1906 / 81 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Apr 1906 18:00:01 GMT) scan diff

und über die Bedürftigkeit genaue Ermittelungen anzustellen, V und ich bitte das hohe Haus, überzeugt zu sein, daß, wenn es sich in V der Ortschaft Mühlheim um einen Notstand handeln sollte, welcher

die Existenzfähigkeit der einzelnen Bewohner bedroht, die Königliche Staatsregierung bereit sein wird, unter Berücksichtigung derselben Grundsätze, die in ähnlichen Fällen angewendet worden sind, der Ort⸗

Mühlheim zu Hilfe zu kommen. (Bravo!) 1 1- Müller⸗Koblenz (Zentr.): Nach der Erklärung des Ministers scheint uns eine Besprechung der Interpellation zwecklos. Wir behalten uns vor, auf die Sache zurückzukommen, nachdem die Staatsregierung ihre Zusage erfüllt hat.

Damit ist dieser Gegenstand erledigt. 8

Es folgt die dritte Beratung A. des Gesetzentwurfs, betreffend die Vermehrung der Mitglieder des Hauses der Abgeordneten und Aenderungen der Landtags⸗ wahlbezirke und Wahlorte, und B. des Gesetzentwurfs, betreffked Abänderung der Vorschriften über das Verfahren bei den Wahlen zum Hause der Ab⸗

dneten. B .“ Generaldiskussion über den Gesetzentwurf A be⸗

merkt Abg. Dr. Wiemer (frs. Volksp.): Ich will zu den gestrigen Debatten nur gg eine kleine Nachlese halten. Nach unserer Ueberzeugung muß die Wahrnehmung eigener Interessen, die auch wir mit dem Minister als berechtigt ansehen, immer im Einklang mit der Rücksicht auf das Staatsganze, auf das Gemeinwohl erfolgen; und was wir bedauern, ist eben die Einseitigkeit, die Rechcchectaf gie⸗ mit der diese Interessen wahrgenommen werden. Auch der 2 inister meinte gestern, der einzelne Abgeordnete vergesse oft daß er ein Ver⸗ kreter des Ganzen sein solle; nach unserer Meinung trifft dieser Vorwurf noch viel mehr die einzelnen Parteiströmungen. Ich brauche ja nur an die agrarische Agitation zu erinnern, die sogar einmal einen Minister zu dem Ausspruch zwang, daß der Landwirt doch nicht allein auf der Welt sei. Nicht minder einseitig und rück⸗ sichtslos ist die Agitation der Sozialdemokratie, die nur die Arbeiterklassen als berechtigt ansieht und dem Unternehmer die Be⸗ rechtigung abspricht. In dieses Kapitel gehört auch die zünftlerische Bewegung; einzelne Handwerksmeisterkreise verschließen sich in kurz⸗ sichtiger Interessenpolitik gegen die Anforderungen des Ganzen. Wir haben unsere Stellung gegenüber dem Handwerk nicht geändert. Wir meinen aber, wahrgenommen zu haben, daß auf der rechten Seite eine Aenderung der Stellung zu den Handwerkerfragen eingetreten ist. Wo ist die Begeisterung für den absoluten Be⸗ fähigungsnachweis, jenes Paradestück der konservativ⸗zünfllerischen Agitation, geblieben? Als Hauptargument gegen unsere Auf⸗ fassung über die Notwendigkeit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts hat der Minister angeführt, daß das ein über⸗ und überwundenes sei, daß man heute anderen eben müsse. Sae, hee vürn 8 62 . as allgemeine Wahlrecht war einst eine Forderung 2 6 s. Mit - Recht könnte ich ee 8 iklassenwahlrecht ist etwas Ueberkommenes aus einer wei liegenden Zeit. Der Mann, der den Hauptanteil an der Gründung des Reiches hat, Fürst Bismarck, hat noch nach seinem Sturz das Prinzip des allgemeinen Wahlrechts für ein berechtigtes erklärt; diese Aeußerung sollte doch für diejenigen auch Bedeutung haben, die sonst so gern auf des Meisters Worte schwören. Der Minister vergißt, daß die Verwirklichung des allgemeinen Wahlrechts immer weitere Fort⸗ schritte macht auch in Deutschland, daß in Baden, Bayern, Württem⸗ berg solche Reformen durchgeführt sind, in Oldenburg geplant werden. Geht man nicht in Oesterreich jetzt mit der Einführung desselben vor? Für uns ist die Forderung unserer Resolution nicht ein Schlagwort, sondern der Ausdruck einer grundsätzlichen Ueber⸗ zeugung, niedergelegt in unserem Programm von 1894. In einem modernen Staatswesen müfsen alle Bürger gleiches Recht haben, an der Entwicklung des Staatswesens mitzuwirken. Gewiß ist das all⸗ gemeine Wahlrecht unserer politischen Richtung heute nicht allzu günstig; aber Fragen des Rechts und der politischen Ueberzeugung können nicht nach wahltaktischen Rücksichten entschieden werden. Auf alle Falle ist es besser und schöner als das Dreiklassenwahl⸗ recht mit seinem Geldbeutelmaßstab. Auch das bescheidenste Gemüt kann die jetzige Vorlage nicht als ein neues Ideal ansehen; aus der Rede des Herrn Adickes kann wirklich nicht das mindeste zu Gunsten dieser Vorlage gefolgert werden, so interessant sie ist. Will der Minister das Beispiel Englands auf dem Gebiete der Rechts⸗ pflege als Vorbild hinstellen, so muß er es auch tun auf dem Gebiete des Wahlrechts; wir würden dann schon zufrieden sein, wenn man bei uns so vorgehen wollte wie England in seiner Parlamentsreform gegen die rotten boroughs, die in vielem unseren beutigen, untauglich gewordenen Wahltkreisen entsprechen. Das Flick⸗ und Stückwerk der Vorlage bringt keine Besserung. Herr Irmer hat uns mit einer gewissen Ueberlegenheit abgekanzelt, weil wir gerade jetzt die Wahlrechtsänderung au die Tagesordnung gesetzt hätten; Herr Irmer wolle sich sagen lassen, daß im Lande eine sehr lebhafte Anteilnahme daran besteht, die in diesem Hause eben kraft des geltenden Wahlsystems ein nur höchst geringes Echo findet. Die geringe SEE“ läßt das Urteil erkennen, welches die große Menge der Bevölkerung über das Wahlsystem fällt. Der konservative Standpunkt ist der, daß man dem demo⸗ kratischen Reichstage noch ein demokratisches preußisches Parlament an die Seite zu setzen keine Lust und keine Ursache habe. Aber hat man denn nicht in Preußen noch das errenhaus, um über⸗ stürzte Reformen aufzuhalten und zu mäßigen? ir sind keine Freunde des Herrenhauses, aber ein Gegengewicht im Sinne der Rechten gegen ein zu volkstümliches Abgeordnetenhaus würde es immerhin darstellen. Die Mehrheit des Hauses ist dem allgemeinen Wahlrecht abgeneigt: auch das Zentrum hat nur zum Teil für unsere Resolution gestimmt, während es, wenn es das allgemeine Wahlrecht ernstlich wollte, die Initiative auf diesem Gebiete ergreifen müßte. Herr Windthorst hat sich allerdings einmal für die öffentliche Wahl aus⸗ gesprochen; aber er hat auch ausgesprochen, daß unter den herrschenden Verhältnissen es nicht möglich sei, die öffentliche Wahl einzuführen; er dachte dabei an die berüchtigten Putt⸗ kamerschen Wahlbeeinflussungen. Daß die öffentliche Stimmabgabe den Charakter stählt, die heimliche ihn schwäche, ist sehr schön gesagt, aber ist den tatsächlichen Verhältnissen gegenüber nichts als eine inhaltlose Phrase. Auch die Neueinteilung der Wahlkreise lehnt das Zentrum ab. Der Abg. Porsch will sich darauf nur einlassen, wenn zwingende Gründe en sind. a, sind denn solche nicht vor⸗ handen? Hat sich nicht die ganze Bevölkerung in Preußen, auch gesehen von der Vermehrung, vollständig ver schoben? Hat nicht In⸗ dustrie, Handel und Wandel eine vollständige Umwälzung hervor⸗ gebracht? Daß die jetzige Zusammensetzung des Hauses ein Unrecht ist egenüber der wirtlchen Stimmung des Volkes, ergibt sich aus den jatistischen Wahlzahlen mit verblüffender Deutlichkeit. Was sollen wir angesichts dieser Leen 1 den paar neuen Mandaten, die die e dem Landtage hinwi g 4 Dr. P vrsch (Zentr.): Das Haus hat keine Neigung mehr,

