Bekanntmachung, 3 betreffend “ die von Mandt⸗Ackermannsche Stipendienstiftung.
Der Geheime Obermedizinalrat und Kaiserlich russische Leib⸗ arzt Dr. Martin von Mandt und dessen Ehegattin Johanna Charlotte Ludovika, geb. Ackermann, haben in ihrem am 20. Oktober 1857 errichteten wechselseitigen Testament der Königlichen Rheinischen Friedrich Wilhelms⸗Universität zu Bonn zur Förderung wissenschaft⸗ licher und technischer Studien unter der männlichen Nachkommenschaft hrer Seitenverwandten unter dem Namen:
„von Mandt⸗Ackermannsche Stipendienstiftung“ ein Kapital von 48 000 ℳ vermacht, mit der Bestimmung, daß die
insen desselben, nach Abzug der Verwaltungskosten, zur Unterstützung unger Männer christlicher Religion, welche sich der Arznei⸗ oder der Rechtswissenschaft auf Universitäten oder der höheren technischen Aus⸗ bildung auf Gewerbeschulen und ähnlichen Anstalten widmen, als Stipendien verwendet werden sollen. 1“ Aus den Einkünften der Stiftung ist vorzugsweise 8
1) ein Drittel als Stipendium für einen Mediziner,
2) “ 8 „ .„ ZI
3) h ü „ „ Bewerber aus dem
Stande der Industriellen und Gewerbetreibenden
1—
bestimmt.
Zum Genusse der Stipendien sind vorzugsweise berufen:
I. die ehelichen männlichen Nachkommen der Geschwister der Stifter, und zwar:
in erster Reihe des Ehemanns von Mandt vollbürtigen Bruders Karl Theodor Mandt,
in zweiter Reihe des Ehemanns von Mandt vollbürtigen Schwester Therese, verehelichten Grano,
in dritter Reihe der Ehefrau von Mandt Bruders Albert Ackermann,
in vierter Reihe der Ehefrau von Mandt Bruders Gebhard Ackermann; 8
demnächst in Ermangelung von Bewerbern dieser Kategorie
II. die männlichen Nachkommen: “
zuerst des Ehemanns von Mandt beiden Halbbrüder Friedrich Mandt und Franz Mandt,
zweitens des Freundes der Stifter, des Appellationsgerichts⸗ rats Wilhelm Graffunder, drittens des Freundes der Stifter, des Regierungs⸗ und Bau⸗ Emil Flaminius; und erst, wenn von diesen beiden Klassen von Stipendien⸗ berechtigten keine Bewerber vorhanden sind, können die Stipendien auch an Fremde, insofern dieselben die Eigenschaft preußischer Unter⸗ tanen haben, verliehen werden.
Der Genuß und die Verabfolgung der Stipendien ist nicht von dem Besuch der Bonner Universität, noch überhaupt von der Gegen⸗ wart auf einer der preußischen Universitäten und Lehranstalten ab⸗ hängig; jedoch befreit der Genuß im Auslande in keinem Falle von der Beibringung der zur Verleihung erforderlichen Zeugnisse der wirklich besuchten Unterrichtsanstalten.
Bewerbungen, welchen amtliche Zeugnisse über das Verwandtschafts⸗ verhältnis mit den Stiftern, beziehungsweise den mit Vorzugsrecht bedachten Familien, die Schul⸗ und Sittenzeugnisse der bisher be⸗ suchten Unterrichtsanstalten, das Universitätsimmatrikulations⸗ und Sittenzeugnis sowie ein Dekanatszeugnis; von den Gewerbetreibenden: empfehlende Zeugnisse der Gewerbebehörden und die Unterrichts⸗ zeugnisse der Vorschulanstalten und Lehrmeister beigefügt sein müssen, sind bis zum 8 4
15. Dezember 1906 8 hierher einzureichen. 8
Bonn, den 20. Oktober 1903. Das Kuratorium der von Mandt⸗Ackermannschen Stiftung bei der Rheinischen Friedrich Wilhelms⸗Universität. Grafe.
rats
NRiichlamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 22. November.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten vor⸗ gestern im Reichskanzlerpalais den Vortrag des Reichskanzlers Fürsten von Bülow.
Ihre Majestät die Kaiserin und Königin erteilten vorgestern im hiesigen Königlichen Schlosse dem Rektor der Friedrich⸗Wilhelms⸗Universität zu Berlin D. Dr. Kaftan, dem Rektor der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin⸗Char⸗ lottenburg, Geheimen Regierungsrat, Professor Grantz, dem Königlich spanischen Botschafter Polo de Bernabé und dem Gesandten der Republik Uruguay Dr. Luis Garabelli die nachgesuchten Audienzen.
Ihre Majestäten der König und die Königin von Dänemark folgten vorgestern, „W. T. B.“ zufolge, einer Ein⸗ ladung des dänischen Gesandten von Hegermann⸗Lindencrone ur Frühstückstafel und empfingen im Gesandtschaftspalais
ertreter der hiesigen dänischen Kolonie. Am Nachmittag besuchte Seine Majestät der König Frederik mit Gefolge und Ehrendienst die Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau auf der Schleuseninsel im Tiergarten. Um 6 ½ Uhr fand bei den Kronprinzlichen Herrschaften Familien⸗ tafel statt, an der Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, der König Frederik und die Königin Louisa sowie die hier weilenden Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses teilnahmen. Hiernach begaben Sich die Allerhöchsten und Höchsten Fer. schaften in das Königliche Opernhaus, wo zu Ehren Ihrer Majestäten des Königs und der Königin von Däne⸗ mark auf Allerhöchsten Befehl eine Galavorstellung stattfand, wozu der 2. Teil aus Glucks Oper „Orpheus und Eurydike“ be⸗ stimmt war. Nach der Vorstellung hielten die Majestäten im Foyer Cercle und kehrten dann in das Königliche Schloß zurück. Um 11,35 Uhr reisten Ihre Majestäten der König und die Königin von Dänemark vom Stettiner Bahnhof, wohin Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin Ihre hohen Gäste geleiteten, nach Kopen⸗ H h..
