heit nichts besagenden Zusatz — so habe ich ihn verstanden — hin⸗ gestellt hat. Dieser Satz aber gerade ist die Hauptsache. Es heißt in ihm:
Es herrscht jedoch darüber Einverständnis, daß durch die vor⸗ stehenden Bestimmungen die besonderen Gesetze, Erlasse und Ver⸗ ordnungen auf den Gebieten des Handels, der Gewerbe und der Polizei nicht berührt werden, welche in jedem der beiden vertrag⸗ schließenden Länder gelten oder gelten werden und auf alle Ausländer Anwendung finden.
Daß die Ausweisungsbefugnis innerhalb Preußens gesetzlich eine unbeschränkte ist, darauf werde ich mir erlauben, später noch zurückzu⸗ kommen.
Nun sind von dem Herrn Abgeordneten Traeger sowohl wie auch anderweit zahlreiche Einzelfälle aufgeführt worden, in denen offen⸗ sichtlich ungerechtfertigt Ausweisungen verfügt oder angedroht wären, oder in denen sonstige Verfehlungen gefunden werden müßten.
Was zunächst den Kriminalkommissar Schöne anlangt, so ist es nach den von mir sofort angestellten Ermittelungen tatsächlich unrichtig, daß der betreffende russische Kaufmann durch die Androhung der Aus⸗ weisung in eine Notlage habe versetzt werden sollen, um ihn zu Verbrechen, nämlich demjenigen des Landesverrats, geneigt zu machen. Das ist mit diesen Worten im Reichstage behauptet worden, und ich weise diese Unterstellung als tatsächlich unrichtig zurück. (Bravo!) Der russische Kaufmann hat die Mitteilung bekommen, daß er auf eine dauernde Erlaubnis, hier zu bleiben, nicht rechnen könne, und daß er deshalb sich nach einem andern Aufenthaltsort umsehen möge — es ist also die zweite Form bei ihm angewendet worden; unmittelbar ausgewiesen ist er nicht. Dabei hat selbstverständlich keinerlei Nebenabsicht ge⸗ waltet, sondern er hat diese Mitteilung zu demselben Zweck, lediglich zu demselben Zweck bekommen wie alle übrigen Personen, die gleich⸗ falls mit derartigen Mitteilungen bedacht worden sind. Der russische Kaufmann hat zunächst versucht, die Erlaubnis zum dauernden Verweilen bei urs zu erlangen, und hat sich zu diesem Zweck an eine ihm geschäftlich bekannte Privatperson gewandt, welche niemals Dienste für die Polizei verrichtet hatte. Wie es scheint — ich muß mich dieses vorsichtigen Ausdruckes bedienen, weil der russische Kaufmann inzwischen eine längst geplante Geschäftsreise nach Rußland angetreten hat und noch nicht hat gehört werden können —, wie es scheint, hat diese dritte Person den russischen Kauf⸗ mann bestimmt, um die Erlaubnis zu längerem Verweilen hier zu erhalten, seinerseits dem Kriminalkommissar Schöne das Angebot zu gewissen Diensten zu machen. Kriminalkommissar Schöne hat zu solchem Angebot in keiner Weise verleitet. (Hört! hört! rechts.) Kurz darauf ist — das will ich ausdrücklich hervorheben — der russische Kaufmann anderen Sinnes geworden und hat einen hiesigen
Rechtsanwalt beauftragt, seinen Wunsch um Erlaubnis zu dauerndem Verweilen im geordneten Beschwerdewege zu verfechten. Daraufhin
hat — wie, weiß ich nicht — die Angelegenheit ihren Weg in die parlamentarische Oeffentlichkeit des Reichstags gefunden. Insoweit und insofern mir untergebene Beamte bei dieser Angelegenheit im übrigen gefehlt haben, werde ich für die notwendige Remedur sorgen.
Was die übrigen von dem Herrn Vorredner erwähnten Einzefälle anlangt, so muß ich es zu meinem Bedauern zugeben, daß in einer Anzahl von ihnen — nicht in allen, beispielsweise auch nicht in dem Falle der Tochter des russischen Adelsmarschalls — meinen Intentionen entsprechend nicht verfahren ist. Es handelt sich dabei um Personen, die politisch und wirtschaftlich völlig einwandfrei zum teil schon lange voor dem Beginn der russischen Wirren zugezogen sind, und deren Ver⸗ weellen hierselbst keinerlei Bedenken entgegenstehen. Ich habe in allen Fällen, wo derartige Ausweisungen und Androhungen von Aus⸗ weisungen zu meiner Kognition gekommen sind, dafür gesorgt, daß ddieselben sofort zurückgenommen werden. Ich wiederhole, ich bedaure, daß diese Fälle vorgekommen sind; aber ich bitte Sie, zu bedenken, daß diese Fälle doch nicht so zahlreich sind, wie sie vielleicht erscheinen mögen, weil sie einmal im Reichstag, zehnmal in den Zeitungen und zum zwölften Mal hier vorgetragen sind (Heiterkeit), und daß hier wie bei allen menschlichen Dingen Versehen vorkommen können.
Der Herr Abg. Traeger hat nun aber gerade diese einzelnen Fälle, von denen ich zugeben muß, daß intentionswidrig verfahren ist, zu dem Beweise dafür gebraucht, daß die ganze Maßregel falsch sei, er hat mit den zum Teil komischen Beigaben, die diese einzelnen Fälle an sich haben, auf die ganze Maßregel zurückgeschlossen. Das würde ich nicht für zulässig erachten. Im übrigen aber haben in allen, auch in den Fällen, wo die Behörden mißverständlich gehandelt haben, sich meine Organe bei dieser schwierigen, mühevollen und für niemand erfreulichen Angelegenheit lediglich von ihrer Dienstpflicht leiten lassen, und es kann von einer willkürlichen Handhabung des Ausweisungsrechts nicht ge⸗ sprochen werden. Ich nehme an, daß der Herr Abg. Traeger nicht verlangt, daß ich in die Spezialia aller von ihm vorgetragenen Einzel⸗ fälle eingehe, ich würde das für unmöglich halten, hier zu tun, und glaube, daß durch das, was ich über sie gesagt habe, die Sache auf⸗ geklärt worden ist.
