1906 / 110 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 May 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Ausgabe.

——

Gesamtbetrag.

897 117 1 336 53 1 819 96

37 534 380

Betrag der baren Gewinne.

638 450

1 077 864 1 561 296 2 126 728 37 534 380

der Freilose.

258 667 258 667 258 667 258 667

Ueberhaupt 43 973 386

Vorstehender Plan der 215. Königlich preußischen Klassenlotterie, von dem vollständige, mit den näheren Erläuterungen versehene Druckexemplare bei sämtlichen König⸗ lichen Lotterieeinnehmern unentgeltlich zu haben sind, wird zur Ausführung gebracht, und es wird mit der Ziehung der ersten Klasse dieser Lotterie am 9. Juli d. J. der An⸗ fang gemacht werden. Die Ausgabe der 8 erster Klasse dieser Lootterie wird seitens der gedachten Einnehmer nicht vor dem ersten Tage nach beendigter Ziehung der fünften Klasse 214. Lotterie erfolgen.

Berlin, den 12. Mai 1906.

Königliche Generallotteriedirektion. Strauß.

Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für das Landheer und die Fefgeaen und für Rechnungswesen, der Ausschuß für Handel und Verkehr sowie die vereinigten Aus⸗ schüsse fuͤr Justizwesen und für Handel und Verkehr Sitzungen.

9 1

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist der heimkehrende Transport der von S. M. S. „Condor“ abgelösten Besatzung mit dem R⸗P.⸗D. „Scharnhorst“ gestern in in Fremantle (Westaustralien) eingetroffen und hat an dem⸗ selben Tage die Reise nach Colombo (Ceylon) fortgesetzt. 3 S. M. S. „Seeadler“ ist vorgestern in Tanga ein⸗ getroffen.

S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ ist am 7. Mai in Hong⸗ kong eingetroffen.

8 Bayern. 2

Die Abgeordnetenkammer hat gestern den Antrag ange⸗ nommen, die Regierung aufzufordern, im Bundesrat eine Revision des Weingesetzes zu erwirken, welche die ein⸗ heitliche Regelung der Weinkontrolle in allen Bundesstaaten durch Sachverständige im Hauptamt, die Einführung der Buch⸗ kontrolle durch Führung eines Lagerbuchs und die Beschränkung des Zuckerwasserzusatzes vorsieht.

In der Debatte gab der Minister Graf von Feilitzsch, laut Bericht des „W. T. B.“, die Erklärung ab, daß er beim Reichsamt des Innern neuerdings die Angelegenheit betreiben werde, wenn auch die Kammer der Reichsräte dem Antrag zustimme.

Baden.

Seine Majestät der Kaiser und König ist, „W. T. B.“ zufolge, von Donaueschingen gestern mittag in Karlsruhe eingetroffen. Zum Empfange Allerhöchstdesselben waren auf dem Bahnhofe erschienen Seine Königliche Hoheit der

Seine Großherzogliche Hoheit der ax von Baden, der preußische Gesandte von Eisendecher, der General von Müller, der Stadtkom⸗ mandant Freiherr von Reibnitz u. a. Nach der Begrüßung begaben Sich Seine Majestät der Kaiser und Seine Königliche Hoheit der Großherzog im offenen Wagen nach dem Schloß, wo Seine Majestät von Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin und dem Hof⸗ staat empfangen wurden. Darauf fand im Schlosse Fürsten⸗ und Marschalltafel statt. Gegen 5 Uhr reiste Seine Majestät der Feissr⸗ von Ihren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Großherzogin zum Bahnhof geleitet, nach Straßburg i. E. ab.

6 Elsaß⸗Lothringen.

Seine Majestät der Kaiser und König ist gestern abend 6 Uhr 20 Minuten mit den Herren des Gefolges in

Straßburg i. E. eingetroffen und auf dem Bahnhof nach einer Depesche des „W. T. B.“, von dem Statthalter Fürsten u Hohenlohe⸗Langenburg, dem Staatssekretär von Köller, dem Iennh eeee General Ritter Hentschel von Gilgenheimb, dem Gouverneur, General von Moßner, dem Polizeipräsidenten Dall, dem Chef Allerhöchstseines Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rat Dr. von Lucanus und dem Chef des Militär⸗ kabinetts, Generalleutnant Grafen von Hülsen⸗Haeseler empfangen worden. Von Husaren eskortiert, fuhr Seine Majestät mit dem Fürsten zu Hohenlohe nach dem Kaiserpalaß⸗, wo ein Diner stattfand, zu dem die Spitzen der Zivil⸗ und Militär⸗ behörden, des Landesausschusses und des Staatsrats geladen waren. Heute vormittag fuhr Seine Majestät der Kaiser nach St. Pilt, um von dort aus die Hohkönigsburg zu besuchen.

Deutsche Kolonien.

Der Kaiserliche Bezirksamtmann Senfft in Jap berichtet über eine Rundreise durch die Westkarolinen und Palau⸗ inseln, wie das „Deutsche Kolonialblatt“ mitteilt, folgendes:

Nachdem am 31. Oktober 1905 der Kabeldampfer „Stephan“ eine sämtlichen Arbeiten in Jap erledigt hatte und nach Schanghai urückgekehrt war, konnte ich die längst notwendig gewordene Dienst⸗ reise durch meinen Bezirk antreten. a der Regierungsschuner infolge der ihm durch die Taifune erwachsenen Aufgaben unentbehrlich war, benutzte ich den Schuner der Firma O’'Keefe, auf dem ich mich am 2. November v. J. früh einschiffte. Noch an demselben Abend wurde

bei der Nordinsel des Atolls Ngulu geankert; am folgenden Tage wurden die südlichen Inseln erreicht. Hier hatte sich vor sechs Monaten ein junger Spanier niedergelassen, um Trepang zu fischen.

Setitet ein ziemlicher Reichtum an Trepang in guter Qualität vorhanden ist, war seine Ausbeute doch nur gering, weil die Lager zu tief sind, als daß sie ohne Apparat wirksam bearbeitet werden könnten. Zudem gestatten die sonst sehr gutartigen Eingeborenen aus abergläubischen Gründen die Zubereitung nur auf einer Insel des umfangreichen Atolls. Am 4. November wurde die Reise bei sehr schwerem Wetter fortgesetzt und die Palaugruppe am 8. Abends er⸗ reicht. Wir ankerten am Osteingang der Aremispassage und benutzten s am folgenden Tage zu der Fahrt nach Korror. Diese Einfahrt st viel breiter und schöner, als die allgemein benutzte zur Insel Malakal. Nur am Westausgang stößt man auf eine Anzahl Untiefen, die aber selbst zum Aufkreuzen genügend Raum bieten.