8
si Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ itzung.
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist der heimkehrende Transport der von S. M. S. „Sperber“ abgelösten Besatzung mit dem Dampfer „Lucie Woermann“ am 18. No⸗ vember in Conakry eingetroffen und hat an demselben Tage die Reise nach Las Palmas fortgesetzt. 3 1
S. M. S. „Panther“ ist am 19. November in Grenada (Kleine Antillen) eingetroffen und geht am 26. November von
dort nach Curaçao in See. S. M. S. „Leipzig“ ist am 19. November in Singapore
eingetroffen und geht heute von dort nach Batavia in See. S. M. Flußkanonenboot „Vaterland“ ist am 19. No⸗ vember in Nanking eingetroffen und gestern von dort nach Schanghai abgegangen. 3 4 S. M. Flußkanonenboot „Vorwärts“ ist am 19. No⸗ vember in Tschingkiang (am Nangtse) eingetroffen und gestern von dort nach eacghat in See gegangen.
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser Franz Joseph ist gestern zu längerem Aufenthalt in Budapest eingetroffen.
— Unter dem Vorsitz des Ministers des Aeußern Frei⸗ herrn von Aehrenthal hat vorgestern in Wien eine Sitzung der Zoll⸗ und Handelskonferenz stattgefunden, in der, „W. T. B.“ zufolge, über die Antwortnote auf das letzte Schreiben der serbischen Regierung beraten wurde. Ferner beschäftigte sich die Konferenz mit der Auf⸗ nahme von Verhandlungen mit den übrigen Staaten, be⸗ sonders mit Rumänien und Bulgarien.
— Das österreichische Abgeordnetenhaus setzte vorgestern die Debatte über die Reichsratswahlordnung, insbesondere über den Antrag Tollinger auf Einführung des Pluralwahlsystems, fort.
Der Minister des Innern Freiherr von Bienerth sprach sich, laut Bericht des „W. T. B.“, gegen den Antrag Tollinger aus und erklärte bezüglich der Frage des nationalen Katasters, die Regierung habe ursprünglich an dessen Ein⸗ führung für die Reichsratswahlen gedacht, sei jedoch hier⸗ von mit Rücksicht auf die entgegenstehenden Schwierigkeiten ab⸗ gekommen; sie glaube, daß die nationalen Kataster nur dort ein⸗ geführt werden sollten, wo sie für die Landtagswahlen bereits beständen. Der Minister empfahl schließlich den Antrag Pitacco auf Ausschließung wegen Trunkenheit wiederholt Verurteilter vom Wahlrecht der Be⸗ rücksichtigung des Hauses.
In der gestrigen Sitzung wurde zunächst die Wahl von Generalrednern vorgenommen und sodann die Beratung der Wahreform fortgesetzt.
Der Abg. Kaiser bekämpfte die Vorlage auf das Schärfste unter heftigen Ausfällen gegen die Regierung. Der Redner begründete einen Minoritätsantrag, betreffend die reichsgesetzliche Feststellung der Wahlpflicht, und trat für das Pluralwahlrecht ein. Bei der Abstim⸗ mung wurden die Paragraphen eins bis acht gemäß den Ausschuß⸗ anträgen angenommen. Ein Minoritätsantrag des Abg. Dr. Per⸗ gelt, betreffend die nationale Katastrierung von Prag, Budweis und Pilsen, wurde mit 222 gegen 130 Stimmen abgelehnt. Bei dem Paragraphen drei wurde ein Abänderungsantrag Abrahamovicz ange⸗ nommen, nachdem die Zusammenlegung galizischer Gemeinden mit weniger als 1200 Einwohnern stattfinden kann. Der Minoritäts⸗ antrag Tollinger, betreffend die Einführung des Pluralwahlrechts, wurde in namentlicher Abstimmung mit 201 gegen 143 Stimmen abgelehnt.
Die Verhandlung wurde sodann auf heute vertagt.
— Der Justizausschuß des ungarischen Abge⸗ ordnetenhauses verhandelte gestern die Petitionen bezüglich der Versetzung des Kabinetts Fejervary in † Anklagezustand.
Der Justizminkster Polonyi erklärte, die gegenwärtige Regierung sei unter gewissen Bedingungen zustande gekommen, die bei der Kabinettsbildung mit Rücksicht auf die schwierige Lage ein⸗ gegangen worden seien. Das Kabinett habe als Bedingung auch die Verpflichtung übernommen, seinen Einfluß dahin geltend zu machen, daß die Kabinette Tisza und Fejervary vom Parlament nicht zur Verantwortung gezogen würden. Die Regierung bringe dies dem Ausschuß zur Kenntnis. Falls das Parlament dieser übernommenen Verpflichtung der Regierung nicht Rechnung trage, werde diese die Konsequenzen ziehen. In gleichem Sinne äußerte sich der Handelsminister Kossuth, indem er hinzu⸗ fügte, das Parlament könne über die Handlungsweise Fejervarys ein vernichtendes Urteil fällen, aber dürfe nicht gegen sie die Anklage er⸗ heben, ohne die Regierung zu nötigen, daß sie dies als Mißtrauens⸗ votum betrachte und infolgedessen demissioniere.
Hierauf beriet der Ausschuß den Antrag des Referenten
Vosontai, in dem die Handlungen des Kabinetts Fejervary als verfassungswidrig gebrandmarkt, aber von der Erhebung der Anklage Abstand genommen und der Minister des Innern angewiesen wird, diesen Beschluß im ganzen Lande an⸗ zuschlagen. —— Bei den Wahlen zum mährischen Landtage sind, Meldungen des „W. T. B.“ zufolge, aus der Landgemeindeklasse in den deutschen Bezirken 5 Frei⸗ Alldeutsche, 3 Kandidaten der deutschen Volkspartei, 1 Deutsch⸗ volklicher, 1 deutscher Kompromißkandidat, 1 Bauern⸗ parteiler und 2 Christlichsoziale gewählt worden. Eine Stich⸗ wahl ist nötig. In den tschechischen Bezirken sind 16 Katholisch⸗Nationale, 7 Agrarier, 4 Jungtschechen, 2 Alt⸗ tschechen, 1 Fortschrittler und 2 Parteilose gewählt. Es finden 2 Stichwahlen statt.