Ich komme also zu den allgemeinen Ausführungen des Herrn Abg. Traeger, die dahin gingen, — er formulierte sie in einem vielleicht objektiv treffenden Wort; tatsächlich halte ich es für unsere Verhältnisse nicht für richtig — daß wir in einer uner⸗ träglichen Mischehe der polizeilichen Herrschaft und des Rechtsstaats
lebten und daß schließlich die Handhabung des Ausweisungsrechts, daß gesetzlich nicht reguliert sei, zur Willkür geführt habe. Meine Herren, das halte ich denn doch nicht für richtig. Das Ausweisungsrecht ist, solange nun einmal gegeneinander abgegrenzte Staaten bestehen, ein notwendiges und unentbehrliches Recht jedes einzelnen Staats, ähnlich wie für den einzelnen das Hausrecht. (Sehr richtig! rechts.) Das ist in diesem hohen Hause und auch von dem Herrn Abg. Traeger, wie ich annehme, absolut anerkannt. Der Herr Abg. Traeger hat aber des weiteren hinzugefügt, daß bei allen Ausweisungen den Anforde⸗ rungen der Gerechtigkeit, der Billigkeit, der Humanität Rechnung zu tragen sei. Das ist ein Satz, den ich in dieser Allgemeinheit vollkommen unterschreibe. Aber ich möchte weiter gerade aus diesem Satze die Folgerung ziehen, daß jede Ausweisungsbefugnis Ausländern gegenüber einen diskretionären Charakter notwendig an sich tragen muß (sehr richtig! rechts), und diesem diskretionären Charakter würde es nach meiner persönlichen Auffassung nicht entsprechen, wenn man die Voraussetzungen für die Ausweisung eines Ausländers detaillieren, in Nummern paragraphieren oder wenn man die Handhabung der Ausweisungsbefugnis unter die
dieser die Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung der Ausweisungs⸗
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des Ministerpräsidenten von Manteuffel aus dem Jahre 1849, in denen
befugnis gegenüber Ausländern betont und den Erlaß eines derartigen Gesetzes gewissermaßen in Aussicht gestellt habe. Herr Abg. Traeger hat daraufhin bedauert, daß die Minister, auch wenn sie von dem besten Willen beseelt wären, nicht immer in der Lage wären, derartige Zusagen zu erfüllen. Nun, meine Herren, ganz still ist die preußische Gesetzgebung in dieser Beziehung nicht gewesen, allerdings negativ! Ich erinnere an den § 130 des Landesverwaltungs⸗ gesetzes vom 30. Juli 1883, in welchem ausdrücklich ausgesprochen ist, daß den Ausländern eine Klage gegen die Landesverweisung nicht zu⸗ steht, und das Oberverwaltungsgericht zieht aus dieser gesetzlichen Be⸗ stimmung eine Folgerung, die vielleicht so viel Interesse hat, daß ich sie verlesen darf:
Indem in dieser letzteren Vorschrift gesagt ist, daß Personen, welche nicht Reichsangehörige sind, die Klage gegen die Landesver⸗ weisung nicht zusteht, so ist damit nur die selbstverständliche, not⸗ wendige Folge der staatsrechtlich außer Zweifel stehenden Norm zum Ausdruck gebracht, daß Ausländern kein Recht zum Aufenthalt im Inlande zur Seite steht.
(Hört, hört! rechts.) Nun ist aber weiter gesagt worden: die Ausweisungsbefugnis
bleibt eine willkürliche, solange sie nicht in eine derartige Rechtsform, in die Form des Rechtsstaats gegossen ist. Meine Herren, auch in dieser Beziehung hat das Oberverwaltungsgericht in demselben Erkenntnis einen ganz interessanten Satz aufgestellt. Der Kläger, ein Ausländer, dessen Klage als unzulässig ab⸗ gewiesen war, hatte gesagt: er stände ja recht⸗ und schutzlos da. Und diese Behauptung des Klägers weist das Oberverwaltungs⸗ gericht mit folgenden Worten zurück:
Wenn übrigens der Kläger sich als unter den oben dargelegten Voraussetzungen recht⸗ und schutzlos bezeichnet, so mag nur bemerkt werden, daß dies jedensalls insofern unzutreffend ist, als die Hand⸗ habung des freien polizeilichen Ermessens, die nicht durch die Ver⸗ waltungsgerichtsbarkeit, sondern nur durch die Aussichtsinstanzen kontrolliert wird, auf weiten, wichtige Interessen selbst der Staats⸗ angehörigen berührenden Gebieten besteht und keineswegs mit
Willkür gleichbedeutend ist.
An sich ist das ja selbstverständlich, und ich hätte es auch lediglich mit meinen Worten ausdrücken können; aber ich hielt es für gut, in dieser Beziehung die Worte des Oberverwaltungsgerichts anzuführen. Ich resümiere mich, meine Herren: ich habe zugegeben, daß in einzelnen Fällen meinen Anordnungen entsprechend nicht verfahren worden ist. Ich kann nicht zugeben, daß in irgend einer Beziehung mit Willkür verfahren worden ist. Ich habe Ihnen die Anordnungen mit aller Offenheit mitgeteilt, die ich getroffen habe, und die meiner Ueberzeugung nach im staatlichen Interesse durchgeführt werden müssen. (Bravol rechts.) Ich werde mit allen meinen Kräften dahin wirken, daß von diesen Grundsätzen weder nach der einen noch nach der anderen Seite abgewichen wird. (Lebhaftes Bravol rechts.)