Am 9. landete ich auf der Insel Korror und blieb dort bis zum 16., während der Schuner nach dem Norden der Gruppe fuhr, um dort Waren zu löschen. Die politischen Verhältnisse wurden von dem Stationsleiter Winkler als wenig erfreulich bezeichnet. Besonders setzt die Bevölkerung seinen Maßnahmen zur Vernichtung der noch nicht übermäßig herrschenden Schildlauskrankheit einen hartnäckigen passiven Widerstand entgegen. Das einzige, was verlangt wird, besteht in dem Abschlagen und Verbrennen der befallenen Blätter, eine Arbeit, die nicht länger als eine Stunde wöchentlich in Anspruch nimmt, aber auch das wird nicht getan. Dazu gesellt sich eine Agitatlon der einflußreichen Zauberer, der sogenannten „Kalis“. Meine früheren Wahrnehmungen über das beispiellose, vor keinem Mittel haltmachende Streben, reich zu werden, fand ich bestätigt. Zur Illustrierun dessen mögen folgende Tatsachen Platz finden: Der Oberhauptling Araklei von Mologejok, ein halb tauber und halb blinder, alter und reicher Mann, unternimmt trotz schmerz⸗ hafter Krankheit bei stürmischem Wetter eine Fefehth anufahrt von sechs Stunden Dauer zu einem kleinen Fest, nur weil er dort ein Geldgeschenk von 10 Wert zu erwarten hat. Der höchste Häupt⸗ ling Aibasul, ein an das Haus gefesselter Greis, der schon mit einem Bein im Grabe steht, läßt sich einen angesehenen Japinsulaner

Jkommen und befragt ihn, ob er nicht eine Zauberei verstände, mittels

deren man recht viel Geld gewinnen könnte. Altes schmutziges Palau⸗ geld, das bekanntlich aus Glas, Porzellan, gebrannter Erde und ähn⸗ lichem Material besteht, kochen sie aus und streichen die unsaubere Brühe den Kindern auf den Kopf oder lassen sie trinken, damit die Kinder reich werden. Kurz vor dem Tode des Vaters umstehen ihn die Kinder und ergehen sich in herzzerreißenden Klagen, aber in dem⸗ selben Augenblick, in welchem er den letzten Atemzug getan hat, wird das ganze Haus des Verstorbenen fieberhaft durchsucht und die Umgebung nach seinen Schätzen umgegraben. Bald darauf stellen sich die Dörfler ein, um den etwa vorhandenen Vorrat des Toten an Melasse aus⸗ zutrinken. Selbst bei der großen Gastfreundschaft, die schließlich doch auf Gegenseitigkeit beruht, berechnet der Wirt gewissenhaft den Wert des Fisches oder des Taros, die sein Gast verzehrt. Bei der Geburt eines Knaben herrscht Enttäuschung, denn durch ein der Prostitution zu überlassendes Mädchen kann Geld verdient werden. Hiermit komme ich auf die zweite minderwertige Eigenschaft der Palauer, das ist ihre große Schamlosigkeit und Unsittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung. Nicht nur, daß Kinder von den eigenen Eltern, selbst von den reichen Häuptlingen schon vor der Geschlechtsreife prostituiert werden, die Eltern legen sich auch in Gegenwart ihrer Kinder, weder im Gespräch noch in ihren Handlungen, die geringste Zurückhaltung auf. Als dritte säslich⸗ Eigenschaft tritt noch die, selbst für Eingeborene ungewöhnliche, eesge hervor. Sie bauen zwar gute Häuser und Fahrzeuge und haben auch Leistungen auf dem Gebiete des jetzt allerdings mehr und mehr vernachlässigten Kunst⸗ handwerks aufzuweisen, sonst aber überlassen sie die gesamte Arbeit, in erster Linie den Feldbau, den Frauen, während die Männer den anzen Tag mit Faulenzen verbringen, denn die Arbeit schändet in e Augen. Trotz ihrer Geldgier borgt ein zu Geldstrafe Ver⸗ urteilter die nötige Summe lieber zu dem höchsten Zinssatz, als daß er die für den Fall des Unvermögens festgesetzte Strafarbeit leistet.

„Es liegt auf der Hand, daß der Stationsleiter bei solchem Charakter der Bevöftlrang mit den Mößten Schwierigkeiten zu ringen hat und daß nur bei intensivster Arbeit und Energie ihm Erfolge beschert werden, zumal er mit einer kleinen Polizeitruppe aus jungen Männern allein in diesem Kampfe steht. Immerhin ist die Prostitution, die Hunderte von ädchen und Frauen bei einer nur 3000 Köpfe zählenden Bevölkerung einem gesunden Familien⸗ leben entzog, gänzlich aufgehoben und die Schildlauskrankheit derartig eingedämmt, daß ihr vollständiges Erlöschen erwartet werden kann. In einer Häuptlingsversammlung hielt ich der Bevölkerung ihr Spiegelbild vor und stellte da alle Ermahnungen in Güte nichts genutzt haben, die strengsten Maßregeln in Aussicht. Zwei Zauberer, die gegen die Verwaltung agitierthatten, wurden mit Gefängnis⸗ strafen belegt, der Häuptling der Insel Piliu, der berüchtigtste Lieferant von Weibern für die Klubs, auf dessen Insel sich kaum eine Frau befinden soll, die er nicht bereits der Prostitution zugeführt hatte, wurde abgesetzt. In einer Strassache wegen Mordes wurden die drei Mörder zum Tode verurteilt, zwei von ihnen, die zweifel⸗ los nur unter dem Einfluß des dritten, eines Zauberers, das Verbrechen begangen hatten, glaubte ich begnadigen zu sollen, dagegen ließ ich den dritten öffentlich erschießen. Die Ver⸗ handlung hatte erwiesen, daß Morde durchaus nicht zu den Selten⸗ heiten gehören und daß bei einem niedrigen Mann schon der Besitz eines wertvollen Geldstücks genügte, um sein Leben zu gefährden, wie denn überhaupt der gewöhnliche Palauer von dem höher stehenden rücksichtsles ausgebeutet wird. Das ist natürlich auch ein Grund, der die Entwicklung des Landes beeinträchtigt, denn der Schutzlose wird nur das bauen, was er für sich gerade nötig hat. wei Umstände kommen der Regierungsstation zugute. Einmal hat e die Frauen zu Freunden aus Dank für die Abschaffung der Pro⸗ stitution, und dann fühlen sich die Oberhäuptlinge sicher, die in früheren Zeiten der Landessitte gemäß umgebracht wurden, wenn sie zu lange lebten, meist auf Betreiben des in der Würde folgenden Bruders, denn die Brüder konnten die Zeit nicht erwarten, sich in den Besitz des Häuptlingsvermögens zu setzen. Leider haben die Häuptlinge auch kaum ein anderes Interesse als den des Gelderwerbs, sie sind meist alt, stumpf und energielos. Als Grund⸗ stück für die Kaiserliche Station habe ich den Südwestzipfel der Insel Korror erworben. Sie liegt dort in der Mitte der ganzen Gruppe in beherrschender Stellung, dicht bei dem Hafen, ein Abkommen mit dem Boot ist bei jedem Wasser möglich, das Terrain ist eben und gibt sehr reichlichen Platz, auch die Kriegsmarine kann dort Landexerzitien in größerem Umsange vornehmen.