— Der Kongreß der mitteleuropäischen Wirt⸗ schaftsvereine beriet in seiner vorgestrigen Sitzung die von dem Regierungsrat, Professor Blaschke gestellten Anträge, betreffkend gemeinsame Normen für die Beaufsich⸗ tigung der privaten Versicherungsgesellschaften. Nach längerer Debatte wurden, obiger Quelle zufolge, die vorge⸗ schlagenen Leitsätze angenommen. Ein Antrag auf Einsetzung eines Ausschusses zur Ausarbeitung einer Denkschrift, in der auf Vereinfachung der Formalitäten bei der Wareneinfuhr und ⸗-ausfuhr hingewirkt werden soll, wurde dem Vorstand zur weiteren Erledigung überwiesen. Den letzten Punkr der Be⸗ ratungen bildete die Unifizierung des Rechts der Binnenschiffahrt insbesondere auf der Elbe.
Zu diesem Punkte sprach der Vizepräsident des Elbevereins Dr. Löbl⸗Aussig, der die Notwendigkeit der Rezipierung des deutschen Rechts für sämtliche mit einander in Verbindung stehenden Wasser⸗ straßen, die von einem Schiffe in einer Fahrt befahren werden können, erörterte. Wenn die Vollendung der österreichischen Wasserstraßen nicht eine Utopie bleiben solle, so müsse die Möglichkeit geschaffen werden, daß ein Fahrzeug unter dem Schutze desselben Rechts von Hamburg bis an die Donaumündunz fahren könne. In ähnlichem Sinne sprachen sich die übrigen Redner aus.
Die Konferenz stimmte den eingebrachten Anträgen der Referenten zu und beauftragte das Präsidium, die Beschlüsse den beteiligten Regierungen mit der Bitte um baldigste Er⸗ greifung von a8ge . gesetgeberischen Durchführung derselben zu übermitteln. ach den üblichen Dankreden wurde der Kongreß geschlossen. 81“
Großbritannien und Irland. Der Staatssekretär des Aeußern Sir E. Grey empfing vorgestern eine Abordnung, die ihn über die Absichten der
. 8 Regierung hinsichtlich des Congostaates ber. Wie das „W. T. B.“ berichtet, erklärte der Staatce daß die englische Regierung die Mächte hinsichtlich einer ce nationalen Konferenz sondieren werde, falls Belgien den Eo staat nicht übernehmen werde. Nur im äußersten Noß⸗ würde England für sich allein vorgehen. Welches auch ind die Ansicht der übrigen Mächte sein möchte, es würde; britischen Regierung unmöglich sein, noch länger den ge wärtigen Stand der Dinge auf unbestimmte Zeit anzuerkens
— Im Unterhause wurde die Regierung vorgsm wegen der Unruhen unter der eingeborenen völkerung in Marokko interpelliert, ferner ob be; deutschen Regierung Vorstellungen gemacht werden würz um eine mehr entsprechende Ueberwachung der 8½ grenze von Deutsch⸗Südwestafrika zu sichern.
Der Staatssekretär des Aeußern Sir E. Grey erklärte, „ Quelle zufolge, auf die erste Anfrage, daß die Bildung einer reaaln Polizeitruppe, wie sie in der Akte von Algeciras vorgesehen ser eher vollendet werden könne, als bis die Ratifizierung der Akte zogen sei, was, wie er glaube, nicht mehr lange dauern werde. zwischen hätten die zwei am meisten bei der Lage in Tor⸗ interessierten Regierungen ihre Aufmerksamkeit der Frage zugewen welche Maßnahmen zum Schutze gegen den Ausbruch von störungen zu ergreifen seien.
Auf die zweite Anfrage erwiderte der Staatssekretär⸗
Es ist sowohl von der Verwaltung der Kagpkolonie a Deutsch⸗Südwestafrikas anerkannt, daß die große Ausdehnun Grenze in Berücksichtigung gezogen werden müsse wie auch die möglichkeit, genügend große Mannschaften auf beiden Seiten zu und halten, um jeder Möglichkeit von Bewegungen über die Grenen zubeugen. Der einzige Schritt, der in Betreff des Ferreiraschen bruches unternommen wurde, war die von Lord Churchill am 12 vember dem Unterhaus bekannt gegebene Mitteilung. Nähere E heiten über den Einbruch sind noch nicht im Besitze der briticgh Regierung; alsbald nach Eintreffen wird sie davon der deutschen gierung Mitteilung zukommen lassen.
Frankreich.
Im Elysée ist vorgestern unter dem Vorsitze des Pri denten Fallisres ein Ministerrat abgehalten worden dem der Minister des Aeußern Pichon über die Lage Marokko berichtete und von den Instruktionen Mitteil machte, die er den Vertretern Frankreichs in Tanger zue teilen gedenkt; diese Instruktionen fanden die Zustimmung! Ministerrats. Der Marineminister berichtete über die d
ebnisse der Tätigkeit der Kommission, die in Biserta das sunkene Unterseeboot „Lutin“ untersucht hat und die ne Paris zurückgekehrt ist.
Die Kommission ist, „W. T. B.“ zufolge, zu der Schlußfolze gekommen, daß das innere Schott eines hinteren Ballastraums, 3 gleich es sich in gutem Zustand befand, unter einem Druck nachgeges hat, der höher war, als das Schott ihn hätte aushalten miße Dieser Ueberdruck war dadurch entstanden, daß das entsprechende 6⸗ laßventil für das Einlaufen des Wassers nicht vollständig geschlef worden war, und dieses Nichtschließen des Einlaßventils ist dan zurückzuführen, daß ein kleines Steinchen sich schon vor längen Zeit vor den Schieber des Ventils geschoben hatte. Die Ma schaft, von der ein großer Teil sich in das vordere Manäor abteil hatte flüchten können, ist einer plötzlichen Steigerung des 2⸗ drucks erlegen. In den letzten Minuten ist noch ein Versuch gemn worden, den Lukendeckel zu öffnen, dieser Versuch hat 14 Katastrophe nicht mehr abwenden können. Die Kommission schlz für die Zukunft eine Reihe von Maßregeln vor, die teils für die dienung, teils für den Neubau von Unterseebooten zu treffen wir Hauptsächlich soll durch diese Maßregeln erreicht werden, daß ma jeden Augenblick überzeugen kann, ob die Ventile vollständig geschlef sind und daß die Schotten imstande sind, denselben Druck auszuhal wie der Schiffsrumpf selbst.
