1906 / 105 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 May 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Podbielski:

Meine Herren! Ich möchte auf die Ausführungen der Herren Redner, besonders auf die des letzten Herrn Vorredners eingehen, weil ich glaube, daß über das ganze Vorgehen auf diesem Gebiete vielfach nicht ganz zutreffende Anschauungen herrschen.

Ich habe bereits im Herrenhause darauf hingewiesen, daß zweifellos n erster Linie die mangelnden Erträge in der Landwirtschaft zu einer Zunahme der Verschuldung geführt haben. Ich bin der festen Ueber⸗ eugung und habe ja in letzter Zeit immer erneut Gelegenheit ge⸗ nommen, darauf hinzuweisen, daß die durch unsere neuen Handels⸗ verträge geschaffene Lage eine Besserung in der Landwirtschaft erhoffen äßt, und daß es eine der ersten Pflichten des Staats ist, dafür zu orgen, daß ein so großer Betriebszweig wie die Landwirtschaft gesund st (Bravo! rechts), wenn ich auch zugeben will, daß die Landwirt⸗ schaft vielleicht nicht mehr wie in früherer Zeit mehr als die Hälfte der Bevölkerung unseres Vaterlandes umfaßt, sondern

in der Relation gegen die in hohem Aufblühen befindliche Industrie etzt ziffermäßig zurücksteht. Ich erachte die Landwirtschaft als das Fundament des Staats, weil sie die Stetigkeit in allen Verhältnissen verbürgt (sehr richtig! rechts), wenn die Erträgnisse es ihr möglich machen, mit Erfolg ihrer Arbeit nachzugehen.

Ich habe aber, meine Herren, auch nicht verkannt, daß zweifellos wei andere Dinge auf die Rentabilität verschlechternd eingewirkt aben: das ist auf der einen Seite das bestehende Erbrecht (sehr richtig! echts), und auf der anderen Seite die zweifellos vielfach zu hohen Kaufpreise für unsere landwirtschaftlichen Grundstücke. (Sehr richtig! techts.) Beide Dinge haben vereint mit den schlechten Erträgen die etzigen, wenig erfreulichen“ Verhältnisse geschaffen.

Der Herr Vorredner warf mir vor, es wäre hier etwas unter⸗ ommen, was gar nicht durchführbar wäre; denn wenn dieser Versuch gelinge, müßte gewissermaßen der Himmel auf Erden ge⸗ chaffen werden. Meine Herren, wollen Sie daran festhalten: daß nicht nur dieser Versuch, sondern auch das Vorgehen mit der Höferolle und dem Anerbenrecht, alles einzelne Momente sind, die zus dem Bedürfnis heraus geschaffen wurden, der zunehmenden Ver⸗ chuldung entgegenzuwirken. Wenn der Herr Vorredner meint, aus der Statistik, die ich mir erlaubt habe, dem hohen Hause zugänglich zu machen, gehe hervor, daß SS noch nicht so hoch sei, o muß ich dem unbedingt widersßrechen. Gerade in den Gegenden es Ostens, u. a. der Weichselniederung im Kreise Stuhm hält uns die Statistik erschreckende Zahlen gerade in der Verschuldung des Klein⸗ besitzes entgegen. Wir müssen dafür sorgen, daß auf dem Lande wirk⸗ lich wieder gesunde Verhältnisse geschaffen werden. Der Herr Vorreder sprach weiter von einem Gegensatz in den Vorlagen und bemerkte, der Landwirtschaftsminister hat in der Ge⸗ setzesbegründung ausgesprochen, Staatsmittel sollen nicht zur Ver⸗ fügung gestellt werden, aber in der Kommission des Herrenhauses hat er ein gewisses Entgegenkommen angedeutet. In solchen Kommissionsberichten kann nicht alles so speziell ausge⸗ führt werden, wie es sich bei der Verhandlung aufgebaut hat. Ich glaube, wir werden mit Staatsmitteln in großem Umfang nicht vorgehen können; aber andrerseits soll es nicht an Versuchen fehlen, auch auf diesem Gebiet vorwärtszukommen. Ich habe speziell darauf hingewiesen, wie verschiedene mit staatlicher Beteiligung be⸗ gründete Institute es ist die sogenannte Mittelstandskasse in Posen und auch jetzt die Bauernbank in Westpreußen den kleinen Besitz allmählich zu entschulden streben. Hierzu sind kleine Beiträge von paarmal hunderttausend Mark vom Staate gewährt worden. Wir dürfen nicht nur mit Gesetzen vorgehen, sondern müssen in die Praxis hineingehen und versuchen, ob der Weg gangbar ist oder nicht. Wenn wir uns bloß in statistischen Erörterungen ergehen, damit locken wir keinen Hund hinter dem Ofen hervor.

