im Süden: durch die zuletzt genannte Linie von ihrem Schnittpunkte mit der Mittellinie der Wilsnackerstraße an bis zu ihrem Schnittpunkte mit der zu a bezeichneten Parochial⸗ grenze
werden aus der unter Königlichem Patronat stehenden St. Johannis⸗ (Moabit.) Kirchengemeinde ausgepfarrt und zu einer selbständigen patronatsfreien Heilige Peiteo. vereinigt.
18 Die dritte Pfarrstelle (zweites Diakonat) in der St. Johannis⸗ (Moabit⸗) Kirchengemeinde geht mit ihrem derzeitigen Inhaber als zweite Pfarrstelle auf die Heilige Geist⸗Kirchengemeinde über. In derselben wird außerdem noch dir Pferee (die erste) errichtet.
Für die Heilige Geist⸗Kirchengemeinde gelten bis auf weiteres die gegenwärtigen Gebührenordnungen der St. Johannis⸗ (Moabit⸗) Kirchengemeinde. 8—
8 Die Heilige Geist⸗Kirchengemeinde hat solange, bis sie in den Besitz eines gebrauchsfähigen Kirchhofes gelangt, jedoch längstens während eines Zeitraumes von sechs Jahren vom Tage des Inkraft⸗ tretens ihrer Errichtungsurkunde ab, das Recht der Mitbenutzung der beiden an der Seestraße bei Plötzensee belegenen Kirchhöfe der St. Johannis⸗ (Moabit⸗) Kirchengemeinde dergestalt, daß
a. die Verwaltung dieser Kirchhöfe allein der Stammgemeinde verbleibt, welche auch alle Verwaltungs⸗ und Unterhaltungskosten allein zu tragen hat, “
b. die Zweiggemeinde nur die Stolgebühren für Begräbnisse ihrer Mitglieder auf diesem Kirchhofe sowie die Auslösungsgebühren im Falle der Beerdigung von Mitgliedern auf anderen Kirchhöfen bezieht, während alle übrigen Gebühren 8 Stammgemeinde zufließen.
Die der St. Johannis⸗ (Moabit⸗) Kirchengemeinde aus der auf dem Blatte des im Grundbuche des Königlichen Amtsgerichts Berlin⸗Mitte von den Umgebungen Berlins im Kreise Niederbarnim Band 118 Blatt Nr. 4525 verzeichneten, hierselbst, Birkenstraße 60/61 Ecke Perleberger Straße be⸗ legenen Grundstücks in Abteilung II Nr. 1 am 14. September 1900 zu ihren Gunsten erfolgten Eintragung zustehenden Rechte und Ansprüche, insbesondere auch das Recht auf den ungestörten und unentgeltlichen Besitz, Gebrauch und Genuß der auf dem vorbezeich⸗ neten Grundstück errichteten Heilige Geist⸗Kirche werden der Heilige Geist⸗Kirchengemeinde übereignet, sodaß diese mit ihrer Errichtung be⸗ züglich aller dieser Rechte und Ansprüche an die Stelle der St. Johannis⸗ (Moabit⸗) Kirchengemeinde tritt und demgemäß die vorerwähnte Eintragung im Grundbuch auf sie umzuschreiben ist.
Eine weitere Ausstattung soll die Heilige Geist⸗Kirchengemeinde von der St. Johannis⸗ (Moabit⸗) Kirchengemeinde nicht erhalten.
Indem wir diesen Parochialregulierungsplan zur öffentlichen Kenntnis bringen, fordern wir die Beteiligten auf, etwaige Ein⸗ wendungen gegen denselben bis zum 15. September 1906 an einem Wochentage in der Zeit von 10 Uhr Vormittags bis 2 Uhr Nach⸗ mittags in dem Zimmer Nr. 15 unseres Dienstgebäudes, Schützen⸗ straße 26 hierselbst, parterre, bei dem Herrn Rechnungsrat Schöneberg oder dessen Stellvertreter unter geeignetem Ausweis über ihre Legitimation zur Sache schriftlich einzureichen zu Protokoll zu erklären.
Berlin, den 17. August 1906. 4
1111“ 1 Königliches Konsistorium der Provinz Brandenburg, 8 Abteilung Berlin. Steinhausen.
In der Zweiten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ ist eine Genehmigungs⸗ urkunde, betreffend eine Anleihe der Stadt Hameln, veröffentlicht.
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 23. August.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten im Schloß Wilhelmshöhe gestern den Vortrag des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rats Dr. von Lucanus und heute den des Vertreters des Chefs des Marinekabinetts,
88
Kapitäns z. S. von Krosigk.
Im Monat Juli d. J. haben 3183 Schiffe (gegen 3175 Schiffe im Juli 1905) mit einem Nettoraumgehalt von 583 662 Registertons (1905: 518 155 Registertons) den Kaiser Wilhelm⸗Kanal benutzt und, nach Abzug d's auf die Kanalabgabe in Anrechnung zu bringenden Elblots eldes, an Gebühren 264 660 ℳ (1905: 240 751 ℳ) entrichtet.
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist der Transport der von S. M. S. „Bussard“ und „Seeadler“ abgelösten Besatzungen mit dem Reichspostdampfer „Markgraf“ am 21. August in Hamburg angekommen.
S. M. S. „Stosch“ ist am 21. August in Horta auf Fayal (Azoren) eingetroffen und setzt am 27. August die Reise nach Madeira fort.