Am 16. November schiffte ich 1 wieder ein und segelte nach dem Atoll Oleei, das ich nach anfangs recht stürmischem Wetter am 26. erreichte. Der Kokosbestand auf Oleei war normal, die Rattenplage seit den vor zwei Jahren getroffenen Vertilgungsmaßregeln vermindert. ziehung des Polizeisoldatenpostens, der die Beobachtung dieser Maß⸗ regel zu überwachen hatte, war aber nichts wieder geschehen, und man hatte wieder begonnen, den verderblichen Sauertoddy zu trinken. In

dem Zustand völliger Trunkenheit hatte ein Eingeborener einen . anderer Länder sein.

Jap genommen und später Vorschlag gewesen; aber es sei möglich, das Uebel der Ausgaben

Händler erst mit einem langen Messer, sodann mit einem Speer bedroht. Der Täter wurde mit nach dort abgeurteilt. Nach einem Gerücht sollte vor drei Jahren ein

australischer, auf Oleei für eine Japfirma tätiger Händler, obschon

alt und gebrechlich, keines natürlichen Todes gestorben sein. Ich Englands zu Japan und Frankreich hin.

stellte deshalb eine umfangreiche Untersuchung an Ort und Stelle an, die auch schwerwiegendes Material zutage förderte. der Händler von einem Sonsol⸗Eingeborenen im Bett ö betäubt und dann erwürgt worden. at des Händlers Wirtschafterin, eine Landsmännin des Mörders, geleistet. Weitere Zeugen sollten sich auf den Inseln

Lamutrik und Satuwal befinden. Die zur Hauptverhandlung nötigen n, 2 die Verteidigung ihrer Gebiete für notwendig erachten.

Zeugen mußten sich einschiffen. Das Mörderpaar befindet sich z. Z. auf den Palau. In einer Volksversammlung brachte ich alles Nötige zur Sprache und teilte mit, daß von neuem ein Polizist mit weit⸗ gehenden Befugnissen zurückgelassen würde.

Seit der Ein⸗ 1 .8 Resolution würde nicht etwa aus gegensätzlicher Gesinnung zur Re⸗

Amendement ein, in dem erklärt wird, daß das Haus sich auf

Beistand

Wegen Unterlassung des Baumschutzes gegen Ratten und wegen Genusses des Sauertoddys wurden Naturalft 8Co0o“

Am 28. November wurde der Kurs nach der Insel Lamutrik genommen und drei Tage später dort geankert. Auch hier hatte ich Gelegenheit zu sehen, daß früher getroffene Anordnungen zum Schu der Palmen und das Verbot des Sauertoddytrinkens verschiedentli unbeachtet geblieben waren; es ist fteilich eine betrübende Erscheinung, daß der weiße Händler den Eingeborenen, was das Trinken anbetrifft, mit einem sehr schlechten Beispiel vorangeht. Bei einem Gang durch die Insel wurden an vier Palmen Schildläuse entdeckt, die Bäume wurden gesäubert und der Häuptling in Zukunft dafür verantwortlich gemacht, daß die be⸗ fallenen Blätter verbrannt werden. Lamutrik wurde am 3. Dezember Vormittags verlassen. Gegen Mittag wurden zwei roße Ringe um die Sonne beobachtet, eine seltene Erscheinung. Das Barometer fiel, das erwartete schwere Wetter blieb aber aus. Dafür wurden wir in der Nacht 30 Seemeilen südlich versetzt, sodaß wir erst am 5. Dezember Satuwal erreichten. Dieser Insel hatte ich bisher keinen Besuch machen können. Sie ist etwas höher als die üblichen Atoll⸗Inseln, von einem Riff umgeben, das steil abfällt, und ohne Ankerplatz Die Güts t Eingeborenenbevölkerung besteht aus 81 Männern, 69 Frauen, 37 Knaben und 37 Mädchen und spricht so⸗ wohl die Sprache der Bewohner von Lamutrik und Oleei wie auch die der benachbarten Ostkaroliner, die sie unter sich anwendet. Auf Satuwal ist der Uebergang zwischen West⸗ und Ostkarolinen auch deutlich an einzelnen Gebrauchsgegenständen, wie dem Gelbwurz⸗ pulver und den für Truk charakteristischen togaähnlichen Ueberwürfen oder Burnussen zu bemerken. Satuwal ist eine kleine hübsche Insel, die etwa 35 000 kg Kopra liefert, mit gesunden Palmen und verschiedenen Arten Brotfruchtbäumen, Pandanus, Taro, Cysto⸗ sperma und ähnlichen auf Korallenboden gedeihenden Pflanzen bestanden. In der Mitte liegt ein kleiner, augenscheinlich künstlich ausgehobener See mit schwach brackigem Wasser. Bananen sind vorhanden, ihre Früchte werden aber nicht gegessen, sondern ver⸗ graben, weil der Aberglaube herrscht, daß der Genuß von Bananen den Fischfang unmöglich mache. An Krankheiten wurden nur Ringwurm und Elephantiasis bemerkt. Auf Satuwal lebt seit 10 Jahren ein Hamburger, der für eine Handlung in Jap Kopra eintauscht. Die beiden in der Mordsache benötigten Zeugen wurden gefunden und an Bord genommen.