Weiter hat der Herr Vorredner gesagt, ich hätte im Herrenhause von Uebernahme eines Risikos für größere Güter gesprochen. Ich möchte mir erlauben, das Risiko für den Staat noch mal klar zu definieren. Nehmen Sie an, nach der landschaftlichen Taxe wird ein Grundstück mit 600 000 taxiert, es wird nach den Be⸗ leihungsprinzipien mit ⅛, d. h. zuerst mit und unter gewissen Bedingungen mit dem vierten Sechstel beliehen, es bleiben also zwei Sechstel von der Taxe nicht beliehen. Nun stehe ich auf dem Stand⸗ punkt namentlich dem größeren Besitze gegenüber, daß unsere land⸗ schaftlichen Taxen so vorsichtig sind, daß ich kaum jemals Güter gefunden habe, die für die landschaftliche Taxe zu verkaufen sind. Also das Risiko, das ich mir gedacht habe, lag darin, daß ich dem landschaft⸗ lichen Institut gegenüber, nachdem ich die Taxe geprüft und das Gut geeignet befunden habe, erkläre: der Staat ist bereit, dieses Gut für die Landschaftstare käuflich als Domäne zu erwerben. Nun wird mir der Herr Vorredner zugeben: damit übernehme ich indirekt seitens des Staats eine Garantie für das 5. und 6. Sechstel der Beleihung, welche immerhin ein gewisses Risiko enthält weil der Wert doch bis unter die Landschaftstaxe herab sinken könnte, es kann ja unser gesamter Grundbesitz durch neue Konjunkturen entwertet werden. Auf diese Weise würde also allerdings der Staat durch die bindende Erklärung, er zahle für das Gut 600 000 ein gewisses Risiko übernehmen. Ich bekenne aber ganz offen, daß ich immer dafür eingetreten bin: der Staat als solcher würde bei diesem Vorgehen keine Gefahr laufen. Umgekehrt wird mir der Herr Vorredner zu⸗ geben müssen, daß das Kreditinstitut für die Dauer der Zeit, für welche ich mich verpflichte, das Gut zu übernehmen, zu billigerem Zinsfuße das Geld auf das Grundstück geben kann, als wenn es da⸗ hinter keinen Garanten hat. Das ist der Vorgang, wie ich mir persönlich die Sache gedacht habe, denn die ganze Entschuldungsfrage wird beherrscht von dem Grundsatz: billiges Geld! das heißt Geld zu billigem Zinsfuß und eine starke Amortisation! (Sehr richtig! rechts.) Beides zusammen kann nur zu einer Sanierung vieler ländlicher Be⸗ sitzer führen. (Sehr richtig! rechts.) Ohne dem arbeite ich vergeb⸗ lich. Denn wenn ich für die letzten Hypotheken 4 ½ oder 5 % Zinsen zahle und noch 1 oder 1 ½ % Amortisation aufbringen soll, so kann das auch selbst unter den jetzigen günstigen Verhältnissen unsere Landwirtschaft niemals tragen. Meine Herren, wir wollen bei den Konjunkturen, die ich vorhin als günstig bezeichnete, wirklich zufrieden sein, wenn wir in Zukunft für das Kapital 3 und 3 ½ % wieder erzielen. Daß wir viel tiefer zur Zeit gestanden haben, wissen die Herren, und wenn die Herren rechnen, daß wir selbst für die ersten Hypotheken 3 ½ % nebst Amortisation aufgebracht und die weiteren Hypotheken, wie ich schon sagte, mit 4 und 5 % verzinst haben, während das Gut nur 2 % Ertrag brachte,

so mußte das notwendig zu einer Zunahme der Verschuldung führen; denn der Ertrag stand nicht im Einklang zu dem, was an Lasten aus dem Grundbesitz überhaupt aufzubringen war.

Nun komme ich auf einen anderen Punkt, und ich glaube, für alle die Herren, die die ländlichen Verhältnisse nicht so genau kennen, das besonders betonen zu müssen. Meine Herren, in der Landwirtschaft geht Real⸗ und Personalkredit vollständig ineinander über. Der Herr Vorredner hatte das schon angedeutet, indem er sagte: ich erkundige mich, wie weit überhaupt Hypotheken da sind. Das ist eben der Beweis: es wird dem Manne nie mehr ge⸗ borgt, als tatsächlich sein Realvermögen beträgt. Im Gegensatz zu dem Herrn Vorredner, der ja gerade in dem nicht spezifisch land⸗ wirtschaftlichen Genossenschaftswesen eine so hervorragende Rolle spielt, ist im ländlichen Genossen die Ansicht vertreten, daß durch die Eintragung einer Verschuldungsgrenze der orga⸗ nisierte ländliche Personalkredit ein besserer würde, weil bei den heutigen Verhältnissen jeder Gläubiger sich schnell zum Grundbuchrichter begeben und im letzten Moment noch eine Ein⸗ tragung vornehmen kann, und hierdurch gerade die ländlichen Ge⸗ nossenschaften, die soweit als möglich dem Schuldner gegenüber noch Entgegenkommen üben, am meisten geschädigt wurden. Gerade diese Genossenschaften treten für die Verschuldungsgrenze ein, um den Personalkredit, der, wie ich schon ausführte, auf dem Lande innig mit dem Realkredit zusammenhängt, zu bessern.

Nun, meine Herren, bin ich gewiß fern davon, zu glauben, daß allein auf diesem Wege die Frage gelöst werden wird; in früheren Sessionen habe ich ausgeführt, daß ich persönlich die Entschuldung eigentlich auf dem Vertragswege herbeigeführt sehen wünschte. Der Vertrag hat aber das böse, daß er jeden Augenblick umgestoßen werden kann, und nur während des Bestehens der Hypothek wirkt, sodaß die von Generationen geleistete Arbeit eines schönen Tages zu Boden fällt, also eine Sisyphusarbeit verrichtet ist. Das soll durch die gesetzliche Verschuldung vermieden werden. Der Ausführung meines Gedankens, durch die langfristige Ankaufsofferte einzelnen Besitzern größerer, zu Domänen geeigneter, Güter zu helfen, stehen, wie ich offen bekenne, zur Zeit noch Schwierigkeiten entgegen; so ist namentlich von der Finanzverwaltung geltend gemacht worden, wir riskierten in schlechten Zeiten, daß ein großer Teil des Grundbesitzes in staatliche Hände übergehe. .

Meine Herren, es sind die verschiedensten Anregungen für Ent⸗ schuldungsmaßnahmen gegeben worden. Ich stehe den Herren, die noch Aufklärungen wünschen, gern mit einem erheblichen Material zur Verfügung und kann Ihnen die Versicherung geben, es reichen die Tische des Hauses nicht aus, um darauf alle die Vorschläge, die seit ungefähr 16 Jahren gemacht sind, die gedruckt und verhandelt sind, niederzulegen. (Heiterkeit.) Es handelt sich darum, den zweckmäßigsten Vorschlag herauszuschälen und zunächst damit einen Anfang zu machen. Dieser Vorschlag, meine Herren, wird Ihnen unterbreitet auf Grund der Beschlüsse der märkischen Landschaft, die hierin einen brauchbaren Weg sieht und eine Million für diesen Versuch zur Verfügung stellt. Sollte ich diesen Vorschlag zurückweisen, der doch von Herren ausgeht, die in der Praxis stehen? Sollte ich nicht vielmehr sagen: ich bin bereit, den Häusern des Langtags eine Vorlage zu machen, die die Grundlage für dieses Vorgehen schafft? Ich bin den Herren in der Provinz Brandenburg dafür dankbar, daß sie bereit sind, mit ihrem Kapital dieses Unternehmen zu fördern.

Aber damit, meine Herren, dürfen wir die ganje Sache unter keinen Umständen ruhen lassen. Ich möchte nur einen Punkt noch hervorheben. Der Herr Vorredner irrt, wenn er annimmt, daß gerade die Fideikommisse am meisten verschuldet sind. In allen Fideikommissen, soweit sie überhaupt mit Schulden begründet werden, bildet die Grund⸗ lage eine starke Amortisation und die Zurückführung auf einen voll⸗ ständig freien und unverschuldeten Besitz.

