plenum. war der Verwaltung ein Gegner erstanden in dem Kollegen enberger, der eine sehr eingehende Monierung aller bierber gehörigen Fragen herbeiführte. Trotz mancher unterlaufenen lebertreibung muß doch anerkannt werden, daß manche Schäden auf⸗ gedeckt sind, und daß eine Reform nötig erscheint. Der Anfang einer olchen muß in der Selbständigkeit der Kolonialverwaltung erwirkt werden. Nur unter dieser 558ʃ,— wird es auch möglich sein, iinen besseren Stamm von Kolohialbeamten heranzuziehen. Die Be⸗ fürchtung, daß man mit dieser Neuordnung nur einer besonderen Kelenialarmee und einer noch stärkeren Flotte den Weg dahnen räürde, teilen wir nicht; das Kolontalamt wird in diesen allgemeinen volitischen Tendenzen keine besondere führende Rolle spielen. Der Ausweg der Bewilligung eines Unterstaatssekretärs ist doch bloß ein Umweg ind eine Verlegenheitsauskunft; der direkte Weg ist in der Vorlage gegehen, und ihn follten wir gehen. Die Möglichkeit von Reibungen wischen Auswärtigem und Kolontalamt bei Vornahme der Trennung vwird man nach den Ausführungen des Kanzlers auch nicht mehr zu be⸗ sorgen haben. Die Gefahr von Reibungen besteht vielmehr fort wenn Sie nur den Unterstaatssekretär bewilligen. Ich bitte, den Antrag auf Wiederberstellung der Vorlage anzunehmen. Abg. Bebel (Soz.): Auch wir erkennen die These des Kanzlers un, daß auch die Gegner der Kolonialpolitik das Interesse haben, daß die Verwaltung eine möglichst gute sei. Aber ich möchte doch darau hinwelsen, daß bis jetzt noch nie die Einführung eines neuen Amtes für einen Zweig der Reichsverwaltung eine so lebhafte Meinungs⸗ verschiedenbeit und Oppesition hervorgerufen hat. Das ist nicht tein zufällig, soadern muß seine tieferen Gründe haben. Es ist nicht wahr, daß hier ein Amt geschaffen wird, das, im Grunde genemmen, zu dem Reichskanzlerposten genau in demselben Ver⸗ bältnis steht, wie die übrigen Reichsämter. Das bestreite ich auf das allerentschiedenste. Das Kolonialamt ist ein ganz besonderes Amt, welches für die Einheitlichkeit der Reichsverwaltung eine Gefahr bedeutet. Wir haben schon an unseren Kolonieen genug, die Ausgaben dafür und die Kolonialverlegenbeiten wachsen ins Riesengroße. Ein Kolonialamt wird aber seiner Natur nach darauf ausgehen, sich unabdängig zu machen, und ich fürchte, daß eg damit an einer sehr entscheidenden Stelle im Reiche die ent⸗ schiedensse Unterstötzung finden wird. Ich sehe in dem Kolonialamt eine Konkurrenz für den Reichskanzler. Ich denke an das Wert „überall, wo wir in der Welt eine dafür passende Stelle seden, wollen wir einen Nagel einschlagen“; derartigen Aspirationen wollen wir keinen Vorschub leisten. Daß der Mangel eines Kolonialamtes schuld sein soll an den Mierfolgen unserer Kolonial⸗ oder gar unserer auswärtigen Politik, diese Auffassung überlasse ich nveidlos dem Kollegen Bassermann. Mit dem Kolonial⸗ ümt fritt eine Menge neuer Ausgaben an uns heran. In der Kommission hat ein Kolonialschwärmer in sehr charakteristischer Weise hervorgedoden, wie durch dieses Amt eine Reihe von Zielen sicher eneicht werden könnten, für die jetzt zunächst keine Aussicht vorhanden sei, und gerade diese Aeußerung hat bei der Kommissonkmehrbeit die Abneigung gegen das Projekt ver⸗ stärkt. Die großen Mängel und Schäden in unserer Kolonial⸗ verwaltung