Auf Antrag des Abg. Keruth (fr. Volksp.) findet eine Besprechung der Interpellation statt. Abg. Dr. Friedberg (nl.): Ich hätte nicht gern als erster Redner gesprochen, um abzuwarten, ob die Interpellanten noch anderes Material zur Beurteilung beibringen könnten. Ich stimme dem Minister darin bei, daß der Zuzug von Tausenden von Menschen, unter denen viele subsistenzlos sind und sich in ihrer Heimat an re⸗ volutionären Bestrebungen beteiligt haben, nicht gerade als er⸗ wünschter Zuwachs anzusehen i. und daß bei der Ausübung des Gastrechts das eigene Interesse stets den Ausschlag geben nuß. Die Anordnungen des Ministers sind im allgemeinen als zutreffend zu bezeichnen. Gegen die Ausweisungen von subsistenzlosen oder ver⸗ dächtigen Ausländern ist nichts einzuwenden, ebensowenig dagegen, daß gewisse Leute darauf aufmerksam gemacht werden, daß sie auf dauernde Aufenthaltserlaubnis nicht rechnen können. Eine andere Frage ist aber, wie diese Intentionen in die Praxis umgesetzt werden. Es wäre mir erwünscht gewesen, vom Minister zu hören, wie die Praxis der Polizeibehörden ist. Es sind nicht nur Versehen vorgekommen, wie sie bei der Masse der Erscheinungen vorkommen können, sondern auch grobe Versehen. Zum Beispiel in dem Fall des Geheimrats fragt man sich doch, welche Behörde eigentlich mit der Ausweisung betraut ist. Der Wachtmeister des Reviers läßt sich einfach vom Einwohnermeldeamt die Liste der russischen Untertanen kommen und erläßt wild darauf los die Ausweisungen. Die Polizei⸗ behörden hätten vorher zusammenberufen und informiert werden sollen, wie sie die Ausweisungen zu handhaben haben. Hatte man nicht das geeignete Beamtenmaterial, so mußte man erst recht vorsichtig sein. Wir können diese Entschuldigung des Ministers nicht 1sen lassen, er muß sich fragen, ob nicht organisatorische Mängel vorhanden sind. Sehr erfreut bin ich, wie der Minister den Fall Schöne behandelt hat. Wäre die Darstellung des Abg. Bebel richtig, so träfe die Polizei ein schwerer Vorwurf. Ich sagte mir gleich: s kann der Fall nicht gewesen sein, aber es ist nicht alles aufgeklärt. Kann der Minister z. B. die Ausstellung des Passes und die Bescheinigung wegen der Konfession richtig stellen? Üeber unsere prinzipielle Stellung zu den Ausweisungen habe ich mich namens meiner Freunde 1904 dahin ausgesprochen: Auch wenn das Ausweisungsrecht nicht, wie ich wünsche, eine rechtliche Basis erhält, so halten wir doch dafür, daß die Ausweisung aus politischen Gründen notwendig sein kann, z. B. gegen ausländische Zeitungskorrespondenten, die falsche Berichte liefern. In allen diesen Fragen muß eine gewisse Latitude gegeben sein, und deshalb würde ich vorschlagen, eine höhere Instanz für die Handhabung des Ausweisungsrechts einzusetzen. Eine längere Inhaftierung bei admini⸗ strativer Verhaftung, um eine Ausweisung herbeizuführen, muß mit rechtlichen Garantien umgeben werden. Der Anlaß, aus dem Ausweisungen erfolgen, muß einigermaßen im Gesetz bezeichnet werden, damit die Polizei eine Direktive hat. Die Massenaus⸗ weisungen haben naturgemäß immer etwas Bedenkliches, gerade da muß die größte Vorsicht der Behörden stattfinden. 1870 erregten die unterschiedslosen Ausweisungen der Deutschen durch Frankreich in der ganzen Kulturwelt Aufsehen. Man hat sich hier nicht beschränkt auf die Elemente, welche im Interesse der nationalen Selb⸗ ständigkeit ausgewiesen werden mußten, sondern hat auch solche aus⸗ Feentesen⸗ die als Kulturträger betrachtet werden könnten. Ein Rechtsgrundsatz, aus dem die Ausweisungen folgen könnten besteht eigentlich nicht. Ich habe in der staatswissenschaftlichen Literatur nur gefunden, und alle Staatsrechtslehrer sprechen nur davon, daß es anerkannter staatsrechtlicher Grundsatz sei, daß man Fremde ausweisen kann. Ich will den Grundsatz nicht 2e er ist dasselbe, was für die Familie das Hausrecht ist. a wir aber für den modernen Rechtsstaat in Anspru nehmen, daß er Befugnisse nur auf Grund eines Rechtssatzes ausübt, so würde ich eine Kodifikation des Ausweisungsrechtes wünschen. Das russische Reich steht heute an einem wichtigen Wendepunkt, die Reichsduma ist eröffnet, Rußland ist in die Reibe der konstitutionellen Staaten übergetreten. Wir hoffen, daß es sich innerlich so konsoli⸗ dieren werde, daß damit die Elemente, die es jetzt für notwendig halten, außerhalb der Heimat zu leben, dort zurückgehalten und fried⸗ liche und ruhige Bürger des Heimatsstaates 58n. Wir hoffen, es
Zuständigkeit des
Abg. Herold (Zentr.): Die Beantwortung der Interpellation hat uns klar gemacht, daß es zweckmäßig gewesen wäre, wenn die auch im 1ee “ gleiche Interpellation dort beantwortet worden wäre. eine Freunde haben stets den Standpunkt vertreten, daß das Reich nach der Reichsverfassung die Kontrolle über die Bestimmungen, betreffend die Fremdenpolizei, wahrzunehmen hat. Es wäre gut gewesen, wenn die im Reichstag erhobenen Anklagen nicht so lange unwider⸗ sprochen ins Land gegangen wären. Ob die Kriterien des inisters, die er für die Zulässigkeit der Ausweisungen hier vorgetragen hat, in so zahlreichen Fällen vorgelegen haben, das zu beurteilen bin ich nicht in der Lage. Es liegt die Vermutung nahe, daß die Aus⸗ wanderer, die den Verfolgungen in Rußland entgehen wollten und sich hier ruhig und unschädlich aufgehalten haben, noch weiter hätten 8 hier warten können. Der Minister hat ja auch ein recht weitgehendes Zugeständnis darin gemacht, daß in der Prüfung der Verhältnisse nicht immer mit der nötigen Vorsicht vorgegangen ist. Es muß aber 8 eine Ehrenpflicht der Nation sein, den Fremden Asylrecht zu ge⸗ währen, und nur zwingende Gründe können die Ausweisung recht⸗ fertigen. Hoffentlich wird sich wenigstens in Zukunft ein so voreiliges Vorgehen nicht wieder ereignen. Abg. von Brandenstein (kons.): Namens der kon⸗ servativen Fraktion habe ich zu erklären, daß wir hinsichtlich der Reiches für die Fremdenpolizei auf einem dem des Vorredners entgegengesetzten Standpunkt stehen. Wir sind der Ansicht, daß die Fremdenpolizei nicht Reichs⸗ sondern Landessache ist. Art. 4 der Reichsverfafsung. enthält eine Aufzählung derjenigen Materien, welche das eich hinsichtlich der Gesetzgebung und Verwaltung eventuell an sich ziehen kann. Solange nicht eine dieser Materien zum Gegenstand eines besonderen Reichsgesetzes gemacht ist, bleibt sie den Einzelstaaten überlassen. Das ist hier der Fall mit der Kontrolle über die Fremdenausweisungen. Gewiß haben verschiedene Rechtslehrer in dieser Frage einen anderen Standpunkt eingenommen, aber diesen Autoritäten steht auf unserer Seite gegenüber die allererste Autorität, nämlich der Schöpfer der Reichsverfassung selbst. Als 1885 