e, direkte lrecht werde niemals in irgend einem deutschen arlament eine faflrrcht Ketsc⸗ Mehrheit möglich machen. In der eneralversammlung des Vereins für Arbeiterwohlfahrt in F2. der katholische Professor Adolf Weber⸗Bonn für die politische Gleich⸗ berechtigung der Arbeiter eingetreten, um die moderne Arbeiter⸗ bewegung in die bestehende gesellschaftliche Ordnung einordnen 2 können. Herr Gamp habe gesagt, das Wohl des Volkes sei das höchste Gesetz; wer aber das Wohl des Volkes wolle, der müsse auch seinen Wünschen Rechnung tragen. Herr Gamp treibe nur Spott mit diesem Satze. Damit schließt die Generaldiskussion. ““ In der Spezialdiskussion werden die §§ 1 und e

ne Debatte angenommen. 1j Seeens e das Verzeichnis der Veränderungen in

u § 3 r 8 1 iedener Wahlkreise enthält, begründet 8 Abg. hee A 8 den Wahlkreis Flatow⸗ Dt.⸗Krone den bisherigen Wahlort Jastrow beizubehalten und den Vorschlag von Schneidemühl in der Regierungsvorlage abzulehnen. Er beruft sich auf Telegramme des Magistrats von Jastrow, worin dieser auf drei vorhandene Lokale für die Wahlmännewersammlungfn hinweist und sich auch bereit erklärt, eine neue zu bauen, welche diese Versammlungen aufnehmen könne, und 1 ferner darauf, daß nach einer Verfügung des Evangelischen r⸗ kirchenrats die Kirchen nicht mehr zur Verfügung gestellt werden sollten. Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollweg: Meine Herren! Ich muß Sie dringend bitten, den Antrag Gamp abzulehnen. Mit Bezug auf die letzte Ausführung des Herrn Abg. Gamp über das Vorgehen des Evangelischen Oberkirchenrats glaube ich, daß er nicht ganz zutreffend informiert ist. Der Evangelische Oberkirchenrat hat keine Verfügung dahin erlassen, daß die Kirche in Jastrow zu Wahlzwecken nicht zur Verfügung gestellt werde. Aber mit Rücksicht auf die Vorkommisse im Jahre 1903 hat der Evangelische Oberkirchenrat, und, wie ich glaube, mit zutreffendem Recht den Minister des Innern gebeten, für die Zukunft Vorkehrung zu treffen, daß in keiner Kirche mehr Wahlen stattfinden. (Sehr richtig! rechts.) So ist auch bezüglich Jastrows verfahren, und dem⸗ gegenüber ist die Depesche des Magistrats von Jastrow, daß er die Kirche nicht abgelehnt habe, meiner Ansicht nach bedeutungslos. Sehr richtig! rechts.) telegraphische Mitteilung des Magistrats von Jastrow, welche dahin geht, es seien einmal drei Lokale vorhanden, und zweitens sei die Gemeinde eventuell bereit, eine Turnhalle zu bauen, scheint mir auch nicht verwertbar zu sein für die Se Frage. Die drei Lokale, die angegeben worden sind, haben einen so geringen Flächenraum, daß sie für die Aufnahme von 480 bis 500 Wahl⸗ männern überhaupt nicht in Betracht kommen können. Nun soll ich darauf angewiesen werden, daß die Stadt Jastrow eventuell eine Turnhalle bauen will, welche groß genug ist, um diese Wahlmänner⸗ ahl aufzunehmen. 8 Meine Herren, die Stadt Jastrow ist ein ganz kleiner, durchaus nicht mit Glücksgütern gesegneter Ort. Daß die Stadt eine Turn⸗ halle bauen soll für die Aufnahme von so zahlreichen Wahlmännern, kann ich ihr nicht zumuten, eine Turnhalle von Dimensionen, die dem eigentlichen turnerischen Zweck nicht mehr angepaßt sind. Was würde das Endergebnis sein? Die Stadt würde sich an den Oberpräsidenten wenden, um aus dem ihm zur Verfügung stehenden Fonds eine Bei⸗ hilfe für eine Turnhalle zu bekommen. (Heiterkeit.) Ja, meine Herren, so ist die Sachlage doch nicht angetan. Es ist im übrigen in der Kommission ausgeführt worden, daß die gegen⸗ wärtigen Verkehrsverhältnisse⸗ Schneidemühl als einen absolut ge⸗ eigneten Ort erkennen lassen für die Vornahme der Wahl. Die ganze Frage ist sehr eingehend geprüft worden, eingehender als der Herr Abg. Gamp nach den Mitteilungen, die mein Referent ihm vorhin gemacht hat, anzunehmen scheint. Ich bitte Sie daher, es bei Schneidemühl zu belassen. Wenn es ein Ausnahmefall ist, daß der Wahlort nicht im Wahlkreise gelegen ist, so kann das bei den außer⸗ gewöhnlichen Verhältnissen, die hier vorliegen, nicht entscheidend in etracht kommen. 8 81 bitte wiederholt um Ablehnung des Antrages Gamp. (Bravo!) Der Antrag Gamp wird abgelehnt, § 2 und der Rest des Gesetzes sowie das Geseß im ganzen unverändert ange⸗ nommen. Ebenso wird der Entwurf B ohne Debatte in seinen einzelnen Teilen und bei der Gesamtabstimmung im ganzen