S. M. S. „Sperber“ ist am 20. August in Lome ein⸗ getroffen und geht heute von dort nach Monrovia in See.
S. S. „Bussard“ ist am 21. August in Sadani eingetroffen und geht heute von dort nach Zanzibar in See.
S. M. S. „Condor“ ist am 21. August in Yap (West⸗ karolinen) eingetroffen.
S. M. S. „Hansa“ ist am 21. August in Rangoon eingetroffen. “
S. M. S. „Luchs“ ist gestern in Tschifu eingetroffen und Eht heute von dort nach Tsingtau in See.
S. M. S. „Loreley“ ist gestern in Konstantinopel ein⸗ getroffen.
S. M. Flußkbt. „Vorwärts“ ist am 21. August in Kiukiang eingetroffen und gestern von dort nach Nantschangfu abgegangen. 8
Bestreben, der nächsten Session des Reichsrats und der Reichsduma in erster Linie einen Gesetzentwurf, bezüglich des allgemeinen Elementarunterrichts zu unterbreiten, hat, wie die „St. Petersburger Telegr.⸗Agentur“ meldet, der Ministerrat in seiner Sitzung vom 21. August beschlossen, durch eine besondere Kommission diesen Gesetz⸗ entwurf ausarbeiten zu da as Der Ministerrat hat zu gleicher Zeit es als unumgänglich notwendig erachtet, daß die Be⸗ züge der Lehrer von Eiementarschnien erhöht werden,
und daß auch die Zahl dieser Schulen vermehrt wird. Zu diesem Zwecke hat er für das nächste Jahr einen Kredit von 5 333 000 Rubeln bereitgestellt. Ferner hat der Minister⸗ rat beschlossen, Gesetzentwürfe, betreffend die Gleichmachung der Rechte der Bauern mit denen der anderen Bevölke⸗ rungsklassen, vorzubereiten. Endlich hat es der Ministerrat auch für nötig erachtet, die die Freiheit des Unterrichts in Polen und in den litauischen Gebieten beschränkenden Gesetze abzuschaffen. 8
Nach Meldungen derselben Agentur aus Helsingfors haben in der letzten Zeit an verschiedenen Orten Finnlands Ver⸗ sammlungen der Roten Garde stattgefunden, in denen im Hinblick auf das Senatsrundschreiben bezüglich der Auf⸗ lösung der Roten Garde über die Frage beraten wurde, ob dieser Verband weiter bestehen solle oder nicht. In den meisten Beschlüssen gab sich die unbedingte Bereitwillig⸗ keit kund, sich dem Senatsbeschlusse zu fügen. Viele Provinzsektionen der Roten Garde sind gegenwärtig bereits aufgelöst. Das aus dem Gesamtverbande ausgeschiedene sogenannte Kampftausend, das die Garnison von Sweaborg unterstützt hatte, hat sich zerstreut. Einzelne Personen wurden ver⸗ haftet. Bei der Auflösung der Sektionen der Roten Garde in der Provinz fand in einzelnen Fällen schwacher Widerstand statt. Bei der Auflösung wurde beschlossen, Abzeichen, Kokarden und Flaggen zu vernichten. Im Zusammenhang mit der Auf⸗ lösung der Roten Garde und der Schwächung der sozial⸗ demokratischen Partei steht offenbar die gegenwärtig zutage tretende Belebung der konstitutionellen Partei.
Seit vorgestern tagt in Uleaborg ein Kongreß der Sozialisten Finnlands.
Mit Genehmigung des Generalgouverneurs von Riga erschien gestern abend in allen Zeitungen ein Aufruf an die Bewohner der Stadt Riga, in dem diese zur Stiftung von Geldspenden zur Anschaffung von Panzern für die Polizisten, denen gegenwärtig große Gefahr droht, aufgefordert werden. Da es der Krone jetzt an Mitteln fehlt, die nötige Anzahl Panzer anzuschaffen, so sei es Pflicht der Gesellschaft, nach dem Prinzip „einer für alle und alle für einen“, im Interesse des allgemeinen Schutzes der Obrigkeit entgegenzukommen und nicht zuzulassen, daß der Terror die Tätigkeit der Polizei lähme.
Im Moskauer Vorort Baschilowka fand die Polizei in einem Privathause viele Waffen und eine Bombe. Dreizehn Personen wurden verhaftet.
Türkei.
Die Pforte hat an die bulgarische Regierung eine Note gerichtet, in der sie ihr Mißfallen über die griechenfeindliche Bewegung in Bulgarien ausdrückt. Die bulgarische Regierung hat, der ‚Polit. Korresp.“ zu⸗ folge, hierauf geantwortet sie betrachte dietürkische Note als nicht eingegangen, da der Pforte nicht das Recht zustehe, in innere Angelegenheiten des Fürstentums einzu⸗ greifen. Im übrigen betont die bulgarische Antwort, daß die Verfolgungen, denen die griechischen Elemente in Bulgarien ausgesetzt seien, nur die Rückwirkung der Greueltaten darstellten, die in Mazedonien an Bulgaren verübt wurden. Die Pforte sollte daher vor allem in der Türkei selbst geordnete Zustände herstellen. “ ““
Gegen die Behauptung, daß die antigriechischen Ereignisse in Bulgarien Repressalien für die Untaten der griechischen Banden in Mazedonien seien, wird von
riechischer Seite bei der Pforte und bei den
roßmächten geltend gemacht, daß das Unwesen der bulgarischen Banden seit 1903 bestehe und viele Untaten gegen die Griechen begangen wurden, die griechischen Banden dagegen zur Selbstverteidigung erst seit kurzem ent⸗ standen seien. Für das Bandenunwesen auf türkischem Boden könne auch die griechische Regierung nicht verantwortlich ge⸗ macht werden, wohl aber die bulgarische Regierung für die Angriffe im eigenen Lande auf friedliche Einwohner, welche die Lokalbehörden gänzlich unbeschützt ließen.
Das ökumenische Patriarchat hat, wie das „Wiener K. K. Telegr. Korr.⸗Bureau“ meldet, beschlossen, ein drittes Memorandum an die Botschaften der Großmächte zu senden. In ihm wird eine eingehende Darstellung der Er⸗ eignisse in Anchialo nach den Erzählungen griechischer Flücht⸗ linge gegeben; es wird gegen diese Untaten Einspruch erhoben, die bulgarische Regierung wird der Mitschuld an den Verfolgungen der Griechen angeklagt, und es wird um die tatkräftige Inter⸗ vention der Signatarmächte des Berliner Vertrages behufs Wiederherstellung des status quo in Bulgarien ersucht.
Amerika.
Ueber den Aufstand auf Cuba liegen heute folgende Meldungen vor: In der Provinz Pinar del Rio haben sich die Aufaͤndischen der Stadt San Luis bemächtigt, wobei eine Anzahl Personen getötet und verwundet wurden. Die Stadt San Luis wurde durch 100 Mann Landgendarmerie verteidigt, von denen sich 50 den Aufständischen ergaben. Mit der Einnahme von San Luis haben die Aufständischen einen wichtigen Stützpunkt für die Durchführung künftiger Operationen gewonnen.
Der Präsident von Cuba Palma erklärte „W. T. B.“ zufolge, daß angesichts der geringen Ausdehnung der revolutionären Bewegung kein Grund zur Beunruhigung vor⸗ liege. — Der General José Gomez ist vorgestern auf seiner Farm in der Provinz Santa Clara festgenommen worden. In Havanna sind im Laufe von drei Tagen 610 Personen wegen Verdachts der Teilnahme an einer Ver⸗ schwörung verhaftet worden. Trotz der Versicherungen, daß die Provinz Havanna von Rebellen gesäubert sei, erschien
estern ein Trupp Aufständischer bei Los Güines, wo er auf iderstand stieß. .