Noch am Nachmittage des Ankunftstages segelte ich ab, um der unbewohnten Insel Grimes einen Besuch zu machen. Sie ist den Eingeborenen unter dem Namen „Gaferut“ bekannt, aber nie besucht worden. Sie bezeichnen sie mit dem Zunamen die Teufelsinsel“ und fürchten, in ihre Nähe zu kommen. Sie konnten aber keine nähere Erklärung für ihre Furcht angeben, auch von der Schiffsbesatzung hatte sie noch keiner gesehen. Die Insel wurde am 5. Dezember nach Einbruch der Dunkelheit erreicht, es wurde aber kein Ankergrund gefunden. Der Kapitän setzte deshalb einige Leute an Land, die während der Nacht ein Feuer uünterhalten sollten, damit sich das Schiff in dessen Nähe halten könnte. Bei Tagesanbruch fuhr ich an Land. Die Admiralitätskarte bezeichnet Grimes als hoch, in Wirklichkeit handelt es sich aber nur um eine flache Sandbank, die sich nur teilweise bis etwa 2 m erhebt. Als einzige Vegetation ist eine Mangroven⸗ art zu nennen. Augenscheinli ist vor einigen Monaten ein starcker Sturm über die Insel dahingegangen, denn die meisten Bäume waren ihrer Aeste beraubt, viele besonders starke Exemplare ganz entwurzelt. Die Fauna besteht aus zahllosen Seevögeln, die ihre losen Nester teils auf den Bäumen, teils auf der flachen Erde bereitet hatten, aus Kokoskrabben und, nach den Spuren zu schließen, aus großen Schildkröten, die aber be⸗ kanntlich die Insel nur zur Nachtzeit besuchen. Die Vögel waren so wenig scheu, daß sie sich mit den Händen greifen ließen. Gaferut ist, einschließlich Riff, etwa 1300 m lang, ohne Riff 600 Schritt lang, 300 Schritt breit; ein Ankerplatz wurde auch am Tage nicht 1,

m 8. Dezember wurde die Insel Feis erreicht. Hier konnte ich die erste Volkszählung vornehmen, die 300 Seelen ergab, und zwar 129 Männer, 108 Frauen, 39 Knaben und 24 Mädchen, und konnte feststellen, daß sich keine besondere Rasse blondhaariger, blauäugiger Bewohner vorfindet. Was als blaue Augen bezeichnet worden ist, stellt sich als der Greisenbogen (Trübung der Hornhaut bei alten Leuten) dar. Wie schon bei meinem ersten Besuch, erwiesen sich die Bewohner als äußerst freundliche, aufmerksame und friedfertige Menschen, und als nach der Volks⸗ zählung die Frauen und Mädchen mit einem Juchzer aus⸗ einanderstoben, hielt es der Sprecher des Häuptlings für an⸗ Feigt. die Bemerkung zu machen, ich möchte das Benehmen den Wei ern nicht übelnehmen, sie seien mit den Sitten der Weißen nicht bekannt und deshalb unhöflich. Bei der Rückfahrt nach dem Schiff wurde ich von einer größeren Anzahl Kanus begleitet. Die Kokos⸗ palmen befanden sich in guter Verfassung, Schildläuse wurden nicht bemerkt und an Krankheiten nur ein Fall von Ringwurm.

Am 12. Dezember traf das Schiff in Ululsi⸗Atoll ein, wo es bei der Insel Essor vor Anker ging. Die beiden dort stationierten Polizisten waren in der Zwischenzeit nach dem 111 Seemeilen ent⸗ fernten Jap im Kanu zurückgekehrt, nachdem sie ihre Aufgabe, Kopra für das Bezirksamt einzuziehen, erfüllt hatten. Während des eintägigen Aufenthalts des Schiffes besuchte ich die Inseln Essor und Falalap und gab dem Häuptling die üblichen An⸗ weisungen hinsichtlich des Pflanzenschutzes gegen Schildläuse und Ratten, Flaschenposten u. dgl. Nach seiner Behauptung sind strafbare Handlungen seit zwei Jahren nicht vorgekommen. Am Abend fand bei Vollmondlicht und Fackelschein einer jener schönen, figurenreichen Tänze statt, wegen welcher die Ululsi⸗Leute in den Karolinen großen Ruf genießen. 8 1 1

Am 13. Dezember wurden Segel gesetzt und bei schwerem stürmi⸗ schen Wetter Jap am folgenden Tage erreicht. Die zurückgelegte Strecke beträgt in der Luftlinie 1700 Seemeilen, zu deren Bewältigung 42 Tage nötig waren. 1“

Großbritannien und Irland. 8

Im Unterhause brachte gestern der Liberale Vivian eine Resolution ein, in der die Regierung aufgefordert wird, wirk⸗

mich mit zwei Polizeisoldaten same Schritte zu unternehmen, um die Ausgaben für

Rüstungen zu verringern und die Aufnahme der Ein⸗ schränkung der Kriegsrüstungen in das Programm der

Haager Friedenskonferenz zu betreiben. Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte der Redner, die

gierung eingebracht. Wenn sie durch eine große Mehrheit angenommen würde, so würde dieser Umstand die Regierung bei ihrer Aufgabe zu sparen, unterstützen und nicht ohne Wirkung auf die Parlamente Die Rüstungen abzuschaffen, sei kein praktischer

Der Redner wies ferner zur Begründung der

bedeutend zu mildern. - die guten Beziehungen

Einschränkung der Kriegsrüstungen auf Der Liberale Bellairs brachte zu der Resolution ein

die Regierung verlasse, daß sie die Oberhoheit En glands zur See aufrechterhalten werde, und daß es glaube, es sei für die Regierung nicht ratsam, eine Beratung, betreffend er Rüstungen, zu eröffnen, welche die auswärtigen Mächte

Der Redner wies in der Begründung seines Amendements 8

das Anwachsen der deutschen Flotte und auf die Stationierung et b Torpedoflottille in der Nordsee hin und fuhr dann fort: „Sehr zu unserm Bedauern war die Stimmung in Deutschland gegen uns und affung zu irrtümlichen Darste z sie bestand während

Unterstützung des M

kommission verwiesen.