— Der Senat verhandelte gestern über das französif schweizerische Handelsabkommen.
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ bekämpfte der Senz Fongeiron den Entwurf des Abkommens mit dem Hinweis, de sich nicht allein um eine Tariffrage handle, sondern um einer schaftliche Umwälzung, denn auf Grund des Vertrages von Fu furt müsse Frankreich die Zugeständnisse, die es der Schweiz gewat auch auf Deutschland ausdehnen. Der Senator Viger, der 2 . der Zollkommission, trat für das Abkommen ein, das onders von denen gefordert werde, die zu dem Bruche von 1892 trieben hätten. Méline erklärte, er werde nicht für Annabne! Abkommens stimmen, weil dieses zu große Opfer fordere. Um n Deutschland auf gleichem Fuße zu bleiben, müsse Frartn Herr seiner Tarife bleiben; andernfalls werde Frankreich gelne sein und das Parlament werde die Verantwortung für die Zerstön eines Regimes zu tragen haben, das Frankreich zum Segen ger⸗ Der Berichterstatter erklärte, gewisse absprechende Unteile über! Abkommen seien berechtigt, eine Ablehnung des Abkommens àb würde die französisch⸗schweizerischen Beziehungen auf das empfindlüt berühren. Der Senator Doumergue sprach für das Abko 1 und sagte, Deutschland sei im Begriff gewesen, der Schweiz das gewähren, von dem man gewollt hätte, daß Frankreich es ihr! weigere. Doumergue beantragte schließlich sofortige Abstimmung.
Nach längerer weiterer Debatte wurde das Handelsabkomn mit der Schweiz genehmigt.
Heierauf interpellierte der Senator Gaudin de Villa die Regierung über die allgemeine Politik.
„In der Begründung seiner Interpellation sprach Gaudin⸗ Villaine sein Bedauern darüber aus, daß die Regierung es sic! sonders angelegen sein lasse, gegen die Religion zu kämpfen, . wandte sich dann gegen die sozialistischen Tendenzen der Regien Er warf der Regierung vor, sie mache im Aeußern engt und im Innern antikatholische Politik. Es sei zu bedauern, des! Katholiken nicht den Mut hätten, auf die gegen sie gerichteten Verfoläas mit den Mitteln der russischen Terroristen zu erwidern. Der Rer möchte die Bestimmungen der französich⸗englischen Entente ber lernen und sagte, diese Entente sei der Prolog zu ernsten Abentent Gaudin de Villaine beendete seine Ausführungen mit einem ang⸗ Ministerpräsidenten gerichteten Vorwurf, daß er sich zu Mitarbeu⸗ Picquart und Pichon gewählt habe. Clemenceau wies in Erwiderung auf die glänzende diplomatische Vergangenheit Pic⸗ und auf die edlen Charaktereigenschaften Picquarts hin, der⸗ seinen Degen zerbrochen habe, um eine heilige Pflicht zu ersu⸗ Der Ministerpräsident erklärte im weiteren, das über die französisch⸗englische Entente nichts sagen könne. glaube indessen nicht an das Bestehen einer militäͤn — Abrede. Was die Prophezeiung von Gefahren angehe, die daraus¹ stehen könnten, und was den Revanchegedanken betreffe, so sei er rüstet darüber, daß ein Senator ihm eine Falle habe stellen ne und ihm die Verpflichtung habe auferlegen können, entwede sefngs guter Franzosen zu enttäuschen oder kriegerische; lärungen abzugeben. Er werde daher keinerlei Antwort ge⸗ Der Ministerpräsident bemerkte sodann, daß er, wie sprochen habe, den Katholiken einen Aufschub bewillt f müsse aber die Kircheninventaraufnahme vor dem 12. Deiember 2 Abschluß bringen. Die Truppen würden geduldig sein, aber ve man auf sie schieße, würden sie auch schießen. Die Inventaraufna⸗ seien in 65 Departements beendet. Die Regierung werde c tragen, daß das Gesetz von den Kirchenvorstehern und von den sgl. respektiert werde, wie von den andern Bürgern. Clemencau t.
mit der Erklärung: „Die Regierung wird nicht besiegt werden. Ich
“ “ 1““ “
ch Ihnen zu empfehlen“ Gaudin de Villaine ergriff nochmals das Wort und stellte fest, daß der Ministerpräsident nicht wisse, daß ein französisch⸗englisches Militärabkommen bestehe; das sei eine ungeheure Sache und es sei unumgänglich notwendig, daß das Parlament endlich Aufklärung erhalte. Der Minister des Aeußern ichon erklärte, man habe nicht das Recht, in der Weise, wie der Bechedner getan, zu sprechen, wenn man einer Partei angehöre, die nur verstanden habe, Frankreich an den Abgrund zu führen Gaudin de Villa ine erwiderte, er wünsche nur, daß das Lachen Clemenceaus, der ein Patriot sei, sich nicht bald in Tränen über den Ruin des Vaterlandes verwandle. ““ Die Debatte wurde hiermit geschlossen. Das Haus nahm
mit 213 gegen 32 Stimmen eine von Maurice Faure ein⸗ gebrachte Tagesordnung an, in welcher der Regierung das Vertrauen des Hauses ausgesprochen wird und ihre Erklärungen gebilligt werden. — Die Sitzung wurde dann abgebrochen.