Unter den Vorschlägen, die auf die Entschuldung abzielen, befindet sich auch der in der Kommission des Herrenhauses erwähnte Vorschlag des Landrichters Bünger in der Vereinigung der Steuer⸗ und Wirt⸗ schaftsreformer, welcher dahin geht, den Grundbesitz jeder Exekution für Schulden zu entziehen; also im letzten Ziel auf eine fideikommiß⸗ artige Wirkung hinausläuft. Diesen Weg werden wir schon aus Rücksicht auf unsere Reichsgesetzgebung nicht beschreiten können.

Meine Herren, ich habe aus den sehr lebhaften Verhandlungen im Herrenhause die Ueberzeugung gewonnen, daß die Herren, je mehr sie in die Sache hineinsteigen, desto mehr finden, daß die erhobenen Bedenken bald zerfließen, und daß dies die einzige Möglichkeit ist, einen praktischen Versuch zu machen. Meine Herren, ich muß darin Herrn Abg. Glatzel vollständig recht geben: Medizin kann das un⸗ möglich sein; ich halte aber Medizin verabreichen für die Landwirt⸗ schaft auch nicht für richtig. Wir wissen alle ganz genau, woran es hauptsächlich gefehlt hat: das landwirtschastliche Erwerbsleben war soweit in seinen Erträgnissen gesunken, daß ein Mann, der seinen Verpflichtungen sonst nachgekommen ist, dies nicht mehr konnte. (Sehr richtig! rechts.)

Sorgen Sie, meine Herren, mit mir, dem Vertreter der preußischen Landwirtschaft, daß diese prosperiere, so werden wir die zweifellos nicht erfreulichen Zustände der Verschuldung überwinden und damit ein großes Gewerbe in unserem Vaterlande, wie ich glaube, den Eckstein in dem Baue unseres Vaterlandes, auf ein gesundes Fundament stellen, daß er zu allen Zeiten für den Staat und für die Allgemeinheit der Grundpfeiler unseres Staatslebens sein und bleiben werde. Das ist mein aufrichtiger Wunsch. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Rewoldt (freikons.): Vom rein juristischen Stand⸗ punkt hatte ich anfangs gegen die Vorlage die schwerwiegendsten Be⸗ denken, bin aber mehr und mehr zu der Ueberzeugung gekommen, daß die juristischen Bedenken hinter den agrarpolitischen Gesichtspunkies zurücktreten müssen. Die Vorlage bietet ein Mittel, einem wirt⸗ schaftlichen Uebelstande abzuhelfen. Von den verschiedensten Parteien ist im Herrenhause anerkannt worden, daß ein Uebelstand in der Ver⸗ schuldung besteht, und daß er ein öffentliches Interesse in Anspruch nimmt. Daß man mit den Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetz⸗ buches der Sache nicht zu Leibe gehen kann, ist zweifellos. Aber ernstliche, dauernde und ausreichende Abhilfe können wir nur schaffen, wenn wir für unsere ländlichen Verhältnisse nicht mehr das gewöhn⸗ liche Erbrecht gelten lassen. Da müssen wir allerdings abwarten, ob der Reichstag zu einer Aenderung des Erbrechts bereit ist. Findet eine solche statt, so müßte sie sich auch in der Richtung bewegen, welche die Vorlage einschlägt, daß der Guts⸗ übernehmer in den Erbabfindungen günftiger gestellt oder ihm wenigstens die Gewährung der Abfindungen erleichtert wird. Die Vorlage will die Handhabe bieten, den Erbübergang zu erleichtern. Deshalb darf man nicht zu ängstlich darin sein, dieses Gesetz zu

kritisieren. Die Gesetzgebung ist des Landes wegen da; wenn man das Ziel fest ins Auge faßt, wird auch der gesetzliche Rahmen

dafür zu finden sein. Die erhobenen Einwürfe gegen diese Vorlage sind nicht stichhaltig. Die Ansichten über die Wirkungen der Vorlage auf den Personalkredit gehen auseinander. Die Vorlage damit abzulehnen, daß sie ein Sprung ins Dunkle sei, geht doch nicht an, denn schließlich ist jeder Versuch ein Sprung ins Dunkle. Man darf hier nicht lediglich vom juristischen Standpunkt sagen, daß die Vorlage ein ganz neues Prinzip enthalte. Wenn unser dem römischen Recht nachgebildetes Erbrecht für’ unsere ländlichen Verhältnisse nicht paßt, muß es eben geändert werden. Wenn die Kreditgenossenschaften die Ent⸗ shecen vornehmen wollen, wüssen wir ihnen auch die festen Handhaben geben, damit sie dieses Ziel erreichen können. Ich würde es auch für möglich halten, daß der Besitzer nicht für sicch selbst, sondern für die nächste Generation eine Verschuldungsgrenze eintragen läßt, um eine Ueberschuldung zu vermeiden. Es ist in den politischen Kämpfen vielfach hervorgehoben worden, daß der Grundbesitzer nicht eine Unterstützung darin beanspruchen dürfe, daß ihm die gesetzliche Hand⸗ habe dazu gegeben werde, daß er sich in seinem Besitz erhalten könne, denn es sei volkswirtschaftlich ganz gleichgültig, ob A oder B der Besitzer eines Grundstückes sei; aber kein Geringerer als Professor Schmoller hat schlagend nachgewiesen, welchen Schaden es mit sich bringen müsse, wenn der Besitz nicht mehr in den Händen der Bauernfamilien bleibe, sondern mehr und mehr in die Hände von Städtern gerate, die ihn dann verpachten müßten. Er hat auf die Entwicklung in England hingewiesen, wo 95 % des Grundbesitzes von Pächtern bewirt⸗ schaftet werden. Wir unsererseits begrüßen die Vorlage und wünschen, daß sie alsbald Gesetz werde.