des Burenkrieges und bestand jetzt in vollem Maße durch die An⸗ strengungen des deutschen Flottenvereins. Wir haben ein Beispiel gegeben für Herabminderung der Rüstungen, indem wir diese im Vergleich mit Deutschland um 7 Millionen Pfund Sterling verringerten; dann haben wir ouch Helgoland aufgegeben, und doch hatte das keine Wirkung auf Deutschland“. Balfour er⸗ klärte, die Resolution sei unangebracht. England habe einer größeren Militärmacht ein Ultimatum gestellt, und ein großer Teil seiner See⸗ streitkräfte sei gegenwärtig im östlichen Becken des Mittelländischen Meeres konzentriert in der Absicht, die Aufrechterhaltung der Rechte Englands zu sichern. „Glaubt Vivian“, fragte der Redner, daß wir mit mehr Wahrscheinlichkeit eine friedliche Beilegung erreichen würden, wenn wir eine kleinere Flotte hätten? Auf die indische Grenzfrage eingehend, erklärte der Redner, obgleich er fest glaube, daß das letzte, nas viele Russen und die russische Regierung in Be⸗ tracht ziehen oder wünschen, ein Angriff auf England sei, obgleich er laube, daß die englisch⸗russischen Beziehungen die allerfreundlichsten eien, so könne er doch nicht einsehen, warum daraufhin England sich nicht in Vorbereitung halten sollte gegen einen Wechsel der Politik auf seiten einer großen befreundeten Nation. Nachdem Balfour

als Tatsache hervorgehoben hatte, daß die britische Flotte lediglich zu Defensivzwecken gehalten werde, fügte er hinzu, die anderen Mächte sollten nur ihre Flotten vermindern, und England werde shrem Beispiele folgen. Der Staatssekretär des Auswärtigen Sir Edward Grey erklärte, daß die nationalen Ausgaben in den letzten Jahren erheblich gewachsen seien, es sei jedoch Aussicht vorhanden, sie, ohne die Landessicherheit preiszugeben, um ein Beträchtliches ver⸗ mindern zu können. Das hinge jedoch zum großen Teil mit von der Politik der anderen Völker ab. Er sei der Ansicht, daß vecge dieses allgemein unter den Völkern Europas verbreiteten Gefühls eine Erklärung von der Art, wie sie in dieser Resolution enthalten sei, wegen des Eindruckes, den sie auf die anderen Regierungen mache, von Wert sei, und er glaube nicht, daß zu irgend einer Zeit die öffent⸗ liche Meinung in Europa stärker auf die Erhaltung des Friedens bedacht gewesen sei als gerade jetzt. „Die Haager Konferenz könne“, fuhr Grey fort, „kein verdienstlicheres Werk tun, als die Bedingungen für den Frieden weniger kostspielig als bisher zu gestalten und nach keiner nutzbringenderen Aufgabe streben, als ein praktisches Ergebnis zu Tage zu fördern, das zu einer Herabminderung der Ausgaben führen könne. Es ist angeführt worden, daß wir auf die anderen Mächte warten, um unsere Ausgaben zu ver⸗ ringern, aber wie die Verhältnisse liegen, warten alle Maͤchte auf einander, und eines Tages wird eine von ihnen den ersten Schritt tun müssen; ich kann daher nicht die Zusatzerklärung Bellairs akzeptieren.“ Es köͤnne sein, schloß Grey seine Ausführungen, daß eine Macht bereit sei, in dieser Hinsicht den ersten Anstoß zu geben, aber es sei auch nicht ausgeschlossen, daß England ihn unter⸗ nehmen werde. Es habe niemals eine Zeit gegeben, in der die relative Ueberlegenheit der englischen Flotte stärker gewesen sei als gerade jetzt. Was England auf der Haager Konferenz werde tun können, müsse von der Antwort der anderen Regierungen abhängig gemacht werden und dem Interesse, das dee anderen Parlamente dieser Angelegenheit entgegenbringen würden. Er nehme aber die Resolution im Namen der Regierung als eine erfreu⸗ liche Aeußerung der öffentlichen Meinung an und heiße sie aus diesem Grunde willkommen; er sei überzeugt, daß diese Resolution auch von den anderen Ländern als eine von dem britischen Parlament aus⸗ gehende Einladung aufgefäaßt werde, auf diese Aufforderung, die Rüstungen zu vermindern, einzugehen.

Das Amendement wurde darauf zurückgezogen und die Resolution einstimmig unter lautem Beifall angenommen.

Wie der „Standard“ meldet, hat das Atlantische Geschwader unter dem Kontreadmiral Prinzen Louis Battenberg Befehl erhalten, nach der Phaleronbucht zur ittelländischen Geschwaders zu gehen.

Rnußland.

Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ agentur“ ist gestern eine Liste der von dem Kaiser ernannten Mitglieder des Staatsrats, die an sämtlichen Sitzungen teilnehmen sollen, veröffentlicht worden. Ehrenpräsident des Staatsrats wird der Großfürst Michael Nikolajewitsch sein, tatsächlicher Präsident der Graf Solsky, Vizepräsident der Staatssekretär Frisch.

Ernannt sind Stolypin zum Minister des Innern, Kokowzew zum Finanzminister und der Fürst Schirinsky Schachmatow zum Oberprokurator des Heiligsten Synods.

1

Italien.

Die Deputiertenkammer hat estern, W. S. B.

zufolge, in geheimer Abstimmung mit 110 gegen 103 Stimmen

die Vorlage, betreffend Errichtung eines Aufsichtsrats

amts für Arbeit und Industrie, abgelehnt. 8 Belgien.

Der Staatsminister für den Congostaat Baron van Eetvelde und der englische Staatssekretär des Aeußern Sir Edward Grey haben, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in London ein Abkommen unterzeichnet, welches die Schwierig⸗ keiten zwischen England und dem Congosta t der Gebiete am oberen Nil beseitigt.

Türkei.

Der türkisch⸗bulgarische Erkaztonflikt ist, laut

Meldung des „W. T. B.“, gänzlich beigelegt worden, da der nach dem streitigen Punkte Horostepe entsondte Oberst Ahmed Bey den Abtransport des dorthin geschafften Baumaterials veranlaßt hat.

Die vorgestrigen Wahlen auf Samos sind ruhig verlaufen. Die Oppositionspartei hat 29 Sitze errungen, während die Regierungspartei 10 Sitze an sich brachte.