beruden keineswegs auf einem Mangel in der Drganisation. Wäre das so, so hätte Ihnen doch die Erleuchtung längst früder kommen müssen. Wenn die auswärtige Politik eine berfehlte wäre, würde keiner die Organisation des Reichskanzler⸗ omts für schuldig erklären, sondern es wäre dann die Person. Auch in der Kolonialverwaltung hat bis jetzt keiner der ihm übertragenen Aufgabe gerecht werden können, darin liegt der Fehler. Machen Sie jetzt einen Staatssekretät, und ist dieser nicht der richtige Mann, so nützt Ihnen die ganze Organisation gar nichts. Es wäre auch ehr wenn ein so wichtiger Verwaltungszweig, wie es 9 die Kolonicen geworden sind, auf zwei Augen Also den richtigen Mann an die richtige Stelle! Wir haben aber gesehen. daß die Leitung der Kolonialverwaltung in durchaus schwachen händen war, daß unfähige Männer an der Spitze standen. Wir erklären uns gegen das Kolonialamt nicht sowohl wegen der Kosten, als wegen der politischen Gefahr, die damit verbunden ist. Wir werden mit dem Kolonialamt sehr rasch zu einer Kolonialarmee und su einer größeren Auslandsflotte kommen, zu enormen Mehrausgaben, die zu den qualitativen und quantitativen Werten unserer Kolonieen in keinem Verhältnis stehen. Schon heute sind im Deutschen Reiche die Kulturaufgaben sehr vernachlässigt; hier aber sind Sie auf dem besten Wege, große schwere Ausgaben in unabsehbaren Summen auf lange Zeit zu bewilligen, die das deutsche Volk zu bezahlen haben wird. Abg. Dr. Spahn (Zentr) weist als Referent den Ausdruck des Abg. Bassermann, daß der Kommissionsbeschluß ein Verlegenheitsausweg sei, zurück diese Zurückweisung sei er der Kommission schuldig. Auch die amtliche Denkschrift behandle eingehend die gegen die Einrichtungen eines Staatssekietariats sprechenden Gründe. (Der Redner verliest den änschlägigen Abschnitt) Die Zahl der Eingänge könne nicht aus⸗ sͤlaggebend sein. 8 1 bg. von Richthofen⸗Damsdorf (d. kons., schwer verständlich): Der Verfasser der kschrift hält seine frühere Auffassung nicht mehr aufrecht. Der Behauptung der Presse, daß das Zentrum nur aus persönlichen Gründen gegen die Vorlage sei, möchte ich entgegen⸗ reten; ich fraue keiner Partei eine solche Haltung zu Wir haben uns, wie die Nationalliberalen, mit dem Antrag auf Wiederherstellung er Vorlage an das Haus gewen er. Nach unserer Ueberzeugung ist nur die Trennung der Ressorts des Kolonial⸗ und des Auswärtigen Amtes der Weg zur wirklichen Reform, Auch nach der Trennung der beiden wird der Reichstag keine Besorgnis zu hegen brauchen, daß in bezug auf die Finanzgebarung, die Kontrolle usw. etwas ver⸗ säumt wird. Wenn der Abg. Bebel gesagt hat, der rechte Mann müsse auf den rechten Platz, so wollen wir ja eben hiese Möglichkeit schaffen adurch, daß man auch den rechten Platz einrichtet. Im Interesse des Deutschen Reichs bitten wir, unseren Antrag anzunehmen. Abg. Dr. Müllker⸗Sagan (fr-. Volksp.): Wenn irgend etwas, waren es die Treibereien der sogenannten nationalen Presse, die gegen die Vorlage einnehmen mußten, auch wenn diese mit weniger ten Grünvben verteibigt worden wäte, Da wurde sogar mit einer Kanzlerkrise gedroht. Ich befürchte von einem Kolontalstaatssekretariat e einseitige Begünstigung kolonialer Interessen, wie eine Ver⸗ stärkung des persönlichen Regiments, die wir mit aller Entschieden⸗