— In der Deputiertenkammer brachte der Deputierte Berry vorgestern einen Antrag auf Abänderung des Gesetzes uͤber den wöchentlichen Ruhetag ein und verlangte die Dringlichkeit für seinen Antrag. Der Arbeits⸗ minister Viviani bekämpfte, obiger Quelle zufolge, dieses Ver⸗ langen und erklärte, er werde das Gesetz in seinem ganzen Umfange zur Anwendung bringen. Die Kammer verwies den Vorschlag nach längerer Verhandlung an eine Kommission.
— Die parlamentarische Gruppe der Schieds⸗ gerichtsfreunde unter dem Vorsitz von Estournelles de Constant hat beschlossen, dem Minister des Aeußern Pichon die hauptsächlichsten Beschlüsse zuzustellen, die im Juli d. J. von der interparlamentarischen Konferenz in London zu Gunsten einer allgemeinen Beschränkung der Ausgaben für Heer und Flotte und der Schaffung eines Friedensbudgets in jedem Lande ge⸗ faßt worden sind. Die Gruppe hat das Projekt wieder auf⸗ genommen, permanente Schiedsgerichtskommissionen zur Schlichtung von Zollstreitigkeiten gemäß den Bestimmungen der Haager Konvention ins Leben zu rufen.
— Nach einer im Ministerium des Innern veröffent⸗ lichten Aufstellung ist die Kircheninventaraufnahme in 65 Departements völlig beendet. Die Aufnahme ist vorgestern ohne EE verlaufen.
Wie der „Matin“ meldet, hat der Papst die vom Erz⸗ bischof von Bordeaux, Kardinal Lecot gegründeten Diözesan⸗ vereinigungen anerkannt und die vom Erzbischof in dieser Richtung ergriffene Initiative durchaus gebilligt. 18s 1“
1
Rußland. 8 8
Im Ministerium des Aeußern hat vorgestern die vierte Sitzung der russisch⸗japanischen Konferenz zum Ab⸗ schlusse eines Handelsvertrages stattgefunden. In dieser Sitzung gelangten, „W. T. B.“ zufolge, einige Grund⸗ artikel des Vertrages über die gegenseitige Meistbegünstigung in den Handelsbeziehungen zur zweiten Lesung und wurden endgültig festgestellt.
— Das Handelsministerium hat dem Ministerrate eine Denkschrift eingereicht, betreffend Wiedereinführung des Zolles auf die in das Amurgebiet einzuführenden Auslandswaren und Abänderung des Paragraphen 939 des Zollreglements, nach dem alle chinesischen Waren, ausgenommen Tee und chinesischer Branntwein, dessen Transport über die Landgrenze verboten ist, über das Irkutsker
Zollamt zollfrei eingeführt werden dürfen.
— Der Agitation des Verbandes russischer Leute gegen die Erweiterung der Rechte der Juden schließt sich nun auch, wie heute aus Kiew vom „W. T. B.“ gemeldet wird, der Verband der Rechtsordnung an. Sowohl dem
Kaifer wie auch Stolypin gehen zahlreiche Telegramme
von Mitgliedern des Verbandes russischer Leute zu, welche nahelegen, die Rechte der Juden nicht zu erweitern. An Stolypin wurde telegraphiert, daß eine Erweiterung der Rechte der Juden die Mitglieder des letztgenannten Verbandes zu
Verbrechen treiben würde.
— Durch Kaiserlichen Ukas wurde das Kuban⸗ gebiet im Kaukasus in den Kriegszustand erklärt.
— Der finnische Senat hat, laut Meldung des „W. T. B.“, verfügt, daß die Behörden verpflichtet sind, un⸗ verzüglich sämtlichen, auch auf telegraphischem Wege er⸗ gangenen Aufforderungen der Behörden des Reichs nach⸗ zukommen, die sich auf Untersuchungen, Verhaftungen und Auslieferung von Reichsangehörigen beziehen, die sich in Finnland aufhalten, um sich der Verurteilung wegen im übrigen Reiche begangener Vergehen zu entziehen. Diese Anordnung des Senats wird den Versuchen der russischen sich nach Finnland in Schutz zu bringen, ein
e setzen.
— Das „W. T. B.“ verbreitet ferner folgende Meldungen:
In Moskau ist vorgestern die Kasse einer Fabrik um 7000 Rbl. beraubt worden. Bei Verhaftung eines am Raube Beteiligten wurde ein Verzeichnis vorgefunden, aus dem ersichtlich ist, daß die Arbeiter in fast sämtlichen Fabriken in Lodz, darunter auch die des städtischen Gaswerkes, monatlich an die Kasse der sozialdemokratischen Arbeiter⸗ partei einen gewissen Prozentsatz ihrer Gehälter abführen müssen.
Der Militärgouverneur der Festung Kars meldet, daß in der Nacht des 13. November bewaffnete Kurden jezidische und armenische Reisende angriffen und 6 Jeziden und 2 Armenier töteten. Der Bezirksvorstand Dostanbekow, von dem man vermutet, daß er an der Organisation dieser Bande beteiligt sei, hält sich im Dorfe Digori verborgen. 500 Jeziden umzingelten dieses Dorf und verlangten die Auslieferung Dostanbekows. Ein blutiger Zusammenstoß zwischen Jeziden und Kurden wird erwartet; Kosaken sind dorthin geschickt.
In Tiflis ist gestern auf den früheren Generalgouverneur von Jelissawetpol, General Golostschapow ein Anschlag verübt worden. Der Verbrecher, dem es gelang zu entkommen, schoß dem General mit einem Revolver zwei Kugeln in den Kopf; der General wurde in ein
Krankenhaus geschafft, sein Zustand ist hoffnungslos.