im Reichstag eine Interpellation, betreffend die Ausweisung nichtpreußischer Untertanen, eingebracht war, lehnte Fürst Bismarck die Beantwortung ab, indem er das Reich dafür nicht für zuständig erklärte. Die Frage ist damals als eine höchst wichtige anerkannt und auch zum egenstand einer Aller⸗ höchsten Botschaft gemacht worden, in der ausdrücklich esagt war, daß die Auffassung der Interpellanten hin⸗ chtlich der Zuständigkeit des Reiches über diese Ausweisungen keinen Rechtsgrund in der Verfassung finden könne. Ausdrücklich ist dann in dieser Botschaft weiter darauf hingewiesen worden, daß die Rechte der Bundesfürsten und der freien Städte in keiner Weise durch den Reichstag geschmälert werden sollten. Ob der Reichstag dieser Voraussetzung stets entsprochen hat, lasse ich dahingestellt. Wir können nur Genugtuung darüber empfinden, daß man im Reiche sich bisher zu den Grundsätzen der Bismarckschen Politik bekannt hat. Bei einzelnen Parteien ist allerdings in letzter Zeit das Bestreben hervorgetreten, die Zuständigkeit des Reiches zu er⸗ weitern, und es ist nicht zu verkennen, daß diese Bestrebungen nicht immer von seiten der Reichsregierung genügend zurückgewiesen worden sind. Nun ist heute von den Interpellanten im Serenat zu den Sozialdemokraten im Reichstage nicht bestritten worden, da die preußische Regierung ein Recht zu diesen Ausweisungen hatte. Ich scheide die Fälle aus, von denen der Minister erklärt hat, daß die verfügten Ausweisungen inzwischen schon zurückgenommen worden seien, bemerke aber ausdrücklich, daß diese Zurücknahme nicht etwa infolge der Interpellation erfolgt ist, sondern wie immer durch die Entscheidung der höheren Instanz. Wie ich höre, soll es sich im ganzen um 10 oder 12 solcher Mißgriffe oder Ver⸗ sehen handeln, in denen die Verfügung der Polizei wieder aufgehoben ist. Man muß doch sagen, daß diese 12 Fälle in ganz bewunderns⸗ werter Weise ausgeschlachtet worden sind. Wie gesagt, ich scheide diese Fälle aus, ich scheide auch den Fall Schöne aus, in bezug auf den der Minister ja Remedur wird erfolgen lassen, wenn sich ein Be⸗ amter dabei strafbar gemacht haben sollte; denn dieser Fall hat mit den Ausweisungen nichts zu tun, und er hätte zu jeder anderen Zeit auch passieren können. Es fragt sich nun, ob die Grundsätze für die Ausweisung, wie sie der Minister hier entwickelt hat, unsere Billigung 885 oder nicht. Wir Konservativen sind im allgemeinen mit iesen Grundsätzen einverstanden und finden sie teinesfalls zu hart. Wir würden auch anderen Staaten keinen Vorwurf machen, wenn sie ihnen mißliebige Deutsche ausweisen würden. Der Abg. Traeger sagte, wir sollten uns Sympathien bei anderen Nationen zu erwerben üchen Gewiß, aber doch keinesfalls durch die Anwendung unwürdiger ittel. Der Abg. Friedberg verlangte, daß die Ausweisungen nur erfolgen sollten, wenn sie gesetzlich berechtigt seien, aber er selbst hat die Grundsätze dafür nicht formuliert. In Berlin existiert ja eine Ver⸗ einigung von Herren zur Schaffung eines internationalen Rechtes. Wir wünschen, daß diese praktischen Erfolg haben; aber ich glaube nicht, daß sie je die einzelnen Staaten dahin bringen könnten, ihnen unliebsame Elemente zu dulden, ebensowenig wie das Haager riedensgericht auf ewig einen Krieg unmöglich machen würde. s kommt hinzu, daß wir es in der Sozialdemokratie mit einer revolutionären Partei zu tun haben, und ein solches Gesetz, wie es Herr Friedberg hier zu verlangen scheint, würden sich nur die Elemente zunutze machen, die um der Auflösungt des Bestehenden halber sich in aller Herren Ländern aufhalten. Ein Freizügigkeitsgesetz für R volutionäre scheint mir denn doch eine sehr überflüssige Arbeit zu sein. Wenn eine Regierung ein Recht hat, so hat sie auch die Pflicht, dieses Recht anzuwenden, wo es nölig ist. Wir hoffen, daß diese Pflicht dauernd wahrgenommen und es dabei unter Umständen nicht an der entsprechenden Rücksichtslosigkeit fehlen wird. Die Regierung kann dabei allerdings nicht auf den Beifall aller Parteien dieses Hauses rechnen und auch nicht auf den Beifall der sogenannte öffentlichen Meinung, als welche man die gemeinsamen Auslassungen der Zeitungsschreiber zu nennen pflegt.
Abg. Broemel (fr. Vgg): Die Frage, ob der Reichstag für diese Materie kompetent sei, hat der Abg. pahn im Reichstag mit großer Sachlichkeit bejaht. Die gesetzgebenden Faktoren des Reiches können sich über die ihnen zustehenden Befugnisse ja auch nur klar werden, wenn sie die tatsächlich vorhandenen Verhältnisse in den Einzelstaaten prüfen dürfen. Nach den Ergebnissen der Reichstags⸗ venehen kann man nicht sagen, daß die große Mehrheit des deutschen Volkes eine reichsgesetzliche Regelung der Fremdenauswei⸗ sungen abgewiesen habe. Ich habe selbst Einsicht in die Akten einer ganzen Reihe von Ausweisungsfällen erhalten, und mich hat Mitleid ergriffen mit den Opfern polizeilicher Willkür. Es ist schmerzlich zu empfinden, daß so etwas in Preußen überhaupt möglich ist. Der Reichskanzler selbst sprach vor 2 Jahren von fremden Schnorrern und Verschwörern. Trifft diese Bezeichnung auch nur für die Mehrheit der russischen Flüchtlinge zu? Die Voraussetzungen des Ministers, unter denen nur Ausweisungen erfolgen sollen, treffen in keinem der mir vorgelegten Fälle zu. Die Betreffenden waren mit russischen Pässen versehen, die bekanntlich an politisch Verdächtige nicht ausgestelt worden wären, in dreihundert Fällen befanden sich die Betreffenden entweder in fester Stellung oder verfügten über die nötigen Existenzmittel sogar für längere Zeit. Viele sind ausgewiesen worden, die ruhige, ordentliche und fleißige Arbeiter gewesen sind und einen gesicherten Erwerb gehabt haben und auch für die Zukunft gehabt hätten. Besonders ergreifend sind die
älle, wo durch die Ausweisungen die Leute in ihrer wirtschaftlichen ristenz ohne weiteres ruiniert sind. Daß Ausweisungen zurück⸗ genommen sind, beweist doch gerade, wie leichtfertig hierbei vor⸗ egangen wird. Die praktische Handhabung der Fremdenpolizei in Berlin und in den Vororten macht den Eindruck, daß es sich in der Tat um Massenausweisungen handelt, bei denen man zu⸗ nächst ohne Unterschied vorgeht und es dem Zufall und der Energie des Betreffenden überläßt, ob er sich dagegen wehren will oder nicht. Den ausdrücklichen Bestimmungen des Gesetzes, wonach nur lästige Ausländer ausgewiesen werden dürfen, widerspricht die Massen⸗ ausweisung, bei welcher der Ausländer erst den Beweis erbringen
Rechtskontrolle eines Gerichtshofs stellen wollte. (Sehr richtig! rechts.) Der Herr Abg. Traeger hat Bezug genommen auf Aeußerungen
daß Rußland sich so entwickeln werde, w und des Friedens wünschenswert ist.