angeg fident p on Kröcher macht darauf aufmerksam, daß über die Vorlage, weil sie Verfassungsänderungen enthalte, nach einem Zeit⸗ raum von 21 Tagen noch einmal abgestimmt werden müsse.

Darauf folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend den Erwerb des Kalisal bergwerks der Ge⸗ werkschaft Hercynia durch den Staat, wofür 30 950 000 verausgabt werden sollen.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Der in Ihren Händen befindliche Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Erwerb des Kalisalzbergwerks der Gewerk⸗ schaft Hercynia durch den Staat, ist mit einer eingehenden Begründung versehen. Ich glaube, mich in der Hauptsache auf die Begründung beziehen zu können und in ihrer Ergänzung nur folgendes anführen

Aufnahme in führte, daß

Werke geführt, deren und dahin

neuer unvermeidlich wurde

zur Gründung das Syndikat

Produktionsziffer der einzelnen Werke dauernd eine verhältnismäßige Einschränkung erfahren mußte, die selbstverständlich ihre Rentabilität, wenn nicht aufhob, so doch zurückstellte im Vergleich zu den Er⸗ gebnissen, die den Werken vergönnt gewesen sein würden, wenn sie in der Lage gewesen wären, ihre Betriebsmittel voll auszunutzen. Der Fiskus, der von jeher eine führende Stellung im Syndikate und der Kaliindustrie gehabt hat, hat es stets für seine vornehmste Aufgabe gehalten, das Syndikat zu erhalten und seinen Bestand zu sichern, weil er der Meinung war, daß er nicht nur die Interessen seiner eigenen Betriebe, sondern auch die allgemeinen Interessen der übrigen Werke und vor allem die Interessen der heimischen Landwirtschaft am wirksamsten und sichersten durch das Syndikat fördern und schützen konnte. Aber der Einfluß des Fiskus ist unter dem Eindruck der oben geschilderten Verhältnisse zurückgegangen. Während er in die Kali⸗ verkaufskonvention von 1879 mit einer Beteiligungsziffer von über 27 % eingetreten ist, ist seine Beteiligungsziffer im Syndikat z. Zt. auf 6,6 % herabgegangen. Man hat sich von seiten der Königlichen Staatsregierung den Bedenken nicht verschlossen, die sich aus diesem starken Rückgang der Beteiligungsziffer des Staats mit Rücksicht auf die von ihm zu ver⸗ tretenden öffentlichen Interessen ergaben. Man hat aber, nachdem das Kalisyndikat vor etwa Jahresfrist glücklich wieder zu stande gekommen war, nachdem die Vorbereitungen für die Abteufung neuer Schächte getroffen, ein neues Werk in Betrieb genommen war, nachdem endlich die Frage der Verstaatlichung des Kalibergbaues aufs neue in Frage gekommen, erst geglaubt, zunächst der Entwicklung der Dinge mit einiger Ruhe entgegensehen zu können. Als ich aber vor etwa sechs Monaten mein jetziges Amt übernahm, traten neue Ereignisse ein, die den Bestand des Syndikats erheblich bedrohten, und ich mußte mir die Frage voellegen, ob der Staat gerüstet wäre, den Stürmen entgegenzutreten, die zu erwarten waren, und diese Frage mußte ich nach Lage der Verhältnisse verneinen. Will der Fiskus das Syndikat zusammenhalten, will er eine gesunde Entwicklung des Syndikats auch für die Zukunft ge⸗ währleisten, so muß er über ein gewisses Maß von Macht verfügen, und diese Macht kann er nur behalten und gewinnen durch eine ange⸗ messene Beteiligung an der Produktion, und diese Beteiligung war zweifellos im vorigen Herbst nicht mehr vorhanden. Rechnet der Fiskus mit der Möglichkeit, die abzuwenden ich bis heute unablassig bestrebst gewesen bin, daß das Syndikat auseinander fällt, dann muß er ebenso bestrebt sein, über einen Einfluß zu gebieten, der ihm die Möglichkeit gibt, zu einem neuen Syndikat unter Bedingungen zu kommen, die den von ihm zu vertretenden öffentlichen Interessen ent⸗ sprechen. Beides drängte also dam, die Produktionsziffer des Fiskus zu erhöhen, sei es zur Stärkung seiner Position im Svndikat für dessen Erhaltung, sei es zur Stärkung seiner Position für die Bil⸗ dung eines neuen Syndikats für den Fall von dessen Zusammenbruch, und endlich mußte er darauf Bedacht nehmen, unter allen Umständen schon jetzt zu beginnen, den Besitz seiner Kalifelder und seine Kaliproduktion so zu erhöhen, daß die heimische Landwirtschaft zur Not von der privaten Kaliproduktion unabhängig gemacht werden kann. Nun waren für die Verstärkung der Produktionsziffer des Fiskus zwei Wege gangbar. Er konnte auf den ihm verliehenen Kalifeldern neue Schächte abteufen, oder er konnte ein bereits im Betrieb befind⸗ liches Werk erwerben. Gegen den ersteren Weg sprachen zwei durch⸗ schlagende Gründe: Einmal hatte der Staat das Interesse, so rasch wie irgend möglich im Syndikat seinen Einfluß zu stärken. Das war nicht möglich, wenn er jetzt daran ging, neue Schächte abzuteufen, deren Produktion erst in geraumer Zeit auf den Markt kommen und seinen Einfluß stärken konnte. Gegen das Abteufen neuer Schächte sprach aber auch der Umstand, daß der Fiskus auf diese Weise die an sich schon lästige Ueberproduktion an Kali vermehrt, daß er die Zahl der Outsider, die den Bestand des Syndikats gefährden, vermehrt haben würde. Das war, sowie die Dinge zur Zeit lagen, unter allen Um⸗ änden zu vermeiden. 8 88 man aber zur Zeit auf das Abteufen neuer Schächte ver⸗ zichten, so blieb nur der zweite Weg des Erwerbes eines geeigneten Werkes übrig. Bei der Auswahl dieses Werkes war in erster Linie darauf Bedacht zu nehmen, daß es ein im Syndikat stehendes Werk war; denn nur ein solches konnte den oben von mir erörterten Zweck voll erfüllen. Es war zweitens darauf Bedacht zu nehmen, daß es ein geeignetes, in seinen Produkten und in seiner Produktionsfähigkeit für die Zwecke des Fiskus passendes Werk war. 1