In Kungur (Gouvernement Perm) ist der Polizeikommissar Posochin während einer Haussuchung durch drei Revolverschüsse ge⸗ ötet worden. Der Mörder ist verhaftet. — L“
Spanien. 1 In der Deputiertenkammer wurde die Regierung gestern wegen der 1“ des Linienschiffes Pelayo“ nach Tanger interpelliert. Der Marineminister erklärte in Beantwortung der Anfrage, W. T. B.“ zufolge, daß man sich wegen der Entsendung des Pelayo“ icht beunruhigen solle, denn die anderen Schiffe, die bereits nach Tanger abgeschickt seien, würden nach dessen Eintreffen nach Spanien zurückkehren. Auf eine weitere Anfrage erwiderte der Minister, daß die Entsendung der Schiffe nicht auf Grund eines geheimen Vertrags erfolgt sei, sondern der Grund dafür einzig und allein in der Nach⸗ barschaft Spaniens mit Marokko und der Durchführung der auf der
Konferenz von Algeciras gefaßten Beschlüsse zu suchen sei.
Portugal. 1
Die Deputiertenkammer hat, laut Meldung des „W. T. B.“, vorgestern nach stürmischer Debatte den Komp⸗ tabilitätsgesetzentwurf angenommen.
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Türkei.
Seit dem türkisch⸗griechischen Kriege ist den aus⸗ ländischen Paketbooten seitens der türkischen Regierung verboten, auf dem Wege nach Konstantinopel Nachts in die Dardanellen einzufahren. Die nächtliche Durch⸗ fahrt durch die Dardanellen bei der Abfahrt von Kon⸗ stantinopel ist nicht untersagt. Die Vertreter der auswärtigen Mächte in Konstantinopel haben, der „Politischen Korrespondenz“ zufolge, beschlossen, eine gleichlautende Note an die 1 zu richten, in der gegen dieses Verbot Widerspruch erhoben und verlangt werden soll, daß den Paketbooten wie früher gestattet werde, die Darda⸗ nellen unter Abgabe des vorschriftsmäßigen Signals zu passieren. Die österreichisch⸗ungarische Botschaft hat die Note bereits überreicht; seitens der anderen diplomatischen Ver⸗ tretungen steht der gleiche Schritt unmittelbar bevor.
Montenegro. 1
Die Mehrheit der Skupschtina hat, nach einer Mel⸗ dung des „W. T. B.“, infolge des von dem Fürsten an sie gerichteten Ersuchens das Mitglied des Obersten Gerichtshofs ichel Iwanowitsch mit der Kabinettsbildung be⸗ traut. Die Skupschtina erwartet die Genehmigung des Fürsten.
1 Dänemark.
1 König Frederik und die Königin Louisa sind gestern von ihrem Besuche in Berlin in Kopenhagen ein⸗ getroffen und von der Kaiserin⸗Witwe von Rußland empfangen worden. “ “
— Der Landsthing verhandelte in seiner vorgestrigen Sitzung über den Entwurf der Regierung, betreffend Ein⸗ führung des allgemeinen, gleichen Wahlrechts für die Kommunen.
Nach dem Bericht des „W. T. B“ erklärte der Führer der Frei⸗ konserbvativen Graf Frijs, daß der Ausfall der dies jährigen Reichs⸗ tagswahlen unzweideutig die Sympathie der Bevölkerung für den Regierungsentwurf kundgetan habe und daß seine Partei die Kon⸗ sequenzen daraus ziehen wolle. Der Minister des Innern dankte Frijs für seine für die Durchführung des Gesetzes bedeutungvollen Ernik“ 8 8
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Der Staatssekretär des Auswärtigen E. Root hat vor⸗ gestern in Kansas City eine Rede gehalten, in der er, nach einer Meldung des „W. T. B.“, Schiffahrtssubsidien zur Förderung des amerikanischen Außenhandels nach Südamerika befürwortete und erklärte, daß die Ver⸗ einigten Staaten den Schutzzolltarif nicht aufheben könnten. Im Verlauf seiner Rede sagte der Staatsekretär:
Zur Zeit des südamerikanischen Unabhängigkeitskampfes sym⸗ pathisierten die Vereinigten Staaten mit dieser Bewegung und führten ein völliges Einvernehmen mit Großbritannien bezüglich eines gegen die Heilige Allianz gerichteten Vorgehens herbei, die eine Teilung Süd⸗ amerikas plante. Die bekannte Erklärung des Präsidenten Monroe stellte es für immer klar, daß die Kosten eines europäischen Angriffs größer sein würden als irgend ein Vorteil, der durch einen Angriff, selbst wenn er erfolgreich sein sollte, gewonnen werden könnte. Keine Heilige Allianz drohbt jetzt mit einer Teilung Südamerikas, keine europäische Kolonisation an der Westküste droht uns jetzt von dem Stillen Ozean abzuschließen, aber es bedarf keiner prophetischen Gabe, um zu sehen, daß andere Gelegenheiten zur Anwendung der Lehre Monroes noch entstehen können. Der Grundsatz der Monroe⸗ Doktrin ist ein ebenso weiser Ausdruck des heute geltenden gesunden politischen Urteils und eine ebenso wahre Kundgebung der Gefühle und Instinkte des amerikanischen Volkes; er ist noch ebenso lebens⸗ kräftig, wie es am 2. Dezember 1823 der Fall gewesen ist.
Root ging dann auf die Möglichkeiten zur Ausdehnung des Handelsverkehrs ein und erklärte: obwohl England, Deutschland, Frankreich und Spanien bereits dort tätig seien, so böte Südamerika doch ein so reiches und ausgedehntes Gebiet dar, daß es mit zu⸗ nehmender Einwanderung und Entwicklung einen Markt für den Handel der Welt liefern würde, wie der Orient. Tausende von Deutschen ließen sich bereits in Südbrasilien nieder. Die Deutschen seien in Brasilien höchst willkommen und dort ebenso nützliche und gute Bürger wie in Nord⸗ amerika; er hoffe, daß noch viele Deutsche nach Brasilien gehen und mit ihren Bürgertugenden an dem Aufbau ihres Adoptiv⸗ vaterlandes weiter arbeiten würden. Die Nordamerikaner sollten sich über die Bedürfnisse der Südamerikaner unterrichten und ein Kredit⸗ system einrichten, das zu den besonderen Verhältnissen der in Frage kommenden Gebiete passe. Sie sollten in jeder Hauptstadt, wo Kapital in größerem Umfange nötig wäre, eine amerikanische Bank gründen und Kavital zur Verbesserung der Verkehrsmittel anlegen, wofür er die Hilfe des Staats empfehlen würde.