muß, daß er sich nicht lästig gemacht habe. Auch der Fall Schöne ist
haben, aufhören zu lassen.
noch nicht als geklärt zu betrachten,
Angelegenheit gegen den Redakteur hoffentlich wird in diese
des „Vorwäris“ richterlich ein
Flcheitten werhen, da wir nur so ein üächterlichez Cectel in dieser kann ich zu dieser Behauptung nicht sagen.
Dann möchte ich den Herrn Abg. Broemel aber auch fragen, zu welchem Zwecke er denn nun wieder die einzelnen Fälle, bezüglich deren ich zugegeben habe, daß Mißgriffe vorgekommen seien, immer wieder hier des Langen und Breiten vorgetragen hat. Ich kann wirklich nichts anderes tun, als zugeben: es sind in einzelnen Fällen Fehler passiert; aber wie einer der Herren Redner bereits gesagt hat sollte doch damit die Angelegenheit bezüglich dieser Fälle abgetan ein.
Angelegenheit erlangen können. Zwa nach unserer Verfassung das Re,8 bei
viel versprechen; sehr viel mehr Zutrauen habe bg. Spahn hierüber vor zwei
Saat, die der preußische Rmeh Jahren seree bat
und gute Früchte wird sie nicht tragen.
Abg. Dr. von Woyna (freikons.): der Gefahr, eine Frage theoretisch zu behandeln, die nehmlich eine praktische Würdigung verlangt. Herr E belengt eine rechtliche Umschreibung 1 8 eennt er irgend eine an n bdati. Uündere
egen bestimmte Klassen von Ausländern, wi Le viel schlimmer als die Ausweisung ber “ entspricht. Ein jüdischer Schriftsteller führte den har tsächlich auf das elende osteuropäische Proletariat zurück. Wir senh 12en sorgen, gaß 85* verkommenen Existenzen bei uns keine u . Herr Traeger erinnert an di 1 früheren Ministerpräsidenten für eine gesetzliche vse, . waren ganz andere Zeiten. Heute würden wir lediglich ein Frei⸗ zügigkeitsgesetz für solche Elemente machen. Wir können daher nicht mit einer gesetzlichen Regelung einverstanden sein, am wenigsten mit einer Regelung durch das Reich. Jeder Staat muß selbfr wissen wie weit seine Kompetenz geht. Eine Verschiebung darin würden wir Füh. EEe Alg Konservative halten wir f 8 en „ auch im Reich, un . langen wir auch Respekt vor den vren fsach Cdern 8 — Vorredner hat mit Recht hervorgehoben, daß es sich nicht allein um die Legitimation der Ausländer, sondern auch um deren Existenz⸗ H handle, und daß vor allem das eigene Interesse unseres sein müsse. Gehen Sie 888 nach Westfalen und Fe. ie die Polen dort. Ist das eine erwünschte Erscheinung? er Abg. Traeger beklagt sich, daß in Stralau die Arbeitgeber die Arbeitskräfte lötzlich entbehren mußten. Ich kann andere Fälle nennen: ein Remontedepot mußte plötzlich Arbeiter entbehren; weil keeee⸗ Familien nicht heimisch werden dürfen, mußte dieses 2. mitten in der Heuernte auf diese Arbeiter verzichten. Solche Fälle kommen immer vor, wir müssen uns vor dem Eindringen der UIe. be. Kräfte wehren. Wir wünschen nicht, daß die Regierung 8b n 8 einbringt, wir sind durch die Erklärungen des Ministers efriedigt. Die Ausweisungsbefugnis kann nach dem geltenden Gesetz 85 anders gehandhabt werden, als der Minister angeordnet hat. Eö gefehlt haben, hat der Minister rückhaltlos kneceen, De urch eine Kommission prüfen zu lassen, dazu liegt
Abg. Gyßling (fr. Volksp.): Wir können mit d — 3 8 3 ½ r Ministers in keiner Weise zufrieden sein, weder in 88 ve heit noch für die einzelnen Fälle. Wir bedauern, daß er eine gesetz⸗ liche Regelung abgelehnt hat; über die einzelnen Fälle hat er teil⸗ P. keine, teilweise eine unzureichende Erklärung gegeben. Der Fall chöne ist durchaus noch nicht zu Gunsten der Polizei aufgeklärt “ das war aber der Zweck der Interpellalion. Der Minister sagt, es seien nicht so viele Fälle, sie seien nur vermehrt durch die e” we⸗ Besprechung im Reichstage und in der Presse. Hätte der 1e im Reichstage geantwortet, so würden die Fälle nicht wiederholt .5 en. Es sind aber nicht wenige, sondern eine ganze Anzahl von Fällen vielleicht 400 Fälle, auch in Königsberg und an anderen Orten. Ich will 5 hier nicht vortragen, der Minister würde doch nicht über sie nformiert sein. Mein Befremden muß ich über die Rede des Herrn von Brandenstein ausdrücken. Es war eine Scharfmacherrede, wie wir sie sonst nur im Herrenhause hören. Der Abg. von Woyna spricht von den lelac. Arbeitern. Bei Besprechung der Denkschrift der Ansiedlungs⸗ ommission hat aber ein konservativer Redner die Regierung gebeten, die Feeilc. Arbeiter nicht aus dem Lande zu jagen, weil es treue, fleißige rbeiter seien. Meine Freunde meinen, daß das Reich kompetent ist 86 Pteanmg veflüchter eeses wäre, im Reichstage zu orten. g. Windthorst un aenel sind seinerzei Ausführungen des Fürsten Bismarck über die de lhenen 2 gegengetreten. Es hat damals der Reichstag durch eine Resolution ausgesprochen, 5 er kompetent sei für diese Frage. Kann es wirk⸗ lich einem Zweife unterliegen, daß das Reich kompetent sei? Das Reich hat das Ausweisungsrecht der Einzelstaaten zu überwachen Windthorst hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Ausweisungen die internationalen Beziehungen berühren, und deshalb das Reich sie in nationalem Interesse überwachen müsse. Deshalb wäre gerade 29. atmoef im Reichstage auf die Interpellation des Abg. Bebel richtig gewesen, auch die politische Klugheit hätte eine Antwort veranlassen müssen. Diesen Standpunkt nahm auch Herr Basser⸗ mann ein. Der Minister meinte, es sei humaner, die Fremden sofort auszuweisen, ehe man ihnen die Hoffnung gebe, daß sie dauernd