Bei Hoyo Colorado hat gestern bei Tagesanbruch ein zweiter Kampf zwischen Truppen und Aufständischen statt⸗ gefunden, bei dem an 100 Bürger den Truppen und der Landgendarmerie zu Hilfe kamen und die Aufständischen unter General Banderas in die Flucht schlugen.
Asien.
Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Peking beabsichtigt die Kaiserin⸗Witwe, eine Konferenz von hohen Würdenträgern, darunter 58 Vizekönige, einzu⸗ berufen, um über die gnn ahme einer Verfassung zu ⸗ raten. Die Kommissare, die vor kurzem von ihrer Auslands⸗ reise heimgekehrt sind, sprechen sich für einen allmählichen Uebergang zu einer konstitutionellen Regierung aus und halten 10 bis 15 Zahre für notwendig, um das Volk durch Erziehung für eine neue Regierungsform reif zu machen.
30. Wettbewerbprüfung für Marinechronometer.
Die deutsche Seewarte in Hamburg erläßt die folgend⸗ Aufforderung zur Beteiligung an der 30. Chronometer⸗ wettbewerbeprüfung.
1) Zeitpunkt der Prüfung. Die 30. Wettbewerbprüfung für Marinechronometer wird in der Zeit vom 29. Oktober 1906 bis zum 17. April 1907 in der Abteilung IV der Deutschen See abgehalten werden. Als letzter Tag für die Anmeldung von Chrono⸗ metern zum Wettbewerb ist der 22. Oktober 1906, und für die Ein⸗ lieferung der Instrumente der 27. Oktober 1906 festgesetzt worden. Instrumente, die später als an den angegebenen Tagen angemeldet oder eingeliefert werden, können nicht mehr zur Wettbewerbprüfung zugelassen werden.
2) Bedingungen für die Zulassung zur Prüfung. Es steht jedem im Gebiete des Deutschen Reichs ansässigen Uhrmacher der sich als solcher durch Lehrbriefe oder Zeugnisse von Uhrmacher. schulen ausweist, frei, bis zu 10 Chronometer zur Prüfung einzuliefern ohne Nachweis des Ursprungs und der Bearbeitung. Die Annahme dieser Instrumente erfolgt indessen nur so weit, als die vorhandenen Prüfungseinrichtungen in der Abteilung IV der Deutschen Seewarte es gestatten. Reicht der Prüfungsraum für die Gesamtzahl der an⸗ gemeldeten Chronometer nicht aus, so tritt eine entsprechende Ver⸗ minderung der von jedem Einlieferer anzunehmenden Instrumente ein.
Von jedem Einlieferer ist bei der Anmeldung ausdrücklich zu er⸗ klären, daß er mit den unter 6) genannten Verkaufsbedingungen ein⸗ verstanden ist, und daß er die von ihm eingereichten Instrumente der Deutschen Seewarte so lange zur Verfügung stellt, bis die Ent⸗ scheidung des Reichsmarineamts ühber den Ankauf getroffen worden ist. Fersker ist bei der Anmeldung anzugeben, in welchem Jahre und Monat die Fertigstellung sowie die letzte Reinigung und Oelerneuerung bei den einzelnen Chronometern haben. Das Zifferblatt und der Holzkasten sind mit dem Namen des Fabrikanten und der laufenden Fabriknummer sowie das Messinggehäuse wenigstens mit der Fabriknummer zu ver⸗ sehen. Endlich sind einige Angaben (oder Skizzen) bezüglich des Baus der wesentlichen Teile (Kompensation der Unruhe, Hemmung usw.) beizufügen. — Die Deutsche Seewarte behält sich vor, Chronometer, die nicht innerhalb des letzten Jahres gereinigt und mit neuem Oel versehen worden sind, und solche, die älter als 3 Jahre sind, von der Prüfung auszuschließen.
3) Prüfungsordnung. Die zur Wettbewerbprüfung ein⸗ gelieferten Chronometer werden zunächst bei Zimmertemperatur einer zehntägigen Prüfung bezüglich des Gangunterschiedes zwischen dem ersten und zweiten Gangtage unterzogen. Diejenigen Instrumente, bei denen dieser Unterschied mehr als 1,50 S. beträgt, werden von der “] ausgeschlossen und den Fabrikanten zurück⸗ gegeben.
Alsdann werden die zur Wettbewerbprüfung zugelassenen Chrono⸗ meter im Prüfungsraume der Abteilung IV der Deutschen Seewarte durch langsame Vermehrung der Temperatur zunächst auf 300 Cels. gebracht; hierauf werden dekadenweise die Mitteltemperaturen
305 25 ° 200 15 ° 100 50 5⁰° 10 ° 15 ° 20 ⁰ 25 300 innegehalten, und zwar werden beim Uebergange von Dekade zu Dekade stets allmähliche Temperaturveränderungen vorgenommen. Schließlich erfolgt eine Temperaturverminderung bis auf Zimmertemperatur.
Die während der Anfangs⸗ und Schlußperiode erhaltenen Gang⸗ werte werden bei der Einteilung der Chronometer in Klassen nicht in Rechnung gezogen.
4) Einteilung der Chronometer in Klassen. Nach be⸗ endigter Prüfung werden sämtliche Chronometer, soweit sie sich über⸗ haupt als brauchbar für die nautische Praxis erweisen, in vier Klassen eingeordnet, für die die Heafgeee der später zu erklärenden Güte⸗ zahlen folgen estgesetzt worden sind:
“ 1Sbö 2 500 650 0.75 ͤü1 2 50 0 0.010 0.015 0.025 0.050
Diese Größen A, B und C werden berechnet aus den mittleren täglichen Gängen, die während der einzelnen Dekaden beobachtet worden sind. — Zur Bestimmung der Größe A werden die bei gleichen Temperaturen erhaltenen Gänge paarweise zu einem Mittelwerte vereinigt; es wird dann die größte vorgekommene Differenz dieser Mittelwerte gleich A gesetzt. — Bezeichnet ferner B’ die größte Differenz der täglichen Gänge von zwei aufeinander folgenden Dekaden, * die Differenz der Temperatur während dieser beiden Zeitabschnitte und T die Differenz der höchsten und niedrigsten während der Prüfung überhaupt vorgekommenen Dekadentemperatur, so it
In dieser Formel sind die algebraischen Vorzeichen von B“' und A zu berücksichtigen. — Endlich erhält man den Wert der täglichen Beschleu⸗ nigung Cdes täglichen Ganges, indem man die Differenz der Gänge bildet, die während zweier zur Mitte der Untersuchungszeit symmetrisch gelegener Dekaden beobachtet worden sind, und alsdann diese Differenz durch die Anzahl der zwischen der Mitte beider Dekaden liegenden Tage dividiert. Nachdem man in dieser Weise die tägliche Beschleunigung aus den beiden äußersten Dekadenpaaren der Prüfung berechnet hat, ist der Mittelwert beider Bestimmungen gleich C zu setzen.