Abg. von Arnim (kons.): Ich stimme mit diesen Ausführungen im großen ganzen überein. Für mich hat die Vorlage lediglich einen agrarpolitischen Charakter, und ich kann sie nicht als einen Schlag ins Wasser ansehen; mag sie auch an sich nicht bedeutsam sein, so kann sie doch, wenn sie praktisch ausgebaut wird, in der Praxis bedeutsam werden. Es wäre verfehlt, sie abzulehnen, denn ich hoffe, daß sie zweckmäßig und befriedigend ausgebaut werden kann. Aber ich habe doch die Vorlage mit einem Gefühl der Enttäuschung, sogar der Bitterkeit empfangen. Sie hat eine Menge Vorstadien durchlaufen, und dabei hat die Regierung mehr in Aussicht gestellt, als jetzt tat⸗ sächlich geleistet wird. Die Frage wurde 1896 durch die agrar⸗ politische Konferenz angebahnt, die der Minister von Heyden nach Berlin berief, und die verschiedene Maß⸗ regeln vorschlug. Schon damals erschien eine Entschul⸗ dung nötig, weil durch den bedeutenden Preisfall der landwirt⸗ schastlichen Produkte eine bedrohliche Lage für die Landwirtschaft begann und durch die Caprivische Zollpolitik und seine sonstigen Maßregeln ich erinnere nur daran, daß er empfahl, eine recht erhebliche Quote abzustreichen verschärft wurde. Was wurde nicht

alles an agrarpolitischen Maßregeln seitdem für den verschuldeten

Grundbesitz vorgeschlagen! Und wenn nun als das positive Ergebnis nach zehnjährigen Beratungen dieses kleine Gesetz kommt, so begreift man ein gewisses bitteres Gefühl. Tatsächlich besteht eine hohe Verschuldung des Grundbesitzes, aber nicht nur beim Groß⸗ rundbesitz, sondern gerade beim bäuerlichen Besitz ist in den letzten ahren die Zunahme der Verschuldung übermäßig groß ge⸗ wesen; in sechs Jahren hat die durchschnittliche Uita rne der Ver⸗ schuldung bei Besitzungen mit landschaftlichen Schulden 30,3 % und bei nicht mit Landschaftsschulden behafteten 31,7 % be⸗ tragen, wie eine Statistik über einen Landesteil ergibt. Und diese Verhältnisse werden im großen ganzen auch für die übrigen Teile der Monarchie zutreffen. Daß gerade der bäuerliche Besitz der Verschuldung anheimfällt, ist eine bedrohliche Tatsache. Wenn meine Freunde überzeugt sind, daß auf der Leistungsfähigkeit des mittleren und kleinen Grundbesitzes in Verbindung mit dem Großgrundbesitz das Wohl der Landwirtschaft unseres Staates beruht, so ist es eine ernste Aufgabe des Gesetzgebers, an die Beseitigung der Schäden Hrne die aus der Verschuldung kommen. In den öst⸗ lichen Landesteilen ist die Verschuldung besonders groß, wie auch die Begründung der Vorlage ergibt; sie beträgt in Ost⸗ und Westpreußen durchschnittlich das 40,6 bis 42,6 fache des Kataster⸗ reinertrages, in Posen das 39 fache, in Pommern und Schlesien das 33 fache, in Brandenburg das 27,7 fache. Allerdings muß man bei einem Vergleich mit den mittleren Provinzen den Unterschied in den Taxen berücksichtigen; aber es ist doch zuzugeben, daß die veeehga so groß ist, daß an escorge gr Maßnahmen gedacht werden muß. u beachten ist, daß die Eintragung vom eigenen Antrage des Besitzers assasni ist, aber nicht die Löschung. Aus den Ausführungen des Ministers habe ich die Ueberzeugung ge⸗ wonnen, daß die Regierung die ernste Absicht hat, dem Grundbesitz m helfen. Aber ich bedauere mit dem Herrn von Buch aus dem Herrenhause, 5 die übrigen Maßnahmen der Regierung aus letzter Zeit nicht denselben Geist atmen. Die Erbschaftssteuer wird an die Grundbesitzer zu große Anforderungen stellen. Hoffentlich wird sich in der Kommission noch eine Form für den vorliegenden Gesetzentwurf la laffgg die auch all den geäußerten juristischen Bedenken Rechnung ragen wird.

Abg. Stull (Zentr.) spricht sich sympathisch über die Tendenz der Vorlage aus. Es solle dadurch unser Bauernstand erhalten werden, an dise Erhaltung die Sozialdemokraten eingestandenermaßen kein Interesse hätten. Auch die Linke des Hauses wolle ja an den Grund⸗ lagen des Staates nicht rütteln, und deshalb müsse sie mithelfen an der Erhaltung selbständiger Existenzen, gleichviel, ob dieselben der Land⸗ wirtschaft oder der Industrie angehören. Der praktische Nutzen dieser Vorlage sei, daß einmal ein Schritt, wenn auch nur ein kleiner und kurzer, in die Praxis hinaus gemacht werde. Sei man im allge⸗ meinen der Ueberzeugung, daß die Ueberschuldung vorhanden sei und man die Lage der Landwirtschaft abändern müsse, dann könne man doch nicht fortwährend die Hände in den Schoß legen und zusehen, wie ein Bauer nach dem andern von seiner Scholle abwandert. Der Gesetzentwurf sei eine Probe, um zu sehen, ob man auf dem einge⸗ schlagenen Wege fortfahren könne.

Abg. Broemel sfrf Vgg.): Beide Vorredner haben anerkannt, daß der Gesetzentwurf einen agrarpolitischen Zweck hat und nur ein Glied in einer Kette von gesetzlichen Maßregeln ist, die denselben Zweck haben. Es war mir interessant, zu erfahren, daß ursprünglich der Gesetzentwurf viel weitergehende Forderungen enthielt. Man spricht immer von der Verschuldung der Landwirtschaft und stellt sich wohl die Landwirtschaft persönlich als eine vollbusige Maid mit dem Aehrenkranz auf dem Kopfe vor; es handelt sich aber nicht um die Ver⸗ schuldung der Landwirtschaft, sondern um die Verschuldung der Grund⸗ esitzer. Die Statistik in der Begründung der Vorlage bezieht sich nur auf die Betriebe mit mehr als 60 Grundsteuerreinertrag, also nur auf 628 000 Betriebe. Der Hinweis darauf, daß gerade in den östlichen Provinzen 66 900 Bätriebe bis zu 40 % verschuldet sind, zeigt die Tendenz der Vorlage, die gegenwärtigen Besitzer in ihren stark ver⸗ schuldeten Stellen zu konzentrieren und zu erhalten. Die Vorlage ist nur eine Etappe in der agrarpolitischen Gesetzgebung und soll namentlich eine Aenderung des Erbrechts vorbereiten, die ja auch schon fortwährend in die Debatte hineingespielt hat. Dann hat diese anscheinend so harmlose Maßregel eine sehr große Bedeutung. Sie zeigt, wohin die Fahrt geht. Die Schulden rühren im wesentlichen nicht aus den Erbabfindungen, sondern aus gestundeten Kaufgelderresten her. Es handelt sich um eine künstliche Steigerung des Grundstücks⸗ wertes. Der Einfluß der Ansiedlungspolitik hierbei sondern gerade ein Interesse dagegen haben. Die Erhaltung eines ist oft genug besprochen worden; auch die ganze Wirtschaftspolitik, die Zollpolitik hat hier mitgewirkt. Es gibt auch Landwirte, die nicht nur kein Interesse an einer solchen Maßnahme, leistungsfähigen bäuerlichen Besitzes beruht nicht auf einer Steigerung des Grundstückswertes; hierdurch werden Hunderttausende von Erwerbung landwirtschaft⸗ lichen Besitzes, auf dem sie selbst wirtschaften könnten, abgehalten.