Schweden. G

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat der Staats⸗ minister Staaff gestern dem Reichstag einen Gesetzentwurf, betreffend den Abschluß eines Handels⸗ und Celgea peun vertrages zwischen Schweden und Deutschland, vor⸗ gelegt. Der Entwurf wurde debattelos an die Budget⸗ Almerika. Der Gesandte von Nicaragua hat gestern, „W. T. B.“ 88 e, die telegraphische Meldung erhalten, daß der Minister es Auswärtigen des Freistaats Nicaragua, Dr. Altamirano

ermordet worden sei.

Asien.

„Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, ist der seitherige Präsident der Staatseinkünftekommission Tichliang durch Kaiserliches Edikt zum Oberintendanten der Zollverwaltung ernannt worden. Alle in der Zollverwaltung angestellte chinesische und nichtchinesische Beamte sind der Aufsicht Tichliangs unterstellt.

Afrika.

Ein neuer Kampf wird von den Ufern des Muluya (Marokko) gemeldet; j

schritten, „W. T. B.“ zufolge, gestern den Fluß und schlugen die Aufständischen, die etwa 100 Mann verloren.

Wie das „Reutersche Bureau“ aus Johannesburg meldet, hat ein Trupp Chinesen vorgestern ein Gehöft im Bezirk Klipriversberg angegriffen. Zwei Kulis wurden von einem in dem Gehöfte stationierten Polizeibeamten erschossen. Die übrigen sollen verhaftet worden sein.

die Truppen des Sultans über⸗

Parlamentarische Nachrichten.

Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (99.) Sitzung des Reichstags,

welcher der Staats⸗ und Finanzminister Freiherr von Rhein⸗ baben und der Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel beiwohnten, wurde die zweite Lesung des Ent⸗ wurfs eines Erbschaftssteuergesetzes auf Grund der Kom⸗ missionsanträge mit dem Antrage Albrecht auf Erweiterung der Besteuerung auch auf die Deszendenten und Ehegatten 12) fortgesetzt. VVpor Eintritt in die Beratung gab der Staatssekretär des Freiherr von Stengel namens der ver⸗ bündeten Regierungen die Erklärung ab, daß sie sich gegen den Antrag Albrecht nur ablehnend verhalten können. Die Ausführungen des Staatssekretärs werden morgen im Wortlaute veröffentlicht werden. ““

(Schluß des Blattes.)

Nr. 19 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 9. Mai hat folgenden Inhalt: Ge⸗ sundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Sterbefälle im März. Zeitweilige Maßregeln gegen Pest. Desgl. gegen Pocken. Sanitätsbericht des eerreichischen Küstenlandes, 1901 1903. Gesetzgebung usw. (Deutsches Reich.) Notenwechsel mit Oesterreich⸗ Ungarn wegen der Behandlung des Rindviehs. Eisenbahnvieh⸗ wagen. Schlachthäuser. Zuckersteuer. (Preußen. Reg.⸗Bez. Gumbinnen.) Schlachtstätten. Fleisch. (Reg.⸗Bez. Schleswig.) Schweinefleisch. (Reg.⸗Bez. Trier.) Hausschlachtungen. (Baden. Viehseuchen. (Hessen.) Desgl. (Sachsen⸗Meiningen.) Desgl. (Anhalt.) Schlachtvieh. (Lübeck.) Schweinefleisch. (Ham⸗ burg) Desgl. (Oesterreich.) Schlachthäuser. (Italien.) Wein⸗ handel ꝛc. (Niederlande und Belgien.) Tollwut. (Vereinigte Staaten von Amerika.) Nahrungsmittel. G Haustiere. (Brasilien. Bahia.) Gesundheitsdienst. (Australischer Bund.) Opium. Tierseuchen im Deutschen Reiche, 30. April. Rauschbrand in Bayern, 1905. Tierseuchen in Dänemark, 4. Vierteljahr 1905. Zeitweilige Maßregeln gegen Tierseuchen. (Preuß. Reg.⸗Bezirke Gumbinnen, Trier.) Vermischtes. (Deutsches Reich.) Prüfung von Seeleuten in der Gesundheitspflege, 1905. (Preußen.) Sterbe⸗ tafeln, 1891 1901. (Norwegen.) Irrenanstalten, 1904. (Japan) Ansteckende Krankheiten, 2 Halbjahr 1905. (Vereinigte Staaten von Amerika. Baltimore.) Jahresberichte der Gesundheitsbebörde, 1902 1904. Sterbefälle ꝛc., 1904. Geschenkliste. Monatstabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 15 000 und mehr Einwohnern, März 1906. Desgl. in een Städten des Auslandes. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung. Grundwasserstand und Bodenwärme in Berlin und München, März.

Statistik und Volkswirtschaft.

der Gesellschaft für soziale Re⸗ orsitz des Staatsministers Dr. Freiherrn von Berlepsch am 4. Mai, Nachmittags und Abends, Sitzungen im