Afrika.
Nach einer Meldung der „Agence Havas“ sind die spanischen Kriegsschiffe „Pelayo“ und „Dona Maria de Molina“ sowie das schwedische Kriegsschiff „Dristigheten“ gestern in Tanger eingetroffen. Der französische Kreuzer „Galilée“, der nach Frankreich zurückgehen sollte, bleibt mit den Kreuzern „Jeanne d'Arc“ und „Forbin“ auf der Reede vor Tanger. Diese Schiffe sollen mit den spanischen Schiffen andauernd eine ge⸗ nügende Macht darstellen, um unverzüglich alle Feindseligkeiten gegen die Europäer zu unterdrücken.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die vorgestrige Sitzung des Reichs⸗ tags befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (123.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatsminister, Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner und der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding beiwohnten, wurde die zweite Lesung der Novelle zur Gewerbeordnung,
etr. den Gewerbebetrieb der Bauunternehmer, in Verbindung mit den Berichten der Petitionskommission über die Petitionen auf Einführung des Befähi⸗ gungsnachweises und auf Einführung obliga⸗ torischer Fortbildungsschulen für beide Geschlechter in gewerblichen und kaufmännischen Betrieben sowie mit den dazu aus dem Hause gestellten Anträgen Bömelburg und Trimborn und den von der Kommission beantragten Resolutionen fort⸗
esetzt. ge E Geheimer Regierungsrat Dr. Münchgesang: Nach den Ausführungen eines der Vorredner könnte man meinen, daß es mit dem Bauarbeiterschutz außerordentlich schlecht bestellt sei. Wir in ene haben aber schon seit langer Zeit dieser hochwichtigen Angelegen⸗ eit unsere volle Aufmerksamkeit zugewandt. Schon ehe diese Agitation einsetzte, haben wir darauf hingewirkt, daß durch ausreichende technische Mitwirkung bei den Bauerlaubnisgesuchen die Sicherheit der Bau⸗ ausführungen erheblich erhöht wurde. Ferner ist im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten und im Ministerium für Handel und Gewerbe ein Muster für Polizeiverordnungen ausgearbeitet worden, das bezweckt, die Arbeiter gegen die Einflüsse des Klimas zu schützen,
Anstand und S Bauten zu fördern, das überhaupt den Arbeiterschutz im Auge hat. Solche Polizeiverordnungen sind auch, wo es notwendig war, erlassen worden. Daneten gelten natürlich auch die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften. Wir haben auch für eine außerordentliche Kontrolle über die Befolgung unserer Vorschriften gesorgt. Ueberall, wo eine starke Bautätigkeit Platz greift, sind Baukontrolleure angestellt. In Städten mit kommunaler Polizeiverwaltung ist von Aufsichtswegen die Stellung eéener aus⸗ reichenden Zahl von Kontrolleuren veranlaßt und in Städten mit Königlicher Polinei ist ebenfalls für Kontrolleure gesorgt worden. Im nächsten preußischen Etat werden für die letzteren sechzehn Bau⸗ kontrolleure gefordert. Arbeiter haben wir freilich nicht dazu bestellt. Arbeiter können diese Aufgabe nicht ausreichend erfüllen, und es ist zu befürchten, daß durch sie die Kluft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vertieft würde, womit wir ihnen allerdings nicht die Absicht unterlegen, diese Kluft zu vertiefen. Die preußische Regierung steht deshalb dahingehenden Anträgen ablehnend gegenüber. Die Streichung der Kautelen, die uns die Kommi sionsvorschlä e bezüglich der technischen und praktischen Vorbildung der Meister an die Hand geben, nach dem Antrage Bömelburg würden wir gerade im Interesse des Arbeiterschutzes bedauern. Die übrigen Vorschläge des Antrags Bömelburg über den Bauarbeiterschutz sind im großen ganzen schon durch Polizeiverordnungen und die Unfallverhütungsvorschriften der Berufs⸗ genossenschaften geregelt. Diese Verordnungen sind für uns keines⸗ wegs ein noli me tangere, wir sind vielmehr zum Ausbau dieser Be⸗ stimmungen gern bereit. Die Minister der öffentlichen Arbeiten und des Handels sind an den Reichskanzler herangetreten wegen einer Ergänzung der Unfallverhütungsvorschriften. Mir ist deshalb nicht recht erfindlich, was mit dem Erlaß von Normalvorschriften im Antrag Bömelburg eigentlich bezweckt wird. Die Bestellung besonderer Auf, sichtsbehörden für die gesetz⸗ und ordnungsmäßige Ausführung von Bauten neben den Polizeibehörden nach dem Antrag Bömelburg würde zweifellos zu Kompetenzstreitigkeiten unter den Behörden führen, und was sollten diese besonderen Aufsichtsbeamten in den Zeiten machen, wo die Bautätigkeit infolge klimatischer Einflüsse oder infolge von Streiks monatlang ruht, es bliebe ihnen nur übrig, spazieren zu gehen Der Bauarbeiterschutz ist am besten bei den gewöhnlichen Baupolizei⸗ behörden aufgehoben. Die preußische Regierung wird auch weiter ihre Aufmerksamkeit dieser Angelegenheit zuwenden und daneben auf das Reich dahin einwirken, daß die Beamten der Unfallberufsgenossen⸗ schaften vermehrt werden. Damit würde ein aubreichender Bau⸗-⸗ arbeiterschutz gewährt sein, und deshalb bitte ich den Antrag Bömel⸗ burg abzulehnen. (Schluß des Blattes.)
Kunst und Wissenschaft.