hier bleiben könnten. Es sind aber in Königsberg zunächst Frauen und Kinder ausgewiesen worden, und den Männern ist gesagt Porden. wenn Ihr nicht dafür sorgt, daß sie fortgehen, dann werdet 8 selbst ausgewiesen. Der Minister sollte bestimmte Normen und Exrlasse an die Polizeiorgane geben, damit solche Mißgriffe nicht Fen. vorkommen. Wir sollen die Gesetzgebung nicht immer mit ücksicht auf die Sozialdemokratie machen, sondern sie nur S dem allgemeinen Wohl des Staates richten. Für F. internationale Regelung des Ausweisungsrechtes sind bereits orschläge gemacht worden, wonach Massenausweisungen nur im Falle eines Krieges und Einzelausweisungen nur aus Rücksicht auf die Sicherheit des Staates erfolgen sollen, und den Aus⸗ gewiesenen ein Rekursrecht an einen Verwaltungs⸗ gechne gegeben werden soll. Die öffentliche Meinung wird vicht bloß durch die Zeitungen gemacht, das Volk bildet sich seine Meinung auch durch die parlamentarischen Verhandlungen. Ich birie den Minister, noch einmal ernstlich zu erwägen, ob es sich nicht empfiehlt, Erlasse an die Polizeiorgane zu richten und eine gesebliche Regelung in die Wege zu leiten. Geschieht nichts nach dirser hactan c B sich diese Sergänge noch häufig wieder⸗ blen, ie Ausweisungen nicht nach Recht und Billi wie es sich für einen Kulturstaat geziemt. 8 “
Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole): Die Frage der Auswei beschäftigt uns in Preußen seit vielen e geng sie stehen 7’S ffentlichen Meinung in Widerspruch und sind zum Gegenstand zahl⸗ reicher Interpellationen gemacht worden. Den Ausführungen des Fürsten Bismarck sind die großen Parteien im Reichstage sofort ent⸗ segengetreten und haben eine Resolution dagegen beschlossen. Wir neehe. eine gesetzliche Regelung des Ausweisungsrechts. Die Zu⸗ wander ing der polnischen Arbeiter nach den westlichen Provinzen ist neg. die Ansiedlungspolitik der preußischen Regierung im Osten selbst draeüeeh worden. Ich bitte den Minister, die Ausweisungen unserer andsleute aus Rußland, die sich in keiner Weise lästig gemacht
das eine
Diese Staaten
8 Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollweg:
“ Meine Herren! Ich darf auf einige Ausführungen einiger Herren Vorredner kurz antworten.
Der Herr Abg. Broemel hat gesagt, es seien ja gar nicht so wenige Fälle, wie ich angegeben habe, in denen Mißgriffe vor⸗ gekommen seien, sondern es seien in 400 Fällen Mißgriffe vor⸗ gekommen. Meine Herren, eine solche Behauptung läßt sich sehr leicht aufstellen. Ich bin absolut nicht in der Lage, sie heute nachzu⸗ prüfen. Ich kann nur meinen lebhaften Zweifel darüber aus prechen,
Fe das Abgeordnetenhaus 1 8 igen 1 Kommission zur Prüfung einzusetzen, aber ich würde “
I zum Reichstage, besonders nach den dea asc n, deese 85
— Es ist eine bös durch seine Ausweisungen gesct dele
Wir befinden uns in
Fried⸗ ried⸗ des Ausweisungs⸗
Staaten machen generelle golce
Amerika.
anz anders vor, als es der sentimentalen Auffassung bei uns Antisemitismus
r.] Anordnungen nicht entsprechend verfahren worden sei.
(Sehr richtig! rechts.)
müßten, die Anklagebank zukommen, überhaupt dem gerichtlichen könnten.
Verfahren unterworfen
nicht anwesend ist, daß ich aufs allerentschiedenste in seinem Namen gegen diese Behauptung Verwahrung einlege. (Lebhaftes Bravo rechts.) Der Herr Abg. Gyßling hat erklärt, er sei durchaus unbefriedigt von meiner Beantwortung der Interpellation gewesen; er halte die Anordnungen, die ich erlassen habe, im allgemeinen auch nicht für zutreffend. Nun, meine Herren, ich will mich nicht in eine nochmalige Begründung meiner Anordnungen einlassen; es werden da Meinungs⸗ verschiedenheiten zwischen uns beiden vermutlich auf die Dauer doch bleiben. Er hat aber die Art meiner Beantwortung der Interpellation bemängelt, weil ich auf die einzelnen Fälle nicht eingegangen sei, die der Herr Abg. Träger vorgetragen habe, und das sei doch der Zweck der Interpellation gewesen. Meine Herren, ich habe nicht den Zweck der Interpellation dahin aufgefaßt, daß ich auf diese einzelnen Fälle eingehen sollte; wäre das der Zweck gewesen, so kann ich mit Sicherheit voraussetzen, daß der Herr Abg. Träger dann unter allen Umständen die Güte gehabt haben würde mich vorher darüber zu unterrichten, über welche Fälle er sprechen wolle. (Sehr richtig! rechts.) Denn daß diese einzelnen Fälle im Reichstage besprochen worden sind, ist doch für meine Beantwortung der Interpellation, die aus dem Abgeordnetenhause gestellt worden ist gleichgültig. (Sehr gut! rechts.) . Im übrigen lautet aber auch die Interpellation absolut nicht dahin, daß ich es als meine Aufgabe hätte betrachten müssen, nun vor diesem hohen Hause die einzelnen Fälle in ihren Details darzulegen. (Sehr richtig! rechts.) Ich bin gefragt worden, ob mir der Umfang der Ausweisungen des Berliner Polizeipräsidenten bekannt sei, ob ich diese Ausweisungen billige, und welche Anordnungen ich treffen wolle damit ungerechtfertigte Härten vermieden würden. Ich konnte diese Fragen nur dahin auffassen, daß ich erklären sollte welches die Anordnungen seien, die ich generell getroffen hätte; daß ich diese Anordnungen vertreten sollte; daß ich mitteilen be wie 7 1öee. worden wären — und nach allen diesen ngen, glaube ich, habe ich die In “ ch die Interpellation beantwortet. (Sehr Schließlich hat der Herr Abg. Gyßling auch noch sich für un⸗ befriedigt