8 88 ZE“

Vorstand und Ausschu form hielten unter dem

Bureau für Sozialpolitik in Berlin ab. Zunächst erstattete der Generalsekretär Bericht über die aus Gelehrten und Arbeitern zu⸗ sammengesetzte Studienkommission der Gesellschaft für soziale Reform, die gegenwärtig England bereist, um Erfahrungen über das gewerbliche Einigungswesen zu sammeln. Die Kommission ist überall von Behörden, Unternehmern, Gewerkschaftsführern, Gelehrten und Politikern sehr freundlich aufgenommen worden. Das Ergebnis ihrer Arbeit soll als Grundlage für die Verhandlungen der 3. Generalversammlung der Gesellschaft dienen. Auf deren Tagesordnung steht als einziger Gegenstand: die Verhütung von Arbeitskämpfen im Kohlenberg⸗ bau; als Ort wurde Berlin bestimmt, als Zeit der Spät⸗ herbst. Die Frage der Errichtung von Arbeitskammern, die die 2. Generalversammlung in Mainz im Herbst 1904 beschäftigt hatte, wird einem weiteren Studium unterzogen. Als neue Aufgabe erachtete der Ausschuß die Eate. der Bemühungen zur Regelung der Heimarbeit, und zwar wurde hier ein besonderes, in den Regierungsplänen und Reichstagsanträgen mehr zurücktretendes Gebiet gewählt: die Fragen der Organisation und der Lohnregelung; es wurde eine Kommission bestellt, die im Verein mit wissenschaftlichen Sachverständigen und Interessenten zunächst ein möglichst umfassendes Material sammeln soll. Die Gesellschaft wird wiederum zehn Delegierte zur 4. Generalversammlung der Internationalen Vereinigung für gesetz⸗ lichen Arbeiterschutz entsenden; die Tagung findet Ende September d. J. in Genf statt und soll behandeln: gewerbliche Gifte, Nachtarbeit der Jugend⸗ lichen, Maximalarbeitszeit, Heimarbeit, ausländische Arbeiter in der Sozialversicherung. An Stelle des verstorbenen Dr. M. Hirsch wurde der Abgeordnete Goldschmidt⸗Berlin zum Delegierten gewählt. Um die verschiedenen Richtungen und Korporationen, die sich der Ge⸗ sellschaft angeschlossen haben neuerdings sind z. B. der Verband deutscher Handlungsgehilfen (Sitz in Leipzig), der Werkmeister⸗ verband, der Deußsche Bankbeamtenverein, der Deutsche Techniker⸗ verband, der Verband der technischen industriellen Beamten usw. S; —, besser berücksichtigen zu können, soll die Anzahl der Mitglieder im Vorstand und Ausschuß vermehrt werden; dazu bedarf es der Statutenänderung durch die Generalversammlung. Von den großen Kategorien der Arbeiter, kaufmännischen Gehilfen und technischen Privatangestellten sind jetzt durch ihre Vorstände in der Gesellschaft: Gewerkschaften, Gewerkvereine, Arbeitervereine mit rund 550 000 Mitgliedern, Handlungsgehilfenvereine mit rund 280 000 Mit⸗ gliedern, Vereine technischer Privatangestellten mit rund 80 000 Mit⸗ liedern, insgesamt über 900 000 gewerbliche Arbeiter, kaufmännische Gehüfen und technische industrielle Angestellte. 8 88

Bevölkerungsdichtigkeit, Geburten, Eheschließungen und Sterblichkeit in Belgien 1903.

Im 35. Band des Statistischen Jahrbuchs für Belgien ist eine Statistik über die Bewegung der Bevölkerung des Königreichs im Jahre 1903 veröffentlicht worden. Nach dieser war Belgien am 31. Dezember 1903 angeblich von 6 985 219 Personen bewohnt, wonach auf jedes Quadratkilometer im Mittel 237 Bewohner kamen. Doch war die Dichtigkeit der Bevölkerung in den 9 Provinzen und den 222 Kantonen des Landes sehr verschiteden; in der Provinz Luxemburg kamen z. B. nur 51, in den 23 Kantonen der Provinz Namur durchschnittlich 97 Ein⸗ wohner auf 1 qkm. Mehr als der neunte Teil der Gesamtbevölke⸗

ung wohnte in den 4 größten Städten des Prndes, von denen am

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des

Ende des Berichtsjahres angeblich Antwerpen 286 695, Brüssel 192 482, Lüttich 166 105 und Gent 162 925 Einwohner hatte. Groß⸗Brüssel, d. h. Brüssel mit seinen 8 Vororten (l'agglomé- ration bruxelloise), war bei der Zählung von 1900 etwa doppelt so stark bevölkert wie die damalige eigentliche Stadt Brüssel (363 678 Einwohner: 183 686 in Brüssel); sür das Jahr 1903 wird die Einwohnerzahl von Groß⸗Brüfsel nicht angegeben.

Die Zahl der in Belgien lebend geborenen Kinder ist seit 1901 von Jahr zu Jahr geringer geworden, sie betrug im Berichtsjahre 192 301, d. s. 7776 weniger als i. J. 1901. Tot geboren oder als tot bei der Geburtsanzeige eingetragen wurden 8569 Kinder = 4,4 % der Gesamtzahl, aber von diesen waren nur 7148 tot zur Welt gekommen (sortis sans vie du sein de la more), die übrigen waren als tot geboren gemeldet und eingetragen, obwohl sie 1 bis 3 Tage gelebt hatten (présentés sans vie, mais azyant vécu 1, 2 ou 3 jours).

„Wie die Geburtenzahl in den letzten Jahren abgenommen hat, so ist auch die Zahl der geschlossenen Ehen in Belgien von 57 711 i. J. 1900 auf 54 946 i. J. 1903, also auf 95 % der ersteren Zahl gesunken, und unter den 192 301 lebend geborenen Kindern des Berichtsjahres befanden sich 12 887 außerehelich geboren?e, mithin waren von je 1000 Lebendgeborenen 67 Sel4. Ab⸗ kunft. Hinsichtlich dieser Ziffer verdient Beachtung, daß von den heiratenden weiblichen Personen 30 225 (= 55 %) und von den heiratenden Männern 20 981 (= 38,2 %) das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Im Deutschen Reiche hatten nur 29,2° aller während des Jahres 1903 heiratenden Männer das 25. Lebens⸗ jahr noch nicht vollendet. Dementsprechend war in Deutschland die Ziffer der außerehelichen Geburten etwas höher als in Belgien.

Als im ersten Lebensjahre gestorben sind in Belgien im Jahre 1903 29 782 Kinder eingetragen worden, d. s. nur 15,5 auf je 100 als lebend geboren eingetragene Kinder; letztere Prozentziffer erhöht sich auf 16,1, wenn man die als „tot geboren“ registrierten, aber erst nach der Geburt gestorbenen Kinder (s. o.) mit in Rechnung zieht.

Im ganzen starben während des Berichtsjahres in Belgien 118 675 Personen, darunter 24 unbekannten Alters, 27 352 Personen, die das 70. Lebensjahr zurückgelegt hatten, und 14 886 im Alter von 60— 70 Jahren; es hatten also 35,6 % aller Gestorbenen bekannten Alters ein Lebensalter von mindestens 60 Jahren und 23,1 % ein Lebensalter von mindestens 70 Jahren erreicht; 34,5 % aller Todesfälle entfielen auf Kinder der ersten 5 Lebensjahre. Im Deutschen Reiche entfielen demgegenüber 45,2 % aller Todes⸗ fälle d. J. 1903 auf Kinder der ersten 5 Lebensjahre und nur 27 % auf Personen, die mindestens 60 Lebensjahre zurückgelegt hatten.

m Vergleich mit dem Vorjahre hat 1903 in Belgien die Gesamtzahl der Gestorbenen um 651 abgenommen, da⸗ gegen war die Zahl der im ersten Lebensjahre gestorbenen Säug⸗ linge um 600 höher als während des Vorjahres, obgleich, wie schon

Int, weniger Kinder als im Vorjahre lebend geboren

Zur Arbeiterbewegung.