e g gonig

allch wie die Behauptung, als ob wegen dieses Staatssekretarials üne Reichskanzlerkrisis gusgebrochen sei oder ausbrechen werde (Heiter⸗ veit), ist nach meiner Ueberzeugung auch die Behauptung, daß hier aus persönlichen Gründen einer an sich berechtigten Forderung Wider⸗ ich ausdrücklich, daß ich sachliche Beweggründe zweifellose Begründung und das Schwergewicht dieser sachlichen Gründe Sie zu einem zu⸗ üimmenden Votum führen möge, um welches ich wiederholt bitte.

Bassermann (nl.) begründet, bei der im Hause berrschenden Unruhe nur schwer verständlich, den Antrag auf W 55

1 rR. Den von dem Reichskanzler für die Notwendigkeit eines selbständigen Kolonialamts vorgetragenen Gründen für ein selbständiges Kolonia amt kann ich mich nur an⸗ shließen. In dem jetzigen Auswärtigen Amt sind sehr heterogene Arfgaben zusammengeschweißt. Die Verwaltung unserer Kolonieen st in der Hauptsache doch die Verwaltung der inneren Angelegenheiten urselben und ihre innere Ausgestaltung. Die Kolonialverwaltung sängt mit den auswärtigen Angelegenbeiten nicht mehr zusammen wie

stände.

an eine Aenderung gedacht sich nur darum, ob Kolonialamt 8 ist keine Prinzipien⸗, sond FST Staatssekretär stimmen.

7 hälten; so haltlos dieser Verdacht es, solche Einflüsse in dem Maße zurücktreten

mig für die Vorlage eintreten.

finden, sondern auch darum, in seine Hand die

gegenüber wird dadurch nichts geändert.

sicht auf die Per Leider hat die Presse die Personenfrage in den Vordergrund gestellt. Wir wünschen 1 Unberechti te Forderungen der Kolonialverwaltung zurückzuweisen, wird der Reichstag Manns genug sein. Wenn das Verantwortlich⸗ keitsgefühl der Kolonialverwaltung verstärkt werden soll, so muß es auch eine freie Beweglichkeit haben. Dr. Spahn (Zentr.) als Abgeordneter: Der jetzige Kolonialdirektor hat schon eine große Selbständigkeit. In allen Organisationsfragen hält er dem Reichskanzler Vortrag und unterzeichnet die von seiner Ab⸗ teilung ausgehenden Schriftstücke selbständig. Es ist also nicht nötig, ihm noch größere Befugnisse zu übertragen. Abg. Böckler (. Rfp.): Es sind in der Kolonialverwaltung so viele Mißgriffe und Ungebörigkeiten vorgekommen, daß man sich eigentlich fragen muß, wie man ihre Selbständigkeit noch erhöhen soll. Ich erinnere nur an die Bevorzugung einer großkapitalistischen Gesellschaft, wie die Firma Tippelskirch. Wir stimmen aber doch für die Vorlage, weil ein selbständiges Kolonialamt eher in der Lage sein wird, solchen Mißständen entgegenzutreten, und weil es eine größere Beweglichkeit haben wird, die der jetzigen Kolonial⸗ verwaltung fehlt. Damit schließt die Diskussion. Ueber den Antrag Bassermann auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage (Schaffung eines besonderen Reichskolonial⸗ amts unter einem Staatssekretär) wird namentlich ab⸗ gestimmt. Es werden im ganzen 198 Stimmzettel abgegeben, davon 114 für, 77 gegen den Antrag. 7 Abgeordnete enthalten sich der Abstimmung. Die Bänke des Zentrums sind nur sehr mäßig besetzt. Die Polen nehmen bis auf den Abg. Czarlinski an der Abstimmung nicht teil. Die Parteien der Rechten, die Nationalliberalen, die Wirtschaftliche Vereinigung und die Reformpartei sind stärker vertreten; dagegen zeigen auch die

sozialdemokratischen Reihen viele Lücken. Prösident Graf von Ballestrem: Der Reichstag ist mit einer Stimme beschlußunfähig. brechen.

Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Wieder⸗ Militäretat.)

Wir müssen unsere Beratung ab⸗

holung der Abstimmung uͤber das Kolonialamt; reußischer Landtag. Herrenhaus. 1 12. Sitzung vom 29. März 1906, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Die Mitgliedschaft des Grafen von der Schulenburg⸗ ist infolge der Veräußerung seines Gutes Klosterode erloschen.

Die vom Abgeordnetenhause zu erwartenden Gesetzentwürfe, betreffend das Verfahren bei den Wahlen zum Hause der Ab⸗ geordneten und Aenderungen der Wahlbezirke, werden auf Vorschlag des Präsidenten einer Kommission von 15 Mit⸗ gliedern überwiesen.