Diese Erwägungen haben dazu geführt, im vorigen Herbst Ver⸗ handlungen anzubahnen, die zu den Ihnen bekannten Verträgen mit der Gewerkschaft Hercynia geführt haben.

Nun, meine Herren, ist eine weitere Frage, die mir im Laufe der letzten Monate wiederholt vorgelegt ist: hätte der Fiskus seinen Zweck nicht billiger erreichen können? hätte er nicht auch den Besitz dieser Gewerkschaft zu einem billigeren Preise erwerben können, wenn er zu

zu sollen. S Meine Herren, lange Zeit hindurch sind die Kalisalze lediglich ein wertloses und lästiges Nebenprodukt des Steinsalzbergbaues gewesen. Nachdem man aber in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts den Wert der Kalisalze für die Landwirtschaft und die Industrie er⸗ kannt hatte, hat sich schnell der Kalibergbau und die Kaliindustrie ent⸗ wickelt, und das Kali ist allmählich ein unentbehrliches Betriebsmittel nicht nur unserer heimischen, sondern auch der ausländischen Land⸗ wirtschaft geworden; auch die transatlantische Landwirtschaft kann seiner nicht mehr entbehren.

Diese günstige Entwicklung hat aber früh dazu geführt, daß die Produktion die Aufnahmefähigkeit des Marktes über⸗ stieg. Schon im Jahre 1879 ergab sich die Notwendigkeit des Abschlusses einer Kaliverkaufskonvention, die sich in verschie⸗

ebatte zu hören. Ich habe gestern den Antrag Windthorst ene dii bebandelt Ich habe auch zitiert, was Windehorft auf die Rede des Abg. Virchow gesagt hat. Es gebt doch nicht, daß das Haus zwei Tage hintereinander dasselbe sag Wiemer meint, das Zentrum mit seinem Einfluß könnte eine Abänderung der Wahl⸗ bezirke erreichen. Er sollte doch wissen, daß das Hee vergeblich die Aufhebung einer Reihe von Kirchengesetzen erstrebt hat. Es ist dem sogenannten ausschlaggebenden Einfluß des Zentrums noch nicht einmal gelungen, das Jesuitengesetz zu beseitigen.

Abg. Goldschmidt Lr 1 mene c 8*

ehr man sie vom politischen Einfluß ausschließe,

werden würden. an könne se, cerm serallsche

denen Formen erhalten und fortentwickelt hat und heute noch als Kalisyndikat besteht. Dieses Syndikat hat unter besonders günstigen Verhältnissen gearbeitet; denn die Monopolstellung Deutschlands und der Bedarf des Auslandes an Kali, der aus anderen Ländern und Quellen nicht gedeckt werden konnte, hat es dem Syndikat ermöglicht, dem inländischen Verbraucher, besonders der inländischen Landwirtschaft, verhältnismäßig günstige Preise zu erstellen und den Ausgleich hierfür in erheblich höheren Auslandspreisen zu suchen.

Aber gerade diese günstigen Verhältnisse haben auch dem Syndikate dauernd Gefahren und mancherlei Erschütterungen

einem anderen Zeitpunkt gekauft hätte?

Meine Herren, was die Preisfrage anbetrifft, so müssen wir uns eins gegenwärtig halten: der Fiskus kauft nicht als Kaufmann, der bei der Sache viel verdienen will, sondern er kauft aus Gründen des öffentlichen Wohls und des öffentlichen Interesses. Er kann sich also den Zeitpunkt für seinen Kauf nicht lediglich nach dem Gesichtspunkte des Preises aussuchen, sondern er muß ihn aussuchen mit Rück⸗ sicht auf die sonstige Lage der Dinge. Selbst wenn ich aber erwogen hätte, daß ich unter Umständen für den Fall eines Niedergangs der

damit beginnen mußte, das Syndikat zu Bruche gehen zu lassen.

sich aber; denn es kann meines Erachtens nicht die Sache des Staats sein, zur Erreichung seiner Zwecke eine Einrichtung wie das Syndikat zu Bruche zu treiben und damit eine ganze Reihe schwächerer, jüngerer, wenig leistungsfähiger Werke an den Rand des Abgrunds zu bringen und auf diese Weise dazu mitzuhelfen, daß ein Teil des in diesen Werken investierten Vermögens verloren geht. Das kann ein einzelner Geschäftsmann versuchen. Der Fiskus soll von einem

Mrbeiter für die bürgerlichen Parteien zurückgewinnen, wenn man 1n eine politische Vertretung gewähre. Auch das allgemeine,

gebracht. Die günstigen Ergebnisse des Syndikats haben dauernd

solchen Unternehmen die Hände fortlassen. Is(Calluß in der Zweiten Beilag.) 3

trotz einer steigenden Aufnahmefähigkeit des Marktes doch die

wollte.