Innerhalb der einzelnen Klassen werden die Chronometer nach dem Wert der Summe A + 28 + C geordnet, wobei die Vorzeichen der Summanden nicht zu berücksichtigen sind.
5) Prämiierung der Chronometer. Seitens des Reichs⸗ marineamts sind für Chronometer deutscher Arbeit, die die Bedingungen der Klasse I erfüllt haben, sechs Prämien im Betrage von 1200 ℳ, 1100 ℳ, 1000 ℳ, 900 ℳ, 800 ℳ und 700 ℳ ars⸗ esetzt worden. Unter „Chronometer deutscher Arbeit“ werden solche
hronometer verstanden, die nicht nur von deutschen Chrono⸗ meter⸗ oder Uhrmachern zusammengesetzt und feingestellt (reguliert) sind, sondern deren gesamten Teile in Deutschland gefertiet sind. Ausnahmsweise sollen bei der diesjährigen Prüfung auch solche Chronometer zugelassen werden, bei denen im Auslande an⸗ gefertigte Palladiumspiralen, Nickelstahlunruhen, Ketten und Zugfedern verwendet worden, im übrigen aber die oben erwähnten Bedingungen erfüllt sind. Bei der Anmeldung der Chronometer ist ausdrücklich zu erklären, daß sie mit der Anwartschaft auf Prämlierung eingeliefert werden und daß die Bedingungen, die sich auf den deutschen Ursprung beziehen, erfüllt sind. Außerdem ist anzugeben: 1) der Name des Verfertigers der Spiralfeder; 2) der Name des Unrub⸗ machers; 3) der Name des Verfertigers der Hemmungsfeder und des Hemmungsrades; 4ü4) der Name des Feinstellers. — Der Nachweis, daß die mit der Anwartschaft auf Prämiterung einge⸗ lieferten Chronometer deutschen Ursprungs sind, ist durch Vorlage von Arbeitsbüchern, Fakturen, Rechnungen und durch andere geeignele Beweise zu erbringen. Auch müssen sich die Einlieferer. damit einverstanden erklären, daß ihre Werkstätten und Arbeits⸗ mittel ohne besondere vorherige Benachrichtigung durch Beamte des Reichsmari zeamts besichtigt werden. Das Reichsmarineamt behält es sich ferner als Bedingung für die Zulassung vor, von dem Ein⸗ lieferer erforderlichenfalls den Nachweis einer fachtechnischen Ausbildung⸗ insbesondere bezüglich der Anfertigung und Feinstellung von Chrono⸗ metern zu verlangen. Dieser Nachweis ist durch Vorlage von Lehr⸗ briefen, Zeugnissen von Uhrmacherschulen oder anerkannt tüchtigen Fachleuten zu erbringen.
Zur Prüfung, ob die obenerwähnten Bedin gungen für die Zu⸗. lassung zur Anwartschaft auf Prämtierung erfüllt find, wird seitens der Deutschen Seewarte Anfang November d. J. eine fachtechnische Kommission zusammenberufen werden. Ihre Beratungen finden unter dem Vorsitz des Direktors der Deutschen Seewarte statt, und das Ergebnis der Prüfung wird in einem Protokolle niedergelegt. Die Mitglieder der Kommission köntten, falls es zweckmäßig erscheint, zur Besichtigung der Werkstätten der am Wettbewerb beteiligten Chrono⸗ metermacher herangezogen werden.
28½ 4
250 1000
1“ 8 8
6) Ankauf der Chronometer. Das Reichsmarineamt behält sich das Recht und die freie Wahl des Ankaufs der eingelieferten Chronometer zu folgenden Preisen vor:
8 ür ein Ch ö1“; 8 2
II 2* 2 2* 2* 8 ö“
Bei den prämiierten Chronometern wird dieser Kaufpreis außer der Prämie bezahlt. 88
ie Lieferanten sind anderseits verpflichtet, die von dem Reichs⸗ marineamt angekauften Chronometer sofort nach Beendigung der Wettbewerbprüfung nochmals kostenlos zu reinigen und mit neuem Del zu versehen, falls dies von der Deutschen Seewarte als notwendig erachtet wird. Ferner haben sie die Porto⸗ und Verpackungskosten für die Zustellung der angekauften Chronometer an die Kaiserlichen Werften der Abteilung IV der Deutschen Seewarte zurückzuerstatten.
7) Zeugnisse für die untersuchten Chronometer und Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse. Nach Beendigung der Wettbewerbprüfung wird über jedes zur Prüfung eingelieferte Chronometer, dessen Gütezahlen die oben für die Klasse IV an⸗ gegebenen Höchstbeträge nicht überschreiten, ein amtliches Zeugnis aus⸗ gestellt. Darin werden die Gangwerte während der einzelnen Dekaden, die daraus abgeleiteten Gütezahlen sowie die Nummer der Klasse angegeben. — Ueber die Anordnung und die Ergebnisse der Prüfung wird ein eingehender Bericht in den „Annalen der Hydrographie usw.“ ver⸗ öffentlicht werden, auch wird durch Verteilung von Sonderabdrücken dieses Berichts dafür Sorge getragen, daß diese Ergebnisse in den sich dafür interessierenden fachwissenschaftlichen Kreisen Verbreitung finden.