In der am Dienstag in der Kunsthandlung von Schulte, Unter den Linden, vorgenommenen Versteigerung der Sammlung Königswarter wurde ein Selbstbildnis von Anton Raphael Mengs von der Königlichen Nationalgalerie und eine Landschaft von Teniers d. J. vom Kaiser Friedrich⸗Museum erstanden.
v. A. Die neue Sammlung des Casperschen Kunstsalons enthält diesmal eine verhältnismäßig große Anzahl von Arbeiten weniger bekannter Künstler; daß französische Meister auch diermal überwiegen, braucht kaum erwähnt zu werden. Unter den neuen Namen fällt besonders Bergeret mit einem weichen, silberfarbigen Stilleben auf, von jener feinen Harmonie des Tons, die dem Auge solche Befriedigung schafft, tiefräumig und luftdurchströmt. Vor solchen Arbeiten versteht man den absoluten Reiz einer vollendeten Technik, der von dem behandelten Gegenstand ganz unabhängig bleibt. Es ist das, was den japanischen Arbeiten diesen immer neuen Zauber gibt, nur daß es hier mit ganz anderen Mitteln erreicht ist. An Bergeret schließt sich Hughes de Beaumont mit einem Interieur an, das sich gleichfalls durch Schönheit der Farbe und treff⸗ liche Raumvertiefung auszeichnet. Nicht auf gleicher Höhe steht David André mit seinen Interieurs, immerhbin gibt er sehr tüchtige Arbeiten. Im Anschluß an ihn sei noch Cassier erwähnt. 1
Neben diesen in Deutschland weniger geläufigen Namen fehlt es nicht an Werken von Künstlern, die der Kunstgeschichte angehören und zum Teil bestimmend auf die ganze Entwicklung der Malerei ein⸗ gewirkt haben. Zu bedauern ist dabei nur, daß sie fast durchgängig nur mit sehr wenig bezeichnenden Werken vertrelen sind, sodaß, wer die Künstler nach diesen Arbeiten beurteilen wollte, wohl ein sehr schwaches und sogar falsches Bild von ihnen erhalten würde. Die Hauptwerke dieser Meister sind in Frankreich in fester Hand; was wir hier seben, ist interessant für den, der diese Arbeiten kennt und gern das Bild, das er von dem Schaffen des Künstlers besitzt, ergänzt und erweitert sieht. Sich danach einen Begriff von diesem Schaffen zu bilden und von der Art des Künstlers, ist unmöglich. Wenn man aber daran festhält, so bleibt doch noch genug übrig, dessen man sich erfreuen kann. Diesmal sehen wir uns bis in eine sehr frühe Zeit zurückgeführt. Géricault und Delacroirx, die beiden Hauptvertreter der romantischen Richtung, sind durch kleine Arbeiten vertreten; Géricault nicht schlecht durch ein dunkles, bewegtes
Reiterbild. Ihnen folgen Diaz, Corot, Dupré, Trovyon und
Daubigny. Auch die Meister der Karikatur, Daumier, Gavarni und Rops sind zu finden. Von Daumier ist ein aben⸗ teuerlicher Don Quichotte in der grotesken, fast monumentalen Ueber⸗ treibung, die den seltsamen Künstler charakterisiert, ausgestellt. Auch die impressionistischen Meister fehlen nicht. Von Raffaelli seben wir eine klare, lichte, wunderbar geräumige Landschaft, in der mit wenigen Strichen Menschen und Dinge mit nie trügender Sicherheit festgehalten sind. Sie ist ungleich weicher und malerisch reicher als die Mehrzahl seiner sonstigen Arbeiten. Sisley und Desmoulin schließen sich ihm an.
Der vorderste Ausstellungsraum enthält die kleine Sammlung von Werken eines deutschen Künstlers, des Berliner Bildnismalers Martin Röbbeke. In Röbbeke verbinden sich in wunderbarer Weise zwei Richtungen, die einander vielleicht gar nicht so entgegen⸗ gesetzt sind, als man zunächst denken möchte. Er begann mit einer höchst naturalistischen Art der Darstellung, fing aber schon nach kürzester Zeit an zu stilisieren und zu vereinfachen. beiden Richtungen hat er sich ausschließlich zugewandt, sondern arbeitet abwechselnd in der einen oder der anderen. Man möchte ihm auch wünschen, daß er die Bahn tkücksichtslos scharfer Beobachtung nicht verläßt; er braucht sie, um hlutvoll und lebendig zu bleiben. Das merkt man an seinen stilisierend gehaltenen Porträts, die etwas leer, etwas kalt wirken, und in denen schließlich nur Geschmack und sichere Zeichnung bestechen. Der Künstler, der stilisiert, muß aus der Fülle reichsten Lebens heraus schaffen, um nicht abstrakt zu werden. Welch ein ernster Arbeiter Röbbeke ist, verrät sich in seinen vorzüglichen Kopien nach alten Meistern. Ein Ribera, ein Giorgione zeigen das innigste Vertiefen in die fremde Kunstart, ein hingebendes Nachfühlen der malerischen Erlebnisse jener Meister. b
Im Wertheimschen Kunstsalon haben verschiedene Ausländer, Polen und Oesterreicher, ausgestellt. Die originellste Persönlichkeit ist ohne Zweifel W. Kandinsky, der in Paris lebt und arbeitet und dessen Bilder von den Sezessionsausstellungen her bekannt sind. Kandinsky ist vor allem ein dekoratives Talent. Auf schwarzem Hinter⸗ grund setzte er in leuchtend starken, aber harmonischen Farben bunt⸗ bewegte Szenen aus dem orientalischen Volksleben, Orangenverkäufer, Reiter, ein erleuchtetes Café, ein Bad, eine von Betern besuchte Moschee. Auch der dekorative Reiz, den die Biedermeierzeit bietet, tut es ihm zuweilen an. Er gibt etwa eine Laube mit in faltigen Gewändern oder ein Schloß mit ge⸗ tutztem Garten. All diese Bilder wirken wie Entwürfe für Stickereien oder Teppiche, sind vortrefflich als Buchschmuck oder Illustration. Rein als Bild betrachtet, sind sie doch mehr absonderlich, unklar und streifen oft an die Karikatur. Karel⸗-⸗ Szillar aus Prag bevorzugt blasse Gobelinfarben und eine rein flächige Behandlung. Die EE“ mit den beiden Frauen
Keiner der