Kaliindustrie, für den Fall des Auseinanderfallens des Syndikats, 8 vielleicht in der Lage gewesen wäre, billiger zu kaufen, so muß ich 1 mir sagen, daß, wenn ich dieses Ziel konsequent verfolgen wollte,

Nur dann würde ich in der Lage gewefen sein, in absehbarer Zeit das Ziel eines billigen Kaufes vielleicht zu erreichen. Dieser Weg verbot

zum Deutschen Reichsanzei

Daraus ergab sich also, daß gekauft werden mußte zu Be⸗ dingungen, wie sie die Verhältnisse des vorigen Herbstes, der Monate November und Dezember, ergaben, wenn überhaupt rechtzeitig und ohne Gefährdung des Syndikats der Fiskus seinen Zweck erreichen

Nun haben Sie ja aus der Begründung bereits entnommen, daß nach der Berechnung der mir zur Seite stehenden Sachverständigen die Hercynia ein für die Zwecke des Fiskus hervorragend geeignetes Bergwerk ist, daß mit aller Bestimmtheit, auch ungünstige Chancen angenommen, damit perechnet werden kann, daß es dem Fiskus die zum Ankauf erforderliche Summe verzinst und rechtzeitig amortisiert. Es würde also von diesem Gesichtspunkte aus gegen den Preis nichts

uzuwenden sein. Wenn Sie gleichwohl aber den Preis höher finden sollten, als er nach Lage des Kuxenmarktes jetzt und vor einigen Monaten vielleicht gerechtfertigt werden könnte, so müssen Sie noch ein Moment zur Rechtfertigung der anzulegenden Summe berück⸗ sichtigen. 9 Ich hatte zwei Wege, die zum Ankauf des Werks führen konnten: Ich konnte einmal unter der Hand die Kuxe aufkaufen lassen, eine Majorität zu gewinnen suchen und auf diese Weise mich in den Besitz des eergwerks setzen. Dieser Weg war nach meiner Ansicht in diesem Falle und wie die Dinge hier lagen, unter allen Umständen zu vermeiden. un ich mußte alles vermeiden, was irgendwie den an sich schon un⸗ ruhigen Kalimarkt noch mehr beunruhigen und die Kaliwerte noch weiter in die Höhe treiben konnte, als es schon die Situation ergab. Das wäre aber zweifellos der Fall gewesen, wenn plötzlich Aufkäufer des Fiskus auf den Markt gekommen und Kalikuxe angefordert hätten. Wenn ich aber auch den vorhin beschriebenen Weg beschritten hätte, so würde ich dadurch zweifellos die Preise ungleich höher getrieben haben, als sie sich jetzt gestaltet haben, wo ich schließlich durch eine Einigung mit der Gewerkschaft im ganzen zu einem Abschluß gekommen bin, den ich selbstverständlich auch nur erreichen konnte, wenn ich der Mehr⸗ heit der Kuxenbesitzer den Verkauf als ein begehrenswertes Geschäft machte.

Das, meine Herren, sind die Gründe, die, wie ich hoffe, den Ankauf der Hercynia Ihnen gegenüber rechtfertigen, die Ihnen die Höhe des anzulegenden Preises begründet erscheinen lassen werden. Etwaige Einzelfragen nach dieser Richtung hin werden ja in der Kommission, der Sie ja vermutlich den Gesetz⸗ entwurf überweisen werden, zu erörtern sein.

Ich möchte nur noch einmal zur Vermeidung von Mißverständ⸗ nissen betonen: Ich halte es für die vornehmste Aufgabe des Fiskus, das Syndikat zu erhalten resp, falls es nicht zu erhalten sein sollte, für die Möglichkeit einer zweckmäßigen und baldigen Erneuerung des⸗ selben zu sorgen, da nur auf diesem Wege eine Entwicklung der Dinge sichergestellt werden kann, die sowohl den Interessen der heimischen Produzenten wie auch der heimischen Konsumenten gerecht wird. Hierdurch will ich zu der Möglichkeit gelangen, die deutsche Land⸗ wirtschaft unabhängig von der privaten Produktion zu versorgen. Das sind die Gründe, meine Herren, aus denen ich Ihnen die Annahme des Gesetzentwurfs warm empfehle.

Abg. Stackmann (kons.): Der Minister hat mit Recht darauf hingewiesen, daß weder der Bestand des preußischen Nationalvermögens an Kalisalzen an das Ausland verschleudert werden darf, noch im Inlande zu Ungunsten der Landwirtschaft die Produzenten eine zu Peße Machtstellung ausüben dürfen. Der Minister glaubt, diesen

ufgaben gerecht werden zu können, indem er den Einfluß der Re⸗ gierung innerhalb des Syndikats durch den Ankauf der Percynia von 6,6 % auf etwa 10,9 % steigert. Wir werden den Minister in 8 Vorgehen unterstützen, aber wir fragen uns doch, ob durck diese

orlage die ausgesprochene Absicht erreicht werden kann. 10,9 % an Einfluß im Syndikat können nicht ausschlaggebend sein; in der letzten Fen sind auch deutliche Fingerreige dafür gegeben worden, daß die Gefahr einer vollständigen Auflösung des Syndikats vorliegt. Die Unterlage für das ganze Unternehmen ist anscheinend eine gesunde; denn wir sehen aus dem der Vorlage beigegebenen Quer⸗ profil, daß die vorhandenen Lager von Kalisalzen noch ungeheuer abbaufähig sind. In den Verträgen, die die Hercynia hat abschließen müssen zur Führung ihres Betriebes, finden wir aber Sonder⸗ bestimmungen, deren Zeitraum sehr eng begrenzt ist. Es soll ein Förderzins von 1 resp. 2 pro Zentner Kalisalz an den All⸗ gemeinen Klosterfonds in Hannover bezahlt werden, außerdem 8 %, vom reinen Gewinn. Diese Ziffern können nicht ohne weiteres akzeptiert werden. Wir halten eine eingehende Kommissionsberatung für notwendig und beantragen, die Vorlage an die Budgetkommission

zu verweisen.