(üSchluß in der Zweiten Beilage.) 8

11“ ““

No. 105.

soe Professor Schmoller behauptet ja, die Erhaltung des Be⸗ s

(Sekundärbahnvorlage.)

(Landkreis Thorn,

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

tzesin den Händen der jetzigen Besitzer sei ein Vorteil. Das st doch aber nur eine Hypothese. Daß durch die Verschuldungs⸗ grenze die Zwangsverkäufe vermehrt würden, darüber ist man im Herrenhause ziemlich einig gewesen. Man kann sich nicht damit trösten, daß der Gesetzentwurf um so weniger schaden würde, je weniger Gebrauch von ihm gemacht würde. Die Bedenken des Abg. Glatzel verdienen bei der Kommissionsberatung Beachtung, namentlich der Hinweis darauf, daß derjenige, welcher eine Ver⸗ schuldungsgrenze eintragen läßt, sich einer gewissen Bevormundung unterwirft. Wir sind selbstverständlich bereit, an der Vorlage mit⸗ zuarbeiten, aber die Erhaltung des Grundbesitzes in den Händen stark verschuldeter Familien liegt durchaus nicht im Interesse des Staates. Die Schaffung unabhängiger Bauernstellen ist nur möglich, wenn die Grundstückspreise ermäßigt werden, und das muß das erste Ziel einer agrarpolitischen Gesetzgebung sein. Wir sind Freunde des Vater⸗ landes, wenn wir meinen, daß damit eine gesunde und zweck⸗ mäßige Verteilung des Grundbesitzes erreicht werden kann.

Abg. Dr. Heisig (Zentr.): Es gibt allerdings einige Bedenken, die auch von meinen Freunden geteilt werden und in der Kommission geprüft werden müssen. Mit der Erhaltung des Landgutes in der Familie sind wir einverstanden. Es müssen aber noch die Be⸗ dingungen für die Löschung der Verschuldungsgrenze festgestellt werden. Die Verlockungen zur Eintragung werden ja an die kleinen Landwirte durch Wanderlehrer ꝛc. stark herantreten. Der Gesetzentwurf sollte nur auf gewisse Landesteile erstreckt werden. 3

Abg. Dr. von Woyna I(fr. kons.): Der Redner der Freisinnigen Volkspartei hat die Vorlage so scharf angegriffen, wie sie es nicht verdient. Herr Broemel ist zwar entsprechend dem v Ge⸗ schlecht, dem seine Partei angehört, viel liebenswürdiger gewesen, aber seine Weltanschauung deckt sich doch mit der des Herrn Crüger, und deshalb können wir uns mit den Herren überhaupt nicht einigen. Sie stellen sich vor, daß der Grundbesitz den Besitzer soll wechseln können wie ein Spielpapier an der Börse Daß der deutsche Grund⸗ besitz jemals so mobilisiert werden sollte, davor möge uns Gott be⸗ wahren. Allerdings soll jeder selbst die Schulden bezahlen, die er macht, und wir müssen den Vorwurf ablehnen, als wollten wir unsere Schulden durch den Staat bezahlen lassen. Es wäre bedauerlich, wenn ein solcher sozialistischer Zug von der Rechten vertreten würde. Daß aber der Staat eine so wichtige Aktion unterstützt, ist nur seine Pflicht. Es gibt Familien, die eine große Bedeutung für unseren Staat gewonnen haben, und es wäre ein Unglück, wenn der Grundbesitz alle Monate wie ein Börsenpapier den Besitzer wechselte. Wir müssen ihn dauernd echalten, dadurch braucht noch keineswegs dem kleinen Mann erschwert zu werden, sich ansässig zu machen. Auch für diese Aktion sind schon Gesetze gemacht worden, aber die kleinen Leute machen nur keinen Gebrauch davon. Wir werden alle agrarpolitischen Maßnahmen unterstützen, die dazu dienen, den Grund⸗ besitz zu binden. Die Entschuldung ist ein geeignetes Mittel, und der Versuch hier wird nicht leichtsinnig gemacht, denn der Minister sagt ja, daß die Tische hier nicht für alle Denkschriften und Vorschläge ausreichen würden, und lange Jahre hat sich die Kreditkommission der preußischen Landwirtschaftskammern damit be⸗ schäftigt. Der A ist der bescheidene Extrakt aller dieser Arbeiten. Wir beschränken ihn auch auf einen kleinen Teil in

geographischer Beziehung, und deshalb soll man ihn nicht so herbe verurteilen. doktrinären Ansichten hilft man keinem Landwirt.

Unsere Rechtsentwicklung darf nicht starr bleiben, mit Ich beantrage die Ueberweisung des Entwurfs an eine Kommission von 21 Mitgliedern und hoffe, daß auch die Herren der Linken sich überzeugen werden, daß wir keine Utopien versuchen, ge; ves daß wir, auf dem Grund⸗ satz beharrend, daß jeder seine Schulden selbst zu bezahlen hat, all⸗ mäaählich eine Entschuldung der Landwirtschaft herbeizuführen gedenken.

Damit schließt die Diskussion. Die Vorlage wird einer

Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.

Schluß 2 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag, 11 Uhr.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.

Nr. 18 vom 2. Mai 1906.)

Vom 14. bis 20. April sind 50 neue Erkrankungen

(Aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“, 8 1 8 8

Aegypten.

3 Ln 44 Todesfälle) an der Pest festgestellt, davon 35 (34) in

echneh, 14 (9) in Samalut und 1 (1) in Wasta.