8) Einlieferung der Chronometer und allgemeine Bestimmungen. Die Deutsche Seewarte richtet an die Einlieferer das Ersuchen, die für die Wettbewerbprüfung bestimmten Chrono⸗ meter, wenn irgend möglich, persönlich zu überbringen. — Bei Sendungen durch die Post ist die Adresse
8 Deutsche Seewarte
Abteilung IV. 8 1X““ Hamburg 9, Stintfang. z benutzen. Es empfiehlt sich bei Postsendungen, die Aufgabepost⸗ anstalt von der Auflieferung bereits 48 Stunden vorher in Kenntnis zu setzen und unter Angabe der Adresse sowie des Inhalts und des Zwecks der Sendung um möglichste Sorgfalt während des Transports z bitten. Falls der Zug, mit denen die Chronometer in Hamburg eintreffen, der Abteilung IV der Deutschen Seewarte mit Bestimmtheit angegeben werden kann, wird ein Beamter die Sendung am Bahn⸗ bofe in Empfang nehmen.
Auf Grund der bisherigen Erfahrungen mögen noch die folgenden Vorsichtsmaßregeln für die Verfendung der Chronometer in Vorschlag gebracht werden:
a. Man setze die Unruhe durch Unterschieben von Korkstückchen oder Papierstreifen fest, sodaß jede Bewegung verhindert wird.
b. Man befestige die Cardanische Aufhängung durch Einschieben des Befestigungsarmes und durch scharfes Anziehen der Klemmschraube.
c. Man fülle den ganzen Raum zwischen dem Uhrgehäuse und dem hölzernen Kasten mit trockenem, staubfreiem Werg, Holzwolle oder Papierschnitzeln, um selbst bei Lockerung der Klemmschraube jede
ewegung des Gehäuses zu verhindern. 1
d. Das im Ueberkasten befindliche Chronometer ist in einem Weidenkorbe mit Hilfe von elastischem und möglichst staubfreiem Füllmaterial (Seegras, Holzwolle usw.) festzusetzen.
e. Zwei Chronometer können in einem Korbe verpackt werden, doch so, daß jede unmittelbare Berührung zwischen ihnen durch das Füllmaterial verhindert wird. 8 Ueber den Empfang der Chronometer wird jedem Einlieferer eine amtliche Bescheinigung zugestellt; die Aushändigung der Chrono⸗ meter nach beendigter Prufung erfolgt gegen Rückgabe dieser Be⸗ scheinigung. Auswärtigen Uhrmachern werden die Chronometer auf Wunsch in obiger Weise verpackt mit der Post zurückgeschickt, doch über⸗ nimmt die Deutsche Seewarte keine Verantwortung für etwaige Be⸗ scaädigung der Instrumente infolge des Transportes. Die Auslagen für die Verpackung und für die Beförderung zur Post sind der Ab⸗ teilung IV zurückzuerstatten.
Alle auf die Wettbewerbprüfung bezüglichen Anfragen sind an die Deutsche Seewarte zu richten. “ 1
Es wird schließlich ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß
eine Versicherung der Chronometer gegen Feuersgefahr durch die Deutsche Seewarte nicht stattfindet. 9) Benachrichtigung. Auf Antrag der Deutschen Seewarte ist vom Staatssekretär des Reichsmarineamts genehmigt worden, daß von der 31. Wettbewerbprüfung (1907/1908) an sämtliche ein⸗ gelieferten Chronometer vor Beginn der Temperaturuntersuchung einer Prüfung bezüglich ihrer technischen Ausführung unterzogen werden. Diese Prüfung wird seitens einer von der Deutschen See⸗ warte alljährlich zu berufenden Sachverständigenkommission ausgeführt. Diejenigen Chronometer, die die Kommission als minderwertig in der technischen Ausführung bezeichnet, werden von der Teilnahme an der Wettbewerbprüfung ausgeschlossen. — Außerdem sollen, etwa vom gleichen Zeitpunkte an, nur Chronometer mit Schnecke zur Wettbewerb⸗ rüͤfung zugelassen werden.
Hamburg, im August 1906.
Deutsche Seewa
1“
Die italienische Auswanderung im Jahre 1905.
„Im Jahre 1905 bezifferte sich die italienische Auswanderung ins⸗ Mamt auf 726 331 ausgewanderte Personen, von denen 447 083 nach zandern jenseits des Ozeans und 279 248 nach europäischen Staaten bezw. nicht europäischen Staaten, die an das Mittelmeer grenzen, aus⸗ vmderten. Die betreffenden Zahlen stellten sich für 1904 auf 41 191 (252 366 und 218 825). Demnach hat im Jahre 1905 die zuswanderung seit dem Vorjahre eine Zunahme von insgesamt 752 140 ausgewanderten Personen zu verzeichnen, und zwar von 184 717 Personen, die sich jenseits des Ozeans nieterließen, und von ³0423 Personen, die europäische oder am Mittelmeer gelegene nicht enropäische Länder aufsuchten. a- Von den überseeischen Auswanderern zogen 86 000 nach Sgentinien, 30 000 nach Brasilien und 317 000 nach den Vereinigten fenaten von Amerika. Nach Afrika wanderten 1905 insgesamt 3072 gegen 16, 598 im Jahre 1904, nach Asien 788 gegen 376 und rach Australien 765 gegen 701 im Jahre 1904. 1 2.,Die Auswanderung nach den wichtigsten europäischen Ländern ge⸗ ialtete sich, wie folgt:
1904 1905
Oesterreich. 35 853 44 412 Ungarn 3 3 584 6 101. Skandinavien 256 210 Frankreich. 45 559 1
eutschland 55 049
roßbritannien. 3 994
alkanländer ö1 2 742 111““] Spanien und Portugal 629 Belgien, Holland.. 1 776 Schweiz. 52 263
2* 2.
Zusammen
e (einschl. anderer europäischer Länder) .. . defDie außerordentlich starke Steigerung der Auswanderung im ver⸗ Wenen Jahre erregt im Inlande bereits Beunruhigung, da sich die Masse der Aaswanderer aus Erdarbeitern zusammensetzt und
203 942
der starke Abgang der letzteren die Lage der Landwirtschaft schwierig gestalten kann. (Nach in Rom.)
Zur Arbeiterbewegung.