Abg. Hilbck (nl.): Meine politischen Freunde schließen sich dem Antrag auf Ueberweisung an die Budgetkommission an. Wir halten den Preis von 30 Millionen für einen verhältnis⸗ mäßig sehr hohen; die Vorlage muß eingehend gepeüft werden. Die Regierung hat einen faux pas Ns. 8, daß sie seit 1879 nichts getan hat, um ihren Eifluß auf das Kalisyndikat zu stärken, der dadurch um ¼ heruntergegangen ist. Zu er⸗ warten ist wohl, daß die Klosterkammer in eine Verlängerung des Betriebes des Bergwerks über die Zeit des jetzigen Vertrages hinaus einwilligt, was die Hercynia selbst wahrscheinlich nicht zu⸗ gestanden bekommen hätte. Dann wird auch die Amortisation er⸗ beblich länger ausgedehnt werden können, als die Vorlage vorsieht. Die Rente, welche die Klosterkammer aus dem Bergwerk bezieht, kommt der Wissenschaft zugute, denn sie wird größtenteils zur Er⸗ haltung der Universität Göttingen benutzt. Es ist sehr fraglich, ob die Rente aus dem Bergwerk noch herausgewirtschaftet werden kann, wenn der Staat es nicht übernimmt. Ob die Sache glückt, hängt allerdings von vielen Einzelheiten, namentlich auch von den leitenden Personen ab. Oft hängt es von dem Wirken eines einzigen Mannes ab, ob das Syndikat zusammen bleibt, denn es ist nicht leicht, viele Köpfe unter einen Hut zu biingen, da alle bei der Verteilung zu kurz zu kommen fürchten. Im Syndikat kann der Staat einen mäßigenden Einfluß ausüben. Man kann erwarten, daß das Syndikat seine Ziele erreichen kann. Der Absatz im Au land ist enorm gestiegen, und es sind im Ausland gute Preise erzielt worden. Allerdings wird die Vorlage in der Kommission noch sehr genau zu prüfen sein, aber wenn wir das Syndikat stärken wollen, so wird die Vorlage dazu dienen können.

Abg. Dr. von Woyna (freeikons.): Ich kann die Verhältnisse der Hercynin nicht so besonders günstig beurteilen. Die Frage der Dauer

il

11“]

eilag

Berlin, Mittwoch, den 4. April

geklärt. In der Kommission wird von meinen Freunden darauf Ge⸗ wicht gelegt werden, daß gerade über diese Frage uns von anderer Seite als von der Regierung Gutachten vorgelegt werden. Die Klosterkammer zu kontrollieren, ist Sache des hannoverschen Provinziallandtages, und dieser wird scharf darüber wachen, daß die Klosterkammer in diesem Falle dem Staate gegen⸗ über nicht weicher ist als der Privatindustrie gegenüber. Wir haben die Ueberzeugung, daß diese Verhältnisse nicht günstig liegen, und es vielleicht richtiger gewesen wäre, an ein anderes Werk zu denken. Aber von der staatspolitischen Seite gewinnt die Sache doch ein anderes Gesicht. Auch meine Freunde sind überzeugt, daß die Stärkung des Staates im Kalisyndikat in der Hauptsache für uns entscheidend sein muß bei der Beurteilung dieses Vorgehens. Allerdings wird durch die Erhöhung der Quote des Staates von 6 % auf etwa 11 % der Zahl nach der Einfluß des Staates nicht besonders gestärkt, aber schon in dem Wollen zeigt sich, daß die Entwicklung dahin geht, den Staat möglichst mächtig im Syndikat zu erhalten. Wir haben diesen Gesichtspunkt vor allem für den Moment im Auge, wo das Syndikat einmal zusammenbrechen sollte und dann ein mächtiger Staat auf dem Kalimarkt eine beberrschende Stellung einnehmen kann. Diesen Gesichts⸗ punkt halten wir fast noch für wichtiger, als die Frage, welche Stellung der Staat gegenwärtig im Syndikat haben soll. Wir sind überzeugt, daß der hohe Preis, die ungeklärten Verhältnisse der Hercynia, die schwierigen allgemein⸗wirtschaftlichen Fragen und die Frage der Syndikate überhaupt einer sorgfältigen Prüfung in der Kommission bedürfen, und daß wir nach dem Ergebnis der Prüfung uns die Entscheidung vorbehalten müssen.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück: Mieine Herren! Ich bitte, auf die Ausführungen der letzten Herren Redner mit wenigen Worten zurückgreifen zu dürfen. Von seiten des Herrn Abg. Hilbck wie auch der übrigen Herren Redner ist die Frage aufgeworfen worden, ob denn tatsächlich der Ankauf eines Werkes zur Zeit das geeignete Mittel sei, um die von uns ver⸗ folgten Ziele zu erreichen, und ob man nicht mindestens der König⸗ lichen Staatsregierung den Vorwurf machen müßte, daß sie nicht rechtzeitig mit geeigneteren Mitteln darauf Bedacht genommen habe, ihren Einfluß auf dem Gebiete der Kaliproduktion zu stärken. Dem⸗ gegenüber möchte ich eins bemerken. Wenn der Fiskus wirklich und mit Erfolg die Entwicklung der Kaliproduktion und die Entwicklung des Kaliabsatzes in die Hand nehmen wollte, dann mußte er den Weg beschreiten, der zum Monopol führt. Diesen Versuch hat der Staat gemacht; die entsprechende Vorlage ist im Jahre 1894 abgelehnt worden, und es ist natürlich mit jedem Jahre schwerer geworden, mit einer derartigen Vorlage wiederzukommen. Nachdem man aber auf den Weg der Monopolisterung des Kalibergbaues hatte verzichten müssen, war man in einer schwierigen Lage. Denn der Fiskus mußte sich immer sagen, daß jedes neue Werk, das er anlegte, ja die Haupt⸗ schwierigkeit, mit der wir zu kämpfen haben, nämlich die Ueber⸗ produktion, noch steigerte. Der Fiskus mußte sich immer sagen, daß es gerade für ihn schwierig war, die Rolle zu spielen, die denjenigen zufällt, die mit einem Werke im Syndikat und mit einem Werke außerhalb des Syndikats stehen und nun in die schwierige Lage kommen, ihre Pflichten als Syndikatsmitglied zu vereinigen mit ihren Interessen als Outsider. Meine Herren, das ist die Situation, die meines Erachtens die Staatsregierung mit Recht zu vermeiden gesucht hat und die es wohl erklärlich erscheinen läßt, wenn sie mit dem Abteufen neuer Schächte auf den ihr gehörigen Werken immerhin mit einiger Vorsicht und langsam vorgegangen ist. Dann möchte ich folgendes anführen: Es ist ja durch die lex Gamp erneut die Frage angeregt, ob und inwieweit unser Fiskus eventuell zu einer Monopolisierung des Kali⸗ bergbaues auch heute noch überzugehen haben würde. Diese Frage ist aber nach Lage der Verhältnisse unter allen Umständen vor Ablauf von 1 bis 1 ½ Jahren nicht zur Entscheidung zu bringen, und selbst wenn ich im vorigen Herbst mir über meine Stellung zu dieser Frage völlig klar gewesen wäre, konnte ich immerhin nicht übersehen, wie die Häuser des Landtags sich zu der eventuell von mir zu machenden Vorlage stellen würden, und ich mußte daher unter allen Umständen, in einem Moment, wo mir die Existenz des Kalisyndikats in hohem Maße gefährdet schien, darauf bedacht sein, mir den nötigen Einfluß, und zwar rasch, zu sichern, den ich brauchte, um eventuell das Syndikat zusammenzuhalten oder nach einem Zusammenbruch wieder zusammen⸗ führen zu können, und diese Erwägung hat zu den Ankaufsverhandlungen mit der Hercynia geführt.