Hongkong. In der Kolonie sind in der Zeit vom 3. bis

17. März asgerlic 23 Personen an der Pest gestorben, davon 20 in

fen von Victoria.

ctoria und 1 im aneiro wurden vom 26. Februar

In Rio de

der Stadt V Brastlien.

bis 25. März 12 neue Erkrankungen und 6 Todesfälle an der Pest angezeigt.

Pest und Cholera.

Britisch⸗Ostindien. In Kalkutta starben in der Woche vom 18. bis 24. März 176 Personen an der Pest und 37 an der

Cholera. Gelbfieber. Es gelangten zur Anzeige in der Zeit vom 11. bis 17. März in

Oaxaca (Mexrko) 1 Erkrankung, in Merida 1 Erkrankung und

1 Todesfall. Aus P amtlich das Auftreten des Gelbfiebers gemeldet.

uerto Cortez (Honduras) wurde Ende März Nach den Veröffentlichungen des Gesundheitsamtes zu Rio de

Janeiro sind dort vom 26. Februar bis 25. März an Gelbfieber 9 Personen erkrankt und 5 gestorben.

Pocken. Deutsches Reich. Für die Woche vom 22. bis 28. April folgende Pockenfälle zur Anzeige gelangt: in Rudak Reg.⸗Bez. Marienwerder) bei dem Sohn eines Ziegeleiarbeitere, in Bellno (Kr. Schwetz) 3 Fälle nter landwirtschaftlichen Arbeitern, in Vandsburg (Kr.

Flatow) bei dem Sohn eines Hausierers, in Garz (Kr. Ruppin

Reg.⸗Bez. Potsdam) bei einer Schnitterin, in Stettin bei einer

E und einem Gymnasialschüler, in Gastfelde (Kr. Obornik, Reg.⸗Bez. kinde und seinem Oheim; in Hamburg sind einschließlich der für die Vorwoche mitgeteilten Fälle 4 russische Auswandererkinder an den Pocken erkrankt.

osen) bei einem aus Rußland gekommenen Rückwanderer⸗

In Mischlewitz (Kr. Briesen, Reg.⸗Bez. Marienwerder) sind, ie nachträglich festgestellt worden ist, in der Zeit vom 3. bis 1. April 3 Angehörige einer Maurerfamilie an den Pocken erkrankt, on denen 2 (die Ehefrau und ihr neugeborenes Kind) verstorben sind.

e

Neichsanze

Berlin, Freitag, den 4. Mai

Für die Woche vom 15. bis 21. April ist noch 1 Pockenfall bei einem sechsjährigen Knaben in Wollmeringen (Kr. Diedenhofen⸗ Ost, Bez. Lothringen) gemeldet worden.

Oesterreich. In der Zeit vom 15. bis 21. April sind im Ereischen Bezirk Freudenthal 2 in einer Hanfspinnerei be⸗ schäftigte Arbeiter und in Vorarlberg 2 russische Auswanderer als pocken krank gemeldet. . 1

Schweiz. In der Woche vom 15. bis 21. April wurde in den üateam Appenterl A.⸗Rhoden und Schwyz je eine Erkrankung estgeste

Brasilien. In Rio de Janeiro sind vom 26. Februar bis 25. März 1 Erkrankung und 1 Todesfall an den Pocken zur Anzeige

elangt. . Fleckfieber.

Oesterreich. Aus Galizien sind für die Zeit vom 8. bis 14. April nachträglich noch 46 und für die Zeit vom 15. bis 21. April

71 neue Erkrankungen gemeldet.

Niederländisch⸗Indien. Auf Madura sollen im Unter⸗ bezitk Tandjong⸗Boemi (Bezirk Sepoeloe) von Mitte Juli v. J. bis Ende Februar d. J. nach behördlichen Angaben 8147 Menschen an einer besonderen Seuche erkrankt und 1119 ihr erlegen sein. Die Art der Seuche konnte, da es an Aerzten fehlt, noch nicht festgestellt werden; man vermutet, daß es sich um Fleckfieber (Hunger⸗ typhus) handelt; wegen der Häufung der Sterbefälle konnten zeitweilig nicht alle Leichen begraben werden.

Genickstarre.

Schweiz. In der Woche vom 15. bis 21. April wurde je 1 Fall in den Kantonen Bern und Solothurn gemeldet.

Verschiedene Krankheiten.

Pocken: Moskau 3, Kalkutta 276 Todesfälle; New York 2, St. Peterburg 3, Warschau (Krankenhäuser) 5 Erkrankungen; Vari⸗ zellen: Budapest 24, New York 136, Wien 84 Erkrankungen;

leckfieber: St. Petersburg 3, Warschau (Krankenhäuser) 10 Er⸗ rankungen; Rückfallfieber: Moskau 4 Todesfälle; St. Peters⸗ burg 39 Erkrankungen; Genickstarre: Reg.⸗Bezirke Breslau 4, Düsseldorf 6, Köslin 3, Oppeln 14, Posen 6, ferner New York 27, Wien 3 Todesfälle; Reg.⸗Bezirke Arnsberg 8, Breslau 12, Düsseldorf 14, Köslin 6, Magdeburg 2, Münster 4, Oppeln 27, Posen 13, ferner New York 35, Wien 6 Erkrankungen; Rotlauf: Wien 32 Erkrankungen; epidemische Ohrspeichel⸗ drüsenentzündung: Reg⸗Bez. Gumbinnen 44, Wien 37 Er⸗ krankungen; Influenza: Berlin 6, London 43, Moskau 5, New York 11, St. Petersburg 9, Rom 6, Stockholm 2 Todesfälle; Nürnberg 22, Kopenhagen 43 Erkrankungen; Lungenentzün⸗ dung: Nürnberg 46 Erkrankungen; kontagiöse Augenentzün⸗ dung: Reg.⸗Bezirke Breslau 62, Magdeburg 82 Erkran⸗ kungen; Ankylostomiasis: Reg.⸗Bez. Arnsberg 19 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern und Röteln (Durchschnitt aller deutschen Berichtsorte 1886/95: 1,15 %): in F. Liverpool Erkrankungen wurden gemeldet in Nürnberg 68, Hamburg 60, Budapest 170, Kopenhagen 155, New York 1809, St. Peters⸗ burg 86, Prag 28, Wien 437; desgl. an Keuchhusten in Gleiwitz Erkrankungen kamen zur Anzeige in Nürnberg 30, Hamburg 25, Budapest 40, Kopenhagen 35, New York 36, Wien 90; ferner wurden Erkrankungen angezeigt an Scharlach in Berlin 32, Breslau 20, Hamburg 28, Budapest 31, Edinburg 25, London (Krankenhäuser) 288, New York 229, St. Petersburg 85, Stockholm 25, Wien 93; desgl. an Diphtherie und Krupp in Berlin 46, Breslau 44, im Reg.⸗ Bez. Düsseldorf 127, in Hamburg 26, Budapest 35, Christiania 42, London (Krankenhäuser) 94, New York 334, St. Petersburg 78, Stockholm 28, Wien 93; desgl. an Typhus in New York 29, St. Petersburg 87. 8

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie“.)