Eine starkbesuchte Versammlung der Schlossermeister Berlins beschloß, der „Voss. Ztg.“ zufolge, am Dienstagabend betreffs des Ausstandes der Berliner Schlosser (vgl. Nr. 101 d. Bl.) jede weitere Beratung mit den Gesellen bis nach Pfingsten zu vertagen, falls diese sich nicht bald bereit erklären, auf der Basis der bisherigen Zugeständnisse der Meister zu verhandeln. Der Kom⸗ mission wurde von der Versammlung die Ermächtigung erteilt, einen Tarifvertrag ohne jeden Vorbehalt endgültig abzuschließen. Der bisherige Verlauf des jetzt schon sechs Wochen währenden Ausstands wurde als günstig für die Meister bezeichnet. Die städtischen Markthallenarbeiter Berlins haben, hiesigen Blättern zufolge, beschlossen, dem Magistrat und der Stadtverordneten⸗ versammlung folgenden neuen Lohntarif zu unterbreiten: 1) Löhne für Handwerker: Anfangslohn 5 ℳ, von 2 zu 2 Jahren steigend, sodaß nach 8 Jahren ein Höchstlohn von 6 erreicht wird. 2) Arbeiter: Anfangslohn 4 ℳ, nach 2 Jahren 4,25 ℳ, nach 4 Jahren 4,50 ℳ, nach 6 Jahren 4,75 und nach 8 Jahren 5 unter Weiterzahlung der Funktionsgelder. 3) Arbeiterinnen: Anfangslohn 2 ℳ, nach 2 Jahren 2,25 ℳ, nach 4 Jahren 2,50 ℳ, nach 6 6 2,75 und nach 8 Jahren 3 Mit der Begründung der Forderungen wurde der Arbeiterausschuß beauftragt. Gleichzeitig wurde eine Erklärung be⸗ schlossen, in der die Arbeiter betonen, daß sie von den in dem neuen Etat aufgestellten Löhnen der Arbeiter Kenntnis genommen haben. Sie können in den fast gänzlich unveränderten Löhnen eine Be⸗ friedigung ihrer Wünsche nicht erblicken und erheben entschieden Ein⸗ spruch dagegen, daß ihnen zugemutet wird, bei der herrschenden Teuerung mit den bescheidenen Löhnen auszukommen.

Die seit neun Wochen ausständigen Bergarbeiter der schlesischen Kohlen⸗ und⸗- Kokswerke haben, wie der „Voss. Ztg.“ telegraphiert wird, in fünf am Dienstag abgehaltenen Beleg⸗ schaftsversammlungen erklärt, daß sie von der Forderung eines Mindestlohnes absehen wollen. Die Lohnkommission hat bereits eine dementsprechende Verminderung der Lohnforderungen vorgenommen. Zur Bedingung wird gemacht, daß den Ausständigen nach der Wieder⸗ aufnahme der Arbeit eine humane Behandlung zuteil werde, daß keine Maßregelungen erfolgen und daß die bereits zugesicherten Ver⸗ günstigungen seitens der Werksverwaltung auch gewährt werden.

In Cassel ist, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, der Ausstand der Steinmetzen, Bildhauer und Marmorschleifer dortiger Bildhauereien und Grabsteingeschäfte für beendet erklärt worden, nach⸗ dem die Arbeitgeber den 10⸗ bis 20 prozentigen Lohnerhöhungen zu⸗ gestimmt haben (vgl. Nr. 102 d. Bl.).

Zu der durch „W. T. B.“ aus Dresden übermittelten Mel⸗ dung, daß der Gesamtverband deutscher Metallindustrieller heute 300 000 Metallarbeiter aussperren (vgl. Nr. 109 d. Bl.) werde, teilt der Gesamtverband der „Voss. Ztg.“ mit, daß diese Nach⸗ richt aus der Luft gegriffen sei“. Doch ist auf Enklassung von Arbeitern in der Metallindustrie in großem Umfange zu rechnen. Der Gesamtverband der Metallindustriellen behauptet, daß die Arbeiter darauf ausgingen, für ganz Deutschland den gleichen Mindestlohn für Former von 21 die Woche ein⸗ zuführen, und daß „dieser Mindestlohn fortdauernd in die Höhe geschraubt werden soll, bis er zum allgemeinen gleichen Normallohn der Former für ganz Deutschland sich auswächst Der Gesamt⸗ verband wird sich gegen die Aufzwingung solcher Forderungen, deren Annahme die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Metallindustrie auf dem Weltmarkt erschüttern muß, nach Kräften wehren.“

In Leipzig entließen, wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, drei große Dampfbuchbindereien 700 Arbeiter, weil sie die Arbeit für Berliner Firmen verweigerten, die anläßlich der Maifeier Aus⸗ sperrungen vorgenommen haben. Die Entlassungen drohen einen großen Umfang anzunehmen. Dort sind auch die Stukkateure in eine Lohnbewegung eingetreten. Sie fordern 8⸗ und 7stündige Arbeitszeit, einen Tagelohn von 6 bis 7 ℳ, Zuschläge für Ueber⸗ stunden, Sonntags⸗ und Nachtarbeit.

In Worms sind, nach demselben Blatte, die Maler und T 6 1 cher wegen Nichtbewilligung ihrer Forderungen in den Ausstand getreten.

Die Zahl der ausständigen Arbeiter der Automobilindustrie

im Seinedepartement (vgl. Nr. 105 d. Bl.) beträgt, dem W. T. B.“ zufolge, bereits über 25 000. Dazu kommt eine große Anzahl von Metallarbeitern und Kesselschmleden, die sich mesem Vorgehen angeschlossen haben. 800 Automobil⸗ und Kessel⸗ fabriken beschlossen in einer gestern abend abgehaltenen Versamm⸗ lung, sämtliche Forderungen der Ausständigen abzulehnen. In Luné⸗ ville streiken 300 Arbeiter einer Automobilfabrik wegen Verweigerung der Lohnerhöhung. IFnfolge Beschlusses der Arbeitskammern ist, wie „W. T. B.“ berichtet, 89 Frp ket egen die Vorgänge in Turin (vgal. Nr. 109 d. Bl.) in * Mailand, Bologna, Parma, Livorno und Forli der allgemeine Ausstand verkündet worden. In Mailand können heute die Zeitungen nicht erscheinen.