Nun ist von den Herren die Frage aufgeworfen worden, ob wir denn nicht ein geeigneteres Werk hätten bekommen können. Ja, meine Herren, ich bitte, die Schwierigkeiten, die sich einem derartigen Ankauf durch den Fiskus überhaupt entgegensetzen, nicht zu unterschätzen. Wenn wir mit einem Werk verhandelten, dessen Kuxe zu einem nicht unerheblichen Teil im Besitze von Svndikatswerken waren, die ebenso wie der Fiskus an einer Steigerung ihrer Produktionsziffer interessiert waren, konnten wir sicher sein, daß wir einen Korb be⸗ kamen. Dasselbe galt von den Kuxen solcher Werke, die unmittelbar an einer Schwächung des Fiskus interessiert waren. Wir mußten also nach Lage der Verhältnisse versuchen, ein Werk zu finden, bei dem von vornherein zu erhoffen stand, daß man mit einiger Aussicht auf Erfolg in Ankaufsverhandlungen eintrat; denn, meine Hecren, auch darüber dürfen Sie sich nicht täuschen: ein mißglückter, bekannt gewordener Versuch des Fiskus zum Ankauf eines großen Werks würde auf dem ganzen Kalimarkt sehr unerfreuliche Wirkungen äußern. Das alles hat uns natürlich gewisse Fesseln auferlegt, bestimmte Bahnen vorgeschrieben, die schließlich zu dem Vertrage mit der Hercynia geführt haben, zu einem Preise, der wie es scheint, der Mehrzahl von Ihnen zu hoch erscheint. (Zu⸗

stimmung)

Meine Herren, die Sache ist eingehend von seiten der mir bei

gegebenen Herren Techniker geprüft worden, und ich hoffe, daß wir

heute noch und später in der Kommission durch die dort zu gebenden

Aufschlüsse Ihre Bedenken beseitigen werden.

Betonen möchte ich nur noch eins. Selbsiverständlich wird der

Fiskus daran gehen müssen, im geeigneten Momente neue Schächte

abzuteufen und seine eigene Kaliproduktion auf diesem Wege zu ver⸗

des Vorkommens von Excelsalzen und des Abbaues ist noch keineswegs

ger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

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liegenden Jahren, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, bedenklich und er war zu den Ziele, das ich glaubte im vorigen Herbst rasch erreichen zu müssen, überhaupt nicht der gangbare.