Rußland.

Einlaß von Passagiergut in Postpaketen. Auf die Frage eines Zollamts, eah welcher Frist Passagiergut in Post⸗ paketen gemäß den Bestimmungen des Zollzirkulars vom 16. Juli 1904, Nr. 19 014, zollfrei eingelassen werden kann, hat das Zoll⸗ departement erklärt, daß nur dasjenige Passagiergut auf Grund des aufgeführten Zirkulars zollfrei einzulassen ist, das deutliche Anzeichen des Gebrauchs trägt (Art. 719 des Zollustaws) und den Reisenden unmittelbar, d. h. innerhalb der Zeit folgt, die erforderlich ist, um die Sachen von dem Ort ihrer Absendung nach Rußland zu schaffen. (Zirkular des Zolldepartements vom 1. März 1906, Nr. 4260.)

Gebührenfreiheit für die Uebersendung von Paketen an die Zensur⸗ und Probieranstalten. Nach einem Zirkular der Hauptpost⸗ und Telegraphenverwaltung vom 21. Februar 1906, Nr. 8293, ist die Uebersendung der aus dem Auslande eingehenden Pakete, und zwar sowohl der leichtwiegenden (colis postaux) wie der ewöhnlichen (colis de messagerie) von den Zollämtern an die Probier. und Zensuranstalten und zurück Postdienstsache, wofür keinerlei Postgebühren zu erheben sind. 1. März 1906, Nr. 4267.)

Stempelfreiheit für Zollinhaltserklärungen zu aus⸗ ländischen Postpaketen. Auf eine Anfrage, ob beide Exemplare der Zollinhaltserklärungen, von denen ausländische Postpakete begleitet sein müssen, der Stempelsteuer unterliegen oder nur das eine Exemplar, das an die Postanstalten geht, hat das Zolldepartement im Einver⸗ nehmen mit dem Departement für direkte Steuern erklärt, daß das eine Exemplar solcher Erklärungen als für die Postanstalten bestimmt auf Grund des Art. 72, P. 17, des Stempelsteuergesetzes der Stempel⸗ steuer nicht unterliegt, aber auch das andere Exemplar, da es lediglich für die zollamtliche Besichtigung, die besonders im behördlichen Interesse eingeführt ist, dient, auf Grund des Art. 62, P. 4, des Stempel⸗ steuergesetzes von der Stempelsteuer befreit ist. (Zirkular des Zoll⸗ departements vom 7. März 1906, Nr. 4921.)

Einfuhr von Jagdwaffen. Da sich bei Anwendung des Gesetzes vom 24. November 1905, wodurch die Einfuhr von Waffen, außer Jagdwaffen usw., verboten ist, Zweifel ergeben haben, welche Waffen als Jagdwaffen anzuseben sind, so hat das Zolldepartement auf Grund von Gutachten des Polizeidepartements bekannt gemacht, daß unter Jagdwaffen, deren Eiafuhr gestattet ist, Gewehre mit glattem Lauf zu verstehen sind und daß Revolver und Pistolen auf keinen Fall als Jagdwaffen angesehen werden können. (Zirkular des Zolldepartements vom 10. März 1906, Nr. 5147.)

(Zirkular des Zolldepartements vom

Vereinigte Staaten von Amerika. Konsulatsfakturen. Durch Verordnungen des Präsidenten

der Vereinigten Staaten von Amerika vom 1. März 1906 sind die

§§ 678 und 680 der Consular Regulations abgeändert, wie folgt: § 678. Wo die Fakturen für gekaufte Waren zu be⸗ glaubigen sind. Fakturen für Waren, die für die Ausfuhr nach

iger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger. 1

1906.

8 Anlage

den Vereinigten Staaten gekauft worden sind, müssen zur Beglaubi⸗ gung dem Konsul des Bezirks vorgelegt werden, in welchem die Waren gekauft wurden, oder in dem Bezirk, in welchem sie hergestellt wurden, aber in der Regel sollen die Konsulatsbeamten nicht die persönliche An⸗ wesenheit des Versenders, Käufers, Herstellers, Eigentümere oder seines Agenten an ihrer Amtsstelle zum Zwecke der Abgabe von Erklärungen zu den Fakturen verlangen, sondern sie sollen die Fakturen beglaubigen, wenn sie ihnen durch die Post oder durch Boten zugesandt werden.

Zur Erfüllung der Gesetzesvorschrift, welche fordert, daß eine Ware.

fakturiert werden soll mit dem Marktwerte oder dem Großhandels⸗ reis, zu dem sie in gewohnten Großhandelsmengen zur Zeit der usfuhr nach den Vereinigten Staaten an den hauptsächlichen Markt⸗ plätzen des Landes, woher sie eingeführt wird, gekauft und verkauft wird, sollen die Konsuln in allen Fällen, wo die Fatktura zur konsu⸗ larischen Beglaubigung in einem anderen Lande vorgelegt wird, als in demjenigen, von dem die Ware unmittelbar nach den Vereinigten Staaten ausgeführt wird, den Fakturen eine Bescheinigung beifügen über die hinzukommenden Kosten der Beförderung vom Herstellungs⸗ orte nach dem Versendungsorte. § 680, Wie Faktura und Deklaration geprüft werden soll. Wenn die Faktura und Deklaration dem Konsul zugeht, so ist es seine Pflicht, jede Einzelheit sorgfältig zu prüfen und sich zu überzeugen, daß sie wahr und richtig ist. Zur Erleichterung dieser Prüfung soll es die Pflicht des betreffenden Konsulatsbeamten sein, sich mit offiziellen Handelskammern und anderen Hanbelsorgant⸗ sationen seines Bezirks in Verbindung zu setzen, und er soll jede Mitteilung von solchen Handelskörperschaften und „organisationen, die ihm schriftlich unterbreitet wird, zusammen mit allen Preis⸗ verzeichnissen, die ihm offiziell zu diesem Zwecke geliefert werden, einsenden, und der Konsul ist ermächtigt, nach seinem Ermessen die Rechnungen über Waren zu verlangen, die für die Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten gekauft worden sind, den Herstellungepreis solcher Waren zu ermitteln, die nicht durch Kauf erworben wurden, Proben zu fordern und, wenn die Verhältnisse es bedingen, die ganze Sendung zu prüfen. Wenn eine Faktura zur Bescheinigung vorgelegt wird, die Sammelsendungen von Erzeugnissen verschiedener Hersteller umfaßt, darf der Konsul die Vorlage der darauf bezüglichen Rechnungen der Hersteller fordern. Selbst wenn die Ware für die Ausfuhr gekauft ist und die Faktura wirklich den gezahlten Preis angibt, soll der Konsul ermitteln, ob der Preis den Marktwert der Ware darstellt.