erklärt, weil ich gesagt hätte, ich L“ geseblich Regelung der Frage in dem von ihm gewünschten Sinne nicht für opportun. Ich habe damit meine persönliche Ansicht ausgesprochen von der ich allerdings glaube — ich weiß es nicht; ein Staats⸗ ministerialbeschluß besteht darüber nicht —, daß sie auch von meinen Kollegen geteilt wird. Es ist im übrigen schon von einem der Herren Vorredner darauf hingewiesen worden, daß, wenn eine derartige gesetz⸗ liche Regelung erfolgen sollte, sie im Reiche würde erfolgen müssen; und da weiß ich nicht, inwiefern ich einen Fehler begangen haben soll wenn ich nicht gesagt habe, ich werde ein Reichsgesetz einbringen. Der Herr Abg. Gyßling hat im übrigen auch Fälle aus anderen Gegenden erwähnt — und dasselbe hat der Herr Abg. von Jazdzewski getan —, wo Ausweisungen unrechtmäßig vorgenommen wären. Meine Herren, ich bitte, auf diese Fälle nicht eingehen zu brauchen. Die Interpellation richtet sich auf Ausweisungen des Polizeipräsidenten zu Berlin, und nur über diese Angelegenheit glaube ich, im Rahmen der 11 reden zu können. un ist von verschiedenen Rednern gesagt, die öffentliche Mei — das bewiesen die vielen Verhandlungen über Ee klar und deutlich, daß die der Regierung eine falsche sei. (Sehr richtig!) Sie sagen: sehr richtig!, Herr Abg. von Jazdzewski, das ist mir ein Beweis für das, was ich sagen wollte, daß ein jeder eine verschiedene Ansicht dafür hat, was öffentliche Meinung ist. Wir haben ja schon eine Definition gehört. Ich könnte vielleicht eine Definition anschließen, die ich einmal bei Scherl gelesen habe; aber sie ist so wenig höflich, daß ich beinahe Bedenken trage, sie mitzuteilen. Scherl definiert einmal die öffentliche Meinung in folgender Weise: Die öffentliche Meinung ist das wirre Geräusch, das durch das An⸗ einanderklappen der so und anders gefärbten Bretter besteht, welche die Menschen vor ihren Stirnen haben. (Große Heiterkeit.) Das ist nicht meine Ansicht, ich wollte die Sache nur mitteilen zum Beweise 19 “ “ sind. Vielfach erblickt man den eerkünder der öffentlichen Meinung i 1 . C g in jedem, der derselben Ansicht Ich frage nun objektiv, abgesehen von diesem Scherz, de 1 zu entschuldigen bitte: wenn man die öffentliche 1 dee Aeußerungen auch der Presse mit beurteilt, wird man mir zugeben müssen, daß in einem großen Teil unserer deutschen Presse, nicht allein in der ganz rechts stehenden, auch derjenigen Presse, die in der Mitte der Parteien steht, durchaus die Verpflichtung der Staatsregierung anerkannt ist, bei diesem außergewöhnlichen Andrange russischer Staats⸗ angehöriger auf der Wacht zu sein und dafür zu sorgen, daß diejenigen Elemente, welche unser deutsches Volksleben nach keiner Seite hin bereichern, wieder über die Grenze geschafft werden. (Sehr richtig! rechts.) Sie werden mir zugeben müssen, daß die Anschauungen, die ich versucht habe, zu entwickeln, von einem großen Teil des deutschen Volkes gebilligt werden. (Lebhafter Beifall rechts.)
Abg. Werner (D. Rfp.): Die Meinungen des Minist
ffp.): er werden von dem größeren Teile des deutschen Volkes detach werden. Der Abg. Broemel hat uns durch seine Ausführungen nicht überzeugen können, daß es sich nicht doch in der der Fälle um revolutionäre Elemente unter en russischen Flüchtlingen handelt. Ich kann mich dazu f e Urteil des jüdischen Hilfskomitees beziehen, zu em ich und meine Partei gewiß doch in keiner Beziehung stehen.
daß in 400 Fällen, wie der Herr Abg. Broemel behauptet, meinen
Ein weiteres
Schließlich hat der Herr Abg. Broemel — eine Bemerkung auf die ich antworten muß — gesagt, wir wären in Preußen soweit ge⸗ kommen, daß einzelne Männer der Presse sich dazu hergeben durch die Veröffentlichung von Artikeln selber auf damit Verfehlungen der Beamten
den Meine Herren, das ist eine so schwere Be hin der preußischen Justiz (sehr wahr! rechts), deren “
daß sich speziell unter den jüdischen Flüchtli 15l anarchistischer Elemente befindet. 1820 e nge. e2ne gn⸗ Le- n. und von liberaler Seite anerkannt worden, daß die Juden seit eac, “ EE1 8. erment der Dekomposition 8 di erale „Kölnische Zeitung“ 2 im gleichen Sinne über die e ufgth. schischen 1 22 inge EEE in “ Fremde über den Klee die selbf em freien Amerika ei ürdi⸗ ung erfahren, zeigt der Fall Maxim Gorki⸗ eies saafunde vürnt. unsere Polizei nicht vorgebracht worden. Wir können der olizei nur dankbar sein, wenn wir von derartigen unnützen re⸗ ven. ggever. Flrest 1;eS Ich behalte mir vor, beim öch auf den Umstan jeder Aelfisch lüche e 62750 raen 811“ Abg. Gyßling teilt mit, daß ihn das jüdi 1 1 dahin ermächtigt habe, zu erklären, 85 2 dnn eisch. Asae. 1 des Komiteemitgliedes Perlmann nicht ein⸗ böwasent 6 9 Schutzkomitee habe den Brief hiermit öffentlich amit ist die Beratung geschlossen 1 Abg. von Brandenstein bemerkt persönlich gegenü Abg. Gyßling, der ihn einen B.Ferfa e. e S ge 8 3 1g vicht -2 Pas öeling . einem Scharfmacher ver⸗ 8 „erklären, daß er den revolutionären Be⸗ üashangfn g ber doch ein Scharfmacher als eine Schlaf⸗ e6 ist hiermit erledigt. s folgt die zweite Beratung des von den Ab V 1 des Freiherr von 885ʃ% und Neukirch (freikons.), Linz ugg. — von der Groeben (kons.) u. Gen. eingebrachten Gesetz⸗ entwurfs zur Abänderung des § 53 des Kommunal⸗ abgabengesetzes, der die Bestimmungen über den von der Betriebsgemeinde an die Wohnsitzgemeinde zu zahlenden Zuschuß enthält.