Sodann wird die Spezialberatung des Staatshaus⸗ haltsetats für das Rechnungsjahr 1906 bei dem Etat der Ansiedelungskommission fortgesetzt, über den als Berichterstatter der Kommission Herr von Graß referiert, der bemerkt, daß nach einer Verständigung in der Kommission die Denkschrift über die Ausführung des Ansiedelungsgesetzes im Jahre 1905 erst später außerhalb des Etats beraten werden soll. Der Etat wird bewilligt, ebenso ohne Debatte der Eta der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse. 1 Es folgt der Etat des Finanzministeriums. Berichterstatter Herr Becker⸗Cöln bemerkt, daß er sich über die gestrige Aeußerung des Finanzministers gewundert habe, daß der Staat für die Städte im Westen Aufwendungen gemacht habe. Diese Behauptung könne nur insofern richtig sein, als auf Grund des Dotationsgesetzes der Westen allerdings größere Beträge erhalten habe. Der Berichterstatter weist dann auf den erfreulichen Umstand hin, daß dieser Etat die Summe von 8 Millionen zur Verbesserung des Wohnungsgeldzuschusses der Unterbeamten enthalte.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Ich glaube, es ist zwischen dem Herin Oberbürgermeister Becker und mir keine Differenz in der Auffassung vorhanden. Ich habe gestern sagen wollen und glaube auch gesagt zu haben, daß auf mannig⸗ fachen kulturellen Gebieten, namentlich auf dem Gebiete des Eisen⸗ bahnbaues, im Dotationsgesetz der Westen früher besser weggekommen ist als der Osten, der Westen namentlich bei dem Dotationsgesetz insofern, als die Dotation bemessen wurde nicht etwa nach dem Maße des Bedürfnisses, sondern nach dem Maße der vorhandenen Staats⸗ chausseen. Es waren naturgemäß im Westen damals mehr Staats⸗ chausseen gebaut, infolge dessen hat der Westen auch eine erhöhte Rente bekommen, und es bekam beispielsweise die Provinz Hannover eine Rente, die vier⸗ oder fünffach so hoch war wie die für die Provinz Ostpreußen, und ebenso ist es, glaube ich, richtig, daß auch auf dem Gebiet des Eisenbahnbaues früher der Westen seiner gestiegenen wirtschaftlichen Entwicklung entsprechend in stärkerem Maße berücksichtigt worden ist als der Osten, und aus diesen beiden Momenten schließe ich, daß es vollkommen gerechtfertigt gewesen ist, daß sowohl bei dem späteren Dotationsgesetz der Osten begünstigt worden ist, als auch jetzt auf dem Gebiet des Bahnbaues dem Osten besondere Berücksichtigung zu teil wird. Es ist ja doch leider nicht zu leugnen, meine Herren, daß zwischen dem Westen und dem Osten eine steigende Differenz in der wirtschaft⸗ lichen Leistungsfähigkeit sich entwickelt (sehr richtig!), und so außer⸗

heit zurückwe sen müssen. Von diesem Standpunkt habe ich meine . Anberseits ist nicht .1S

[&Ie fon Frünbrunaen mr sh scglichten Erecnngen m den Nenen⸗

oder n vertreten werden soll. Zweckmäßigkeitsfrage, und einen selbständigen

Abg. Graf von Arnim (Rp.) ist ebenfalls bei der andauernden Unruhe des Hauses auf der Journalistentribüne sehr schwer zu ver⸗ stehen. Der Redner führt aus, es sei dann und wann angedeutet worden, daß sich unlautere Einflüsse an den Keolonialdirektor heran⸗ gewesen sei, so sicher sei che 1 86 je höher und unabhängiger die oberste Stelle der Kolonialverwaltung stehe.

Abg. Schrader ifrs. Vgg.): Meine Freunde werden einstim⸗ ö Stichhaltige Einwände gegen die orderung sind überhaupt nicht vorgebracht worden, nicht einmal vom bg. Bebel. Es handelt sich nicht nur darum, den rechten Mann zu

dern ar ; ten Mittel zu legen, um eine ersprießliche Verwalturg zu führen. Wir brauchen eine un⸗ abhängige Kolonialverwaltung, sonst können die Kolonien nicht ge⸗ deihen. An der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers den Kolonien

Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.): Wenn wir für die Vor⸗ lage stimmen, so geschieht es aus sachlichen Gründen, nicht mit Rück⸗ son des in Aussicht genommenen Staatssekretärs.

eine unadhängige, selbständige Kolonialverwaltung.

freue

und ich bin selber lange Zeuge dieser Entwicklung gewesen —, so sehr ist es zu bedauern, daß der Osten nicht in dem Maße an unserer ganzen wirtschaftlichen Entwicklung teilnimmt wie der Westen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für die Staatsregierung, in der Tat dem Osten auch ein besonderes Maß von Fürsorge zu teil verden zu lassen.