Der Kampf im Berliner Glasergewerbe (vgl. Nr. 198 d. Bl.) hat eine bedeutsame Wendung genommen. erklären die Sperre für aufgehoben und fordern durch Säulenanschlag die Gehilfen auf, die Arbeit zu den Stundenlöhnen von 60 und 70 ₰ wieder aufzunehmen. Eine Versammlung der ausge⸗ sperrten und ausständigen Berliner Glasergehilfen, die gestern nach⸗ mittag im Gewerkschaftshause tagte, erklärte sich, der „Voss. Ztg.“ zufolge, mit den vor dem Gewerbegericht getroffenen Abmachungen ein⸗ verstanden und beauftragte den Vorstand, den Tarifvertrag auf dem Gewerbegericht abzuschließen. Die Arbeit soll morgen, Freitag, wieder aufgenommen werden. — Die in den Ringbrauereien Groß⸗ Berlins beschäftigten Handwerker (Kupferschmiede, Schmiede, Holzarbeiter usw.) haben, nach demselben Blatte, in zahlreich besuchter Versammlung einem neuen Lohntarif ihre Zustim⸗ mung gegeben, der in den Hauptpunkten eine neunstündige Arbeitszeit festsetzt, einen Anfangswochenlohn von 36 ℳ für alle Handwerker gleichmäßig, Ueberstunden 80 ₰, Nachtarbeit 1,30 ℳ, Sonntagsarbeit 1 ℳ die Stunde. Für Maschinisten und Heizer, die zum ersten Male mit in die Tarifvorlage einbezogen worden sind, wird eine achtstündige Arbeitszeit gefordert, ein Anfangs⸗ wochenlohn von 36 ℳ, nach einem Jahre 38 ℳ, Abschmierer und Kohlenschieber 34 ℳ, rach einem Jahre 36 ℳ, Ueberstunden und Sonntagsarbeit 50 v. H. Zuschlag. Die Tarifkommission wurde beauftragt, diese Tarife dem Verein der Brauereien Berlins und Umgegend zu unterbreiten. — Infolge der Arbeitsniederlegung der Schildermaler bei drei Mitgliedern beschloß, wie die „Voss. Ztg.” mitteilt, der Verein Berliner Schilderfabrikanten in einer am 21. August abgehaltenen Versammlung, „daß sämtliche Mitglieder ihre Arbeiter, die dem Verbande der Schildermaler angehören, ent⸗ lassen, falls die streikenden Arbeiter den drei Firmen nicht bis zum 25. d. M. erklären, daß sie am 27. d. M. Morgens die Arbeit im vollen Umfange wieder aufnehmen“. Die Versammlung des Vereins wird am 27. August das Weitere beschließen.
Der Ausstand in den Holzmannschen Werken zu Hain⸗ stadt (vgl. Nr. 192 d. Bl.) wird, laut „Hanauer Zeitung“, noch in letzter Stunde beigelegt werden. Die Verhandlungen sind wieder auf⸗ genommen worden. Die Firma bewilligte eine Lohnerhöhung im Durchschnitt von 3 bis 4 ₰ die Stunde. Ferner wird ein Arbeiter⸗ ausschuß anerkannt. b
In der Lohnbewegung in der Pforzheimer Schmuckwaren⸗ industrie (vpgl. Nr. 196 d. Bl.) ist, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, nach einer gemeinsamen Beratung von Vertretern der Fabrikanten und der Arbeitnehmer eine Einigung erzielt worden. 3
Zwischen der Gesellschaft Siemens und Halske, Aktiengesell⸗ schaft in Berlin, und ihren in Hamburg beschäftigten Arbeitern sind, wie die „Post“ meldet, Lohnstreitigkeiten ausgebrochen, die zu einem Ausstand der Arbeiter geführt haben. Infolgedessen ruhen die soeben erst aufgenommenen Grund⸗ und Oberbauarbeiten für die Ham⸗ burger Vorortbahn. 8 8
Die Ersten Deutschen Blumentopfwerke in Suffen⸗ heim schlossen, wie der „Frkf. Ztg.“ aus Straßburg telegraphiert wird, am 21. August den Betrieb, weil eine Einigung zwischen der Direktion und deren in den Ausstand getretenen Arbeitern nicht erzielt wurde.
Für heute ist in Bilbao, wie „W. T. B.“ meldet, der all⸗ gemeine Ausstand (vgl. Nr. 198 d. Bl.) angekündigt worden, nachdem gestern die Bergwerksbesitzer die Forderungen der Bergarbeiter als übertrieben abgelehnt hatten. Frupp en in Stärke von 4000 Mann, die an den beherrschenden Punkten aufgestellt sind, 8 die Stadt. Das Geschwader wird aus Ferrol erwartet. Der Marineminister ist bereits eingetroffen und seit gestern ist der Belagerungs⸗ zustand erklärt worden. Die Zeitungen haben ihr Erscheinen ein⸗ gestellt. Ausständige machten gestern vormittag den Versuch, in Bilbac einzudringen. Als sie daran verhindert wurden, warfen sie Steine auf die Truppen, die Feuer gaben. Ein Mann wurde verwundet.
Wertzeichenherstellung in der Reichsdruckerei.