Abg. Cassel (fr. Volksp.): An der Erörterung der Frage, ob der Staat mit einem andern Vorgehen besser getan hätte, will ich mich nicht beteiligen. Meine Freunde sind gegen eine Monopolisierung, weil wir aus allgemeinen staatlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Bergwerke nicht in eine Hand geben wollen. Wir wollen Industrie und Landwirtschaft mit ihren Bedürfnissen nicht vom Staate allein abhängig machen. Aber diese Anschauungen erfordern es nicht, daß wir uns jedem Ankauf durch den Staat widersetzen. So haben wir für die rbung neuer Kohlenfelder durch den Staat gestimmt. Wenn wir bei dem Ankaufe der Hibernia Widerstand leisteten, so geschah es, weil der Ankauf in Widerspruch mit den Erklärungen der Regierung von 1902, daß sie keine weiteren Bergwerke ankaufen wolle, stand. Wir stehen aber dem Verlangen der Regierung, einen Einfluß auf das Kali⸗ syndikat zu gewinnen, durchaus nicht unsympathisch gegenüber; denn dieses Syndikat liefert seine Produkte ganz im Gegensatz zu anderen Syndikaten nach dem Jalande, der Landwirtschaft, billiger als nach dem Auslande. Wenn es auch erfreulich ist, daß der Handelsminister durch dieses Gesetz die Interessen der Landwirtschaft wahrnehmen will, so sähen wir es aber auch gern, daß die Interessen des Handels wahrgenommen werden, und wir glauben, gerade bei dem Handelsminister damit an die richtige Adresse zu kommen. Wir bitten, dahin zu wirken, daß der Rabatt auf Kali, den die landwirtschaftlichen Einkaufsgenossenschaften erhalten, wenigstens auch den Handelsgesellschaften eingeräumt wird. Dieser Unterschied ist nicht zu rechtfertigen. Was das Kaufobjekt selbst angeht, A soll ja die Qualität der Salze eine gute sein, aber es ist fraglich, ob die guten Salze nicht schon frühzeitig vor den geringeren gefördert worden sind. Ebenso scheint auch mir der Preis ein sehr hoher zu sein. Alle diese Bedenken müssen in der Kommission geprüft werden; von dem Ergebnis dieser Prüfung machen meine Freunde ihre endgültige Stellungnahme zu diesem Gesetz abhängig.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Ich habe vorhin die Vorlage von 1894 erwähnt, die den Zweck hatte, dem Fiskus das Recht des Kalibergbaues zu reservieren, und dabei das Wort Monopol gebraucht. Diese Bemerkung hat dem Abg. Cassel zu einer längeren Betrachtung über die Be⸗ rechtigung des Staatsmonopols auf dem Gebiete des Bergbaues Ver⸗ anlassung gegeben, und ich möchte zur Vermeidung von Mißverständ⸗ nissen im Anschluß an diese Aus ührungen nur feststellen, daß es sich weder beim Kali noch bei anderm Mineral so, wie die Dinge heute liegen, darum handeln kann, den gesamten Bergbau in dem Sinne zu monopolisieren, daß der Staat etwa die vorhandenen Privatwerke aufkauft. Es kann sich nach Lage der Verhältnisse nur um die Frage handeln, ob und in welchem Umfange sich der Fiskus noch nicht ver⸗ liehene Felder für den Abbau reservieren will, um einmal eine Möglichkeit in der Beschränkung der Produktion zu haben und sich andererseits dasjenige Maß von Einfluß auf die Preisbildung und die Art des Betriebes zu sichern, die auch Herr Abg. Cassel eben als berechtigt und wünschenswert anerkannt hat. Das wollte ich hier nur zur Vermeidung von Mißverständnissen feststellen. Die von Ihnen erwartete Vorlage, die die lex Gamp ersetzen soll, wird über die von mir selber gezogenen Grenzen unter keinen Umständen hinausgehen.

Oberberghauptmann von Velsen: Von verschiedenen Seiten ist behauptet worden, daß die Hercynia die vvg. Salze mehr abgebaut habe als die geringeren. Das ist richtig, aber das macht jedes Werk so. Welche Veranlassung sollte man auch haben, es umgekehrt zu tun? Es kann sich nur darum handeln, ob die Hercynia unwirtschaftlich verfahren ist, und diese Frage kann bestimmt verneint werden. Von den hochprozentigen Salzen dieses Werkes sind bisher 23 ½ Mill. Kubikmeter aufgeschlossen, das Material reicht aber noch aus, um 150 Jahre lang in derselben Weise gefördert zu werden; im Mindest⸗ falle bleiben noch 120 Jahre. Im Gegensatz zum Steinkohlen⸗ u“ die steile Lage der Felder beim Kalibergbau kein indernis. Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Meine politischen Freunde sind mit Verweisung der Vorlage an die Budgetkommission einverstanden. Dort möge man das Für und Wider prüfen; wir werden unsere Beschlußfassung von dem Ergebnis der Prüfung abhängig machen. Für heute bemerke ich nur, daß wir der Vorlage mit Wohlwollen gegenüberstehen. 8 Damit schließt die Diskussion. 8 Die Vorlage wird an die Budgetkommission überwiesen.

Präsident von Kröcher bemerkt, daß er die nächste Sitzung für den 24. April vorgeschlagen hätte, daß aber der Schwerpunkt der Geschäfte des Hauses jetzt in den Kommissionen, namentlich in der Schulkommission liege, die einige Tage nach den Osterferien für sich gewünscht habe. In der Erwartung, daß die Kommissionen diese Tage für ihre Beratungen benutzen würden, schlage er die nächste Sitzung für Mittwoch, den 2. Mai, Nachmittags 2 Uhr, vor mit der Tagesordnung: Petitionen und Anträge.

Das Haus ist damit einverstanden. Der Präsident teilt ferner mit, daß er am 3. Mai die nochmalige Abstimmung über die Wahlrechtsvorlagen auf die 1“ setzen werde. Scchluß 2 ⁴¼ Uhr 1“ 4

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengest „Nachrichten für Handel und Inbustri⸗ *9

Rußland.

Verzollung von Teilen von Maschinen und Appa⸗ raten. Nach einer vom Minister für Handel und Industrie im Einverständnis mit dem Finanzminister auf Grund der An⸗ merkung 1 zu Artikel 167 des Zolltarifs vom 13. Januar 1903 er⸗ lassenen Verfügung sind als Ersatzteile (Reserveteile) von Maschinen und Apparaten, die jusammen mit diesen eingeführt werden, solche Teile anzusehen, die, ohne zum Bestand der Maschinen und Apparate zu gehören, lediglich zum Ersatz von vorhandenen gleichartigen Maschinenteilen dienen. Die zusammen mit den in Artikel 167, Punkt 1, Lit. a, b und c, genannten Maschinen und Apparaten eingeführten Ersatzteile aus Gußeisen, Eisen und Stahl werden nur bis zum Betrage von 10 vom Hundert (einschließlich) des Gewichts der zugehötigen Maschine bezw des Apparates nach den entsprechenden Sätzen des Artikels 167, Punkt 9, eingelassen; über diesen Betrag hinaus sind sie nach Artikel 167, Punkt 7, Lit. b, zu verzollen. (Russische Handels⸗ und Industrie⸗Zeitung Nr. 92 vom

mehren; aber dieser Weg, meine Herren, war in den hinter uns

21. Februar/6. März 1906.)