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8 Gewinnung von Roheisen mit Elektrizität in Canada.

Im Jahre 1904 hatte die canadische Regierung eine Kommission nach Europa gesandt, um die Erfolge zu stadieren, die in schwedischen, französischen und italienischen Werken bei Versuchen der Herstellung von Roheisen mit Hilfe des elektrischen Stromes erzielt worden waren. Nach dem von dieser Kommission erstatteten Berichte sollte es möglich sein, Eisen auf diesem Wege billiger herzustellen als im Hochofen, zumal wenn der erforderliche elektrische Strom mit Hilfe von Wasser⸗ kraft gewonnen würde. Mit Hinblick auf die großen, noch unberührt daliegenden canadischen Eisenerzlagerstätten, besonders in den Provinzen Ontario und Quebec, und auf die reichlich vorhandene Wasserkraft be⸗ schloß darauf die canadische Regierung, in Sault St. Marie, am Aus⸗ fluß des oberen Sees in den Huronsee, Versuche mit der Roheisen⸗ gewinnung durch Elektrizität anstellen zu lassen. Mit der Leitung wurde der Vorstand der neuerrschteten Berawerksabteilung im Ministerium des Innern Dr. Haanel, betraut. Für Canada war der Versuch insofern von besonderem Interesse, als einerseits der Bedarf des Dominiums an Stahl in schnellem Wachsen begriffen ist, anderer⸗ seits aber die Haupteisenlager sich an den großen Seen in der Mitte des Dominiums befinden, während Kohle hauptsächlich im äußersten Osten und Westen, in Neu⸗Schottland und Brit sch⸗Columbien, ge⸗ funden wird. Dazu kommt, daß die canadischen Eisenerze zum großen Teil stark schwefelhaltig sind. Für die Nutzbarmachung der canadischen Eisenlager war es daher von großer Wichtigkeit, ein neues Schmelz⸗ verfahren ausfindig zu machen. Dr. Haanel machte nun vor kurzer Zeit in einem in Toronto gehaltenen Vortrag Mitteilungen über das Ergebnis seiner Versuche. Danach hat sich herausgestellt, daß sich aus dem schwefelhaltigen Eisenerz, das in Canada vorkommt, mit Hilfe des elektrischen Stromes brauchbares Reheisen billiger herstellen läßt als in Hochöfen unter Verwendung von Koks. (Bericht des Kaiserlichen Konsulats in Montreal.)

an Maschinen usw.

Konzessionserteilung und Bedarf Asphalt usw. in

e für die Gewinnung von Petroleum, Venezuela.

Nach einem Bericht des britischen Vizekonsuls in Carracas hat die Regierung von Venezuela dem Dr. V. B. Aramburü (Wohnort nicht enannt) die Genehmigung erteilt, im Delta des Orinoco vorhandene Lager von . Asphalt, Bitumen, bituminösem Pech und anderen ähnlichen Substanzen auszubeuten und die gewonnenen Produkte aus⸗ zuführen. Die Konzession gilt zunächst für 15 Jahre und ist auf ein Gebiet beschränkt, welches sich von der Mündung des „Cano“* (Wasserlauf) Vagre bis zu derjenigen des „Casio“ Cocuina (beide am Golf von Paria) erstreckt und durch eine 2 Seemeilen von der Golf⸗ küste zu dieser parallel laufende Linie begrenzt ist. 25 % des Rein⸗ gewinns muß der Konzessionsinhaber an die Regierung abführen. Die zur Ausbeutung der Läger und Ausfuhr der Produkte erforderlichen Maschinen, Apparate, Boote und sonstigen Materialien dürfen einmal zollfrei eingeführt werden. (Nach The Board of Trade Journal.)

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Ausschreibu g

von Elektrizitätswerken in Oesterreich⸗ Ungarn. Der Gemeindevorstand in Kis⸗Tapolcsäny (Ungarn) hat die Errichtung von Elektrizitätswerken beschlossen.

Die Stadtverwaltung von Felsö⸗Bänya (Ungarn) beabsichtigt die Einführung elektrischer Beleuchtung für die Stadt.

Der Landesausschuß der Stadt Waidhofen (Oesterreich) hat be⸗ schlossen, zwecks Errichtung von Elektrizitätswerken eine Anleihe von 40 000 Kronen aufzunehmen. (Commercial Intelligence.)

Lieferung von Oelleinwand aus Flachs und Hanf für die italienische Marine, in 2 Losen von 100 195 Lire und 139 185 Lire. Kaution: 10 019 Lire und 13 918 Lire. Die Sub⸗ missionsverhandlung wird am 14. Mai 1906, Vormittags 11 Uhr gleichzeitig bei dem Ministerio della marina (sezione contratti- in Rom und bei den Generaldirektionen der Königlichen Arsenale in Spezia und Neavpel stattfinden. Die näheren Bedingungen liegen bei den genannten Behörden und bei den Generaldirektionen der König⸗ lichen Arsenale in Venedig und Taromto zur Einsicht aus. (Gazzetta Ufficiale del Regno d'ltalia.)

Spanien. Der Bau und Betrieb einer elektrischen Straßen⸗ bahn von Sarriâ bis zum Vallvidrera⸗Gebirge (Barcelona) soll am 28. Juni 1906, Mittags, durch die Direcciön general de Obras

üblicas in Madrid vergeben werden. Kaution: 5352,05 Pesetas. in Gesuch der Compänia ferrocarril de Sarriâ à Barcelona liegt bereis vor. 8 ““ (Gaceta de Madrid.) 8

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