Zu den schwierigsten und verantwortlichsten Aufgaben der Reichs⸗ druckerei gehört die Herstellung und der Vertrieb der Postwertzeichen, Versicherungsmarken, Steuer⸗ und Stempelzeichen usw. Die Be⸗ deutung dieses Geschäftszweigs erhellt aus der Tatsache, daß, wie der technische Sekretär in der Reichsdruckerei Wüst in einem Aufsatz in dem „Archiv für Post und Telegraphie“ mitteilt, im vergangenen Jahre 719 verschiedene Wertzeichensorten vorrätig gehalten und da⸗ von ungefähr 4300 Millionen Stück im Nennwert von etwa 550 Millionen Mark in 65 000 Sendungen von der Reichsdruckerei abgeschickt worden sind. Jedes einzelne dieser 4300 Millionen Wert⸗ zeichen muß die sorgsame Arbeit des Papiermachers, Graveurs, Druckers und Buchbinders erkennen lassen und so beschaffen sein, daß es weder ein Fälscher ungestraft nachahmen, noch ein Betrüger unentdeckt mißbräuchlich wiederverwenden kann. Die Lösung dieser Aufgabe wird dadurch erschwert, daß der Jahres⸗ bedarf der 719 verschiedenen Sorten bei einigen Sorten nur 25 Stück, bei anderen 1200 Millionen Stück beträgt, aber auch fast bei jeder Sorte in den einzelnen Monaten sehr erheblichen Schwankungen unterliegt. Dazu kommt, daß zu allen Zeiten so große Mengen vorrätig sein müssen, daß Handel und Wandel nirgends Störung er⸗ leiden, und daß andererseits der Vorrat aus vielen Gründen doch nur so groß sein darf, daß er in absehbarer Zeit verbraucht wird. Dabei müssen mit Rücksicht auf den drei⸗ oder, vierfarbigen Druck der einzelnen Sorten die Mengen auch mindestens so groß bemessen werden, daß die Herstellungskosten der Wertzeichen in angemessenen Grenzen bleiben. Da bei der Einführung neuer Wertzeichen fast niemals vorausgesehen werden kann, wie sich der Bedarf gestalten wird, so macht die zutreffende Bemessung der anzufertigenden Mengen meist weitere Schwierigkeiten. Neben den großen Mengen von anderen vorrätig gehaltenen Wertzeichen — Versicherungsmarken, Reichsstempelzeichen usw. — werden im Durchschnitte täglich 1 500 000 gestempelte Postkarten, 200 000 gestempelte Postanweisungen und 12 000 000 Postfreimarken versandt. 2
Ebenso wichtig wie die völlig tadellose Ausführung der Wert⸗ zeichen ist die gewissenhafte Befolgung aller Sicherheitsvorschriften während ihrer Herstellung, Lagerung und Versendung. In dem ge⸗ nannten Artikel wird darüber folgendes mitgeteilt: Seit einiger Zeit ist die Reichsdruckerei aus Sicherheitsgründen dazu übergegangen, zu allen Wertzeichen “ zu verwenden, die ein natürliches Wasserzeichen tragen. Wasserzeichen nennt man die in oder auf dem Papiere befindlichen Zeichnungen, Buchstaben usw., die vielfach erst erkennhar werden, wenn man dieses gegen das Licht hält. Man unterscheidet natürliche und künstliche Wasserzeichen. Ein natür⸗ liches Wasserzeichen wird auf dem Siebe der Papiermaschine dadurch hergestellt, daß eine mit einem Drahtgewebe über⸗ zogene Wasserzeichenwalze, welche die aus Metall hergestellten Bildzeichen, Buchstaben usw. trägt, sich mit leichtem Druck auf der noch im breiartigen Zustande befindlichen Papierbahn abrollt. Durch diese Bildzeichen usw. wird P erstns verdrängt, es entstehen also dünne Stellen im Papier. erartige Wasserzeichen sind schon in früher Zeit von den Papiermachern als Fabrik⸗ und Qualitäts⸗ marken angewandt worden. Die Kopie eines älteren Dokuments von 1315 hat als Wasserzeichen den Ochsenkopf mit zwischen den Hörnern hervorragendem Kreuze. Der Ochsenkopf soll das Wappen des Papier⸗ müllers Holbein in Ravensburg gewesen sein; von anderer Seite jedoch wird dieses Wappen den Papiermachern in Fabriano zu⸗ geschrieben. Als Fabrikmarke werden diese Wasserzeichen auch heute noch vielfach, z. B. in den sogenannten Normalpapieren, verwendet. Dünne Papiere mit deutlichen und gleichmäßigen Wasserzeichen in großen Mengen auf der Papiermaschine herzustellen, bereitet dem
einem Bericht des Kaiserlichen Konsulats
Die Arbeitgeber sie in Italien in hoher Blüte steht
Papiermacher mancherlei Schwierigkeiten, weil die Stoffverdrängung mit Rücksicht auf die Haltbarkeit des Papiers und aus anderen Gründen nicht zu weit getrieben werden darf. Bedingung für die Erzielung eines guten, gleichmäßigen und deutlichen Wasserzeichens ist die Herstellung tadelloser Wasserzeichenwalzen. In Deutschland hatte man die alte Kunst der Wasserzeichen fast verlernt, während Es war unmöglich, im Inlande gute Schöpfformen und Wasserzeichenwalzen zu erlangen, man war ganz auf das Ausland, besonders auf England, angewiesen. Die
Reichsdruckerei hat der Herstellung guter Wasserzeichen seit einer
Reihe von Jahren besondere Sorgfalt zugewandt und fertigt heute in ihren eigenen Werkstätten Schöpfformen und Wasserzeichenwalzen an, die den ausländischen Erzeugnissen mindestens gleich sind. Künstliche Wasserzeichen werden auf verschiedene Arten, z. B. durch Einpressen eines farblosen Stempels, durch Druck mit farblosem fettigen Firnis oder mit Tonfarben hergestellt.
Um zu prüfen, ob das Wasserzeichen als natürliches während der Bildung des Papiers auf dem Sieb der Papiermaschine ins Papier gebracht oder als künstliches ins fertige Papier gepreßt wurde, legt man — nach Professor Herzberg — ein Stück Papier mit dem Wasserzeichen in eine konzentrierte Natron⸗ (oder Kali⸗) Lösung und nimmt es nach etwa einer Minute wieder heraus. Wenn das Wasserzeichen ins fertige Papier gepreßt war, wird es beinahe ganz verschwunden sein, wenn es aber auf dem Siebe der Papiermaschine eingearbeitet war, wird es noch deutlicher als früher hervortreten. Dies kommt daher, daß das Papier in konzen⸗ trierter Natronlauge aufquillt, und dies Quellen um so geringer ist, je weniger Stoff von der Lauge durchdrungen wird. Da das natür⸗ liche Wasserzeichen weniger Stoff enthält als das umgebende Papier, so tritt dieser Unterschied durch das Quellen beider um so stärker zu Tage. Das eingepreßte Wasserzeichen quillt dagegen zu seiner ursprünglichen Dicke und darüber auf. Bei Ausführung des Versuchs ist 2 zu beachten, daß viele Druckfarben dem Prüfungsmittel nicht widerstehen.
Für die Wertzeichen werden in der Reichsdruckerei zur Zeit vier in natürlicher Größe dargestellte Wasserzeichen benutzt, und zwar die Raute zu sämtlichen Postfreimarken, der Ring zu den Versicherungs⸗ marken, der Vierpaß zu den Reichsstempelzeichen, Wechselstempel⸗ zeichen, statistischen Marken usw., Kreuz und Ring zu den Eisen⸗ bahnmarken, Wertzeichen verschiedener Bundesstaaten und zu anderen Wertzeichen usw. Zu den gestempelten Postkarten, Postanweisungen, Kartenbriefen usw. wird ein weiteres Wasserzeichen mit römischen und arabischen Ziffern verwandt; auf ihm kennzeichnen die römischen Ziffern die Fabrik, die arabischen Ziffern das Geschäftsjahr. Sämtliche sind für die Reichsdruckerei als Warenzeichen geschützt worden.