Was dann speziell den von dem Herrn Oberbürgermeister an⸗ geregten Punkt anbetrifft, daß Beamte des Oberpräsidums, der Regierung usw. auf dem Etat des Finanzministeriums stehen, nicht auf dem Etat des Ministeriums des Innern, so irrt der Herr Ober⸗ bürgermeister darin, wenn er annimmt, daß das nur Beamte des Minister iums des Innern mwären. Beide Minister, der Finanzminister und der Minister des Innern, sind Ressortminister für diese Beamten, nicht bloß der Finanzminister allein. Vor allem aber sind ja bei den Regierungen auch nicht bloß die Beamten beschäftigt, die in erster Linie in zweiter Linie auch dem Finanzminister dem Minister des Innern unterstehen, sondern eine große Reihe von anderen Beamten. Dieselben Rechte, die der Minister des Innern auf manche Beamte hat, hat der Arbeitsminister bei den technischen Beamten, hat der Landwirtschaftsminifler bei den Beamten der Domänen⸗ und Forstverwaltung. Kurzum, es sind dort alle Beamten vereinigt, die in erster Linie verschiedenen anderen Ministerien unterstehen. Das Finanzministerium ist an sich eine gewisse Zentralstelle, auf der alle diese Beamten vereinigt sind, und deswegen ist es auch, glaube ich, richtig, die Beamten da zu lassen.

Ich darf vor allem noch auf eins hinweisen, was ich ja auch in der Kommission gesagt habe: daß die höheren Beamten ja gar nicht von den mittleren Beamten getrennt werden können und daß bei den mittleren Beamten wiederum die Verbindung zwischen den Beamten der Kassenverwaltung und den eigentlichen Bureaubeamten eine sehr innige ist. Es wird zeitweise ein Beamter bei der Kassenverwaltung beschäftigt, nachher wieder bei der allgemeinen Verwaltung. Aus diesem Grunde auch müssen die Beamten beim Etat des Finanz⸗ ministeriums stehen bleiben, um sie bald hier, bald dort verwenden zu können. Das Finanzministerium ist, wie ich sagte, eine Art Zentralstelle für sämtliche Verwaltungen, und deswegen, glaube ich, stehen die Beamten des Oberpräsidiums und der Regierung auch richtig beim Etat des Finanzministeriums.

Oberbürgermeister Dr. Wilms ⸗Posen: Es ist zuzugeben, daß der Westen hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Leistungen den Osten überwiegt. Aber dafür ist der Osten die unerschöpfliche Menschen quelle für die Betriebe des Westens; ohne diese Quelle würde die Industrie des Westens nicht in dem Maße blühen. Schon gestern wurde darauf hingewiesen, wie die Gemeinden des Ostens durch Schul⸗ und Armenlasten in Anspruch genommen werden. 1893 ging man beim Kommunalabgabengesetz davon aus, daß das Normale an Kommunalsteuern 100 % Züschlage zur Einkommensteuer sein würden. Die Schul⸗ und Armenlasten im Osten übersteigen aber fast überall schon allein diese Summe. Der Osten würde sehr dankbar sein, wenn an den 100 % Zuschlag festgehalten würde, und der Staat die Differenz für Schul⸗ und Armenlasten übernähme. Jeder Wohl⸗ habende rechnet sich aus, daß er in Berlin und dessen Vororten nur 100 % Zuschlag zu zahlen hat, in den kleinen Gemeinden dagegen bis zu 200 % und mehr; es gehört also ein außerordentlicher Lokalpatriotismus dazu, in einem kleinen Ort des Ostens aus⸗ zuhalten. Oberbürgermeister Becker⸗Cöln: Der Vorredner hat gegen Windmühlen gekämpft. Ich will dem Osten ja durchaus helfen. Gegenüber dem Herrn Minister muß ich daran festhalten, daß der Westen seine Eisenbahnen früher selbst gebaut hat, die erst später vom Staate übernommen worden sind.

Der Etat des Finanzministeriums wird bewilligt.