Die Steuerkommission beantragt Fassung nau geben: 1A111“ „Wenn in einer Gemeinde durch industriell iebe in ei
andern Gemeinde Mehrausgaben für 1 E lichen Volksschulwesens oder der öffentlichen Armenpflege oder fürpolizeiliche Zwecke erwachsen die einen erheblichen Umfang erreichen und eine unbillige Mehr⸗ belastung herbeiführen, so kann die Gemeinde von der Betriebs⸗ gemeinde einen angemessenen Zuschuß verlangen. Dabei sind die der Gemeinde erwachsenden Vorteile zu berücksichtigen. Die Zu⸗ schüsse der Betriebsgemeinde dürfen nicht mehr als drei Viertel der gesamten direkten Gemeindesteuern der Betriebe betragen.
Liegt der Betrieb in einem Gutsbezirke, so richtet sich der Anspruch gegen den Gewerbetreibenden. Die Zuschüsse dürfen in diesem Falle drei Viertel der Staatseinkommensteuer und der Real⸗ frne nite erstescs, Fitder Betrieb nicht gewerbesteuerpflichtig,
öchstbe a S searremenk stbetrages der Betrag der Staatseinkommen⸗ „Wenn von mehreren Gemeinden oder Gutsbezi . sprüche erhoben werden, soll eine entsprechende Ansprüche bis zu der zulässigen Höchstgrenze stattfinden.“ (Das geltende Gesetz läßt den Zuschuß nur bei Mehr⸗ gaben fuͤr Zwecke des öffentlichen Volksschulwesens oder der öffentlichen Armenpflege und nur bei einer Ueber bürdung der öö“ zu, und der Zuschuß soll nu bis zur Häfte der direkten Steuern betragen dürfen.)
Ein Abänderungsantrag des Abg. Lusensk i den Eingang des Antrags folgendermaßen seßtath „Wenn in einer Gemeinde durch den Zuzug von Per⸗
sonen, die in einer anderen Gemeinde i 3 beschäftigt sind, Mehrausgaben.... e n industriellen Betrieben
Ferner beantragt Abg. Lusensky mit den Abgg. Graf
kirch noch folgende Aenderung des Absatzes 2:
„„Die Zuschüsse dürfen alsdann (beim deee 8 8 Kreisbesteuerung dieses Betriebs zu Grunde liegenden Einkommen⸗ steuer und Realsteuern und, wenn der Betrieb nicht gewerbesteuer⸗ pflichtig ist, den vollen Betrag der seiner Kreisbesteuerung 3 Grunde liegenden Einkommensteuer nicht übersteigen.“
Ferner beantragen dieselben Abgeordneten einen wonach dieses Gesetz erst am 1. April 1907 in Kraft tritt. Die Abgg. Engelbrecht (freikons.) u. Gen. bean e. 9 8. Absat 1 17gn Worte „Vorteile“ ein 1 weit sie in der Steuerkraf - ierkraft zum Ausdruck 8 Lnee (nl.) befürwortet die von ihm gestellten ’ g. Engelbrecht (rreikons.) bittet um Annahmesei 8 1. 897 mer Maedenah bringen wolle, in welcher Waffseines Fntre⸗ z⸗ 8 nde auch Vorteile an Steuerei Näehes 4 EFütjcge hage uereinnahmen durch die zugezogenen g. Cassel (Fr. Volksp.): Die Aenderung dieses einzi . raphen des Kommunalabgabengesetzes ist 888,9 g artei des Hauses von dem Interesse für das Zustandekommen des Schulunterhaltungsgesetzes geleitet wird. Eine systematische Reform des Kommunalabgabengesetzes wäre eher am Platze gewesen. Wir 8 müssen anerkennen, daß der Kommissionsantrag gegenüber dem ur⸗ sprünglichen Antrag von Zedlitz dadurch erhebliche Abhilfe geschaffen hat, daß außer den Armen⸗ und Schullasten nur noch die Polizei⸗ lasten einen Anspruch auf Zuschüsse geben können. Die Re⸗ gierung hat in der Kommission selbst anerkannt, daß der bisherige Prozentsatz des Zuschusses bis zur Hälfte eigentlich nicht erhöht zu werden brauchte; sie ist aber dann doch mit einer Erhöhung auf drei Viertel einverstanden gewesen. Nach dem Ausdruck der Kommissions⸗ 8 fassung „unbillige aeseing w— wird in Zukunft auch eine ganz wohlhabende Gemeinde in der Lage sein, Zuschüsse zu fordern. Un⸗ vermeidlich wird dadurch eine Reihe kleinbürgerlicher Kriege zwischen den Nachbargemeinden werden. Der ursprüngliche Begriff des Gesetzes daß nur im Falle der „Ueberbürdung“ ein Zuschuß verlangt werden könne, muß festgehalten und klar zum Ausdruck gebracht werden. “ “ 88 Freund erklärt namens der erung seine Zustimmung zu den gestellt äge 2 1 als 1“ Puegerüshen v— eheimer Oberfinanzra .Strutz erkennt an, daß d druck unbillige Mehrbelastung“ bei 12. Pews⸗ Fällen 4 ber 8 gleichartigen Behandlung führen könne, und legt es dem Hause nahe s8 bis zur dritten Lesung auf einen Antrag zu einigen, der den Seg 85 — ir.-e Ein solcher Antrag würde 1b Finanzminister wesentlich erlei 8 e seine Ffttamae zu geben. “ 8 g. ulze⸗Pelkum (kons.) erklärt, da ür die Anträge Lusensky und Engelbrecht stimmen beg FSgeSe Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch befürwortet gleich⸗ falls diese Anträge. Fur den Ausdruck unbillige Mehrbelastung. — sich bei der dritten Lesung noch ein besserer Ausdruck finden Abg. Brust (Zentr.) erklärt, daß seine Freunde an der Kom⸗ missionsfassung festhalten, jedoch bei den Bestimmungen im Fhee von Streitigkeiten nicht den Provinzialausschuß, sondern das n. an sherftrerfe ser⸗ entscheiden lassen wollen. g. Cassel lehnt im N d — — g. amen seiner Freunde den Antrag Der Kommissionsantrag bestimmt ferner: „In Ermange⸗ lung des Einverständnisses beschließt der Kreis bezw. Bezirks⸗ ausschuß. Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen
Aus Kreisen des jüdischen Hilfskomitees ist selbst anerkannt worden,
die Beschwerde an den Provinzialrat statt.“
von der Groeben und Freiherr von Zedlitz und Neu⸗
Zusatz,
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