Die mit Wasserzeichen versehenen Wertzeichen gelangen nur nach und nach und erst dann in den Verkehr, wenn die alten Bestände ohne Wasser⸗ zeichen verbraucht sind. Diese sind natürlich sehr verschieden und auch schon deswegen nicht unbedeutend, weil sich zur Fernhaltung von Ver⸗ legenheiten, die durch elementare Ereignisse entstehen können, auf dem Reichsdruckereigrundstücke noch ein Reservelager von Wertzeichen be⸗ findet. Dieses seit einigen Jahren eingerichtete zweite Lager ist in möglichster Entfernung vom Hauptlager untergebracht und würde vor⸗ aussichtlich bei einer etwaigen Vernichtung des Hauptlagers zur Deckung des Bedarfs so lange ausreichen, bis neue Wertzeichen her⸗ gestellt worden sind.
Die Fürsorge für die Sicherheit der Wertzeichen beginnt bereits in der Papierfabrik bei der Anfertigung des Papiers, dann folgt in der Reichsdruckerei die Gummierung, die Anbringung eines unsichtbaren Unterdrucks und die sorgfältige Wiederherstellung der beim Gummieren verloren gegangenen Glättung. Dabei wird seit einigen Jahren ein vom Maschinenbauin spektor Töbelmann erfundenes und ihm patentiertes Verfahren (D. R.⸗P. 132 241 und 134 212) angewandt, das sowohl im postalischen wie im geschäftlichen Verkehre manche Vorteile gebracht hat. Die gummierte Papierbahn wird vor dem Glätten über zwei im Winkel von 90 ° angeordnete eiserne Lineale geführt und der Gummi⸗ aufstrich dabei in unzählige kleine Teile gebrochen; dadurch wird er⸗ reicht, daß das Papier für die Folge glatt liegt und die lästige Nei⸗ gung zum Aufrollen verliert. In der Gummiererei muß das Rollen⸗ papier in Bogen geschnitten werden. Hierbei wird durch eine mindestens dreimalige Zählung die gewonnene Bogenzahl genau festgestellt, und bei jeder weiteren Bearbeitung des Papiers wird es sorgfältig gezählt und nur gegen Quittung weitergegeben. Bei jedem Uebergange von einer Werkstatt in die andere tritt eine doppelte Zählung ein, beim Dienstschlusse kommen alle Vorräte in einbruchsichere, doppelt ver⸗ schlossene Wertgelasse. Von der Gummiererei gelangt das Papier in die Druckerei und in die Perforiererei. Nach dem Perforieren wird jeder einzelne Bogen geprüft. Daran schließt sich in einer anderen, „Wertzeichenprüfung“ genannten Werkstatt eine nochmalige bogenweise Prüfung und das vorschriftsmäßige Verpacken an.
Bis ins einzelne gehende Vorschriften, straffe Leitung und sorg⸗ same Kontrolle sind nötig, um die vorstehend kurz angedeuteten Leistungen in ruhigen Zeiten gut und pünktlich durchzuführen; große Schwierigkeiten entstehen aber, wenn neue Wertzeichen eingeführt werden. Zu den bedeutendsten auf diesem Gebiete bisher in der Reichs⸗ druckerei wie in der gesamten deutschen Druckindustrie gelösten Auf⸗ gaben dürften die mit der Durchführung der neuesten Steuerreform verbundenen Arbeiten gehören, und zwar sowohl mit Rücksicht auf den Umfang der Arbeit, als auf die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit.
Es handelte sich dabei um die Herstellung von 126 neuen Sorten von Wertzeichen für die Zigarettensteuer, Frachtstempelsteuer und Personenfahrkartensteuer und von drei Sorten Steuerkarten für Kraftfahrzeuge. Bei fast allen Sorten fehlten sichere Bedarfsangaben, die Einrichtungen mußten also so getroffen werden, daß allen wechselnden und unvorhergesehenen Anforde⸗ rungen in kurzer Zeit entsprochen werden konnte. Ende Mai erhielt die Reichsdruckerei die Genehmigung zum Drucke der ersten Steuer⸗ zeichensorten und bereits Mitte Juni begann die Versendung der Steuerkarten und Steuerzeichen an die Amtsstellen. Um die recht⸗ zeitige Versorgung der einzelnen Bedarfsstellen nicht zu gefährden, wurde im letzten Augenblick auch noch die Versendung an fast sämt⸗ liche Hauptsteuerämter von der Rieichsdruckerei übernommen. Bis Mitte Juli sind ungefähr 119 000 050 Zigarettensteuerzeichen, 29 000 000 Frachtstempelmarken, 120 000 Steuerkarten, zusammen 148 120 000 Stück perschickt worden. Allein die Zigaretten⸗ steuerzeichen und Frachtstempelmarken stellen einen Nennwert von ungefähr 42 000 000 ℳ dar. Trotzdem der Reichsdruckerei für ihre Arbeiten nur wenig Zeit gewährt werden konnte, ist bei keiner Amtsstelle eine Verlegenheit eingetreten. Wo die ganze Menge nicht geliefert werden konnte, ging sofort eine Teillieferung ab. Eine solche Leistung neben den laufenden, zur Zeit umfangreichen anderen Arbeiten — Papiergeld, Anleihescheine, Zinsscheine, Spar⸗ marken, Stempelmarken usw. — ist nur dadurch möglich gewesen, daß alle Vorarbeiten, wie Anfertigung des Papiers, der Druck⸗ formen usw., rechtzeitig und mit dem Einsetzen aller Kräfte betrieben worden sind. Der Umfang dieser Vorarbeiten ist durch die während der Vorverhandlungen mehrfach wechselnden Absichten der gesetzgebenden Körperschaften noch erheblich gesteigert, und die Durchführung der Arbeiten wesentlich erschwert worden. 8—
Neben dieser auf dem Gebiete der Wertzeichenherstelꝛug in der Geschichte der Reichsdruckerei unerreicht dastehenden Leistung gingen die besonderen, durch die Steuerreform und durch die Aenderung der Handelsverträge herbeigeführten umfangreichen eiligen Druckarbeiten einher; davon seien nur erwähnt das Warenverzeichnis zum Zolltarif, die Anleitung zur Zollabfertigung, die Rechentafeln für die Joll⸗ und Steuerstellen und die Handausgaben der sämtlichen neuen Steuer⸗ gesetze.
e Königliche höhere Maschinenbauschule 4 Stettin veröffentlicht ein mit Abbildungen versehenes Büchelche über die mit der Schule verbundenen Laboratorien. Wie daraus zu ersehen ist, sind im Maschinenlaboratorium an Versuchsein
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