Beim Etat der direkten Steuern berechnet Graf von Mirbach, was im Osten an direkten Steuern für den Staat und die Gemeinden und an Unfallversickerungslasten, Natural⸗ leistungen für Wegebau usw. zu tragen sei. Es komme heraus, daß ein Grundbesitzer etwa 46 % seines Einkommens als direkte Steuern zu zahlen habe. Rechne er für die Ergänzungssteuer nicht 3 %, wozu ihm der Finanzminister gestern die Berechtigung be⸗ stritten habe, sondern nur %, so kämen immer noch etwa 45 % heraus. Es sei dabei unbegreiflich, daß die preußische Re⸗ güruns ihre Zustimmung zu einer Reichseinkommensteuer gegeben habe. Widerspruch) ich meine die Reichserbschaftssteuer diese sei noch schlimmer als eine Reichseinkommensteuer. In Rußland seien die finanziellen Belastungen des Grundbesitzes viel geringer. Würde bei uns, fährt der Redner fort, eine Revolution ausbrechen, und hätten wir ausreißen müssen, so hätten wir nicht den zehnten Teil des baren Geldes mitnehmen können, das die Kurländer in Sicherheit bringen konnten, die viel reicher sind als wir. Es geht mit der finanziellen Belastung unseres Grund⸗ besitzes nicht mehr so weiter. Die staatliche Fürsorge für den Osten ist so, daß wir eigentlich darunter zusammenbrechen. Die Ueber. weisung der Realsteuern an die Gemeinden ist durchaus kein Segen gewesen. Es fiel dafür der Ertrag aus den Zöllen nach der lex Huene fort, und es kam die Erhöhung der Einkommensteuer und die Einführung der Ergänzungssteuer hinzu. Der Staat hat dagegen in⸗ folge der Steuerreform eine Mehreinnahme von 63 Millionen Mark im Jahre 1896/97 gehabt. Den Vorteil der Steuerreform hat also der Staat gehabt, den Nachteil haben wir gehabt. Die ländlichen Gemeinden im Osten haben, nach den Angaben des Finanzministers, durch Abwanderung in zehn Jahren einen Verlust von ¼ Million Menschen gehabt; wenn man die Kosten der Erziehung eines Menschen bis zur Erwerbsfähigkeit auf 3000 rechnet, so bedeutet das eine Abgabe an den Staat von ¾ Milliarden Mark. Der Finanzminister bat im Reichstag die geringen Einkommen des kleinen ländlichen Grundbesitzes im Osten geschildert, ich bitte ihn, nur die nötigen Kon⸗ sequenzen daraus zu ziehen. Auch die letzte Dotation ist für Ost⸗ preußen durchaus insuffizient gewesen.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Herr Graf Mirbach sagte, daß man im Osten unter der Fürsorge des preußischen Staats zusammenbreche, und derselbe verehrte Herr Redner ist derjenige, der bei jeder Gelegenheit die Fürsorge des preußischen Staats nach Möglichkeit ausdehnen will.

Wenn Herr Graf Mirbach sagt, daß die Verhältnisse in Ruß⸗ land in der Beziehung besser wären, da man dort unter der Fürsorge des Staats nicht zusammenbreche, so glaube ich, wird er wohl allein stehen in der Beurteilung, daß die russischen Verhältnisse und auch die baltischen Zustände besser wären als bei uns. Ich glaube, wenn der Herr Aussicht hätte, einen Tausch zu machen zwischen Rußlands baltischen Provinzen gegen uns, so würde er sich sehr bald nach den Fleischtöpfen Aegyptens oder Ostpreußens zurücksehnen. (Heiterkeit) Dann hat Herr Graf Mirbach wiederholentlich be⸗ hauptet, daß Ostpreußen durch die Steuerreform schlechter gestellt wäre. Meine Herren, durch die Wiederholung einer Behauptung wird sie nicht richtiger. Es ist richtig, daß infolge der Reform der Einkommensteuer mehr Steuer bezahlt wird, als Exzellenz Miquel damals angenommen hat, aber das Mehr wird doch nicht im Osten, sondern im wesentlichen vom Westen gezahlt. Ich habe das ganz un⸗

ordentlich ich mich über die aufsteigende Entwicklung im Westen

anfechtbare Material, daß gegenwärtig trotz der gestiegenen wirtschaft⸗